S-nSieUSlcM



Helmut Schwab

61 Westcott Road

Princeton. NJ 08540

22. Januar 1993

SIEMENS

in den

U. S. A.

(2. korrigierte Auflage)

S-"SieUSl" - 0.1 -

Inhaltsverzeichnis:

Vorwort 2

Einleitung (von A. Wordell) 4

1847 bis 1886:

Geringe Aktivitaet bis Bekanntschaft mit Villard 5- 9

3. 1886 bis 1895:

Die Zeit der grossen Projekte 10- 37

4. 1895 bis 1908:

Auslaufen der S&H of America bis Neubeginn 38- 45

5. 1908 bis 1933:

Die Zeit des Bueros Dr. Frank und die Adlanco 46- 56

6. 1933 bis 1954:

Siemens Inc., 2. Weltkrieg, Buero Eisenberg 57- 64

7. 1954 bis 1970:

Die "Siemens N.Y.", dann "Siemens America",

schliesslich "Siemens Corporation" unter

v.d.Knesebeck 65- 77

8. 1970 bis 1977:

Die "Siemens Corporation" unter Dr. Otto Dax 78-101

9. 1977 bis 1982:

Die "Siemens Corp." unter Werner Zieler,

die "Siemens-Allis" unter Chester Diercks,

dann die "Siemens USA" 102-115

10. 1982 bis 1988:

Eine steigende Vielzahl von Siemens Companies

in den USA und der Presidents Council 116-139

Abschluss 140-151

Ausblick (von Dr. Zimmermann) 152-...

Schlusswort (von Dr. Sichlng) 153

1

S-"SieUSl"

- I -

Vorwort:

Geschichtliche Aenderungen ergeben sich aus grundsaetzlichen Veraenderungen, den Grundstroemungen der Entwicklung. Die Ereignisse werden dann oft von einzelnen Persoenlichkeiten, deren Gedanken, Handlungen, Worten, ausgeloest. Vieles davon ist befangen im Vorstellungshorizont, den Gewohnheiten, dem Verhalten der Zeit. Die Entwicklung wird aber auch von unvorhergesehenen Ereignissen beeinflusst, grossen und kleinen, mit oft weitreichender Wirkung. So bildet sich aus dem Zusammenwirken der Naturkraefte, der menschlichen Persoenlichkeiten und des Schicksals der immer wechselnde Ablauf der Geschichte.

Als interessierter Beobachter ist man an ein Fraktal-Bild erinnert. In immer feinerem Detail gehen die Wirbel der Entwicklung jeder in unterschiedlicher Richtung dahin. Dennoch ergibt sich, in immer groesseren Zusammenhaengen gesehen, eine Ausrichtung des grossen Stromes in der Zeit.

Als Mensch nimmt man Teil an den Hoffnungen, den Enttaeuschungen, der Leistung der Akteure und der Betroffenen im Ablauf der Geschichte. Man sieht sie alle, die fuehrenden Gestalten, einige von ihnen im Rueckblick nicht mehr so gross erscheinend, und andere, auf bescheidenen Posten, die erst im Rueckblick ihre wahre Groesse erkennen lassen. Man sieht die grossen Spekulanten und die soliden Erbringer dauernder Leistung, die Schlauen und die echt Klugen.

Als selbst Mitwirkender fragt man sich, ob es etwas aus der Geschichte zu lernen gibt, eine Frage die so alt ist, wie die Geschichtsschrei= bung selber und keine klare Antwort findet. Aber sieht man nicht Parallelitaeten zum selbst Erfahrenen, Wiederholungen von Fehlern und Erfolgsrezepten?

Es bleibt der unserer Kultur typische Wunsch, zu wissen und, mehr noch, Zusammenhaenge zu verstehen.

Viele von uns haben einen grossen Teil ihres Lebens, die "besten Jahre" der eigenen Leistung, der Firma Siemens gewidmet. Der Aufbau unseres Unternehmens in den USA, die Entwicklung unserer Firma von einem rein deutschen Unternehmen in ein "globales" (was es schon einmal in seinen Anfaengen war) sind vorrangige Aufgaben unserer Zeit.

So ist die Frage angebracht: Wie war die Entwicklung von Siemens in den USA in den 140 Jahren seit der Firmengruendung, in den 100 Jahren nach Gruendung des ersten eigenen Bureaus in den USA? Mehr als eine Chronologie von Geschaeftszahlen interessiert da: Was waren die Ziele, die Beweggruende, die Entscheidungsprozesse, die Chancen, die Probleme? Was gelang, warum, und was gelang nicht, und warum nicht?

Geschichte ist eben nicht nur Chronologie, sondern die dahinter stehenden grundsaetzlichen Entwicklungen, die denkenden und handelnden Menschen und die Schicksalsereignisse.

2

"SieUSl"

- II -

Das Schreiben der Geschichte von "Siemens in den USA" beruht auf einem Wunsch seitens des Siemens Archivs und Museums aus dem Jahre 1989. Dr. Goetzeler, zu der Zeit Leiter des Siemens Museums, wandte sich an den Verfasser, als dieser nach 12-jaehriger Taetigkeit fuer Siemens in den USA 1989 in den Ruhestand ging. Es war klar, dass es nicht auf eine Chronologie alleine, sondern auf ein Erfassen der Zusammenhaenge der Entwicklung ankaeme. Dem Verfasser war es wichtig, nicht nur eine Geschaeftsanalyse zu bringen, sondern immer wieder die beteiligten Menschen, ihre Persoenlichkeiten, ihre Leistung, ihr Schicksal in die Darstellung einzubeziehen, denn das ist ja das Leben.

In der Beurteilung der Faktoren, die die Geschaeftsentwicklung beeinflussten und, vor allem, in deren relativer Bedeutung zeigten sich nun wesentliche Unterschiede zwischen den Meinungen der verschiedenen Teilnehmer und Beobachter. Es gibt eben keine ganz objektive Geschichte. Selbst bei einer reinen Chronologie ergibt sich durch die Wahl der aufgefuehrten Ereignisse eine subjektive Perspektive. Es wurde nun versucht, durch eine grosse Anzahl von Interviews mit an der Entwicklung Beteiligten und Beobachtern eine moeglichst gute Balance der Perspektiven in der Darstellung zu erreichen.

Hier soll nun allen denen besonderer Dank ausgesprochen werden, die durch ihre Bereitwilligkeit zu den oft ausfuehrlichen Interviews zum Entstehen dieser Ausarbeitung beigetragen haben, von frueheren und dem gegenwaertigen Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Siemens AG, Vorstaenden und Direktoren bis zu den einfachen Mitarbeitern und Sachbearbeitern, die das Tagesgeschehen im Einzelnen mitgestalteten und davon berichteten.

Ganz besonderer Dank gilt den Herren, die sich der Muehe des Durchlesens von drei, immer umfangreicher werdenden Entwuerfen unterzogen und dann mit ausgezeichnetem Rat, Korrekturen und wertvollen Ergaenzungen zur Verbesserung derselben beitrugen: A. Wordeil, Dr. Decker und Dr. Goetzeler.

Dank gilt in besonderem Masse auch dem Siemens Archiv unter der Leitung von Dr. Schoen, das einen grossen Teil der historischen Dokumente und zeitweilig auch einen Arbeitsplatz in Muenchen zur Verfuegung stellte, mit aller Infrastruktur und der stets freundlichen und effizienten Hilfsbereitschaft aller Archiv-Mitarbeiter.

Princeton, den 28. September 1992 Helmut Schwab

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"SieUSl" - l.l -

1. Einleitung

(wird von Herr Wordeil geschrieben)

Einleitung

Vor einer Analyse der Rolle von SIEMENS In USA Ist es von Nutzen, die Rolle, die die Vereinigten Staaten von Nordamerika seit über 100 Jahren Tür den Rest der Welt spielen. In Erinnerung zu rufen und einen Blick auf die Entwicklung der Elektroindustrie In Deutschland und Großbrltanlen zu werfen.

Zweihundert Jahre nach der "landwirtschaftlichen Revolution" und hundert Jahre nach der "industriellen Revolution", die Großbritannien zur führenden Industrienation in der Welt machten, übernahmen die USA diese Führungsrolle und es begann um 1880 von den USA ausgehend das Zeitalter der industriellen Starkstromtechnik und der Elektrifizierung, als in in größerem Umfang elektrische Beleuchtungsanlagen und Kraftwerke gebaut wurden. Es begann damit der von der Elektrotechnik und der Chemie geprägte 3. Kondratieff-Konjunktur-Zyklus. In den beiden vorangegangenen Zyklen (Dampfmaschine und Textil-Industrie bzw. Eisenbahn und Stahl) waren die Wege der sich verbreitenden Technik eine Einbahnstraße von Großbritannien in die USA und auf den Kontinent gewesen.

In Deutschland (d.h. in den im deutschen Bund locker zusammengefassten 41 Staaten) und in Frankreich war bei diesem Transfer über den Ärmelkanal der Industrialisierungsprozeß ein halbes Jahrhundert später als in Großbritannien und auch später als in den USA in Gang gekommen.

Die Industrie in den USA profitierte davon, dass weltweit kein Markt so rasant wuchs wie der amerikanische Binnenmarkt. Die Erschließung der Territorien im Westen und im Süden hatten nach dem Bürgerkrieg eine enorme wirtschaftliche Dynamik in Gang gesetzt. Hinzukam das beispiellose Bevölkerungswachstum, das zu mehr als einem Viertel auf Einwanderung beruhte.

10 Jahre bevor die USA Großbritannien in der Stahlproduktion überholten und 25 Jahre bevor sie die Größenordnung der britischen Kohleförderung erreichten, wurden die USA bereits 1875 die größte Industrienation der Welt. Dieses Phänomen weist auf die Stagnation der britischen Industrie hin, die bei relativ geringen Wachtums-raten kaum noch Erweiterung* - oder Neu-Investitionen vornahm. Für die Industrie in aller Welt wurden die USA mit ihrem weiten Spannbogen zwischen gigantischer Rohstoffausstattung und peinlich genauen Messmethoden in der Massenproduktion das neue Leitbild in technisch-ökonomischen Fragen. In der amerikanischen metallverarbeitenden Industrie entstanden die Grundlagen für " Scientific Management and Efficiency". Taylor war der erste, der mit seinem "Fertigungskosten-System" die Buchführung um die betriebliche Buchführung des Material- und Arbeitskosten-Flusses im Fertigungsprozeß erweiterte. In USA begann die "Evolution of Management Thought" und die "Accounting Evolution". Begriffe wie: Standardkosten, Overheadkosten, Planung, Produktivität etc. fanden Eingang in die Betriebswirtschaft. Die unangefochtene Rolle des Lehrmeisters von "Management Wisdom" haben die USA mit Erfolg bis heute gespielt. Nach dem 2. Weltkrieg kamen,beginnend mit den 50er Jahren alle 10 Jahre neue Management-Philosophien über den großen Teich (ROI, MIS, direct costing, profitcenter, portfolio-management/Strate-gische Planung). Von den von 1967 bis 1987 verliehenen Nobelpreisen für Wirtschaft stellten die USA 15 Preisträger.

Deutschland hatte Frankreich nach dem Krieg von 1870/71 wirtschaftlich überrundet und konnte um die Jahrhundertwende den 2. Platz der Industrienationen einnehmen. In der metallverarbeitenden Industrie gab es im Deutschen Reich nach den Hauptergebnissen der Gewerbezahlung vom 1.12.1875 169, 383 Betriebe mit 419.752 Beschäftigten. Die Hälfte der Betriebe und ein Drittel der Beschäftigten waren Hufschmiede! Es gab 88 Betriebe für Telegrafen-Anlagen und -Apparate mit 1.157 Beschäftigten und 166 Betriebe für (Gas-)Beleuchtungsapparate und Lampen mit 3.355 Beschäftigten.

Die Starkstromtechnik bot in ihren Anfängen als Substitionstechnik für die Anwender keine neuen Lösungen sondern bessere Lösungen an, die in der Regel teurer waren. Die Konkurrenz zwischen zwei Lösungen hat häufig den technischen Fortschritt in beiden Bereichen stimuliert. Dies verzögerte einerseits die Elektrifizierung setzte aber andererseits den neuen Industriezweig von Anfang an unter Druck, die Kosten zu senken, zu rationalisieren, zu standardisieren und Produktivitätsfortschritte durch Mechanisierung und Massenproduktion zu erzielen. So entwickelte sich die Elektroindustrie zur bestausgerüsteten und und in Bezug auf die Anwendung der Elektrizität modernsten Branche im Vergleich zu den etablierten Industrien. Die Größe und das Wachstum des Marktes sowie die sehr früh und konsequent einsetzende Konzentration auf wenige bzw. ein Großunternehmen boten in den USA die idealen Voraussetzungen für ein gedeihen der Elektroindustrie unter den oben genannten Prämissen. Wiewohl die wichtigsten Erfindungen für die elektrische Beleuchtung deutschen Innovatoren wie Siemens, Hefner-Alteneck und Goebel gelangen, wurde die Marktführung von Anfang an von amerikanischen Firmen übernommen. Zu den grössten Herstellern entwickelten sich die Firmen von Charles F. Brush und Thomas A. Edison. Ähnlich war es bei dem in der zeitlichen Abfolge zweiten großen Betätigungsfeld der Starkstromtechnik - bei den elektrischen Straßenbahnen. Die erste elektrische Lokomotive (1879) und die erste elektrische Straßenbahnlinie (1881) machten S&H zum wichtigsten Innovator auf diesem Gebiet. Auch hier erfolgte der Durchbruch bei der Entwicklung und im Einsatz elektrischer Straßenbahnen in den USA. Um die Jahrhundertwende gab es in den USA über 20.000 km elektrischer Straßenbahnstrecken. In Europa hinkte man mit 7.000 km um 10 Jahre hinter der amerikanischen Entwicklung her. Weltweit waren zu diesem Zeitpunkt 90X aller elektrischen Sraßenbahnlinien nach den Patenten von Frank J. Sprague errichtet worden.

Der Bau von Beleuchtungs- und Verkehrs-Anlagen und der dafür erforderlichen Kraftwerke war mit einem großen Bedarf an Kapital bei den Betreibern aber auch bei den Herstellern verbunden. Die Elektroindustrie war um ihren Absatz zu fördern gezwungen in der unmittelbaren aktiven Finanzierung vor allem durch Lieferantenkredite mitzuwirken.

So erreichten die Debitoren der Deutschen Edison-Gesellschaft/später AEG und von Schuckert & Co. in den 80er und bis in die Mitte der 90er Jahre die Höhe der Jahresumsätze. Neben der Auftragsfinanzierung bis zur Inbetriebnahme der Anlagen gab es darüberhinaus zu Lasten der Lieferanten die Beteiligungsfinanzierung durch Zentralen in eigener Regie, Konsortialbeteiligungen und Effektenbeteiligungen. S&H schloss sich von diesen "Unternehmergeschäften" aus und sah lange Zeil die "Lichtgesellschaften" als Schwindelunternehmen und Spekulationsobjekte an. Die Folge war, dass sich in dem Jahrzehnt von 1890 bis 1900 die Starkstromumsätze bei S&H von 12 auf 32 Millionen

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Mark entwickelten während sich im gleichen Zeitraum die AEG-Umsätze von 11 auf 122 Millionen Mark mehr als verzehnfachten. Schuckert & Co. hatten bis zur Jahrhundertwende mehr Zentralen und Beleuchtungsanlagen auf dem Kontinent errichtet als AEG und S&H zusammen. Das Schwachstromgeschäft von S&H hatte sich nach einer Stagnation von 1890 bis 1897 durch eine Wiederbelebung in den Jahren 1897-1900 nur verdoppelt und damit kaum Mittel für eine Expansion im Starkstromgeschäft generieren können.

Die Abneigung des Familienunternehmens gegen die Rechtsform der AG mit der Möglichkeit der fremden Eigenkapitalzuführung hat in den entscheidenden beiden Jahrzehnten vor der Jahrhundertwende mit ihren großen Zuwachsraten und Unternehmens-Gründungen und -Konzentrationen den Einstieg in die neue Aera der Starkstromtechnik stark behindert. Beträchtliche Marktanteilsverluste auf dem Kontinent, die ungehinderte Eroberung des offenen Marktes in Großbritannien durch die USA-Firmen, der Verzicht auf ein angemessenes Engagement in den USA und der ungehinderte spektakuläre Aufstieg von der AEG und Schuckert & Co. in Deutschland waren die Folgen. Die Rechtsform der AG hatte in Deutschland durch die zum Teil betrügerischen AG-Pleiten in den Gründerjahren eine Rufschädigung davongetragen, die noch bis zur Jahrhundertwende bestand. So konnte man im Brockhaus 1901 unter dem Stichwort Aktiengesellschaft u.a. lesen:

"...bie Jlfctiengefellfchaft arbeitet wegen betf tomplijierten Berroal-lungtapparatef foftfpietiger ... ihr haftet eine geroiffe (Starrheit in ihren Bewegungen an, welche bem (Finjetunternehmen fremb ift. £>er (Flnjelunternebmer bringt für bie ................
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