IZA Compact - Oktober 2011

I Z A compact

Die Zukunft der Arbeit denken



IZA Prize 2011 f?r Migrationsforscher George Borjas und Barry Chiswick

Preistr?ger unterstreichen Notwendigkeit von selektiver Zuwanderungspolitik

Bereits zum zehnten Mal verlieh das IZA im August 2011 seinen renommierten IZA Prize in Labor Economics, den weltweit wichtigsten Wissenschaftspreis in der Arbeitsmarktforschung. Die diesj?hrigen Preistr?ger George J. Borjas (Harvard University) und Barry R. Chiswick (George Washington University) haben mit ihren wegweisenden Arbeiten die ?konomische Analyse von Migrationsbewegungen und den Auswirkungen von Immigration auf die Gesellschaften der Aufnahmel?nder ma?geblich gepr?gt. Das IZA-Preiskomitee verweist in seiner Begr?ndung zudem auf den hohen Praxisbezug der Arbeiten beider Wissenschaftler und die besondere Aktualit?t ihrer Forschungsschwerpunkte vor dem Hintergrund wachsender internationaler Arbeitsmobilit?t (vollst?ndiger Wortlaut der Preisbegr?ndung auf Seite 3).

Nach Festveranstaltungen in Berlin, Bonn, Washington und Denver fand die Preis-

verleihung erstmals in der norwegischen Hauptstadt Oslo statt. Dort waren Ende August zahlreiche ?konomen aus aller Welt zur Jahrestagung der European Economic Association (EEA) und dem Econometric Society European Meeting (ESEM) zusammengekommen. Die norwegische Arbeitsministerin Hanne Bjurstr?m begr??te die Wahl Oslos als Ausrichtungsort der IZA-Preisverleihung, ?bermittelte ihre Gl?ckw?nsche an die Preistr?ger und w?rdigte die Beitr?ge des IZA zur Erforschung der globalen Arbeitsm?rkte.

Im Vorfeld des Festakts stellte Andrew J. Oswald (Senior Advisor Research, IZA) die neu erschienenen Beitr?ge zur IZA Prize Book Series vor, in der das IZA in Kooperation mit Oxford University Press die wichtigsten Forschungsergebnisse seiner Preistr?ger versammelt. Allein in diesem Jahr sind mehrere Neuerscheinungen auf den

IZA-Preistr?ger George Borjas und Barry Chiswick mit IZA-Direktor Klaus F. Zimmermann

Oktober 2011 >> In dieser Ausgabe

Themenschwerpunkt Migration

Punktesystem f?r Deutschland

Das IZA hat einen detaillierten Vor-

schlag f?r eine aktive Steuerung der

Arbeitsmigration nach Deutschland

vorgelegt.

Seite 4

Integration im Europ?ischen Vergleich

Eine IZA-Studie deckt Defizite bei

der Integration von Zuwanderern in

der EU auf.

Seite 7

illegale Migration

Ein IZA-Forschungsprojekt unter-

sucht Ursachen und Mechanismen

des internationalen Menschenhan-

dels.

Seite 7

Expertentagung in Washington

Im Verlauf des achten Annual Migra-

tion Meetings des IZA wurden aktu-

elle Fragen der Migrationsforschung

kontrovers diskutiert.

Seite 8

Verhaltens?konomie

Vorgegebene Standardwerte beein-

flussen das menschliche Entschei-

dungsverhalten.

Seite 11

EALE Bonn Conference

20 - 22 September

2012

IZA richtet EALE 2012 aus Vom 20. bis 22. September 2012 wird das IZA in Bonn Gastgeber der Jahreskonferenz der European Association of Labour Economists (EALE) sein. Die gr??te europ?ische ?konomentagung findet damit erstmals seit 1999 wieder in Deutschland statt. IZA und EALE bereiten ein hochkar?tiges Konferenzprogramm f?r mehrere hundert Teilnehmer aus aller Welt vor. Bis zum 1. Februar 2012 k?nnen Forschungsarbeiten zur Pr?sentation eingereicht werden. eale2012

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IZA Prize 2011

Markt gekommen, weitere B?nde stehen kurz vor der Ver?ffentlichung. Auch die frisch geehrten Preistr?ger Borjas und Chiswick werden f?r die IZA Prize-Buchreihe exklusiv ihre zentralen Studien zu den Determinanten des Integrationserfolgs von Zuwanderern und den Aspekten einer aktiven Steuerung des Zuzugs von Fachkr?ften zusammenfassen.

Pissarides nahm zudem gemeinsam mit Borjas und Chiswick an einer von IZA Senior Research Associate Amanda H. Goodall moderierten Diskussionsrunde zu k?nftigen Fragestellungen der Migrationsforschung teil. Als Vertreter des IZA-Preiskomitees war au?erdem Richard Portes (London Business School; Pr?sident, CEPR) auf dem Podium vertreten.

IZA-Direktor Klaus F. Zimmermann begr??te die geladenen G?ste der Preisverleihung und hielt die Laudatio auf die Preistr?ger. Er verwies dabei unter anderem auf die starken Bez?ge zwischen den For-

Die Diskussion verdeutlichte die gro?en Herausforderungen f?r die Migrations?konomie gerade angesichts der wachsenden Bedeutung von intelligenten Steuerungsmechanismen zur Bew?lti-

Richard Portes, George Borjas, Amanda Goodall, Barry Chiswick, Christopher Pissarides

schungsarbeiten von Borjas und Chiswick und den Aktivit?ten des IZA auf diesem Fachgebiet. Chiswick z?hlt zu den besonders eng mit dem IZA kooperierenden Arbeits?konomen und koordinierte ?berdies bis 2011 den IZA-Forschungsschwerpunkt Migration. Zahlreiche Studien von IZA-Wissenschaftlern sind in Fragestellung und Methodik nicht zuletzt von den wegweisenden Arbeiten Chiswicks und Borjas' beeinflusst. ,,Das IZA hat beiden Grandseigneurs der Migrationsforschung viel zu verdanken. Ihre durchaus streitbaren Arbeiten sind eine stete Quelle der Inspiration f?r Wissenschaft und Politik", so Zimmermann.

Als amtierender Pr?sident der EEA sprach auch Christopher A. Pissarides (London School of Economics) zu den G?sten der Veranstaltung. Gemeinsam mit Dale T. Mortensen hatte er schon 2005 den IZAPreis erhalten, bevor beiden ?konomen im vergangenen Jahr auch der Nobelpreis f?r Wirtschaftswissenschaften verliehen wurde. Ihr vor wenigen Monaten publizierter Teilband der IZA Prize-Buchreihe ist ihre erste gemeinsame Ver?ffentlichung nach Annahme des Nobelpreises.

gung von Fachkr?ftemangel und demograf ischem Wandel. Erst j?ngst hat sich das IZA hierzu mit der Erarbeitung eines konkreten Vorschlags f?r ein Punkte-Auswahlsystem f?r Deutschland klar positioniert (siehe Beitrag auf Seite 4). ,,Das IZA m?chte mit der W?rdigung der Lebenswerke von Borjas und Chiswick zugleich auch ein Signal zur weiteren Intensivierung von Forschungsarbeiten auf diesem immer wichtigeren Teilgebiet der Arbeits?konomie setzen. Die Bestandsaufnahme der aktuell praktizierten internationalen Zuwanderungsmodelle zeigt, dass es hier allgemein noch deutlichen Verbesserungs- und Beratungsbedarf gibt", res?mierte Zimmermann.

Ein kurzes Video zur IZA-Preisverleihung in Oslo ist online abrufbar:

user/IZABonn

Der IZA Prize 2012 wird im Rahmen der n?chsten Jahrestagung der European Association of Labour Economists (EALE) verliehen, deren Gastgeber das IZA in Bonn sein wird.

IZA Prize Book Series

Dale T. Mortensen Christopher A. Pissarides Job Matching, Wage Dispersion, and Unemployment ISBN 978-0-19-923378-6

Richard Layard Stephen J. Nickell Combatting Unemployment ISBN 978-0-19-960978-9

Richard A. Easterlin Happiness, Growth, and the Life Cycle ISBN 978-0-19-959709-3

David Card Alan B. Krueger Wage, School Quality, and Employment Demand ISBN 978-0-19-969338-2

Edward P. Lazear Inside the Firm Contributions to Personnel Economics ISBN 978-0-19-969339-9

Pedro N. Teixeira Jacob Mincer A Founding Father of Modern Labor Economics ISBN 978-0-19-921131-9

Orley C. Ashenfelter Labor Policy Evaluation and the Design of Natural Experiments (erscheint 2012)

Francine D. Blau Gender Inequality (erscheint 2012)

Richard B. Freeman Making Europe Work (in Vorbereitung)

George J. Borjas Barry R. Chiswick Immigration and the Labor Market (in Vorbereitung)

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IZA Prize 2011

Preisbegr?ndung des IZA-Preiskomitees

In Anerkennung ihrer fundamentalen Forschungsbeitr?ge zur ?konomischen Analyse von Migration wird der IZA Prize in Labor Economics 2011 an George J. Borjas (Harvard University) und Barry R. Chsiwick (George Washington University) verliehen. Mit ihren wegweisenden Arbeiten haben Borjas und Chiswick die ?konomische Beurteilung von Migrationsbewegungen, der Integration von Immigranten sowie der Auswirkungen von Immigration auf die Arbeitsm?rkte und Sozialsysteme der Aufnahmel?nder entscheidend voran gebracht. In einer Zeit weltweit wachsender Mobilit?t, in der Unterschiede in der einzelstaatlichen Wirtschafts- und Arbeitsmarktleistung unmittelbaren Einfluss auf das Wanderungsgeschehen nehmen und Antworten der Migrationspolitik erfordern, liefern die Erkenntnisse von Borjas und Chiswicks Wissenschaft und Politik wertvolle Einsichten in die Mechanismen von Migration und Integration. Das Werk beider ?konomen zeichnet sich durch anregende Fragestellungen, ?berzeugende theoretische und empirische Analyse und einen starken Politikbezug aus.

Barry R. Chiswick gilt seit seiner bahnbrechenden Studie ,,The Effect of Americanization on the Earnings on Foerignborn Men", die 1978 im Journal of Political Economy ver?ffentlicht wurde, als Pionier der ?konomischen Analyse von Immigration. Indem er den Stellenwert von Humankapital in das Zentrum seiner Messungen von Immigranteneinkommen stellte und den Integrationserfolg von Immigranten mit dem Instrumentarium intuitiv verst?ndlicher ?konomischer Regeln evaluierte, lieferte er den Analyserahmen f?r die sp?tere Forschung ?ber die ?konomischen Anpassungsprozesse bei Immigranten. Chiswicks gro?es Verdienst ist es, den Bereich der Migrationsforschung durch seine Forschungsarbeiten zu einem vollwertigen und bis heute besonders innovativen Bereich der Arbeits?konomie aufgewertet zu haben. Seine Studie von 1978 bildete den Ausgangspunkt f?r eine grundlegende Diskussion ?ber den Arbeitsmarkterfolg von Immigranten relativ zu Einheimischen und dessen Einflussgr??en. Der von ihm entwickelte Humankapitalansatz erlaubt ein besseres Verst?ndnis der Relevanz von Ausbildungserfolgen von Immigranten, Unterschieden in der Assimilation zwischen ethnischen Gruppen sowie der Konzentration von Immigranten in bestimmten Berufszweigen.

In gleicher Weise wie Chiswick z?hlt auch George J. Borjas zu den gro?en Pionieren der ?konomischen Migrationsforschung. Seine wegweisende Studie ,,Assimilation, Changes in Cohort Quality, and the Earnings of Immigrants", ver?ffentlicht 1985 im Journal of Labor Economics, lieferte erstmals Aufschluss ?ber die Wirkung unterschiedlicher Charakteristika von Immigranten auf die Geschwindigkeit der ?konomischen Anpassungsprozesse und Einkommensangleichung. Durch einen Vergleich verschiedener Zuwandererkohorten konnte er zeigen, dass erst L?ngsschnittstudien anhand entsprechender Datens?tze zuverl?ssige Aussagen ?ber den Integrationserfolg zulassen und die Identifikation von der Eingliederung besonders zutr?glichen Kriterien gestatten. Schon seine fr?he Studie lieferte dabei Aufschluss ?ber den hohen Stellenwert von Qualifikation und Spracherwerb f?r eine nachhaltige ?konomische Assimilation. Ebenso wie Chiswick unterstreicht Borjas damit, wie ma?geblich die Gestaltung von Migrationspolitik Einfluss auf die Arbeitsmarktintegration von Zuwanderern nehmen kann.

Der Bedeutung von Sprachkenntnissen f?r den Integrationserfolg von Migranten hat auch Barry R. Chiswick gro?e Aufmerksamkeit im Verlauf seiner Forschungst?tigkeit gewidmet. Er entwickelte ein umfassendes theoretisches Analysemodell, das er im weiteren Verlauf mit den Arbeitsmarktdaten zahlreicher L?nder erfolgreich empirisch anwandte. Sein wichtiges gemeinsames Buch mit Paul W. Miller ,,The Economics of Language" (2007) hat zu einem verbesserten Verst?ndnis der Bedingungen und Auswirkungen von Spracherwerb und Integrationsprozessen von Einwanderern gef?hrt. Anhand der empirischen Verkn?pfung von linguistischem Kapital und sozialem Aufstieg unterstreicht Chiswick die Bedeutung von Bildung und Sprachkenntnissen f?r die sozio?konomische Mobilit?t.

George J. Borjas hat die Migrationsforschung um Fragestellungen bereichert, die f?r die Evaluation der Auswirkungen von Migration und eine aktive Gestaltung der Migrationspolitik gleicherma?en wichtig sind. So richtete sich sein Forschungsinteresse insbesondere darauf zu ergr?nden, wie Immigranten die Bev?lkerung des Aufnahmelandes beeinflussen und welche Bev?lkerungsgruppen dabei potenziell besonders starken Einfl?ssen unterliegen. Seine empirischen Beobachtungen haben einen sehr viel differenzierteren Blick auf diese Fragen erm?glicht. Borjas' grundlegende Beitr?ge bieten einen koh?renten theoretischen und empirischen Rahmen, in dem Wohlfahrts- und Verteilungseffekte von Zuwanderung untersucht werden k?nnen. Nicht zuletzt seine einflussreichen B?cher, darunter der Band ,,Heaven's Door: Immigration Policy and the American Economy" (1999), haben dazu beigetragen, dass Migration mittlerweile auf der politischen Agenda vieler L?nder weit oben steht.

Der immense Beitrag beider Forscher liegt auch in ihrem empirischen Scharfsinn und tiefem Verst?ndnis der verwendeten Daten. Sie warfen Fragen ?ber die Aussagekraft vorhandener Daten auf, entwickelten neue Analysetechniken und stellten die Bedeutung hochqualitativer Daten auf Mikroebene f?r die Untersuchung wichtiger politischer Themen heraus. George J. Borjas und Barry R. Chiswick haben mit ihrem Werk und dessen innovativen Ans?tzen weltweit Nachfolger gefunden und neue Studien angeregt. Ihre Arbeit war ein Vorbild f?r viele Wissenschaftler und dar?ber hinaus die Basis f?r ein rasantes Wachstum des ?ffentlichen Interesses an der ?konomischen Migrationsforschung. Der IZA Prize in Labor Economics w?rdigt das Werk zweier au?ergew?hnlicher Wissenschaftler, die unser Wissen um einen der wichtigsten Bausteine der modernen Arbeitsm?rkte vertieft haben.

Prof. George A. Akerlof University of California, Berkeley; IZA

Dr. Marco Caliendo IZA

Prof. Richard Portes London Business School; CEPR

Prof. Jan Svejnar University of Michigan; IZA

Prof. Klaus F. Zimmermann IZA; Universit?t Bonn

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IZA Forschung

Den europ?ischen Arbeitsmarkt st?rken ? Fachkr?fte-Zuwanderung aktiv steuern

IZA entwickelt umfassendes Punktesystem f?r Deutschland

Europa steht vor gro?en Herausforderungen, die die Arbeitsm?rkte zentral betreffen. Krisenhafte Entwicklungen etwa in Griechenland, Spanien oder Portugal stehen im Kontrast zu eher g?nstigen Arbeitsmarktperspektiven in Skandinavien und zur Zeit vor allem auch in Deutschland, wo die mutigen Reformen der j?ngeren Vergangenheit greifen. Gegenw?rtig besteht die Gefahr, dass eine dramatisch hohe Jugendarbeitslosigkeit wie in Spanien und Griechenland die Zukunftsaussichten einer ganzen gut ausgebildeten Generation dort massiv eintr?bt. Selbst rasch eingeleitete Arbeitsmarktreformen w?rden ihre Chancen erst mittelfristig aufhellen. Umgekehrt werden gerade in Deutschland Fachkr?fte sowohl mit hoher akademischer Qualifikation als auch im mittleren Qualifikationssegment allm?hlich knapp. Dies unterstreicht einmal mehr die gro?e Bedeutung von Arbeitsmobilit?t innerhalb der Europ?ischen Union. Eine bessere grenz?berschreitende Verteilung von Fachkr?ften kann einen ma?geblichen Beitrag zur Stabilisierung des Wirtschaftsstandorts EU leisten und diejenigen Staaten von Arbeitslosigkeit entlasten, die von der Eurokrise derzeit besonders betroffen sind.

Die deutsche Bundesagentur f?r Arbeit hat mit ersten Initiativen zur Gewinnung von Fachkr?ften aus den Krisenstaaten den richtigen Weg eingeschlagen. Es geht nicht darum, Griechenland, Spanien oder Portugal seiner ,,besten K?pfe" zu berauben, sondern daf?r zu werben, dass junge Menschen vor?bergehend in Deutschland arbeiten, statt in der Heimat arbeitslos zu sein. Das Instrument der Arbeitnehmerfreiz?gigkeit allein reicht, wie die Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, nicht aus, um Arbeitsmobilit?t im hinreichenden Umfang zu f?rdern. Traditionell ist die Bereitschaft zu grenz?berschreitender Mobilit?t unter Westeurop?ern eher gering, und hinzu kommt im Falle Deutschlands die Sprachbarriere. Auch das starke Nord-S?d-Wohlstandsgef?lle im Europa der 1960er Jahre h?tte ohne die massiven Anwerbeaktionen Deutschlands kaum zu einem intensiven Gastarbeiterzuzug gef?hrt. Deshalb ist es rational, wenn Unternehmensverb?nde und Bundesagentur nun auch vor Ort um qualifizierte Zuwanderer werben, ?ber die attraktive Arbeitsmarktkonstellation in Deutschland informieren und dabei auch die M?glichkeiten des Spracherwerbs aufzeigen. Sinnvoll w?re es ?berdies, wenn die EU endlich l?nder?bergreifende Online-Stellenb?rsen einrichten

w?rde, um die erheblichen Informationsbarrieren zu ?berwinden.

Wenn auf diese Weise die Arbeitsmobilit?t innerhalb der alten EU zunehmen w?rde, w?ren davon im Sinne einer besseren Ressourcenallokation deutliche grenz?berschreitende Wohlfahrtsvorteile zu erwarten. Zugleich w?rde dem Risiko entgegen gewirkt, dass sich junge S?deurop?er aufgrund schlechter Perspektiven f?r einen noch gr??eren Schritt entscheiden und Europa in Richtung der klassischen Einwanderungsl?nder verlassen. F?r die k?nftige wirtschaftliche Entwicklung in der EU ist es von erheblicher Bedeutung, die Abwanderung der ,,eigenen" Fachkr?fte zu vermeiden und sich gleichzeitig verst?rkt als Zielregion f?r qualifizierte Zuwanderer aus Drittstaaten zu etablieren.

Transparentes Auswahlund Quotensystem

Deutschland ist gut beraten, auch in letzterer Hinsicht die Initiative zu ?bernehmen. Ein etwaiger zus?tzlicher Zuzug von EU-B?rgern wird das durch den demografischen Wandel hervor gerufene Knappheitsproblem kaum l?sen. Der Bedarf an qualifizierter Zuwanderung wird in den kommenden Jahren ohne entsprechende Politikma?nahmen mit hoher Wahrscheinlichkeit weit jenseits der tats?chlichen Zuzugszahlen liegen. Hinzu kommt, dass die gegenw?rtige deutsche Zuwanderungspolitik keine Auswahl von Zuwanderungsbewerbern anhand von Qualifikationsmerkmalen und anderen Kriterien zul?sst. Mit anderen Worten: Weder in quantitativer noch in qualitativer Hinsicht wird Zuwanderung unter den gegenw?rtigen Bedingungen einen substanziellen Beitrag zur Linderung des Fachkr?ftebedarfs leisten k?nnen. Die Akzeptanz der Zuwanderungspolitik leidet ferner unter mangelhafter Berechenbarkeit ? der Umfang der Zuwanderung wird eben nicht gesteuert, und damit fehlt eine verl?ssliche Einsch?tzung dar?ber, wie viele Zuwanderer innerhalb eines Zeitraums einreisen.

Deshalb pl?diert das IZA seit Jahren nachdr?cklich daf?r, die deutsche Zuwanderungspolitik durch die Einf?hrung eines transparenten und berechenbaren Auswahl- und Quotensystems f?r qualifizierte Zuwanderer st?rker an ?konomischen Gesichtspunkten zu orientieren. Auf diese Weise kann auch stark schwankenden

wirtschaftlichen Konstellationen gezielt Rechnung getragen werden. Im Auftrag des Staatsministeriums f?r Wirtschaft, Arbeit und Verkehr des Freistaats Sachsen hat das IZA hierzu ein umfassendes Konzept entwickelt. Eine Differenzierung zwischen permanenter und tempor?rer Arbeitsmigration ist Ausgangsbasis des vom IZA entwickelten Systems. Die Arbeitsm?rkte sind zunehmend von schwankenden Bedarfslagen gekennzeichnet, die Bedeutung befristeter Wanderungsentscheidungen nimmt zu, und es treten neue Formen von Kettenund zirkul?rer Migration auf. Es ist deshalb ein Konzept erforderlich, das permanente und tempor?re Arbeitsmigration in einem separaten Verfahren regelt, um den unterschiedlichen Anforderungen an die jeweilige Zielgruppe gerecht zu werden. Wesentlicher Bestandteil des Systems muss das Bestreben sein, Hochqualifizierte mit akademischer Ausbildung und Fachkr?fte der mittleren Qualifikationsstufen zu gewinnen. Auf beiden Ebenen ist zuk?nftig mit wachsenden Engp?ssen zu rechnen, die das Bildungssystem nicht wird auffangen k?nnen. Gleichzeitig muss das Konzept darauf hinwirken, einfach qualifizierte oder ungelernte Arbeitsmigration aus Drittstaaten stark einzuschr?nken oder zu vermeiden.

Die traditionellen Einwanderungsl?nder Australien und Kanada verf?gen ?ber einen gro?en Erfahrungsschatz bei der Strukturierung und kontinuierlichen bedarfsorientierten Anpassung von Punktesystemen f?r Zuwanderer. In ihrer derzeitigen Ausgestaltung werden die Systeme beider L?nder nicht ausschlie?lich zur Steuerung langfristiger Zuwanderung eingesetzt, sondern beinhalten teilweise Elemente zur Deckung eines kurzfristigen Zuwanderungsbedarfs aufgrund berufsspezifischer Nachfrage?bersch?sse nach Arbeitskr?ften. Obwohl auch Australien und Kanada in mancher Hinsicht vor die Problematik defizit?rer ?konomischer Integration gestellt sind, ist dies insgesamt in weitaus geringerem Ma?e der Fall als in L?ndern mit ungesteuerter Zuwanderung.

Neben den klassischen Einwanderungsl?ndern geht inzwischen auch eine wachsende Zahl von EU-Staaten dazu ?ber, die eigenen volkswirtschaftlichen Interessen st?rker in den Fokus ihrer Zuwanderungspolitik zu r?cken und sich dabei auch die Vorteile von Auswahlsystemen f?r Zuwanderer zunutze zu machen. So verf?gt etwa Gro?britannien inzwischen ?ber ein

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Punktesystem

Ein Punktesystem zur bedarfsorientierten Steuerung der Zuwanderung nach Deutschland

Verfahrensablauf im Drei-S?ulen-Modell (IZA-Konzept)

Gewichtung der Auswahlkriterien in verschiedenen Punktesystemen

Verfahrensablauf im Drei-S?ulen-Modell

gleichzeitig auch eine hohe ?konomische und damit auch soziale Integrationswahrscheinlichkeit implizieren. Deshalb kommt es bei dieser Zielgruppe nur nachgeordnet auf berufspezifische Kenntnisse oder ein Arbeitsplatzangebot an. Die Punktevergabe im Rahmen dieser S?ule gewichtet allgemeines Humankapital und eine akademische Ausbildung vergleichsweise hoch. Das Angebot richtet sich dabei auch an ausl?ndische Absolventen deutscher Hochschulen, an deren Verbleib im Land ein ?berragendes Interesse besteht.

Die zweite S?ule erm?glicht und steuert die Zuwanderung qualifizierter Fachkr?fte, die unterhalb der akademischen Qualifikation rangierende Ausbildungsabschl?sse und F?higkeiten mitbringen, f?r die ein mittel- bis langfristiger Bedarf bzw. Engpass zu erwarten ist. Die Akzentuierung der Punktevergabe weist deutliche Unterschiede zur ersten S?ule auf: So erhalten etwa berufsspezifische Qualifikationen in gefragten Berufsfeldern ein relativ hohes Gewicht. Au?erdem wird hier ein konkretes Arbeitsplatzangebot verlangt, um Fehlsteuerungen zu vermeiden.

Quelle: IZA Research Report No. 35

mehrgliedriges Punktesystem, das andere bis dahin geltenden Zuwanderungsm?glichkeiten abgel?st und einen noch st?rkeren ?konomischen Akzent gesetzt hat. Die Tatsache, dass aufgrund ung?nstiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen Teile des Modells zwischenzeitlich erneut reformiert oder ausgesetzt worden sind, spricht dabei nicht gegen das Konzept an sich, sondern unterstreicht die Flexibilit?t solcher Systeme. Zum Juli 2011 ist auch in ?sterreich ein Auswahlsystem f?r Zuwanderer in Kraft getreten, das deutliche Erleichterungen f?r den Zuzug von Einwanderern mit h?herer und mittlerer Qualifikation vorsieht, wobei f?r letztere Gruppe eine auffallend schlanke und unb?rokratische Form der Identifikation von Mangelberufen beabsichtigt ist.

Europ?ische Initiativen wie zuletzt die Blue Card k?nnen eine aktiv gestaltende deutsche Zuwanderungspolitik nicht ersetzen. Nicht zuletzt auf deutsches Betreiben ist die Blue Card in ihrer Attraktivit?t schon

vor Einf?hrung stark beschnitten worden und richtet sich jeweils nach dem geltenden nationalen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisrecht. Sie stellt damit faktisch keine wesentliche Verbesserung des europ?ischen Zuwanderungsrechts dar. Ein deutscher Vorsto? in Richtung eines Punktesystems w?rde auch der notwendigen St?rkung der Europ?ischen Union als Zielregion f?r gesuchte Fachkr?fte neue Impulse geben.

Drei-S?ulen-Strategie f?r dauerhafte und befristete Arbeitsmigration von Fachkr?ften

Den Kern des IZA-Modells bildet eine Drei S?ulen-Strategie (siehe Abbildung ). Die erste S?ule zielt auf die Steuerung der Zuwanderung Hochqualifizierter ab. Diese Gruppe verf?gt ?ber flexible und ?bertragbare Qualifikationen und F?higkeiten, die vor dem Hintergrund einer sich schnell wandelnden Wissensgesellschaft zunehmend an Bedeutung gewinnen, aber

In beiden F?llen honoriert das vorgeschlagene Punktesystem nicht nur deutsche Sprachkenntnisse, sondern schafft auch die M?glichkeit, mit guten Englischkenntnissen im Auswahlverfahren erfolgreich zu sein. Der Erwerb deutscher Sprachkenntnisse findet in diesem Fall ?ber die obligatorische Teilnahme an Integrationskursen statt, die gegen?ber heute st?rker auf die Belange des Arbeitsmarktes zugeschnitten werden m?ssen.

Das Konzept des IZA sieht ferner zwei Schwellenwerte vor und unterscheidet sich damit von international praktizierten Punktesystemen. Der niedrigere, international aber doch eher hoch angesetzte Schwellenwert (60% der maximal m?glichen Punkte) gibt eine Mindestpunktzahl vor, ab der ?berhaupt erst ein Zuwanderungspr?fverfahren in Frage kommen kann. Ein Rechtsanspruch auf Einreise ist damit nicht verkn?pft. Die Genehmigung der Zuwanderung richtet sich vielmehr nach Ma?gabe einer regelm??ig vorzugebenden H?chstquote. Innerhalb dieser Quotierung kommen jeweils nur die besten Bewerbungen zum Zug; nicht erfolgreiche Bewerbungen k?nnen im Rahmen der n?chsten Quote gegebenenfalls erneut ber?cksichtigt werden.

Neu ist ein zweiter, sehr hoch angesetzter Schwellenwert: Diejenigen Bewerber, die diesen Wert (80% der Maximalpunktzahl) ?berschreiten, erhalten ein sofortiges Daueraufenthaltsrecht, weil ihre Leistungs- und Integrationsf?higkeit besonders hoch zu bewerten ist.

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Vorschlag f?r eine Punkte-Auswahlsystem (IZA-Konzept S?ulen 1 und 2)

? IV ?

Punktesystem

Vorschlag f?r eine Punkte-Auswahlsystem

S?ule 1: Hochqualifizierte

/Berufsabschluss) ................................... 30 bis 50 Punkte* Abschluss eines Hochschul- oder Fachhochschulstudiums (B.A./B.Sc.) 30 Punkte Abschluss eines Hochschul- oder Fachhochschulstudiums (M.A./M.Sc.) 35 Punkte

(2) Sprachkenntnisse ......................................................................... bis zu 10 Punkte**

Gute bis sehr gute Deutschkenntnisse (mind. B1) Grundkenntnisse der deutschen Sprache (mind. A2) Gute bis sehr gute Englischkenntnisse (mind. B2)

10 Punkte 5 Punkte 5 Punkte

(3) Berufserfahrung ........................................................................... bis zu 10 Punkte

Berufserfahrung (pro Jahr)

2 Punkte

(4) Lebensalter...................................................................................bis zu 10 Punkte

Altersgruppe 21-39 Jahre Altersgruppe 40-49 Jahre

10 Punkte 5 Punkte

(5) Arbeitsplatzangebot ..................................................................... 10 Punkte

Nachweis eines Arbeitsplatzangebotes in Deutschland

10 Punkte

*/**

Abgeschlossene Berufsausbildung in Mangelberuf: Dringlichkeit AA 30 Punkte

Abgeschlossene Berufsausbildung in Mangelberuf: Dringlichkeit A 25 Punkte

Abgeschlossene Berufsausbildung in Mangelberuf: Dringlichkeit B Abgeschlossene Berufsausbildung in Mangelberuf: Dringlichkeit C

20 Punkte 15 Punkte

(2) Sprachkenntnisse ....................................................................... bis zu 15 Punkte***

Gute bis sehr gute Deutschkenntnisse(mind. B1) Grundkenntnisse der deutschen Sprache (mind. A2) Gute bis sehr gute Englischkenntnisse (mind. B1)

15 Punkte 8 Punkte 5 Punkte

(3) Berufserfahrung ......................................................................... bis zu 15 Punkte

Ausbildungsad?quate Berufserfahrung in Deutschland (pro Jahr) Ausbildungsad?quate Berufserfahrung (pro Jahr)

5 Punkte 2 Punkte

(4) Lebensalter................................................................................. bis zu 10 Punkte

Altersgruppe 21-39 Jahre Altersgruppe 40-49 Jahre

10 Punkte 5 Punkte

(5) Arbeitsplatzangebot ................................................................... 15 Punkte

Nachweis eines Arbeitsplatzangebotes in Deutschland

15 Punkte

Abschluss eine Studiums in Deutschland Lebenspartner: Einreise nach Deutschland

10 Punkte 5 Punkte

Lebenspartner: Einreise nach Deutschland

5 Punkte

Maximal erreichbare Punktzahl.......................................................... 100 Punkte Schwellenwert 1 (Zulassung zum Verfahren)...................................... 60 Punkte

Maximal erreichbare Punktzahl........................................................ 100 Punkte Schwellenwert 1 (Zulassung zum Verfahren).................................... 60 Punkte

scheint die zuverl?ssige Anwendung der teils noch in der Umsetzung befindlichen Vergleichsma?st?be jedoch Sprachen (GER).

Quelle: IZA Research Report No. 35

noch Schwierigkeiten bereitet. finieren. Die Dringlichkeit (AA/A/B/C) Sprachen (GER).

Die dritte S?ule erm?glicht tempor?re Zuwanderung zur Deckung eines kurzfristigen Zuwanderungsbedarfes aufgrund berufsspezifischer Nachfrage?bersch?sse nach Arbeitskr?ften. Im Rahmen dieser S?ule ist die Zuwanderung strikt befristet. Die Arbeitserlaubnis ist an ein Arbeitsplatzangebot gebunden und wird zun?chst f?r die Dauer des Arbeitsvertrages gew?hrt, jedoch maximal f?r 3 Jahre. Im Verlauf dieser Zeit ist eine Bewerbung im PunkteVerfahren m?glich. Von den Unternehmen, die eine offene Stelle mit einem tempor?ren Zuwanderer dieser Kategorie besetzen m?chten, wird eine Geb?hr erhoben.

Auch wenn auf lange Sicht von einem dynamisch wachsenden Zuwanderungsbedarf ausgegangen werden kann, sollte die Einf?hrung einer qualitativ und quantitativ steuernden Zuwanderungskomponente zun?chst mit bewusst niedrig angesetzten H?chstquoten agieren. Diese Strategie dient der Erprobung der gew?hlten Verfahren und muss deshalb auch so kommuniziert werden. Deutschland sollte gleichwohl nicht damit rechnen, schon in einer fr?hen Phase der Implementierung des Punktesystems auf ein gro?es Zuwanderungsinteresse der gesuchten Fachkr?fte zu sto?en. Das IZA schl?gt vor, in einer ers-

ten, zweij?hrigen Phase eine Gesamtquote f?r S?ule 1 und 2 des Modells in H?he von 100.000 Personen (je 50.000) zu fixieren, die im weiteren zeitlichen Verlauf sukzessive angehoben, bei Bedarf aber auch jederzeit gedrosselt werden kann. F?r die dritte S?ule sollte in einer Erprobungsphase zun?chst ein bewusst knappes Kontingent von 10.000-20.000 tempor?r einreisenden Arbeitsmigranten vorgegeben werden, das auf verschiedene zu erprobende Engpassdiagnosemodelle verteilt werden kann. Enge Quotierungen dienen auch dazu, die n?tigen Anreize f?r die betriebliche Ausbildung aufrecht zu erhalten.

Mit der Einf?hrung eines kombinierten Punkte- und Quotensystems w?re ein Beitrag zur Entb?rokratisierung verbunden. Eine Vielzahl von Einzelgesetzen und Verordnungen werden mit der Einf?hrung des Punktesystems hinf?llig. Damit entf?llt auch der b?rokratische Aufwand zu deren Handhabung in der Praxis. Zudem ist der hohe Aufwand im Rahmen der bisherigen Vorrangpr?fungen zugunsten inl?ndischer Arbeitnehmer nicht mehr erforderlich oder kann in die Form einer vereinfachten Globalpr?fung umgewandelt werden. Die Bearbeitung des einzelnen Zuwanderungsantrags l?sst sich dank des Punktesystems

weitgehend standardisieren und damit beschleunigen.

Der Erfolg eines solchen Konzepts h?ngt ma?geblich auch von seiner politischen Kommunikation und dem Bekanntheitsgrad des Zuwanderungsangebots im Ausland ab. Ein attraktives Online-Portal f?r Wanderungswillige sollte alle relevanten Informationen ?ber Zuwanderungsbedingungen und Integrationsperspektiven zusammenstellen, auch den Regionen Raum zur Selbstdarstellung geben und vor allem eine Selbsteinsch?tzung der eigenen Zuwanderungschancen erm?glichen. Der aus der Realisierung des Konzepts zu erwartende ?konomische Nutzen wird in jedem Fall umso gr??er sein, je besser es gelingt, den Kurswechsel Deutschlands international zu vermitteln.

Holger Hinte Ulf Rinne Klaus F. Zimmermann

Ein Punktesystem zur bedarfsorientierten Steuerung der Zuwanderung nach Deutschland

IZA Research Report Nr. 35 link/report35.pdf

RESEARCH REPORT SERIES

I Z A Research Report No. 35

Ein Punktesystem zur bedarfsorientierten Steuerung der Zuwanderung nach Deutschland (erstellt f?r das S?chsische Staatsministerium f?r Wirtschaft, Arbeit und Verkehr)

Holger Hinte Ulf Rinne Klaus F. Zimmermann

Juni 2011

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IZA Forschung

Defizite bei der Integration von Zuwanderern in der EU

Aktuelle IZA-Studie

Im Auftrag des Ausschusses f?r Besch?ftigung und soziale Angelegenheiten des Europ?ischen Parlaments hat das IZA in Kooperation mit Partnerinstitutionen eine Studie zur Situation von Immigranten in den Staaten der Europ?ischen Union erstellt. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen neben einem ?berblick zum Wanderungsgeschehen insbesondere der rechtliche Status und die Besch?ftigungssituation, Integrationshemmnisse etwa im Bildungsbereich, politische Einflussfaktoren und der Effekt der Zuwanderung auf Lohnentwicklung und Sozialstaat.

Die Studie weist insbesondere auf die in fast allen Staaten trotz inzwischen erreichter Fortschritte nach wie vor erheblichen Benachteiligungen in den Bereichen Bildung und Erwerbsbeteiligung hin. Deutlich wird, dass hier neben einzelstaatlichen und europ?ischen Politikinitiativen auch die Wissenschaft noch st?rker gefordert ist, zu verdeutlichen, welche Integrationskonzepte besonders erfolgversprechend sind.

Die Autoren pl?dieren unter anderem f?r eine Intensivierung von Antidiskriminierungsgesetzgebungen und zielgerichtetere Integrationskurse. F?r elementar erachten sie die zuletzt auch von der deutschen Bundesregierung angek?ndigten Verbesserungen bei der Anerkennung ausl?ndischer Bildungs- und Berufsabschl?sse.

Unter Federf?hrung von Werner Eichhorst, stellvertretender Direktor f?r Arbeitsmarktpolitik des IZA, waren an der Studie auch Experten der Fondazione Rodolfo DeBenedetti (fRDB), der Universit?t Mailand, des ?sterreichischen Instituts f?r Wirtschaftsforschung (WIFO) sowie des belgischen Forschungs- und Beratungsunternehmens IDEA Consult beteiligt.

Der vollst?ndige englische Text der Untersuchung ist auf den Internetseiten des Europ?ischen Parlaments als Download erh?ltlich und steht auch als IZA Research Report No. 40 (inkl. deutscher Kurzfassung) zur Verf?gung.

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Werner Eichhorst Corrado Giulietti Martin Guzi Michael J. Kendzia Paola Monti Tommaso Frattini Klaus Nowotny Peter Huber Barbara Vandeweghe

RESEARCH REPORT SERIES

I Z A Research Report No. 40

The Integration of Migrants and

its Effects on the Labour Market Based on a study conducted for the European Parliament under contract IP/A/EMPL/FWC/2008-002/C1/SC6 Copyright remains with the European Parliament

Werner Eichhorst (IZA) Corrado Giulietti (IZA) Martin Guzi (IZA) Michael J. Kendzia (IZA) Paola Monti (fRDB)

Tommaso Frattini (Universit? degli Studi di Milano) Klaus Nowotny (WIFO) Peter Huber (WIFO) Barbara Vandeweghe (IDEA Consult)

September 2011

The Integration of Migrants and its Effects on the Labour Market

IZA Research Report No. 40 link/report40.pdf

Internationaler Menschenhandel und illegale Migration

IZA-Forschungsprojekt

Das Thema Menschenhandel und illegale Migration steht im Zeitalter weltweiter Wanderungsbewegungen nicht zuf?llig auf der Agenda der internationalen Politik. Die Frage, wie politisches Entgegenwirken auf einzelstaatlicher und transnationaler Ebene erfolgreich gestaltet werden kann, besch?ftigt Regierungen in aller Welt ebenso wie internationale (Nichtregierungs-)Organisationen und Aktionsb?ndnisse. Dabei kann bislang noch zu wenig auf verl?ssliche empirische Untersuchungen zur?ckgegriffen werden. Bessere wissenschaftliche Analysen sind dringend erforderlich, um politische Ma?nahmen effizienter gestalten zu k?nnen.

Finanziert durch das Programm f?r transatlantische Forschungskooperation (TransCoop) der Alexander von Humboldt Stiftung, hat das IZA deshalb Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet koordiniert und ein internationales Forscherteam mit dem Thema befasst, dem Randall Akee (Tufts University), Arnab Basu (College of William and Mary), Arjun Bedi (Erasmus University Rotterdam), Nancy Chau (Cornell University), Melanie Khamis

(Wesleyan University, ehemals IZA) und Hilmar Schneider (IZA) angeh?rten.

Im Verlauf des Projekts konnten verschiedene Studien erarbeitet werden. Zun?chst wurde eine l?nder?bergreifende Matrix der Verbindungen im internationalen Menschenhandel erstellt, die sich ?ber den Zeitraum von 2000 bis 2009 erstreckt und auf der weltweit gemeldeten Anzahl von Menschenhandelsf?llen basiert. Besondere Aufmerksamkeit galt den Mittelsm?nnern und ihrer Rolle im Menschenhandel ? insbesondere bezogen auf ihre Verhandlungsmacht in Anbetracht mangelnder ,,offener" Konkurrenz und ihre transnationale Mobilit?t zwischen Herkunfts- und Ziell?ndern. Bessere Erkenntnisse gerade in dieser Hinsicht sind wertvoll f?r die Erarbeitung wirksamer Gegenma?nahmen im Rahmen internationaler politischer Zusammenarbeit. Auch die Auswirkungen ethnischer Konflikte auf die Intensit?t des Menschenhandels wurde untersucht. Ferner wurden im Verlauf des Projekts verschiedene methodische Ans?tze auf ihre Anwendbarkeit zum Studium der Mechanismen im Menschenhandel hin ?berpr?ft. So erscheint etwa

die Nutzung von aus der Physik entlehnten Gravit?tsmodellen, die einen Zusammenhang zwischen r?umlicher Distanz von Herkunfts- und Zielland und der Intensit?t des Menschenhandels herstellen, f?r k?nftige Studien vielversprechend. Auch die Entwicklung von Indikatoren zur Messung der Wanderungsbereitschaft k?nnte genaueren Aufschluss ?ber den ,,Markt" f?r Menschenhandel liefern.

Im Rahmen des Projekts wurde eine Reihe an Ver?ffentlichungen herausgebracht. In der Untersuchung ,,Transnational Trafficking, Law Enforcement and Victim Protection: A Middleman's Perspective" wird ein ?konomisches Modell zur Analyse des Menschenhandelproblems entwickelt und angewendet. Es zeigt, dass die Marktreaktion in Form von Menschenhandel auf ein Prostitutionsverbot in Herkunfts- und Ziell?ndern stark von der Kombination dreier Faktoren abh?ngt: der Elastizit?t der Nachfrage nach den Dienstleistungen der Opfer, der Verhandlungsmacht der Menschenh?ndler bez?glich ihres Anteils am erzielten Preis f?r das jeweilige Opfer, sowie der entsprechenden transnationalen Mobilit?t der Mittelsm?nner.

Institut zur Zukunft der Arbeit | I Z A COMPACT | Oktober 2011

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Annual Migration Meeting

Die Studie ,,Ethnic Fragmentation, Conflict, Displaced Persons and Human Traff icking: An Empirical Analysis" untersucht den negativen Einfluss ethnischer Konflikte auf das Wanderungs- und Fluchtgeschehen wie auch auf die Anf?lligkeit gegen?ber den Versprechungen von Menschenh?ndlern. Deutlich wird ein noch erheblicher Forschungsbedarf zur besseren Aufschl?sselung der Wechselwirkungen im Einzelnen. Eine weitere Arbeit bewertet die Wichtigkeit multilateraler Kooperation beim Bem?hen den Menschenhandel einzud?mmen. Am Beispiel des Protokolls der Vereinten Nationen zur Verhinderung, Unterbindung und Bestrafung von Menschenhandel (Palermo-Protokoll) zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Ratifizierung des Protokolls und einem R?ckgang des Menschenhandels zwischen einzelnen Staaten.

Ein im Rahmen des Forschungsprojekts durchgef?hrter Workshop zeigte Querschnittseffekte zwischen den verschiedenen Formen legaler und illegaler Zuwanderung auf, die sich nicht zuletzt auch auf ?konomische oder politische Schocks in den Herkunftsl?ndern zur?ckf?hren lassen. Gegenstand der Diskussion waren zudem der Einfluss der EU-Osterweiterung auf die illegale Einwanderung, die verbreitete Ausbeutung illegaler Migranten auf den Arbeitsm?rkten der Ziell?nder sowie k?nftige interdisziplin?re Forschungsans?tze.

Die IZA-Homepage h?lt viele Pr?sentationen zum kostenlosen Download bereit.

link/LIITEP

Randall K. Q. Akee Arjun Bedi Arnab K. Basu Nancy Chau

Transnational Trafficking, Law Enforcement and Victim Protection: A Middleman's Perspective (mimeo)

Randall K. Q. Akee Arnab K. Basu Nancy Chau Melanie Khamis

Ethnic Fragmentation, Conflict, Displaced Persons and Human Trafficking: An Empirical Analysis (IZA Discussion Paper Nr. 5142)

Randall K. Q. Akee Arnab K. Basu Nancy Chau Melanie Khamis

Vulnerability and Trafficking (mimeo)

Fokus Migration: IZA versammelt internationale Experten in Washington

Das ,,Annual Migration Meeting" des IZA zur Diskussion aktueller Themen von Zuwanderung und Integration z?hlt zu den erfolgreichsten ,,Dauerl?ufern" des Instituts: Die achte Jahrestagung des IZA-Forschungsschwerpunkts Migration fand im Mai in Washington statt und bot einmal mehr ein Forum f?r den internationalen Wissensaustausch auf diesem wichtigen Teilgebiet der Arbeits?konomie. Eingebunden war die Veranstaltung erneut in die ,,Migration Topic Week", in deren Verlauf das IZA verschiedene Veranstaltungsformate an einem Ort b?ndelt und den teilnehmenden Wissenschaftlern so die Gelegenheit zum besonders intensiven fachlichen Diskurs verschafft.

?ber 50 Experten nahmen auf Einladung des IZA an den Veranstaltungen in der amerikanischen Hauptstadt teil. Die inhaltliche Federf?hrung lag bei den IZAProgrammdirektoren Amelie F. Constant (zugleich Executive Director des DIW DC) und Barry R. Chiswick (George Washington University). Sie sorgten f?r ein sehr breites thematisches Spektrum, das von den Anpassungsprozessen der Migranten auf den internationalen Arbeitsm?rkten bis zu Fragen der kulturellen Integration reichte.

Wanderungsbewegungen und illegale Migration

Traditionell bildet die Julian Simon Lecture (benannt nach dem gro?en Pionier

der Migrationsforschung) den H?hepunkt des IZA Annual Migration Meeting. Der diesj?hrige Referent Douglas S. Massey (Princeton University) beleuchtete das Thema der illegalen Migration in die USA und kritisierte die ,,destruktive" Politik Amerikas gegen?ber dieser Personengruppe. Er bezifferte die Zahl der ,,nicht-dokumentierten" Zuwanderer in den USA auf derzeit ?ber 11 Millionen. Sie machten damit rund 8 Prozent des Arbeitskr?ftepotenzials des Landes aus. Massey forderte die Obama-Administration dazu auf, dieses Potenzial zur St?rkung der amerikanischen Wirtschaftskraft zu nutzen und gesellschaftlich zu integrieren, statt es unter gro?em Aufwand ins Abseits zu dr?ngen, wo nur die Schattenwirtschaft profitiere. Im weiteren Verlauf der Veranstaltung wurde dieses Thema erneut aufgegriffen.

Linguere Mously Mbaye (CERDI, University of Auvergne) schl?sselte die Motivlagen f?r die Auswanderungsbewegungen aus dem Senegal auf. Hier zeige sich ein deutlicher Trend zu unterschiedlichen Zuwanderungskan?len f?r legale und illegale Migration: W?hrend legale Zuwanderung vor allem nach Frankreich und in die USA stattfinde, orientiere sich illegale Migration st?rker an geografischer N?he, wie sie im Falle Spaniens und Italiens gegeben sei. Bryan Roberts (Nathan Associates) hinterfragte die amtliche Statistik illegaler Migration in den USA. Anhand der Gr??enordnungen von R?ck?berweisungen mexikanischer Zuwanderer in Richtung

Douglas Massey

Heimat lieferte er Sch?tzungen ?ber die tats?chliche Zahl mexikanischer Zuwanderer in den USA und stellte fest, dass die amtliche Statistik offenbar entgegen verbreiteter Annahmen auf recht zutreffenden Kalkulationen beruht.

Silvio Rendon (Stony Brook University) lieferte ein Modell zur Absch?tzung der Wirksamkeit von Politikma?nahmen zur Beeinflussung der Wanderungsstr?me aus Mexiko in die USA, w?hrend B. Lindsay Lowell (Georgetown University) aktuelle Trends in der Entwicklung des amerikanischen ,,Gastarbeiterprogramms" f?r die Landwirtschaft analysierte. Die verst?rkte Zuwanderung ?ber diesen Kanal scheint weniger eine Reaktion auf ein versch?rftes Vorgehen gegen Illegalit?t als vielmehr Ausdruck von gestiegenem Bedarf und professionalisierter Mitarbeitergewinnung in diesem Arbeitsmarktsegment der USA zu sein.

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Institut zur Zukunft der Arbeit | I Z A COMPACT | Oktober 2011

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