3 - Psychodrama- Netz



1. EINLEITUNG

Thema dieser Arbeit ist die Evaluation ambulanter Psychodramatherapie von Abhängigkeitserkrankungen. Suchtmittelmissbrauch und Abhängigkeit stellen bedeutsame Fragestellungen mit großer gesundheitspolitischer Relevanz dar. Die Anzahl der direkt und indirekt Betroffenen sowie das Ausmaß der damit verbundenen Folgeprobleme für das Individuum und die Gesellschaft zeigen sich in Statistiken zum Alkoholkonsum und zur Prävalenz und Inzidenz von Alkoholmissbrauch sehr deutlich[1]. Unter Prävalenz versteht man in epidemiologischen Studien ein Maß für die Häufigkeit des Auftretens einer Gesundheitsstörung in einer definierten Population zu einem definierten Zeitpunkt oder einer definierten Zeitperiode. Die Inzidenzrate gibt die Anzahl der Neuerkrankungen in einem vorgegebenen Zeitraum an.

Abbildung 1: Prävalenz, Gesamtlebenszeitprävalenz und Inzidenz des chronischen Alkoholismus in

Österreich

Quelle: Uhl et al., 2002, S. 95

|  |Männer |Frauen |Männer und Frauen |

|Prävalenz |8% |2% |5% |

|(Zahl der Alkoholiker im Querschnitt) |der Jugendlichen und |der Jugendlichen und |der Jugendlichen und |

| |Erwachsenen  |Erwachsenen  |Erwachsenen  |

| |ab dem 16. Geburtstag |ab dem 16. Geburtstag |ab dem 16. Geburtstag |

| |ca. 265.000 Personen |ca. 65.000 Personen |ca. 330.000 Personen |

|Gesamtlebenszeitprävalenz |15% |5% |10% |

|(Zahl jener, die die Krankheit  |der Geborenen |der Geborenen |der Geborenen |

|im Laufe ihres Lebens durchmachen) | | | |

|Inzidenz |0.20% |0.05% |0.13% |

|(Neuerkrankungsrate  |der Bevölkerung |der Bevölkerung |der Bevölkerung |

|an chronischem Alkoholismus  |ca. 8.000 Personen |ca. 2.000 Personen |ca. 10.000 Personen |

|pro Jahr) | | | |

Die Prävalenz des chronischen Alkoholismus nach der International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD)-9[2] von 5% aller Österreicher ab dem 16. Lebensjahr entstand an Hand einer groben Schätzung unter Zuhilfenahme von Spitalsentlassungsdiagnosen, dem Anteil erstmals behandelter Alkoholiker am Anton-Proksch-Institut und einer Dunkelzifferabschätzung. Für das Jahr 2000 würde das bedeuten, dass 330.000 Österreicher als chronische Alkoholiker eingestuft werden müssen. Laut einer Statistik des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen konsumieren 13% der erwachsenen Österreicher längerfristig Alkoholmengen, die ein erhebliches Gesundheitsrisiko darstellen und rund 40% trinken Alkohol in einem Ausmaß, das von der Weltgesundheitsorganisation als gesundheitsgefährdend eingestuft wird (Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen (BMSG), 2001).

Ähnliche Zahlen liegen auch für andere Länder vor. Die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DG-Sucht oder DGSS) veröffentlicht jährlich Statistiken über den Verkauf und Konsum von Alkohol sowie Daten aus Beratungsstellen und Fachkrankenhäusern, die diesem Trend entsprechen. Nach wie vor stellt Alkoholmissbrauch in vielen Ländern ein zentrales Problem dar, dessen enorme volkswirtschaftliche Folgekosten gesellschaftliche Anstrengungen zur Prävention und Behandlung in großem Rahmen rechtfertigen. In die Berechnungen für die volkswirtschaftlichen Folgekosten fallen auch betriebliche Kosten wie z.B. Arbeitsausfälle, Produktionsverluste, Arbeitsunfälle sowie Qualitätsminderung; des Weiteren Kosten für medizinische und psychosoziale Behandlungen und Kosten für alkoholbedingtes delinquentes Verhalten wie Verkehrsunfälle (Süß, 1988). Neben den volkswirtschaftlichen sind die nicht in Geldeinheiten quantifizierbaren, intangiblen Kosten des Alkoholmissbrauchs ebenfalls beachtlich: die durchschnittliche Lebenserwartung von Alkoholikern verringert sich je nach Studie zwischen 10 und 28 Jahren, zahlreiche Unbeteiligte kommen bei alkoholverursachten Unfällen ums Leben, Defizite bei Kindern aus Alkoholikerfamilien sind in vielen Studien nachgewiesen worden (Michels 1996, Pihl & Bruce 1995, Stimmer & Müller-Teusler 1999, Wilson & Nagoshi 1988, Wilson & Orford 1978).

Vor dem Hintergrund der enormen Kosten, die die Behandlung Abhängiger verursacht, ist es nicht verwunderlich, dass laufend Diskussionen um eine Reduktion der durch diese Störungsgruppe verursachten Kosten im Gesundheitswesen geführt werden. In Deutschland versucht man im Zusammenhang mit der Therapie Abhängiger vor allem die stationären Behandlungsmaßnahmen, die den weitaus größten Teil der Behandlungskosten ausmachen, zu reduzieren. Aus diesem Grund sind Wirksamkeitsstudien, die sich auf die Effektivität der angebotenen stationären und ambulanten Maßnahmen beziehen, gefordert.

Für Österreich liegen derzeit noch keine Berechnungen der volkswirtschaftlichen Kosten des Alkoholmissbrauchs vor. Zur Verdeutlichung des Ausmaßes der Problematik soll folgende Statistik aus Kanada dienen, aus der auch die Kosten für die ambulante und stationäre Behandlung der Alkoholabhängigkeit ersichtlich sind.

Abbildung 2: Die Kosten des Alkoholkonsums (vom Verf. in € umgerechnet) pro Kopf und Jahr

Quelle: Single et al., 1997, in: Uhl et al. 2002, S. 175

| Art der Kosten |Relativ |Pro Kopf in € |

| |Einzeln |Kategorie |einzeln |Kategorie |

| | |17,3% | |28,78 |

|Direkte Kosten – Behandlungskosten: | | | | |

| allgemeine Krankenhäuser |8,9% | |14,75 | |

| psychiatrische Krankenhäuser |0,4% | |0,65 | |

| Komorbidität |1,0% | |1,6 | |

| Rettungsdienste |0,3% | |0,51 | |

| stationäre Pflege |2,4% | |4 | |

| ambulante Behandlung |1,1% | |1,82 | |

| Ärztegehälter |1,7% | |2,83 | |

| Medikamente |1,3% | |2,11 | |

| Andere Behandlungskosten |0,3% | |0,58 | |

|Direkte Kosten - Verluste am Arbeitsplatz: | |0,2% | |0,29 |

| betriebl. Präventions- u. Gesundheits- |0,2% | |0,29 | |

| Förderungsprogramme | | | | |

|Direkte Kosten administrativer Aufwand für Transferzahlungen: | |0,7% | |1,16 |

| Löhne |0,6% | |1,09 | |

|Direkte Kosten - Prävention und Forschung: | |1,9% | |3,12 |

| Prävention |1,6% | |0,51 | |

| Forschung |0,3% | |2,62 | |

|Direkte Kosten – Gesetzesvollzug: | |18,0% | |30,09 |

| Polizei |8,8% | |14,75 | |

| Gericht |4,0% | |6,76 | |

| Gefängnis und Bewährungshilfe |5,2% | |8,65 | |

|Andere direkte Kosten: | |6,9% | |11,48 |

| Feuerschäden |0,5% | |0,8 | |

| Schäden durch Verkehrsunfälle |6,4% | |10,68 | |

|Indirekte Kosten – verminderte Produktivität: | |55,0% | |91,64 |

| Produktivitätsausfälle durch Krankheit |18,6% | |30,96 | |

| Produktivitätsausfälle durch Tod |36,4% | |60,68 | |

|Gesamtkosten |100,0% |100,0% |166,64 |166,64 |

| | | | | |

Missbrauch und Abhängigkeit von Alkohol und anderen psychotropen Substanzen sind als autodestruktive Verhaltensweisen häufig mit Suizidalität verbunden. Sonneck (1995) bezeichnet Alkoholmissbrauch als chronischen Suizid. Der Zusammenhang zwischen Abhängigkeitsstörungen und Suizidalität zeigt sich sowohl in einer hohen Übersterblichkeitsrate[3] als auch in der Suizidrate bei den Betroffenen. Lesch (1985) veröffentlichte eine Katamnesestudie, in der während eines Beobachtungszeitraums von vier bis sechs Jahren 23 Prozent der Patienten gestorben waren. 3,5 Prozent durch Suizid, 1,8 Prozent an einer akuten Alkoholvergiftung, 13,8 Prozent an einer Alkoholfolgeerkrankung und 4,6 Prozent an anderen Erkrankungen. Je nach Studie wird in 25 bis 55 Prozent der Suizide ein Substanzmissbrauch nachgewiesen. Die Gründe für diese hohen Raten sind vielfältig: die kritische Einschätzung von Situationen wird ausgeschalten, Phänomene von Einengung und Ausweglosigkeit sind häufig vorhanden, soziale Beziehungen werden beeinträchtigt oder zerstört, häufig treten Probleme am Arbeitsplatz auf, die eigene Person wird zunehmend vernachlässigt, Impulsivität und Risikobereitschaft steigen. Von besonderer Bedeutung ist die Tatsache, dass sich im Verlauf einer Abhängigkeitserkrankung häufig schwere depressive Episoden entwickeln. Ein weiterer Faktor, der zur schlechten Prognose bei Störungen durch psychotrope Substanzen führt ist die mangelnde Compliance, die für Abhängige charakteristisch ist.

Die vorliegende Studie soll jedoch nicht nur auf das weit verbreitete Problem der Abhängigkeitserkrankungen und im Speziellen auf den Bereich Alkoholismus hinweisen, sondern vor allem auch einen Qualitätsnachweis der psychotherapeutischen Methode und Theorie des Psychodramas liefern. Psychotherapie soll dazu dienen, Menschen liebes- und arbeitsfähig zu machen – ein Anspruch, der gerade beim Störungsbild Abhängigkeit meist erst nach intensiven Bemühungen und vielen Rehabilitationsmaßnahmen erfüllt werden kann. Das Erbringen von Wirksamkeitsnachweisen für psychotherapeutische Maßnahmen unterliegt in hohem Maße dem öffentlichen Druck Ergebnisse zu liefern, die die Kosten dieser Interventionen rechtfertigen, aber auch ihre Qualität sichern. Psychotherapie ist jedoch mit herkömmlichen naturwissenschaftlichen Methoden nur unzureichend erforschbar, da meist hochkomplexe, nicht lineare und häufig nicht offensichtliche kommunikative Prozesse eine bedeutende Rolle spielen. Demgemäß sind auch die erforderlichen methodischen Vorgehensweisen äußerst komplex – eine Tatsache, die sowohl den organisatorischen als auch den finanziellen Aufwand solcher Studien hoch hält. Evaluationsforschung beschäftigt sich vor allem mit der Frage, ob und wie Nachweise zur Wirksamkeit therapeutischer Praxis gewonnen werden können, und welche Konsequenzen sich daraus für die Verbesserung der Therapieangebote in der Behandlungspraxis ergeben. Evaluationsforschung ist ein relativ junger Wissenschaftszweig, der von den USA in den sechziger Jahren ausgehend eine expansive Entwicklung genommen hat. In den USA wird Evaluationsforschung unter dem Titel Programmevaluation betrieben. Der Begriff Programm umfasst eine sehr breite Komponentenpalette wie z. B. die Programmträger, das Personal, das Klientel, die Tätigkeiten, die Hilfsmittel sowie die Ziele. Im Zentrum des Interesses stehen sowohl bei der Programmevaluation als auch in der Evaluationsforschung meist nicht der wissenschaftliche Aspekt, sondern praktische, sozial- und gesundheitspolitisch relevante Ergebnisse.

Die Psychodramatherapie stellt ein Verfahren dar, das in Österreich anerkannt ist, in Deutschland hingegen als nicht anerkannte Methode unter dem Druck steht, Wirksamkeitsnachweise erbringen zu müssen. Auch die Psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstelle (PSB) Sigmaringen, die die Daten für die vorliegende Untersuchung liefert, hat unter dem Stichwort Qualitätssicherung eine positive Kosten-Nutzen-Relation nachzuweisen. Die PSB Sigmaringen bietet in ihrem Einzugsgebiet ambulante Beratung und Behandlung für alle Personen mit psychosozialen Störungen unter dem Primärsymptom der Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängigkeit, sowie bei Essstörungen und bei stoffungebundenen Abhängigkeiten wie z. B. Kauf- und Spielsucht an. Weitere Aufgabengebiete sind die Prävention und die Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Abhängigkeitserkrankungen.

Die ambulante Behandlung von Abhängigen hat neben dem bereits erwähnten monetären Aspekt den Vorteil, den Betroffenen keine zusätzlichen Probleme in den Bereichen berufliche und soziale Integration, Autonomie und Vitalität durch die im Zuge einer Abhängigkeitserkrankung häufig praktizierte Langzeithospitalisierung zu bereiten. Auch Stigmatisierungsprozesse können durch ambulante Maßnahmen weitgehend vermieden werden. Diese Überlegungen machen die gesundheitspolitische Bedeutung von Evaluationsmaßnahmen im Bereich ambulante Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen unmittelbar ersichtlich.

Der empirische Teil dieser Arbeit basiert – wie bereits erwähnt – auf Daten, die von der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle Sigmaringen zur Verfügung gestellt wurden. Ursprünglich sollte die Datenerhebung nach einem randomisierten Kontrollgruppendesign in einem Katamnesezeitraum von einem bis fünf Jahre nach Behandlung erfolgen. Der Therapieerfolg sollte – operationalisiert über das Hauptkriterium Abstinenz sowie über die Zufriedenheit der Betroffenen in verschiedenen Lebensbereichen –. an Hand eines Vergleichs einer Gruppe von Abhängigen, die 6 Monate lang ambulant an einer psychodramatischen Gruppentherapie teilgenommen hatten, mit Patienten mit dem gleichen Störungsbild, die in derselben Zeit Einzeltherapie erhalten hatten oder keiner psychotherapeutischen Behandlung zugeführt wurden, analysiert werden. Im Vorfeld der Datenanalyse zeigte sich jedoch, dass keine Kontrollgruppendaten erhoben worden waren, was die Aussagekraft dieser Evaluationsstudie deutlich abschwächt. Im Zuge dieser Erkenntnis wurde der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit in Richtung Analyse relevanter psychodramatischer Praxisberichte verschoben.

Im ersten Teil der Arbeit werden theoretische Aspekte des Themas Abhängigkeit erläutert: geschildert werden die Symptome, die Ätiologie, Epidemiologie, der Verlauf und die Folgen von Abhängigkeitserkrankungen, die störungsspezifische Diagnostik sowie Interventions-, Therapie- und Präventionsmöglichkeiten.

Um eine Einschätzung der Möglichkeiten und Grenzen empirischer Studien im Allgemeinen und der vorliegenden Arbeit im Speziellen zu ermöglichen soll eine theoretische Einführung in das Thema Evaluationsforschung die gegenwärtig gängigen Modelle, Aufgabenstellungen und Probleme in diesem Bereich zusammenfassend darstellen. Der aktuelle Stand der Kenntnisse zur allgemeinen und differentiellen Wirksamkeit der Therapie von Abhängigkeitserkrankungen wird ebenfalls dargelegt.

Der zweite Teil bietet einen Überblick über die für die Arbeit mit Abhängigen relevanten Theorien, Prinzipien und Methoden der Psychodramatherapie. Es handelt sich dabei nicht um eine detaillierte theoretische Abhandlung, sondern um eine Zusammenfassung, die die wichtigsten psychodramatischen Theorien und Konzepte skizzieren soll, um ein leichteres Verstehen der praktischen Anwendung der psychodramatischen Methode im Bereich Abhängigkeit zu ermöglichen. Des Weiteren werden Ergebnisse und Schlussfolgerungen von Berichten aus der Praxis der psychodramatischen Arbeit auf diesem Gebiet geliefert. Die Darstellung des psychodramatischen Erklärungsmodells abhängigen Verhaltens sowie Hinweise auf Wirkfaktoren, Gefahren und spezielle Techniken in der Behandlung Abhängiger sollen Schlüsse in Bezug auf die Eignung des Psychodramas für die Behandlung Abhängiger zulassen. Spezielle Techniken des Psychodramas mit Beispielen aus der Arbeit mit Abhängigen runden dieses Kapitel ab.

Der darauf folgende Abschnitt stellt das Untersuchungsdesign und die Messinstrumente der Studie vor. Des Weiteren werden Einblicke in das Konzept, die Aufgaben und die Ziele der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle Sigmaringen sowie die konkrete Arbeit mit den Abhängigen geboten. Die Indikationskriterien für die ambulante Rehabilitation werden vorgestellt.

In Kapitel 5 folgt die Analyse und Darstellung der Ergebnisse. Methodologische Schwierigkeiten werden kritisch diskutiert.

Der letzte Abschnitt – Kapitel 6 der vorliegenden Arbeit – soll der Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse sowie der abschließenden Beurteilung der Eignung der psychodramatischen Methode im Arbeitsfeld Abhängigkeitsstörungen dienen. Auf Grund der methodischen Mängel in Bezug auf die Datenerhebung und das Untersuchungsdesign soll die Analyse der Erfahrungsberichte aus der psychodramatischen Praxis mit Abhängigen in der abschließenden Betrachtung ebenfalls Berücksichtigung finden.

2. THEORETISCHE PRÄMISSEN

2.1 Theoretische Überlegungen zu Abhängigkeit und Sucht

Eine bedeutende Grundlage für das Verständnis und die Therapie von Abhängigkeitserkrankungen stellt das ausreichende Wissen über die verschiedenen Formen von Abhängigkeit, ihre Ätiologie, Symptomatologie, den Verlauf und über mögliche sekundäre Störungen und Erkrankungen dar.

Im Folgenden sollen die wichtigsten Parameter im Zusammenhang mit abhängigem Verhalten beleuchtet und ein Einblick in die in diesem Kontext gängigsten diagnostischen Instrumente geboten werden.

2.1.1 Definitionen

Der definitorisch unscharfe Begriff Sucht leitet sich etymologisch von „siech“ (= krank) ab und hat eine Doppelbedeutung – Krankheit und Laster. Er bezeichnet ein unwiderstehliches Verlangen nach Zuständen des Erlebens und Fühlens, die durch bestimmte psychotrope Substanzen oder Verhaltensweisen herbeigeführt werden können. Charakteristisch im Zusammenhang mit Suchterkrankungen ist das Auftreten von körperlichen Entzugserscheinungen, die Tendenz zur Dosissteigerung und eine Veränderung der Persönlichkeit, die sich im Verlust von Wertvorstellungen, einer Wesensänderung oder einer Einengung der Persönlichkeit der Abhängigen äußern kann. Das Leben der Betroffenen zentriert sich progressiv immer ausschließlicher um die Sucht und deren Befriedigung. Schädigende Folgen im physischen, psychischen und sozialen Bereich kommen sehr häufig vor.

Zu den stoffgebundenen Süchten zählen Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängigkeit. Formen der stoffungebundenen Süchte sind unter anderem Arbeits-, Internet-, Börsen-, Sex-, Mager- und Spielsucht. Eine für die Entstehung von Sucht wichtige Voraussetzung ist die Gewöhnung, die als spezifische Reaktionsminderung nach Reizwiederholung zu verstehen ist. Die Entwicklung einer Suchterkrankung kann als eine dysfunktionale Anpassung betrachtet werden, die mit einer unzureichenden Problem- und Konfliktlösungskompetenz sowie einer Unfähigkeit, elementare Bedürfnisse zu befriedigen einhergeht.

1968 wurde von der World Health Organization (WHO) beschlossen, den Begriff der Sucht (drug addiction) durch den der Abhängigkeit (drug dependence) zu ersetzen. In den Klassifikationsschemata ICD-10 und DSM IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) wird der Begriff Sucht nicht benutzt. Die im ICD-10 für Abhängigkeit und deren Vorstufen und Folgen angewandte Diagnosegruppe der Störungen durch psychotrope Substanzen reicht von der akuten Intoxikation über den schädlichen Gebrauch bis zu organisch psychotischen Störungen, Demenz und Wesensänderung. Als Missbrauch oder schädlichen Gebrauch einer Substanz bezeichnet man ein Konsumverhalten, das zur Schädigung der psychischen oder physischen Gesundheit als auch zu negativen sozialen Folgen für den Betroffenen geführt hat.

Suchtartiges Verhalten, das nicht durch psychotrope Substanzen verursacht wird, wird im ICD-10 in verschiedenen Diagnosegruppen wie „abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle“, „Störungen der Sexualpräferenz“, „Zwangsstörung“ und „Essstörung“ klassifiziert[4].

Der Terminus Abhängigkeit beschreibt eine Störung, die Symptome der physiologischen, kognitiven und der Verhaltensebene einschließt, wobei zwischen physischer und psychischer Abhängigkeit unterschieden wird.

Die physische Abhängigkeit ist durch das Entzugssyndrom sowie durch das Verlangen nach einer kontinuierlichen Dosissteigerung einer Substanz um die gewünschte Wirkung zu erzielen gekennzeichnet. Die Notwendigkeit der Dosissteigerung beruht auf der Toleranzentwicklung, der reduzierten Reaktion auf eine Droge nach der ersten oder wiederholten Einnahme. Die körperliche Abhängigkeit betrifft Veränderungen des Metabolismus und ihre Folgen, die nur durch erneuten Konsum des psychotropen Stoffes kompensiert werden können. Sie führt zu den, bei Entzug einer Substanz auftretenden, psychischen und körperlichen Störungen, die unter dem Begriff Abstinenzsymptome zusammengefasst werden. Das Entzugssyndrom äußert sich in einer subjektiv als unangenehm empfundenen Steigerung des Aktivierungszustandes mit einer Erhöhung der Körpertemperatur und Pulsrate, Tremor, Übelkeit, Schwitzen und kann zu Krampfzuständen führen. In schweren Fällen können diese körperlichen Reaktionen in ein Delir mit potentiell tödlichem Ausgang münden. Als Delir wird ein Zustand mit schweren zentralnervösen und körperlichen Störungen (z. B. Halluzinationen, starke Unruhe, Angst, Reizbarkeit, erhöhte Suggestibilität und Desorientierung) bezeichnet. Beginn und Verlauf der Entzugssymptome sind zeitlich begrenzt und abhängig von der Substanzart und der Dosis, die unmittelbar vor der Reduktion oder der Beendigung der Einnahme konsumiert wurde. Entzug und Toleranz reflektieren substanzbedingte Veränderungen von Steuerprozessen des Gehirns, die primär Wachheit, Aktivität und Erregungszustand betreffen.

Die psychische Abhängigkeit bezieht sich auf das starke Verlangen bestimmte Substanzen einzunehmen, wobei die mangelnde Kontrollfähigkeit ein wichtiges Charakteristikum darstellt. Die Einnahme dient der Erhaltung des, durch die psychotrope Substanz hervorgerufenen, gewünschten Effekts. Die psychische Abhängigkeit ist das entscheidende Kriterium für die Diagnose einer Abhängigkeitserkrankung, da einige Substanzen mit Abhängigkeitspotential sehr geringe bzw. keine Zeichen einer körperlichen Abhängigkeit zur Folge haben. Der bestehende Zusammenhang zwischen den beiden Formen der Abhängigkeit macht die Differenzierung von psychisch und physisch bedingter Abhängigkeit im Einzelfall schwierig.

Zusammenfassend können neben den akuten psychopathologischen Symptomen folgende Faktoren als relevant für das Erschließen der Abhängigkeit genannt werden (Haring, 1995):

➢ das Suchtmittel

➢ die physiologischen Veränderungen und Schäden des Abhängigen

➢ die Veränderung des sozialen Status und der Beziehungen des Abhängigen

➢ das dranghafte Bedürfnis nach Veränderung des Erlebens im Sinne der psychischen Abhängigkeit

➢ körperliches Missbehagen und vegetative Krisen bei Entzug der Droge

➢ die Persönlichkeit des Betroffenen und deren Veränderung im Zuge des Konsums des Suchmittels.

Die WHO unterscheidet zwischen verschiedenen Abhängigkeitstypen, dem Morphin-/Opiat-Typ, dem Kokain-Typ, dem Cannabis-/Marihuana-Typ, dem Amphetamin-Typ, dem Barbiturat-/Alkohol-Typ und dem Halluzinogentyp. Sind Abhängigkeiten von mehr als einer Substanz vorhanden, so spricht man von Polytoxikomanie (Mehrfachabhängigkeit).

Die folgende Tabelle zeigt eine Übersicht der unterschiedlichen Substanzen mit Abhängigkeitspotential und die, sich bei regelmäßigem Konsum einstellenden, psychischen und physischen Abhängigkeiten sowie die Toleranzentwicklung. Als Drogen sind diese Substanzen erst dann zu bezeichnen, wenn sie missbräuchlich verwendet werden und der schädliche Gebrauch Störungen verursacht.

Abbildung 3: Psychische und physische Abhängigkeit und Toleranzentwicklung verschiedener Substanzgruppen

Quelle: Forth et al.,1998, S. 313 (vom Verf. modifiziert)

| |Psychische |Physische |Toleranz |

| |Abhängigkeit |Abhängigkeit | |

|Morphinartige |+++ |+++ |+++ |

|Analgetika | | | |

|(schmerzstillend) | | | |

|Alkohol |++ |+++ |++ |

|Barbiturate |++ |++ |++ |

|(beruhigend) | | | |

|Kokain |+++ |+ |(+) |

|Amphetamine |++ |(+) |+++ |

|(aufputschend) | | | |

|Cannabis |+ |0* |(+) |

|Halluzinogene |+ |0 |+++ |

(+) geringe oder keine Abhängigkeit bzw. Toleranzentwicklung

+ geringe Abhängigkeit bzw. Toleranzentwicklung

+++ starke Abhängigkeit bzw. hohe Toleranzentwicklung

* ein mildes Entzugssyndrom kann in seltenen Fällen bei abruptem Absetzen nach lang dauernder hoher Dosierung auftreten.

Im DSM-IV werden neben den in der Tabelle genannten Stoffgruppen auch Koffein, flüchtige Lösungsmittel (sogenannte Schnüffelstoffe) und Nikotin als Substanzen mit Abhängigkeitspotential angeführt.

Eine weitere Differenzierungsmöglichkeit innerhalb der Abhängigkeitserkrankungen besteht zwischen stoffgebundenen und stoffungebundenen Abhängigkeiten (wie z. B. Esssucht und Spielsucht). In der ICD-10 wird Abhängigkeit ausschließlich substanzbezogen klassifiziert, wobei für Störungen durch Tabak eine eigene Codierung vorgesehen ist[5].

Die stoffungebundenen Abhängigkeiten zählen nach der derzeitigen WHO-Definition zu den „abnormen Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle“. Als primäre Gemeinsamkeit zwischen stoffgebundener und stoffungebundener Abhängigkeit wird in der Literatur und von Betroffenen vor allem das „suchthafte Erleben“ genannt, das als „ein Gefühl der zunehmenden Einschränkung der freien Wahl über Verhaltensalternativen, einer Einengung der Interessen, desaströsen persönlichen und sozialen Konsequenzen, einer Progredienz der Verhaltenshäufigkeit bei Abnahme des Lustgefühls usw.“ (Watzl & Bühringer, 2001, S. 80) beschrieben werden kann.

Der Terminus Sucht hat allgemeine Verbreitung gefunden und ist leicht verständlich, jedoch wird mit diesem Begriff im Allgemeinen der krankhafte Endzustand einer Abhängigkeit verstanden, bzw. impliziert er eine Einschränkung auf die Gruppe der schwer abhängigen Menschen, weshalb in der vorliegenden Arbeit der im wissenschaftlichen Bereich wesentlich häufiger gebrauchte Begriff der Abhängigkeit bzw. die in den gängigen Klassifikationssystemen für diese psychische Störung geprägte Diagnosegruppe „psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ bzw. Substanzabhängigkeit oder substanzbezogene Störung verwendet und der Begriff Sucht bzw. Suchterkrankung vermieden werden soll. Wird auf Grund der Lesbarkeit des Textes auf die Erwähnung der stoffungebundenen Formen der Abhängigkeit verzichtet, so sind diese in der oben genannten verkürzten Bezeichnung der Störung implizit enthalten.

Da die Störungen durch Alkohol die bei weitem häufigste Abhängigkeitserkrankung darstellen, und auch bei dem, dieser Untersuchung zu Grunde liegenden Datenmaterial die Alkoholabhängigkeit die am häufigsten auftretende Abhängigkeitsproblematik ist, soll diese im Folgenden in manchen Kapiteln (z.B. im Kapitel Diagnostik) ausführlicher behandelt werden. Als Alkoholabhängigkeit bezeichnet man im Allgemeinen eine chronische Intoxikation mit Alkohol, die durch abnormes Trinkverhalten, alkoholbedingte körperliche Schäden, Beeinträchtigung der sozialen Position, psychische und physische Abhängigkeit und Wesensänderung charakterisiert ist (Haring, 1995).

2.1.2 Ätiologie und Bedingungsanalyse

Abhängigkeit entwickelt sich aus einem multikonditionalen Bedingungsgefüge, das aus drei wesentlichen Faktorengruppen besteht: dem sozialen Umfeld, den physiologischen und psychischen Eigenschaften des Individuums und dem spezifischen Abhängigkeitspotential der konsumierten Substanzen.

Abbildung 4: Trias der Entstehungsursachen der Drogenabhängigkeit

Quelle: Stimmer, 1999, S. 265

PERSÖNLCHKEIT Familiengeschichte

frühkindliches Milieu

sexuelle Entwicklung

aktuelle Stresssituation

Drogenmissbrauch

Drogenabhängigkeit

DROGE SOZIALES MILIEU

Art der Applikation familiäre Situation

Dosis Beruf

Dauer Wirtschaftslage

Griffnähe Sozialstatus,- mobilität

Gewöhnung Gesetzgebung

Toleranz Religion

Einstellung zur Droge

Werbe- und Modeein-

flüsse

Konsumsitten

Die einzelnen Faktoren des Ursachenbündels wirken in komplexer Weise zusammen, für jede Abhängigkeit und für jeden Abhängigen besteht eine jeweils individuelle Bedingungskonstellation. Es kann jedoch kein linearer Ursache-Wirkungszusammenhang angenommen werden – eine Tatsache, die die Vielschichtigkeit dieser Diagnosegruppe verdeutlicht. Die Behandlung einer Abhängigkeitserkrankung sollte in jedem Fall sowohl die biologischen, als auch die psychischen und sozialen Aspekte dieser Störung berücksichtigen.

Ätiologische Erklärungsansätze für Abhängigkeitserkrankungen sind in großer Anzahl und Vielfalt vorhanden. Meist werden einzelne Bestimmungsstücke des Bedingungsgefüges hervorgehoben und zu einem theoretischen Konstrukt verarbeitet. Die durchgängig in allen Theorien vertretene Annahme ist die der Multikonditionalität dieser Störung. Aus der Sicht der Sozialwissenschaft entwickelt sich eine Abhängigkeitserkrankung in der überwiegenden Zahl der Fälle vom, auf Grund von Problemen und Konflikten entstehenden, abweichenden Verhalten über die Gewöhnung zum abhängigen Verhalten, wobei diese Stufen sich vor allem in der Zwanghaftigkeit, der Intensität und der für die Abhängigkeit charakteristischen Eigendynamik unterscheiden. Im Folgenden sollen die gängigen Erklärungsmodelle für die Diagnosegruppe der Abhängigkeitserkrankungen erläutert werden.

2.1.2.1 Genetische Bedingungen

Familien-, Zwillings-, Adoptions- und Hochrisikostudien bestätigen eine erbliche Prädisposition und somit auch ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Störungen durch psychotrope Substanzen in Familien mit Abhängigkeitskranken. Diese Aussage gilt für alle Substanzgruppen. Hinweise auf die Bedeutung genetischer Faktoren konnten auf Grund signifikant höherer Konkordanzraten für die Prävalenz der Alkoholabhängigkeit bei homozygoten im Vergleich zu heterozygoten Zwillingen erbracht werden.

In den bedeutendsten Forschungsmethoden für die Aufdeckung genetischer Marker im Hinblick auf bestimmte Störungen – den Kopplungs- oder Linkage-Studien und den Assoziationsstudien – konnten allerdings noch keine eindeutigen Ergebnisse erzielt werden. Linkage-Studien untersuchen die überzufällige gemeinsame Vererbung genetischer Merkmale in Familien. Assoziationsstudien, die in der Ätiologieforschung immer mehr an Bedeutung gewinnen, untersuchen den Zusammenhang zwischen Variationen von DNA-Sequenzen und beobachtbaren Merkmalsausprägungen.

Nach dem aktuellen Forschungsstand kommt dem Faktor der Genetik in der Entstehung von Abhängigkeit der gleiche Einfluss wie dem der Umwelt zu. Genetische Prädispositionen steuern Verhaltensbereitschaften, die jedoch in veränderbare soziale Systeme eingebettet sind.

2.1.2.2 Biologisch-physiologische Konzepte

Die biologische Forschung sieht die Entwicklung von Abhängigkeitserkrankungen als eine Folge einer genetisch bedingten oder erworbenen verminderten Konzentration von Endorphinen. Sowohl die körpereigenen Endorphine als auch die Opiate werden vom Limbischen System verarbeitet und bewirken Wohlbefinden und Lust. Zahlreiche Untersuchungen haben ergeben, dass diese Prozesse auch durch bestimmte Verhaltensweisen (stoffungebundene Abhängigkeit) beeinflusst werden können. Für die Prävention und Therapie von Abhängigen lassen sich jedoch nach dem aktuellen Stand der überwiegend auf Hypothesen aufbauenden biologischen Forschung in Bezug auf Abhängigkeitsstörungen keine verantwortbaren Handlungsstrategien ableiten (Stimmer, 1999).

Substanzen mit Abhängigkeitspotential greifen über synaptische Übertragungsmechanismen des Nervensystems in Gehirn- und Körperfunktionen, das Verhalten und Befinden ein und aktivieren auf direktem oder indirektem Weg das Belohnungssystem. Eine maßgebliche Rolle spielt in diesem System die Verknüpfung von Angst, Schmerz und Abhängigkeit – ein Prozess, bei dem Endorphine maßgeblich beteiligt sind. Assoziative Gedächtnisleistungen sind für abhängiges Verhalten insofern von großer Bedeutung, als erste Erfahrungen mit Drogenwirkungen engrammiert und somit zu potentiellen Auslösern einer erneuten Drogeneinnahme werden. Die wiederholte Einnahme eines abhängigkeitsinduzierenden Stoffes führt zur Neuroadaptation und Toleranzentwicklung.

Auf motivationaler Ebene bietet das Opponenten-Prozess-Modell von Solomon und Corbit (1974, zit. n. Ferstl, 1998b) Aufschlüsse bezüglich der neurophysiologischen und neuropharmakologischen Vorgänge bei der Entstehung von Abhängigkeitserkrankungen. Das Modell fußt auf drei Phänomenen:

➢ dem positiven Primäreffekt der Substanzeinnahme: die Intensität des Primäreffekts nimmt nach den ersten Substanzeinnahmen ab und pendelt sich auf einem konstanten, niedrigeren Niveau ein.

➢ der affektiven Toleranz, die sich erst nach wiederholtem Konsum der Substanz einstellt: mit mehrmaliger Einnahme der Substanz nimmt die subjektive Wirkung bei gleicher Dosis ab, was meist zur Dosissteigerung führt.

➢ dem affektiven Entzugsphänomen: die Abnahme der Drogenwirkung nach der einzelnen Einnahme der Substanz führt zur negativen hedonischen Komponente des Substanzgebrauchs. Bewirkt wird diese durch kompensatorische Nacheffekte an den postsynaptischen Rezeptoren – ihre Anzahl nimmt zu oder sie werden sensitiver.

In der frühen Substanzeinnahmeepisode ist der Wirkungsverlauf noch unkonditioniert. In der Phase der Abhängigkeit wird die Einnahme der Droge durch die konditionierte Motivation eingeleitet: der positive Primäreffekt soll dadurch hergestellt und das affektive Entzugsphänomen vermieden werden. Das Opponenten-Prozess-Modell beruht demnach auf negativen Verstärkungsprinzipien.

2.1.2.3 Lerntheoretische Konzepte der auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen abhängigen Verhaltens

Abhängiges Verhalten wird in den Verhaltenstheorien als erlerntes und auch wieder verlernbares Verhaltensmuster betrachtet. Die lerntheoretischen Konzepte führen als auslösende Bedingungen für die Entwicklung von Abhängigkeiten vor allem folgende an:

➢ Neugierde

➢ sozialer Druck

➢ aversive Situationen

➢ Entzugserscheinungen

➢ ein allgemeines Verlangen nach der Substanz und

➢ Modelllernprozesse.

Der Übergang vom sozialen Trinken zur Abhängigkeit wird als ein kontinuierlicher Prozess angenommen. Die auslösenden Faktoren sind in der Regel nicht mit den aufrechterhaltenden identisch. Man unterscheidet in den Lerntheorien zwischen positiver Verstärkung, bei dem ein Verhalten von einem angenehmen Reiz gefolgt wird und negativer Verstärkung, bei dem das Verhalten einen aversiven Reiz beendet oder ein erwarteter negativer Reiz ausbleibt. Negative Verstärkung ist in Bezug auf gewünschte Verhaltensmodifikationen besonders effektiv (Margraf, 2000).

Als positive Verstärker gelten in Bezug auf abhängiges Verhalten im Sinne eines Zwei-Faktoren-Lerngeschehens:

➢ Die euphorisierende Drogenwirkung

➢ die entspannende und stressdämpfende Wirkung

➢ die durch den Konsum der Substanz erlangte soziale Akzeptanz und

➢ das – je nach Substanz und Phase – gesteigerte soziale Reaktionsvermögen.

Die negativen Verstärker in diesem Lernprozess sind

➢ das Wegfallen der Entzugserscheinungen

➢ die schmerzstillende Wirkung der Substanzen

➢ die Reduktion von negativen Gefühlen wie Spannungen oder Minderwertigkeitsgefühlen durch die Einnahme von psychoaktiven Substanzen.

Durch die Kontingenz mit positiven Erfahrungen wird die psychotrope Substanz zum Verstärker im Sinne der klassischen Konditionierung. Die positive Valenz der Droge kann durch Gegenkonditionierung mit negativen Verstärkern gelöscht bzw. zu einem negativen Verstärker umkonditioniert werden. Als besonders wirksam in Bezug auf die Lerneffekte und äußerst löschungsresistent haben sich intermittierende Verstärkungsprozesse erwiesen. Die positiven und negativen Verstärker erfolgen dabei zeitlich und situativ unregelmäßig und unvorhersehbar. Günstige und ungünstige Folgen der Abhängigkeit können vom Betroffenen im Voraus schlecht abgeschätzt werden, was den Konsum der psychoaktiven Substanz verstärkt. Die sozial-kognitive Lerntheorie Banduras (1979, zit. n. Margraf, 2000) kombiniert die lerntheoretischen Grundannahmen mit der Bedeutung des subjektiven Erlebens, der Persönlichkeitsmerkmale sowie der kognitiven und sozialen Variablen der Ätiologie von Abhängigkeitserkrankungen am Beispiel Alkohol und betont dabei die selbstregulativen Fähigkeiten des einzelnen Individuums.

Im Zusammenhang mit der spannungsreduzierenden Wirkung bestimmter Substanzen steht die Spannungsreduktionshypothese, die empirisch nicht nachgewiesen werden konnte. Sie basiert auf der Annahme, dass die mangelnde Fähigkeit zur Angst- und Stressbewältigung indirekt Abhängigkeiten verursacht. Unter sozialen Stressbedingungen erhöhen Abhängigkeitserkrankte ihren Substanzkonsum, ein Training sozialer Kompetenzen kann zur besseren Bewältigung von Problemsituationen mittels adäquater Alternativreaktionen beitragen. Zu den wichtigsten verhaltenstherapeutischen Interventionen in der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen zählen die gezielte Rückfallprophylaxe, die durch das Einüben von Verhaltensregeln für kritische Situationen erreicht werden soll, das Training sozialer Kompetenzen zur Bewältigung dieser Situationen sowie Entspannungs- und Selbstkontrolltechniken.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Verhaltenstheorie soziale Bedingungen sowie die Lerngeschichte eines Individuums als primäre Einflussfaktoren für die Entwicklung einer Abhängigkeitserkrankung sieht.

2.1.2.4 Einflüsse der sozialen Umwelt

Die überwiegende Zahl an abhängigkeitsspezifischen Ätiologiemodellen sieht in den Einflüssen der sozialen Umwelt eines Individuums – der Familie oder dem Milieu – potentielle Risikofaktoren für die Entwicklung von Abhängigkeitserkrankungen. Die, diese Einflüsse der Übertragung des Risikos fördernden, vermittelnden Persönlichkeitsfaktoren wurden vor allem im Rahmen von Persönlichkeitsuntersuchungen und der Erfassung der komorbiden Psychopathologie ermittelt.

Eine wichtige Rolle in der Erforschung der ätiologisch relevanten Faktoren von Abhängigkeitserkrankungen spielt die Sozialisation Jugendlicher. In diesem Zusammenhang haben Peer-groups entscheidenden Einfluss, aber auch das Stressniveau im Elternhaus, niederschwelliges parental monitoring und das elterliche Vorbild in Bezug auf den Konsum von Alkohol oder anderen Drogen können die Entwicklung einer Störung durch psychoaktive Substanzen beeinflussen.

Die größte Bedeutung für die Entstehung abhängigen Verhaltens scheint in diesem Zusammenhang die sogenannte Antisoziale Persönlichkeitsstörung (ASPD) zu haben. Unter der Antisozialen Persönlichkeitsstörung versteht man eine schwere Störung des Sozialverhaltens, die vor dem 15. Lebensjahr beginnt. Als prämorbide Persönlichkeitsmerkmale für Abhängigkeitserkrankungen sind vor allem Impulsivität, Nonkonformität, Ablehnung sozialer Werte, antisoziales Verhalten und Hyperaktivität zu betrachten. Der enge Zusammenhang zwischen Antisozialen Persönlichkeitsstörungen und substanzbezogenen Störungen ist im Hinblick auf das Krankheitsmodell abhängigen Verhaltens im Psychodrama[6], das Sucht als Ausdruck einer grundlegenden Beziehungsstörung zu sich selbst und zur Umwelt sieht, äußerst interessant.

Die Interaktionsgestörtheit lässt sich – wie auch in den theoretischen Ausführungen Morenos nachzulesen ist – auf gesellschaftliche Prozesse und Strukturen zurückführen – eine Tatsache, die sich aus der folgenden Grafik ablesen lässt.

Abbildung 5: Bedingungsgeflecht des Drogenmissbrauchs

Quelle: Stimmer, 1999, S. 555

Gesellschaft

verursacht bietet an

Leistungs- Einstellungen

bzw. gegenüber

Erfolgszwang Inter- Problem- Drogenkonsum

individualis- Familie aktions- (Schein-) Drogen- Familie

tische Ethik Schule gestört- löser spezifische Schule Industrielle

soziale Gleich- Sozialisation heit Droge Sozialisation Gleich- Herstellung

Mobilität altrige altrige und Vertrieb Werte- Beruf von Drogen pluralismus bzw. Sinnkrise weiträumige Verflechtungen Drogenmissbrauch

bzw. Werbung Abhängigkeiten

Auffällig ist im Zusammenhang mit dem Konsum psychoaktiver Substanzen auch die Kulturabhängigkeit. Es wurden bereits einige Studien durchgeführt, die den länderspezifischen Umgang mit Drogen mit den Abhängigkeitsstatistiken in Relation gestellt haben. So findet man z. B. in Abstinenzkulturen (wie den islamischen Ländern) eine vernachlässigbare Zahl an Alkoholkrankheiten. Die Diskussion um die Bedeutung sozialer Faktoren in der Ätiologie von Abhängigkeitserkrankungen lenken den Blick auf politische Präventionsmaßnahmen[7].

2.1.2.5 Psychodynamische Theorieansätze

Abhängiges Verhalten wird in der psychoanalytischen Theorie als Symptom einer Persönlichkeitsstörung gesehen. Entscheidend sind dabei die Triebdynamik – die Fixierung bzw. Regression auf die orale Thematik – die Objektbeziehungen sowie Ich-psychologische Defizite. Die Objektbeziehungen umfassen Beziehungen zu anderen und zu sich selbst einschließlich der verinnerlichten Bilder und Vorstellungen. Die Droge dient als Objektersatz, als Partialobjekt oder als Übergangsobjekt. Unter einem Partialobjekt versteht man in der psychoanalytischen Theorie einen von den Partialtrieben angestrebten Objekttypus, ohne dass die gesamte Person das Triebobjekt darstellt. Es handelt sich um reale oder phantasierte Körperteile wie die Brust oder den Penis (Laplanche & Pontalis, 1994). Als Übergangsobjekt bezeichnet man ein materielles Objekt (z.B. eine Decke), das für einen Säugling (meist im Alter von vier bis zwölf Monaten, aber auch später) besonderen Wert besitzt. Das Übergangsobjekt dient der Bewältigung der Phase des Übergangs zwischen der oralen Beziehung zur Mutter zur ersten „wirklichen Objektbeziehung“ (ebd., S. 548).Die Abhängigkeit wird häufig auf Defizite in der Mutter-Kind-Beziehung zurückgeführt und ist als Ausdruck einer Selbstwertproblematik zu sehen, die kompensatorisch mit Größen- und Allmachtsphantasien verbunden ist[8]. Die für die Entwicklung einer Abhängigkeitsstörung relevanten Ich-psychologischen Defizite beziehen sich auf die Wahrnehmung, die Affekt- und Impulskontrolle, das Urteilsvermögen, integrative und organisierende Fähigkeiten und die Über-Ich-Struktur. Das Über-Ich stellt eine der Instanzen der Persönlichkeit, wie Freud sie in seiner zweiten Theorie des psychischen Apparates beschrieben hat, dar. Es hat die Funktion eines Richters oder Zensors und bildet sich über die Verinnerlichung elterlicher Verbote heraus. Das abhängige Verhalten dient der Lösung von, als unerträglich empfundenen, inneren Spannungszuständen und dem Ersatz fehlender Ich-Funktionen.

Die psychodynamische Theorie geht davon aus, dass es sich bei Abhängigkeitserkrankungen überwiegend um frühe Störungen handelt, wobei vor allem die Identitätsbildung, die Autonomieentwicklung und die Entwicklung der Über-Ich-Funktionen beeinträchtigt sind.

2.1.3 Epidemiologie, Verlauf und Folgen von Abhängigkeitserkrankungen

Die Informationen zu den Bereichen Verbreitung, Verlauf und Folgen von Abhängigkeitserkrankungen stellen eine wichtige Basis für die Planung und Durchführung von Behandlungsmaßnahmen dar.

2.1.3.1 Epidemiologie

Die Epidemiologie beschreibt mit Hilfe von Daten die örtliche und zeitliche Begrenzung einer Erkrankung oder Störung und deren Entwicklung und Einfluss auf die Bevölkerung. In Deutschland werden seit den siebziger Jahren Repräsentativerhebungen zum Konsum psychotroper Substanzen durchgeführt. In diesem Kontext sind vor allem die Daten der Behandlungsstatistiken der Suchtkrankenhilfe der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS), die Dokumentations- und Informationssysteme EBIS und SEDOS[9] zu nennen.

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, unterscheidet man in epidemiologischen Studien zwischen der Prävalenz und der Inzidenz einer Krankheit. Im Zusammenhang mit Abhängigkeitserkrankungen werden in der Regel Prävalenzdaten für die letzten 12 Monate (Aktualprävalenz) bzw. Daten für das Auftreten einer Störung im Lebensverlauf (Lebenszeitprävalenz) erhoben.

Die folgenden Zahlen stammen aus einer, in Deutschland in der Altersgruppe der 18 bis 58jährigen durchgeführten Repräsentativerhebung von Kraus & Bauernfeind aus dem Jahr 1998 (Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren e.V., 2001). Zur Klassifizierung wurde in der Studie das kriterienorientierte Diagnosesystem DSM-IV eingesetzt, die Zahlen beziehen sich auf einen Zeitraum von 12 Monaten:

➢ Die Alkoholabhängigkeit und der Alkoholmissbrauch sind auch in Deutschland weit verbreitet: Die Abstinenzraten betragen 9,6 Prozent in der männlichen und 14,9 Prozent in der weiblichen Population. 4,9 Prozent der Männer und 1,1 Prozent der Frauen (insgesamt 1,5 Millionen Personen) gelten nach DSM-IV Kriterien als alkoholabhängig. Alkoholmissbrauch kann bei 8,1 Prozent der Männer und 1,9 Prozent der Frauen diagnostiziert werden. Im Vergleich dazu führt eine Studie aus den USA von Grant aus dem Jahr 1997 folgende Zahlen an: 4,4 Prozent der Gesamtbevölkerung waren innerhalb der letzten 12 Monate alkoholabhängig, bei 3 Prozent konnte ein Alkoholmissbrauch diagnostiziert werden. Die Lebenszeitprävalenz für Alkoholabhängigkeit betrug 13,3 Prozent (Stimmer, 1999).

➢ Zur Medikamentenabhängigkeit liegen keine repräsentativen Daten vor. Die Schätzungen liegen bei 1,4 Millionen Personen in Deutschland. Laut Kraus & Bauernfeind konsumieren 19,5 Prozent der Frauen und 11,5 Prozent der Männer mindestens einmal pro Woche Medikamente mit psychotroper Wirkung (zu den für diese Diagnosekategorie relevanten Medikamenten zählen Schmerz-, Schlaf-, Beruhigungs-, Anregungs- oder Abführmedikamente und Appetitzügler). Die Häufigkeitsraten sind der Studie zu Folge bei Frauen höher und steigen mit zunehmendem Alter. Gerade bei Medikamentengebrauch sind die realen Häufigkeiten von Abhängigkeit und Missbrauch schwer festzustellen, da die Angaben über die Art und Menge der Substanzen, sowie die Frage der ärztlichen Anweisung bezüglich der Einnahme häufig sehr ungenau sind.

➢ Bei 1,1 Prozent der befragten Männer sowie 0,2 Prozent der Frauen liegen die Kriterien einer Abhängigkeit von illegalen Drogen vor, wobei der Konsum bei den 21-24jährigen am häufigsten ist. 1 Prozent der Männer und 0,4 Prozent der Frauen konsumieren illegale Drogen missbräuchlich, wobei es sich bei den Drogen vor allem um Cannabis und Ecstasy handelt. Auf Grund der Illegalität der Substanzen ist die Verlässlichkeit der Angaben fraglich. Die Daten werden zum Teil über sekundäre Quellen wie Statistiken aus Einrichtungen oder über die Häufigkeit von Drogendelikten erschlossen.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Abhängigkeit und der Missbrauch von Medikamenten und Drogen epidemiologisch eine wesentlich geringere Bedeutung haben als die Störungen im Zusammenhang mit den Substanzen Alkohol und Nikotin. Eine Tatsache, die sich auch in den Daten der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle Sigmaringen widerspiegelt.

2.1.3.2 Der Verlauf von Abhängigkeitserkrankungen

Abhängigkeitserkrankungen stellen einen komplexen Prozess dar, der sich im organischen

Bereich ebenso manifestiert wie im psychologischen, psychiatrischen und sozialen. Meist nehmen diese Störungen einen typischen, eigengesetzlichen Verlauf. Die Phase der Abhängigkeit und deren Bewältigung, in der sich der Betroffene befindet, ist für die Behandlung der Störung von entscheidender Bedeutung. Gerade im Bereich Alkoholismus sind in den letzen Jahrzehnten etliche Studien zum Langzeitverlauf durchgeführt und methodische Konsequenzen abgeleitet worden.

Prohaska und DiClemente (1986, zit. n. Küfner, 1999) haben ein Verlaufsmodell entworfen, in dem folgende 5 Phasen der Abhängigkeit unterschieden werden:

➢ Vorahnungsphase (precontemplation)

In der Vorahnungsphase werden die Reaktionen aus der sozialen Umgebung des Betroffenen bezüglich des abhängigen Verhaltens mit ausweichenden Erklärungen abgewehrt. Der Konsum der psychotropen Substanz verändert sich (z.B.: heimliches Trinken).

➢ Überlegungsphase (contemplation)

Die Hinweise aus dem Umfeld werden in der Überlegungsphase weiterhin zurückgewiesen. Die Betroffenen planen und versuchen abstinentes Verhalten.

➢ Entscheidungsphase (decision):

Der Abhängige trifft die Entscheidung zur Abstinenz.

➢ Handlungsphase (action):

In dieser Phase wird erstmals Hilfe von außen angenommen, der Betroffene zeigt Bereitschaft zur Veränderung.

➢ Phase der Aufrechterhaltung (maintenance):

In der Phase der Aufrechterhaltung ist der Abhängige bestrebt, die Abstinenz beizubehalten und akzeptiert therapeutische Behandlungen.

➢ Rückfall (relapse): längere Phasen erneuten Substanzmissbrauchs oder neuerlicher Abhängigkeit.

Dieses Modell beschreibt die Abhängigkeit als einen Prozess der Veränderung der Einstellung des Betroffenen gegenüber der psychotropen Substanz.

Abbildung 6: Kreismodell von Prochaska und Di Clemente

Quelle: Feuerlein et al., 1998, S. 213

Beim Kreismodell von Prochaska und DiClemente ist zu berücksichtigen, dass Rückfälle, die für den Verlauf einer Abhängigkeitserkrankung charakteristisch sind, auch ein Zurückfallen im Verlauf darstellen. In engem Zusammenhang mit den verschiedenen Phasen steht die Motivation des Abhängigen, wobei man zwischen Veränderungs- und Behandlungsmotivation unterscheidet. Der Abhängige steht der Therapie in der Regel ambivalent gegenüber. Die Behandlungsmotivation ist jedoch prinzipiell notwendig, um die therapeutische Unterstützung annehmen und Veränderungen umsetzen zu können. Die Veränderungsmotivation beschränkt sich meist nicht ausschließlich auf das abhängige Verhalten, sondern auch auf andere Problembereiche des Klienten.

2.1.3.3 Die Folgen von Abhängigkeitserkrankungen

Abhängigkeit wird als ein Verhalten definiert, bei dem der Konsum der psychotropen Substanz für den Abhängigen gegenüber Verhaltensweisen, die früher eine größere Bedeutung hatten, Vorrang hat. Das beschriebene abhängige Verhalten hat bedeutsamen Einfluss auf die Persönlichkeit des Betroffenen. Man spricht zwar im Zusammenhang mit Abhängigen häufig von Suchtpersönlichkeit, jedoch war es bislang auch mit modernsten Persönlichkeitsinventaren nicht möglich ein valide replizierbares Persönlichkeitsprofil der Klienten mit Störungen durch psychotrope Substanzen nachzuweisen. Es konnten – wie bereits erwähnt – lediglich für die antisoziale Persönlichkeitsstörung empirisch belegbare Zusammenhänge für die Entstehung einer Störung durch psychotrope Substanzen nachgewiesen werden.

Das Problem bei der Definition von Persönlichkeitsveränderungen auf Grund einer Abhängigkeit besteht darin, dass die prämorbide Persönlichkeit nach Beginn der Entwicklung einer Abhängigkeit nicht mehr bestimmt werden kann. Dennoch ist in der Literatur häufig von der im Zusammenhang mit einer Abhängigkeitserkrankung typischen Veränderung der Persönlichkeit die Rede. Schon zu Beginn der Abhängigkeitserkrankung treten Konzentrationsstörungen auf, Interessen und Antriebe der Betroffenen werden zunehmend auf den Konsum der psychotropen Substanz eingeengt. Soziale Bedürfnisse nehmen ab, individuelle Wertvorstellungen werden im weiteren Verlauf der Abhängigkeit aufgegeben.

Haring (1995) beschreibt in diesem Zusammenhang eine Reihe von Persönlichkeitsmerkmalen und neurotischen Verhaltensweisen bzw. Veränderungen der Stimmung, die in späten Stadien der Abhängigkeit mit zerebralen Veränderungen einhergehen:

➢ Chronische Verstimmung und Reizbarkeit mit Müdigkeit und Apathie

➢ kurze Phasen von Überaktivität

➢ affektive Labilität

➢ Unfähigkeit, Willensentscheidungen durchzuhalten

➢ Ablehnung der Übernahme von Verantwortung für das eigene Handeln

➢ Misstrauen, Resignation und Gleichgültigkeit

➢ Beteuerungen, das Problem der Abhängigkeit bewältigt zu haben

➢ hohe Ansprüche an die Umwelt

➢ sehr geringe Belastbarkeit und Frustrationstoleranz

➢ Unzuverlässigkeit

➢ eine stark ausgeprägte Angepasstheit an das therapeutische Konzept

➢ mangelnde Kritikfähigkeit.

Charakteristische schädigende Folgen abhängigen Verhaltens sind sowohl im psychischen, als auch im sozialen und körperlichen Bereich zu finden, wobei diese Folgen nicht nur vom Abhängigen selbst, sondern auch von seiner unmittelbaren sozialen Umgebung getragen werden müssen. Für die Therapie mit Abhängigen ist zu vermuten, dass ohne die Bearbeitung der für diese Störung typischen Persönlichkeitsvariablen keine dauerhafte Abstinenz zu erzielen ist. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Ich-Stärkung zu nennen, die in der psychodramatischen Literatur zum Themenkreis Therapie mit Abhängigkeitskranken einen wichtigen Stellenwert einnimmt. Weitere therapeutische Zielkomplexe auf der charakterologischen Ebene sind die Nachreifung und Umstrukturierung pathodynamischer Erlebnis- und Verhaltensstrukturen, die Aufarbeitung von Persönlichkeitsdefiziten, verbesserte Selbstkontrollmechanismen und Ausdrucksmöglichkeiten.

2.1.4 Diagnostik

Die herkömmliche Sichtweise der abhängigkeitsspezifischen Diagnostik ist die Störungsperspektive. Diese dient der Erfassung der physischen und psychischen Abhängigkeit, der Störungen im psychosozialen Bereich sowie der Komorbidität. Die psychische Abhängigkeit stellt – wie bereits erwähnt – das Hauptkriterium für die Diagnose Abhängigkeit dar und ist wesentlich schwieriger zu diagnostizieren als die körperliche Abhängigkeit. Die psychische Abhängigkeit ist geprägt durch „eine zunehmende Einengung des Erlebens und Verhaltens auf die Beschaffung und den Gebrauch der Drogen und insgesamt durch einen Verlust der Kontrolle“ (Küfner, 1999, S. 107). Unter Kontrollverlust wird die Unfähigkeit verstanden, den Konsum der psychotropen Substanzen mit eigenem Willen zu steuern. Die für Abhängigkeitserkrankungen charakteristische Kombination aus der Einschränkung der freien Wahl über Verhaltensalternativen, den desaströsen persönlichen und sozialen Konsequenzen und der Progredienz der Verhaltenshäufigkeit bei Abnahme des Lustgefühls werden in der Literatur häufig als konstituierende Merkmale einer Abhängigkeit unter dem Begriff des „suchthaften Erlebens“ zusammengefasst.

2.1.4.1 Die Diagnostik von Abhängigkeitserkrankungen in den Klassifikationssystemen ICD-10 und DSM IV

Als Diagnosekriterien von Klassifikationssystemen werden bei Störungen durch psychotrope Substanzen vor allem Verhaltensmerkmale und Konsumgewohnheiten herangezogen, da diese besser beobacht- und objektivierbar sind und die Reliabilität der Diagnosen erhöhen. Verlaufsmerkmale von Störungen treten zu Gunsten von Querschnittsbeschreibungen in den Hintergrund. Die Diagnosekriterien beziehen sich auf psychologische, biologische und soziale Veränderungen und Folgen der Abhängigkeit und erlauben somit die Erfassung des vielgestaltigen Bildes und der unterschiedlichen Schwerpunkte der Abhängigkeitserkrankung.

Die Substanzabhängigkeit wird im DSM-IV nach den in der folgenden Abbildung angeführten Kriterien gestellt.

Abbildung 7: Diagnostische Kriterien der Substanzabhängigkeit nach DSM-IV

Quelle. American Psychiatric Association, 1996, S. 227/228

Für eine Diagnose müssen mindestens drei der folgenden Kriterien in demselben 12-Monats-Zeitraum auftreten:

(1) Toleranzentwicklung definiert durch eines der folgenden Kriterien:

a) Verlangen nach ausgeprägter Dosissteigerung, um einen Intoxikationszustand oder erwünschten Effekt herbeizuführen,

b) deutlich verminderte Wirkung bei fortgesetzter Einnahme derselben Dosis.

(2) Entzugssymptome, die sich durch eines der folgenden Kriterien äußern:

a) charakteristisches Entzugssyndrom der jeweiligen Substanz (siehe Kriterien A und B der Kriterien für Entzug von den spezifischen Substanzen),

b) dieselbe (oder eine sehr ähnliche) Substanz wird eingenommen, um Entzugssymptome zu lindern oder zu vermeiden.

(3) Die Substanz wird in größeren Mengen oder länger als beabsichtigt eingenommen.

(4) Anhaltender Wunsch oder erfolglose Versuche, den Substanzgebrauch zu verringern oder zu

kontrollieren.

(5) Viel Zeit für Aktivitäten, um die Substanz zu beschaffen (z.B. Kettenrauchen) oder sich

von ihren Wirkungen zu erholen.

(6) Wichtige soziale, berufliche oder Freizeitaktivitäten werden aufgrund des

Substanzmissbrauchs aufgegeben oder eingeschränkt.

(7) Fortgesetzter Substanzmissbrauch trotz Kenntnis eines anhaltenden oder wiederkehrenden

sozialen, psychischen oder körperlichen Problems, das wahrscheinlich durch den Substanzmissbrauch verursacht oder verstärkt wurde (z.B. fortgesetzter Kokainmissbrauch trotz des Erkennens kokaininduzierter Depressionen oder trotz des Erkennens, dass sich ein Ulcus durch den Alkoholkonsum verschlechtert).

Die zahlreichen charakteristischen Symptome für den Verdacht auf Abhängigkeit aus dem psychischen, physischen und sozialen Bereich sind je nach Suchtmittel sehr unterschiedlich.

Der Weg in die Abhängigkeit führt in der überwiegenden Zahl der Fälle über den Missbrauch einer Substanz. Sowohl der Missbrauch als auch die Abhängigkeit von Substanzen üben eine direkte Wirkung auf die Funktion des Zentralnervensystems aus. Substanzmissbrauch liegt nach DSM-IV bei Auftreten eines oder mehrerer folgender Symptome innerhalb der letzten zwölf Monate vor:

(1) Der wiederholte Substanzgebrauch führt zu einer Beeinträchtigung der Verpflichtungen am

Arbeitsplatz, in der Schule oder zu Hause.

(2) Wiederholter Gebrauch der Substanzen in Situationen, in denen der Gebrauch eine körperliche

Gefährdung darstellt.

(3) Wiederholte substanzbedingte Rechtsverstöße.

(4) Obwohl durchgehende oder wiederholt auftretende soziale oder interpersonelle Probleme

durch die Substanz verursacht oder verstärkt werden, wird diese fortdauernd eingenommen.

Im ICD-10 (Dilling, Mombour & Schmidt, 1995) werden verschiedene Abhängigkeitstypen unterschieden, die durch die einzelnen psychotropen Substanzen charakterisiert werden. Die unterschiedlichen Codes des DSM-IV und des ICD können über Vergleichstabellen ineinander überführt werden. Die Diagnosekategorie F1 „Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ enthält eine Vielzahl an Störungen unterschiedlichen Schweregrades mit verschiedenen klinischen Erscheinungsbildern. Die Substanzen werden an der dritten Stelle kodiert, woraus folgende Einteilung resultiert:

F10 Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol

F11 Psychische und Verhaltensstörungen durch Opioide

F12 Psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide

F13 Psychische und Verhaltensstörungen durch Sedativa oder Hypnotika

F14 Psychische und Verhaltensstörungen durch Kokain

F15 Psychische und Verhaltensstörungen durch sonstige Stimulanzien einschließlich Kokain

F16 Psychische und Verhaltensstörungen durch Halluzinugene

F17 Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak

F18 Psychische und Verhaltensstörungen durch flüchtige Lösungsmittel

F19 Psychische und Verhaltensstörungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum sonstiger psychotroper Substanzen

Für sämtliche Stoffklassen dient in der ICD-10 die 4. und 5. Stelle der Beschreibung und näheren Bezeichnung des klinischen Erscheinungsbildes:

F 1 x.0 akute Intoxikation

x.00 ohne Komplikation

x.01 mit Verletzung oder anderen körperlichen Schäden

x.02 mit sonstigen medizinischen Komplikationen

x.03 mit Delir

x.04 mit Wahrnehmungsstörungen

x.05 mit Koma

x.06 mit Krampfanfällen

x.07 pathologischer Rausch

F 1 x.1 schädlicher Gebrauch

F 1 x.2 Abhängigkeitssyndrom

x.20 gegenwärtig abstinent

x.200 frühe Remission

x.201 Teilremission

x.202 Vollremission

x.21 gegenwärtig abstinent, aber in beschützender Umgebung

x.22 gegenwärtige Teilnahme an einem ärztlich überwachten Ersatzdrogenprogramm

(kontrollierte Abhängigkeit)

x.23 gegenwärtig abstinent, aber in Behandlung mit aversiven oder hemmenden Medikamenten

x.24 gegenwärtiger Substanzgebrauch (aktive Abhängigkeit)

x.240 ohne körperliche Symptome

x.241 mit körperlichen Symptomen

x.25 ständiger Substanzgebrauch

x.26 episodischer Substanzgebrauch (z.B. Dipsomanie)

F 1 x.3 Entzugssyndrom

x.30 unkompliziert

x.31 mit Krampfanfällen

F 1 x.4 Entzugssyndrom mit Delir

x.40 ohne Krampfanfälle

x.41 mit Krampfanfällen

F 1 x.5 psychotische Störung

x.50 schizophrenoform

x.51 vorwiegend wahnhaft

x.52 vorwiegend halluzinatorisch (einschließlich Alkoholhalluzinose)

x.53 vorwiegend polymorph

x.54 vorwiegend depressive psychotische Symptome

x.55 vorwiegend manische psychotische Symptome

x.56 gemischt

F 1 x.6 amnestisches Syndrom

F 1 x.7 Restzustand und verzögert auftretende psychotische Störung

x.70 Nachhallzustände (flashbacks)

x.71 Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung

x.72 residualaffektives Zustandsbild

x.73 Demenz

x.74 andere anhaltende kognitive Beeinträchtigungen

x.75 verzögert auftretende psychotische Störung

F 1 x.8 sonstige psychische oder Verhaltensstörungen

F 1 x.9 nicht näher bezeichnete psychische oder Verhaltensstörung

Auf Grund der ähnlichen ätiologischen Bedingungen und den darauf fußenden weitgehend übereinstimmenden therapeutischen Implikationen werden Störungen, die das Essverhalten betreffen sowie die sogenannten stoffungebundenen Süchte in der Behandlungspraxis häufig – so auch in der Psychosozialen Beratung- und Behandlungsstelle Sigmaringen – zusammengefasst.

Im ICD-10 werden diese Störungen unter der Diagnosegruppe F 5 „Verhaltensauffälligkeiten in Verbindung mit körperlichen Störungen und Faktoren“ sowie unter F6 „Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen“ klassifiziert. Die in dieser Kategorie klassifizierten Störungen sind durch wiederholte Handlungen ohne nachvollziehbare Motivation charakterisiert. Das Verhalten, das betroffene Klienten als impulshaft bezeichnen, kann nicht kontrolliert werden.

F 50 Essstörungen

F 50.0 Anorexia nervosa

F 50.1 Bulimia nervosa

F 50.3 atypische Bulimia nervosa

F 50.4 Essattacken bei sonstigen psychischen Störungen

F 50.5 Erbrechen bei psychischen Störungen

F 50.8 sonstige Essstörungen

F 50.9 nicht näher bezeichnete Essstörung

F 63 abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle

F 63.0 pathologisches Glücksspiel

F 63.1 pathologische Brandstiftung (Pyromanie)

F 63.2 pathologisches Stehlen (Kleptomanie)

F 63.3 Trichotillomanie

F 63.8 sonstige abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle

F 63.9 nicht näher bezeichnete abnorme Gewohnheit und Störung der Impulskontrolle

In der abhängigkeitsspezifischen Diagnostik kann neben der Störungs- auch von der Ressourcenperspektive ausgegangen werden, wobei sowohl die persönlichen (Coping-Strategien zur Bewältigung von Spannungen und Konflikten und soziale Kompetenzen), als auch die sozialen und materiellen Ressourcen des Betroffenen von Interesse sind.

Eine weitere Betrachtungsweise stellt die Veränderungsperspektive dar, die die Tatsache berücksichtigt, dass sich Abhängigkeitskranke in unterschiedlichen Phasen ihrer Abhängigkeit und deren Bewältigung befinden. Deshalb ist es in Hinblick auf eine therapeutische Behandlung besonders wichtig, die Ziele des Abhängigen, deren Begründungen sowie seine Fähigkeiten, diese umzusetzen, abzuklären. Besondere Bedeutung kommt den Zielen in Bezug auf die Verhaltensänderung des Klienten zu.

2.1.4.2 Diagnoseinstrumente und Testverfahren

Die Diagnose Abhängigkeit kann objektiv über das Auftreten von Entzugssymptomen oder auch über pharmakologische Toleranztests gestellt werden. Der Missbrauch psychotroper Substanzen hingegen kann ausschließlich über anamnestische Daten und die Selbstbeurteilung des Klienten diagnostiziert werden.

Die für die Behandlung wichtigen Informationen sind

➢ die bisherigen therapeutischen Maßnahmen

➢ die Konsumgewohnheiten

➢ das Alter zu Beginn des Missbrauchs

➢ die Dauer des Missbrauchs

➢ Suizidversuche sowie

➢ die Situation am Arbeitsplatz sowie im sozialen Umfeld.

Differentialdiganosisch müssen Störungen durch psychotrope Substanzen von anderen organischen oder endogenen Psychosen unterschieden werden. In diesem Prozess kommt der Eigen- bzw. Fremdanamnese sowie den aktuellen Laborbefunden eine wichtige Rolle zu. In der klinischen Praxis erfolgt die Differenzierung nach Substanzklassen mittels Drogenscreening.

Ein erhöhter Alkoholkonsum kann über pathologische Veränderungen von klinisch-chemischen Laborwerten z.B. über die Bestimmung von biologischen Markern wie der Gamma-Blutamyl-Transferase (g-GT), dem mittleren Erythrozytenvolumens ((-GT), der Leberwerte oder dem Carbohydrate deficient transferrin (CDT) und dem 5-Hydroxytryptophol diagnostiziert werden. Sind diese Laborwerte erhöht, kann jedoch nicht zwischen Alkoholabhängigkeit und Alkoholmissbrauch unterschieden werden.

Deutschsprachige Testverfahren zur Diagnostik von Störungen im Zusammenhang mit Substanzabhängigkeit und –missbrauch sind bislang ausschließlich im Bereich Alkoholismus verfügbar. Die gebräuchlichsten psychodiagnosischen Verfahren sind in der folgenden Abbildung angeführt.

Abbildung 8: Testverfahren im Bereich Alkoholismusdiagnostik

Quelle: Ferstl, 1998a, S. 783

Verfahren Inhaltliche Zielsetzung Methodische Charakteristika

Münchner Alkoholismustest, Diagnose der Alkoholabhängigkeit Fragebogentest für die Selbst-

MALT (Feuerlein et. al., 1979) beurteilung (24 Items) und

S + F Fremdbeurteilung (7 Items)

Kurzfragebogen für Alkohol- Frühdiagnostik der Alkoholgefährdung Fragebogen (23 Items) zu den

Gefährdete, KFA (Feuerlein et al., Bereichen physische Abhängigkeit,

1976) psychische und soziale Beeinträch-

S tigung, abhängiges Trinkverhalten

und Motivation bzw. Einsicht in die

eigene Hilfsbedürftigkeit

Göttinger Abhängigkeitsskala, Erfassung der Schwere der Abhängigkeit Der 20 Items umfassende

GABS (Jakobi et al., 1987) Fragebogen erhebt 5 Faktoren (1)

S Unwiderstehliches Verlangen und

exzessives Trinken, (2) Körperliche

Entzugssymptome I, (3) Psychische

Entzugssymptome, (4) Trinkmenge,

(5) Körperliche Entzugssymptome II

Trierer Alkoholismusinventar Erfassung verschiedener Aspekte Der Fragebogen mit 90 Items hat 7

TAI (Funke et al., 1987) alkoholabhängigen Erlebens und Subskalen: (1) Schweregrad, (2)

S Verhaltens zur differentiellen soziales Trinken, (3) süchtiges

Indikation psychotherapeutischer Trinken, (4) Motive, (5) Schädigung,

Maßnahmen (6) Partnerprobleme wegen Trinken,

(7) Trinken wegen Partnerproblemen

S = Selbstbeurteilungsverfahren

F = Fremdbeurteilungsverfahren

Des Weiteren sind in diesem Zusammenhang die Diagnoseinstrumente SKID[10] (Wittchen, Zaudig & Fydrich, 1997), sowie das CIDI[11] (Composite Intenational Diagnostic Interview, WHO, 1990) bzw. das CIDI-SAM (Substance Abuse Module) (Lachner & Wittchen, 1996) zu nennen, die beide Teile enthalten, die der Erfassung von Alkoholismus und der Abhängigkeit von anderen psychotropen Substanzen dienen.

Veltrup & Wetterling (1996) haben Skalen zur Erfassung des Cravings – des subjektiven Gefühls eines sehr starken Verlangens nach einer psychotropen Substanz – entwickelt. Zu den gebräuchlichsten Diagnoseinstrumenten in Bezug auf den Schweregrad der Abhängigkeit zählen der ASI (Addiction Severity Index) (McLellan, Kushner, Metzger, Peters, Smith, Grissim, Pettinati & Argerou, 1992) bzw. der EuropASI (deutsche Version: Gsellhofer, Küfner, Vogt, 1999)[12].

Der RCQ[13] (Readiness to Change Questionnaire, Rollnick, Heather, Gold, & Hall, 1992) wurde in Anlehnung an das Modell von Prohaska und DiClemente[14] entwickelt. In diesem Fragebogen werden Daten zur Vorahnungs-, Überlegungs- und Handlungsphase der Abhängigkeit erfasst.

Der CAGE-Kurztest auf Alkoholismusverdacht stellt eine Kurzfassung der häufigsten Symptome der Alkoholabhängigkeit dar. Er wurde im anglo-amerikanischen Sprachraum entwickelt und besteht aus vier Fragen, die in nicht konfrontativer Weise das Vorliegen von Abhängigkeitssymptomen überprüfen sollen.

Abbildung 9: CAGE-Kurztest auf Alkoholismusverdacht von Mayefield (1974).

Quelle: Lucht, Freyberger, 2000, S. 143.

Cut Down (Konsum reduzieren)

Haben Sie (erfolglos) versucht, Ihren Alkoholkonsum zu reduzieren?

Annoyed (verärgert)

Haben Sie sich geärgert, weil Ihr Trinkverhalten von anderen kritisiert wird?

Guilty (Schuldgefühle)

Haben Sie Schuldgefühle wegen Ihres Trinkens?

Eye-Opener (Augenöffner)

Haben Sie Alkohol benutzt, um morgens „in Gang“ zu kommen?

Zweimal ja: Verdacht auf Alkoholabhängigkeit

Dreimal ja: Alkoholabhängigkeit wahrscheinlich

Viermal ja: Alkoholabhängigkeit liegt vor

Der Cage stellt kein Diagnoseinstrument dar, er dient lediglich der schnellen Einschätzung über das Vorliegen eines Alkoholproblems bzw. gibt er Hinweise auf problematisches Trinkverhalten. Werden mindestens zwei der folgenden Fragen bejaht, so kann davon ausgegangen werden, dass eine Störung durch Alkohol vorliegt.

Im Bereich der Alkoholabhängigkeit wurden auch einige Typologien entwickelt. Eine der bekanntesten (und auch ältesten) ist die nach Jellinek (1960, zit. n. Feuerlein, 1998). Später entwickelte Schemata (z.B.: Cloninger et al., 1987) weisen durchwegs Analogien zu dieser Typologie auf.

Abbildung 10: Alkoholikertypologie nach Jellinek

Quelle: Feuerlein, 1998, S.206

Typ Psycho- Körperliche Trink- Fähigkeit zu

Soziale Probleme frequenz kontrolliertem

Probleme Trinken

Alpha (Konflikt- + (+) diskonti- (+)

trinker) nuierlich

Beta (Gelegen- (+) (+) diskonti- (+)

heitstrinker) nuierlich

Gamma (süch- ++ ++ kontinuier- 0

tige Trinker) lich, manch-

mal diskonti-

nuierlich

Delta (Gewohn- (+) ++ immer konti- 0

heitstrinker) nuierlich

Epsilon (episodi- ++ (+) episodisch 0

sche Trinker

0 trifft nicht zu

(+) trifft in geringem Maß zu

+ trifft zu

++ trifft in hohem Maß zu

Lesch (1980) versucht in seiner Typologie die Ursachen den Verlauf, und die prognostischen Aspekte des Alkoholismus zu berücksichtigen um daraus behandlungsrelevante Schlussfolgerungen ziehen zu können. Er verglich an einer fast ausschließlich männlichen Stichprobe von überwiegend Gamma-Trinkern Vorgeschichte, klinisches Bild und einige andere Parameter wie z.B. Methanolstoffwechsel und Pupillenreaktion mit dem jeweiligen Verlauf und kam zu folgender Einteilung:

➢ Typ I:

Alkoholeinnahme auf Grund von „biologischem Verlangen“

Optimaler Verlauf: positive Korrelation mit metalkoholischen Psychosen (z.B. Alkoholdelir), jedoch negative Korrelation mit psychosozialen Störungen. Alkoholkonsum führt zu Toleranzentwicklung und schweren Entzugssymptomen. Keine wesentlichen Auffälligkeiten der Persönlichkeit. Jeder Rückfall (auch nach langer Abstinenz) kann ein starkes Alkoholverlangen auslösen, weswegen stützende Psychotherapie und Selbsthilfegruppen zum Schutz gegen sozialen Trinkdruck erfolgversprechend sind.

➢ Typ II:

Alkoholeinnahme auf Grund von „psychologischem Verlangen“

Guter Verlauf: positive Korrelation mit gestörter frühkindlicher und familiärer sowie eigener psychosozialer Entwicklung. Alkohol wird als Bewältigungsstrategie bei Konflikten und als Selbsttherapie bei Angst und Unruhe verwendet. Psychopharmakologische Behandlung kann leicht zu Symptomverschiebungen in Richtung Beruhigungsmittelabhängigkeit führen. Therapieziel ist die Verbesserung der Lebensbedingungen. Absolute Abstinenz ist häufig nicht notwendig.

➢ Typ III:

Alkoholeinnahme zur „Behandlung von psychiatrischen Zustandsbildern“

Inhomogene Gruppe mit wechselndem Verlauf. Positive Korrelation mit alkoholpermissivem Milieu und sozialen Auffälligkeiten. Alkohol wird als Selbstmedikation bei Befindlichkeitsstörungen und Schlafproblemen missbraucht. Therapie: Antidepressive Medikation und Phasenprophylaktika als Unterstützung psychotherapeutischer Verfahren.

➢ Typ IV:

Alkoholeinnahme in Folge frühkindlicher Vorschädigung und Entwicklungsstörungen

Ungünstiger Verlauf; positive Korrelation mit einer Kombination von Familienstörungen und frühkindlichen Schädigungen. Auch bei diesem Typ dient Alkohol als Therapeutikum zur Selbstmedikation. Stützende Gespräche, Förderung von Eigenkontrolle und Bearbeitung von Rückfällen sowie niederpotente Neuroleptika und Nootropika sind indiziert (Uhl et al., 2002).

2.1.4.3 Das Psychodrama als Test- und Diagnoseverfahren in der Therapie von

Abhängigkeitserkrankungen

Bestimmte Elemente und Techniken des Psychodramas haben sich – besonders in der Arbeit mit Abhängigen – als äußerst praktikable und effektive Test- und Diagnoseverfahren bewährt. Im Speziellen sind in diesem Kontext die soziometrischen Techniken hervorzuheben, die vor allem die Bestimmung und Bearbeitung von Beziehungsnetzwerken zum Ziel haben und das interpersonelle Lernen fördern. Verwendung finden sie im Psychodrama häufig in der Erwärmungsphase zu Beginn einer Sitzung, zur Bearbeitung des sozialen Gefüges bei Problemen und Konflikten innerhalb der therapeutischen Gruppe oder zu Beginn einer Therapie. Tatsächlich weisen jedoch alle Phasen des Psychodramas sowohl therapeutische als auch diagnostische Aspekte auf. Die Diagnostik nach psychodramatischen Methoden stellt eine bedeutende Ergänzung zu den gängigen Klassifikationssystemen dar, wobei die interpersonelle Perspektive sowie die Diagnostik des darin für den Patienten verfügbaren Rollenrepertoirs im Vordergrund stehen (Burmeister, Leutz & Diebels, o. J.b, S. 21).

➢ Das Soziale Atom ist nach Moreno die „kleinste, notwendige soziale Einheit, in der das Individuum aufgehoben sein muss, um existenzfähig zu sein“ (Zeintlinger-Hochreiter, 1996, S.78). Die Technik des Sozialen Atoms dient der Erhebung der emotional wichtigen Bezugspersonen eines Individuums. Das Soziale Atom kann dabei graphisch, mit Münzen, Stühlen oder Schuhen und Ähnlichem dargestellt werden. Das Ziel dieser Darstellung ist es, Einsicht in problematische Beziehungen zu bekommen und Handlungsstrategien zu entwickeln[15]. Als standardisierte Diagnostikinstrumente sind in diesem Zusammenhang das Soziale Netzwerk Inventar von Kulenkampff (1991) und das Social Network Inventory (SNI) von Treadwell, Leach & Stein, (1993) zu nennen.

➢ Das Kulturelle Atom ist eine Technik zur Erhebung und Bewusstmachung der verfügbaren sozialen Rollen[16]. Im psychodramatischen Krankheitsmodell abhängigen Verhaltens[17] haben die Rollendefizite eines Individuums zentrale Bedeutung. Diese Tatsache macht das Kulturelle Atom in der Arbeit mit Abhängigen zu einem äußerst wichtigen Diagnoseinstrument.

In der Soziometrie als bedeutendem Medium der Gruppendiagnostik werden – mit Hilfe von soziometrischen Tests – die bestehenden (sozio-) emotionalen Strukturen einer Gruppe untersucht und behandelt. Der Gruppenleiter bekommt dadurch Informationen über die sozialen Valenzen der einzelnen Gruppenmitglieder. Bei einer „soziometrischen Wahl“ besteht für den Psychodrama-Therapeuten zum Beispiel die Möglichkeit, Koalitionen, Paarbildungen, Isolierte, Außenseiter- und Starpositionen zu erkennen, in der Gruppe anzusprechen und zu bearbeiten. Die Wahlen bzw. Ablehnungen in der Gruppe müssen sich immer auf ein bestimmtes Kriterium beziehen – Fragen werden in etwa wie Folgende formuliert: „Mit wem aus der Gruppe würden Sie gerne eine Bergwanderung unternehmen?“. Der Therapeut muss – vor allem in Gruppen mit Abhängigen, die meist an einer Selbstwertproblematik leiden – darauf hinweisen, dass sich die Wahl ausschließlich auf das festgelegte Kriterium sowie den aktuellen Zeitpunkt bezieht (Stimmer & Gneist, 1987).

Im Psychodrama stehen zwei Arten soziometrischer Tests zur Verfügung: die Ermittlung der Gruppenstruktur durch das Akto-Soziogramm oder durch die Wahl von Personen. Beide Tests erfolgen nach bestimmten Kriterien, die Darstellung der Ergebnisse erfolgt in Soziogrammen. Das Soziogramm gibt indirekt Aufschluss über die spontane Handlungsaktivität, dem Interaktionsstatus und der Möglichkeit zu persönlicher Bedürfnisbefriedigung (Zeintlinger-Hochreiter, 1996). Stimmer und Gneist schildern in ihrem Artikel über die Arbeit mit dem Psychodrama in Gruppen Alkoholabhängiger folgendes Beispiel eines Soziogramms:

Beispiel: Dynamisches Soziogramm

Bei den Alkoholabhängigen in Gruppen der Beratungsstelle haben wir immer wieder festgestellt, dass die Frage nach den Ursachen ihrer Sucht eine eminent wichtige Bedeutung hat. Entsprechende Informationen und anschließende Gespräche darüber, bei denen die Teilnehmer aufgefordert wurden, ihre Sicht der Dinge – ohne Rücksicht auf irgendwelche Theorien – zu äußern, endeten fast ausschließlich damit, dass etwa zwei Mitglieder, die eine Langzeittherapie hinter sich hatten und entsprechend geschult waren, zwei konträre Meinungen äußerten und sich gegenseitig auf eine sehr rationalisierende Weise unterhielten. Die Frage nach den Ursachen bringt aber die Gefühlswelt der Patienten in Wallung, da es dabei ja darum geht, ob Alkoholismus vererbbar ist, ob die Eltern schuld seien, weil sie in der frühkindlichen Erziehung „etwas“ verkehrt gemacht haben oder ob gar der Patient selbst Schuld hat, weil er in seinem späteren Leben verschiedene Bereiche nicht richtig angegangen ist. Die eigene Betroffenheit wird dabei häufig hinter dem theoretischen Argumentieren versteckt.

Als dieses Thema wieder einmal in der Luft lag, haben wir versucht, der stocksteifen Diskussion von unterschiedlichen Meinungen damit zu entgehen, dass sich zwei Kontrahenten auf zwei Stühle in die Mitte des Spielraum setzten und jeder noch einmal kurz seine Ansicht äußerte. Dann wurden alle Gruppenmitglieder aufgefordert, sich nach ihrem Gefühl im Raum den beiden eben gehörten Meinungen zuzuordnen und dann die eigenen Gefühle auszudrücken. Falls Veränderungen in der Wahrnehmung aufträten, sollten diese durch eine andere Stellung im Raum angezeigt werden. In kürzester Zeit entstand ein ausgesprochen dynamischer Prozess, innerhalb dessen jeder Teilnehmer seinen Gefühlen freien Lauf ließ, und viele versuchten verbal wie auch durch körperliche Aktionen, andere Teilnehmer von der eignen Sichtweise zu überzeugen. Diese Art des Umgangs mit dem Thema „Ursachen der Sucht“ war zum ersten Mal weit entfernt von einem blutlosen Diskutieren über irgendwelche theoretischen Überlegungen (Stimmer & Gneist, 1987, S. 173/174).

➢ Die psychodramatische Methode bietet ferner die Möglichkeit, an Hand von psychodramatischen Miniaturen – dem Anspielen von Szenen und Verhaltensausschnitten – sowie rollengeleiteten verbalen und szenischen Explorationen stichprobenartig diagnostisch wichtige Aspekte zu erheben

Gängige psychodramatische diagnostische Techniken sind die Technik des leeren Stuhls, Techniken des gelenkten Tagtraums und Zukunftsprojektionen. Des Weiteren werden im Psychodrama mit Abhängigen diagnostische Methoden spielerischer Art wie z.B. der Zauberladen angewandt. Diese sowie die oben genannten Techniken werden in Kapitel 3.11 genauer beschrieben.

Zusammenfassend betrachtet erstreckt sich die psychodramatische Diagnostik über folgende Bereiche (Burmeister, Leutz & Diebels, o. J.b).

➢ Diagnostik des relevanten interpersonalen Beziehungssystems

➢ Diagnostik des Rollensystems

➢ Diagnostik des Spontaneitätsniveaus

➢ Ergänzung der gängigen deskriptiven diagnostischen Manuale: Anamnese und konfliktbezogene Exploration, Evaluation von Zeit-, Raum-, Realitäts- und kosmischem Bezug, spezifische Motivations-, Ziel- und Werterklärung, Einsatz projektiv imaginativer Elemente sowie psychodramatischer Basistechniken.

2.1.5 Komorbidität

In der psychiatrischen Terminologie versteht man unter Komorbidität das gemeinsame Auftreten zweier oder mehrerer psychischer Störungen. Die Diagnose einer komorbiden Störung sowie die Form des Zusammenwirkens der unterschiedlichen Störungen haben entscheidenden Einfluss auf den Verlauf und die Therapie einer psychischen Krankheit. In der Regel hat eine Komorbidität eine Verschlechterung der Prognose zur Folge. Die Möglichkeit eine weitere bestehende Störung zu übersehen kann durch die Anwendung von Symptomchecklisten und strukturierten klinischen Interviews vermieden werden. Zahlreiche empirische Studien belegen die überzufällige Häufigkeit des gemeinsamen Auftretens von Abhängigkeitserkrankungen und anderen psychischen Störungen (Mann & Günther, 1999; Stimmer, 1999). Im Zusammenhang mit Abhängigkeitsstörungen treten folgende komorbide Störungen am häufigsten auf:

➢ Phobien, Panikstörung und generalisierte Angststörung

➢ Antisoziale Persönlichkeitsstörungen, Verhaltensstörungen mit Beginn der Kindheit und Jugend

➢ Major Depression, Bipolare Störungen

➢ Schizophrenie

In der Praxis können vier Formen der Komorbidität unterschieden werden:

➢ die psychische Erkrankung entsteht als Folge einer langjährigen Störung durch psychotrope Substanzen (primärer Alkoholismus),

➢ die Störung durch psychotrope Substanzen entwickelt sich im Sinne eines Selbstbehandlungsversuches auf Grund der psychischen Erkrankung (sekundärer Alkoholismus),

➢ die unterschiedlichen psychischen Störungen treten unabhängig voneinander auf,

➢ die psychischen Störungen stellen unterschiedliche Manifestationen der gleichen psychischen Erkrankung dar.

Die Unterscheidung zwischen diesen vier Formen des Zusammenwirkens von Abhängigkeit und einer weiteren psychischen Störung erfolgt über die ausführliche Erhebung anamnestischer Daten. In der überwiegenden Zahl der Fälle tritt die Abhängigkeitserkrankung zeitlich vor der psychischen Störung auf. Insgesamt leiden mehr als 50% der Patienten mit der Diagnose Störungen durch psychotrope Substanzen unter einer weiteren psychischen Störung. Auch körperliche Störungen und Symptome wie z. B. Infektionskrankheiten treten häufig auf. Sowohl das Klassifikationssystem DSM-IV als auch das ICD-10 bieten (im Gegensatz zu früheren Versionen) die Möglichkeit, Komorbidität über das Konzept der multiplen Diagnosen fest zu stellen. Bestehende Theorien über die Ursachen von psychischen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen sowie routinemäßig durchgeführte Behandlungs- und Therapieabläufe für Abhängige orientieren sich an Klienten, die ausschließlich an dieser Störung leiden.

Für die Zukunft in der Behandlung Abhängiger ist zu hoffen, dass unter Berücksichtigung eventuell bestehender Komorbiditäten spezifische Therapieprogramme und Behandlungsansätze konstruiert werden, die auf neu entwickelten theoretischen Grundlagen beruhen.

2.1.6 Intervention und Therapie

Hat eine psychotrope Substanz erst einmal zu einer Abhängigkeitserkrankung geführt, so ist ein kontrollierter Umgang mit der Droge nicht mehr möglich. Aus diesem Grund ist in der Regel der Entzug die Voraussetzung für eine Therapie, ihr Ziel ist meist die vollständige Abstinenz. Auch in der Therapieforschung wird die Abstinenzdauer als Hauptkriterium definiert.

Die drei wichtigsten globalen Ansätze zur Behandlung von Abhängigen sind die medikamentöse, die psychotherapeutische und die sozialtherapeutischen Interventionen. Therapeutische Konzepte für die Behandlung einer Abhängigkeit sind in großer Anzahl vorhanden. Neben professionellen Angeboten sind Selbsthilfegruppen häufig ein wesentlicher Bestandteil der Therapie.

Abbildung 11: Therapieziele. Es ist erfolgversprechender, realistische Therapieziele zu definieren, als an zu hohen zu scheitern.

Quelle: Lucht & Freyberger, 2000, S. 156

| Individuelle therapeutische Grenzziehung (Selbsthilfe) |

| Konstruktive Bearbeitung von Rückfällen |

| Akzeptanz des Abstinenzziels |

| Akzeptanz des eigenen Behandlungs- und Hilfebedarfs |

| Einsicht in die Grunderkrankung |

| Ermöglichung längerer Abstinenzphasen |

| Verhinderung sozialer Desintegration |

| Sicherung der sozialen Umgebung gegen Beeinträchtigung |

| Verhinderung von schweren körperlichen Folgeschäden |

| Sicherung des Überlebens |

Unter Berücksichtigung des psychodramatischen Erklärungsmodells abhängigen Verhaltens[18] müssen als weitere zentrale Therapieziele die Nachreifung der Fehlentwicklungen im Bereich des Selbstwerterlebens sowie der Beziehung zu sich selbst und zu den primären Bezugspersonen im Sinne einer konstruktiven Persönlichkeitsveränderung und Ich-Stärkung, der Aufbau einer verbesserten Selbstkontrolle und Ausdrucksfähigkeit, die Nachreifung und Umstrukturierung pathodynamischer Erlebnis- und Verhaltensstrukturen, aber auch die Verbesserung und Erweiterung der sozialen Kompetenz der Betroffenen in den Bereichen Partnerschaft, Familie, Beruf und Freizeit genannt werden.

In den USA hat sich in der Behandlung Abhängiger inzwischen ein Modell durchgesetzt, das die Festlegung individueller Therapieziele auf der Basis der harm reduction in Zusammenarbeit mit dem Patienten vorsieht. Auch die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS) hat die Schadensreduzierung in ihr Aufgabenkonzept integriert.

Die Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen umfasst meist drei Bereiche: den Suchtmittelentzug, die Rehabilitation, in der psychotherapeutische Interventionen in verstärktem Maße zur Anwendung kommen, sowie die Rückfallprävention. Prognose und Therapie einer substanzbezogenen Störung hängen nach Haring (1995) von folgenden Faktoren ab:

➢ der Dauer der Abhängigkeit

➢ der Art der Droge

➢ dem klinischen Erscheinungsbild

➢ dem Alter beim Erstkontakt mit der Droge

➢ der prämorbiden Persönlichkeit sowie

➢ dem Konsens zwischen Behandelnden und Klienten bezüglich der therapeutischen Ziele

Die Therapieauswahl und –indikation sollte demgemäss nach Schweregrad- und Störungsspezifität unter Berücksichtigung der Komorbidität erfolgen. Psychotherapeutische Interventionen sowie soziale Unterstützung haben in der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen eine wichtige Funktion. Häufig werden auch die Angehörigen der abhängigen Klienten in die Therapie integriert, da die Haltung der engeren Umwelt des Abhängigen einen wichtigen Parameter in Bezug auf die Prognose der therapeutischen Interventionen darstellt.

Prinzipiell kann zwischen psychotherapeutischer Frühintervention, Motivationsbehandlung und Kurztherapie auf der einen und einer längerfristigen Einzel- bzw. Gruppentherapie auf der anderen Seite unterschieden werden. Im Gegensatz zu soziotherapeutischen Interventionen kommt in der psychotherapeutischen Behandlung der Beeinflussung des Individuums ein zentraler Stellenwert zu. Üblicherweise werden in der stationären und ambulanten Behandlung von Abhängigkeitskranken verschiedene Methoden kombiniert eingesetzt. Zentrale Ansatzpunkte sind dabei meist die Aktivitätssteigerung sowie die Förderung der Selbstverantwortung der Betroffenen. Wie bereits erwähnt ist die Phase der Abstinenz charakteristischerweise mit dem Auftreten von Rückfällen verbunden. Daraus lässt sich ableiten, dass in der Therapie von Abhängigkeitserkrankungen das Erlernen von Kompetenzen für den Umgang mit Rückfällen enorm wichtig ist. Die psychodramatische Therapie bietet gerade auch in diesem Bereich effiziente Methoden und Interventionstechniken[19].

2.1.7 Prävention

Die Prävention von Abhängigkeit umfasst verschiedenste pädagogische, psychologische, medizinische und sozialarbeiterische Maßnahmen, die die Verhütung von abhängigem Verhalten zum Ziel haben. Dies geschieht vor allem über die Reduzierung der zahlreichen Risikofaktoren für psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen wie z.B. extreme ökonomische Deprivation, familiäre Konsummuster oder der frühzeitige Beginn des Konsums. Die Entwicklung (personaler und sozialer) protektiver (Verhaltens-) Kompetenzen spielt in diesem Zusammenhang ebenfalls eine wesentliche Rolle.

Prinzipiell können Präventionsmaßnahmen auf der personalen oder auf der Umweltebene ansetzen. Personale Präventionsprogramme beziehen sich auf die Verbesserung von allgemeinen und abhängigkeitsspezifischen Verhaltenskompetenzen und Einstellungen. Auf der Umweltebene wird an der Beseitigung der, an der Entstehung einer Abhängigkeitserkrankung beteiligten, sozialen, kulturellen und ökonomischen Faktoren vor allem durch Gesetze und Verordnungen gearbeitet.

Ein weiteres Bezugskonzept der Prävention von Abhängigkeitserkrankungen stellt das Modell der Entwicklungsaufgaben (Havighurst, 1953) dar. Entwicklungsaufgaben sind als universelle, kulturell und gesellschaftlich vorgegebene Erwartungen und Anforderungen an Personen einer bestimmten Altersgruppe zu verstehen, deren Bewältigung mit psychischen Belastungen einhergeht. Sie stellen wichtige Bezugssysteme dar, innerhalb derer die personelle und soziale Identität entwickelt werden muss. Die Anforderungen der Gesellschaft sind normativ, die Altersgrenzen für deren Bewältigung sind jedoch variabel. Entwicklungsaufgaben gliedern den Lebenslauf und geben dem einzelnen Jugendlichen Sozialisationsziele vor. In diesem Prozess können psychotrope Substanzen mit Abhängigkeitspotential eine wichtige psychosoziale Funktion übernehmen.

Die Prävention von Abhängigkeitserkrankungen richtet sich in der Regel auf legale wie auch illegale psychoaktive Substanzen, aber auch stoffungebundene Formen der Abhängigkeit.

In der Prävention psychischer Störungen können drei Maßnahmengruppen unterschieden werden:

1. Die Primär- oder Generalprävention

Die Primärprävention bezieht sich auf die Krankheitsverhütung im engeren Sinne – die Verhütung des Erstausbruchs einer Krankheit (Senkung der Inzidenzraten) und versucht, durch Interventionen auf der Angebots- sowie der Nachfrageseite den Konsum psychoaktiver Substanzen im gesellschaftlichen Rahmen zu reduzieren. Die Maßnahmen dieser Gruppe können sich auf die Erhöhung der Resistenz gegen krankmachende Faktoren oder die Ausschaltung solcher Faktoren konzentrieren. Um gezielte primärpräventive Maßnahmen setzten zu können muss eine exakte Theorie über die Ursache- Wirkungszusammenhänge eines Störungsbildes vorhanden sein.

Die Ziele der Primärprävention psychischer Störungen umfassen laut Definition der WHO (1973, zit. n. Feuerlein et al., 1998) die Verbesserung der Lebensqualität, die Reform sozialer und gesellschaftlicher Strukturen und die Förderung der Toleranz der Gesellschaft für individuelle Lebensformen. Die Effektivität primärpräventiver Maßnahmen lässt sich über die Prävalenz- und Inzidenzzahlen beurteilen, ist jedoch aus methodischen Gründen gerade in Bezug auf Abhängigkeitserkrankungen im Allgemeinen und bei Störungen durch Alkohol im Speziellen nur eingeschränkt valide und reliabel überprüfbar. Die Prävalenz stellt ein Krankheitsmaß dar, das die Gesamtzahl aller Krankheitsfälle in einer definierten Population zu einem bestimmten Zeitpunkt (Punktprävalenz) oder während einer Zeitperiode (Periodenprävalenz) umfasst (Baumann-Perrez, 1998). Die Inzidenzrate gibt an, wie häufig es innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu einem Neuauftreten einer Krankheit kommt. Werden Prävalenz- und Inzidenzraten von Behandlungseinrichtungen erfasst, so spricht man von Inanspruchnahmeraten (administrative Prävalenz oder Inzidenz). Im Gegensatz dazu werden im Rahmen von Feldstudien in einer Population erhobene Daten als wahre Prävalenz bzw. Inzidenz bezeichnet.

Zu den primärpräventiven Maßnahmen zählen strukturelle Maßnahmen, die die Reduktion schädigender Einflüsse durch die Umwelt zum Ziel haben. Diese beziehen sich auf die Verfügbarkeit, die durch ökonomische (Preiserhöhung), „technische“ (Erschwerung von Kauf und Konsum) und sozialkommunikative Faktoren (Werbungseinschränkungen) sowie informelle Regeln kontrolliert werden kann. Die edukativ-kommunikativen Maßnahmen als weitere Möglichkeit der Primärprävention zielen auf eine Einstellungsänderung der Bevölkerung gegenüber psychotropen Substanzen mittels Informationsvermittlung, Standfestigkeitstraining, Massenmedienkampagnen sowie affektiver Erziehung und Lebenskompetenztraining ab.

Die primäre Prävention von Abhängigkeitserkrankungen kann im Sinne einer „Lebenskompetenzförderung“ verstanden werden, die die Förderung von Selbstwert und Selbstvertrauen, Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Erlebnis- und Genussfähigkeit sowie die Unterstützung bei der Sinnsuche und Sinnerfüllung als Hauptziele nennt (Stimmer, 1999).

2. Die Sekundärprävention

Unter Sekundärprävention versteht man die Früherkennung und Verkürzung der Dauer von Krankheiten (Senkung der Prävalenzdaten) zum Beispiel durch Screenings in spezifischen Zielgruppen. Zur Früherkennung von Abhängigkeitserkrankungen geeignete Screeninginstrumente liegen bereits vor[20]. Sekundärpräventive Maßnahmen richten sich primär an Personengruppen, die ein riskantes Konsumverhalten zeigen aber noch keine manifeste Abhängigkeit aufweisen. Innerhalb des Gesundheitssystems sind vor allem niedergelassene Ärzte sowie Allgemeinkrankenhäuser zur Abdeckung sekundärpräventiver Maßnahmen wie die Frühintervention und Motivationsarbeit geeignet. Methoden zur Frühintervention sind z.B. das „motivational interviewing“[21], schriftliche Informationen sowie Kurberatungen und Ratschläge. Das Motivational Interviewing wird beschrieben als „directive, client-centered counseling style for eliciting behavior change by helping clients to explore and resolve ambivalence“ (Rollnick & Miller, 1995). Im Vergleich zu nicht-direktiven Beratungsstilen soll diese Technik sehr klar und Ziel-orientiert sein. Zentrale Ziele dieser Interventionstechnik sind die Prüfung und die Auflösung der Ambivalenz des Patienten. Für die Sekundärprävention Jugendlicher besteht derzeit noch großer Nachholbedarf (DHS-Positionspapier, 2001). Auch die Förderung sekundärpräventiver Maßnahmen bei Personen, deren Missbrauchs- oder Abhängigkeitsverhalten in Betrieb oder im Straßenverkehr evident wurde, hat aktuelle gesundheitspolitische Relevanz (Bühringer & Ferstl, 1998).

3. Tertiärprävention

Damit meint man die individualisierte Verhütung von Chronifizierung, Rückfällen und weiteren ungünstigen Spätfolgen einer Krankheit.

In Bezug auf Abhängigkeitserkrankungen ist in diesem Zusammenhang vor allem die Rückfallprävention und die Vermeidung progredienter sozialer und körperlicher Verelendung von Bedeutung.

Rehabilitative und therapeutische Maßnahmen sind den Begriffen Sekundär- und Tertiärprävention zuzuordnen.

2.2 Aufgaben, Probleme und Modelle der Evaluation von Psychotherapie

Evaluation umfasst die Analyse und Bewertung von Konzepten und Maßnahmen therapeutischer Interventionen unter Verwendung wissenschaftlicher Methoden und Techniken und hat vor allem folgende Aufgaben und Ziele (Baumann & Reinecker-Hecht, 1998; Feuerlein et al., 1998):

➢ Überprüfung der Durchführbarkeit eines therapeutischen Behandlungskonzeptes: Hierbei sind die zeitlichen, personellen und finanziellen Rahmenbedingungen sowie die Akzeptanz der Klienten und der Therapeuten von Belang.

➢ Die Erfassung globaler Behandlungsergebnisse: In diesem Zusammenhang steht vor allem die Frage des Vergleichs des Behandlungseffekts zur Spontanremission im Vordergrund. Spontanremission im engeren Sinn meint die Besserungsrate, die ohne Intervention zu Stande kommt. Im weiteren Sinn versteht man unter diesem Begriff die Besserungsquote, die ohne spezifische Interventionen wie z. B. Psychotherapie erreicht wird; ärztliche Hilfe, halbprofessionelle Hilfe und Beratung werden in diesem Zusammenhang nicht als spezifische Interventionen betrachtet. Die Spontanremissionsquote im engeren Sinn liegt niedriger als die weiter gefasste.

Die These von Eysenck (1952), dass zwei Drittel der neurotischen Patienten innerhalb von 2 Jahren nach Krankheitsbeginn mit oder ohne psychotherapeutischer Behandlung als im Sinne einer Spontanremission erheblich gebessert bzw. geheilt eingestuft werden können, hat zu einer Vielzahl an Überlegungen in Bezug auf die Methodik der Evaluationsforschung geführt. Hier muss das Kontrollgruppendesign erwähnt werden, das seit den fünfziger Jahren für die Psychotherapieforschung gefordert wird und die interne Validität der Studien entscheidend verbessert. Folgende Versuchsplantypen sind in der Evaluationsforschung üblich:

Abbildung 12: Versuchsplantypen für klinisch-psychologische Interventionsforschung (Gruppen-Design)

Quelle: Baumann & Reinecker-Hecht, 1998, S. 354.

A. Keine expliziten Kontrollbedingungen: Eingruppenplan

1) Eingruppenplan mit retrospektiver Datenerhebung am Interventionsende (Einpunkt-Erhebung; Interventionsbewertung bei Abschluss der Intervention).

2) Eingruppenplan mit mindestens Prä- und Postmessung (nach Behandlung) (Zweipunkterhebung mit Differenzbildung als Veränderungsmaß; evtl. Mehrpunkterhebung).

3) Eingruppenplan mit Eigenkontrollgruppe: PatientInnen bleiben einige Zeit unbehandelt (Baseline), so dass Kontroll- und Interventionsphase vorliegen, die miteinander verglichen werden können (Zeiteffekte nicht kontrolliert, interne Validität eingeschränkt).

B. Explizite Kontrollbedingungen: Kontrollgruppenplan mit Interventions- und Kontrollgruppe

4) Kontrollbedingung ohne Behandlung: Unbehandelte Kontrollgruppe.

5) Kontrollbedingung ohne Behandlung in der Kontrollphase mit anschließender Behandlungsphase: Wartelistenkontrollgruppe.

6) Kontrollbedingung mit geringer Behandlung: Placebo-Kontrollgruppe[22].

7) Kontrollbedingung mit üblicher Behandlung: Routine-Behandlung.

8) Kontrollbedingung mit spezifischer Behandlung: andere Therapieform[23].

9) Kontrollbedingung mit spezifischer Behandlung: Parametermodifikation in Form von Parametervariation, -addition, -substraktion[24].

10) Kombination der Varianten (4)-(9).

Die Versuchspläne (1) bis (3) haben keine expliziten Kontrollbedingungen und sind deshalb von geringer methodischer Güte – die interne Validität ist beeinträchtigt. Als Vergleich können Studien aus der Literatur herangezogen werden. Studien, die sich an diesen Designs orientieren können dazu dienen, globale Effekte der Therapie abzuschätzen.

Für die Varianten (4) bis (10) gilt, dass die Kontrollgruppe im Idealfall aus Personen besteht, die randomisiert den Bedingungen zugeordnet werden[25]. Üblicherweise werden Gruppen mit unterschiedlichem Behandlungsaufwand herangezogen. Plan (4) ist sowohl ethisch als auch klinisch schwer vertretbar. Der Kontrollgruppe müsste längere Zeit jegliche Behandlung vorenthalten werden.

Neben den methodischen Unterschieden der einzelnen Pläne sind auch unterschiedliche Zielsetzungen zu bemerken: Versuchsplantyp (2), (3) und (4) bis (7) zielen auf die Ermittlung der Wirkung einer Therapieform ab, Variante (8) auf die Frage der Indikation, Variante (9) hingegen hat die Optimierung einer Therapieform zum Ziel.

Berücksichtigt man die unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten sowie die zusätzlichen, differentiellen Faktoren Therapeut[26] und Klient[27], so kann es zu sehr komplexen Versuchsplänen kommen, die die Grundlage für sehr differenzierte Indikationsaussagen bilden.

➢ Behandlungsergebnisse in Abhängigkeit von Patientenmerkmalen: Welche prognostischen Aussagen können in Bezug auf bestimmte Patientengruppen getroffen werden?

➢ Indikationsfragen: Welche Behandlungs- bzw. Patientenmerkmale sind bei der Wahl der therapeutischen Intervention zu berücksichtigen?

➢ Erfassung des Therapieprozesses: In diesem Zusammenhang ist vor allem die Frage des Zusammenhangs zwischen Intervention und Reaktion des Behandelten von Bedeutung.

➢ Metaanalysen bieten eine empirisch-statistische Zusammenfassung von Ergebnissen unterschiedlicher Studien.

➢ Kosten-Nutzen-Analysen

➢ Szenarien und Simulationstechniken: Bestimmte Bedingungskonstellationen in der Behandlung werden simuliert, um die Auswirkungen auf den Behandlungserfolg evaluieren zu können.

In der Evaluationsforschung werden unterschiedliche Kriterien definiert. Bei den folgenden Begriffen ist zu beachten, dass diese in der deutsch– und englischsprachigen Literatur nicht immer einheitlich verwendet werden.

1) Effektivität oder Wirksamkeit / efficacy: Um Aussagen bezüglich dieses Kriteriums treffen zu können, müssen Veränderungen in Richtung definierter Ziele an Hand eines Vergleichsmaßstabs (z. B. der Kontrollgruppe) beurteilt werden. Die hierbei verwendeten formalen Kriterien können sehr unterschiedlich sein. Im Allgemeinen ist derzeit die Meinung vorherrschend, dass die Effektivität multimodal, d. h. im Hinblick auf verschiedene Datenebenen und Konstrukte erfasst werden muss.

➢ Statistische Signifikanz der Veränderung (im Vergleich zu einer Kontrollgruppe)

➢ Klinische Signifikanz oder Bedeutsamkeit der Veränderung: wird meist durch ein Expertenurteil definiert.

➢ Prozentsatz an gebesserten Patienten: hierfür wird ein Kriterium als Hauptindikator herangezogen (bei Abhängigen in der Regel die Abstinenz).

➢ Breite der Veränderung oder Wirkungsspektrum

➢ Veränderungsmuster

➢ Dauerhaftigkeit der Veränderung: die Katamnesedauer wird meist nach den Störungstheorien definiert.

➢ Ausmaß an unerwünschten negativen Effekten[28]

2) Effizienz / cost-effectiveness, cost-benefit: dieses Kriterium definiert den Aufwand, der zur Erreichung des definierten Ziels benötigt wird. Man unterscheidet Kosten-Effektivitäts-Analysen, die sich ausschließlich mit der Frage der mit der Erreichung von Therapiezielen verbunden Kosten beschäftigen von Kosten-Nutzen-Analysen. Ein Beispiel für eine Kosten-Effektivitäts-Analyse ist die Gegenüberstellung der Kosten für eine ambulante bzw. stationäre Therapie einer bestimmten Störung. Bezüglich des Nutzens der Behandlung (die Behebung der Störung) werden keine monetären Aussagen getroffen. Bei den Kosten-Nutzen-Analysen unterscheidet man zwei Arten von Nutzen: positiven Nutzen (z. B.: höheres Einkommen durch gesteigerte Arbeitsleistung) von Nutzen durch Kosteneinsparung (z. B.: weniger Medikamente) (Baumann & Reinecker-Hecht, 1998).

3) Patientenzufriedenheit oder Consumer-Satisfaction

4) Praxisbewährung oder effectiveness

5) Ethische Angemessenheit: Hier steht die Frage im Zentrum, ob die

angewandten Mittel mit den definierten Zielen kompatibel sind.

Der Erfolg einer therapeutischen Intervention oder eines Therapieprogramms ist immer in Zusammenhang mit den vereinbarten bzw. vorgegebenen Therapiezielen zu bewerten. Das Therapieziel ist erreicht, wenn die Erwartungen bzw. Vorgaben erfüllt wurden. In der Therapie mit Abhängigen ergibt sich aus der Definition des Erfolgskriteriums Abstinenz ein wesentliches methodisches Problem. In einigen Studien wird jeglicher Konsum psychotroper Substanzen als Rückfall gewertet, in anderen ausschließlich der massive Konsum bzw. wird in manchen Untersuchungen noch von Abstinenz gesprochen, wenn bis zu zwei Rückfälle in der Rehabilitationsphase auftreten (für diese Fälle wurden die Begriffe „abstinent nach Rückfall“ und „mäßiger Konsum“ definiert, man unterscheidet auch zwischen geringfügigem, einmaligem bzw. kurzzeitigem Konsum). Vom therapeutischen Standpunkt aus betrachtet kann ein einmaliger Rückfall nicht als Therapiemisserfolg gewertet werden, da wechselhafte Verläufe für die Rehabilitationsphase bei Abhängigkeitserkrankungen charakteristisch sind (Lindenmeyer, Bents, Fiegenbaum & Ströhm, 1995). Spezifische Behandlungsangebote für rückfällige Patienten sind rar, die Betroffenen durchlaufen immer wieder dieselben Rehabilitationsmaßnahmen.

Innerhalb der Gesundheitspolitik herrscht seit den 80er Jahren eine Diskussion darüber vor, inwiefern Abstinenz als primäres Ziel medizinischer und therapeutischer Interventionen als sinnvoll zu betrachten ist. Inzwischen setzt sich auch in der Praxis immer stärker das sogenannte Akzeptanzparadigma durch, demzufolge in der Arbeit mit Abhängigen zunehmend konsumakzeptierende, differenziertere, niedrigschwellige Beratungs- und Behandlungsangebote vermehrt zum Einsatz kommen sollten (Stimmer, 1999). Des Weiteren bestehen Untersuchungsergebnisse, die nach dem Grundsatz der Harm-reduction-Strategie[29] bewertet wurden, die die Reduktion des Konsums der psychotropen Substanz als Erfolgskriterium verwenden. Süß (1988) unterscheidet zwischen subjektiven und objektiven Kriterien für den Therapieerfolg. Zu den objektiven Erfolgskriterien zählten in seiner Untersuchung die psychische Gesundheit des Betroffenen, Art und Umfang notwendiger Behandlungsmaßnahmen im Katamnesezeitraum und bei Erwerbstätigen die Anzahl an Fehltagen am Arbeitsplatz. Die direkten, kurzfristigen therapeutischen Einflussmöglichkeiten in diesen Bereichen sind als beschränkt einzustufen. Die wichtigsten subjektiven Kriterien für die Messung des Erfolgs einer psychotherapeutischen Behandlung sind physische und psychische Beschwerden, Lebenszufriedenheit, Belastungen sowie die Zufriedenheit in wichtigen Beziehungen.[30]. Rückfälle von Abhängigkeitskranken werden einerseits als Indikatoren für das Versagen von Therapeut, Klient und Behandlung betrachtet, sind jedoch andererseits häufige Ereignisse im Verlauf von Abhängigkeit[31]. Man differenziert dabei nach Alkoholmenge, Häufigkeit, Schwere der Folgen sowie der inneren und äußeren Situation, in der sich der Rückfall ereignet. Auch die Phänomenologie von Rückfällen variiert stark, z. B. im Hinblick auf den vorangegangenen Abstinenzzeitraum, ihre Dauer und Intensität sowie ihre Folgen (Feuerlein et al., 1998). Inzwischen existieren auch einige Modelle über die Entstehung und die gezielte Beeinflussung des Rückfallgeschehens. Eine der bedeutendsten und empirisch am besten abgesicherten Theorien stammt von Marlatt & Gordon (1985). Diese führen folgende Bedingungen als einen Rückfall begünstigende an:

➢ Ein unausgewogener Lebensstil, d. h. zu viele Verpflichtungen und zu wenig Regenerationsmöglichkeiten.

➢ Viele Risikosituationen wie belastende emotionale Zustände, Aufforderungen zum Mitkonsum, kritische Lebensereignisse u. ä.

➢ Unzureichende Verhaltenskompetenzen

➢ Ungünstige emotionale und kognitive Prozesse wie z. B. zu geringe oder übersteigerte Selbstwirksamkeitserwartung oder positive Konsumfolgeerwartungen.

In den letzen Jahren entstand eine breite Diskussion in der Fachwelt, ob Trinkverhalten und Suchtmittelmissbrauch als einzige Erfolgskriterien in der Therapie Abhängiger gelten können. Neben dem Kriterium der Abstinenz stellen die Lebensqualität, das vom Betroffenen subjektiv empfundene Wohlbefinden und die generelle Lebenszufriedenheit weitere wichtige Indikatoren für den Erfolg therapeutischer Behandlungen von Abhängigkeitserkrankungen dar. Erst in den letzten beiden Jahrzehnten zeigte sich in Bezug auf den Begriff der Lebensqualität eine Entwicklung, diese als ein individuumsbezogenes Konzept aufzufassen. Die Forschung legte ihren Schwerpunkt dabei auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität (Health-Related Quality of Life, HRQOL), die mittlerweile ein zunehmend wichtiger werdendes Evaluationskriterium in Medizin und Psychotherapie darstellt. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität kann operational definiert werden als ein multidimensionales Konstrukt, das physische, emotionale, mentale, soziale, spirituelle und verhaltensbezogene Komponenten des Wohlbefindens und der Funktionsfähigkeit (des Handlungsvermögens) aus dem subjektiven Erleben und der subjektiven Wahrnehmung der Betroffenen beinhaltet (Schumacher, Klaiberg & Brähler, 2003). Auch in dem, in dieser Untersuchung angewandten Katamnesefragebogen[32] zielen einige Fragen auf das subjektive Erleben in der Rehabilitationsphase ab. Das primäre Kriterium für den Erfolg einer Entwöhnungstherapie ist jedoch immer noch die Abstinenz, eine Tatsache, die sich auch in den Katamnesestandards zeigt, die differenzierte Hinweise zur Erhebung des Suchtmittelkonsums enthalten während andere Erfolgskriterien vernachlässigt werden (Süß, 1988).

2.3 Generelle und differentielle Wirksamkeit der Therapie von Abhängigkeitserkrankungen

In der Literatur wird die Wirksamkeit psychotherapeutischer Interventionen in der Behandlung Abhängiger durchgehend positiv bewertet (Feuerlein et al., 1998; Süß, 1995). Süß bestätigt in seiner Metaanalyse bezüglich Alkoholismustherapie, dass die generelle Wirksamkeit fundierter Interventionen in diesem Bereich gesichert ist und zudem etwas über der Ein-Drittel-Regel[33] liegt. Im Vergleich dazu ist die Spontanremissionsrate (abstinent und gebessert) von geschätzten 19 Prozent pro Jahr zu nennen (Feuerlein et al., 1998).

Als differentiell wirksame Faktoren in der Behandlung von Abhängigen[34] sind vor allem folgende zu nennen:

➢ Behandlungssetting:

Der Vergleich der Erfolgsquoten von ambulanter und stationärer Therapie ergibt in der Literatur ein recht einheitliches Bild: in einigen Studien ergaben sich geringfügig niedrigere Besserungsraten im ambulanten Setting (Süß, 1995; Küfner, 1981) in anderen fand sich kein signifikanter Unterschied in den Ergebnissen (Finney et al, 1981). Zu beachten ist bei diesen Vergleichen die unterschiedliche Patientenselektion: anzunehmen ist, dass in der Klientel der ambulanten Therapie eine höhere soziale Stabilität zu finden ist als bei Patienten, die im stationären Setting behandelt werden.

➢ Therapieform / Behandlungsmethode

In einer sehr umfangreichen Studie über die ambulante Entwöhnungstherapie von Alkoholabhängigen (Teilstudie 1) sowie über die Nachbehandlung (Teilstudie 2) aus dem Jahr 1998 konnte die Project Match Research Group über Therapiemanuale strukturierte ambulante Therapieformen vergleichen. Die Patienten wurden randomisiert jeweils einer von drei Therapieformen mit Einzelsitzungen zugewiesen: einer kognitive Verhaltenstherapie der Problembewältigung (12 Sitzungen), einer Motivationsentwicklungstherapie[35] (4 Sitzungen) oder einem 12-Stufen-Programm, das auf den AA[36]-Konzepten basiert (12 Sitzungen). Es fanden nach 3, 6, 9 und 12 Monaten Selbst- und Fremdbeurteilungen sowie Blut- und Urinuntersuchungen statt. Zu den Ergebnissen: Die Unterschiede zwischen den drei Therapieformen waren klinisch nicht relevant. In der Teilstudie 2 zeigten sich bezüglich der Anzahl der Rückfälle ebenfalls keine klinisch bedeutsamen Unterschiede. In der 1-Jahres-Katamnese zeigte sich, dass 24 Prozent der Alkoholiker, die nach dem 12-Stufen-Programm therapiert wurden abstinent waren, jedoch nur 15 Prozent in der kognitiven Verhaltenstherapie und 14 Prozent in der Motivationsentwicklungstherapie. Insgesamt zeigten sich bei den Patienten des 12-Stufen-Programms etwas bessere Behandlungsergebnisse als bei den anderen Therapieformen. Die Behandlungsergebnisse waren zudem abhängig vom psychiatrischen Schweregrad der Erkrankung.

➢ Dauer und Intensität der Behandlung

Die Bedeutung der Behandlungsdauer wird kontroversiell diskutiert (z. B.: Armor, Polich & Stambul, 1976, Finney, Moos & Chan, 1981, MecLellan, Luborsky, O´Brian, Woody & Druley, 1982, Miller & Hester, 1986, Smart & Gray, 1978; Walker, Donovan, Kivlahan & O`Leary, 1983). Süß (1995)[37] fand einen positiven Zusammenhang zwischen Behandlungsdauer und Behandlungserfolg. Eine Überblicksstudie von Küfner & Feuerlein (1989) brachte folgendes Ergebnis: 16 von 27 Studien zeigten einen besseren Behandlungserfolg bei längerer Dauer, 2 Studien günstigere Ergebnisse bei kürzerer Behandlung und 9 Studien keinen Zusammenhang zwischen Dauer und Ergebnis einer Behandlung.

Die Intensität einer Behandlung kann über die Frequenz der Interventionen sowie über den im Zuge der Behandlung betriebenen personellen und monetären Aufwand variiert werden. Auch bei diesem differentiellen Einflussfaktor auf den Behandlungserfolg bestehen keine einheitlichen Ergebnisse (Miller & Hester, 1986; Stinson, Smith, Amidaya & Kaplan, 1979).

➢ Behandlungsverlauf

Eine vorzeitige Beendigung der Behandlung ist in der Regel ein negativer Prädiktor für den Erfolg einer Therapie.

Zum Ende dieses Kapitels soll auf bedeutsame Patientenmerkmale, die als Prognosefaktoren für den Behandlungserfolg angesehen werden können, eingegangen werden. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Parameter soziale Stabilität und Schweregrad der Abhängigkeit von Bedeutung. Leider gibt es zu diesen Parametern in der vorliegenden Studie keine prätherapeutischen Datenerhebungen[38]. Eine Beurteilung der Relevanz dieser Faktoren für den Behandlungserfolg ist aus diesem Grund nicht möglich.

Folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse eines Vergleichs von Literaturübersichten (Bakeland & Lundwall, 1975; Gibbs & Flanagan, 1977; Kanfer, 1987, Miller & Hester, 1986) bezüglich der wichtigsten Prognosevariablen des Erfolgs bei der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen. Die beiden Spalten rechts zeigen, ob eine Übereinstimmung (Ü) oder ein Widerspruch (W) im Vergleich der bisherigen Studien fest zu stellen ist und ob eine Prognosevariable für den Therapieerfolg häufig oder selten untersucht wurde.

Abbildung 13: Die bedeutsamsten Prognosevariablen, die als selektive Indikationsvariablen in der englischsprachigen wissenschaftlichen Literatur diskutiert werden

Quelle: Süß, 1995, S. 69.

Ü = Übereinstimmung V = viele Befunde

W = Widerspruch E = einzelne Befunde

A. Demographie

1. soziale Schicht

(Beruf, Ausbildung, Einkommen, Wohnsituation) W V

B. Suchtvariable

2. Schweregrad der Abhängigkeit

(Anzahl, Ausprägung und Dauer des Symptoms) Ü V

3. Psychische und physische Folgeschäden Ü V

C. Lebensprobleme, soziale und berufliche Stabilität

(Anzahl der Lebensprobleme)

4. Stabilität und Unterstützung durch die

Partnerschaft/Ehe Ü V

5. Berufliche Stabilität

(Beruflicher Status, Arbeitslosigkeit, Stabilität des

Arbeitsplatzes, Stellenwechsel) Ü V

6. Soziale Isolierung Ü E

7. Unterstützung durch die Herkunftsfamilie Ü E

8. Lebensraum mit mäßigem Alkoholkonsum Ü V

9. Weitere Lebensprobleme

(Wohn- und Finanzsituation, Rechtsprobleme) Ü V

D. Psychische und kognitive Merkmale

(Anzahl der Defizite)

10. Conceptual Level / neuropsychologische

Leistungen

(Abstraktions- und Reflexionsgrad) W V

11. Intern. Locus of control / internale

Kontrollüberzeugungen

(internale Attribution für Verhaltensänderung) W E

12. soziale Fertigkeiten und persönliche Ressourcen

(Defizite im Verhaltensrepertoire) Ü V

13. Selbstwirksamkeits- und Ergebniserwartung

(hinsichtlich der Lösung von Sucht- und anderen

Lebensproblemen) Ü E

E. Einstellung und Motivation zur Rehabilitation

14. Änderungsmotivation/Erfolgserwartung Ü V

15. Abstinenzmotivation Ü V

16. realistische Zielsetzungen für den Therapieverlauf

und die individuelle Lebensplanung Ü E

17. Wunsch nach Partizipation an Entscheidungen in

der Behandlung Ü E

18. Motivation zur Nachsorgebehandlung/Mitarbeit

enger Bezugspersonen in der Rehabilitation Ü V

F. Behandlungsnetz

19. Vorbereitung zur stationären Behandlung

(kurze Wartezeit bis zur Aufnahme/SHG[39]-Kontakte/

ambulante Therapie/kein Therapieabbruch bei

früherer Behandlung) Ü V

20. Nachsorgebedingungen

(Suchtfachambulanz, ambulante Einrichtung, SHG,

Kontakte zur Nachsorgeeinrichtung bereits vor

Aufnahme) Ü V

Abschließend ist zu bemerken, dass in der Literatur zwar zahlreiche Hinweise auf differentielle Wirkfaktoren und Prognosemerkmale geboten werden, diese jedoch sehr große Differenzen in der Einschätzung ihrer Wertigkeit aufweisen.

Das sehr stark variierende methodische Vorgehen sowie vor allem auch methodische Mängel bei den Forschungsstudien im Bereich der Evaluation von Behandlungserfolgen bei Abhängigkeitserkrankungen führt einerseits zu der oben erwähnten großen Varianz der Ergebnisse, andererseits auch zu erheblichen Einschränkungen bezüglich der Vergleichbarkeit der Studien. Zu den häufigsten methodischen Mängeln in den Evaluationsstudien zählen nicht eindeutige Kriterienmaße, unterschiedliche Katamnesezeiträume, die unterschiedliche Verrechnung von Abbrecherquoten und Datenschwund sowie die Patientenpräselektion und die Intensität bzw. Vielseitigkeit der Behandlung (Süß, 1995).

Insgesamt betrachtet können nur bedingt Schlussfolgerungen für die Praxis gezogen werden. Die Katamnesestandards der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie wurden für die Evaluation von Entwöhnungsbehandlungen entwickelt und sollen dem übergeordneten Ziel dienen, durch eine Vereinheitlichung grundlegender Anforderungen an Katamneseuntersuchungen die wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich zu erleichtern. Die Katamnesestandards stellen die Basis für den in der PSB Sigmaringen verwendeten Katamnesefragebogen[40] dar.

In der kritischen Diskussion der Erfolgsmessung psychotherapeutischer Behandlungen in Institutionen darf nicht außer Acht gelassen werde, dass auch Variablen wie die Erhebung der Anamnese, die Motivationsarbeit, diverse diagnostische Erhebungen, die Vereinbarung der individuellen Therapieziele und nicht zuletzt die spezifische Variablen der Umwelt des Betroffenen die Ergebnisse entscheidend beeinflussen. In einer ambulanten Therapie sind viele Variablen – im Gegensatz zum relativ geschlossenen System in einer stationären Einrichtung – schwer zu kontrollieren.

3. Psychodrama im Arbeitsfeld Abhängigkeit

Das Psychodrama wurde am Beginn des 20. Jahrhunderts von Jakob Levy Moreno (1889-1974) als Methode des Lernens durch das spontane Spielen von realen oder vorgestellten Lebenssituationen aus der Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft entwickelt. Im Zentrum des Psychodramas steht „die Konstruktion von Rollenspielen und dramatischen Übungen, mit deren Hilfe die Teilnehmer bislang blockierte Verhaltensmuster oder gefürchtete emotionale Beziehungen in einer sicheren Situation ausagieren können“ (Grawe, Donati & Bernauer 1994, S. 98). Die Umsetzung von Situationen in Aktion soll der Förderung der Spontaneität, Aktivität, Kreativität, Beziehungsfähigkeit und der Erweiterung des Handlungsspielraums der Gruppenmitglieder dienen. Der Mensch wird im Psychodrama in erster Linie als soziales Wesen verstanden und psychische Störungen dementsprechend als Beziehungs- bzw. Interaktionsstörungen aufgefasst und behandelt. Unter dem Begriff Psychodrama versteht man jedoch nicht ausschließlich die szenische Arbeit auf der Bühne, sondern auch Soziometrie und Gruppenpsychotherapie.

Seit 1944 arbeiteten Therapeuten des Moreno-Instituts in New York mit Alkoholkranken (einer der Pioniere auf diesem Gebiet war Miles Terney). In den vierziger Jahren wurde die psychodramatische Methode von den Niederlanden ausgehend (Gras, Bareman) in Europa für die Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen entdeckt. In Frankreich waren Courchet, Bonabesse und Petzold die ersten, die an den Wirkungen der psychodramatischen Methode in der Therapie von Alkohol- und Drogenabhängigen interessiert waren. Vereinzelt wurde das Psychodrama auch in Belgien (Cuvelier, Mattheeuws), in England, Spanien, Polen und Deutschland im Bereich Abhängigkeit mit Erfolg eingesetzt.

Das Psychodrama hat sich sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich in der Behandlung von stoffgebundenen sowie stoffungebundenen Formen von Abhängigkeit bewährt, was die zahlreichen Erfahrungsberichte (Avrahami, 2003, Beckenbach 1980, Blume, Robins & Branston 1968, Bonabesse 1970, Bremer 1994, Buck 1952, Cabrera 1961, Cuvelier & Mattheews 1970, Deeth 1970, Duffy 1990, Edwards 1993, Eliasoph 1955, Engelke 1981, Frank-Trapp 1994, Friedmann 1967, Gmür 1980, Göb 1994, Groterath 1994, Haber, Aaron & Block, 1949, Habiger 1991, Haskel 1957, Krüger 1994, Leutz 1973, Müller 1986, Olsson 1972, Petzold 1970, 1971 und 1974, Rustin & Olsson 1994, Schwehm 1989, Simonsen 1990, Speroff 1966, Stimmer 1978, 1994, Stimmer & Gneist 1987, Truöl 1981, Waldhelm-Auer 1994a+b, Weiner 1965 und 1966, Wöhrle 1994, u. a.[41]) belegen.

Im Gesamten betrachtet kann man jedoch feststellen, dass Veröffentlichungen zum Thema Psychodrama und Drogenabhängigkeit – in Relation zu der sehr umfangreichen Literatur zur Thematik Drogen bzw. Drogentherapie – in geringer Anzahl vorhanden sind. Die zur Verfügung stehende Literatur im Bereich Psychodrama bezieht sich überwiegend auf die Behandlung von Alkohol- und Medikamentenmissbrauch, selten auf illegale Drogen. Zudem sind wesentlich mehr Studien vorhanden, die über die Ergebnisse stationärer Therapien von Abhängigkeitserkrankungen berichten als über die Effekte des ambulanten Settings, obwohl der Anteil an ambulanten Behandlungs- und Beratungsstellen für die Behandlung von substanzbezogenen Störungen sehr hoch ist[42].

Einige psychodramatische Techniken und Elemente wie zum Beispiel das Rollenspiel, das Soziale Atom, die Zukunftsprojektion oder das Probehandeln haben sich inzwischen schulenübergreifend als wichtige Therapiebausteine in der Behandlung sowie in der Rückfallprävention Abhängigkeitskranker etabliert (z. B. in der Verhaltenstherapie: Beckenbach, 1980; in systemisch orientierten Therapiegruppen mit Drogenabhängigen: Lutz & Lesehr-Lutz, 1995; Avrahami, 2003; Haber et al., 1949).

In Deutschland wird das Psychodrama in der Therapie von Störungen durch psychotrope Substanzen seit Beginn der 70er Jahre angewendet. Mittlerweile wurden einige Praxisberichte aus der psychodramatischen Arbeit mit Abhängigkeitskranken sowie theoretische Überlegungen zu diesem Bereich veröffentlicht (s. o.). Studien zur Wirksamkeit der Psychodramatherapie in diesem Störungsbereich sind rar (Mann & Janis, 1968; Wood, Del Nuovo, Bucky, Schein, & Michalik, 1979; Crawford, 1989 und Harter, o. J.), die Ergebnisse jedoch durchwegs positiv (siehe folgendes Kapitel). Petzold (1971) berichtet von einer Untersuchung mit Alkoholabhängigen, nach der die Parameter Abstinenzdauer und soziale Integration bei den Teilnehmern an der psychodramatischen Gruppentherapie im Vergleich zu vier Behandlungsgruppen, die nicht nach der psychodramatischen Methode therapiert wurden, um 40 bis 60 Prozent höher lagen. In der Empfehlungsvereinbarung der Rentenversicherungsträger und Krankenkassen von 1978[43] wurde das Psychodrama explizit als Methode aufgeführt, die für die Behandlung Suchtkranker geeignet ist. Die „Empfehlungsvereinbarung über die Zusammenarbeit der Krankenversicherungsträger und der Rentenversicherungsträger bei der Rehabilitation Abhängigkeitskranker“ wurde von den Spitzenverbänden der deutschen Krankenkassen und dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) geschlossen und trägt den offiziellen Arbeitstitel „Suchtvereinbarung“. Die Vereinbarung regelt vor allem die Zuständigkeit und den Ablauf bei der Gewährung stationärer Maßnahmen für Abhängigkeitskranke, wenn Leistungen aus der Kranken- bzw. Rentenversicherung in Anspruch genommen werden

3.1 Evaluationsstudien zur Wirksamkeit des Psychodramas in der Therapie von Abhängigkeitserkrankungen

Empirische Arbeiten über Erfolge der psychodramatischen Methode sind, gemessen an der umfangreichen kasuistischen und theoretischen Literatur zu diesem Thema, generell sehr selten (Hörmann & Langer, 1987). In Bezug auf die Evaluation der psychodramatischen Therapie bei Abhängigkeitserkrankungen zeigt sich ein ähnliches Bild:

In der Studie von Wood (Grawe et al., 1994), die in einer speziellen Alkoholikerklinik in den USA im Zuge eines stationären Alkoholikerprogramms mit 28 psychodramatischen Sitzungen in 7 Wochen durchgeführt wurde, zeigten sich im Prae-Post-Vergleich signifikante Änderungen in den Bereichen Befindlichkeit (Angst, Zwanghaftigkeit, Hypomanie, emotionale Stabilität und paranoide Tendenzen) und Extraversion. Erfolge ließen sich des Weiteren bezüglich Veränderungen im Persönlichkeits- und Fähigkeitsbereich und im zwischenmenschlichen Bereich bestimmen. Im Kontrollgruppenvergleich mit Patienten, die ausschließlich am normalen Alkoholikerprogramm der Klinik teilgenommen hatten, konnten jedoch nur in zwei Maßen signifikante Unterschiede festgestellt werden. Die zusätzlich zum üblichen Alkoholikerprogramm mit psychodramatischen Methoden behandelten, überwiegend männlichen Patienten (98 Männer bei 101 Patienten) wiesen höhere Aktivitätsratings auf und zeigten höhere Werte bezüglich Defensivität und Kontrolle, die an Hand der K-Skala des Minnesota Multiphasic Personality Inventory (MMPI) gemessen wurden. Das MMPI war ursprünglich als psychiatrisches Inventar konzipiert. Der Test kann jedoch auch als Persönlichkeitsscreening betrachtet werden. Das Ziel bei der Entwicklung des MMPI war es, in einem Testverfahren Messwerte für alle wesentlichen Persönlichkeitsmerkmale zu erhalten.

Die zahlreichen positiven Ergebnisse des Prae-Post-Vergleichs können demnach nicht ohne Einschränkungen auf die Psychodrama-Behandlung zurückgeführt werden. Dennoch wurde in der Behandlungsgruppe eine differentielle Wirkung der Psychodrama-Therapie in Befindlichkeitsmaßen (hypochondrische Tendenzen und Depression) nachgewiesen.

Mann und Janis (1968) konnten in einer Studie an Studentinnen die positive Langzeitwirkung des Rollenspiels auf den Zigarettenkonsum in einem Zeitraum von 18 Monaten belegen. Die angewandte Technik (im Original als „emotional role playing“ bezeichnet) beschreiben die Autoren folgendermaßen: „The technique consisted of inducing the subject to give an improvised emotional performance during which a fictitious personal disaster was acted out as though it were really happening, using props and other staging devices to enhance the illusion of reality” (Mann & Janis, 1968, S. 339). Die Gruppenmitglieder übernahmen in den Sitzungen die Rolle eines Lungenkrebspatienten, der Gruppenleiter die des Arztes. Die Kontrollgruppe erhielt dieselben Informationen über Lungenkrebs, indem eine Aufnahme einer Sitzung der Experimentalgruppe präsentiert wurde. Die Daten wurden für diese Studie 8 und 18 Monate nach den Rollenspielsitzungen über Interviews erhoben. Die Experimentalgruppe zeigte nach eigenen Angaben einen signifikant niedrigeren Zigarettenkonsum als die Kontrollgruppe. Nach dem Haupteinflussfaktor gefragt, gaben 18 Monate nach den Sitzungen 36 Prozent der Experimentalgruppe das Rollenspiel an. Die Autoren führen dieses Ergebnis auf die starke emotionale Wirkung des Rollenspiels zurück, die eine Entscheidung zur Reduktion des Zigarettenkonsums zur Folge hat.

In einer anderen Studie konnte Mann (1967) belegen, dass das emotional role-playing dem cognitive role-playing, bei dem die Experimentalgruppenmitglieder in der Rolle eines Disputanten gegen das Rauchen argumentieren, deutlich bessere Ergebnisse bezüglich des Zigarettenkonsums erzielt. Mann begründet diese Resultate damit, dass diese Technik die emotionalen und intellektuellen Aspekte der Konsequenzen eines Verhaltens (wie dem Zigarettenkonsum) mit einbezieht und bewusst macht.

Insgesamt betrachtet kann aus den vorhandenen Studien der Schluss gezogen werden, dass die Psychodramatherapie in der Behandlung psychischer und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen positive Wirkung zeigt.

3.2 Für die Therapie von Abhängigkeitserkrankungen relevante Prinzipien der psychodramatischen Methode

Der psychodramatischen Theorie liegt eine interpersonelle und handlungsorientierte Ausrichtung zu Grunde. Der Mensch wird im Psychodrama als ein soziales Wesen gesehen, das geprägt ist von der Fähigkeit zu kreativer Handlung. Diese Kreativität erfordert eine spezifische Form von Spontaneität, die jedem Individuum als energetisches Potential inhärent ist. Die psychodramatische Therapie nutzt und fördert diese Fähigkeit und zielt in ihrem methodischen Vorgehen auf die Entwicklung sozialer Kompetenzen und Autonomie ab. Spontaneität gilt in der psychodramatischen Theorie als wesentliche Entwicklungskraft eines Individuums. Nach Moreno ist der Mensch ohne Spontaneität nicht lebensfähig. Die freie Wahl von Rollen und Protagonisten im psychodramatischen Spiel soll zum Ausdruck des „wahren Selbst“ führen.

Die psychodramatische Arbeit mit Bewegung, Bildern und Symbolen ermöglicht den Zugang zu nichtsprachlichen Anteilen der Psyche mit dem Ziel der Erweiterung des Rollenrepertoires des Betroffenen. Somit können mit Hilfe dieser Methode auch einfach strukturierte und verbal wenig geschickte Patienten gut erreicht werden (Frank, 1995). Im Zuge des Alkoholmissbauchs kommt es häufig zu Intelligenzdefiziten bzw. zu einem organischen Psychosyndrom[44] und/oder hirnorganischen Persönlichkeitsveränderungen, die häufig Einbußen in Bezug auf die sprachliche Ausdrucksfähigkeit der Abhängigkeitskranken zur Folge haben. In diesen Fällen hat das Psychodrama gegenüber rein verbalen Therapiemethoden große Vorteile.

Dem Beziehungsgefüge eines Menschen kommt im Psychodrama eine entscheidende Bedeutung zu. In der handelnden Interaktion entwickelt das Individuum seine Erlebens- und Verhaltensmöglichkeiten, seine Identität, Wertvorstellungen und Weltanschauungen. Der psychodramatische Gesundheitsbegriff kann in Hinblick auf die Rollentheorie als „Fähigkeit beschrieben werden auf interpersonale und situative Anforderungen durch die jeweils aktualisierbaren Rollen, d. h. Verhaltens- und Erlebensmuster, angemessen zu reagieren“ (Burmeister & Diebels, o. J.b, S. 8).

Das für die ganzheitliche Arbeitsweise des Psychodramas charakteristische Denken und Handeln in Rollen hat eine strukturgebende und Ich-Funktionen unterstützende Wirkung, die vor allem in der Therapie von Klienten mit mehrdimensionalen Störungsbildern wie dem der Abhängigkeit entscheidende Parameter darstellen. Auch die beiden zentralen Konzepte des Psychodramas Rollentheorie und Soziometrie werden dem multifaktoriellen Bedingungsgefüge der Abhängigkeitserkrankung besonders gerecht. Der Abhängigkeitskranke wird im Psychodrama als mitverantwortlicher Akteur im Heilungsprozess betrachtet.

3.3 Das Menschenbild der Psychodramatherapie

Psychotherapeutische Modellannahmen sind immer in den jeweiligen historischen, gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und religiösen Kontext eingebunden. Das jeweilige Behandlungskonzept einer Therapie von Abhängigkeitserkrankungen hängt in entscheidendem Maße von der, ihr zu Grunde liegenden psychotherapeutischen Methode bzw. deren Grundhaltungen und deren Menschenbild ab. Unter dem Menschenbild versteht man alles, was ein Individuum in Bezug auf die Merkmale, die Existenz und die Funktionen des Menschen denkt. Ein grundlegender Parameter aller psychotherapeutischen Methoden ist die Annahme der Veränderbarkeit des Menschen. Das „Wie“ der Modifizierbarkeit variiert von Methode zu Methode. Auch die Annahmen über die Genese von Störungen, die Modellannahme des gesunden Menschen und die Annahmen darüber, durch welche Interventionen Veränderungen initiiert werden, gehören zum Menschenbild einer psychotherapeutischen Methode. Erst vor dem Hintergrund des psychodramatischen Menschenbildes wird das psychodramatische Krankheitsmodell der Abhängigkeitsstörungen verständlich.

Das Menschenbild des Psychodramas ist geprägt von Spontaneität und Kreativität. Moreno selbst verwendet den Begriff Spontaneität in seinen Texten uneinheitlich und vieldeutig. Zeintlinger-Hochreiter (1996) kommt bei deren Analyse auf acht sehr unterschiedliche Bedeutungen dieses Begriffs. Im engeren Sinn kann Spontaneität als „Disposition zu psychischen Ereignissen, die neue Inhalte und/oder Operationen adäquat (re)produzieren“ (ebd., S. 152) betrachtet werden. Spontaneität ist für die Erwärmung des Organismus im Erwärmungsprozess verantwortlich. Auch für den Begriff Kreativität gibt es bei Moreno keine klare Definition, er bezeichnet sie als „die höchste Form der Intelligenz, die uns bekannt ist“ (ebd., S. 161). Das Kreativitätskonzept hat in der psychodramatischen Theorie Morenos große Bedeutung. Meist wird der Begriff Kreativität im Sinne der Fähigkeit, neue und adäquate Leistungen zu produzieren verwendet. Diese Fähigkeit kann zielgeleitet oder nicht zielgeleitet sein. Kennzeichnend für das Menschenbild des Psychodramas sind auch das Bedürfnis des Individuums nach Handlung und Ausdruck und die Tendenz zur Selbstverwirklichung. Jeder Mensch verfügt über positive Ressourcen und ist von Natur aus sozial und entwicklungsfähig.

Die Entwicklung des Psychodramas als eines der ersten interpersonellen und interaktionellen Gruppenverfahren ist eng mit der Biographie Morenos verbunden. Moreno ging in seiner Arbeit von einem Menschenbild aus, welches das Individuum als Handelnden im zwischenmenschlichen Beziehungsgeflecht – als Rollenspieler in seiner Lebenswelt – sieht. Das Individuum entwickelt in Beziehungen seine Erlebens- und Verhaltensmöglichkeiten, seine Identität und sein Bild von der Welt. Der Grad der Einschränkung des Beziehungsgefüges eines Menschen korreliert mit dem Ausmaß des Rollenrepertoires, das ihm zur Verfügung steht. Dieses steht wiederum in engem Zusammenhang mit seiner Erlebnis- und Beziehungsfähigkeit. Individuelle Störungen und Probleme entstehen demzufolge in einem interpersonalen Prozess und können auch nur in einem solchen wieder aufgelöst werden.

Das Individuum wird im Psychodrama in seiner sozialen Vernetzung gesehen, Moreno bezeichnet diese als Soziales Atom. Als Antwort auf die Verunsicherung seiner Zeit und als Lösung gegen die Entgrenzung des Individuums oder „Ich-Seuche“ (Moreno) entwickelte er die kosmische Theorie, die „als Versuch verstanden werden [kann, Anm. d. Verf.], seinen Pragmatismus in Sprache zu bringen und gleichzeitig dem Verlust der Metaphysik entgegenzuwirken“ (Schmitz-Roden, 1996, S. 22). Er sieht die Lösung des Problems der Ausgrenzung des Individuums durch die Entgrenzung als Phänomen der Zeit (des angehenden 20. Jahrhunderts) in der Bindung des Ich an die Gemeinschaft und die Übernahme der Verantwortung für die Gemeinschaft (bzw. die Schöpfung). Die Ausführungen Morenos über die negativen Entwicklungen seiner Zeit lassen sich ohne große Abstriche auf die aktuelle gesellschaftliche Situation übertragen, die von der Vereinzelung des Individuums und dem Verlust eines gemeinschaftlichen Verantwortungsgefühls geprägt ist. Der Psychodramatherapeut hilft in diesem Sinne dem Individuum, seine Position im (vom Therapeuten vermittelten) Weltbild zu finden.

Das Konzept des Handelns im Sinne sozialen Handelns stellt einen der zentralen Punkte in Morenos Theorie dar („Man is an actor“). Die psychodramatische Therapie zielt auf die Förderung der Spontaneität und Kreativität des Individuums ab. Zentral ist die Freude am kreativen Spiel, in dem sich neue Lebensentwürfe entwickeln können. Morenos Theorie der Gesellschaft (Soziometrie und Mikrosoziologie) kann als Utopie der therapeutischen Weltgesellschaft gesehen werden, die über Spontaneität und Kreativität verwirklicht werden soll. Diese therapeutische Weltordnung sollte verhindern, dass gesellschaftliche Gruppen sich zu einem „soziometrischen Proletariat“ entwickeln. Dieser von Moreno geprägte Begriff definiert eine Gruppe von Individuen, deren Ausmaß an Spontaneität, Produktivität, ihrer Rollen-Ausdehnungen und Anziehung nicht mit ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten, diese zu konsumieren korrelieren (Groterath, 1994). Moreno zeigt mit seiner Gesellschaftstheorie auf, dass das Individuum die Grenzen der Gesellschaft braucht um sich mit Kreativität und Spontaneität verantwortlich einbringen zu können und wie andererseits die Gesellschaft das kreative Individuum braucht. Das Individuum benötigt jedoch auch die flexible Gesellschaft, um Begegnung zu finden (Schmitz-Roden, 1996). Die mangelnde gesellschaftskritische Betrachtung des Phänomens der Entfremdung und der realen sozioökonomischen Verhältnisse sieht Ottomeyer als Kritikpunkt am psychodramatischen Menschenbild – „daß Flexibilität, Kreativität und Subjektivitätsdarstellung selbst noch besonders funktionale Formen der Entfremdung sein können, ist im psychodramatischen Menschenbild schwer vorstellbar“ (Ottomeyer, 1987, S. 69).

Die Haltung des Psychodramatherapeuten soll anregend, jedoch nicht direktiv sein. Das Ereignishafte der Begegnung (als tragendes existentielles Prinzip des Psychodramas) ist von großer Bedeutung für die Behandlung. Das Welt- und Menschenbild ist im Begriff der Begegnung verdichtet und nutzt die körperliche Bewegung als Informationsquelle.

Moreno betont in seiner Theorie des (kosmischen) Individuums, dass das Individuum erst durch die Einbindung in die Gruppe die Möglichkeit zur Entfaltung bekommt. Er formuliert die Umsetzung seiner Theorie in konkrete Handlungsvorstellungen des kosmisch gedachten Individuums, das nur in seinem Sozialen Atom existieren kann. Das Psychodrama stellt für Moreno die Möglichkeit der wahren Begegnung dar, in der das Individuum wachsen kann.

Die Entwicklung des Individuums verläuft für Moreno idealer Weise „vom Individuum in der Gruppe, das sich durch Spontaneität und Kreativität der Rollenkonserve zu entledigen lernt, hin zum Individuum in der therapeutischen Gesellschaft, das sich im Psychodrama verschiedener Rollen- und Handlungsaspekte bewusst wird, um ein bewusstes, verantwortliches Individuum zu werden“ (Schmitz-Roden, 1996, S. 28).

Das Spielen psychodramatischer Rollen ermöglicht dem Einzelnen, Gemeinsamkeiten zwischen sich und dem Anderen wahrzunehmen und auf dieser Basis seine Eingebundenheit in die Gesellschaft intensiver zu erleben und bewusst zu bejahen.

3.4 Die Rollentheorie Morenos

Das Rollenkonzept nimmt in Morenos Theorie eine zentrale Stellung ein. Verschiedene andere psychodramatische Konzepte sind mit diesem verbunden. Morenos Rollentheorie ist ein wichtiger Teil seiner Handlungstheorie. Auch im psychodramatischen Erklärungsmodell abhängigen Verhaltens kommt der Rollentheorie eine wesentliche Bedeutung zu. Das Rollenhandeln ist stets im Kontext der jeweiligen Situation und der entsprechenden komplementären Rollen zu sehen. Die Interaktion ist mit einer Rollenerwartung verbunden, die einerseits die Motive des Handelnden widerspiegelt, andererseits auch das Verhalten des Gegenübers antizipiert. Der Begriff „Rolle“ wird in Morenos Schriften in unterschiedlichen Bedeutungen verwendet (Zeintlinger-Hochreiter, 1996):

3.4.1 Rollen als kollektive soziokulturelle Stereotype

Laut Moreno entwickelt sich die Persönlichkeit in der Konfrontation mit den, durch soziokulturelle Normen und gesetzliche Vorschriften definierten, Rollenstereotypen. Im Rollenspiel wird festgestellt, inwieweit das Individuum im Stande ist, bestimmte Rollenstereotypen zu übernehmen, diese darzustellen oder sie abzulegen. Eine exakte Definition des Begriffs liefert Moreno jedoch nicht. Auch die theoretische Auseinandersetzung mit den in diesem Zusammenhang wichtigen Fragen der Rollenattribute, die als Qualitäten, die der Vertreter einer Rollenstereotype aufzuweisen hat, zu verstehen sind, sowie der Rollenerwartungsstrukturen – die Erwartungen wichtiger Bezugsgruppen an den Inhaber einer Rolle – bleibt Moreno schuldig.

3.4.2 Rollen als vorgegebene individuelle Handlungsmuster

Unter „Rollenkonserve“ versteht man eine Rolle als vorgegebenes individuelles Handlungsmuster (Theaterrollen). Sie unterscheidet sich von den soziokulturellen Rollenstereotypen durch die Festlegung von Situation und Text.

3. Rollen als individuell gestaltete, abrufbare Handlungsmuster

Im Verlauf der Sozialisationsbiographie werden die soziokulturellen Rollenstereotypen zu individuellen Rollen- und Handlungsmustern, die vor allem von den privaten, sozialen und kulturellen Erfahrungen eines Individuums geprägt sind. Die Gesamtheit aller individuellen Rollenmuster bildet das „Selbst“ als Ergebnis der Rollenhandlung im Sinne eines dynamischen Konglomerats der verschiedenen Rollen, die das Individuum im Laufe seines Lebens übernommen und gespielt hat. Das Selbst ist demzufolge immer Ausdruck des individuellen Sozialisationsprozesses.

4. Rolle als tatsächliches Handeln in einer aktuellen (sozialen) Situation

Diese Rollen sind im Wesentlichen durch Raum, Zeit, Personen und ihre Beziehungen, Ort, Handlungen und Worte definiert. Moreno unterscheidet das Rollenhandeln in der Surplus-Reality im Rollenspiel vom Rollenhandeln in realen Lebenssituationen. Unter Surplus-Reality versteht man phantasierte, irreale Vorstellungen, Ereignisse und Bilder, die mit dem Ziel der Erweiterung der Rollenkompetenzen auf der psychodramatischen Bühne dargestellt werden können. Im Rollenhandeln können unterschiedliche Grade an freier Gestaltung der Rolle differenziert werden:

➢ Das „role-taking“ bezeichnet die Übernahme einer (sozikulturellen) Rollenkonserve ohne individuelle Aus- oder Umgestaltung.

➢ Beim „role-playing“ ist die freie Gestaltung der Rolle bis zu einem bestimmten Grad erwünscht.

➢ Unter „role-creating“ versteht man ein Rollenspiel mit einem sehr hohen Maß an kreativer und freier Gestaltung der Rolle.

Für Moreno sind vor allem die beiden letzten Definitionen des Begriffs Rolle von Bedeutung. Er bezeichnet die Gesamtheit aller im Laufe des Lebens übernommenen Rollen eines Individuums als „Rolleninventar“. Die zu einem bestimmten Zeitpunkt verfügbaren Rollen bilden das „Rollenrepertoire“ oder die „Rollenmatrix“. Neben den verschiedenen Bedeutungen des Begriffs Rolle unterscheidet Moreno auch drei Klassen von Rollen, denen in der Entwicklungstheorie eine wichtige Bedeutung zukommt:

1) Physiologische oder psychosomatische Rollen dienen der Erhaltung des Organismus und als Grundlage für die weiteren Rollenentwicklungen und umfassen das sozialisierte Handeln des Körpers, das immer auch eine psychische Komponente einschließt (z. B.: Rolle des Trinkenden).

2) Psychische oder psychodramatische Rollen sind stark von den individuellen Vorstellungen einer Person geprägt, jedoch an zwischenmenschliche Konstellationen gebunden.

3) Soziale, soziodramatische oder „offizielle“ Rollen sind an gesellschaftliche Normen geknüpft. Es handelt sich um stereotype Handlungsmuster, die individuell gestaltet werden können. Beispiele für soziale Rollen sind Berufs- oder Beziehungsrollen.

Leutz (1974, zit. n. Schacht, 2003) fügt diesen drei Rollenklassen die transzendenten (auch religiöse oder ethische) Rollen hinzu. Das Individuum entscheidet sich bewusst für diese Rollen, die ein Wertesystem repräsentieren (z. B.: Rolle des gläubigen Mormonen).

Schacht (2003) hat das Modell der Rollenklassen modifiziert und spricht in diesem Zusammenhang von 4 Abstraktionsebenen des Rollenhandelns (vereinfachend auch Rollen- oder Handlungsebenen), wobei er auf die transzendente Ebene nicht näher eingeht. Die unterschiedlichen Ebenen wirken parallel zusammen, auf jeder Ebene regeln Handlungskompetenzen das Erleben, Denken und Handeln. Die Entwicklung dieser Handlungskompetenzen wird in Kapitel 3.5 erläutert. Das Verhältnis zwischen der psychosomatischen, psychodramatischen und soziodramatischen Rollenebene bestimmt das menschliche Handeln. Folgende Grafik veranschaulicht das Modell Schachts, das als Grundlage für die psychodramatische Rollen- und Entwicklungspsychologie dienen soll:

Abbildung 14: Aufbau der Rollenebenen

Quelle: Schacht, 2003, S. 41

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Die psychosomatische Ebene als einfachste Struktur der Pyramide ist die dominante, da sie dauerhafter ist und über einen weiteren Wirkungskreis verfügt als die anderen Ebenen. Die psychosomatische Rollenebene und ihre Handlungskompetenzen dienen als Grundlage für komplexere Strukturen, die vergänglicher sind und ein begrenztes Wirkungsfeld haben und dennoch überlegen sind. Komplexe soziale Strukturen werden erst durch ein Wechselspiel der Handlungskompetenzen der psychodramatischen und der soziodramatischen Ebene geschaffen – Das Kreieren von Situationen wird dem Individuum erst durch die Regulationsmechanismen aller Ebenen ermöglicht.

Neben dem psychodramatischen Rollenkonzept ist die Entwicklungstheorie für das Verständnis des psychodramatischen Erklärungsmodells abhängigen Verhaltens von entscheidender Bedeutung. Im folgenden Kapitel soll zunächst die Entwicklungstheorie Morenos und anschließend die auf diesem Ansatz und den neuesten Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie fußende Theorie Schachts (2003) erläutert werden.

3.5 Die psychodramatische Entwicklungstheorie

In Morenos Theorie der Rollenentwicklung ist eine Entwicklungstheorie enthalten. Er unterscheidet 2 Phasen der psychischen Entwicklung: das erste und das zweite psychische Universum. Die Unterscheidung zwischen Realität und Phantasie stellt die Trennlinie zwischen den beiden Entwicklungsstufen dar. In diesem Kapitel sollen ausgehend vom Modell Morenos, das inzwischen nur noch eingeschränkt übernommen werden kann, aktuelle Entwicklungen in diesem Bereich dargestellt werden.

3.5.1 Die Stufe der Identität (des Subjekts mit den umgebenden Objekten) oder das erste psychische Universum

Moreno nennt diese Phase das erste psychische Universum oder die soziale Plazenta. Sie beginnt mit der Geburt und dauert in etwa bis zum 4. Lebensjahr. Im ersten psychischen Universum kann das Individuum noch nicht zwischen Realität und Vorstellung unterscheiden.

Morenos Konzept lautet folgendermaßen: In der ersten Entwicklungsphase des ersten psychischen Universums – der Phase der All-Identität oder der „matrix of identity“ (Entstehungsort der Persönlichkeit) erlebt das Neugeborene alles (auch die Bezugspersonen) mit sich verbunden (co-existent, co-action, co-being). Die Pflegeperson stellt die Erweiterung des eigenen Körpers, das (natürliche) Hilfs-Ich dar. Das Kind benutzt körperliche Starter (z.B.: Hunger) um Erwärmungsprozesse[45] einzuleiten und physische und psychische Anpassungsbestrebungen zu verwirklichen. Die adäquaten Reaktionen der Hilfs-Iche sind für das Neugeborene überlebensnotwendig. Neuere Erkenntnisse bestätigen diese Ansicht jedoch ebenso wie Morenos Ausführungen über die folgende Stufe der All-Realität nicht zur Gänze.

Moreno bezeichnete die zweite Phase des ersten psychischen Universums (die Stufe der Ich-Erkenntnis) als die Phase der All-Realität (Phase der Du-Erkenntnis), in der das Kind lernt, die Personen und Gegenstände in seiner Umwelt als voneinander getrennt zu erleben. Vergangenheit und Zukunft sind für das Individuum in dieser Phase noch nicht erlebbar. In der Phase des ersten psychischen Universums wird laut Moreno die Grundlage für das Herausbilden eigener Rollen gelegt. Die Trennung zwischen Ich und Du, die in der Phase des zweiten psychischen Universums erfolgt, ist die notwendige Bedingung für den Aufbau eigener Rollen. Diese ersten Trennungserfahrungen können die Entwicklung des Individuums stark beeinflussen. Die Verarbeitung des Trennungsprozesses hängt im Wesentlichen vom adäquaten Verhalten der Hilfs-Iche, d.h. von deren Art des Eingehens auf die Bedürfnisse des Kindes, ab. Nimmt dieser Prozess einen ungünstigen Verlauf, in dem Angst und Unsicherheit entstehen, so wird die Weiterentwicklung der Spontaneität verhindert, was eine Zuflucht des Individuums zu rigiden Konserven und pathologischen Mustern wahrscheinlich macht (Schacht, 1992, zit. n. Göb, 1994).

3.5.2 Das zweite psychische Universum

Im ersten psychischen Universum wurde die Basis für den emotionalen Erfahrungsprozess und für den Telefaktor gelegt – am Beginn des zweiten psychischen Universums erfolgt nun die Trennung zwischen Real- und Phantasiewelt. Der Begriff „Tele" wird in der psychodramatischen Theorie als einfachste Beziehungseinheit definiert. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Abgrenzung zum Begriff „Begegnung“, bei dem das subjektive Erleben des Individuums im Vordergrund steht. Tele meint die objektive Erfahrung von Beziehungen. Der Teleprozess bewirkt einerseits, dass sich Individuen in Beziehungen begeben, andererseits die Bildung eines Systems zwischenmenschlicher Beziehungen, von Kommunikation und gemeinsamer Erfahrung sowie die Entwicklung einer Kohäsion im Sinne einer emotionalen Bindung zwischen Personen (Zeintlinger-Hochreiter, 1996).

Der Wechsel zwischen Real- und Phantasiewelt läuft über die Spontaneität. Die Fähigkeit, zwischen den beiden Welten zu unterscheiden, macht es dem Kind möglich, bewusst und aktiv Rollen anderer Individuen zu übernehmen und zu erproben. Über diesen Prozess eignet es sich soziale Rollen an und wird zunehmend selbständiger. Im Laufe der weiteren Rollenentwicklung lernt das Kind, sich aus der Rolle seines Gegenübers zu erleben und aus dieser Perspektive ein Bewusstsein bezüglich der eigenen Rollen zu erlangen.

3.5.3 Die Verbindung der Konzepte der Rollenentwicklung und der Entwicklung des Individuums

Die Bedeutung der Rollen für die Entwicklung des Individuums entdeckte Moreno im Zuge seiner soziometrischen Untersuchungen. Die Phasen verlaufen parallel zur Entwicklung unterschiedlicher (physischer, psychischer und sozialer) Rollen eines Individuums (Moreno, 1993). Voraussetzung für eine gelingende Rollenentwicklung ist ein Teleprozess, der dem Individuum das Durchlaufen der Phasen bis zur Schaffung eines eigenen sozialen, kulturellen Atoms über kreatives und spontanes Handeln ermöglicht.

Zur Verdeutlichung des geschilderten Konzepts soll folgende Darstellung der kindlichen Rollenentwicklung dienen:

Abbildung 15: Konzept der kindlichen Rollenentwicklung

Quelle: Göb, 1994, S.176

Soziale Rollen Rollentypen

Psycho-somatische Rollen

Embryonal- 1. Psychisches Universum 2. Psychisches Universum Stadien früh-

Stadium All-Identität All-Realität kindlicher

Entwicklung

1. Ego erlebt 3. Der Alter-Teil 4. Ego versetzt sich in die Entwicklungs-

Alter als Teil nimmt für Ego Rolle von Alter (role- schritte spezieller

seiner selbst eine Sonder- taking, Rollenübernahme), Rollen-Teil-

2. Ego verlagert stellung ein handelt in diesen Rollen Aspekte

seine Auf- und wird in (role-acting) und erprobt

merksamkeit seiner Eigen- diese Rollen (role-playing)

auf diesen ständigkeit er- 5. Ego erlebt sich aus der

Alter-Teil kannt (role Rolle von Alter und bezieht

perception) zieht sich von dieser Rolle

her auf sich selbst (Re-

flexivität, Rollentausch)

Zu diesem Konzept ist zu bemerken, dass in der Entwicklungspsychologie lange Zeit die Auffassung vorherrschend war, dass ein Säugling ab dem zweiten Monat sich selbst und seine primäre Bezugsperson als ein gemeinsames System betrachtet. Mahler (1975, zit. n. Schenk-Danzinger, 1988) prägte den Begriff der symbiotischen Phase. Neuere Forschungsergebnisse belegen, dass bereits Neugeborene über autonome und kontrollierende Funktionen verfügen und ab dem 3. Lebensmonat mittels Blickkontakt die Interaktion mit der Mutter beeinflussen (Stern, 1993). Die Behauptung eines ursprünglich objektlosen, von der Außenwelt relativ unabhängigen autistischen Entwicklungsstadiums gilt somit als widerlegt. Zu vermuten ist, dass der Säugling Phasen der Symbiose mit der Umwelt bzw. mit den Bezugspersonen erlebt, diese jedoch seine Wahrnehmung nicht durchgehend bestimmen.

3.5.4 Integration aktueller entwicklungspsychologischer Erkenntnisse in das psychodramatische Entwicklungskonzept

Schacht (2003) versucht, aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse mit den Ansichten Morenos zu verbinden um zu einer neuen psychodramatischen Entwicklungstheorie zu gelangen. Moreno sieht den Säugling nicht nur als actor, sondern auch als interactor, als sozial Handelnden. Viele Forschungsergebnisse bestätigen, dass Ansätze des sozialen Handelns schon kurz nach der Geburt beobachtbar sind. Beispiele dafür sind das Lächeln von Neugeborenen, die Imitation der Mimik des Gegenübers, die Reaktion von Säuglingen auf Gesichter im Gegensatz zur Reaktion auf unbelebte Gegenstände, die Anpassung von Verhaltensweisen an menschliche Sprachmuster und mit 2-3 Monaten schließlich das soziale Lächeln und der Blickkontakt als wichtige Interaktionsmittel. Rolleninteraktionen (co-actions, co-experience) basieren auf dem gemeinsamen Handeln zwischen Säugling und Bezugspersonen. Schon sehr früh hat der Säugling die Fähigkeit, triadische Interaktionen mitzugestalten und sowohl als role giver (er äußert Kontaktwünsche sowie den Wunsch nach Beendigung des Kontaktes und steuert das Verhalten des Gegenübers) als auch als role receiver (der Säugling kann Rollenerwartungen antizipieren) zu agieren. Um derartige soziale Interaktionen koordinieren zu können, ist es unerlässlich, das Handeln des Gegenübers zu verstehen. Basieren diese Verhandlungen nicht auf bereits etablierten Handlungsstrukturen, so müssen die Beteiligten die Fähigkeit zum inneren Rollenwechsel besitzen um zu einem befriedigenden Ergebnis zu gelangen.

Auch das spielerische „Als-ob“ (durch Bezugspersonen) sowie eine gewisse moralische Verantwortung sind schon im ersten psychischen Universum (bis zum Alter von etwa 1 ½ Jahren) vorhanden. Bei Moreno hat das Handeln immer auch eine moralische Dimension – er verbindet den Begriff des spontanen Handelns mit der responsability (Verantwortung) (Schacht, 2003). Weitere bereits in diesem frühen Stadium entwickelte Kompetenzen des Säuglings sind:

➢ Die telische Regulation von Anziehung und Abstoßung: es handelt sich um wechselseitige Verhaltensprogramme, der Säugling steuert die Annäherung und Vermeidung von Kontakt vor allem mit Hilfe von Gestik und Mimik.

➢ Die Aktivierungs- bzw. Emotionsregulation: aus anfangs undifferenzierten Emotionen Lust bzw. Unlust werden im Verlauf der Entwicklung spezifische Affekte wie Ärger und Freude. In der sozialen Interaktion erwirbt der Säugling die Kompetenz zur Regulation seiner Gefühle.

➢ Die Kompetenz zum inneren Rollenwechsel bzw. zur Teilnahme am Rollentausch: die Kompetenz zum inneren Rollenwechsel zeigt sich beim Säugling in der Fähigkeit zur Imitation, zur emotionalen Resonanz und dem assoziativen Wiedererkennen.

➢ Das Sharing und das prozedurale Wir-Empfinden (we-self): das Sharing läuft über gemeinsame Absichten und Gefühle.

➢ Selbst und Anderer Identität: das Selbst des Säuglings entwickelt sich im Zusammenwirken von affektiv-kognitiven Handlungskompetenzen. Es kann vom Selbst-als-Subjekt gesprochen werden, das Kern-Selbst festigt sich ab dem 7. Lebensmonat.

➢ Selbstverantwortung: die Urheberschaft und die Selbstwirksamkeit werden bereits erlebt.

➢ Inneres soziokulturelles Atom: die innere Repräsentation sämtlicher emotional wichtiger Personen, Beziehungen und Rollenkonfigurationen. Der Säugling verfügt bereits sehr früh über ein Beziehungswissen, das von ihm und seinen Bezugspersonen auf prozeduraler Ebene ko-konstruiert wird. Die Bindungstheorie bildet den Hintergrund für die Annahme, dass der Säugling aktiv innere Repräsentationen erschafft, die ihm die Gestaltung von Interaktionen ermöglicht. Er verfügt über ein prozedurales Gedächtnis.

➢ Hilfs-Ich-Kompetenzen: die primäre Bezugsperson hat die Funktion des Doppels des Kindes. Für eine gelingende Interaktion muss die Bezugsperson dem Säugling Hilfs-Ich-Kompetenzen zur Verfügung stellen. Die Bindungsorganisation der Bezugsperson hat entscheidende Bedeutung im Hinblick auf diese Fähigkeit.

➢ Kognitive Entwicklung und psychische Realität sind geprägt von prozeduralem Wissen.

➢ Wille, Handlungsregulation: intentionales Handeln ist bei Neugeborenen bereits sehr früh erkennbar. Er zeigt Freude an Urheberschaft und Wirksamkeit.

Die aktive Auseinandersetzung des Säuglings mit seiner Umwelt war für Moreno mit dem Begriff Aktionshunger verbunden. Den Säugling als actor prägen Neugier und Freude am Effekt und an der Aktivität. Die Handlungskompetenzen, die der Säugling auf der psychosomatischen Ebene erwerben konnte, beeinflussen seine weitere Entwicklung. Der Übergang vom 1. Universum zum 2. psychischen Universum oder der Welt der psychodramatischen Rollenebene vollzieht sich in etwa im 15. Lebensmonat. Das Kind erlangt Ich-Erkenntnis (Selbst-als-Objekt), es entwickelt innere Vorstellungen und kommt zur Erkenntnis der Permanenz von Objekten, die mit der Symbolbildung einhergeht. Erstmals erlangt das Kind die Fähigkeit zu Konstruktions- und Symbolspielen. Rollenspiele beginnen sich ab dem 3. Lebensjahr zu entwickeln. Folgende Handlungskompetenzen erwirbt das Kind im Verlauf des 2. Universums:

➢ Die Rolleninteraktion, die auf der psychosomatischen Ebene vor allem auf der Basis von Mimik, Gestik, Blickkontakt und Signalkommunikation ablief, wird um die Fähigkeit des verbalen Ausdrucks erweitert. Innere Vorstellungen, Erinnerungen, Wünsche und zukünftige, fantasierte Geschehnisse sind die Inhalte der Interaktionen. Die ersten Grundlagen für Freundschaften werden gelegt, die Konfliktlösungsfähigkeiten sind jedoch noch in sehr geringem Ausmaß vorhanden.

➢ Die telische Regulation von Anziehung und Abstoßung kann bereits auf abwesende Personen angewendet werden. Sie wird bewusst erlebt und ausgedrückt.

➢ Emotionen können benannt und bewusst erlebt werden. Sie bekommen Signalfunktion; emotionale Skripts entstehen.

➢ Das Kind erlangt die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme und zur Empathie für die Emotionen anderer.

➢ Mit Hilfe der Sprache werden gemeinsame Erfahrungen erlebbar. Gemeinsame Ziele und positive Affekte können geteilt werden. Das Kind ist fähig, ein affektiv-kognitives, auf konkrete Handlungen bezogenes, Wir-Bewusstsein zu entwickeln.

➢ Dem Kind wird seine Selbstwirksamkeit bewusst; Kontrollüberzeugungen entwickeln sich.

➢ Ansätze zu prosozialem, moralischem Handeln werden erkennbar, moralische Gefühle entstehen in direktem Kontakt; das Kind ist zu inneren Rollenwechseln fähig.

➢ Leistungsmotivation, planendes Handeln und Ansätze der Fähigkeit zum Belohnungsaufschub entstehen.

➢ Kausal-rationale Erklärungen sind ebenso vorhanden wie magische.

➢ Die Fantasie des Kindes entwickelt sich, spielerische Quasi-Realitäten werden möglich.

➢ Aus dem rein prozeduralen Gedächtnis der psychodramatischen Ebene entwickelt sich das semantische, episodische und autobiografische Gedächtnis.

Eine, für den Übergang zur soziodramatischen Ebene wichtige Fähigkeit ist die der Handlungsregulation, die auf der psychodramatischen Ebene vor allem von den Bedürfnissen und Wünschen des Kindes beeinflusst wird. Der (innere) Rollentausch im alltäglichen Handeln wird möglich, sobald das Kind lernt, dass Gedanken lediglich subjektiv interpretierende Konstruktionen von Ereignissen darstellen. Das magische Denken verliert in der soziodramatischen Ebene zu Gunsten des kausal-rationalen Denkens an Bedeutung. Das Kind wird sich sozialer (Rollen-)Erwartungen und Regeln bewusst und entwickelt im Verlauf dieser Phase Vorstellungen von der angemessenen Organisation unterschiedlicher Rollen in der sozialen (Inter-)Aktion.

Als Grenzmarkierungen zwischen der psychodramatischen und der soziodramatischen Rollenebene dienen zwei Fähigkeiten, die sich zwischen dem 5. und 6. Lebensjahr ausbilden: zum einen das konkret-operatischen Denken, das dem Kind ermöglicht, mehrere Aspekte seines Wahrnehmungsfeldes simultan zu verarbeiten und seine eigenen Wahrnehmungen distanziert zu betrachten, zum anderen die Entwicklung eines differenzierten Person-Verständnisses, das die Perspektivenübernahme entscheidend beeinflusst. Die soziodramatische Phase ist geprägt von Fortschritten auf sprachlicher und kognitiver Ebene. Sprache wird bewusst zur Aktivierungs- und Emotionsregelung eingesetzt. Das Kind lernt, dass Emotionen subjektive Reaktionen auf eine bestimmte Situation darstellen und mit Hilfe der Sprache differenziert werden können. Das innere soziokulturelle Atom wird zunehmend semantisch repräsentiert, was seine Kontinuität und Kohärenz steigert. Sprache dient auf der soziodramatischen Ebene der Selbstinstuktion; das Kind verfügt mit Hilfe der Sprache über Strategien, die Motivation, die Aufmerksamkeit, das Gedächtnis und den Belohnungsaufschub zu regulieren

Alle drei Rollenebenen haben für das Erleben und Handeln von Individuen große Bedeutung – jede der Ebenen ist kontinuierlich wirksam und stellt spezifische Qualitäten zur Verfügung. Erst im Zusammenwirken dieser unterschiedlichen Kompetenzen erschließen sich die Wahrnehmungs-, Handlungs- und Erlebensmöglichkeiten des Menschen. Psychische Krankheiten werden in der psychodramatischen Theorie als Störungen des integrierten Wechselspiels der Rollenebenen begriffen. Bei elementaren Identitäts- und Beziehungsstörungen (zu denen auch die Abhängigkeitserkrankungen zu zählen sind) ist das Erleben und Handeln des Individuums von den basalen Ebenen geprägt, die höheren Niveaus können in konflikthaften Situationen nicht performanzbestimmend werden. Bei den neurotischen Störungen hingegen stehen alle Rollenebenen zur Verfügung, das Wechselspiel der Ebenen ist jedoch nicht ausreichend integriert.

Schacht fasst diese Erkenntnisse zu einer Kurzcharakteristik der psychodramatischen Arbeit zusammen: „Das Ziel der Bühnenarbeit – oder auch des gemeinsamen Gesprächs – besteht darin, aus der Perspektive der 3. Person Muster und Regelmäßigkeiten des Erlebens und Handelns gemeinsam festzustellen. Die Betonung liegt einerseits auf dem Wort „gemeinsam“, da die Person in diesem Prozess strukturierende Hilfs-Ich-Kompetenzen benötigt, um dann allerdings selbst die Regelmäßigkeiten und Muster feststellen bzw. erkennen zu können. (…) Die Betonung liegt demnach auch auf dem Wort „feststellen“. (…) Im Sharing kann der oder die ProtagonistIn erfahren, dass andere Menschen Ähnliches kennen“ (Schacht, 2003, S. 380) Das Hauptmotiv der psychodramatischen Therapie lautet nach Schacht „komplexere Konstruktion der subjektiven Realität“.

3.6 Das Psychodramatische Erklärungsmodell abhängigen Verhaltens

In der Literatur wird die praktische Bedeutung des Psychodramas in der Therapie von Abhängigkeitserkrankungen mehrfach betont. Eine in sich geschlossene psychodramatische Theorie zur Abhängigkeit und deren Therapie als Grundlage psychodramatischen Handelns in diesem Bereich ist jedoch noch nicht in befriedigender Weise entworfen worden. Häufig beruft man sich in diesem Kontext auf einen Artikel von Leutz (1973), die darin Abhängige vorwiegend nicht als Kranke, sondern als „Beziehungsgestörte“ bezeichnet. Die Beziehungsstörung stellt die Voraussetzung für die Entwicklung einer Abhängigkeitserkrankung dar und erstreckt sich nach Leutz auf drei Bereiche: die Beziehung des Abhängigen zum Dasein an sich (dem kosmischen Sein), in seiner Beziehung zu seinen primären Bezugspersonen und in der Beziehung zu sich selbst. Diese theoretische Betrachtungsweise betont den soziometrischen Aspekt der Abhängigkeit, ihr liegt eine eher pragmatische Orientierung zu Grunde (Göb, 1994). Leutz ordnet den unterschiedlichen Formen der Beziehungsstörung verschiedene Stadien der Abhängigkeit (1. Gefährdung, 2. Süchtigkeit, 3. Abhängigkeit) zu, die jeweils andere Interventionstechniken sinnvoll erscheinen lassen.

Petzold – ein weiterer im Zusammenhang mit dem psychodramatischen Ätiologiekonzept von Abhängigkeitserkrankungen häufig zitierter Autor – bezeichnet die Persönlichkeit des Abhängigen als geprägt von „pathologischer Konfluenz“ (Petzold verweist bei diesem Begriff auf Moreno) im Sinne der Unfähigkeit, sich nach außen gegen Einflüsse der Umwelt und nach innen gegen Erinnerungen, Emotionen und Gedanken in ausreichender Form abgrenzen zu können (Petzold, 1983, zit. n. ebd.). In diesen Zustand regrediert der Abhängige in Situationen, in denen er sich überfordert fühlt. Andere im Arbeitsfeld Abhängigkeit tätige Psychodramatiker (z. B.: Simonsen, 1990; Waldhelm-Auer, 1994; Bonabesse, 1970) rekurrieren auf die psychoanalytische Krankheitslehre.

3.6.1 Das aktuelle psychodramatische Krankheitsmodell der Abhängigkeit

Das derzeit in der Literatur überwiegend vertretene psychodramatische Krankheitsmodell und Verständnis von Abhängigkeit basiert auf der Annahme, dass diese Störung eine weitgehende Fixierung auf ein eingeschränktes Rollenrepertoire – im Sinne der Entwicklung unzureichender innerer Repräsentanzen und Ich-Strukturen – bedeutet. Netzwerktheorie und Rollenentwicklungstheorie liefern die nosologische Grundlage für einen psychosozialen Erklärungsansatz abhängigen Verhaltens indem sie die für diese Störung bedeutenden Ursachen und Faktoren der Bereiche Beziehungs- (zur Gesellschaft im Allgemeinen sowie interpersonell), Interaktions- und Rollendefizite liefern. Die Netzwerktheorie stellt für Moreno die Grundlage für ein systemisches Erklärungsmodell der Spannungsfelder zwischen Individuum und Gesellschaft dar.

Je weniger Rollen einem Individuum zur Verfügung stehen, umso eingeschränkter ist seine Beziehungs- und Erlebnisfähigkeit. Der Abhängige handelt unter Zwang und kann nur eingeschränkt Autonomie entwickeln. Die psychodramatische Therapie setzt an diesem Defizit an. Sie versucht durch die freie Wahl von Rollen und Mitspielern zum Ausdruck des „wahren Selbst“ zu kommen und neue Erlebens- und Verhaltensmöglichkeiten zu fördern.

Abhängiges Verhalten wird im psychodramatischen Erklärungsmodell als eine Krankheit gesehen, deren Ätiologie auf einem multifaktoriellen Bedingungsgefüge beruht. Zu diesen Faktoren zählen:

➢ Umweltfaktoren

➢ Biologische Faktoren

➢ Komplexe und grundlegende Beziehungsstörungen des Betroffenen in seinem

unmittelbaren sozialen Netz, zu sich selbst, seinen Gefühlen und seinem Körper.

Diese Beziehungsstörungen führen zu einem unzureichenden Rollenrepertoire. Die Bewältigung der aus diesem Defizit resultierenden Angst und Spannung wird vom Abhängigen mit Hilfe der Droge bzw. der abhängigen Verhaltensweisen kompensiert. Im Prozess der Abhängigkeitserkrankung gibt der Betroffene immer mehr vitale Rollen auf, bis er schließlich nur noch die Negativrolle des „Abhängigen“ lebt. Zu dieser Problematik kommt eine für Personen mit diesem Störungsbild charakteristische narzisstische Thematik, die bedingt, dass die psychotrope Substanz oder das abhängige Verhalten zur Kompensation von als unerträglich erlebten Emotionen von Minderwertigkeit und innerer Leere wird (Stimmer, 1994, S.276). Das typische Verhalten von Abhängigkeitserkrankten dient der Kompensation und Vermeidung von Kränkungen des Selbstwerts und ist geprägt durch sozialen Rückzug und/oder Funktionalisierung von Personen auf der einen und der Entwicklung von Größenphantasien auf der anderen Seite.

Der Kreislauf der Abhängigkeit ist dadurch gekennzeichnet, dass das abhängige Verhalten bestimmte Entwicklungslücken füllt, andere jedoch in zumindest gleichem Maße öffnet. Die aktive und realitätsgerechte Auseinandersetzung mit dem sozialen Umfeld nimmt sukzessive ab – eine Entwicklung, die einerseits durch den Drogenkonsum potenziert wird, andererseits jedoch auch – auf Grund der im Zuge der fehlenden positiven Reaktionen aus der Umwelt gesteigerten Minderwertigkeitsgefühle – einen erhöhten Drogenkonsum zur Folge hat. Die genannten Prozesse können im sozialen Atom, dem Bild des Beziehungsgefüges des Abhängigen, sichtbar gemacht werden. Der freie Wille im Sinne der Spontaneität ist beim Abhängigen stark eingeschränkt.

Der Weg aus diesem Kreislauf führt in der psychodramatischen Arbeit zur Entwicklung neuer Rollen. Das Psychodrama wurde von Moreno ursprünglich als Therapie für Beziehungsstörungen konzipiert, eine Tatsache, die auf dem Hintergrund des theoretischen Erklärungsmodells auf die Bedeutung dieser Therapieform für die Praxis der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen hinweist. Die speziell für diese Diagnosegruppe geeigneten psychodramatischen Techniken werden in Kapitel 3.11 im Detail geschildert.

3.6.2 Spezielle ergänzende Theorien

Eliasoph (1955) betont in seiner Analyse der Ursachen abhängigen Verhaltens die Bedeutung der parental overprotection. Er sieht die Charakterstruktur oral[46] abhängiger Individuen und die damit verbundene Tendenz, von neuen oder sich wiederholenden Situationen überwältigt zu werden, die geringe Frustrationstoleranz, die Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen, die Unfähigkeit (vor allem negative) Entscheidungen zu treffen und die Verzerrung der Zeitperspektive im Sinne eines mangelnden Bewusstseins für Vergangenheit und Zukunft als Ergebnis der unzureichenden Loslösung vom Hilfs-Ich (der Mutter). Eine gesunde Rollenentwicklung entsteht nach der Entwicklungstheorie Morenos mit Hilfe der Mutter, die dem Kind schrittweise mehr Unabhängigkeit gewährt.

Göb (1994) stellt in seinem Artikel fünf (auf der psychodramatischen Theorie beruhenden) Hypothesen zur Entstehung von Drogenabhängigkeit vor, die sich alle auf ein Defizit im Bereich der Spontaneität und der daraus folgernden mangelhaften Fähigkeit der Betroffenen zur Bewältigung von Problemen und Situationen beziehen:

➢ Hypothese 1 beschreibt die unzureichende Spontaneitätsentwicklung auf Grund der nicht adäquaten Reaktionen der Bezugspersonen auf die Bedürfnisse des Neugeborenen, die zu mit Angst und Unsicherheit besetzten Trennungserfahrungen beim Übergang von der All-Identität zur All-Realität führen.

➢ In Hypothese 2 werden die Folgen der Ausdifferenzierung von Phantasie- und Realwelt thematisiert. Wiederum stellt die unzureichende Unterstützung durch die zur Verfügung stehenden Hilfs-Iche und die daraus resultierenden Ängste eine Hemmung der Spontaneitätsentwicklung dar.

➢ Hypothese 3: Die weitere Interaktion mit den Umweltbedingungen kann die Trennungserfahrungen entweder negativ verstärken oder positiv kompensieren. Aus seiner Erfahrung stellt Göb eine Häufung negativer, belastender Lebensumstände bei Drogenabhängigen fest.

➢ Hypothese 4 bezieht sich auf die negativen Auswirkungen einer defizitären Spontaneität in der Phase der Pubertät, die er in Bezug auf die Anforderungen (vor allem das Erlernen neuer Rollen) mit dem postnatalen Stadium vergleicht. In dieser Phase manifestiert sich in der Regel auch die Drogenabhängigkeit.

➢ In Hypothese 5 fasst Göb seine Annahmen zusammen: für ihn ist Abhängigkeit als Zeichen unzureichender Spontaneität zu sehen, die im Laufe der Entwicklung erworben wird. Regressive Tendenzen entwickeln sich vor dem Hintergrund der scheinbar nicht bewältigbaren Lebensanforderungen. Die psychoaktive Substanz bzw. das abhängige Verhalten dient der Wiedererlangung des Gefühls und des Erlebens der All-Identität um die Trennung zwischen Phantasie- und Realwelt aufzuheben.

Für die Therapie lässt sich aus diesen Hypothesen die Notwendigkeit des Abbaus von Angst und Unsicherheit und die Wiedererlangung bzw. Förderung und Aufbau der Spontaneität, neuer Rollen sowie eines neuen Selbstkonzepts ableiten.

3.7 Psychodrama in der Arbeit mit Abhängigkeitskranken

Wie bereits erwähnt hat sich die psychodramatische Methode in der Arbeit mit Abhängigen bewährt und kommt – vor allem in Deutschland – in zahlreichen ambulanten und stationären Einrichtungen der in Deutschland unter der Bezeichnung Suchtkrankenhilfe laufenden Institutionen zur Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen zur Anwendung. Die Ursache für die Wirksamkeit der psychodramatischen Techniken in diesem Bereich liegt emotional vor allem im Zusammenwirken der zentralen Bausteine des Psychodramas – der Rollentheorie und Soziometrie, die die Verflechtung der Psycho- und Soziodynamik einer Störung mit einem multifaktoriellen Bedingungsgefüge besonders gut erfahrbar machen können. Im Folgenden sollen Erfahrungsberichte aus in der Therapie von Abhängigkeitserkrankungen tätigen Psychodramatherapeuten zusammenfassend dargestellt werden, um die tatsächliche Anwendung unterschiedlicher Interventionstechniken und ihrer spezifischen Wirkung in der Behandlung dieser psychischen Störung in der Praxis näherzubringen.

Blume et al. (1978) beschreiben in ihrem Artikel einige psychodramatische Techniken in der stationären Alkoholismusbehandlung wie

➢ die Verwendung der Technik des Rollentauschs um die Problemeinsicht zu fördern,

➢ die Personifizierung des Alkohols in der Psychodrama-Sitzung um den Abhängigen ihre passive Haltung der Droge und ihrem Leben gegenüber vor Augen zu führen und sie für die Tatsache zu sensibilisieren, dass Abstinenz einen aktiven Prozess darstellt,

➢ das Nachspielen von Situationen, in denen ein Patient rückfällig wurde, um die Motivation abzuklären und eine kognitive Verbindung zwischen den Gefühlen des Betroffenen und dem Alkoholproblem herzustellen und

➢ das Spielen von Kindheits-Szenen, das zur Klärung von Identifikationen mit den alkoholabhängigen Eltern führen soll.

Für Blume et al. (1978) liegt der besondere Wert des Psychodramas in der Möglichkeit zur Erprobung neuer Lösungen für bereits identifizierte oder vorweggenommene Probleme. Das Psychodrama bietet die Möglichkeit, für abstinente Abhängige typische Situationen und Ereignisse im Spiel zu üben und zu erproben. Mit Hilfe dieser Zukunftsprojektionen[47] können die Patienten vulnerable Situationen erkennen, Erfolg bei deren Bewältigung erleben und alternative Verhaltensweisen entwickeln. Auch Friedman (1967) streicht diesen Aspekt der psychodramatischen Methode aus ihren Beobachtungen bei inhaftierten, drogenabhängigen Frauen in New York als besonders wirksam im Sinne einer Intensivierung der Veränderungsmotivation heraus.

Cabrera (1961) schildert in seinem Erfahrungsbericht die psychodramatische Arbeit mit Alkoholikern während eines stationären Rehabilitationsprogramms als eine übende Vorwegnahme der Situationen, die den Abhängigen nach der Behandlung erwarten – die Wiederaufnahme in den Familien- und Freundeskreis, die Konfrontation mit der psychoaktiven Substanz oder die Arbeitssuche. Die Wirkung dieser Übungen beschreibt er folgendermaßen: „The patients obtain a great deal of benefit from this situation, giving them a great deal of insight and motivation on their problem and helping to understand themselves better“ (Cabrera, 1961, S. 156).

Truöl (1981) erachtet ebenfalls die Arbeit mit den prospektiven Aspekten der Lebenssituation der Abhängigen vor allem in der rehabilitativen Therapiephase als entscheidend für den Therapieerfolg: „Die Vorwegnahme zukünftiger Geschehnisse und Begebenheiten im psychodramatischen Spiel ermöglicht dem Klienten den Aufbau einer realitätsorientierten Einstellung auf die zu erwartende Realität und damit die Entwicklung von zweckmäßigem und situationsadäquatem Verhalten“ (ebd., S. 220).

Auch Eliasoph (1955) sieht im Acting-out von realen, antizipierten Lebenssituationen vor allem in Hinblick auf die typischen Situationen, mit denen Abhängige nach der Therapie konfrontiert werden, das Element der psychodramatischen Methode, das diese in der Therapie von Drogenabhängigen zur effektivsten macht. Die Unfähigkeit zu antizipatorischem Denken ist für Eliasoph eines der Hauptcharakteristika von (Drogen-) Abhängigen. Die Betroffenen erlangen im Rollenspiel und Rollentraining das Gefühl, Situationen und Probleme besser bewältigen zu können und bewegen sich in Richtung größerer Unabhängigkeit

Duffy (1990) formuliert die genannten Aspekte folgendermaßen: „It (das Psychodrama, Anm. d. Verf.) combines cognitive, emotional and role learning and sparks the spontaneity so necessary for recovery. Psychodrama helps alcoholics and drug addicts ´get their act together`“ (ebd., S. 108). Das Visualisieren der Droge mit Hilfe eines Stuhls oder mit Gruppenmitgliedern konfrontiert die Betroffenen mit ihrer Verleugnung, ihrem Verlangen, die Droge zu konsumieren, und den Verhaltensmustern, die zu Rückfällen führen können. Duffy hebt außerdem den (Wieder-)Aufbau der sozialen Fertigkeiten in der psychodramatischen Gruppentherapie hervor, der der sozialen Abhängigkeit von den Drogen entgegenwirkt. Das Fördern der Spontaneität stellt für Duffy im Zusammenhang mit dem Abhängigkeitskreislauf einen entscheidenden Faktor dar. Sie definiert Spontaneität – in Anlehnung an Moreno – als Fähigkeit „to respond in a novel way to old situations and in an adequate way to new ones” (ebd., S. 104). Viele Autoren betonen die Bedeutung des Hier und Jetzt in der Therapie mit Abhängigen, Duffy streicht jedoch auch heraus, dass sich die Bearbeitung früher Beziehungen und Muster – vor allem auch im Falle einer Alkohol- oder Drogenabhängigkeit der Eltern der Betroffenen – mit der psychodramatischen Methode positiv auf den Behandlungserfolg auswirkt.

Auch Olsson (1972) sieht im (Wieder-)Erlangen der Spontaneität und Kreativität einen entscheidenden Faktor in seiner Arbeit mit jungen Heroinabhängigen. Die in der psychodramatischen Gruppentherapie gewonnene Spontaneität soll ermöglichen, die Abhängigkeit seiner Patienten von der Wirkung der Droge (er bezeichnet den Effekt als „Alice in Wonderland Syndrome“) durch „addiction to creative experience in living with people“ (ebd., S. 144) zu ersetzen. Olsson hebt ein weiteres Spezifikum des Psychodramas hervor – die Möglichkeit für die Betroffenen zu handeln anstatt zu reden: „many of our patients have been impulsive actors rather than verbalizers or philosophers, we feel this is especially true on our ward of heroin addicts and drug abusers” (ebd., S. 147).

Müller (1986) zählt vielfältige Möglichkeiten zur Anwendung der psychodramatischen Methode im Rahmen einer psychosozialen Beratungsstelle für die Klienten, die hauptsächlich aus der Unterschicht stammen und – wie er es bezeichnet – durch „Mehrfachbehinderungen in ihren sozialen Ausstattungsbereichen“ (ebd., S. 186) an den Rand der Gesellschaft gedrängt worden sind, auf. In der Kurz-, Langzeit-, Einzel- und Paarberatung, der Gruppenarbeit (Motivations- und therapeutisch-orientierte Gruppen), im Rahmen von Besinnungswochen, Freizeitgruppen, der Vorsorge- und Öffentlichkeitsarbeit und der Ausbildung von freiwilligen Suchtkrankenhelfern kommen unterschiedliche psychodramatische Techniken zum Einsatz. Müller betont, dass das auf Aktion orientierte Psychodrama „den Bedürfnissen und den Kommunikations- und Verhaltensgewohnheiten der sozialen Unterschichten und insbesondere deren aktionistischen und situativen Problemlösungsverhalten“ (ebd., S. 196) besonders entspricht.

Weiner (1965, 1966) sieht im Psychodrama eine Methode, die in der Arbeit mit Alkoholikern, die häufig distanziert, schweigsam und mit dem Bedürfnis nach sozialer Wiedereingliederung in die Therapie kommen, vor allem auf Grund der Tatsache, dass sie „an almost immediate emotional involvement“ (Weiner, 1965, S. 27) fördert, besonders erfolgreich ist. Sehr positiv hervorgehoben wird bei Weiner (1966) die Wirkung der psychodramatischen Arbeit mit den Familien bzw. Partnern der Betroffenen. Sie beschreibt das Psychodrama in einer Zusammenfassung folgendermaßen: „Psychodrama offers life to the alcoholic – not only behavior change and learning how to live (…). It also provides immediate temporary help in terms of specific problems and situation. It not only aims at changing human behavior but also at developing adjustment in ego control, learning to understand current realities and developing skills in communication. (…). The flexibility of the method and techniques is a match for the variety of problems, personalities and situations of the individual with an alcohol problem” (ebd., S. 164/165).

Auch Bonabesse (1970) beschreibt die für ihn in der Therapie mit Alkoholikern entscheidende Wirkung des Psychodramas als „libération d`affects“[48], die im Zuge des Wiedererlebens von emotional geladenen Situationen im psychodramatischen Spiel den vorübergehenden Zusammenbruch von Widerständen des Protagonisten zur Folge hat. Im psychodramatischen Gruppensetting sieht Beonabesse zudem die Möglichkeit, solche therapeutische Effekte für sämtliche Gruppenteilnehmer zu nutzen und einen Verallgemeinerungsprozess durch das Mitschwingen mit dem Protagonisten einzuleiten.

Blume et al. (1968) sind der Überzeugung, dass die emotionale Beteiligung, die bei den Gruppenmitgliedern im Psychodrama meist sehr schnell vorhanden ist, mit verbalen Methoden nicht in ähnlicher Weise geschaffen werden kann. In Übereinstimmung dazu sieht van Meulenbrouck (1972) das Psychodrama als das Mittel der Wahl um die für Alkoholiker charakteristische Passivität und Ablehnung zur Bearbeitung zu bringen. Auch Speroff beschreibt den typischen Alkoholiker als einen Menschen „of basic distrust and suspiciousness and a lack of faith or confidence in oneself, an therefore, in others“ (Speroff, 1966, S. 217) und erachtet aus diesem Grund das Psychodrama in der Gruppe als Methode der Wahl, um die, dem Alkoholismus zu Grunde liegende Interaktions- und Beziehungsstörung, zu behandeln. Cuvelier & Mattheeuws (1970) hingegen beschreiben den typischen Alkoholiker als Patienten mit narzisstischem Charakter der „lui fait accepter très facilement le rôle de protagoniste d´un jeu psychodramatique. Il aime le soliloque et s´expose facilement“ (Cuvelier & Mattheeuws, 1970, S. 830)[49].

Stimmer (1994) zieht aus seinen Erfahrungen mit Alkoholikern den Schluss, dass psychodramatische Techniken – er nennt in diesem Zusammenhang vor allem soziometrische Übungen – besonders wirksam im Hinblick auf das für substanzabhängige Klienten charakteristische, äußerst sensibel auf kränkende Reize reagierende Selbstwertsystem sind. Die Reaktion auf erlebte Kränkungen besteht meist in der Kompensation bzw. Abwehr mit Hilfe der psychotropen Substanz bzw. des abhängigen Verhaltens. Seine These beruht darauf, dass es mit Hilfe psychodramatischer Techniken – im Speziellen durch eine differenzierte Darstellung der aktuellen Situation sowie der Zukunft und der psychodramatisch gestaltenden Verbindung dieser Zeitebenen – möglich ist, Struktur und Realität in das Selbst- und Weltbild des Abhängigen zu bringen und die Kluft zwischen dem mit Minderwertigkeitsgefühlen behafteten und dem narzisstisch überhöhten Selbst zu überbrücken. Eine Funktion, die bei vielen Abhängigkeitskranken von der psychoaktiven Substanz erfüllt wird (vgl. dazu auch Waldhelm-Auer, 1994a). Nachdem die Gefühle der Minderwertigkeit und Leere durch den Suchtmittelkonsum kompensiert werden, kommt es nach der kurzen Phase des Rauschs zum Rückfall in die Langeweile und Sinnlosigkeit. Der Abhängige ist bemüht, diesem mit Hilfe illusionärer Größenphantasien zu entgehen. Stimmer (1993) versucht, den Kreislauf der Abhängigkeit zu durchbrechen, indem er den Protagonisten auffordert, Wunsch und Realität nebeneinander in Szene zu setzen um an der Integration der konträren Bilder arbeiten zu können. Sind die Szenen aufgebaut, so bekommt der Protagonist die Möglichkeit, diese Bilder distanziert zu betrachten, illusionäre Fantasien aufzugeben und Veränderungen auszuprobieren und „zu erleben, dass auch für andere eine Diskrepanz zwischen Wunsch und Realität besteht, dass Ideale eine aktivierende Kraft, unrealistische Illusionen dagegen hemmend sind (…) dass es manchmal auch gut ist, über die eigenen Größenvorstellungen humorvoll lächeln zu können (…) dass alle positiven Entwicklungen, die sich in dieser Übung andeuten, Drogenverzicht zur Voraussetzung haben“ (Stimmer, 1994, S. 278). Dieses Vorgehen stellt eine Integration der Handlungskompetenzen der psychodramatischen und soziodramatischen Rollenebene dar, der für die Überwindung der Abhängigkeit zentrale Bedeutung zukommt.

In einem später veröffentlichten Artikel berichtet Stimmer von der Integration der psychodramatischen Methode in die Soziale Arbeit, dass es am Beispiel der Nachsorge bei Alkoholabhängigkeit denkbar wäre „die gesamte Gruppenarbeit mit psychodramatischen Verfahren zu bestreiten. Das beginnt beispielsweise mit dem ,Sozialen Atom’ und dem ,Kulturellen Atom’ als Situationsanalyseverfahren über themenzentrierte Psychodramen (Rückfall, Suchttypen, Abstinenz) oder Soziodramen[50] (typische Alkoholiker treffen auf typische Abstinenzler) bis hin zum zukunftgerichteten Rollenspiel, in dem mögliche Situationen vorwegnehmend im psychodramatischen Spiel schon einmal erlebt und Verhaltensweisen trainiert werden können (Verführung zum Trinken an Sylvester, Vorstellungsgespräch beim neuen Arbeitgeber) (Stimmer, 2000).

Das Rollenspiel ist eine psychodramatische Technik, die in der Therapie mit Abhängigen häufig auch in nicht ausschließlich psychodramatisch geführten Gruppen eingesetzt wird. So stellen Haber, Paley und Block (1949) fest, dass „´Role playing` has proved to be one of the most successful techniques” (S. 26). Die Rollenspiele, die die an der Abteilung für Alkoholabhängige am Winter Veterans Administration Hospital in Kansas täglich abgehalten werden, stellen einen wichtigen Teil der Behandlung dar. Die Autoren unterscheiden in der Therapie mit dieser Technik drei Hauptziele, die mit unterschiedlichen Rollenspielsituationen erreicht werden sollen. Es sind dies Situationen, die den Patienten bei der Bewältigung seiner realen Probleme unterstützen sollen, die den Gemeinschaftsgeist, die Auseinandersetzung mit der Gruppe und das Verhältnis zwischen Personal und Patienten verbessern sollen und Situationen, die der Bearbeitung tief sitzender Konflikte dienen sollen. Haber et al. sehen den Unterschied zwischen Rollenspielen und Gruppentherapien im Allgemeinen vor allem in der Tatsache, dass die im Rollenspiel entstehenden spontanen und offenen Diskussionen kein oberflächliches Intellektualisieren zulassen.

Auch Avrahami (2003) ist von der therapeutischen Wirksamkeit des psychodramatischen Rollenspiels überzeugt. In seinem Praxisbericht aus einem Addiction Treatment Center in New York schildert er die Arbeit mit Abhängigen, in der diese Technik ein wichtiges therapeutisches Instrument darstellt. Es handelt sich dabei um ein 35-tägiges stationäres Rehabilitationsprogramm, das von der Philosophie und den Grundsätzen der Anonymen Alkoholiker sowie von humanistischen und psychodramatischen Ansätzen beeinflusst und geprägt ist. Avrahami beschreibt in seinem Aufsatz eine spezielle Technik – eine Kombination aus klassischem psychodramatischen Rollenspiel und kognitiv-behavioraler Therapie – die im Gegensatz zur Aufdeckung irrationaler Überzeugungen und ungünstiger Selbstverbalisationen auf rein verbaler Ebene durch das Handeln in der Gruppe bessere Ergebnisse in der Behandlung Abhängiger zeigt. Wie viele andere Autoren hebt Avrahami die besondere Eignung der psychodramatischen Methode in der Therapie Abhängiger hervor: „Moreover, in the field of addiction where many clients have been mandated to treatment and thus have little desire or initiative to participate in their treatment, and most strongly resist change, psychodrama can skirt their resistance effectively. Additionally, denial characterizes many addicts and here too, roleplaying helps ´bypass` this therapeutic hurdle. (…) Psychodrama, as an experiential method, involves high emotional experience, and is an effective method to achieve the therapeutic goals of addictions treatment” (ebd., S. 215/216).

Göb charakterisiert seine Klienten als „innerlich einsame, passive Menschen mit viel Angst und Unsicherheit“ (Göb, 1994, S. 182). Er hat im Laufe seiner langjährigen Arbeit mit Drogenabhängigen im stationären Setting verschiedene psychodramatische Techniken mit unterschiedlichem Erfolg angewandt und kommt in Folge der Einzelfallbeobachtungen und den daraus abgeleiteten Hypothesen zu dem Schluss, dass „das Psychodrama sich in guter Weise dazu eignet, Ängste und Unsicherheiten zu reduzieren, Spontaneität zu fördern, neue Rollen zu erlernen, ein flexibles Selbst aufzubauen und somit den Lebensanforderungen gerecht zu werden, ohne sich in die pathologische Konserve der Drogenabhängigkeit flüchten zu müssen“ (ebd., S. 191).

Edwards (1993) führte auf der Basis seiner Hypothese, dass Abhängige wesentliche Beeinträchtigungen in den Bereichen Flexibilität und Kreativität aufweisen, Untersuchungen durch, die ein eindeutiges Ergebnis lieferten: Im Torrance Test of Creative Thinking (TTCT, Figural Form A)[51] zeigten sich signifikant niedrigere Werte bei stationär behandelten Abhängigen im Vergleich zu stationär behandelten Nicht-Abhängigen. Für Edwards lässt sich aus diesem Resultat ableiten, dass das Psychodrama, mit seinem Anspruch, Kreativität und Spontaneität zu fördern, ein wichtiges Element in der Behandlung von Abhängigen darstellt.

Bremer (1994), die mit Alkoholikern und Medikamentenabhängigen im stationären Setting arbeitet, sieht den Vorteil der psychodramatischen Gruppentherapie in der Wandlung des Selbstbildes vom passiven Hilfsbedürftigen zum aktiven Mitgestalter von Heilungsprozessen. Dieser Prozess wird ihrer Meinung nach vor allem durch das psychodramatische Element des Hilfs-Ichs ermöglicht. Als Hilfs-Iche werden die Mitspieler des Protagonisten einer psychodramatischen Szene bezeichnet. Der Protagonist wählt in der Regel Gruppenmitglieder für diese Rollen, in denen sie Teile der Umwelt und der Struktur des Protagonisten repräsentieren. Die Hilfs-Iche stellen in Hinsicht auf den Protagonisten, den Psychodrama-Leiter aber auch die anderen Gruppenmitglieder eine wichtige therapeutische Hilfe dar. Zentrale Bedeutung hat im Prozess der Wandlung die Erfahrung, eine Rolle für einen anderen zu übernehmen, den Protagonisten in seinem Bemühen, sich darzustellen zu unterstützen und dabei im Mittelpunkt zu stehen. Bremers These lautet, dass „gerade die psychodramatische Funktion des Mitspielers Bedingungen in sich trägt, die den Widerstand gegen das Lockern und Infragestellen des oft hartnäckig festgefahrenen Selbst-Bildes aufzuweichen und weiterer Bearbeitung zugänglich zu machen imstande ist“ (ebd., S. 224). Die unterstüzend-aktivierende, entspannende und tröstende Funktion, die die psychotrope Substanz bislang erfüllte, kann durch die Wirkung des gesteigerten Selbstwert- und Gemeinschaftsgefühls substituiert werden. Den theoretischen Hintergrund für diese Annahme liefert die Prosozial-Forschung, die hauptsächlich experimentell-empirisch abgesicherte Aussagen darüber trifft, wie Hilfe-Verhalten gefördert bzw. verhindert wird und welche Auswirkungen das Helfen auf den Helfer hat. Prosoziales Verhalten ist in hohem Maße vom Lernen am Modell gesteuert. Die psychodramatische Methode ist für diese Form der Entwicklung und Verstärkung von Verhaltensmustern besonders geeignet (siehe Kapitel 3.8).

Krüger (1994) beschreibt in seiner Vignette vier psychodramatische Grundtechniken – die Symbolbildung[52], differenzierte Beziehungs- und Problemklärungen[53], das Soziale Atom[54] sowie Beziehungsskulpturen[55], die den spezifischen Bedingungen Abhängiger besonders gerecht werden.

Wöhrle (1994) stellt fest, dass im Psychodrama Innerpsychisches erlebbar gemacht und in weiterer Folge neu gestaltet werden kann. Das psychische Erleben wird durch die szenische Darstellung aktiviert. Frank-Trapp hat im Psychodrama die Möglichkeit gefunden, „das Prinzip ,Abstinenz’ anschaulich darzustellen und seine Bedeutung über die Suchtmittelabstinenz hinaus im Bewusstsein der Patienten zu verankern“ (Frank-Trapp, 1994, S. 273). Er lässt ein Gruppenmitglied die bei Abhängigen häufig sehr intensiv vorhandenen und erlebten Impulse Angst und Antrieb mit Hilfe von Stühlen darstellen, um so dem „Ich“ eine größere Bedeutung und mehr Einfluss auf das Handeln des Abhängigen zu verschaffen.

Leutz (1973) betont, dass die Surplus-Realität, in der das Psychodrama-Spiel erfolgt, die Auseinandersetzung mit der traumatisierenden Vergangenheit und den problembehafteten Beziehungen in besonderer Weise ermöglicht. Groterath (1994) sieht ebenfalls die Möglichkeit zur Vergangenheitsbewältigung mit Hilfe der psychodramatischen Therapie als einen der wichtigsten Faktoren ihrer Arbeit mit Drogenabhängigen im Centro Italiano di Solidarietà als auch in ihrer Praxis. Die beschreibt das „wahre zweite Mal“[56] als einen Weg, mit sich selbst wieder in Kontakt zu treten. Die meisten Drogenabhängigen erleben bei der Reinszenierung vergangener Szenen, die mit ihrem Drogenproblem im Zusammenhang stehen (z. B.: Straftaten begangen zu haben, andere zum Konsum bewegt bzw. die Eltern belogen oder bestohlen zu haben) enorme Schuldgefühle. Groterath legt großen Wert darauf, den psychodramatischen Prozess auf das Hier und Jetzt bzw. wenn möglich sogar auf die Zukunft zu beziehen, um den Betroffenen eine Verarbeitung der Schuldgefühle zu ermöglichen und eine Änderung einzuleiten.

Wood et al. (1979) beweisen in einer vergleichenden Studie am Navy Alcoholism Rehabilitation Center die aktivitätssteigernde Wirkung der psychodramatischen Methode in der Alkoholismusbehandlung (an Hand der Comrey Personality Scale). Des Weiteren stellen sie fest, dass es im Verlauf der Therapie zu einer emotionalen Stabilisierung und zur Förderung von empathischen Fähigkeiten, von Zuversicht und Vertrauen kommt[57].

Speroff verwendet die psychodramatische Methode sowohl in der Gruppentherapie mit Alkoholikern als auch in der Paar-Beratungen von Abhängigen und deren Ehefrauen. Sie schildert die Wirkung des Rollentausches in diesem Setting als eine Technik, die dem Alkoholiker einen emotionalen Zugang zu seinem eigenen Verhalten und zu seinen Problemen, die er häufig (mit Hilfe des abhängigen Verhaltens) zu verdrängen versucht, ermöglicht. Sie formuliert dies folgendermaßen: „As is well known, most alcoholics repress and/or minimize much of their drinking experiences and its antecedent behavior; and whether they employ a form of (what I prefer to call) “convenient amnesia” or actual loss of recall for their actions, the point is they need to “see” themselves as others do – not as they choose to see themselves” (Speroff, 1966, S. 216). Die Übernahme der Rolle der Ehefrau führt laut Speroff in vielen Fällen zu einer emotionalen Reaktion und Einsicht, die den Heilungsprozess fördert.

Waldhelm-Auer (1994a, S. 193) weist auf die Bedeutung spezifischer Psychodrama-Methoden in Bezug auf die für Alkoholabhängige typische Psychodynamik – der Abwehrmechanismen und Ich-Defizite hin. Sie betont in ihren Ausführungen die kreativen Möglichkeiten, die Methodenvielfalt und die Variationsbreite des Psychodramas im Sinne einer Ablösung von seiner klassischen Form zu Gunsten verschiedener Abwandlungen, um der Psychodynamik der Abhängigkeitskranken besser gerecht werden zu können. Waldhelm-Auer definiert die Therapieziele des Konzepts einer ambulanten Entwöhnungstherapie in einer sozialen Beratungs- und Behandlungsstelle für Abhängige unter Anwendung des Psychodramas folgendermaßen: oberstes Ziel ist eine dauerhafte Abstinenz, weitere Zielkomplexe bestehen aus der Ich-Stabilisierung, der Förderung von Selbstverantwortung und Selbstkontrolle, der Rollenerweiterung bzw. Nachreifung im Sinne von Loslösung und Individuation, der Steigerung sozialer Kompetenz und der (Wieder-)Erlangung der Arbeitsfähigkeit. Der Behandlungsplan, den Waldhelm-Auer in Anlehnung an Truöl (1981) konzipiert hat, besteht aus 4 Phasen, die zeitlich flexibel (den Bedürfnissen und Entwicklungsfortschritten der Gruppe individuell angepasst) gestaltet werden können und fließend ineinander übergehen.

Abbildung 16: Behandlungsplan für Abhängigkeitserkrankungen in 4 Phasen

Quelle: Waldhelm-Auer, 1994b, S. 281

1. Phase: Themen:

Gruppenbildung Vertrauen in der Gruppe

Auseinandersetzung mit dem Suchtmittel Funktionen des Alkohols

2. Phase Themen:

Auseinandersetzung auf der charaktero- Persönlichkeitsstruktur

logischen/individuellen Ebene Rollenrepertoire

Abgrenzung/Autonomie

3. Phase Themen:

Konfrontation mit der aktuellen sozialen Situation Beziehungsstrukturen

Realitätsproben

4. Phase Themen:

Loslösungs- und Abschiedsphase Abschiedssituationen

Loslösung vom Substitut

In der ersten, symptomorientierten Therapiephase dienen soziometrische und psychodramatische Anwärmtechniken einerseits der Schaffung eines diagnostischen Überblicks, andererseits jedoch auch der Bildung emotionaler Beziehungen und einer Vertrauensbasis unter den Gruppenmitgliedern sowie zwischen der Gruppe und den Therapeuten. Die Arbeit in der Gruppe ist überwiegend auf das Thema psychotrope Substanzen konzentriert. Es kommt auf Grund des gemeinsamen Symptoms zu Solidarisierungen zwischen den Teilnehmern, eine Tatsache, die ihrerseits den Abbau von Ängsten fördert. Die Auseinandersetzung mit der konsumierten Substanz findet vor allem in der szenischen Darstellung konkreter Lebenssituationen statt. Diese Phase unterstützt durch die Vertiefung der Krankheitseinsicht vor allem das Ziel der Abstinenz.

Die zweite Phase steht im Zeichen der Förderung der Regression an Hand von Imaginationen und Phantasieübungen mit dem Ziel der Nachreifung und Rollenerweiterung. Die Regression soll dazu führen (frühe) Abhängigkeitsmuster und Beziehungsstörungen zu erkennen und den Zugang zu abgespaltenen Emotionen früherer Entwicklungsstufen zu ermöglichen. Unterstützend wirken in dieser Phase psychodramatisch entwickelte Substitute für die psychoaktive Substanz. Als Beispiele für Substitute im Sinne von Übergangsobjekten führt Waldhelm-Auer den Therapeuten als Bezugsperson, die Psychodramagruppe, einen bestimmten, stützend wirkenden Raum oder eine spezielle Arbeitsatmosphäre sowie ein Haustier an. Waldhelm-Auer legt Wert auf die Unterscheidung zwischen destruktiven und psychisch wohltuenden Beziehungen und Abhängigkeiten. Die in der Therapie erarbeiteten Substitute sollen bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Abhängige die für das Aufgeben der ,Stütze Alkohol’ notwendigen Ressourcen aufgebaut hat zur Verfügung stehen, sie können jedoch auch als permanente Lösung dienen.

Im dritten Therapieabschnitt sollen Rollenspiele dazu führen, die Gruppenmitglieder mit ihrer aktuellen sozialen Situation zu konfrontieren. Diese Phase dient der Entwicklung neuer Beziehungsmuster, Realitätsproben bereiten die Klienten auf zukünftige, zu bewältigende Lebenssituationen vor.

In der letzten Therapiephase steht das Thema Trennung im Mittelpunkt, das bei Abhängigen einen zentralen Problemkreis darstellt (Simonsen, 1990). Die Trennung vom Übergangsobjekt und die Auflösung der Gruppe werden im psychodramatischen Spiel vorweggenommen, frühere Abschiede werden thematisiert.

Die beschriebenen Berichte aus der Praxis sowie die Schlüsse, die von den Autoren bezüglich der Anwendung der psychodramatischen Methode bei Abhängigkeitserkrankungen gezogen wurden, machen deutlich, warum das Psychodrama in diesem Bereich dermaßen häufig Anwendung findet und entsprechend positive Ergebnisse liefert.

3.8 Wirkfaktoren psychodramatischen Arbeitens im Anwendungsfeld Abhängigkeit

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das Psychodrama in der Arbeit mit Abhängigen vor allem deshalb besonders wirkungsvoll ist, weil es „den Möglichkeiten zu psycho- wie soziotherapeutischer Intervention, gegenwartsbezogener aber genauso biografisch explorativer wie zukunftserprobender, übender Arbeit und phantastisch-symbolischer Aktion in besonderer Weise gerecht wird“ (Dudler, Jancovius & Voigt, 2000, S. 2). Petzold (1970) bezeichnet das Psychodrama als „multilaterales therapeutisches Instrument“, das dem, in der Therapie von Abhängigkeitserkrankungen bestehenden Bedarf an einer „totalen therapeutischen Atmosphäre“ als einzige Methode entsprechen kann. Für ihn nimmt – in Ergänzung zu den oben angeführten Interventionsmöglichkeiten – auch das informativ-pädagogische Moment einen wichtigen Stellenwert in der psychodramatischen Behandlung ein.

Die Tatsache, dass das Psychodrama vor allem eine Gruppentherapiemethode darstellt, ist ein Grund für die besondere Eignung in der Behandlung Abhängigkeitskranker, in der die Gruppe als ein sehr bedeutsames therapeutisches Agens gilt. Petzold (1970) sieht wesentliche Erfolge in der Therapie von Alkoholikern erst seit der Einführung gruppentherapeutischer Behandlungsmethoden. Der für die Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen wichtige Ausgangspunkt der Motivation wird in der Gruppentherapie mit Gleichgesinnten über die Krankheitseinsicht in erhöhtem Ausmaß gefördert. Für viele Abhängige stellt die Tatsache, dass andere die gleichen Probleme und Gefühle haben wie sie, eine völlig neue Erfahrung dar. Die Feststellung, dass sie in der Gruppe akzeptiert und verstanden werden, hat positive Auswirkungen auf die soziale Kompetenz der Gruppenmitglieder, die ihnen den Wiederaufbau und die Neugestaltung ihrer durch die Abhängigkeit beeinträchtigten Beziehungen und die aktive Teilnahme an Selbsthilfegruppen enorm erleichtern. Sowohl in Bezug auf das therapeutische Ziel der Abstinenz als auch hinsichtlich der Häufigkeit an Rezidiven ist die Gruppentherapie der Einzeltherapie in der Alkoholismusbehandlung überlegen (Petzold, 1971). Diese Aussagen ähneln den Erfahrungen und Erfolgen der Gruppenarbeit der Anonymen Alkoholiker. Auch Leutz (1973) betont die besondere Wirksamkeit von Gruppentherapieformen in der Behandlung Abhängiger. Sie sieht diese These vor allem darin begründet, dass „die Gruppe dem Hang der Betroffenen (der Abhängigen, Anm. d. Verf.) zur Kommune, als Ausdruck ihrer Sehnsucht nach menschlichen Beziehungen, in gewisser Weise entgegenkommt“ (ebd., S. 57). In der von Frank und Tauscher veröffentlichten Statistik zur ambulanten Suchtrehabilitation der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstellen im Diakonischen Werk Württemberg führte die Analyse der Daten von 1992 bis 1994 zur Feststellung, dass die Behandlungen der Abhängigen überwiegend (zu 55 Prozent) in Gruppen durchgeführt wurden (Frank & Tauscher, 1995, S. 16).

Für die Gruppentherapie im Allgemeinen werden nach Yalom (1974) 9 Wirkfaktoren unterschieden:

➢ Aufklärung über Ziele und Ablauf der Gruppe

➢ Entwicklung von Hoffnung und positiven Erwartungen

➢ „Universalität des Leidens“

➢ Altruismus

➢ die korrigierende Wiederholung der primären Familiengruppe

➢ Erlernen sozialer Kompetenzen

➢ Beobachtungslernen

➢ Interpersonales Lernen

➢ Gruppenkohäsion.

Für einige der hier genannten Faktoren – dem Beobachtungslernen, dem interpersonalen Lernen und dem Erlernen sozialer Kompetenzen – stellt die psychodramatische Methode spezielle Techniken und Interventionsmethoden zur Verfügung, auf die in Kapitel 3.11. eingegangen werden soll.

Die Betonung der Begegnung im Psychodrama fördert die soziale Kompetenz und in weiterer Folge das Beziehungsnetz der einzelnen Gruppenmitglieder. Das direktive und strukturierte Vorgehen des Therapeuten im Verlauf einer Psychodramasitzung kommt der passiven Erwartungshaltung der Abhängigen entgegen und gibt Ich–schwachen Klienten die nötige Unterstützung, um sich auf neue Erfahrungen und die Erprobung neuer Handlungsmöglichkeiten im Schonraum der Gruppe einlassen zu können. Die Stärkung der Ich-Funktionen im Psychodrama ist im Sinne einer verbesserten Selbst- und Fremdwahrnehmung zu verstehen. Die in Kapitel 3.11 ausführlich beschriebenen Ich-stützenden Interventionstechniken des Psychodramas können als zentrale Vorgehensweise in der Behandlung Abhängiger betrachtet werden (Waldhelm-Auer, 1994a, Stimmer & Gneist, 1987).

Das Psychodrama ist eine Aktionsmethode, die darauf abzielt, die Selbstverantwortung der Gruppenmitglieder zu fördern. Häufig werden in der Therapie mit Abhängigen Kontrollkämpfe mit rigiden Konzepten und Regeln ausgefochten, die die Ressourcen, die Eigenaktivität, die Selbstkontrolle und die Möglichkeiten zur Begegnung und Lebendigkeit stark einschränken (Brentrup, 1991). Die Spontaneität und der freie Wille, die beim Abhängigen sehr eingeschränkt sind, können im Psychodrama mittels Spontaneitätstrainings wiedererlangt werden.

Ein bei Abhängigen signifikant häufiger auftretendes soziales Defizit ist das der Beziehungsstörungen, die im Psychodrama an Hand der im Spiel emotional durchlebten Konflikt- und Problemsituationen aufgearbeitet werden können. Das handlungsorientierte Vorgehen unterstützt die Abhängigkeitskranken dabei, sich aus der Fixierung an passiv-orale Erwartungshaltungen, erstarrte Rollenrepertoires und Beziehungsmuster zu lösen. Die psychodramatische Methode regt die Phantasie, Selbständigkeit und Aktivität der Gruppenmitglieder an und vermittelt echte emotionale Erlebnisse. Kreativität und Ausdrucksfähigkeit können im Psychodrama deutlich verbessert werden. Die Rollenerweiterung bzw. (psychosoziale) Nachreifung stellt ein Psychodrama spezifisches Therapieziel dar.

Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Arbeit mit Abhängigen ist die Krankheitseinsicht, die unmittelbar mit der Motivation zur therapeutischen Behandlung der Störung im Zusammenhang steht. Im psychodramatischen Spiel kann das Wissen um die Abhängigkeit sowie die Einsicht in die Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitsstruktur und der konsumierten Substanz besonders eindringlich vermittelt werden. Auch in diesem Bereich spielt die Gruppe mit den vielfältigen Identifikations- und Erfahrungsmöglichkeiten eine entscheidende Rolle.

In der Therapie von Abhängigkeitserkrankungen scheinen der Rollenwechsel zwischen dem, der Hilfe annimmt und dem, der Hilfe anbietet sowie die mit dem psychodramatischen Spiel verbundenen Identifizierungsmöglichkeiten wichtige therapeutische Faktoren zu sein. Auch das Ansetzen an aktuellen Konflikten und Defiziten – die Orientierung am „Hier und Jetzt“, trägt zur Ich-Stärkung bei. Ein Beitrag, den die Psychodramatherapie in der Arbeit mit Abhängigkeitserkrankungen zusätzlich leisten kann, ist die konkrete Auseinandersetzung mit der, für die Betroffenen charakteristischen, Negativ-Rolle des „Abhängigen“. Neue Verhaltensweisen im Umgang mit problematischen oder konfliktreichen Situationen können spielerisch eingeübt werden, was zu einer erhöhten Selbstakzeptanz führt.

Des Weiteren stellt das Psychodrama ein effektives Medium dar, über kathartische Erlebnisse Zugang zu Emotions- und Affektblockaden zu bekommen.

In der Psychodrama-Literatur werden übereinstimmend die Ich-stützenden Techniken sowie der kreative Umgang mit Angst, Abwehr, Schuldgefühlen und Abgrenzungsproblemen als auch die Realitätsproben als für das Psychodrama charakteristische und für die Therapie von substanzbezogenen Störungen sowie von stoffungebundenen Abhängigkeitserkrankungen äußerst effektive Therapiebausteine betrachtet, die auch von anderen psychotherapeutischen Schulen gezielt eingesetzt werden.

Als primäres Therapieziel der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen wird in der deutschsprachigen Literatur und Evaluationsforschung vorwiegend eine dauerhafte Abstinenz genannt[58]. Weitere Zielkomplexe betreffen die Kompensation defizitärer Persönlichkeitsentwicklungen in einem psychosozialen Nachreifungsprozess, die Ich-Stabilisierung, die Steigerung der Selbstverantwortung und Selbstkontrolle sowie der sozialen Kompetenz und der Arbeitsfähigkeit sowie die Aufdeckung möglicher Ursachen der Abhängigkeit und deren psychotherapeutische Bearbeitung. Die psychodramatische Methode bietet ein breites Spektrum an Techniken und Interventionsmethoden um sämtliche Therapieziele der Behandlung von psychischen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen abdecken zu können.

3.9 Gefahren der psychodramatischen Methode

Das Verhalten des Abhängigen ist vor allem durch passive orale Erwartungshaltungen und Versorgungswünsche geprägt. Unmittelbar mit diesen Wünschen scheinen passive Anspruchshaltungen zusammenzuhängen, die oft dazu führen, sich in Beziehungen abhängig zu machen und zu erleben. Habiger (1991) beschreibt den intendierten therapeutischen Verlauf in der Behandlung Abhängiger als psychische Entwicklungslinie, die mit symbioseähnlichen Zuständen beginnt und mit einer zunehmenden Individuation zur Festigung der Identität als trockener Abhängiger endet. Häufig ist das Verhalten der Betroffenen zu Beginn der Therapie regressiv und von der Bereitschaft zur Abgabe von Verantwortung und der Erwartung von Zuwendung, Stützung, Führung und der Angst vor Autoritäten geprägt. Diese Grundtendenzen von Abhängigen können in der gruppentherapeutischen Arbeit für den Therapeuten sehr belastend sein. Nicht selten ist in der therapeutischen Gruppe ein Klima von Stagnation, Lähmung und Zähigkeit vorherrschend (Simonsen, 1990). Die für das Psychodrama charakteristische Förderung von Aktivität und Kreativität wirkt dieser Haltung entgegen und ermöglicht es, die diese orale Anspruchshaltung verursachenden regressiven Bedürfnisse bewusst zu machen.

In der Literatur wird dem Thema Regression im Zusammenhang mit der Therapie abhängiger Klienten ein besonderer Stellenwert eingeräumt. Das Psychodrama ist – über die Bildung einer „symbiotischen Gruppen-Struktur“ – besonders geeignet, einen emotionalen Zugang zu frühkindlichen Bereichen zu finden und regressiven Bedürfnissen Raum zu geben (Waldhelm-Auer, 1994a), jedoch besteht auch die Gefahr der pathologischen Regression. Im Sozialen Atom wird die Vergangenheit ausschließlich verbal behandelt, nicht gespielt – ein Konzept, das die pathologische Regression vermeidet und „durch die Vollendung der kreativen Interaktion hin zu Tele-Beziehungen die Patienten in die Progression führt“ (Krüger, 1994, S. 275).

Der Psychodrama-Therapeut hat in der Arbeit mit Suchtkranken darauf zu achten, nicht durch psychodramatisches Agieren und der damit verbundenen Übernahme der Verantwortung und Versorgung zum co-abhängigen Handlungspartner zu werden.

Eine weitere Gefahr besteht im Umgang mit dem hohen Aggressionspotential, das Abhängigkeitskranke häufig haben. Einerseits ist es nötig, der Aggression in der Therapie Raum zu geben, andererseits muss der Therapeut sich selbst und die Gruppe vor Angriffen und Gefährdungen, die von aggressiven Gruppenmitgliedern ausgehen, schützen. Das Psychodrama bietet Ansatzpunkte, mit den intensiven Emotionen umzugehen. Treten in der Erwärmungsphase verbale Aggressionsäußerungen auf, so können diese in der Spielphase thematisiert werden. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Technik des leeren Stuhls[59] zu nennen. Der leere Stuhl bietet dem Betroffenen die Möglichkeit, seine Aggression zu äußern, ohne diese auszuagieren. Die psychodramatische Bühne stellt einen geschützten Raum dar, auf dem Emotionen auch handelnd ausgelebt und in weiterer Folge untersucht und geklärt werden können. Wichtig ist dabei die Beachtung der Regel des „als-ob“ (Frank-Trapp, 1994). Petzold (1971) hat aus seiner jahrelangen Erfahrung mit Abhängigen heraus das Problem des Umgangs mit der Aggression in der Gruppentherapie erkannt und in Folge dessen die Technik der psychodramatisch gelenkten Aggression entwickelt, die in Kapitel 3.11.10 geschildert wird.

3.10 Widerstände gegen die psychodramatische Therapie

Prinzipiell kann festgestellt werden, dass gerade in der Therapie von Abhängigen mit mannigfaltigen Widerständen zu rechnen ist. Verleugnungen und Rationalisierungen spielen in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle. Die Widerstände gegen die psychodramatische Arbeitsweise sind vor allem in Hinblick auf die Therapieabbrüche interessant. Truöl berichtet von einer Abbruchquote von 20 – 25% der Klienten in stationärer Therapie bei Behandlungsbeginn – ein sehr hoher Wert, den er auf die Widerstände der Abhängigen gegen das psychodramatische Arbeiten zurückführt. Er sieht die Therapieabbruchquote als Beweis seiner These, „dass gerade zu Beginn der Behandlung die therapeutischen Mittel besonders vorsichtig eingesetzt werden sollen“ (Truöl, 1981, S. 204). Truöl rät weiters dazu, die Anwendung verschiedener Techniken des Psychodramas zu Beginn der Therapie ausschließlich in modifizierter Form (z.B. nur mit Themenvorgabe) vorzunehmen.

Auf der Basis dieser Ergebnisse stellt sich die Frage, ob das Psychodrama bei bestimmten Personengruppen in der Therapie von Abhängigkeitserkrankungen weniger geeignet ist bzw. auf besonderen Widerstand stößt und inwieweit es im Stande ist, diese Widerstände und Abwehrmechanismen zu bearbeiten und aufzulösen. Simonsen (1990) schildert Erfahrungen aus ihrer Arbeit mit Alkoholikern, den zum Teil sehr langsamen und in Zwischenstadien verlaufenden Abbau von Widerständen und die damit verbundene innere Auseinandersetzung und Erlangung von Handlungskompetenzen deutlich macht.

Auch Göb (1994) beschreibt vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen aus der Praxis den protektiven Widerstand und die ambivalenten Reaktionen der Drogenabhängigen auf das psychodramatische Spielen.

In der Literatur wird in der Regel ein schrittweises therapeutisches Vorgehen in der Arbeit mit Abhängigen empfohlen. Wöhrle (1994), die ihr Klientel in der Eingangsphase als übersensibel, störanfällig und selbstunsicher charakterisiert, schlägt vor, von der aktuellen Situation ausgehend soziometrische Verfahren als Einleitung für spätere Rollenspiele, Vignetten und protagonistenzentrierte Psychodramen durchzuführen. Truöl (1981) leitet das psychodramatische Spiel mit dem Einbau verschiedener psychodramatischer Techniken (Rollentausch, Doppeln) in Gesprächssituationen ein. Göb verwendet in der Anfangsphase vor allem die Doppelgängertechnik und rät für den weiteren Verlauf der Therapie zu schonenden und (falls notwendig) mit Hilfsmitteln unterstützten Übergängen zum psychodramatischen Spiel. Der Therapeut kann positive Effekte in der Gruppendynamik durch das Erklären und Demonstrieren der Doppelgängertechnik in der Gruppe erreichen. Das gegenseitige Doppeln in der Gruppe führt dazu, dass sich die Klienten als „,therapeutisches Agens’ und als wichtiges Mitglied der Therapiegruppe“ (Göb, 1994, S. 184) verstehen.

Müller (1986) empfiehlt folgende zusätzliche Behandlungselemente um die Spielwiderstände möglichst gering zu halten: eine parallel zur psychodramatischen Gruppentherapie verlaufende, verarbeitende und den Klienten entlastende Einzelberatung sowie sachliche Inhalte zumindest am Beginn einer Psychodramagruppe, sowohl in der warm-up Phase als auch am Anfang des protagonistenzentrierten Spiels.

Zu den Schwierigkeiten, die sich in der Anwendung der psychodramatischen Methode ergeben können, sind vor allem die Beeinträchtigungen der intellektuellen Leistungsfähigkeit sowie Veränderungen der Persönlichkeit im Sinne eines Folgeschadens durch langjährige Einnahme psychotroper Substanzen oder im Zuge von Entzugssymptomen zu nennen. Jedoch erweist sich auch in diesem Zusammenhang das Psychodrama als nicht rein verbale Therapieform in der Praxis häufig als Methode der Wahl.

3.11 Spezielle Techniken und Formen des Psychodramas – Beispiele psychodramatischen Arbeitens mit Abhängigen

Im Verlauf einer Psychodrama-Sitzung können zahlreiche unterschiedliche Techniken zur Anwendung kommen. Sie werden nach Bedarf unter Berücksichtigung der psychodramatischen Grundregeln und der jeweiligen Ziele der Erwärmungs-, Spiel- und Integrationsphase verwendet. Bonabesse (1970) stellt fest, dass „chaque auteur utilise les techniques dans lequelles il se sent le plus à l´aise”[60]. Die Analyse der Praxisberichte aus der Therapie mit Abhängigen hat jedoch ergeben, dass bestimmte psychodramatische Techniken übereinstimmend als besonders wirksam hervorgehoben werden. Diese sollen – auch an Hand von Beispielen – in diesem Kapitel beschrieben werden.

Die Arbeit mit der psychodramatischen Technik bedarf im Regelfall folgender fünf Komponenten: der Gruppe (meist bestehend aus 7-9 Teilnehmern), des Protagonisten, d.h. das, sein Problem darstellende, Gruppenmitglied, der auxiliary egos – Gruppenteilnehmer, die als Hilfs-Iche am psychodramatischen Spiel partizipieren, eines Psychodrama-Therapeuten als Gruppenleiter und einer Bühne. Die Bühne oder Spielfläche sollte sich etwas abgerückt vom Gruppenkreis befinden, um die besondere Situation des psychodramatischen Spiels, die Surplus-Reality, bewusst zu machen (Vater, 1994). Die Gestaltung der räumlichen Situation erfolgt über Einfälle der Gruppenmitglieder oder des Protagonisten und stellt einen wichtigen Bedingungsfaktor der psychodramatischen Therapie dar.

Die in den verschiedenen Phasen verwendeten Techniken stellen Interventionsmöglichkeiten dar, die die Quantität der zwischen den Gruppenmitgliedern stattfindenden Interaktionen mit therapeutischem Effekt erhöhen sollen (Zeintlinger-Hochreiter, 1996). Man unterscheidet entsprechend dem Verlauf einer Psychodrama-Sitzung Erwärmungs-, Handlungs- und Abschlusstechniken. Eine Psychodrama-Sitzung dauert in etwa 1,5 bis 3 Stunden.

Die Erwärmungsphase auch Initial-, Anwärm- oder warming-up Phase dient der Vorbereitung der Gruppenmitglieder auf die Spielphase. Der Erwärmungsprozess gilt in der psychodramatischen Theorie als die erste Erscheinungsform der Spontaneität – Spontaneität wird am Erwärmungsprozess gemessen (Göb, 1994). Das Auftreten von für Abhängige charakteristischen Widerständen und Abwehrmechanismen wie Rationalisieren, Diskutieren und Lamentieren kann nach Petzold (1970) vermieden werden, wenn bereits in der Erwärmungsphase von Seiten des Therapeuten besonders darauf geachtet wird, Empathie und echtes Interesse für die Probleme des Betroffenen zu zeigen. Truöl (1981) sieht in der Anwärmphase die Möglichkeit, die Belastbarkeit der durch den Entzug der psychotropen Substanz emotional instabilen Klienten einschätzen und therapeutische Interventionen auf die jeweilige Befindlichkeit abstimmen zu können. Ziele sind die Aktivierung der Gruppe und das gemeinsame Entwickeln eines Themas, das in der Sitzung behandelt werden soll. Unterstützt wird dieser Vorgang häufig mit Hilfe von „Startern“. Man unterscheidet (Zeintlinger-Hochreiter, 1996):

➢ Persönliche Starter, bei denen sich die Erwärmung durch spontane Interaktionen und der Belebung interpersoneller Beziehungen in der Gruppe entwickelt. Mit Hilfe der Technik des Rollentauschs (mit einem Gruppenmitglied oder einer abwesenden Person) können Prozesse dieser Art gefördert werden.

➢ Körperliche Starter, bei denen die Erwärmung durch physische Betätigung erfolgt. Zu den Erwärmungstechniken mit überwiegend körperlichen Mitteln zählen pantomimische Darstellungen des aktuellen psychischen Zustandes, die Nachahmung von Bewegungen, Bewegungsspiele, Tanz u. Ä. Auf Abhängigkeit übertragen können Entzugserscheinungen als äußerst starke körperliche Starter betrachtet werden, die einen Erwärmungsprozess in Richtung Konsum der psychotropen Substanz einleiten.

➢ Bei den Psychischen Startern kommt die Erwärmung durch psychische Vorgänge zu Stande. In diesem Kontext häufig verwendete Techniken sind das Blitzlicht[61], Imaginationen, Identifikationen, Assoziationen, Beschreibung von fiktiven und realen Ereignissen. Der „leere Stuhl“ stellt eine weitere, sehr bekannte Technik zur Förderung der Imagination dar, bei der ein Stuhl vor die Gruppe gestellt wird und dazu aufgefordert wird, sich eine beliebige Person, ein Tier oder einen Gegenstand darauf vorzustellen. In der Arbeit mit Abhängigen kann auch die psychotrope Substanz durch den Leeren Stuhl symbolisiert werden. Groterath (1994) schildert diese psychodramatische Intervention in der Arbeit mit Drogenabhängigen als bewährte Technik der Erwärmungsphase. Duffy (1990) beschreibt den Leeren Stuhl als Methode, dem Betroffenen seine Abhängigkeit sowie die zentrale Rolle der Droge in seinem Leben bewusst zu machen – als Möglichkeit zur psychodramatischen Begegnung mit der Droge. Häufig bildet der Leere Stuhl den Ausgangspunkt für kurze psychodramatische Spielsequenzen. Duffy schildert ein Beispiel aus der stationären Therapie mit Drogen- und Alkoholabhängigen:

The director[62] set out an empty chair and instructed group members to visualize the drug(s) that brought them into treatment. Debra said that she couldn`t do it – she only drank those little bottles. She said that the man in the liquor store asked why she didn`t buy a big bottle, as it was much cheaper, but she didn`t need that much. She only came to the treatment program because of pressure from her daughters. It was difficult to ignore those little “nips”, however, when they became real life characters (played by 5 small group members). They surrounded her and spoke about being with her every day, so tiny, so insignificant, never-mind-me. Debra cried, admitting that she drank right after her children left in the a.m. and tried desperately to sober up by 4 p.m. when they returned each day.

Weiner (1966) beschreibt die Anwendung von Handpuppen in der Erwärmungsphase als sehr effektive Methode:

Especially interesting was the use of puppets in warm-up with patients who are resistant and whose self-image is miserable. In experiences with a group that was reforming, new women were not yet integrated into the group, the resistance level was very high. At this point hand puppets were introduced as a ´game` type of a ´safe` situation. This permits the new members to the group to speak freely through the animals and at the same time seasoned members of the group are permitted to use some of the human puppets (i.e. King, Queen, Magician) to ventilate hostility or point out areas of difficulty on the ward.

At times animals will double for each other, on other occasions serve as a disguise for the patients` real feelings. A very representative incident is one in which one woman took the ´lamb` but was quickly identified by the other members of the group as a ´wolf in sheep`s clothing`. This lead easily and directly into a psychodrama session.

On other occasions when the entire group is feeling neglected, no one will touch the human puppets but instead will pick up the animals and become ´baby` animals and all want to be fed.

The particular puppet displayed at this Congress[63] was that of the ´Drunk` which is taken to meetings and employed as a provocateur enacting in either a complaining, not wanting treatment manner or an advocate of A.A., depending on the particular group. Members respond with their own particular complaints or identifications; feelings are ventilated and movement started (ebd., S. 161).

➢ Unter Psychochemischen Startern versteht man leichte Drogen wie Kaffee, Alkohol (bei Abhängigen nicht zu empfehlen) u. Ä., die die Erwärmung fördern.

Auch das Soziale Atom[64] kann als Erwärmungstechnik angewendet werden. Stimmer (2000) beschreibt das Verfahren der „Soziometrischen Landkarte“ als Technik für die Erwärmungsphase, bei dem in einer spielerischen Form die bestehenden Vorerfahrungen, Wünsche und Erwartungen der Gruppenmitglieder transparent gemacht sowie erste Kontakte ermöglicht werden können. Er schildert diese Technik anhand eines Beispiels aus der Therapie mit Abhängigen (Stimmer, 2000, S. 178):

Die Teilnehmer stehen von ihren Plätzen auf und ordnen sich auf einer gedachten Diagonale bezogen auf bestimmte Themen zwischen den beiden Polen zu. Bei einer Gruppe von Pflegeeltern, die vom Jugendamt bezüglich ihrer Rechte und Pflichten beraten werden, könnte eine Eingangsfrage lauten: „Wie groß sind meine Kenntnisse zu diesem Thema?“. Der eine Pol wäre dann mit „überhaupt keine Ahnung“, der andere mit „ich bin Experte auf diesem Gebiet“ zu bezeichnen. Eine weitere Frage könnte sein: „Was erwarte ich von dieser Beratung?“. Die Teilnehmer gehen in den Raum, sprechen über den Stand ihrer Kenntnisse und über ihre Erwartungen und ordnen sich dementsprechend einander zu, so dass ein lebendiges Bild der Kenntnis- und Erwartungsschwerpunkte erkennbar wird und u. a. auch dem Berater Sicherheit gibt, mit seinen Inhalten nicht daneben zu liegen oder sie eben noch auf die Bedürfnisse der Teilnehmer abstimmen zu können.

Nach diesem Prozess der Anbahnung eines Psychodramas folgt die Spielphase (auch Handlungs- oder Aktionsphase), in der die szenische Darstellung auf der Psychodramatischen Bühne erfolgt. Die spontane szenische Darstellung kann sich auf unterschiedlichen Ebenen abspielen: konfliktbezogen-gegenwartsorientiert, ursachenbezogen-vergangenheitsorientiert oder verhaltensmodifizierend-zukunftsorientiert. In der Spielphase kommen die ab Kapitel 3.11.1 beschriebenen psychodramatischen Techniken zur Anwendung. Je nachdem, wie die Aufwärmprozesse verlaufen sind, kann das psychodramatische Spiel personorientiert, themenzentriert, gruppengerichtet oder gruppenzentriert verlaufen. Das protagonistenzentrierte Spiel kann als vertiefender Einstieg in die individuelle Problematik des Abhängigen betrachtet werden, wobei ein Vorgehen auf drei Ebenen möglich ist (Truöl, 1981):

➢ auf der Symptomebene, wobei die psychologische Bedeutung der psychotropen Substanz bzw. des abhängigen Verhaltens im Vordergrund steht,

➢ auf der charakterologischen Ebene, die primär auf die Klärung des pathodynamischen Zusammenwirkens von der Substanz und der individuellen Charakterstruktur des Betroffenen abzielt und der

➢ sozialen Ebene, bei der das Hauptaugenmerk auf die Bedeutung sozio-kultureller Einflüsse auf die Entwicklung und Aufrechterhaltung abhängigen Verhaltens gelegt wird.

In der themenzentrierten Psychodrama-Therapie werden Erlebnisse zu einem bestimmten Thema, das die gesamte Gruppe betrifft, von einzelnen Gruppenteilnehmern dargestellt. In Gruppen mit Abhängigen ist diese Vorgehensweise häufig anzutreffen. Die wichtigsten Themen sind in diesem Zusammenhang Abstinenz, Suchtmittel und Rückfall. Beim gruppengerichteten psychodramatische Spiel stellt der Protagonist Szenen aus seinem Leben dar, mit denen sich sämtliche Gruppenmitglieder identifizieren können. Im gruppenzentrierten Verlauf werden die sozio-emotionalen Beziehungen der Gruppenteilnehmer psychodramatisch bearbeitet.

Die Integrationsphase (Abschluss-, Feedback- oder Gesprächsphase) stellt die Nachbesprechung des psychodramatischen Spiels dar, kann jedoch auch zur Erwärmung eines oder mehrer Gruppenmitglieder führen und somit die Funktion der Initialphase erfüllen. In der Abschlussphase stehen das Mit-Teilen und das Mit-Fühlen der Mitspieler und Zuschauer des psychodramatischen Spiels sowie die darauf folgende Analyse, das Verstehen und Integrieren auf der persönlichen sowie auf der Gruppenebene im Vordergrund. Das Feedback kann in unterschiedlicher Art erfolgen. Die wichtigsten psychodramatischen Abschlusstechniken sind

➢ das Sharing, bei dem die Gruppenmitglieder eigene biographische Erlebnisse und Erfahrungen, die den Inhalten der Handlungsphase entsprechen oder ähneln, mit dem Protagonisten teilen,

➢ das Rollen-Feedback, bei dem sowohl der Protagonist als auch die Hilfs-Iche ihre in der jeweiligen Rolle erlebten Gefühle mitteilen und das

➢ Identifikations-Feedback, bei dem die Gruppenmitglieder ihre Identifikationen mit einer oder mehreren, in der Spielphase dargestellten Rollen verbalisieren.

Die Abschlusstechniken sind als Abschnitte der Integrationsphase zu verstehen, die jedoch in beliebiger Reihenfolge – unter Berücksichtigung der Wünsche des Protagonisten – erfolgen können. Einige Autoren (Leutz, 1973 & Petzold, 1971) weisen auf der Basis langjähriger Erfahrungen mit der Behandlung von Abhängigen darauf hin, dass Abschlusstechniken (vor allem das analytische oder analytisch-interpretierende Therapeutenfeedback) mit Zurückhaltung angewendet werden sollen, da die Nachwirkungen des Erlebten und in weiterer Folge der therapeutische Effekt des psychodramatischen Spiels durch Rationalisieren und Analysieren beeinträchtigt werden können. Petzold (1970) stellt fest, dass der Integrationsphase bei Abhängigen besondere Bedeutung zukommt. Die in der Spielphase entwickelten Spannungen und Emotionen können, falls sie nicht in ausreichender Form in der Abschlussphase abgebaut werden konnten, zu Rückfällen führen. Weiters besteht die Gefahr, dass sich die Erregung erst nach der Gruppentherapie aufbaut. Vor diesem Hintergrund hat Petzold die Abschlusstechnik der Hypno- oder Signalbilder entwickelt, die in Kapitel 3.11.10 beschrieben wird. Als Einleitung zu dieser Technik empfiehlt er am Ende jeder Therapiesitzung mit Abhängigen eine halbe Stunde Selbstentspannung mit autogenem Training mit bewährten Formeln wie „Ich trinke keinen Alkohol, zu keiner Zeit, an keinem Ort, bei keiner Gelegenheit“ oder „Alkohol ist ganz gleichgültig“.

Im Folgenden sollen jene Techniken der psychodramatischen Gruppentherapie mit Abhängigen vorgestellt werden, bei deren Anwendung die spezifischen Bedingungen abhängiger Menschen besondere Berücksichtigung finden.

Die bekanntesten psychodramatischen Techniken der Spielphase – auch Handlungstechniken genannt – sind der Rollentausch, der Doppelgänger, das Doppeln, das Spiegeln und das Selbstgespräch. In der Literatur werden die folgenden Techniken als für die speziellen Anforderungen in der Therapie von Abhängigkeitskranken besonders geeignet angeführt bzw. ihre Modifikation für dieses spezielle Anwendungsgebiet beschrieben. Zur detaillierten Einsicht in die psychodramatische Methode und zum besseren Verständnis wird die Schilderung der einzelnen Techniken mit Beispielen aus der Praxis vertieft.

1. Der Rollentausch

Der Rollentausch ist eine Technik, ohne die ein psychodramatisches Spiel nicht möglich ist. Es gibt zwei Formen des Rollentausches – den Rollentausch zweier anwesender Personen, sowie den Rollentausch mit nicht anwesenden Personen. Die nicht anwesende Person wird dabei von einem Hilfs-Ich dargestellt. Der Rollentauschpartner des Protagonisten wird von diesem selbst als Hilfs-Ich für die Verkörperung nicht anwesender Personen gewählt. Das Hilfs-Ich kann jedoch auch Gegenstände, die eine besondere Wertigkeit für den Protagonisten haben, zur Darstellung bringen.

Entscheidend beim Rollenspiel ist, dass sowohl das Hilfs-Ich als auch der Protagonist in der Rolle des Gegenspielers dessen Haltung, Stimmlage, Gestik und Wortlaut nachahmt. Das Rollenspiel fördert die Empathie für die Rolle des Anderen und eignet sich zum Abbau von Widerständen und Abwehrhaltungen des Protagonisten, sowie zur Ich-Stärkung. Gerade in kritischen Therapiesituationen eignet sich der Rollentausch als Instrument zur Wiedererlangung der Kontrolle. Des Weiteren ermöglicht diese Technik das Einnehmen der Position des anderen und bewirkt somit die nötige kritische Distanz, um die eigenen Verhaltensweisen besser wahrnehmen und bewerten zu können. Häufig hat der Rollentausch erstaunliche Verhaltensänderungen zur Folge. Es kann zu einem kathartischen Emotionsausbruch kommen, der neue Bewältigungsmechanismen hervorbringt (Petzold, 1970). Das eigene Selbstverständnis kann durch den Rollentausch vertieft oder erneuert werden. Die Technik des Rollentausches hat sich vor allem auch bei der Bearbeitung von Beziehungskonflikten bewährt. Als Beispiel für diese Technik soll folgende Fallvignette, bei der es um die Beziehungsstörung eines Ehepaares geht, dienen. Der Konflikt zwischen dem Abhängigen und seiner Frau äußert sich während eines Angehörigenseminars in einem Streit:

Die Frau überschüttete ihren Mann mit Vorwürfen, dass er zu wenig auf sie eingehen würde, überhaupt zu wenig Verständnis und Liebe für sie zeige. Diese Interaktion zwischen den Eheleuten war der Ausgangspunkt für das folgende kurze Spiel. Die szenische Rekonstruktion lieferte den Anlass für die weitreichende Schlussfolgerung der Frau: ein kurz vor Beginn des Angehörigenseminars geführtes Telefongespräch. Der Mann hatte von seiner Frau eine Absage erhalten (sie könne ihn am Wochenende nicht besuchen) und war dabei so in Rage geraten, dass er die Frau beschimpfte und ihr androhte, sich in der nächsten Kneipe vollaufen zu lassen. Er schmiss den Telefonhörer hin, während die Frau zu Hause weinend saß. Soweit die Spielszene.

Der im psychodramatischen Spiel eingesetzte Rollentausch hilft, die Partner aus der Rollenfixierung zu lösen, und ermöglicht einen Einstieg in die fremdseelige Welt des Partners. Im Rollentausch erleben beide Partner die Gefühle des anderen: der Mann in der Rolle der Frau Angst und Unsicherheit; die Frau in der Rolle des Mannes Ärger und Wut über die Absage der Frau. Beide Partner können so die Ursache dieser Beziehungsstörung erkennen, die im Gefühlsbereich wurzelt, im Gefühl gegenseitiger Abhängigkeit. Diese Beziehungsklärung vertieft die extreme Verletzlichkeit und Kränkbarkeit ihres Mannes, der Mann nimmt die geringe Belastbarkeit und erhöhte Angst seiner Frau wahr. Nach dieser Beziehungsklärung ist es jedoch auch notwendig, neues Verhalten auszuprobieren, um in der Zukunft ähnliche Beziehungsstörungen vermeiden zu können. In einem neuerlichen Rollenspiel versucht der Protagonist, in einer ähnlichen Situation (die Frau versagt ihm den Wunsch) anders zu reagieren, und entdeckt dabei neue Reaktionsmöglichkeiten bei sich selbst. In einem dritten Anlauf verhält er sich in einer Weise, welche den Beifall der ganzen Gruppe findet. Auf die Absage hin antwortet er: „Ich kann schon verstehen, dass du zu kaputt bist, um kommen zu können; aber du musst auch verstehen, dass ich ziemlich enttäuscht bin, nachdem ich mich so auf unser Wiedersehen gefreut habe.“ (Truöl, 1981, S. 213/214).

Aus entwicklungspsychologischer Sicht entspricht das „role-taking“ dem Stadium der Du-Erkenntnis und wird von Kindern im Spiel erprobt und geübt. Der Rollentausch ist als Basis für eine gelingende menschliche Kommunikation zu betrachten, die im Psychodrama weiterentwickelt und gezielt eingesetzt wird (Ottomeyer, 1987).

2. Das Doppeln

Der Methode des Doppelns wird in der psychodramatischen Therapie mit Abhängigkeitskranken ein zentraler Stellenwert beigemessen. Man unterscheidet zwischen Doppeln und Doppelgänger, wobei das Unterscheidungskriterium in der Dauer des Einsatzes der Technik liegt. Der Doppelgänger steht dem Protagonisten das gesamte Spiel hindurch als Unterstützung zur Seite. Das Doppel (oder der Doppler) kommt nur kurz zum Einsatz. Sowohl der Doppelgänger als auch das Doppel werden meist vom Protagonisten ausgewählt, es kann sich jedoch auch jedes Gruppenmitglied für diese Rolle anbieten oder vom Psychodrama-Leiter, der seinerseits auch doppeln kann, eingesetzt werden. „Der psychodramatische Doppelgänger ist eine Hilfs-Person, die in der Lage ist, sich in den Patienten einfühlen zu können, dieselben Handlungen, Gefühle und Gedanken, auch dieselbe Art der Verkörperung darzustellen, wie sie der Patient zeigt (...)“ (Moreno, 1993, S. 85/86). Das therapeutische Ziel dieser psychodramatischen Technik besteht in der Klärung der Emotionen und Kognitionen des Protagonisten.

Bei beiden Varianten befindet sich die doppelnde Person seitlich hinter dem Protagonisten und versucht, sich mit ihm zu identifizieren, um artikulieren zu können, was dieser in der betreffenden Situation nicht ausdrücken kann, was er nicht oder zu wenig genau weiß oder nicht fähig ist zu verbalisieren. Das für das Doppeln notwendige Nachahmen der Körperhaltung des Protagonisten soll dem Doppel die Annäherung an die Gefühle des Protagonisten erleichtern. Der Protagonist kann der Darstellung des Dopplers zustimmen oder diese auch ablehnen.

Die Technik des Doppelns ist im Gegensatz zum Spiegeln und dem Rollentausch wenig konfrontativ. Es schafft Vertrauen und Gemeinsamkeit und kommt den Bedürfnissen nach Nähe entgegen. In der Therapie mit Abhängigkeitskranken kommt vor allem der Ich-stützenden Wirkung des Doppelns große Bedeutung zu. Das Stützende Doppeln – eine der zahlreichen Varianten des Doppelns – zielt speziell auf diese Funktion ab. Der Doppler wiederholt bei dieser Technik wortwörtlich die Aussagen des Protagonisten und vermittelt ihm dadurch ein Gefühl der Sicherheit.

Das Doppeln bietet des Weiteren die Möglichkeit, an frühkindliche Erfahrungen anzuknüpfen. Ontogenetisch entspricht das Doppeln der Phase der frühesten Kindheit, in der dem Neugeborenen ein Hilfs-Ich in Form der Bezugsperson zur Seite steht. Es können Gefühle des Einsseins mit anderen wiedererlebt werden. Der Protagonist kann beim Doppeln eine Reaktivierung der frühen Mutter-Kind-Beziehung – der Phase der All-Identität – erfahren, die es ihm ermöglicht, in der nachzuholenden Ich-Entwicklung Nähe und Sicherheit zu erfahren (Waldhelm-Auer, 1994b).

Bezogen auf die oben genannten Hypothesen Göbs zur Drogenabhängigkeit[65] stellt die Technik des Doppelns eine Möglichkeit dar, die Ängste und Unsicherheiten der Trennungsphase von All-Identität zur All-Realität durch positivere Gefühle zu ersetzen und somit die Spontaneität zu fördern.

Bei den verschiedenen Varianten des Doppelns erfährt der Protagonist in der aktiven Rolle das Erleben eines Gefühls des Geben-Könnens und des Bereichert-Werdens. Angst und Unsicherheit werden reduziert – ein Prozess, der positive Auswirkungen in Bezug auf die Spontaneität des Protagonisten zeigt. Der Protagonist kann jedoch auch ablehnend auf die Äußerungen des Doppelgängers reagieren, wodurch neue, im psychodramatischen Spiel zu bearbeitende Aspekte auftauchen können.

Petzold (1970) schildert ein Beispiel für die Doppelgängermethode aus seiner Arbeit mit Alkoholikern, bei dem der Protagonist unter dem ständigen Streit zwischen seiner Mutter und seiner Frau leidet. In diesem kurzen Ausschnitt aus einer Therapiesitzung wird auch deutlich, wie der Psychodramaleiter (als Doppelgänger) mit Hilfe der Doppelgängertechnik therapeutisch-direktiv Einfluss auf die Situation nehmen kann – eine Möglichkeit der psychodramatischen Methode, die in der Therapie mit Abhängigen häufiger als bei anderen Patientengruppen angewendet wird:

D1: Aber warum ist das immer so? Ich muss mir über den Grund des Streites klar werden!

P: Elisabeth versteht Mutter eben nicht. Aber mit ihr ist ja auch oft schwer auskommen. Ich gerate mit ihr ja auch oft aneinander. Aber schließlich ist sie meine Mutter.

D1: Mute ich Elisabeth da nicht zu viel zu? Eine junge Frau will doch ihren eigenen Haushalt haben und nicht immer bevormundet werden.

P: Ja, das ist es. Eigentlich habe ich es immer für selbstverständlich gehalten, dass Elisabeth mit zu Hause lebt. Mutter hat ihr Zimmer, und die restliche Wohnung ist doch groß genug für uns.

D1: Aber es ist doch die Wohnung von Mutter, und sie führt ja auch das Regiment.

P: Für Elisabeth ist das nichts. Der Ärger wird ja immer schlimmer. Sie will ja auch Kinder haben, aber nicht bei uns, hat sie gesagt, und Mutter wünscht sich so sehr Enkelkinder.

D1: Wie soll das erst bei der Erziehung werden? Ich muss irgendeine Lösung finden, schließlich bin ich mit Elisabeth verheiratet und nicht mit meiner Mutter.

P: Das ist eigentlich wahr. Aber ich kann doch nicht von Mutter weggehen.

D1: Aber Elisabeth geht doch daran kaputt und meine Ehe und ich selbst auch.

P: Ich sehe da keinen Ausweg.

Der Protagonist bleibt verbissen schweigend stehen. Hat den Blick gesenkt und nimmt kein Angebot des Doppelgängers mehr auf.

In dieser Situation kommt die multiple Doppelgängermethode zum Einsatz. Für Abhängige charakteristische ambivalente Tendenzen können mit dieser bewusst gemacht und aus-gespielt werden (die Doppelgänger vertreten die gegensätzlichen Tendenzen). Verantwortungs- und Selbstwertgefühl steigen, persönliche Entscheidungen können erleichtert werden:

D1: Vielleicht wäre es gut, wenn wir uns eine eigene Wohnung nehmen würden.

P: schweigt

D2: Und Mutter, ich kann sie doch nicht allein lassen.

D1: Ich werde sie ja gar nicht allein lassen. Aber ich brauche doch nicht wie ein kleiner Junge immer an ihren Rockzipfeln zu hängen.

D2: Mutter hat immer alles geregelt, und immer ist alles gut gelaufen.

D1: Aber ich bin doch erwachsen. Ich bin doch selbständig genug, meine Sachen alleine zu regeln. Im Büro tue ich das doch auch. Ich muss endlich einmal zeigen, dass ich selbständig bin und allein meinen Mann stehen kann. Das wäre für alle besser. Letztlich auch für Mutter.

D2: Ich kann doch nicht einfach mit Elisabeth ausziehen. Was wird Mutter dazu sagen?

D1: Ich kann es wohl tun. Ich muss es sogar tun. Ich will nicht länger von ihr unterdrückt werden. Immer macht sie es so. Mit Vater hat sie es genauso gemacht. Immer hat sie ihn unter dem Pantoffel gehalten.

P: (laut schreiend) Ja, ja, ja! Ich will nicht mehr! Ich kann diese Spannung nicht länger ertragen! Ich muß da raus! Ich kann mich doch nicht nur immer besaufen! Ich muß raus! Ich will frei sein! Ich will endlich ich sein, hört ihr? Ich will ich sein!

Der Protagonist wird von dem Hilfs-Ich, das D1 gespielt hat, auf seinen Stuhl geführt und beruhigt sich allmählich. Der Therapeut leitet das Gruppengespräch über die vorangegangenen Szenen ein. Die Gruppe und der Protagonist kommen zu dem Ergebnis, daß eine Lösung der Schwierigkeiten und auch des Problems des Trinkens nur möglich ist, wenn sich der Patient von der Mutter löst. Der Patient faßt mit der Gruppe den Entschluß, die Sache in die Hand zu nehmen, sich um die Beschaffung einer Wohnung zu kümmern (…) Der Protagonist kommt deshalb mit der Gruppe zu dem Entschluß, daß er im Hinblick auf die bevorstehende aktive Auseinandersetzung mit seiner Konfliktsituation unbedingt den Alkohol meiden muß (ebd., S. 395/396).

Weitere ich-stützende Techniken sind die Reproduktion positiver Vergangenheitserlebnisse sowie das anerkennende Behind-your-back-Gespräch der Psychodramagruppe (siehe nachfolgendes Kapitel).

3.11.3 Der psychodramatische Spiegel

Das Spiegeln oder der psychodramatische Spiegel ist eine konfrontative Technik, die eine

Vertrauensbasis in der Gruppe voraussetzt und hohen aufdeckenden Charakter hat. Die Gefahr, den Protagonisten zu verletzen und die Gruppe zu sprengen ist bei dieser Technik besonders groß, weshalb sie vorsichtig eingesetzt werden muss. Ähnliche Wirkung erzielt die Hinter-dem-Rücken-Technik (behind-your-back), die weniger konfrontativ ist und in der Regel vor der Spiegeltechnik eingesetzt wird. Bei dieser psychodramatischen Technik unterhält sich die Gruppe in symbolischer Abwesenheit des Protagonisten über dessen Verhalten und seine Wirkung auf die Gruppe.

Die Spiegeltechnik kann sowohl auf der Bühne, als auch als eigenständige Technik angewandt werden. Der Protagonist wird durch die übertreibende Nachahmung (der Körperhaltung oder typischer Sätze) durch das Hilfs-Ich mit der eigenen Handlungsweise konfrontiert und kann diese kommentieren. Die übrigen Gruppenmitglieder schließen sich an – in weiterer Folge stehen mehrere Spiegelbilder des Protagonisten im Raum.

Bei einer weiteren Variante der Spiegeltechnik wird die Gruppe geteilt. Die beiden Untergruppen wählen ein Mitglied der jeweils anderen Gruppe und spiegeln diesen. Das Spiegeln ermöglicht es dem Protagonisten, sich seines Verhaltens und dessen Wirkung bewusst zu werden und steigert seine Kritikfähigkeit. Die Technik zielt darauf ab „die sogenannten blinden Flecke in der Selbstwahrnehmung bewusst und dem Klienten als Wissen verfügbar zu machen“ (Truöl, 1981, S. 215). Cuvelier & Mattheeuws (1970) sprechen von der „Metaidentität“ des Abhängigen, die es dem Betroffenen verunmöglicht, sich selbst in realistischer Form wahrzunehmen oder darzustellen. Seine abnormen Verhaltensweisen, seine Egozentrik und Aggressivität können ihm mit der Technik des Spiegelns bewusst gemacht werden. Der Protagonist hat die Möglichkeit, mit dem spiegelnden Hilfs-Ich zu tauschen und sich selbst darzustellen.

In folgendem Beispiel wird das Verhalten eines 27jährigen Medikamentenabhängigen durch den Co-Therapeuten gespiegelt. Ein anderes Gruppenmitglied spielt den Therapeuten (Truöl, 1981, S. 214/215):

Therapeut: Wie fühlen Sie sich? Was möchten Sie heute machen?

Spiegel: Eigentlich fühle ich mich recht wohl; ich merke, dass ich aufpassen muss, nicht zu bequem zu werden!

Therapeut: Meinen Sie damit, dass Sie in der Gruppe mehr tun könnten als Sie im Augenblick tun?!

Spiegel: Ja, das stimmt schon! Mir geht es hier in der Gruppe, wie im Forum (Großgruppe): Manchmal möchte ich etwas sagen, aber dann lasse ich es und denke, der andere wird es schon tun!

Therapeut: Haben Sie eine Idee, wer oder was Sie am Sprechen hindert?

Spiegel: Manchmal denke ich, die anderen könnten etwas Negatives über mich sagen! (Pause) Mich auslachen oder so?

Therapeut: Ist Ihnen das schon einmal hier in der Gruppe passiert?

Spiegel: Wenn ich so darüber nachdenke, eigentlich noch nicht.

Therapeut: Und wenn Sie an Ihre Kindheit oder Schulzeit zurückdenken: vielleicht haben Sie es da erlebt?

Spiegel: Eigentlich nicht.

Therapeut: Und uneigentlich?

Spiegel: (Nach längerer Pause, zögernd) Vielleicht habe ich es doch damals erlebt!

Dem Betroffnen wird somit die Möglichkeit eröffnet rational über sein Verhalten und bestimmte Eigenschaften zu urteilen und Konsequenzen aus den neu gewonnenen Erkenntnissen zu ziehen. Im Idealfall findet eine Auseinandersetzung mit dem gespiegelten Verhalten und eine Änderung des dysfunktionalen Verhaltens statt. Ontogenetisch entspricht das Spiegeln der Entwicklungsstufe der All-Realität, in der das Kind zwischen sich und den anderen zu differenzieren beginnt.

3.11.4 Das „Soziale Atom“

Das Soziale Atom als kleinste soziale Einheit bezeichnet das (für den Einzelnen lebensnotwendige) sozioemotionale System von Beziehungen zwischen Individuen. In diesem System entwickelt sich die individuelle Persönlichkeit eines Menschen, sein gesamtes Lebensschicksal ist mit diesem System eng verbunden. Die Analyse des sozialen Atoms ermöglicht eine differenzierte Betrachtung des interpersonellen Beziehungsgefüges eines Individuums. Moreno entwickelte das Konzept des Sozialen Atoms 1934. Er war zur Überzeugung gelangt, dass sich die menschliche Identität vor allem über die sozialen Beziehungen und die Rollen des Individuums entwickelt (Frank, 1995). Das Soziale Atom setzt sich aus dem Individuum selbst und seinen Bezugspersonen zusammen. Der Klient wird im Psychodrama als auf andere Menschen bezogenes Individuum, das soziale Atom als Schutz und Stütze betrachtet.

Abbildung 17: Das sozioemotionale System des Sozialen Atoms

Quelle: Original aus Sociometric Review 1, 1936, unveränderter Nachdruck in Sociometry 10, 1947, zit. n. Zeintlinger-Hochreiter, 1996, S. 132.

Soziales Atom

Kern der Personen, die zum Subjekt

in emotionaler Beziehung stehen

(innerer und äußerer Kern)

INNERER KERN

Kern der Personen, Äußerer Kern

mit denen Beziehungen Kern der Personen,

vollzogen sind mit denen Beziehungen

gewünscht werden

BEKANNTSCHAFTSVOLUMEN

Bekanntschaften ohne besondere

emotionale Bedeutung

für das Subjekt

Das Selbst ist im Sinne Morenos als Produkt der Rollen zu betrachten, die ein Individuum im Laufe seines Lebens inne gehabt hat. Bei einer gelingenden Rollenentwicklung „integriert sich das Rollenselbst mit einem sozialen Atom kreativ handelnd und spontan verändernd in das kulturelle Atom und schafft sich durch dieses Handeln sein eigenes soziales, kulturelles Atom“ (Schwehm, 1989, S. 32).

Abbildung 18: Das Selbst-Rollendiagramm

Quelle: Original aus Moreno, Group Psychotherapy, Vol. XV, Beacon House, 1962, p. 116, zit n. Petzold & Matthias, 1982, S. 293

Psychosomatische Rollen Individuelle Rollen

Handlungsverbindung

Psychodramatische Rollen Soziale Rollen

Symbole:

Äußerer großer Kreis = Selbst

Kleine Kreise im großen = Ein Rollenbereich - Psychosomatische Rollen

Psychodramatische Rollen und Soziale Rollen

Kleinste Kreise in den Kreisen = Individuelle Rollen (private Rollen)

Verbindende Linien = Handlungsverbindungen

Morenos Definition der sozialen Beziehungen innerhalb des Sozialen Atoms umfasst sämtliche sozialen Relationen ohne Unterscheidung ihrer Intensität oder ihrer Art. Zu den Individuen des Sozialen Atoms zählen jedoch ausschließlich diejenigen, mit denen das Subjekt emotional bedeutsame Beziehungen anstrebt oder bereits führt (siehe Abb. 15). Zu den Teilbereichen des Sozialen Atoms zählen das Lebens-, Werk-, sexuelle und kulturelle Atom. Diese Teilmengen sollten untereinander verträglich sein und im Idealfall durch die Wahl als Ausdruck der Spontaneität des Individuums zu Stande kommen.

Die Struktur des Sozialen Atoms ist für das Individuum von entscheidender Bedeutung. Der Konsistenzwert eines Sozialen Atoms, dessen Ausmaß Aussagen bezüglich Ich-Stärke und Identität eines Individuums zulässt, kann an Hand folgender Dimensionen ermittelt werden (Zeintlinger-Hochreiter, 1996):

➢ Der äußere Umfang bezeichnet die Quantität der Beziehungen innerhalb des Sozialen Atoms. Moreno sieht das emotionale Ausdehnungsvermögen (die Reichweite des Sozialen Atoms) als begrenzte Größe. Das „Tele“ eines Individuums spielt in diesem Zusammenhang eine entscheidende (limitierende) Rolle. Als „idealen soziometrischen Status“ beschreibt Moreno den Zustand, bei dem Bekanntschaftsvolumen und Volumen des Sozialen Atoms identisch sind.

➢ Die innere Konstitution im Sinne der Qualität der Beziehungen.

➢ Die Intensität der Beziehungen (der Grad der Anziehung bzw. Abweisung).

➢ Der Status und die Bedeutung des Kernindividuums in seinem sozialen Beziehungsgefüge in Bezug auf konkrete Gruppen. Ein entscheidendes Merkmal des Status ist seine Relativität. Laut Moreno bestehen positive Korrelationen zwischen soziometrischem Status und spontaner Handlungsaktivität, der Möglichkeit zu persönlicher Bedürfnisbefriedigung und dem Status in einer konkreten Interaktion (Interaktionsstatus).

➢ Unter Konnektierung versteht man die gesellschaftliche Dimension des Sozialen Atoms. Sie gibt Aufschluss über den Grad der Vernetztheit eines Beziehungsnetzes mit einem anderen.

➢ Den Integrationsstandard: Der Grad der Kohäsion und Harmonie innerhalb eines Sozialen Atoms ist umso höher, je größer die Zahl der Anziehungen zwischen den Mitgliedern der Gruppe ist.

➢ Beziehungslöcher: In Sozialen Atomen können gewünschte Beziehungen oder Beziehungen zu nicht mehr verfügbaren Personen einen hohen Stellenwert haben.

An Hand des Sozialen Atoms können die soziale Perzeptionsfähigkeit sowie die Reziprozität des Individuums untersucht werden. Des Weiteren bietet das Soziale Atom als psychodramatische Technik die Möglichkeit, das aktuelle Beziehungsgeflecht von Gruppenmitgliedern mit Hilfe von Antagonisten (oder auch mit Stühlen, Münzen, Steinen oder auf Papier) darzustellen und auf ihre Intensität zu untersuchen[66]. In dieses Beziehungsnetz werden auch die Freizeitgestaltung und der Beruf des Protagonisten einbezogen.

Bei Abhängigkeitskranken kann es auf Grund von Beziehungsstörungen dazu kommen, dass Objekte (auch der Alkohol) oder Tätigkeiten einbezogen werden, da diesen eine stützende Funktion zukommt. Mit der Technik des Sozialen Atoms kann dem Abhängigen spür- und begreifbar gemacht werden, welche Rolle die psychoaktive Substanz bzw. das abhängige Verhalten in der Psycho- sowie Soziodynamik spielt. Im Falle einer Abhängigkeitserkrankung tritt die Substanz in das Soziale Atom ein, bestehende Beziehungen werden zunächst entwertet, in weiterer Folge umgewertet und im Sinne der psychoaktiven Substanz funktionalisiert. Dieser Prozess führt in der Regel dazu, dass sich das Soziale Atom ausschließlich aus dem Abhängigen und der psychotropen Substanz zusammensetzt. Tatsächlich scheint sich das Soziale Atom der Betroffenen schon einige Jahre vor dem eigentlichen Stadium der Abhängigkeit zu verändern. Das Soziale Atom im eigentlichen Sinn dünnt aus, während das Bekanntschaftsvolumen zur gleichen Zeit zunimmt (Groterath, 1994). Die Wiederbelebung des Sozialen Atoms stellt folglich eines der wesentlichen Therapieziele in der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen dar.

Die folgende Abbildung stellt das soziale Atom eines 28jährigen Alkoholikers dar, das im Rahmen einer stationären Entwöhnungsbehandlung bearbeitet wurde:

Abbildung 19: Beispiel eines Sozialen Atoms eines Alkoholabhängigen

Quelle: Truöl, 1981, S. 217

O O O O O Beruf? X Dreiecke = Männer

Kreise = Frauen

X = Protagonist

Die Größe der Symbole entspricht der Intensität der Beziehung

Truöl führt dazu aus: „Der Klient beschreibt sein soziales Atom folgendermaßen: Er stehe ziemlich allein im Leben und müsse sehen, wie er sich durchschlägt. (Man beachte die Größe des X!) Schon in sehr jungen Jahren habe er in die Fremde und das Elternhaus verlassen müssen. Der runde Kreis in seiner Nähe stelle die Mutter dar, an welcher er heute noch hänge. Allerdings könne er sie nur selten besuchen, da sie in Österreich lebt. Das Fragezeichen beim Beruf drücke seine augenblickliche Unsicherheit aus. Eigentlich habe er diesen Beruf – Kellner – nur gewählt, weil er hier viel Geld verdienen kann; vielleicht auch noch deshalb, weil er es in diesem Beruf mit Menschen zu tun hat. Der zweite runde Kreis (der nächst kleinere Kreis, Anm. d. Verf.) stelle die Wirtin dar, die Besitzerin der Kneipe, in welcher er arbeitet und wohnt. Sie sei wie eine Mutter zu ihm und unterstütze ihn, wo es nur geht. Er habe bei ihr auch Schulden. Die kleinen Dreiecke und Kreise stellen lockere Beziehungen zu Arbeitskollegen und Gästen dar; es seien Zechkumpane und lose Frauenbekanntschaften.

Diese Beschreibung ruft bei der Gruppe lebhaftes Interesse und ein starkes Echo hervor. Eine Reihe von Fragen werden gestellt: Warum gibt es in diesem sozialen Atom so viele leere Stellen? Was haben die unausgefüllten Räume zu bedeuten? Hast du keine feste Freundin? Keinen Freund? Was machst du denn in deiner Freizeit? Wie sieht es mit dem Kontakt zu Geschwistern und Vater aus? Und vieles mehr!“

Truöl beschreibt, dass das soziale Atom des Klienten auf ihn recht verkümmert und undifferenziert wirkt. Er vermutet, dass der Klient eine weitgehend infantile Beziehung zur Umwelt hat, geprägt von der starken Mutterbindung und einer narzisstischen Einstellung.

In dieser und den folgenden Gruppensitzungen beschäftigt sich die Gruppe recht intensiv mit den Themen Alkoholismus und Beruf; insbesondere mit der Frage, ob die Rückkehr des Klienten in das alkoholnahe Berufsmilieu nicht eine erhöhte Rückfallgefahr mit sich bringe. Auch die weiteren Themen: Freizeitgestaltung, Partnerschaft und Freundeskreis nach der Behandlung ergeben sich aus der Analyse des sozialen Atoms des Klienten (Truöl, 1981, S. 217/218).

Im Sozialen Atom werden gegenwärtige Beziehungen berücksichtigt bzw. gewünschte oder fehlende Beziehungen deutlich gemacht. Die Technik des sozialen Atoms fördert die Selbstreflexion, die Auseinandersetzung mit sowie Impulse zur Veränderung der aktuellen sozialen Beziehungsstruktur. Aus diesen Erkenntnissen können im psychodramatischen Spiel die Gestaltung des Sozialen Atoms und des Rollenrepertoirs entwickelt und erprobt werden. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, mit der Interventionstechnik des Sozialen Atoms innerpsychische Prozesse darzustellen und zu bearbeiten. Das, sich aus dem Sozialen Atom entwickelnde Verständnis bezüglich der eigenen Person sowie des Gegenübers, fördert die Chance zur Bewusstwerdung der inneren und äußeren Realität und in weiterer Folge zur Korrektur von einschränkenden Sichtweisen des Abhängigkeitskranken und fördert somit den Antrieb zur Bewältigung der Lebenssituation unter Berücksichtigung der realen Gegebenheiten. Das Soziale Atom bietet – wie auch das Kulturelle Atom, das im nächsten Kapitel beschrieben wird – die Möglichkeit, emotional defizitäre Ich-Anteile psychodramatisch mit Gefühlen zu beleben (Waldhelm-Auer, 1994b). Diesem Aspekt kommt vor allem in Bezug auf die bei vielen Abhängigen notwendige nachträgliche Ich-Entwicklung und der Integration abgespaltener Ich-Anteile entscheidende Bedeutung zu.

Das dargestellte Soziale Atom bildet den Rahmen für differenzierte psychodramatische Beziehungs- und Problemklärungen im Sinne der Herstellung von Tele-Beziehungen über kreative Interaktionen mit dem therapeutischen Ziel der Verbesserung des Beziehungsgeflechts des Klienten (Krüger, 1994). Darüber hinaus werden die Gruppenmitglieder bei dieser Interventionstechnik zur Identifikation mit dem Protagonisten oder Teilen seines Sozialen Atoms angeregt, was die Bewusstmachung des eigenen Sozialen Atoms fördert. Die grafische Darstellung soll in jeder Sitzung an die Wand geheftet werden, um im Bedarfsfall Bezug nehmen zu können. Das Soziale Atom gibt eine Struktur vor, an der sich die Therapie orientieren und entwickeln kann und bildet zugleich ein Gegengewicht zur symbolisch im Raum stehenden psychoaktiven Substanz. Es bezieht sich in der Regel ausschließlich auf die Bewältigung der Gegenwart.

Mit Hilfe des Sozialen als auch das Kulturellen Atoms können Fort- und Rückschritte im therapeutischen Prozess festgestellt werden.

5. Das Kulturelle Atom

Das Kulturelle Atom wurde wie das Soziale Atom aus der spezifischen Rollentheorie Morenos heraus entwickelt und hat als subjektives Bild der eigenen Rollen ebenfalls eine ich-stützende Wirkung. Erlebt sich der Klient in einer Rolle als stark und bekommt von den Gruppenmitgliedern im Rollen-Feedback eine ähnliche Beurteilung seines Agierens in dieser Rolle, so kann er dazu ermutigt werden, andere eigene Rollen zu erproben. Rollen entwickeln sich im Verlauf des Lebens. Man unterscheidet in der psychodramatischen Theorie zwischen dem

➢ Rollenrepertoire, das die aktuell gespielten Rollen umfasst; dem

➢ Rolleninventar – der Gesamtheit der im Leben gespielten Rollen und den

➢ Wunschrollen, die nicht (oder noch nicht) realisierbar sind.

Manche dieser Rollen sind situations- und zeitbedingt (z.B.: Kind, Jugendlicher), andere bestehen lebenslänglich (z.B.: Geschlechtsrollen). Rollen, die dem Rolleninventar angehören, können auch nach längerer Zeit wieder aufgenommen werden (z.B.: Alkoholiker, Student). Für eine Situationsanalyse werden sämtliche Rollen herangezogen. Die Darstellung des Kulturellen Atoms erfolgt (entsprechend den Möglichkeiten beim Sozialen Atom) mit Hilfe von Symbolen, Gegenständen und Menschen oder zeichnerisch, sowohl in der Gruppe als auch in der Einzeltherapie.

Abbildung 20: Schematische Darstellung eines Kulturellen Atoms

Quelle: Stimmer, 2000, S. 134.

Sportlerin

Beraterin Freundin

Mutter

Partnerin

Frau Müller (Lehrerin)

Tochter

Pädagogin

Bürokratin

Autofahrerin

Bei der Analyse des Kulturellen Atoms wird das Hauptaugenmerk auf Konflikte, vor allem aber auch auf Ressourcen und stabilisierende Rollen bzw. Co-Rollen. Co-Rollenspieler können bei Abhängigen zu für die Störung relevanten Intrarollenkonflikten führen – Konflikte, die in einer Rolle auftreten, wenn die Ansprüche der Co-Rollenspieler unvereinbar sind: Rolle des Abhängigen – ein Teil der Co-Rollenspieler (die Frau, Kinder oder die Eltern) fordern Abstinenz, der andere das Weitertrinken (Freundeskreis, Saufkumpane). Auch Interrollenkonflikte (Alkoholiker und Mediziner) sind wichtige Anhaltspunkte zur Klärung Kultureller Atome. Wie bei der Analyse des Sozialen Atoms spielen auch beim Kulturellen Atom die Dimensionen Quantität (Anzahl an Rollen), Qualität (subjektive Bewertung), Nähe und Distanz, Kohäsion (Verbindung oder Vereinzelung der Rollen), Rollenlöcher („vergessene“ Rollen oder im Vergleich zu „Normalbiographien“ nicht existierende Rollen) und Konnektierung (Umfang der Verbindungen der einzelnen Rollen mit Co-Rollen) (Stimmer, 2000).

6. Das Probehandeln, Zukunftsprobe oder zukunftsgerichtetes Rollenspiel

Die Technik des Probehandelns zählt zu den pädagogisch-didaktischen Methoden des Psychodramas. Es richtet sich auf die prospektiven Aspekte der Lebenssituation des Klienten und kann als Trainingsprogramm gestaltet werden. Psychodramatische Zukunftsprojektionen und Rollenspiele zielen in erster Linie auf eine Verhaltensmodifikation ab, die als Grundlage für die Wiedereingliederung des Abhängigen in ein funktionierendes und befriedigendes soziales Beziehungsgefüge dienen soll. Nach den Regeln des Psychodramas können zukünftig zu lösende Aufgaben schon einmal erlebt werden und im Zuge dessen situationsgerechte Verhaltensweisen eingeübt werden. Erfolgloses Verhalten kann korrigiert, irreale und reale Ängste sukzessive abgebaut werden. Das positive Feedback der Gruppe dient als verhaltenstherapeutische Belohnung und Verstärkung. Die Technik der Zukunftsprojektion wird vor allem in der Reintegrationsphase der Therapie angewendet. Petzold bezeichnet das verhaltenstherapeutisch orientierte Psychodrama als tetradisches Psychodrama, wobei jedoch zu bemerken ist, dass bereits Moreno Phasen, in denen Verhalten geübt wurde, in das psychodramatische Spiel integriert hatte (Zeintlinger-Hochreiter, 1996). Bei extrem ich-schwachen Abhängigen mit drohendem oder bereits eingetretenem Identitätsverlust werden Rollenspiele in der Regel erst nach dem Einsatz ich-stützender Techniken durchgeführt.

Truöl (1981) lässt den Protagonisten einen Katalog von Situationen erstellen, in denen dieser mit dem Suchtmittel in Kontakt kommt. Die Situationen werden vom Betroffenen nach persönlich empfundenen Schwierigkeitsgrad gereiht und in Rollenspielen inszeniert. Die Situation wird aufgebaut und wichtige Inhalte kurz umrissen. Die Gruppenmitglieder spielen die Szene nach den Vorgaben in ihrer jeweiligen Rolle, die sie unter Umständen auch nach ihren eigenen Vorstellungen modifizieren und mitgestalten können. Durch die Vorwegnahme zukünftig zu erwartender Ereignisse lernt der Abhängige sich mit den Realitäten auseinander zu setzen und konstruktive Lösungen für bevorstehende Probleme zu finden. Mit diesen Konfliktsituationen im Zusammenhang stehende Ängste werden durch das Probehandeln abgebaut, das Bewusstsein für Gefährdungen einer suchtmittelfreien Zukunft wird vertieft.

Beckenbach (1980) beschreibt ein, im Therapiezentrum Münzesheim speziell zur Behandlung Alkoholkranker entwickeltes Konzept zum Rollenspiel, das auf die Bedürfnisse dieser Klientel abgestimmt wurde. Es wurden soziale Situationen, die in der Rehabilitation Abhängiger zu Problemen führen bzw. die Abstinenz gefährden können, in einem therapeutischen Team gesammelt. In dieser Diskussion wurden vier Verhaltensbereiche definiert, die sich als besonders kritisch in Bezug auf die Rückfallvermeidung erwiesen:

➢ Alkohol-Konfrontationssituationen

➢ Alkohol bei sozialen Spannungszuständen

➢ Situationen, in denen Alkohol eine positive Rolle spielt und

➢ durch Gewohnheit geprägtes Trinkverhalten.

Diese Analyseeinheiten wurden auf einem dreidimensionalen Schema aufgetragen, was die Anwendung für die Rollenspielpraxis erheblich erleichtert.

Durch die Zusammenfassung unterschiedlicher sozialer Situationen zu Analysebereichen können bestimmte Verhaltensweisen in wechselnden Rollenspielsituationen geübt werden, was dazu führt, dass ermüdende Wiederholungen vermieden werden. Des Weiteren ermöglicht das Schema ein nach Schwierigkeitsgraden gestuftes Vorgehen, d. h., dass die Schwierigkeitsstufe individuell variiert werden kann, sodass jedes Gruppenmitglied bestimmte Situationen erfolgreich meistern kann. Hat ein Gruppenteilnehmer soziale Kompetenz auf einer Stufe erreicht, so kann ein Rollenspiel der nächst höheren Stufe im gleichen Sozialbereich oder aus einem anderen Sozialbereich gewählt werden. Der Schwierigkeitsgrad der Konfrontation mit dem Suchtmittel steigt, wenn man sich auf einer oder mehreren Dimensionen im Schema voranbewegt:

Abbildung 21: Dreidimensionales Schema zur Analyse von Alkohol-Konfrontationssituationen

Quelle: Beckenbach, 1980, S. 70

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Zum besseren Verständnis des praktischen Vorgehens soll ein von Beckenbach geschildertes Beispiel des Verhaltensbereichs Alkohol-Konfrontationssituationen dienen:

Schwierigkeitsstufe 1.1.1. bei Alkoholkonfrontation

Der Patient geht bei sich zu Hause in den Keller, um dort etwas zu holen, und stößt dabei – für ihn überraschend – auf einen Restbestand Wein. Er nimmt die Flasche in die Hand und überlegt, was zu tun sei. Ihm kommt der Gedanke, die Flasche zu öffnen und daran zu riechen. Er sagt sich jedoch „Nein!“, worauf er aufatmet und erleichtert den Keller verlässt. Er beschließt, den Alkohol später vernichten zu lassen.

Anmerkung: Gedanken oder anders gesagt „Selbstgespräche“ werden genau wie offenes Verhalten behandelt und der Kritik der Gruppenmitglieder zugänglich gemacht. Die verführerischen Gedanken können auch von Mitspielern suggeriert werden, die sich hinter den Patienten stellen und die inneren Dialoge doubeln. Der Alkoholkranke lernt so, auf gefährliche Einfälle zu achten und entsprechende Gegenreaktionen auszubilden.

Weitere Situationen, in denen die gleiche oder eine ähnliche Handlung ausgeführt werden muss:

Der Patient ist bei Freunden oder Verwandten zu Besuch. Plötzlich bekommt er großen Durst, während alle anderen nichts zu trinken haben wollen. Der Gastgeber fordert den Patienten auf, sich am Kühlschrank in der Küche selbst zu bedienen. Im Kühlschrank findet der Patient nur alkoholische Getränke vor.

An der Arbeitsstelle des Patienten hat ein Kollege Geburtstag und spendiert für jeden eine Flasche Bier. Als der Patient am Morgen an seinen Arbeitsplatz kommt, steht dort schon die Flasche für ihn bereit.

Der Patient geht allein spazieren und kommt an einem Café vorbei. Er bekommt Lust, ein Eis zu essen und nimmt im Café Platz. Er bestellt sich einen Eisbecher, der ihm auch bald darauf serviert wird. Erst als der Eisbecher schon vor ihm steht, merkt der Patient, dass dieser Alkohol enthält.

Spiele auf der Schwierigkeitsstufe 1.2.1. bei Alkoholkonfrontation

Der Patient trifft einen früheren Arbeitskollegen auf der Straße, den er schon lange nicht mehr gesehen hat, den er jedoch sympathisch findet. Man beschließt, in die nächste Kneipe zu gehen und sich über alte Zeiten und jetzige Lebensumstände zu unterhalten. Der Bekannte möchte den Patienten zu einem Bier einladen. Dem Patienten ist bewusst, dass er früher als trinkfest bekannt war. Schließlich sagt er: „Nein, ich möchte etwas anderes trinken“, worauf der Arbeitskollege ohne weiteres das Alternativgetränk bestellt. Die Unsicherheit weicht vom Patienten.

Anmerkung: Dieses Spiel lässt sich leicht durch die Bezugspersonen „guter Bekannter“, „mehrere gute Bekannte bzw. Verwandte“ abwandeln (Schwierigkeitsstufen 1.3.1. bzw. 1.4.1.). Ebenso kann man die Konsequenzen mit „nachdenklicher Musterung / na ja“ und „eisigem Schweigen“ variieren, da keine gesonderte Reaktion des Patienten erfolgen muss (Schwierigkeitsstufen 1.2.2., 1.2.3., 1.3.3. bzw. 1.4.2., 1.4.3.).

Die Schwierigkeit auf der Handlungsskala würde sich erhöhen, wenn der Arbeitskollege mit der Antwort des Patienten nicht zufrieden ist (Schwierigkeitsstufe 1.2.4.):

Situation wie oben, aber mit der Antwort „Nein, ich möchte etwas anderes trinken“ gibt sich der Arbeitskollege nicht zufrieden und versucht, den Patienten umzustimmen. Er sagt z.B. spöttisch: „Ein Glas Bier hat noch keinem geschadet, du warst doch früher nicht so!“ Darauf muss der Patient reagieren:

Schwierigkeitsstufe 2.2.1. bei Alkoholkonfrontation

„Nein danke, ich darf keinen Alkohol trinken.“ Das sieht der Kollege ein und lässt das gewünschte Getränk kommen.

Auf der Basis dieses Dialogs lassen sich die Handlungsschwierigkeiten leicht weiter steigern, sodass schließlich alle Schwierigkeitsstufen auf dieser Dimension durchgespielt werden können (z.B. Schwierigkeitsstufe 3.2.1.: Dem Patienten wird das Geständnis abgenötigt: „Ich muss unbedingt völlig abstinent leben“, oder Schwierigkeitsstufe 5.2.1.: Der Patient muss zugeben: „Ich bin alkoholgefährdet, wenn ich jetzt ein Glas trinke, werde ich rückfällig“). Weiterhin lassen sich die Bezugspersonen in ihrer Einflussstärke bzw. Autorität für den Patienten steigern (Beckenbach, 1980, S. 70 u. 72).

An Hand dieses Beispiels aus der Praxis wird deutlich, wie Rollenspiele mit Hilfe der Einstufung des Gefährdungs- bzw. Schwierigkeitsgrades von Alkoholrückfallsituationen auf die Patienten individuell abgestimmt und schrittweise durchgespielt werden können.

Lindenmeyer et al. (1995) wenden bei der Rückfallbehandlung von Alkohol- und Medikamentenabhängigen die Exposition in vivo an. Da meist kurzfristige Überforderungen des Abhängigen in Risikosituationen zu Rückfällen führen, müssen diese individuellen Rückfallsituationen möglichst realitätsnah geübt werden, um die physiologischen und kognitiven Automatismen entkoppeln zu können. Weitere langfristige Rehabilitationsmaßnahmen können laut Lindenmeyer et al. (1995) durch dieses Vorgehen vermieden werden. Möglichst große Realitätsnähe bei Rollenspielen ist auch für Petzold (1970) ein wichtiges Kriterium. So werden bei Petzold „echte“ Requisiten wie Weinflaschen und Gläser für das Rollentraining (eine der der Zukunftsprojektion sehr ähnliche Technik) verwendet. Beim Rollentraining werden Situationen nachgestellt, mit denen die Abhängigen tatsächlich konfrontiert waren, die für die Betroffenen problematisch waren oder die zu Rückfällen geführt haben. Beck (1995) regt an, den Erfolg einer Abhängigkeitsbehandlung an Hand von Rollenspielen über Verhaltensbeobachtungen bei Expositionen in vivo zu messen.

3.11.7 Der „Sobriety-Shop“

Der Sobriety-Shop stellt eine Modifikation der psychodramatischen Standardtechnik des Zauberladens dar, in dem sich jedes Gruppenmitglied imaginativ zu einem Zauberladen begibt, in dem alle seine Wünsche erfüllt werden können. Es können bei dieser Technik persönliche dysfunktionale Eigenschaften, Ansichten oder Handlungsweisen durch andere (erwünschte) ersetzt werden, die dem Teilnehmer z. B. helfen, die Abhängigkeitserkrankung zu überwinden und ihn dazu befähigen, die Abstinenz durchzuhalten.

Die Technik des Sobriety-Shops wurde 1985 von Rustin & Olsson (1994) im Rahmen eines stationären Abhängigkeitsprogramms entwickelt. Die Differenz zur klassischen Form liegt vor allem im Ablauf: der Psychodramaleiter fordert den Protagonisten nicht zuerst auf, sich eine Eigenschaft auszusuchen, sondern eine nicht erwünschte aufzugeben. Rustin & Olsson (1994) beschreiben diese psychodramatische Technik folgendermaßen: der Psychodramaleiter spielt den Verkäufer, der den Preis des Tauschgeschäfts (die Verpflichtung zu neuen Handlungsweisen oder die Aufgabe bestimmter Eigenschaften) bestimmt. Probleme, die in der Rehabilitation auftreten, können vorweggenommen und für diese Phase relevante Verhaltenskomponenten und Handlungsweisen trainiert werden. Die Begründung für dieses Vorgehen liegt in der Tatsache, dass viele negative Verhaltensweisen für die Aufrechterhaltung der Abhängigkeit für den Betroffenen notwendig und deshalb auch enorm wichtig sind. Die Aufgabe einer dieser Eigenschaften lässt Rückschlüsse auf die Motivation des Abhängigen zur Behandlung der Abhängigkeitserkrankung zu. Der Fokus liegt auch bei dieser Technik auf der Lösung – es werden unmittelbar nach dem Handel Möglichkeiten zur Umsetzung der neu erworbenen Eigenschaften gesucht und erprobt.

Rustin und Olsson (1994) sehen in der Technik des Sobriety-Shops eine sehr wirksame Methode zur Behandlung Abhängiger: „Das Verfahren bietet mehreren Patienten die Möglichkeit, ihre Anliegen im Rahmen einer einzelnen Sitzung zu explorieren, wobei die Gruppe mehr als bei einer regulären Psychodramaarbeit beteiligt ist und sich der gemeinsame Fokus auf den Prozess der Abkehr vom Suchtmittel richtet“ (ebd., 1994, S. 245).

8. Phantasiespiele

Phantasiespiele eignen sich im Psychodrama zum ressourcenorientierten Vorgehen, d.h. zur Orientierung an Stärken und angenehmen Gefühlen, die beim Abhängigen latent vorhanden sind oder vor der Abhängigkeitserkrankung erlebt wurden. Der Protagonist kann im Phantasiespiel Traumrollen darstellen.

9. Die Symbolbildung

Ein Gruppenmitglied wird aufgefordert, jeweils ein Symbol für den „Freund Alkohol“ sowie für den „Feind Alkohol“ zu finden und diese im Raum entsprechend der subjektiv empfundenen Nähe anzuordnen. Das Aufstellen der Symbole wird in jeder weiteren psychodramatischen Sitzung wiederholt (jeweils in der aktuell empfundenen Anordnung). Diese Technik soll dem Patienten die Bedeutung der Abstinenz und die latent vorhandene Bedrohung durch die psychotrope Substanz vor Augen führen.

10. Die Technik der „psychodramatisch gelenkten Aggression“

Die in Kapitel 3.9 geschilderte orale Bedürftigkeit und damit einhergehende Erwartungshaltungen und Wünsche, die in der Therapie nicht erfüllt werden (können und sollen) sowie die in der Abstinenz auftretenden Entzugssymptome führen in Kombination mit der üblicherweise sehr geringen Frustrationstoleranz von Abhängigen häufig zu aggressiven Ausbrüchen von Seiten der Betroffenen. Die Technik der psychodramatisch gelenkten Aggressionen, die von Petzold auf der Grundlage seiner langjährigen Erfahrung mit Alkoholikern entwickelt wurde, zielt darauf ab, den, die Behandlung behindernden Aggressionsdruck bewusst und gezielt aufzulösen und dabei vom Therapeuten, von Familien- oder Gruppenmitgliedern auf den Alkohol (symbolisiert durch eine Flasche) als Zielobjekt der Aggression zu lenken (Petzold, 1971). Die Technik stellt eine Kombination der Vorgehensweise des verhaltensmodifizierenden Aversionstrainings mit dem kathartischen acting-out dar.

Den Abschluss der Sitzung bilden in der Technik der psychodramatisch gelenkten Aggression „Signal“- oder „Hypnobilder“, die der visuellen und auditiven Verankerung des positiven Effekts der Abstinenz dienen sollen. Die Abschlusstechnik der Signal- oder Hypnobilder wurde von Petzold entwickelt und wirkt im Sinne einer beruhigenden Suggestion, die nach Petzold in Anbetracht des der Erschöpfung vorausgehenden kathartischen Affektausbruchs den üblichen feed-back Techniken und dem Sharing vorzuziehen ist.

Die Signal- oder Hypnobilder stellen „artifizielle katathyme Bilder“ dar, die im Zustand eines durch Fremdsuggestion oder autogenen Trainings hervorgerufenen leichten Hypnoids, mit Hilfe von Schautafeln oder Projektion von Diapositiven zur Wirkung gebracht werden und zwar in einer Serie von Bildern, die in alternierender hypnotischer Abfolge die schädlichen Folgen des Alkohols und die Vorteile der Nüchternheit darstellen. Die sieben Bilder, die die Schädlichkeit des Alkohols und die Vorteile der Abstinenz zeigen sollen, werden in der ursprünglichen Sitzordnung der psychodramatischen Gruppe präsentiert:

z. B. ein heftig streitendes Ehepaar mit dem Folgebild einer glücklichen Familie; eine Szene, in der ein angefahrenes Kind vor dem Wagen eines Betrunkenen liegt, auf die dann die Darstellung eines glücklichen Urlaubers in seinem Wagen folgt. Eingeleitet und abgeschlossen wird die Serie durch ein Signalbild, eine Flasche mit Totenkopf und ein durchgestrichenes Glas. Das Bild ist von den Komplementärfarben Grün und Rot bestimmt, die durch ihre Intensität den durch das autogene Training vorgegebenen leicht hypnoiden Zustand der Patienten verstärken. Die Bilder werden am wirkungsvollsten als Diapositive im abgedunkelten Therapieraum an die Wand projiziert, können aber auch als Schautafeln gezeigt werden (…) Zu den Bildern werden vom Therapeuten kurze, formelhafte Sätze gegeben (z. B. Alkohol zerstört Leben, Nüchternheit erhält Leben; Alkohol schafft Unfrieden und Streit, Nüchternheit schafft Frieden und Glück), die das Dargestellte verstärkend unterstreichen. Dem Signalbild am Anfang wird die Formel „zu keiner Zeit, an keinem Ort“ beigegeben, die für das Schlussbild in folgender Fassung verwandt wird: „Ich trinke keinen Alkohol, zu keiner Zeit, an keinem Ort, bei keiner Gelegenheit. Ich bin jetzt ganz ruhig, bin meiner ganz sicher, Alkohol ist ganz gleichgültig. Ich weiß, daß ich nichts mehr trinke.“

Nach dieser Formel erfolgt die Zurücknahme und das Ende der Therapiestunde. Die Patienten fühlen sich beruhigt, sicher, gelöst und entspannt (Petzold, 1970, S. 400/401).

Durch das acting-out hervorgerufene, latente affektive Prozesse sowie Restspannungszustände sollen mit Hilfe dieser Suggestionen abgebaut und der Effekt der Technik optimiert werden.

Dieser Ansatz Petzolds wird in der Literatur (z. B.: Waldhelm-Auer, 1994; Simonsen, 1990) teilweise kritisiert – seine Kausalerklärung der Aggression, die in der Therapie mit Alkoholikern auftreten, sowie die Auseinandersetzung und der therapeutische Umgang mit diesen Emotionen wird als zu oberflächlich beurteilt.

11. Das Axiodrama

Das Axiodrama stellt weniger eine Technik der psychodramatischen Therapie als vielmehr eine spezielle Anwendungsform des Psychodramas dar, das sich mit dem Themenkreis „Probleme der privaten oder kollektiven Moral“ (Zeintlinger-Hochreiter, 1996, S. 26) beschäftigt. Das Axiodrama wird in dieser Aufzählung psychodramatischer Techniken bei Abhängigkeitserkrankungen angeführt, da Leutz (1973) seine Anwendung bei diesem Störungsbild explizit empfiehlt. Im Speziellen erwähnt sie die Indikation für die erste Phase der Abhängigkeit – der Gefährdung – für den Fall, dass der Konsum der psychotropen Substanz auf Basis des Strebens nach Bewusstseinserweiterung als auch aus einem Mangel an befriedigenden Freizeitgestaltungsoptionen geschieht. Leutz beschreibt das Axiodrama als eine Möglichkeit „sich mit seinen höchsten Werten auseinander zu setzen und mit den schöpferischen Kräften und Gestalten, wie Helden, Heiligen und Gott z.B. durch Doppeln oder Rollentausch handelnd zu identifizieren“ (Leutz, 1973, S. 65). Das Ziel der Anwendung des Axiodramas in der Behandlung Abhängiger bzw. Gefährdeter ist die bessere Bewältigung der Realität sowie der eignen Rolle.

12. Das Soziodrama

Eine weitere Anwendungsform des Psychodramas, die in der Therapie mit Abhängigkeitsstörungen Verwendung findet, ist das Soziodrama, das Beziehungen zwischen Gruppen und kollektive Ideale zum Inhalt hat. Es handelt sich um ein Verfahren, bei dem „die persönliche Ausgestaltung von Rollen zurück tritt zugunsten der Rollenübernahme nach ideologischen Vorgaben und gesellschaftlichen oder subkulturellen Vorurteilen“ (Stimmer, 2000, S. 179). In der Arbeit mit Abhängigen spielen solche von den Mitgliedern der Gesellschaft internalisierten Rollenmuster, Normen, Wertvorstellungen, kollektive Ideologien und Vorurteile vor allem auch in Hinblick auf deren Beteiligung für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Abhängigkeitserkrankungen eine entscheidende Rolle. Stimmer (2000) nennt einige Themen für Soziodramen mit Abhängigen: der Abstinente bzw. Alkoholkranke in unserer Gesellschaft, der Alkoholiker in der Nachbarschaft oder am Arbeitsplatz oder eine Konferenz von Fachleuten über wirksame Alkoholreklame.

Eine Möglichkeit der Anwendung des Soziodramas ist das „Soziodrama – x-Eck“. Meist wird für diese Technik ein Dreieck auf dem Boden markiert. Es werden drei Gruppen gebildet, von denen eine kompromisslos für eine bestimmte Ideologie eintritt, eine andere dagegen und die dritte Gruppe die Stellung „sowohl als auch“ einnimmt. Die Gruppen entwerfen kurze Texte mit Argumenten und ordnen sich auf den (eventuell mit Gegenständen markierten) Seiten des Dreiecks an. Die Gruppen wählen nach einer Diskussionsphase einen Gruppensprecher, der von den übrigen Gruppenmitgliedern mit Hilfe der Dopplertechnik unterstützt wird. Meist folgt eine lebhafte Diskussion zwischen den drei Gruppen. Der Gruppenleiter lässt nach einiger Zeit die Gruppen ihre Plätze im Uhrzeigersinn tauschen, so dass am Ende jede Gruppe alle drei Ideologien und Vorurteile vertreten hat. Diese Perspektivenwechsel sollen deutlich machen, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe reflexartige Reaktionen hervorruft und schaffen über die Bewusstmachung der Vorurteile Voraussetzungen für kommunikatives Handeln.

13. Beziehungsskulpturen

Bei dieser Technik werden aktuelle Beziehungskonflikte aus der Sicht des Betroffenen und/oder seiner Beziehungspersonen aufgebaut. Mit Hilfe des Prinzips des Rollentausches sowie Erweiterungen der ausschließlich verbalen Auseinandersetzung mit dem Problem durch symbolische Bilder und Amplifikationen[67] wirkt diese Technik integrierend und zugleich erhellend im Hinblick auf Konflikte im Beziehungsgefüge.

In einem Angebot des Morenoinstituts zur Weiterbildung in psychodramatischer Suchttherapie ist ein weiteres Beispiel psychodramatischer Arbeit mit Abhängigen zu finden: die multiple Bühnenarbeit, die mit Hilfe einer ´Drehbühne` die differenzierte Wahrnehmung des Abhängigen verbessern soll. Gleiche Personen und gleiche Handlungen werden aus verschiedenen Perspektiven inszeniert, wodurch neue Sinn-Zusammenhänge unterschiedlicher Ordnung erschlossen werden können.

Am Ende dieses Kapitels soll ein protagonistenzentriertes Spiel als Beispiel für ein Vorgehen auf der Symptomebene geschildert werden. Es handelt sich um ein psychodramatisches Spiel in einer Gruppe alkoholkranker Männer an einer stationären Rehabilitationsabteilung. Um die psychologische Bedeutung des Suchtmittels für den Betroffenen transparent machen zu können, kann dieses durch ein Gruppenmitglied verkörpert werden. Gefördert wird dabei vor allem die Krankheitseinsicht des Abhängigen, die im Hinblick auf die Behandlungsmotivation eine entscheidende Rolle spielt.

Am Ende der Anwärmphase zeigt sich, dass die Geschichte eines 40jährigen Facharbeiters das lebhafteste Echo bei der Gruppe gefunden hat, und ich frage diesen, ob er diese Geschichte in psychodramatischer Weise angehen möchte. Nach einigem Zögern stimmt er meinem Vorschlag zu.

Das Spiel:

Die erste Szene spielt am Arbeitsplatz, auf der Baustelle. Der Protagonist verlässt gerade die Baubude und macht sich auf den Weg zum Parkplatz. Im Selbstgespräch äußert er seine Unzufriedenheit mit sich, seiner Frau, den Arbeitskollegen. Beim Erzählen fällt ihm eine Situation ein, in der er ziellos durch die Stadt fährt und schließlich auf einem Feldweg ankommt. Hier unterbricht der Psychodramaleiter das Selbstgespräch und bittet den Protagonisten, diese Szene einmal zu spielen. Die folgende Szene enthält den gerafften Dialog zwischen dem Protagonisten und dem durch einen Mitspieler verkörperten Alkohol.

Protagonist: Was soll ich jetzt nur machen? (Pause) Eigentlich blöd hier so allein!

Protagonist Alkohol: (Rollentausch. Protagonist in der Rolle des Alkohols) Nun so ganz allein bist du ja auch nicht. Ich bin ja auch noch da – im Ablegefach!

Antagonist: (= Mitspieler in der Rolle des Alkohols) Wer redet denn hier vom Saufen! Ein kleines Schlückchen kannst du dir doch genehmigen!

Protagonist: Das stimmt schon. Aber ich habe mir vorgenommen heute nicht zu trinken. Außerdem habe ich Hildegard (Ehefrau) versprochen, nichts mehr zu trinken!

Protagonist: Gestern habe ich mich über Hildegard geärgert!

Therapeut doppelt in der Rolle des Protagonisten: Mir stinkt, dass Hildegard so wenig Zeit für mich hat!

Protagonist: Ja, das stimmt! Ich ärgere mich schon lange darüber, dass ich abends so oft alleine bin.

Therapeut doppelt: Ein kleiner Schluck kann nicht schaden.

Protagonist (fragend): Einen kleinen Schluck werde ich mir schon genehmigen können!

Therapeut doppelt: Da fühlt man sich gleich besser, nicht wahr!

Protagonist: Ja, das tut gut – das brennt richtig schön in der Kehle!

Protagonist: Morgens fühle ich mich ziemlich mies; das Zittern und so.

Therapeut doppelt: Ich brauche schon morgens Alkohol!

Protagonist: Ja, das stimmt!

Therapeut: Ich bin abhängig vom Alkohol!

Protagonist: Da ist etwas Wahres dran. Ich denke schon. – Ohne ihn schaffe ich das Leben einfach nicht mehr!

Nach dieser Sequenz folgen Rollenfeedback und Sharing (Truöl, 1981, S. 207/208).

Die Darstellung der zahlreichen unterschiedlichen Techniken und Anwendungsformen des Psychodramas macht deutlich, dass neben der ausschließlichen Therapie mit psychodramatischen Methoden auch einzelne psychodramatische Elemente in jede Form der Gruppentherapie mit Abhängigen integriert werden können.

4. Fragestellung, Ziele, Untersuchungsplan, Methodik und Rahmenbedingungen der Evaluationsstudie

4.1 Problemstellung und Ziele der Evaluationsstudie

Die Ziele der vorliegenden Evaluationsstudie wurden von der PSB Sigmaringen festgelegt. In weiterer Folge wird zur Diskussion stehen, in wie weit diese Fragestellungen im Hinblick auf das Untersuchungsdesign und die zur Verfügung stehenden Daten beantwortet werden können.

I. Sämtliche Therapiegruppen der psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle Sigmaringen werden psychodramatisch geführt, wobei Standardinterventionen wie die Soziometrie, Familienaufstellungen, das soziale Atom, das protagonistenzentrierte Rollenspiel zur Anwendung kommen.

Von besonderem Interesse ist aus diesem Grund die Eignung der Therapiemethode des Psychodramas in der ambulanten Therapie von Abhängigkeitserkrankungen.

II. Die Überprüfung der Effektivität des Therapiekonzepts: der Erfolg und der dafür betriebene Aufwand sollen in Korrelation zu den demographischen Daten, der Diagnose, den späteren Behandlungen, der Teilnahme an Selbsthilfegruppen, der Eingangsmotivation als auch der Therapievorbereitung eruiert werden. Die für diese Analyse herangezogenen und in der Therapie von Abhängigkeitserkrankungen allgemein geläufigsten Erfolgskriterien sind die durchschnittlichen Abstinenz- und Besserungsraten sowie die soziale, familiäre, gesundheitliche und berufliche Zufriedenheit.

III. Neben der Überprüfung der Effektivität des Konzepts sollen die Determinanten des therapeutischen Erfolgs bzw. Misserfolgs in dieser Arbeit evaluiert werden. Die Frage nach der differentiellen Wirksamkeit der unterschiedlichen Interventionstechniken und Behandlungselemente steht hier im Mittelpunkt.

IV. Die Prüfung der Qualität der Umsetzung des Therapiekonzepts in die Praxis (Treatmentimplementierung), des Behandlungsprozesses und des Settings. Die in diesem Rahmen zu treffenden Aussagen beziehen sich vor allem auf die Räumlichkeiten und die Erreichbarkeit der Beratungsstelle, die Stimmung und Kompetenz des Personals sowie die Behandlungsmethode.

V. Die Überprüfung der Wirksamkeit des Therapiekonzepts für die unterschiedlichen Teilgruppen der Abhängigkeitserkrankten.

2. Das Konzept der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle Sigmaringen

Die PSB Sigmaringen besteht als selbständige Institution seit April 1974 und ist eine Einrichtung der Arbeitsgemeinschaft für Gefährdetenhilfe und Jugendschutz in der Erzdiözese Freiburg e.V. (AGJ), die ein Verbundnetz von vorbeugenden ambulanten, teilstationären und stationären Einrichtungen der Gefährdetenhilfe für Betroffene, deren Angehörige und Bezugspersonen anbietet. Die AGJ ist als katholischer Fachverband Mitglied des Diözesan-Caritasverbandes der Erzdiözese Freiburg e.V. sowie Mitglied des Verbandes der ambulanten Behandlungsstellen für Suchtkranke/Drogenabhängige e.V. (VABS). Die AGJ unterhält acht Psychosoziale Beratungsstellen, zwei Jugend- und Drogenberatungsstellen, 19 Außenstellen und drei Fachkliniken für Abhängige sowie Einrichtungen für wohnungslose Personen (in etwa 30 Plätze). Darüber hinaus führt die AGJ Veranstaltungen im Bereich Jugendschutz durch und ist Träger einer speziellen Einrichtung für Kinder von Suchtkranken (Modellprojekt Arbeit mit Kindern von Suchtkranken: MAKS). Den PSBs sind in etwa 30 Selbsthilfegruppen sowie vier Elternkreise angeschlossen. Zudem besteht eine enge Zusammenarbeit mit den Kreuzbund-Gruppen (ca. 40) in der Diözese Freiburg.

Zur Gewährleistung der wohnortnahen Versorgung hat die PSB Sigmaringen Außenstellen in Pfullendorf, Saulgau, Gammertingen und Setten. Sie ist gemäß den Richtlinien für Psychosoziale Beratungsstellen des Landes Baden-Württemberg anerkannt und wird entsprechend gefördert. Die ambulante Suchtrehabilitation findet seit 1992 nach der „Empfehlungsvereinbarung Ambulante Rehabilitation Sucht“ (EVARS)[68] statt, die eine Regelung der Kostenzuständigkeit brachte. Des Weiteren entstanden durch die EVARS auf Grund der Möglichkeit, ausschließlich ambulante Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen durchzuführen und ambulante mit stationären Maßnahmen zu kombinieren, neue Impulse und Tendenzen zur Zusammenarbeit im Sinne einer Individualisierung und Flexibilisierung der Therapielandschaft, die bislang vorhandene Versorgungslücken schließen konnten. Die aus dieser Zusammenarbeit resultierenden Synergieeffekte sollten zu einem wirtschaftlichen und bedarfsgerechten Leistungssystem für Abhängige führen (Arbeitsvorlage zur Empfehlungsvereinbarung Sucht 1999[69], 1998).

1. Aufgaben und Ziele

Die Konzeption der PSB Sigmaringen wurde auf der Basis der „Qualitätsstandards der Suchtkrankenhilfe AGJ“, der „Rahmenkonzeption für die Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstellen der Arbeitsgemeinschaft für Gefährdetenhilfe und Jugendschutz in der Erzdiözese Freiburg e.V.“ sowie der den Psychosozialen Beratungsstellen angeschlossenen Einrichtungen Betreutes Wohnen, Arbeit mit Kindern von Abhängigkeitskranken, Aufsuchende Suchtberatung entwickelt. Sie berücksichtigt sowohl die regionale Struktur, die personellen und räumlichen Bedingungen und die individuelle Schwerpunktsetzung der Einrichtung.

Die PSB bietet im Einzugsbereich des Landkreises Sigmaringen als Beratungs-, Informations-, Behandlungs- und Koordinationsstelle Menschen mit psychosozialen Störungen unter dem Primärsymptom der Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängigkeit, sowie der Diagnosegruppen der Störungen der Impulskontrolle und der Essstörungen Unterstützung an. Die Prävention und Rehabilitation abhängigkeitsgefährdeter und abhängiger Menschen, aber auch die Öffentlichkeitsarbeit fallen in ihren Aufgabenbereich.

Die wichtigsten Ziele der Institution sind die Entwicklung und Erhaltung von Kompetenzen und Lebensmöglichkeiten der Abhängigkeitserkrankten oder –gefährdeten sowie deren Angehörigen, Kollegen, Vorgesetzten, Nachbarn und Freunden. Die Auswirkungen dieser Störungen sollen gemildert und der Gesundungsprozess unterstützt werden. Dieser Zielkomplex ähnelt vom Inhalt dem Modell der harm reduction[70], das in den USA in der Arbeit mit Abhängigkeit vorherrschend ist. Die PSB unterstützt Selbsthilfegruppen ehemals abhängiger Menschen, insbesondere den „Kreuzbund“ als katholische Helfergemeinschaft Abhängigkeitskranker.

Dem multifaktoriellen Bedingungsmodell von Abhängigkeitserkrankungen entsprechend ist in der PSB ein Team von Diplom-Sozialarbeitern, Diplom-Sozialpädagogen, Diplom-Psychologen, Psychotherapeuten und Ärzten tätig.

Ihre Aufgaben werden von der PSB in folgende Bereiche aufgegliedert (Konzeption der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle Sigmaringen, 1997):

➢ Allgemeine und spezielle Gesundheitsförderung durch Prävention

➢ Niederschwellige Hilfen

➢ Information, Beratung und Behandlung für Suchtmittelgefährdete, Suchtkranke und deren Bezugspersonen sowie andere Ratsuchende

➢ Nachsorge

➢ Förderung von Selbsthilfe und Ehrenamt

➢ Öffentlichkeitsarbeit

➢ Entwicklung und Förderung von Kooperations- und Netzwerkstrukturen.

Die Qualitätssicherung und –entwicklung und die damit verbundenen Aufgabenbereiche Dokumentation und Statistik nehmen in der institutionellen Arbeit mit Abhängigen in Deutschland einen immer breiter werdenden Raum ein. Sämtliche Psychosozialen Beratungsstellen der – in Deutschland nach wie vor so genannten – Suchtkrankenhilfe sind der Einrichtungsbezogenen Informationssystem (EBIS)-Dokumentation angeschlossen. EBIS stellt ein Dokumentationssystem dar, das der Klienten- und Leistungsdokumentation dient und statistische Auswertungen auf der Einrichtungsebene ermöglicht. Zusätzlich erfolgt eine Dokumentation der Aktivitäten in Bezug auf den jeweiligen Jahresbericht der Beratungsstelle und eine klientenbezogene Verlaufs- und Ergebnisdokumentation[71].

Auf Grund der Tatsache, dass sich die psychosozialen Problembereiche Arbeitslosigkeit und Abhängigkeit gegenseitig beeinflussen und oft auch gegenseitig bedingen, hat die Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt sowie mit Beschäftigungsinitiativen und Bildungsträgern große Bedeutung in der Behandlung dieser Klientel.

Die Grundlagen der Arbeit der PSB werden beeinflusst vom verbandlichen Auftrag, dem in der PSB vorherrschenden Verständnis von Abhängigkeitsgefährdung und Abhängigkeitserkrankung und den Arbeitsprinzipien der ambulanten Suchtkrankenhilfe. Der verbandliche Auftrag hat vor allem die Unterstützung der gesunden Entwicklung des Einzelnen, der Familie und gesellschaftlicher Gruppen sowie die Vorbeugung psychosozial bedingter Gefährdungen zum Ziel. Das ganzheitliche Hilfeverständnis dieses Ansatzes ist geprägt von den Grundwerten des katholischen Glaubens.

Das dem Konzept der PSB Sigmaringen zu Grunde liegende Verständnis von Abhängigkeitsgefährdung und –erkrankung sieht in der Abhängigkeit eine komplexe Störung, die unterschiedliche negative Auswirkungen in physischen, psychischen und psychosozialen Bereichen mit sich bringt. Die Annahmen bezüglich der Genese abhängigen Verhaltens entsprechen dem allgemein gültigen multifaktoriellen Erklärungsmodell. Das abhängige Verhalten wird als misslungener Selbstheilungsversuch verstanden. Dieser Lösungsversuch führt jedoch im Verlauf der Entwicklung des abhängigen Verhaltens zum Entstehen neuer Problembereiche und Konflikte. Der Prozess einer Abhängigkeitserkrankung wird in Relation zur individuellen Persönlichkeitsentwicklung und der Erlebnisverarbeitung eines Menschen sowie der durch das abhängige Verhalten beabsichtigten und erreichten Wirkung gesehen. Auf die Aktivierung der Ressourcen der Betroffenen wird in der Arbeit mit den Abhängigkeitskranken in der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle Sigmaringen besonderer Wert gelegt. In diesem Zusammenhang spielt die Suche nach einer individuellen Weltanschauung und nach religiöser Orientierung eine wesentliche Rolle in der Behandlung.

2. Struktur und Arbeitsbereiche

Das umfassende Feld der Suchtkrankenhilfe ist in der PSB in verschiedene Arbeitsbereiche gegliedert:

1. Suchtprävention: Das Ziel der Prävention von Abhängigkeitserkrankungen ist die Vorbeugung krankmachender Entwicklungen und Verhaltensweisen und die Förderung der individuellen Ressourcen. Die Mitarbeiter der PSB arbeiten in der Präventionsarbeit in regionalen und überregionalen Arbeitskreisen zusammen. Die Projekte, die im Bereich Prävention von der Beratungsstelle geleitet werden umfassen:

➢ SuPrion – ein Projekt zur Prävention von Abhängigkeitserkrankungen: sechs, in der Suchtberatungsstelle ausgebildete Multiplikatoren arbeiten mit Kindergärten und Grundschulen, Jugendlichen und Erwachsenen.

➢ Das Projekt Mobile Fachkraft für offene Jugendarbeit im Landkreis Sigmaringen (MOFA), das den Jugendlichen die Möglichkeit zur partnerschaftlichen Auseinandersetzung mit Erwachsenen außerhalb ihres institutionalisierten Lebensraumes bieten soll. Mitbestimmung, Übernahme von Verantwortung und das Austragen von Konflikten sind wichtige Ziele der offenen Jugendarbeit.

➢ Die Kinder- und Jugendagentur hat ihren Schwerpunkt in der Prävention und arbeitet sozialraumorientiert. Die Fachrichtungen Jugendpflege, Jugendhilfe, Erziehungshilfe und Suchtkrankenhilfe sollen vernetzt werden, was zur Nutzung von Synergieeffekten führen soll.

➢ SkiPP – Das Sigmaringer Kinderprojekt der PSB stellt ein Angebot für Kinder abhängigkeitskranker Eltern dar. Diese werden mit dem abhängigkeitspräventiven Ziel der Stärkung der Persönlichkeit von Sozialpädagogen betreut.

➢ Schülermultiplikatorenseminare.

➢ Zusammenarbeit mit sogenannten Suchtpräventionslehrern und einzelnen Schulen in Form von Seminaren, Gruppenarbeiten und gemeinsamen öffentlichen Veranstaltungen.

2. Multiplikatorenarbeit

3. Streetwork

4. Offener Kontaktbereich

5. Medizinische Versorgung

6. Information für Ratsuchende

7. Motivationsarbeit

8. Vermittlung in stationäre Entwöhnungsbehandlung

9. Ambulante Rehabilitation und ambulante Behandlung

10. Nachsorge: Die Nachsorge im Anschluss an eine stationäre Behandlung hat die Stabilisierung des in der Therapie Erreichten und die weitere Förderung der beruflichen und sozialen Wiedereingliederung der Betroffenen zum Ziel.

11. Krisenintervention: Diese einmaligen Kontakte finden in der Regel in der offenen Sprechstunde für Drogenkonsumenten, während der Krisensprechstunde oder am Telefon statt.

12. Arbeit mit Bezugspersonen

13. Arbeit mit Kindern von Abhängigkeitskranken

14. Psychosoziale Substitutionsbegleitung

15. Schuldnerberatung

16. Freizeitangebote

17. Aufsuchende Arbeit im Vollzug

18. Betreutes Wohnen

19. Begleitung von Selbsthilfegruppen

20. Klientenbezogene Kooperation

21. Institutionelle Kooperation

22. Öffentlichkeitsarbeit: Mit Hilfe der Öffentlichkeitsarbeit soll den Abhängigkeitskranken oder –gefährdeten der Zugang zur PSB erleichtert werden. Die Öffentlichkeit soll über Abhängigkeitserkrankungen, deren Entwicklung und Entstehungszusammenhänge informiert werden, mögliche Lösungswege sollen angeboten werden. Die diversen Veranstaltungen richten sich vor allem an verbandlich organisierte Jugendgruppen, Schulklassen, Auszubildende, Eltern, kirchliche und freie Verbände. Die Homepage der PSB Sigmaringen bietet allgemeine und spezifische Information zu verschiedenen Themen aus dem Bereich „Sucht und Drogen“. Unter anderem besteht die Möglichkeit, die eigene Abhängigkeitsgefährdung in einem von der WHO entwickelten Selbsttest[72] fest zu stellen.

23. Mitwirkung bei sozialpolitischen Entscheidungsprozessen

24. Sinn und Seelsorge

25. Tagesstrukturierende Angebote bei Arbeitslosigkeit

26. Angebote für in Bezug auf den Konsum psychotroper Substanzen auffällige Verkehrsteilnehmer: diese Angebote umfassen hauptsächlich Seminare, in denen sich Abhängigkeitskranke über den Verlauf von Alkoholismus informieren können und lernen, ihr eigenes abhängiges Verhalten realistisch einzuschätzen.

Das Ziel der psychosozialen Beratung ist die Motivation zu einer dauerhaften Veränderung des Verhaltens von Abhängigkeitskranken und –gefährdeten. Der Prozess von Beratung und Behandlung ist ein fließender. Er umfasst die Bereiche Kontaktaufnahme, Einmalkontakt bzw. Krisenintervention, Beratung und Motivation, Seminare für alkoholauffällige Verkehrsteilnehmer, niederschwelliges Angebot für Drogenkonsumenten, Vermittlung in stationäre Therapie, Kombinationstherapie, ambulante Behandlung und Nachsorge.

Der Kontakt zur PSB wird auf sehr unterschiedliche Weise aufgenommen.

Abbildung 22: Wege der Kontaktaufnahme mit der PSB Sigmaringen im Jahr 2000 (Angaben in Prozent)

Quelle: Arbeitsgemeinschaft für Gefährdetenhilfe und Jugendschutz in der Erzdiözese Freiburg e. V., 2001, S. 16

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Motivation und Beratung bilden den Schwerpunkt der Arbeit in der Beratungsstelle. Ein in diesem Zusammenhang sehr wichtiges Angebot stellt die offene Motivations- und Informationsgruppe dar. Entscheidend in dieser Gruppe ist die positive Vorbildwirkung des selbst betroffenen Ehrenamtlichen, der mit einer hauptamtlichen Fachkraft die Gruppenleitung innehat.

3. Arbeitsprinzipien

Die Arbeitsprinzipien der PSB Sigmaringen entsprechen den „Qualitätsstandards der Suchtkrankenhilfe der AGJ“ und können wie folgt zusammengefasst werden (Konzeption der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle Sigmaringen, 1997):

Arbeitsprinzipien, die sich auf die unmittelbare Arbeit mit den Klienten beziehen

➢ Verbesserung der Lebensqualität als handlungsleitendes Prinzip

➢ Orientierung an den Klienten und deren Ressourcen

➢ Vertraulichkeit

➢ Freiwilligkeit

➢ personelle Kontinuität

➢ Transparenz und Kommunikation.

Arbeitsprinzipien, die sich auf Struktur und Arbeitsweise der Einrichtung beziehen

➢ regionale Vernetzung sowie die Vernetzung im Therapieverbund

➢ bestmögliche Erreichbarkeit

➢ kontinuierliche Weiterentwicklung

➢ Partnerschaft von Haupt- und Ehrenamt

➢ fachliche und persönliche Weiterqualifikation der Mitarbeiter

➢ Dokumentation

➢ Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.

4.2.4 Das Therapiekonzept und Indikation der ambulanten Rehabilitation und Behandlung

Die Ambulante Rehabilitation und Behandlung ist eine Entwöhnungsbehandlung im ambulanten Setting mit dem Ziel der Wiedererlangung der psychischen und physischen Gesundheit, der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben sowie der allgemeinen Lebenszufriedenheit. Im Vorfeld dieser Behandlung erfolgen die Motivationserklärung, die Diagnostik sowie die Indikationsstellung. Von großer Bedeutung sind die individuums- und prozessorientierte Zielfindung und die an Hand anamnestischer Daten vorgenommenen Erarbeitung eines individuellen Therapieplans.

Eine erfolgreiche Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen ist ein vielschichtiger Prozess, der vom Erstkontakt bis zum Abschluss der Nachbehandlungsphase bis zu fünf Jahre dauern kann. Im Therapiekonzept der PSB Sigmaringen (wie auch in vielen anderen Psychosozialen Behandlungsstellen Deutschlands) stellt die ambulante Gruppentherapie einen äußerst wichtigen Behandlungsbaustein dar. Die unterschiedlichen Behandlungsphasen bei Abhängigkeitserkrankungen sowie die dabei relevanten therapeutischen Einrichtungen sind in folgender Abbildung unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung der ambulanten Gruppentherapie am Beispiel Alkoholismus dargestellt:

Abbildung 23 Die Bedeutung der ambulanten Gruppenarbeit während der Behandlungsphasen des Alkoholismus.

Quelle: Stimmer & Gneist, 1987, S. 154.

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An Hand dieser Abbildung wird deutlich, dass die Gruppentherapie für alle Phasen in der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen relevant ist. Viele Autoren weisen auf die besondere Effektivität der ambulanten und stationären Gruppenarbeit mit Abhängigen[73] in den verschiedenen Behandlungsphasen mit unterschiedlichen Zielsetzungen hin (Feuerlein et al. 1998, Schmidtobreick 1975, Stimmer 1990):

➢ In der Phase des Erstkontakts besteht das primäre Ziel der Interventionen in der Förderung der Motivation für eine weiterführende Behandlung, die Information in Bezug auf die Therapiemöglichkeiten sowie die Unterstützung bei akuten Problemen.

➢ In der Entwöhnungsphase stehen die Abstinenz sowie die Therapie problematischer psycho-sozialer Entwicklungen im Vordergrund.

➢ In der Nachsorgephase, in der Gruppentherapie hauptsächlich zur Anwendung kommt, werden als Hauptziele die Stabilisierung des Therapieerfolgs, die Krisenintervention in Bezug auf Rückfallgefahren sowie der damit in Zusammenhang stehenden psychischen und sozialen Belastungen, das vertiefende Bearbeiten bestehender psychosozialer Probleme, die Förderung der Selbstverwirklichungstendenzen, des autonomen Handelns sowie der sozialen Fertigkeiten definiert (Stimmer & Gneist, 1987).

Die gemeindenahe ambulante Versorgung Abhängiger, wie sie in Deutschland praktiziert wird, verhindert einerseits die langfristige Ausgliederung, Stigmatisierung und Isolierung der Betroffenen und bietet andererseits eine kostengünstige Alternative zu ausschließlich stationärer Behandlung.

Allgemein betrachtet ist die ambulante Rehabilitation Abhängiger als planvolles und zielgerichtetes therapeutisches Vorgehen zu verstehen. Die wichtigsten Inhalte sind:

➢ Erlebnisverarbeitung

➢ Verhaltensänderung

➢ Erwerb von Bewältigungsstrategien

➢ Aufarbeitung der Lebensgeschichte und des Verlaufs der Abhängigkeit

➢ Stärkung der Selbstregulation

➢ Entwicklung von Selbsthilfefertigkeiten

➢ Reflexion der Therapiefortschritte

➢ Anwendung des in der Therapie Erlernten im Alltag.

Die Indikation für den, in dieser Untersuchung relevanten Bereich der ambulanten Behandlung wird gemäß der Empfehlungsvereinbarung ambulante Rehabilitation Sucht festgestellt.

2. Ablauf der Ambulanten Rehabilitation in der Psychosozialen Beratung- und Behandlungsstelle Sigmaringen

Der ambulanten Behandlung in der PSB geht eine Beratung voraus, deren Ziel es ist, Betroffene zur Therapie zu motivieren. Die Entscheidung, das Behandlungsangebot anzunehmen ergibt sich in der Regel auf Grund des enormen Leidensdrucks der Betroffenen, aber auch durch die unterschiedlichsten sozialen Zwänge wie Familien- und Ehekrisen, Arbeitslosigkeit, Vereinsamung oder finanzielle Probleme. Der Patient wird meist erst nach wiederholten Versuchen, selbst mit diesen Spannungen und Konflikten fertig zu werden, bei der Beratungsstelle vorstellig. Beim Erstkontakt kommt der psychosoziale Grunddatenbogen der Suchtkrankenhilfe, der Bogen zur psychosozialen Diagnose, zur Sozialanamnese und zum Hilfeplan, sowie der EBIS- Bogen Erstkontakt und Erstgespräch zur Anwendung[74]. Alle Klienten der PSB Sigmaringen durchlaufen die gleiche Motivations- und Beratungsphase.

Entsprechend den Richtlinien der PSB gelten folgende Parameter als Voraussetzung für die Behandlung:

➢ ein intaktes soziales Umfeld

➢ die Bereitschaft und Fähigkeit zur Suchtmittelabstinenz

➢ die Fähigkeit und Motivation zur aktiven Mitarbeit

➢ die berufliche und soziale Integration.

Ausschlusskriterien für eine Behandlung an der PSB sind schwere psychiatrische Erkrankungen sowie ausgeprägte physische und neurologische Folgeschäden. Die genannten Indikationskriterien für die ambulante Behandlung an der PSB Sigmaringen weisen einen hohen Selektionsgrad auf. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass eine ambulante Therapie von Abhängigkeitserkrankungen in Deutschland nicht sehr betreuungsintensiv ist (in der Regel findet eine Gruppensitzung wöchentlich statt) und in einem – im Vergleich zum stationären Setting – relativ ungeschützten Rahmen abläuft. Wie bereits erwähnt gelten für die Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen die Richtlinien der Empfehlungsvereinbarung Sucht. Die formalen Indikationskriterien für eine ambulante Rehabilitation an einer PSB sind (Nicklau, 1995):

1) Fähigkeit, nach erfolgter Entgiftung abstinent zu bleiben.

2) Nichtvorhandensein schwerer/akuter neurotischer und psychotischer Symptomatik.

3) Keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die eine längerfristige medizinische Behandlung notwendig machen.

4) Fähigkeit, Verpflichtungen und Absprachen regelmäßig nachzukommen.

5) Eine ausreichende Eigenmotivation (d. h. die Behandlungsmotivation beruht nicht ausschließlich auf einem Nachgeben gegenüber äußerem Druck).

6) Im Ansatz vorhandene Introspektionsfähigkeit.

7) Sicherheit in sozialen Bezügen (Arbeitsplatz, familiäre Beziehungen usw.)

8) Bereitschaft zum Abschluss eines Therapievertrages.

9) Bereitschaft des Klienten sowie seiner Bezugsperson, spezifische Angebote der Beratungsstelle wahrzunehmen (Gruppe, Paargespräche usw.)

10) Fähigkeit zur Gruppenarbeit.

Die Entscheidung, welche Art der Behandlung im Einzelfall erfolgen soll bzw. ob eine ambulante Rehabilitation im jeweiligen Fall sinnvoll erscheint, obliegt jedoch dem zuständigen Leistungsträger – im vorliegenden Fall der PSB Sigmaringen bzw. dem zuständigen Psychologen, Arzt oder Sozialarbeiter. Der Abhängige ist auf Basis des Aushandlungsprinzips in den Entscheidungsprozess einzubeziehen (Arbeitsvorlage zur Empfehlungsvereinbarung Sucht 1999, 1998). Bei den individuellen Entscheidungen der Mitarbeiter der PSB`s spielen äußere (z. B.: Erreichbarkeit der PSB für den Klienten, Vereinbarkeit der Therapie mit der Arbeit) und innere Bedingungen (z. B.: Gruppenfähigkeit, soziale Anbindung des Klienten) subjektiver und objektiver Art eine entscheidende Rolle. Das Bestreben nach Sicherheit bezüglich eines „störungsfreien“ Ablaufs der Rehabilitationsmaßnahmen ist dabei unverkennbar. „Zu hohe Risikobereitschaft ist dem Gruppengeschehen nicht förderlich, wenn ständig Mitglieder fehlen, Rückfälligkeit mit dem Suchtmittel laufend Thema ist und sich die Gruppengröße wegen Abbruch oder Umschreibung von Klienten in die stationäre Therapie chronisch reduziert (…) zusätzliche Kriseninterventionen, Antragstellungen bzw. Umschreibungen in stationäre Therapie würden die Drucksituation innerhalb unserer PSB-Arbeit verstärken“ (Funk, 1995, S. 32). Auch Parameter wie die persönliche Einstellung des Beurteilenden sowie seine methodische Ausrichtung bestimmen die Akzentuierung bestimmter Indikationskriterien (Nicklau, 1995). Zusammenfassend kann bezüglich der Indikationskriterien für die ambulante Rehabilitation an den PSB`s festgestellt werden, dass diese eine hohe Selektionsrate innerhalb der Klientel zur Folge haben, was mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ergebnisse von Messungen der Behandlungserfolge positiv beeinflusst.

Der konkrete Behandlungsplan wird je nach vorliegender Störung und Problematik und psychosozialer Diagnose erstellt. Zur Auswahl stehen Einzel-, Gruppen-, Partner- und Familiengespräche. Das Behandlungsangebot der PSB Sigmaringen richtet sich auch an die Angehörigen der Abhängigen, die Beteiligung liegt im Schnitt bei 10-15% der Gesamtklientel. Auf Grund des beidseitigen Betroffenseins in einem System wechselseitiger Abhängigkeiten ist eine Einbeziehung der Angehörigen in die Therapie von entscheidender Bedeutung für den Behandlungserfolg. Weyhreter, Tschuschke, Obert, Zimmermann und Tauschek (1998) stellten in ihrer Katamnesestudie fest, dass auch die Angehörigen alkoholabhängiger Personen erhebliche Defizite – vor allem in Bezug auf das Selbstwertgefühl und das Selbstbild – aufweisen. (Psycho-)Somatische Beschwerden sind bei den Partnern sogar häufiger anzutreffen als bei den Betroffenen. Die Partnerschaft leidet meist erheblich unter der Symptomatik des Abhängigen.

Die Motivation der Betroffenen stellt einen weiteren entscheidenden Faktor bei der Wahl der Therapieform dar – dies gilt im Speziellen für die Teilnahme an der psychodramatischen Gruppentherapie. In etwa 10 Prozent der Klientel der PSB Sigmaringen erfüllen die Kriterien für diese Form der rehabilitativen Behandlung. Die Entscheidung beruht auf der Einschätzung des zuständigen Mitarbeiters der PSB.

Der Behandlungsprozess wird im EBIS-Verlaufsbogen[75] festgehalten. Zusätzlich wird die Suizidalität der Patienten mit Hilfe der Risikoliste zur Abschätzung der Selbstmordgefährdung[76] eruiert. Im Behandlungsverlauf und zum Abschluss der Behandlung werden von den Mitarbeitern der PSB weitere Variablen wie die Art der Beendigung der Behandlung und die Einschätzung in Hinblick auf Veränderungen im abhängigen Verhalten erhoben.

Die in der vorliegenden Evaluationsstudie einbezogenen Patienten nahmen an einer wöchentlichen geschlossenen psychodramatischen Gruppentherapie teil. Die Teilnehmerzahl war dabei auf 10 Gruppenmitglieder je Psychodramagruppe beschränkt. Es werden bei einer psychodramatischen Gruppentherapie in der PSB Sigmaringen jeweils 20 Sitzungen mit einer Dauer von in etwa zwei Stunden abgehalten. Die regelmäßige Teilnahme an der Gruppentherapie ist Grundvoraussetzung für die weitere Behandlung. Die Gruppenmitglieder sind zur Einhaltung der Schweigepflicht sowie zur Abstinenz für den gesamten Zeitraum der Therapie verpflichtet. Wird einer der Teilnehmer in der Behandlungsphase rückfällig, so muss er seine Probleme in der Gruppe thematisieren und sich mit den Ursachen auseinandersetzen[77]. Die Gruppentherapie wird von zwei Mitarbeitern der PSB Sigmaringen geleitet. Beide sind ausgebildete Psychodramatherapeuten.

Zu Beginn der psychodramatischen Gruppentherapie wird das sogenannte Namensspiel durchgeführt, bei dem ein Ball unter den Teilnehmern weitergegeben wird[78]. Bei dieser Übung steht die Beschäftigung mit dem eigenen Namen im Mittelpunkt, den Gruppenmitgliedern soll der Einstieg erleichtert und auf spielerische Art das Kennenlernen und Vertrautwerden ermöglicht werden.

In einer der folgenden Gruppentherapien wird das Bild „sich in Bewegung setzen“ behandelt. Es geht dabei um ein Bild der Veränderung, die im Gruppenprozess geschehen soll. Ein Beispiel für diese Gruppenübung ist das Bild der „Reise mit einem Schiff“, das einige Gruppenmitglieder betreten wollten. Dieses Bild wird in weiteren Sitzungen verdeutlicht, indem sich die Gruppe mit Gepäckstücken, die auf die Reise mitgenommen oder zurückgelassen werden sollen, auseinandersetzt. Diese oft sehr lebhaften Gruppenprozesse, in denen die Teilnehmer miteinander verhandeln, werden mittels Flipchart verdeutlicht und festgehalten.

In den folgenden fünf bis sechs Gruppensitzungen werden die Sozialen Atome der Gruppenteilnehmer dargestellt[79]. Es werden in der Regel die drei wichtigsten Personen im Leben der Gruppenmitglieder aufgestellt, wobei die räumliche Nähe bzw. die Qualität der Beziehungen diskutiert wird. Der Protagonist sucht im Anschluss an die Aufstellung für jede Person seines Sozialen Atoms einen charakteristischen Satz, den diese auch aussprechen. Für den Protagonisten eröffnet sich durch diese Technik die Möglichkeit in Interaktion mit diesen Personen zu treten und Veränderungen in seinen Beziehungen durchzuspielen und zu proben.

In drei Gruppensitzungen werden Entspannungstechniken (Muskelrelaxation nach Jacobsen und Autogenes Training) vorgestellt und geübt. Ein Termin ist für die Ärztin, die die Gruppentherapie begleitet und eine Nachbesprechung mit den einzelnen Gruppenmitgliedern nach Beendigung des Therapieprogramms durchführt, reserviert. Dabei werden für die Betroffenen wichtige Themen wie Komorbidität, Sexualität und Folgeerkrankungen diskutiert. An einem Termin wird ein ,Belastungstraining’ in der Natur durchgeführt. Es handelt sich dabei um sportliche Aktivitäten wie z.B. Klettern. Im weiteren Verlauf der Gruppentherapie werden wieder verstärkt psychodramatische Techniken angewendet. Wie bereits erwähnt wird Wert auf die regelmäßige Teilnahme an den Gruppensitzungen gelegt. Laut Gruppenregeln muss bei einem versäumten Termin eine Hausarbeit gemacht werden, die meist darin besteht ein Bild zu malen oder etwas zu basteln, das dann in der Gruppe gezeigt und besprochen wird.

3. Untersuchungsmethoden

Die Durchführung einer Katamneseuntersuchung in der ambulanten Therapie von Abhängigkeitserkrankungen dient vor allem der Therapieerfolgsmessung und Qualitätssicherung. Der Erfolg wird an Erfolgskriterien gemessen, deren Erfüllung eine Prognose über den Verlauf der Abhängigkeit und der Folgeprobleme der betroffenen Personen erlaubt. Das häufigste Erfolgskriterium in der Therapie von Abhängigkeitserkrankungen ist das der Abstinenz. Als weitere objektive Kriterien des Erfolgs einer Therapie gelten die physische Gesundheit, der Erwerbsstatus, die Partnersituation und die Freizeitaktivitäten. Zu den subjektiven posttherapeutischen Kriterien zählen die allgemeine Lebenszufriedenheit, Emotionalität sowie physische und psychische Beschwerden. Für diese Untersuchung soll die Annahme gelten, dass sowohl die subjektiv empfundene Lebenszufriedenheit der Patienten als auch die Abstinenz entscheidende Parameter der Lebensqualität eines Individuums darstellen und somit auch in der Katamnese Berücksichtigung finden sollen. Nicht alle der oben genannten Parameter sind im in dieser Untersuchung verwendeten Katamnesefragebogen enthalten.

In Katamneseuntersuchungen wird seit einiger Zeit zwischen völlig abstinent und gebessert unterschieden (Pfeiffer, Fahrner & Feuerlein, 1987, S. 314 zit. n. Beck, 1995)[80]. Diese Differenzierung stellt sich in der Praxis als durchaus sinnvoll dar, da ein einmaliger Rückfall im Hinblick auf den wechselhaften Verlauf von Abhängigkeitserkrankungen nicht unbedingt als Therapiemisserfolg gedeutet werden kann.

Die Datenerhebung erfolgt in – nach spezifischer Fragestellung der Untersuchung und den einrichtungsspezifischen Bedingungen – unterschiedlichen Zeiträumen. Es herrscht gegenwärtig keine Einigkeit darüber, ob sich der Verlauf der Abstinenz- und Besserungsraten bei Abhängigkeitserkrankungen nach einem Jahr nach Therapieende stabilisiert. Unter dieser Prämisse wäre dies ein sinnvoll gewählter Zeitpunkt für eine Katamneseuntersuchung. Eine längere Katamnesedauer ist meist mit einer geringeren Beteiligung an der Befragung verbunden und bedingt somit Probleme bezüglich der Differenz zwischen pessimistischen und optimistischen Schätzungen der Erfolgsraten. Der optimale Katamnesezeitraum ist von der jeweiligen Fragestellung der Studie abhängig. Um Aussagen über die Ursache von Rückfällen zu erhalten, sind 3- und 6-Monats-Katamnesen zu empfehlen. Die zahlreichen Probleme, die sich im Zuge der Therapieerfolgsmessung ergeben, wurden in Kapitel 2.2 bereits diskutiert. Die Schwierigkeiten, die sich im Zuge der Analyse der vorliegenden Daten ergaben, sollen in den folgenden Kapiteln erörtert werden.

4.4.1 Planung und Durchführung der Untersuchung

Ursprünglich bildete die methodische Grundlage der vorliegenden Evaluationsstudie ein Experimentalgruppen-Design. Die Experimentalgruppe sollte aus Teilnehmern, die ein halbjähriges, gruppenpsychotherapeutisches, psychodramatisch orientiertes Programm an der Psychosozialen Beratungsstelle Sigmaringen in den Jahren 1993-1997 absolvierten, bestehen. Die Kontrollgruppe sollte nach Symptomatik, Geschlecht, Alter und Familienstand mit den Teilnehmern der Experimentalgruppe parallelisiert ausgewählt werden, wobei jeweils zwei Kontrollgruppenmitglieder für jedes Experimentalgruppenmitglied bestimmt werden sollten.

Diese Klienten der Beratungsstelle sollten nach der Motivations- und Beratungsphase keiner psychodramatischen Gruppenpsychotherapie zugeführt, sondern Einzeltherapie erhalten, einer stationären Therapie zugeführt oder nicht weiter behandelt werden. Leider wurde dieser Untersuchungsplan in der Praxis nicht realisiert. In den folgenden Kapiteln wird auf die Änderungen des Designs sowie die daraus entstandenen methodischen Mängel der Untersuchung eingegangen.

Die soziodemographischen Merkmale der Stichprobe werden in Kapitel 5.1 dargestellt.

Der Datenerhebungsplan umfasst drei Messzeitpunkte:

➢ Der Pretest wurde beim zweiten Kontakt mit der Beratungsstelle durchgeführt und erfolgte im Zeitraum 1993 - 1997.

➢ Der Posttest nach der Motivations- und Beratungsphase sowie 20 Wochen psychodramatischer Gruppentherapie sollte ausschließlich in der Experimentalgruppe erhoben werden. Den Posttest nur in der Experimentalgruppe durchzuführen ist methodisch nicht korrekt, es konnte keine Begründung für dieses Vorgehen gefunden werden.

➢ Die Follow-up Katamnese erfolgte im Frühjahr 1998, d.h. je nach dem Zeitpunkt des Erstkontaktes 1 bis 4 Jahre nach Beendigung der Therapie an der Beratungsstelle.

Abbildung 24: Datenerhebungsplan und verwendete Diagnostika

| | |Katamnese 1998 – zwischen 1 und 4 Jahre |

|2. Kontakt mit der |Nach der Motivations- und Beratungsphase |nach der Intervention |

|PSB |erfolgen 20 Wochen Gruppenpsychotherapie | |

|EBIS-A mit ICD-10 Diagnose |EBIS-A mit ICD-10 Diagnose | |

| |(s. Kap. 4.4.2.1) |Katamnesefragebogen, der aus dem |

| | |SEDOS-Nachbefragungsbogen V 1.0 (s. Kap. |

| | |4.4.2.2) und den Dokumentationsstandards |

| | |für die Behandlung von Abhängigen |

| | |entwickelt wurde |

Zur Methodik der Untersuchung ist kritisch zu bemerken, dass die Festlegung der Katamnesedauer auf ein vom Zeitraum nach dem Behandlungsende unabhängiges Datum für einen direkten Vergleich der Ergebnisse der Fragebögen nicht optimal ist. Auch Vergleiche mit anderen Therapiemethoden oder anderen ambulanten Einrichtungen werden mit dieser Vorgehensweise erschwert bzw. unmöglich gemacht. Katamneseergebnisse sind in der Regel – neben zahlreichen anderen Voraussetzungen – nur vergleichbar, wenn die Katamnesezeiträume identisch sind.

Die Katamneseerhebung wurde allen Klienten, die das halbjährige psychodramatisch orientierte Behandlungsprogramm in den Jahren 1993-1997 absolviert hatten, von der PSB Sigmaringen schriftlich angekündigt[81]. Der Katamnesebogen wurde von 64% der Experimentalgruppenmitglieder der ambulanten Psychodramagruppe der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle Sigmaringen beantwortet, der Datenschwund beträgt somit lediglich 36%. Von den 70 Patienten der Katamneseteilnehmer beendeten 6 die Behandlung an der PSB 1993, 7 Patienten 1994, 11 Patienten 1995, 24 Patienten 1996 und 22 im Jahr 1997. Unter Behandlung ist in diesem Kontext die psychodramatische Gruppentherapie zu verstehen. Die Behandlung und Beratung an der PSB ist in der Regel nach Beendigung der Gruppentherapie nicht abgeschlossen.

4.4.2 Messinstrumente

Die in der Untersuchung verwendeten Messinstrumente entsprechen dem international anerkannten Standard der Therapieforschung auf dem Gebiet der Abhängigkeitserkrankungen und bilden die Basis zahlreicher Katamneseuntersuchungen in der Bundesrepublik Deutschland und in anderen Ländern.

4.4.2.1 Das EBIS-A-System:

EBIS (Einrichtungsbezogenes Informationssystem) ist ein Dokumentationssystem für ambulante, stationäre und teilstationäre Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe, Wohnungslosen- und Straffälligenhilfe in der Bundesrepublik Deutschland und dient der Klienten- und Leistungsdokumentation. Es wurde von der Deutschen Hauptstelle gegen Suchtgefahren in Zusammenarbeit mit dem Institut für Therapieforschung (IFT), einem nicht staatliches Forschungsinstitut mit Aufgabenschwerpunkten im Bereich der Epidemiologie, der Prävention und der Behandlung substanzbezogener Störungen und pathologischem Spielverhalten, das verhaltenstherapeutisch orientierte Aus-, Fort- und Weiterbildungen anbietet, in München entwickelt und 1980 erstmals eingesetzt. Die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren wurde 1947 als Hauptarbeitsgemeinschaft zur Abwehr der Suchtgefahren gegründet. Ihr Zweck ist es, Themen der Suchtpolitik aufzugreifen, fachliche Diskussionen anzuregen, Stellungnahmen abzugeben und Richtlinien bzw. Rahmenkonzeptionen zu entwickeln, Fachkonferenzen durchzuführen, zum Erfahrungsaustausch und Meinungsbildung beizutragen. Die DHS befasst sich mit sämtlichen Fragestellungen und Problemen, die sich auf stoffunabhängige und stoffabhängige Störungen beziehen.

Das EBIS-System erfasst Daten zum Versorgungsangebot, zur Nutzung des Angebots, zur Klientel und zum Stand der Ergebnisse bei Behandlungsende. Mit Hilfe des EBIS-Systems können auf Einrichtungsebene statistische Auswertungen zur Kontrolle der eigenen Leistung und zur Entwicklung von Verbesserungsansätzen erstellt werden.

Auf (über)regionaler Ebene dient das EBIS-System vor allem der umfassenden Darstellung der Versorgungs- und Drogensituation in der Bundesrepublik. Die Teilnahme an EBIS ist freiwillig.

Auf Einrichtungsebene dient das EBIS-Dokumentationssystem vor allem der administrativen und therapeutischen Arbeit mit den Patienten. Die Daten und Informationen aus dem EBIS-System werden darüber hinaus auf regionaler, nationaler Ebene genutzt.

Das EBIS-A-System wurde 1989 als computergestützte Version allen interessierten Einrichtungen der ambulanten Suchtkrankenhilfe zur Verfügung gestellt. EBIS-A[82] setzt sich aus dem EBIS-Kerndatensatz und aus vielen zusätzlichen Datenmodulen und Arbeitshilfen, dem sogenannten EBIS-spezifischen Datensatz, zusammen. Beide Datensätze werden vom Institut für Therapieforschung betreut, weiterentwickelt und ausgewertet. In der vorliegenden Evaluationsstudie wurde der EBIS-A Grunddatenbogen aus dem Jahr 1996[83] verwendet. Dieser erfasst Daten zur Klientel, zu Vorbehandlungen, zur sozialen Anamnese, zur psychosozialen Diagnose, zur (abhängigkeitsbezogenen) medizinischen Diagnose nach ICD 10, zum Behandlungsverlauf, zur Art der Beendigung der Behandlung sowie zur Abschlussdiagnostik.

1999 lag die Teilnehmerzahl des EBIS-A-Projekts bei etwa 530 ambulanten Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe (Simon & Palazzetti, 1998). Träger des EBIS-Systems ist die EBIS-Arbeitsgemeinschaft (AG), die sich aus folgenden Mitgliedern zusammensetzt: der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren e.V., Hamm (DHS), dem Deutschen Caritasverband e.V., Freiburg (DCV, Gesamtverband für Suchtkrankenhilfe in den Diakonischen Werken der Evangelischen Kirche Deutschlands e.V., Kassel (GVS), dem Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. (buss), dem Fachverband Sucht e.V., Bonn (FVS), dem Deutschen Orden Suchthilfe KdöR, München (DOS) und dem Institut für Therapieforschung, München.

4.4.2.2 Der Katamnesefragebogen

Der Katamnesefragebogen[84] wurde aus den Dokumentationsstandards für die Behandlung von Abhängigen der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie e.V. und dem SEDOS-Nachbefragungsbogen V 1.0 der Deutschen Hauptstelle gegen Suchtgefahren und dem Institut für Therapieforschung in München entwickelt.

Die Dokumentationsstandards wurden 1991 in Überarbeitung der 1985 publizierten Katamnesestandards von Fachleuten der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie festgelegt. Sie stellen einen Leitfaden zur Erhebung, Darstellung und Analyse von Grunddaten bei wissenschaftlichen Studien über Abhängigkeitserkrankungen dar und umfassen den gesamten Bereich der Therapiedokumentation bei Abhängigen. Die Zielsetzung der Entwicklung der Standards lag vor allem in der Schaffung einer Basis einheitlicher Regeln der Datenerhebung für vergleichbare wissenschaftliche Untersuchungen und der Hinweisfunktion für das therapeutische Vorgehen.

Die Katamnesestandards sind speziell für die Behandlung von Abhängigkeitskranken konzipiert und für sämtliche Behandlungsvarianten (ambulant, stationär und teilstationär) anwendbar.

Für folgende Bereiche wurden in den Standards Vorgaben festgelegt:

➢ Planung und Durchführung von Katamnesen

➢ Festlegung wichtiger Fragen mit Antwortkategorien

➢ Auswertung und Publikation der Ergebnisse.

Die Katamnesestandards unterscheiden zwischen absoluten Mindeststandards und ergänzenden Standards, die nur bei Bedarf Berücksichtigung finden sollen, sowie zwischen Routinekatamnesen und Forschungskatamnesen. Für erstere wurden vollständige Fragebögen entwickelt, die den Anforderungen der Minimalstandards entsprechen. Diese enthalten folgende Vorgaben:

➢ Drei Erhebungszeitpunkte: Eingangsuntersuchung, Entlassungsuntersuchung und eine 1-Jahres-Katamnese. Zusätzlich sind eine 2- und eine 5-Jahres-Katamnese möglich.

➢ Eine schriftliche oder mündliche Patientenbefragung als Erhebungsmethode.

➢ Verfahren der Stichprobenauswahl sind eine Zufallsstichprobe mit mindestens 50 Patienten bzw. sämtliche Patienten eines Untersuchungszeitraums.

Als zusätzliche Festlegungen für Forschungskatamnesen gelten:

➢ Die Durchführung muss durch eine externe Institution erfolgen.

➢ Die Durchführung methodenkritischer Untersuchungen: bei einer schriftlichen Patientenbefragung sind zusätzlich 10% der Patienten mündlich, bei mündlicher Befragung zusätzlich 10% schriftlich zu befragen.

Das oben erwähnte SEDOS (Stationäres Einrichtungsbezogenes DOkumentationsSystem) wurde als Dokumentations- und Informationssystem entwickelt und wird vom Institut für Therapieforschung fachlich betreut. Der Nachbefragungsbogen des SEDOS diente als Grundlage für den Katamnesefragebogen. Träger des seit 1994 bestehenden Systems ist die SEDOS-Arbeitsgemeinschaft, der der Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe (buss) e.V., die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren e.V., der Deutsche Orden KdöR – Suchthilfe, der Fachverband Sucht e.V., der Gesamtverband für Suchtkrankenhilfe im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V. sowie das Institut für Therapieforschung angehören. Die Ziele liegen vor allem in der Analyse der Versorgungsangebote und des Bedarfs im Bereich der Suchtkrankenhilfe, der Qualitätssicherung sowie auf Einrichtungsebene der Unterstützung der Diagnostik und der Durchführung der Therapie. Der SEDOS-Erhebungsbogen erfasst Daten zu soziodemographischen Merkmalen der Klienten, Schul- und Berufsausbildung, Wohn- und Lebenssituation, Vorbehandlungen, zum Konsum im sozialen Umfeld und zu Diagnosen. In der Bundesrepublik Deutschland beteiligen sich in etwa ein Drittel aller stationären Einrichtungen an SEDOS.

Der Katamnesefragebogen erfasst Daten analog zu EBIS-A. Die Minimalstandards enthalten 37 Fragen mit vorgegebenen Antwortkategorien in folgenden Bereichen:

➢ soziodemographische Daten

➢ Sozialbeziehung und Lebenssituation

➢ Schule, Arbeit, Einkommen

➢ Psychische und physische Gesundheit

➢ Vorbehandlung und Unterbringung

➢ Konsum illegaler Drogen

➢ Medikamentenkonsum

➢ Alkoholkonsum

➢ Klassifikation des Suchtmittelmissbrauch

Wird ein Patient aus der Behandlung entlassen, so sind die Behandlungsdauer, die Art und die Ursache der Entlassung, ein eventueller Rückfall während der Behandlung, disziplinarische Verstöße sowie die soziale Situation zum Zeitpunkt der Entlassung und eventuell bestehende psychiatrisch Erkrankungen zu dokumentieren.

Auch bestimmte Merkmale der Behandlungseinrichtung wie die Art der Behandlung, die Zielgruppe, die Regelverweildauer, der Kostenträger, die Selektionskriterien bei Aufnahme und Angaben zum Personal sind zu erheben.

Als Erfolgskriterien wurden folgende Parameter definiert: Suchtmittelkonsum, berufliche Integration, Sozialverhalten und körperliche Gesundheit. Hierbei ist kritisch zu bemerken, dass sich ein großer Teil der Fragen auf die qualitative und quantitative Erfassung des Suchtmittelverhaltens bezieht. Der Suchtmittelkonsum wird über exakte quantitative Kategorien zum täglichen Konsum der psychotropen Substanzen, über Fragen zu Trinkmustern, über die Dauer von Abstinenzphasen sowie über die Art der konsumierten psychotropen Substanzen definiert. Gerade durch die quantitativen Daten ergeben sich jedoch Probleme in Hinsicht auf die Reliabilität und Validität von Patientenangaben. Die Reliabilität und Validität von Patientenangaben bezüglich ihres Konsums psychotroper Substanzen waren Gegenstand vieler Studien, die einheitlich zum Ergebnis gelangten, dass diese in hohem Maße invalide sind. Reliable und valide Ergebnisse resultieren aus Fragen in groben objektivierbaren Kategorien nach Rückfällen, nach Symptomen von Abhängigkeit und nach Wiederbehandlungen im Katamnesezeitraum, wenn diese mit einer konservativen Schätzung zu einer Gesamtaussage (abstinent, zeitweilig abstinent oder rückfällig) geformt werden (Süß, 1995).

Auch gilt für Deutschland als Therapieziel bei Abhängigkeitserkrankungen die Abstinenz, was eine quantitative Erfassung des Konsums der psychotropen Substanz verzichtbar macht.

Wie bereits erwähnt kann die Katamnese sowohl in Form eines Interviews, als auch in Form einer schriftlichen Befragung vorgenommen werden, wobei der persönliche Kontakt mit einem qualifizierten (externen und unabhängigen) Interviewer in der Regel vorzuziehen ist, da die Motivation zur Teilnahme an weiteren Befragungen steigt und eine Überprüfung der Aussagen durch Urinanalysen und Atemluftkontrollen ermöglicht wird. Generell kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass schriftliche Katamnesen zu weniger validen Aussagen führen (Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie e.V. (DG-Sucht), 1992). Die Wahl der Methode zur Katamnesedurchführung ist verständlicherweise primär durch die in der Studie bzw. der Einrichtung vorhandenen Ressourcen bestimmt. Zur Erhöhung der Rücklaufquote bei Katamnesen wird in den Dokumentationsstandards der DG-Sucht zur Implementierung eines Erinnerungssystems geraten. Wird ein Anschreiben bei schriftlicher Katamnese kurzfristig nicht beantwortet, so folgen in Abständen Mahnbriefe bzw. Telefonanrufe, anschließend eine direkte Kontaktaufnahme durch einen Interviewer.

Die Katamnese sollte – wie bereits erwähnt – im Idealfall nach einem festgelegten Zeitraum je nach Beendigung der Behandlung stattfinden, unabhängig von der Art der Beendigung (planmäßig oder vorzeitig wegen Abbruch, disziplinarischer Entlassung oder Verlegung). Die DG-Sucht empfiehlt für die Standard-Katamnese ein Jahr nach Abschluss der Behandlung, für die Evaluation kurzfristiger Veränderungen ein zusätzliches Interview nach sechs Monaten und längerfristige Katemnesen unter Berücksichtigung von in diesem Zeitraum erfolgten Einflüssen auf den Behandlungserfolg (z.B. eine erneute Therapie) nach zwei bzw. fünf Jahren.

Als zusätzliches Messinstrument wurde von den Mitarbeitern der PSB – dem jeweiligen Berater oder Therapeuten – während der Intervention ein nicht standardisiertes Behandlungsblatt[85] (auch Verlaufsbogen genannt) geführt, auf dem stichwortartig die Abläufe, Gesprächsinhalte, eigene Eindrücke, Überlegungen zu Übertragungen, etwaige Abmachungen und Merkposten festgehalten wurden. Des Weiteren arbeitet die PSB Sigmaringen mit dem Gruppenklima-Fragebogen[86] (GCQ-S), der das subjektive Befinden sowohl der einzelnen Gruppenmitglieder als auch der gesamten Gruppe in der aktuellen Gruppensitzung sowie die Einschätzung der Kommunikation und der Beziehungen innerhalb der Gruppe thematisiert.

Folgende Unterlagen[87] sind ebenfalls an die Gruppenmitglieder weitergegeben worden, um eine detaillierte Evaluation der Interventionen zu ermöglichen:

➢ Ein Wochenbericht, bei dem jeder Teilnehmer am Rehabilitationsprogramm täglich die Bereiche Partnerschaft, Familie, Beruf, Freizeit und Rückfallgefährdung an Hand eines Stimmungsbarometers beurteilt. Auffälligkeiten, die im Wochenverlauf auftreten werden in der Gruppe besprochen.

➢ Der Bogen: „Wege zum Ziel. Möglichkeiten zur Problemlösung“ der Gesellschaft zur Qualitätssicherung der Sozial- und Suchttherapie, bei dem die Ausgangslage sowie das Ziel der Behandlung definiert und die schrittweise Umsetzung dokumentiert wird.

➢ Der Abstinenzbogen: der Patient hält Gefährdungen der Abstinenz bzw. Anlässe zum Rückfall fest und beschreibt Coping-Strategien, die er in der jeweiligen Situation anwenden konnte.

➢ Auf einem weiteren Blatt sollen die individuellen Vor- und Nachteile bzw. die Gründe für oder gegen den Alkoholkonsum schriftlich dokumentiert werden.

➢ Das Blatt „Energiekuchen“ dient der subjektiven Einschätzung der Verteilung der Energieressourcen der Gruppenmitglieder.

➢ Auf dem Bogen: „Wie viel Raum nehmen meine Gefühle in meinem Leben ein? Was wünsche ich mir anders?“ sollen die Patienten ihre individuellen Gefühle der Wut, Trauer, Angst und der Freude auf Skalen von 0 bis 10 einstufen.

➢ Eine Unterlage ermöglicht die Einschätzung des Verlaufs der Abhängigkeitserkrankung. Die Trinkmenge soll im Lebensverlauf eingeschätzt und besondere Ereignisse in Relation dazu gesetzt werden.

Die beschriebenen Unterlagen sollen vor allem bei der Beantwortung folgender, von der PSB Sigmaringen formulierten Fragestellungen dienen:

1) Welche Situationen haben im Verlauf der Rehabilitation zu einem Rückfall entscheidend beigetragen?

2) Welche Einstellungen des Patienten haben zum Rückfall in das Suchtverhalten beigetragen?

3) Welche protektiven Faktoren wurden in der Rehabilitationsphase vom Betroffenen als unterstützend erlebt?

Die oben genannten, von der PSB Sigmaringen zusätzlichen erhobenen Behandlungsdaten wurden für diese Untersuchung nicht herangezogen, da eine Anonymisierung nicht möglich war und die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht Vorrang hatte.

4.4.3 Auswertungsmethoden und Operationalisierung

Die Daten wurden mit Hilfe des EBIS-Programms[88] verarbeitet. Diese Software stellt ein leistungsfähiges und einfach zu bedienendes Programm mit hoher Funktionalität dar. Es zeichnet sich durch seine „intuitive Bedienbarkeit“ aus, d. h. es ist selbsterklärend. Die Grundversion des EBIS-Programms dient vor allem der Datenverwaltung und ermöglicht die Definition beliebiger Zeit- und Datenfilter. Die Daten können über eine Exportschnittstelle zur grafischen Darstellung in das EXCEL-Programm importiert werden. Des Weiteren ermöglicht EBIS für alle Variablen Häufigkeitsverteilungen und für beliebige Kombinationen Kreuztabellen für die einrichtungsinterne Statistik.

Die statistischen Berechnungen wurden mit dem Programmsystem SPSS 10.0[89] durchgeführt. Das Alpha-Signifikanzniveau wurde mit 5% definiert. Zur Prüfung von Mittelwertsunterschieden verschiedener Variablen Katamnesestichprobe mit der Vergleichsstichprobe sowie zur Veränderungsmessung (Beginn der Therapie/Katamnesezeitpunkt) wurden t-Tests, zur Feststellung der Zusammenhänge von Variablen untereinander Korrelationen und zum Vergleich von Häufigkeiten Chi-Quadrat-Tests durchgeführt.

Die Variable Abstinenz wird im Katamnesefragebogen mit folgender Frage erfasst:

Wie beschreiben Sie selbst Ihren Umgang mit Suchtmitteln im letzten halben Jahr?

1. Kein Suchtmittelkonsum mehr

2. Nur gelegentlicher Konsum

3. Wöchentlicher Konsum

4. Täglicher/fast täglicher Konsum

5. Täglich mehrmaliger Konsum

Für die statistische wurde für die Berechnungen in eine dichotome Variable umgewandelt: per definitionem gilt ein Patient als abstinent, wenn er in den letzten sechs Monaten vor der Katamneseuntersuchung kein Suchtmittel konsumiert hatte.

5. Untersuchungsergebnisse

Die Datenanalyse basiert auf der von der PSB Sigmaringen entworfenen Fragestellungen. Auf Grund der bereits angesprochenen methodischen Mängel und der Tatsache, dass der Katamnesefragebogen auf einige Bereiche nicht ausreichend eingeht, blieben manche Fragen offen. Im folgenden Abschnitt werden die Probleme, die im Zuge der Datenanalyse entstanden sowie die Ergebnisse der Analyse besprochen.

5.1 Soziodemografische Merkmale der Stichprobe

Die Katamneseteilnehmer waren bestimmten Auswahlkriterien unterworfen. Die Selektion der Katamnesestichprobe erfolgte in mehreren Schritten:

➢ Zunächst mussten die oben beschriebenen Zugangskriterien für eine Behandlung in der PSB im Allgemeinen sowie für die psychodramatische Gruppentherapie im Speziellen erfüllt werden. Die Motivation der Betroffenen spielt in diesem Zusammenhang in der PSB Sigmaringen – laut Auskunft des Leiters der Einrichtung – eine besondere Rolle. Diese Tatsache stellt in Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Ergebnisse ein nicht unrelevantes Kriterium dar.

Insgesamt wurden für die Katamneseuntersuchung alle Klienten, die zwischen 1993 und 1997 an einer psychodramatischen Gruppentherapie an der PSB teilgenommen hatten, angeschrieben.

➢ 20 von den 173 Klienten konnten nicht erreicht werden.

➢ 26 von den 153 Personen, die auf das Schreiben reagiert haben, lehnten die Teilnahme an der Erhebung ohne Angabe von Gründen ab.

➢ Weitere 17 Klienten nahmen trotz anfänglicher Zusage nicht an der Katamneseuntersuchung teil. Es bleiben somit 110 Personen, die an der Katamneseuntersuchung teilgenommen haben.

➢ Das Beratungs- und Behandlungsangebot der PSB gilt prinzipiell auch für Angehörige und sonstige Bezugspersonen der Betroffenen. In der Katamneseuntersuchung wurden ausschließlich Personen mit eigener Suchtproblematik berücksichtigt. 40 Klienten mussten aus diesem Grund von der Analyse ausgeschlossen werden.

Abbildung 25: Selektion der Katamneseteilnehmer

[pic]

Von den nach der beschriebenen Selektion für die Untersuchung relevanten 70 Personen (immerhin 40,46%) nahmen 24 (13,9%) schriftlich und 46 (26,6%) mündlich an der Untersuchung teil. Davon wurden 18 Klienten im Zuge eines Hausbesuchs von einem externen Interviewer befragt, 28 in der PSB. Wird in den folgenden Abbildungen und Statistiken von der Katamnesestichprobe gesprochen, so beziehen sich die Zahlen ausschließlich auf diese 70 Katamneseteilnehmer.

Die Non-Responder (Personen, die nicht auf die Kontaktaufnahme der PSB bezüglich der Katamneseuntersuchung reagiert haben) gehen in den folgenden Analysen in die Stichprobe der Gesamtheit der Klienten der PSB ein. Non-Responder bei Katamneseuntersuchungen haben in der Regel ungünstige Behandlungsergebnisse und Prognosen. Wird jedoch der Non-Responder-Anteil auf die Gesamtklientel bezogen, so werden die Abstinenz- und Besserungsraten unterschätzt, auch wenn sich die Behandlungsergebnisse direkt proportional zur Höhe der follow-up Quote verhalten. Geht man davon aus, dass alle Non-Responder nicht erfolgreich (abstinent) sind, so unterschätzt man im Allgemeinen den Erfolg einer Behandlung. Nimmt man jedoch an, dass sie repräsentativ für alle Behandelten sind, so überschätzt man den Erfolg. Der tatsächliche Wert ist „zwischen den beiden Quoten jeweils bei vorzeitiger und planmäßiger Beendigung der Behandlung zu erwarten, da erfahrungsgemäß auch unter den Nichterreichten erfolgreiche Patienten/innen anzutreffen sind“ (DGSS, 1992).

Auf Grund der Tatsache, dass für diese Studie keine Kontrollgruppendaten vorliegen wurden als Vergleichsstichprobe die Personen der Gesamtklientel der PSB aus den Jahren 1992-1999 herangezogen, die wie die Teilnehmer an der Katamnesebefragung auf Grund einer Abhängigkeitserkrankung an der PSB Sigmaringen behandelt oder beraten wurden (1668 Personen). An Hand des Vergleichs soll vor allem die Repräsentativität der Katamnesestichprobe ermittelt werden.

Bei häufigen signifikanten Unterschieden zwischen der Gesamtklientel der PSB und der Katamnesestichprobe ist eine Verallgemeinerung der Ergebnisse nur bedingt möglich. Kann eine Repräsentativität festgestellt werden, so ist eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse mit Stichproben aus anderen Suchtberatungsstellen bzw. mit Ergebnissen aus ähnlichen Bereichen möglich, die ebenfalls für die Gesamtklientel repräsentative Stichproben verwenden.

Die folgende Tabelle stellt die Daten der Klienten der PSB Sigmaringen[90], die in den Jahren 1992 bis 1999 die Beratungsstelle wegen einer Abhängigkeitsproblematik aufgesucht haben, der Katamnesegruppe gegenüber. Angehörige der Abhängigen, die ebenfalls zur Klientel der PSB zählen, wurden (wie bei der Katamnesestichprobe) nicht in die Berechnungen aufgenommen.

Abbildung 26: Darstellung der signifikanten Abweichungen bei bestimmten Parametern im Vergleich zwischen Katamnesestichprobe und Gesamtklientel der PSB Sigmaringen aus den Jahren 1992-1999 (signifikante Unterschiede sind grau unterlegt)

| |Katamnese |Gesamt |asymptotische |

| | | |Signifikanz |

|  | in Prozent | in Prozent |  |

|Familienstand | | | |

|Ledig |25,7 |41,5 |P < .01 |

|Verheiratet |57,1 |35,9 |P < .001 |

|Verheiratet, getrennt lebend |2,9 |4,5 |n. s. |

|Geschieden |10 |13,5 |n. s. |

|Verwitwet |2,9 |1,7 |n. s. |

|Partnerbeziehung | | |n. s. |

|Alleinstehend |22,9 |35,3 |P < .05 |

|Zeitweilige Beziehungen |7,1 |11,1 |n. s. |

|feste Beziehung(en) |68,6 |51,1 |p < .005 |

|Vorbehandlungen | | | |

|Keine |38,6 |35,5 |n. s. |

|Entgiftungsbehandlung |51,4 |56,2 |n. s. |

|ambulante Suchtbehandlung |50 |45,1 |n. s. |

|stationäre Entwöhnung |44,3 |4,9 |n. s. |

|Substitutionsbehandlung | k. A. |0,8 |n. s. |

|sucht-bezogene Selbsthilfegruppe |15,7 |7 |p < .005 |

|nicht-suchtspezifische Institution | k. A. |0,5 |n. s. |

|Beruflicher Status | | | |

|Azubi/Umschüler |4,3 |4,1 |n. s. |

|(Hilfs-)Arbeiter |18,6 |27,6 |n. s. |

|Facharbeiter |17,1 |18,9 |n. s. |

|Angestellter |27,1 |10,1 |P < .002 |

|Beamter |2,9 |0,7 |P < .05 |

|Mithelfendes Familienmitglied |1,4 |1,1 |n. s. |

|Selbständiger |8,6 |4,7 |n. s. |

|Sonstige Erwerbsperson | k. A. |1,4 |n. s. |

|Schüler/Student | k. A. |3,8 |n. s. |

|Hausmann |5,7 |6,2 |n. s. |

|Rentner |2,9 |4,3 |n. s. |

|Sonstige Nichterwerbsperson |7,1 |4,5 |n. s. |

|Erwerb derzeit | | | |

|Vollzeitbeschäftigung |41,4 |27,6 |P < 0.5 |

|Teilzeitbeschäftigung |10 |4,1 |P < .05 |

|arbeitslos gemeldet |2,9 |16 |P < .001 |

|Arbeitssuchend gemeldet |1,4 |1,6 |n. s. |

|Sonstiges (z.B. Erziehungsurlaub | k. A. |1 |n. s. |

|Einkommen | k. A. | | |

|Lohn/Gehalt/Einkommen |71,4 |47,9 |P < .001 |

|Ausbildungsbeihilfe/AFG/Unterhaltsgeld |1,4 |2,7 |n. s. |

|Krankengeld/Übergangsgeld | k. A. |1,9 |n. s. |

|Rente/Pension |2,9 |5 |n. s. |

|Angehörige |7,1 |10,4 |n. s. |

|Vermögen | k. A. |0,2 |n. s. |

|Arbeitslosengeld |5,7 |10,4 |n. s. |

|Arbeitslosenhilfe |1,4 |9 |P < .05 |

|Sozialhilfe |4,3 |8,5 |n. s. |

|Gelegenheitsjobs/unregelm. Einkommen | k. A. |0,6 |n. s. |

|Sonstige Einkünfte |2,9 |1 |n. s. |

|Beendigung der Behandlung | | | |

|Planmäßig durch Vermittlung |11,4 |12,1 |n. s. |

|Planmäßig durch Einrichtung |65,7 |27,1 |P < .002 |

|Abbruch durch Einrichtung |0 |3,3 |n. s. |

|Abbruch durch Klient |20 |43,5 |P < .001 |

|Tod |0 |0,4 |n. s. |

|Sonstiges |0 |2,35 |n. s. |

Die Klienten der Katamnesestichprobe waren im Schnitt 40,6 Jahre alt, die Personen der Vergleichsgruppe durchschnittlich drei Jahre jünger, was einen signifikanten Unterschied darstellt. Des Weiteren hatten die Katamneseteilnehmer im Vorfeld der Behandlung an der PSB signifikant häufiger Kontakt zu Selbsthilfegruppen Abhängiger, befanden sich häufiger in einer festen Beziehung und waren zu einem geringeren Anteil arbeitslos gemeldet bzw. waren sie beruflich besser integriert. Der Unterschied bezüglich des Alters der Klienten ist für den Behandlungserfolg als weniger relevant einzustufen als eine stabile Partnerschaft und berufliche Integration.

In Anbetracht der Tatsache, dass der Familienstand eine wichtige Prognosevariable des Therapieerfolgs darstellt (Süß, 1988) soll die folgende Abbildung der Verdeutlichung des hohen Prozentsatzes (58%) an verheirateten Katamneseteilnehmern dienen. 68,6% der Befragten gaben an, in einer festen Partnerschaft zu leben.

Abbildung 27: Familienstand der Katamneseteilnehmer (in Prozent)

[pic]

Bei den Parametern Geschlecht, Art der Berufsausbildung, gleichzeitig zur Behandlung in der PSB stattfindende stationäre Behandlung, Vorliegen einer problematischen Verschuldung, Wohnsituation oder Wohnorte ergaben sich im Vergleich keine signifikanten Abweichungen.

Entscheidende Unterschiede konnten im Hinblick auf einige Parameter des Behandlungssettings festgestellt werden. Die Teilnehmer an der Katamnese wurden im Schnitt in etwa 40 Wochen länger betreut und hatten signifikant häufiger Kontakt zur Beratungsstelle (im Durchschnitt 35 gegenüber 12 Einzel- und 29 gegenüber 5 Gruppenkontakte). Dieser Punkt lässt Zweifel darüber aufkommen, in wie weit die Katamnesestichprobe in Bezug auf den Behandlungserfolg durch die psychodramatische Gruppentherapie besonders aussagekräftig ist. Die Häufigkeit der Gruppenkontakte kann durch die Teilnahme an der Psychodramatherapie erklärt werden. Die Tatsache, dass auch häufiger Einzelkontakte[91] stattfanden, bringt die Vermutung nahe, dass diese Klientengruppe als nicht repräsentativ für die Gesamtheit der Klientel der PSB Sigmaringen betrachtet werden kann. Für zukünftige Untersuchungen sollte die Vergleichbarkeit im Hinblick auf das Behandlungssetting besondere Beachtung finden. Die in der Studie festgestellte positive Wirkung der Behandlung an der PSB Sigmaringen kann auf Grund der intensiveren Betreuung der Teilnehmer nicht eindeutig auf die Therapiemethode bezogen werden.

Ein Abbruch der Behandlung durch den Klienten fand in der Katamnesegruppe wesentlich seltener statt als in der Gesamtklientel (20 zu 43,5 Prozent). Es ist zu vermuten, dass dieses Ergebnis darauf zurückzuführen ist, dass bei der Auswahl der mit psychodramatischer Gruppentherapie behandelten Patienten auf die Motivation der Betroffenen in der PSB Sigmaringen besonderer Wert gelegt wird.

Bezüglich der Diagnosen lässt sich feststellen, dass es im Vergleich zwischen der Katamnesegruppe und der Gesamtklientel ausschließlich in Bezug auf die Häufigkeiten der Diagnose pathologisches Spielverhalten und Missbrauch von Substanzen, die keine Abhängigkeit hervorrufen signifikante Unterschiede gibt (häufiger in der Katamnesegruppe).

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass vor allem die signifikanten Unterschiede in Bezug auf

➢ die soziale und berufliche Integration (in der Katamnesegruppe besser)

➢ das Alter (Altersdurchschnitt in der Katamnesegruppe um 3 Jahre höher) sowie

➢ das Behandlungssetting (im Schnitt eine 40 Wochen längere Betreuung bei den Katamneseteilnehmern sowie häufigere Einzelkontakte)

➢ die ICD-10 Diagnosen pathologisches Spielverhalten und Missbrauch von Substanzen, die keine Abhängigkeit hervorrufen (in der Katamnesegruppe häufiger)

bei der Beurteilung des Erfolgs der psychodramatischen Gruppentherapie an der PSB Sigmaringen Berücksichtigung finden müssen. Die oben beschriebene Selektion der Katamnesestichprobe ergab eine Patientengruppe, die als nicht repräsentativ für die Gesamtklientel der PSB Sigmaringen einzustufen ist. Es können demnach nach wissenschaftlichen Kriterien auch keine Vergleiche mit Ergebnissen aus Studien anderer Beratungsstellen gezogen werden.

Ein potentieller Behandlungserfolg muss bei dem vorliegenden Untersuchungsdesign ohne Randomisierung und ohne Kontrollgruppen kritisch betrachtet werden.

5.2 Ergebnisse der Katamneseuntersuchung

Im Hinblick auf die Ergebnisse der Katamneseuntersuchung ist in erster Linie das Erfolgskriterium Abstinenz von Interesse. Es soll in diesem Zusammenhang nochmals festgehalten werden, dass für diese Untersuchung der Begriff Abstinenz im Sinne von Suchtmittelfreiheit (während der letzten 6 Monate vor der Katamneseuntersuchung) definiert ist, weshalb auch die entsprechende Frage des Katamnesebogens „Wie beschreiben Sie selbst Ihren Umgang mit Suchtmitteln im letzten Jahr“ mit fünf Antwortkategorien (kein Suchtmittelkonsum mehr, nur gelegentlicher Konsum, wöchentlicher Konsum, täglicher/fast täglicher Konsum und täglich mehrmaliger Konsum) für die Auswertung in eine dichotome Variable (abstinent bzw. rückfällig) umgewandelt wurde.

Folgende Tabelle zeigt die Angaben der Klienten der PSB bezüglich ihres Suchtmittelkonsumverhaltens im letzten halben Jahr vor dem Katamnesezeitpunkt auf. Dazu ist zu bemerken, dass die Katamnesebefragung im Einzelfall ein bis vier Jahre nach der Therapie in der PSB stattfand, was auch im Hinblick auf den Zeitraum der Abstinenz eine große Spannbreite bedeutet. Vergleiche mit Ergebnissen aus anderen Studien werden durch den uneinheitlichen Katamnesezeitraum erheblich erschwert.

Abbildung 28: Angaben zum Suchtmittelkonsum während des letzten Halbjahres vor der Katamnesebefragung

[pic]

Die Abstinenzrate, die sich in der Katamneseuntersuchung ergibt, liegt bei 72,9 Prozent der Befragten (51 von insgesamt 70 Personen). Im Vergleich zu anderen Evaluationsstudien ambulanter Abhängigkeitsbehandlungen handelt es sich um einen sehr hohen Wert[92]. Elf der befragten Katamneseteilnehmer wurden im letzen halben Jahr rückfällig, acht Personen machten keine Angaben bezüglich ihres Suchtmittelkonsums. Zu dieser Gruppe ist zu sagen, dass bei sieben der acht Personen die Befragung mündlich durchgeführt wurde und bei vier Klienten eine Essstörung vorlag, bei der die Frage nach dem Suchtmittelkonsum nicht geeignet ist. Die Ermittlung der Abstinenz bei Essstörungen hätte über Angaben zur Gewichtszunahme oder die Häufigkeit an bulimischen Anfällen erfolgen können. Unter den 8 Katamneseteilnehmern, die die Frage nach dem Suchtmittelkonsum nicht beantwortet hatten, waren 4 Personen, bei denen eine Essstörung diagnostiziert worden war. Die für diese Patienten ungeeignete Fragestellung dürfte die Ursache für die Nichtbeantwortung gewesen sein. Warum die anderen 4 Personen diese Frage nicht beantworten wollten, ist unklar.

Betrachtet man die häufigsten Störungsbilder in Hinsicht auf die Abstinenzraten im Einzelnen, so ergibt sich folgendes Bild:

Abbildung 29: Abstinenzraten einzelner Störungsbilder im Vergleich

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In der Gruppe der Alkoholabhängigen (60 Personen) gaben lediglich 29,51 Prozent der Befragten an, in den letzten 6 Monaten vor der Katamneseuntersuchung nicht abstinent gewesen zu sein. Bei den Opiatabhängigen (4 Personen) waren es immerhin 50 Prozent der Katamneseteilnehmer.

Im Zusammenhang mit der Abstinenzrate muss erwähnt werden, dass sich 16 Katamneseteilnehmer (davon 11 Rückfällige) nach der Behandlung an der PSB im Katamnesezeitraum einer erneuten Behandlung unterzogen hatten. Die überwiegende Anzahl der Betroffenen befand sich in einer stationären Behandlung in einer suchtspezifischen Einrichtung (64,7 Prozent). In diesen Fällen kann die Abstinenz nicht eindeutig auf die Behandlung an der PSB Sigmaringen zurückgeführt werden. Des Weiteren ist zu beachten, dass sich die entsprechende Frage im Katamnesebogen auf den Suchtmittelkonsum im letzten halben Jahr vor der Katamnesebefragung bezieht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Abstinenzrate geringer ausfallen würde, wenn sich die Frage den gesamten Zeitraum nach der Behandlung erfassen würde.

Folgende Abbildung soll der Veranschaulichung der Verteilung der ICD-10 Diagnose „Abhängigkeitssyndrom“ in der Katamnesegruppe nach Substanzgruppen aufgeteilt dienen.

Abbildung 30: Verteilung der Häufigkeiten bestimmter Störungsbilder in der Katamnesegruppe (Mehrfachnennungen waren möglich)

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Die große Mehrheit der Katamneseteilnehmer zeigten ein Abhängigkeitssyndrom durch Alkohol (F10) (60 Personen, 85,7%), jeweils 4 Personen waren abhängig von Opioiden (F11) bzw. hatten Essstörungen (F50) (jeweils 5,7%), drei Personen waren Tabakabhängig (F17) (4,3%), 2 Personen waren abhängig von Cannabinoiden (F12) (2,9%) und eine Person von Substanzen, die keine Abhängigkeit hervorrufen (F55 – eigentlich „Missbrauch von nichtabhängigkeitserzeugenden Substanzen“, in der PSB wurde jedoch eine Abhängigkeit diagnostiziert; gemeint sind Arzneimittel und Naturheilmittel wie Laxanzien, Antidepressiva und Analgetika) (1,4%).

Schädlichen Gebrauch von Alkohol wiesen 5 Personen auf, von Substanzen, die keine Abhängigkeit hervorrufen 3 Personen, jeweils 2 Personen in Bezug auf Cannabinoide und Hypnotika bzw. Sedativa (F13), eine Person betrieb schädlichen Gebrauch von Opioiden und 3 Personen fielen unter die Diagnosegruppe pathologisches Spielverhalten (F63). In der Katamnesestichprobe gab es keine Diagnosen bezüglich Kokain (F14), andere Stimulantien (F15), Halluzinogene (F16) oder andere psychotrope Substanzen (F19).

Von großem Interesse ist in diesem Kontext natürlich die Frage nach den Ursachen für die Rückfälle[93]. Im Katamnesefragebogen beschäftigen sich einige Fragen (Frage 14-27) mit den Lebensumständen während des letzten halben Jahres vor der Katamneseuntersuchung. Frage 14 zielt direkt auf konkrete Situationen, die zum Suchtmittelkonsum beigetragen haben ab. Folgendes Diagramm stellt die Antworten auf diese Frage dar.

Abbildung 31: Suchtmittelkonsum begünstigende Situationen (Mehrfachnennungen waren möglich)

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Aus der Abbildung geht deutlich hervor, dass die Klienten hauptsächlich Situationen, in denen Streit, Ärger und Frust erlebt wurden, als Auslöser für einen Rückfall genannt haben. Es folgen Langeweile, Situationen in Partnerschaft und Familie sowie das Gefühl der Einsamkeit und Isolation. Nur je ein Mal wurden direkte Suchtmittelangebote, Probleme mit Polizei und Justiz sowie gesundheitliche Probleme als Rückfallssituationen angegeben. Situationen im Arbeitsbereich führten laut Angaben der Befragten in keinem der Fälle zum Suchtmittelkonsum.

Abbildung 32: Suchtmittelkonsum begünstigende Einstellungen (Mehrfachnennungen waren möglich)

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Als Einstellungen, die zu einem Rückfall in das abhängige Verhalten im letzten halben Jahr vor der Befragung geführt haben, wurden die Problembewältigung und die Entwicklung positiver Wirkungen bzw. positiver Gefühle am häufigsten genannt (je sechs Personen) gefolgt vom Konsum ohne ersichtlichen Grund (vier Betroffene) und dem Konsum auf Grund freudiger Ereignisse, gehobener Stimmung und Glücksgefühlen sowie der Kategorie „sonstiges“ (je zwei Personen). Die Antwortkategorie Konsum, um die eigene Willensstärke zu testen wurde von keinem der Katamneseteilnehmer genannt, sie erscheint prinzipiell sehr fragwürdig.

Abbildung 33: Abstinenz unterstützende Faktoren (Mehrfachnennungen waren möglich)

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Als protektive Faktoren gaben die überwiegende Anzahl der Befragten den eigenen Willen an (42 Personen). Weiters wurden als im Umgang mit der Abstinenz die Unterstützung durch Partner und Familie (24 Nennungen), durch Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen (je 16 Personen), den Arzt, den Betrieb und die Kollegen (je 8 Personen) als hilfreich bewertet.

Im Zusammenhang mit den Erfolgskriterien in Evaluationsstudien psychotherapeutischer Interventionen wurde in Kapitel 2.2 unter anderem das Konstrukt der Lebensqualität diskutiert. Wie bereits erwähnt enthält der, in dieser Untersuchung angewandte Katamnesefragebogen einige Fragen, die sich auf die subjektiv empfundene Zufriedenheit in bestimmten Lebensbereichen, die laut Definition für die Erfassung der Lebensqualität relevant sind, beziehen.

Folgende Tabelle soll die Mittelwerte der Zufriedenheit in den Bereichen Beruf bzw. Schule, physische und psychische Gesundheit und Freizeitgestaltung bei Abstinenten und Rückfälligen einander gegenüberstellen.

Abbildung 34: Mittelwerte der subjektiv empfundenen Zufriedenheit in verschiedenen Lebensbereichen bei abstinenten und rückfälligen Patienten im Vergleich.

1 = sehr zufrieden

6 = sehr unzufrieden

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Mit Ausnahme des Lebensbereichs Freizeitgestaltung zeigte sich in sämtlichen Skalen ein signifikanter Zusammenhang zwischen der subjektiv empfundenen Zufriedenheit der Befragten und deren Abstinenz. Diese Korrelation (zwischen mittlerem Ausmaß an Unzufriedenheit und Abstinenz beträgt die Korrelation: r = .38; p ≤ .01[94]) gilt insbesondere für den Bereich Beruf/Schule. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich Abstinente zum Zeitpunkt der Katamneseuntersuchung in fast allen Lebensbereichen als zufriedener einstufen als Patienten, die nach der Behandlung rückfällig wurden. Leider gibt es zu diesen Outcome-Kriterien keine prätherapeutischen Daten, ein Vergleich der Zufriedenheit mit bestimmten Lebensbereichen vor und nach der psychodramatischen Gruppentherapie ist nicht durchführbar.

Eine weitere, für diese Untersuchung relevante Frage des Katamnesebogens ist die nach den durch die Therapie veränderten Lebensbereichen. Diese Variable ist als vom Patienten subjektiv wahrgenommene therapeutische Wirksamkeit zu verstehen.

Abbildung 35: Durch die Therapie beeinflusste Lebensbereiche (Mehrfachnennungen möglich)

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Bei dieser Frage gab es sehr viele Mehrfachnennungen. Immerhin 17 (24%) Katamneseteilnehmer gaben alle angeführten Lebensbereiche an. Lediglich 5 Personen gaben an, dass kein Lebensbereich durch die Therapie verändert wurde. Dabei ist zu bemerken, dass Personen, die im Katamnesezeitraum einen Rückfall hatten, signifikant weniger Bereiche als verändert beurteilten. Bei den angegebenen Veränderungsbereichen liegt der Umgang mit Problemen mit 52 Nennungen knapp vor dem Selbstbewusstsein, das 47 Personen als durch die Therapie beeinflusst bewerteten. Die Situation am Arbeitsplatz wurde am seltensten (von 25 Personen) genannt. Es zeigte sich, dass bei einer größeren Anzahl an angegebenen Veränderungsbereichen häufiger abstinente Patienten zu finden waren. Kritisch zu bemerken ist, dass die Operationalisierung der therapeutischen Wirksamkeit mit der Frage im Katamnesebogen „Welche einzelnen Bereiche Ihres Lebens veränderten sich durch die Therapie?“ sowohl negative als auch positive Veränderungen einschließt.

Vergleicht man die Anzahl der als verändert genannten Lebensbereiche bei Abstinenten und Rückfälligen, so zeigt sich folgendes Bild:

Abbildung 36: Anzahl der veränderten Bereiche des Lebens von abstinenten und rückfälligen Katamneseteilnehmern

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Abstinente gaben signifikant mehr Lebensbereiche als durch die Therapie verändert an (p≤.005).

Abbildung 37: Vergleich der Art der Beendigung der Behandlung an der PSB zwischen Katamnesegruppe und Gesamtklientel

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Die Abbruchquote liegt bei der Gesamtklientel der PSB Sigmaringen doppelt so hoch wie bei der Katamnesestichprobe. Lediglich 20% der Teilnehmer an der psychodramatischen Gruppentherapie beendeten die Behandlung vorzeitig.

Die Ursache für dieses Ergebnis kann in der Tatsache liegen, dass die Motivation einen entscheidenden Faktor für die Teilnahme an der Psychodramagruppe darstellte.

Abbildung 38: Bewertung der PSB

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Die PSB Sigmaringen wurde von den Teilnehmern an der Katamnese sehr positiv beurteilt, wobei die Bewertung der Freundlichkeit und Fachkompetenz der Therapeuten am besten ausfiel (45 bzw. 41 Personen urteilten mit sehr gut, 22 bzw. 25 mit gut, keiner der Befragten bewertete die Therapeutenvariablen schlecht). Alle Katamneseteilnehmer gaben an, die PSB als empfehlenswert einzustufen. 69 der 70 Befragten würden die PSB bei erneuten Problemen wieder aufsuchen. Auf die Frage, ob das Angebot der PSB als ausreichend empfunden wurde, antworteten 58 Katamneseteilnehmer zustimmend. 12 Personen gaben an, dass die Angebote mehr an spezifische Probleme angepasst werden müssten.

Zusammenhänge zwischen Patientenmerkmalen, Behandlungsfaktoren und dem abstinenten bzw. dem rückfälligen Verhalten zum Zeitpunkt der Katamnese zeigten keine signifikanten Zusammenhänge. Zu vermuten ist, dass die sehr hohe Anzahl an Abstinenten (51 Personen) im Gegensatz zu den 11 Nicht-Absinenten dafür verantwortlich war.

Lediglich in Bezug auf das mittlere Ausmaß an Unzufriedenheit zum Katamnesezeitpunkt können folgende Aussagen getroffen werden: lag eine Beteiligung des Partners an der Therapie vor, waren die Klienten zufriedener (15 Personen, p ≤ .05), gab der Klient an, unter psychischen Störungen zu leiden (19 Personen, p ≤ .001), handelte es sich um eine Wiederaufnahme an der PSB (23 Personen, p ≤ .005) und zeigte sich eine Abhängigkeitsproblematik im familiären Umfeld (p ≤ .05), so waren die Betroffenen signifikant unzufriedener[95].

6. DISKUSSION

Das abschließende Kapitel soll vor allem der Beantwortung der Frage dienen, ob sich auf Grund der vorliegenden Arbeit unter Berücksichtigung bereits bestehender Studien sowie der Analyse der Berichte aus der psychodramatischen Praxis generalisierbare Aussagen bezüglich der Eignung der psychodramatische Methode in der Behandlung von Abhängigen treffen lassen.

Die Psychodramatherapie gilt in Österreich als staatlich anerkanntes Therapieverfahren, in Deutschland ist derzeit noch keine Anerkennung attestiert. Der wissenschaftliche Beirat Psychotherapie der Bundesärztekammer hat im „Gutachten zur Psychodramatherapie als wissenschaftliches Psychotherapieverfahren“ aus dem Jahr 2000 festgestellt, dass auf der Basis der im Antrag auf Anerkennung vorgelegten Originalarbeiten keine Aussagen zur Wirksamkeit der Psychodramatherapie getroffen werden konnten[96]. Auch die theoretischen Grundlagen der Methode wurden in dem oben genannten Gutachten kritisiert. Positive Erwähnung fanden hingegen „Grundlagenstudien, die als Fundierungen einzelner Elemente (unterschiedlicher Therapieverfahren) durchaus bedeutsam sein können (z. B. emotionale Veränderungen durch Rollentausch) (Wissenschaftlicher Beirat Psychotherapie, 2001, S. 351).

Im Gegensatz dazu kommen Grawe et al. (1994) in ihrer Metaanalyse über die Wirkung, Wirkungsweise und Indikation sämtlicher Psychotherapiemethoden in Bezug auf die vorliegenden Studien zur Evaluation der Psychodramatherapie zu folgendem Resümee: Trotz methodischer Mängel werden die Voraussetzungen für eine Wirksamkeitsprüfung in fünf der sechs analysierten Studien erfüllt. Das Psychodrama kann „als zusätzliche Komponente einer umfassenderen Behandlung einige Wirkungsnachweise für sich in Anspruch nehmen“ (ebd., S. 110). Diese Aussage gilt insbesondere für die Bereiche zwischenmenschlichen Beziehungsverhaltens und Persönlichkeit. Beides Bereiche, denen in der Behandlung Abhängiger auf der Basis gängiger Ätiologiemodelle eine entscheidende Bedeutung haben. Die Tatsache, dass das Psychodrama bei Grawe eher als Behandlungskomponente denn als allein ausreichende Behandlung betrachtet wird, liegt vor allem an den Untersuchungen, auf denen diese Analyse basiert: einerseits lagen im Gesamten betrachtet zu wenige empirische Befunde vor, die andererseits der psychodramatischen Therapie nicht den Stellenwert einer für sich allein genügenden therapeutischen Behandlung beimaßen. Die Ergebnisse der bislang durchgeführten Evaluationsstudien der Psychodramatherapie im Bereich der Störungen durch psychotrope Substanzen sind – wie bereits in Kapitel 3.1 erwähnt – durchwegs positiv.

Die vorliegende Studie hatte zum Ziel, Antworten auf folgende Fragen der PSB Sigmaringen zu liefern:

1) Kann an Hand der Ergebnisse bezüglich der allgemein geläufigen Erfolgskriterien der Behandlung Abhängiger – der Abstinenzrate sowie der allgemeinen Lebenszufriedenheit – ein Behandlungserfolg festgestellt werden?

2) Ist die psychodramatische Methode für die ambulante Therapie von Abhängigkeitserkrankungen geeignet?

3) Können Aussagen bezüglich der differentiellen Wirksamkeit unterschiedlicher Interventionstechniken und Behandlungselemente getroffen werden?

4) Können bestimmte Patientenmerkmale als Prädiktoren für den Behandlungserfolg festgestellt werden?

5) Wie ist die Qualität der Umsetzung des Therapiekonzepts in die Praxis zu beurteilen?

Im Folgenden sollen diese Punkte diskutiert werden, eine Zusammenfassung der methodischen Mängel leitet die Diskussion der Fragestellungen dieser Arbeit ein. Einschränkungen bezüglich der Aussagekraft empirischer Untersuchungen stellen sowohl den Leser als auch den Autor immer wieder vor Ernüchterungen. Auch in dieser Studie kann darauf nicht verzichtet werden. Es muss darauf hingewiesen werden, dass im Bereich der Evaluationsforschung ein dringender Bedarf an Vereinheitlichung und Standardisierung der Forschungsmethodik besteht. Wie bereits festgestellt, gab es in der vorliegenden Katamneseuntersuchung methodische Mängel und Probleme, die überwiegend aus dem Untersuchungsplan und aus unterschiedlichen Selektionseffekten resultierten:

➢ Der Katamnesezeitpunkt war für die Befragten uneinheitlich, die absolvierte psychodramatische Gruppentherapie lag unterschiedlich lang zurück (ein bis 4 Jahre nach der Behandlung), Vergleiche mit anderen Studien sind aus diesem Grund nicht aussagekräftig. Die Klienten nach Katamnesezeiträumen zu klustern und getrennt auszuwerten wäre bei einer größeren Stichprobe ein sinnvolles Vorgehen. Die Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (1992) rät in ihren ´Katamnesestandards` zu einer Mindeststichprobengröße von 50 Personen um statistische Testverfahren sinnvoll anwenden zu können. Für bestimmte Fragestellungen sind wesentlich größere Stichproben nötig.

➢ Leider fehlte im Rahmen des vorliegenden Untersuchungsdesigns eine Kontrollgruppe, was eine Aussage bezüglich der Wirkung der Psychodramatherapie im Vergleich zum natürlichen Verlauf der Störung bzw. im Vergleich zu anderen Behandlungsmethoden erheblich erschwert. Therapieunabhängige Einflussfaktoren können nicht ausgeschlossen werden.

➢ Auch die nicht vorgenommene Randomisierung der Katamnesestichprobe muss als methodischer Mangel betrachtet werden; auf Grund der, in Kapitel 5.1 beschriebenen Selektionsprozesse bei der Auswahl der Teilnehmer an der psychodramatischen Gruppentherapie (hier ist vor allem die Motivation der Klienten als Hauptkriterium zu nennen) ist eine Verallgemeinerung der Ergebnisse nicht uneingeschränkt vornehmbar. Auch der Schweregrad der Abhängigkeit, der mit dem ASI erfasst werden kann, stellt einen Faktor der Patientenselektion dar. Diese Parameter sind wichtig im Hinblick auf die Frage der externalen Validität (Generalisierbarkeit) der Ergebnisse.

➢ Ein Vergleich zwischen Katamnesestichprobe und Gesamtklientel der PSB Sigmaringen aus den Jahren 1992-1999 ergab signifikante Unterschiede bezüglich der sozialen und beruflichen Integration der Abhängigen. Es fanden sich mehr stabile Partnerschaften sowie weniger Arbeitslose in der Katamnesegruppe. Des Weiteren wurden die Katamneseteilnehmer an der PSB Sigmaringen intensiver betreut (längere Behandlungsdauer, mehr Einzel- und Gruppenkontakte). Die Katamnesestichprobe ist demnach nicht repräsentativ für die Gesamtklientel der PSB Sigmaringen.

Ad 1) Zunächst soll die Frage diskutiert werden, ob an Hand der vorliegenden Daten ein Behandlungserfolg festgestellt werden kann. Die, im Vergleich zu anderen Studien zur Evaluation von therapeutischen Interventionen bei Abhängigkeitserkrankungen, hohe Abstinenzrate von 72,9% (51 von 70 Katamneseteilnehmern) kann auch unter Berücksichtigung der methodischen Einschränkungen als positives Ergebnis im Hinblick auf die Einschätzung der Wirkung der psychodramatischen Gruppentherapie gewertet werden. In aktuellen Studien wird auch bei Untersuchungsdesigns ohne Randomisierung und ohne Kontrollgruppe bei entsprechenden Abstinenzraten von ´Behandlungserfolgen` gesprochen (z. B.: Mundle, Brügel, Urbaniek, Länge, Buchkremer & Mann, 2001).

In der allgemeinen Psychotherapieforschung wird von der Ein-Drittel-Regel ausgegangen: Ein Drittel der Patienten zeigt einen sehr guten Behandlungserfolg, ein Drittel kann als gebessert eingestuft werden und das letzte Drittel zeigt keinen Behandlungserfolg. Folgende Abbildung zeigt eine Übersicht über die Ergebnisse einiger Studien zur Behandlung von Alkoholabhängigen:

Abbildung 39: Überblicksarbeiten zur Behandlung von Alkoholabhängigen

Quelle: Feuerlein et al., 1998, S. 326

|Studie |Abstinent |Abstinent oder |Unge- |

| | |Gebessert |Bessert |

|Stationäre Behandlung | | | |

|Emrick (1974/1975) |33,8% |67,2% |32,8% |

|(113 bzw. 114 Studien mit | | | |

|Variabler Katamnesedauer) | | | |

| | | | |

|Baekeland u. Mitarb. (1975) | |48,8% |51,2% |

|(30 Studien) | | | |

| | | | |

|Costello u. Mitarb. (1977) | |26,0% |74,0% |

|(80 Studien mit 1-Jahres- | | | |

|Katamnesen) | | | |

| | | | |

|Feuerlein (1984) |7-23% | | |

|(15 Studien mit mindestens | | | |

|4-Jahres-Katamnesen) | | | |

| | | | |

|Süß (1995) |34,9% |76,6% |23,4% |

|(36 Studien, mittlere Kata- | | | |

|mnesedauer 15,2 Monate) | | | |

| | | | |

|Ambulante Behandlung | | | |

|(variable Katamnesedauer) | | | |

| | | | |

|Baekeland (1977) | |41,6% |58,4% |

| | | | |

|Küfner (1981) | |46,8% |53,2% |

Vergleicht man die Erfolgsquoten der oben genannten Studien mit der vorliegenden Abstinenzrate, so zeigt sich zwar ein sehr hoher Wert – zumal stationäre Therapien im Schnitt etwas höhere Besserungsraten aufweisen. Die unterschiedliche Patientenselektion sowie die unterschiedlichen Katamnesezeiträume müssen jedoch mitberücksichtigt werden. 16 Katamneseteilnehmer (davon 11 Nicht-Abstinente) gaben an, nach der Behandlung an der PSB Sigmaringen weitere Therapien in Anspruch genommen zu haben, diese Tatsache darf bei der Bewertung des Behandlungserfolgs nicht vergessen werden. Der Erfolg kann in diesen Fällen nicht ausschließlich auf die psychodramatische Gruppentherapie bezogen werden.

Auch die Definition des Kriteriums ´Abstinenz` spielt bei der Erfolgsmessung von Therapien bei Abhängigen eine entscheidende Rolle und ist im Vergleich der einzelnen Studien nicht einheitlich (siehe Kap. 2.2).

In der vorliegenden Untersuchung galten Klienten, die in den 6 Monaten vor der Katamneseuntersuchung keine psychotropen Substanzen konsumiert bzw. kein abhängiges Verhalten gezeigt hatten, als abstinent. Nicht ausgeschlossen werden kann jedoch, dass vor dem relevanten Zeitraum Rückfälle stattfanden. Für die Essstörungen und das pathologische Spielen sollten in Bezug auf das Kriterium Abstinenz im Katamnesefragebogen spezielle Items angeboten werden (´kein abhängiges Verhalten` anstelle von ´kein Suchtmittelkonsum`).

Als Rückfallursachen oder –auslöser gaben die Katamneseteilnehmer an erster Stelle Situationen an, in denen Streit, Ärger und Frust erlebt wurden an, gefolgt von Langeweile, Situationen in Partnerschaft und Familie und dem Gefühl der Einsamkeit und Isolation. Auch wenn später noch auf die Ergebnisse der Literaturrecherche eingegangen wird, so soll an dieser Stelle auf eine spezielle psychodramatische Technik hingewiesen werden: die Analyse der Rückfallsituationen kann in der psychodramatischen Therapie genutzt werden: in Kapitel 3.11 wurde die psychodramatische Technik des Probehandelns ausführlich beschrieben. Mit Hilfe dieser Methode können Situationen, die sich als besonders kritisch für die Abhängigen in der Rehabilitationsphase herausgestellt haben im Sinne eines Trainingsprogramms auf die Klientel abgestimmt und geübt werden. Diese Technik hat sich therapieschulenübergreifend in der Arbeit mit Abhängigen bewährt.

Neben der Abstinenz stellt die Lebensqualität einen weiteren entscheidenden Indikator für den Behandlungserfolg dar. Unter gesundheitsbezogener Lebensqualität versteht man die subjektiv vom Klienten erlebte Gesundheit, die laut Gesundheitsdefinition der WHO körperliche, psychische und soziale Aspekte einschließt. Der in dieser Studie angewandte Katamnesebogen enthält Fragen zu den Bereichen Zufriedenheit mit dem physischen und psychischen Gesundheitszustand, der Partnerschaft, Freizeitgestaltung und den generellen Lebensumständen.

Es können keine Aussagen bezüglich der Wirkung der psychodramatischen Methode auf die allgemeine Lebenszufriedenheit getroffen werden, da diesbezüglich keine prae-therapeutischen Daten erhoben wurden. Die Analyse der vorhandenen Daten zeigte lediglich, dass Abstinente signifikant häufiger angaben zufrieden zu sein als rückfällige Katamneseteilnehmer (r = .38, p ≤.01).

Zum methodischen Vorgehen und den verwendeten Messinstrumenten ist zu bemerken, dass die Messung subjektiver Kriterien für den Therapieerfolg schwierig ist. Unerwünschte Effekte entstehen häufig durch Offenheit, soziale Erwünschtheit, Klagsamkeit oder Methodenartefakte (Süß, 1988). Die Durchführung standardisierter Tests, vor allem in Bezug auf die allgemeine Lebensqualität bzw. die Lebenszufriedenheit vor und nach der therapeutischen Intervention würde die Beurteilung der Wirksamkeit der Behandlung in Hinblick auf Reliabilität und Validität verbessern. Als standardisierter Test zur Erfassung der allgemeinen Lebensqualität hat sich in internationalen Studien das Lancashire Quality of Life Profile (LQLP; Oliver, 1991) etabliert. Es existiert bereits eine deutsche Version von Priebe, Gruyters, Heinze, Hoffmann und Jäkel (1995). Mit Hilfe dieses Instruments kann die subjektive Lebensqualität sowohl global als auch in Bezug auf unterschiedliche Lebensbereiche erfasst und beurteilt werden. Süß (1988) empfiehlt in diesem Zusammenhang den FPI-R, besonders die Skalen Lebenszufriedenheit, Gehemmtheit, Beanspruchung, körperliche Beschwerden, Gesundheitssorgen, Extraversion, Emotionalität und Offenheit. Die Skala Offenheit wäre vor allem auch in Hinblick auf die Prüfung der Zuverlässigkeit der Patientenangaben von großem Interesse. Die revidierte Version des Freiburger Persönlichkeitsinventars ist ein faktorenanalytisch und itemmetrisch begründetes Persönlichkeitsverfahren. Die Konstruktbereiche (neben den oben genannten die soziale Orientierung, Leistungsorientierung und Aggressivität) wurden pragmatisch auf Grundlage von Erfahrungen der Autoren sowie Literaturanalysen ausgewählt. Auch die subjektive Zufriedenheit der Betroffenen mit der Behandlung sollte mit Hilfe von standardisierten Manualen erhoben werden.

Weitere im Kontext mit der Therapieerfolgsmessung interessante Messinstrumente sind die Skala 8 – körperliche Beschwerden – des FPI-R und eine Beschwerdenliste wie beispielsweise die Freiburger Beschwerdenliste (Fahrenberg, 1975). Auch die Münchner Lebensqualitäts-DimensionenListe (Heinisch et al., 1991), das Inventar interpersoneller Probleme (Horowitz et al., 2000) und Antonovskys Fragebogen zur Erfassung des Kohärenzsinns (SOC) werden als Messinstrumente in Evaluationsstudien von Abhängigkeitstherapien verwendet (Schiepek, Noichl, Tischler, Honermann & Elbing, 2001).

Eine weitere Möglichkeit zur Überprüfung der Validität der Angaben der Katamneseteilnehmer ist die Durchführung zusätzlicher Interviews und Befragungen wichtiger Bezugspersonen oder von Personen am Arbeitsplatz. Die Bewertung des Therapieerfolgs durch den Therapeuten ist einerseits ebenfalls subjektiv, andererseits ist eine quantitative Auswertung der in Gesprächen gewonnenen Daten nicht möglich. Die Evaluation des Erfolgs einer Behandlung über die Messung der Lernerfolge in Bezug auf den Erwerb von Verhaltens- und Handlungsstrategien in Rollenspielen wird nur selten durchgeführt. Die regelmäßige Überprüfung der Blutwerte kann ebenfalls als Kontrollmöglichkeit für abstinentes Verhalten herangezogen werden

Die hohe Lebenszufriedenheit der Klienten bzw. ihre Zufriedenheit mit der Behandlung können nur dann als Erfolgskriterium gewertet werden, wenn ein Vergleich mit Angaben vor Beginn der Therapie (oder ein Gruppenvergleich) angestellt werden kann. Bei einem hohen Wert ohne Vergleichsdaten kann auch angenommen werden, dass es sich dabei um eine State-Variable – eine temporäre Stimmung – des jeweiligen Patienten handelt. Diese Zusammenfassung der methodischen Probleme dieser Evaluationsstudie macht die Grenzen der empirischen Fundierung der Schlussfolgerungen deutlich.

Ad 2) Die soeben diskutierte Fragestellung knüpft an die zweite an: eine Eignung der psychodramatischen Methode in der ambulanten Therapie mit Abhängigen kann auf Grund des festgestellten Behandlungserfolgs vermutet werden. Die Analyse der Praxisberichte – auf die später noch genauer eingegangen wird – kommt zum selben Ergebnis.

Ad 3) Bezüglich der Frage nach der Wirksamkeit bestimmter Interventionstechniken kann keine differenzierte Antwort gegeben werden, da es im Katamnesefragebogen keine entsprechenden Items gibt. Es können diesbezüglich lediglich folgende Aussagen getroffen werden: Als protektive Faktoren gaben die überwiegende Anzahl der Befragten den eigenen Willen an (42 Personen). Da viele Psychodrama-Therapeuten aus ihrer Arbeit mit Abhängigen die Möglichkeit der Ich-Stärkung und die Entwicklung des Betroffenen zum aktiven Mitgestalter des eigenen Lebens mit Hilfe der psychodramatischen Methode besonders hervorheben, wäre ein Vergleich dieses Ergebnisses mit dem anderer Studien und Therapiemethoden äußerst interessant. Auch eine subjektive Einschätzung der Klienten hinsichtlich der positiven Wirkung der psychodramatischen Gruppentherapie beziehungsweise der in der Gruppe gewonnenen Einsichten könnte weitere Erkenntnisse hervorbringen. Das von der PSB Sigmaringen postulierte Kriterium der Motivation als Voraussetzung für eine psychodramatische Gruppentherapie muss in diesem Zusammenhang nochmals erwähnt werden, da die Motivation zur Abstinenz und Therapie einen moderierenden Einfluss auf die Wirkung der Behandlung zu haben scheint. Eine andere Hypothese wäre, dass zwischen Motivation und posttherapeutischem Zustand ein von der Therapie unabhängiger Zusammenhang besteht.

Bei den Veränderungsbereichen nannten 47 Katamneseteilnehmer das Selbstbewusstsein, was oben angeführte These bezüglich der Wirkung der psychodramatischen Therapie unterstützt. Weitere häufig genannte Antwortkategorien waren die Beziehung zu anderen Menschen (40 Personen) und die Familie bzw. Partnerschaft (41 Nennungen). Diese Bereiche betreffen einen weiteren äußerst wichtigen Zielkomplex der psychodramatischen Therapie mit Abhängigen – die Beziehungsprobleme bzw. die Rollendefizite der Betroffenen. Eine differentielle Wirksamkeit der psychodramatischen Behandlung in den Bereichen Ich-Stärke und Beziehungsfähigkeit kann gemutmaßt werden.

Ad 4) Ursprünglich ging man in der Therapieforschung davon aus, dass den Patientenmerkmalen weitaus größere Bedeutung für die Prognose des Behandlungsergebnisses zukommt als den Behandlungsmerkmalen. Aktuelle Vergleichsstudien (Miller & Hester, 1986) zeigten jedoch, dass keine bzw. nur minimale Unterschiede bestehen.

Süß (1988) fasst in seiner Meta-Analyse zur Evaluation von Alkoholismustherapie die wichtigsten Prognosevariablen für den Erfolg bei der Behandlung zusammen: in verschiedenen Studien konnten übereinstimmend folgende Variablen gefunden werden:

➢ Der Schweregrad der Abhängigkeit

➢ Psychische und physische Folgeschäden

➢ Stabilität und Unterstützung durch die Partnerschaft/Ehe

➢ Berufliche Stabilität

➢ Soziale Isolierung

➢ Unterstützung durch die Herkunftsfamilie

➢ Lebensraum mit mäßigem Alkoholkonsum

➢ Weitere Lebensprobleme

➢ Soziale Fertigkeiten und persönliche Ressourcen

➢ Selbstwirksamkeits- und Ergebniserwartung

➢ Änderungsmotivation/Erfolgserwartung

➢ Abstinenzmotivation

➢ Realistische Zielsetzungen für den Therapieverlauf und die individuelle Lebensplanung

➢ Wunsch nach Partizipation an Entscheidungen in der Behandlung

➢ Motivation zur Nachsorgebehandlung/Mitarbeit enger Bezugspersonen in der Rehabilitation

➢ Vorbereitung zur stationären Behandlung

➢ Nachsorgebedingungen

In der MEAT-Studie (Küfner & Feuerlein, 1989) fand man außerdem die Prognosemerkmale Wohnortgröße unter 100000, kein Suizidversuch, nicht vorher in einer Suchtfachklinik, nicht in Wohnheim oder obdachlos, in Eigenheim oder Wohneigentum.

In der vorliegenden Untersuchung konnten keine signifikanten Zusammenhänge zwischen einzelnen Patientenmerkmalen und der Variable Abstinenz festgestellt werden[97]. Probleme ergaben sich vor allem aus der Tatsache, dass eine zu starke Polarisierung vorhanden war (51 Abstinente und 11 Rückfällige). Auch die Symptomatik der Katamneseteilnehmer, die Behandlung und methodische Variablen zeigten keine Zusammenhänge. Die Zahl der Teilnehmer an der vorliegenden Katamnesestudie liegt zwar über der in den Hinweisen zur Nutzung der Katamnesestandards der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (1992) geforderten Mindestgröße von 50, ist jedoch für diese Fragestellung dennoch zu gering[98]. Hinsichtlich der Zusammenhänge zwischen Patientenmerkmalen und der von den Katamneseteilnehmern angegebenen Zufriedenheit können folgende Aussagen getroffen werden: bei Problemen mit psychischen Störungen zu Beginn der Behandlung, im Falle einer Suchtproblematik im familiären Umfeld und wenn es sich um eine Wiederaufnahme handelte gaben die Klienten in der Katamnesebefragung an, unzufriedener zu sein. Signifikant höhere Zufriedenheit fand sich bei Katamneseteilnehmern, bei denen der Partner an der Therapie teilgenommen hatte.

Ad 5) Zur Evaluation der Umsetzung des Therapiekonzepts in die Praxis kann die Bewertung der PSB Sigmaringen durch die Katamneseteilnehmer herangezogen werden, da die Qualität einer Therapie nicht ausschließlich über die Effektivität und die ökonomischen Aspekte beurteilt werden kann, sondern vor allem auch über die Akzeptanz durch die Patienten. Prinzipiell kann eine hohe Zufriedenheit der Klienten in Hinsicht auf unterschiedliche Aspekte der Behandlung in der PSB festgestellt werden. Mit sehr gut beurteilten 45 Personen die Freundlichkeit der Therapeuten, 41 Personen die Fachkompetenz, 22 bzw. 25 mit gut, keiner der Befragten bewertete die Therapeutenvariablen schlecht. Die PSB Sigmaringen wurde von allen Katamneseteilnehmern als empfehlenswert eingestuft. 69 der 70 Befragten gaben an, sich bei erneuten Problemen wieder in der PSB behandeln zu lassen.

Die Variable Zufriedenheit mit der Behandlung wird in der Literatur kritisch diskutiert, gewinnt jedoch als Aspekt der Qualitätssicherung in Evaluationsstudien zunehmend an Bedeutung. Es herrscht bislang keine Einigkeit darüber, ob Zufriedenheit als Trait- oder Statevariable zu definieren ist. Traits können als „relativ breite und zeitlich stabile Dispositionen zu bestimmten Verhaltensweisen, die konsistent in verschiedenen Situationen auftraten“ definiert werden (Amelang & Bartussek, 1990, S. 61/62). Mit dem Begriff State hingegen meint man temporäre Zustände oder Stimmungen, das würde im Zusammenhang mit der Variable Zufriedenheit bedeuten, dass diese von äußeren Umständen abhängt, im anderen Fall jedoch stabil und wenig beeinflussbar ist. Die Unterscheidung zwischen State- und Trait-Faktoren ist umstritten, da sie „in gewisser Weise willkürlich ist“ (Allen & Potkay, zit. n. ebd., S. 69).

In vielen Studien konnte kein relevanter Zusammenhang zwischen der subjektiven Patientenzufriedenheit und objektiven Erfolgskriterien einer Therapie gefunden werden (Hannöver, Dogs & Kordy, 2000). Ob die Zufriedenheit der Patienten tatsächlich Schlüsse auf die Effizienz und Qualität einer Behandlung zulässt, muss prinzipiell in Frage gestellt werden. Nicht unerwähnt bleiben darf, dass Patienten äußerst selten posttherapeutische Unzufriedenheit mit der Behandlung angeben. Die hohe festgestellte Zufriedenheit hätte in jedem Fall mehr Aussagekraft, wenn die Daten mit denen einer Kontrollgruppe verglichen werden könnten oder die Messung mit einem standardisierten Verfahren durchgeführt worden wäre. Ein international häufig angewandter Fragebogen zur Erfassung der Patientenzufriedenheit ist der ZUF-8 (Schmidt & Wittmann, 2002). Die diesbezüglichen Items im Katamnesefragebogen sind mit denen im ZUF-8 (8 Items) vergleichbar, haben jedoch nicht bei jedem Item 4 vorgegebene Antwortmöglichkeiten ohne eine „neutrale“ Antwortmöglichkeit. Der ZUF-8 ist kein spezifisches, jedoch ein gut geeignetes Verfahren zur Erfassung der Zufriedenheit mit psychotherapeutischer Versorgung.

Aussagen über die Beurteilung des Behandlungsprozesses sowie die Räumlichkeiten, die Erreichbarkeit der Einrichtung, die Behandlungsmethode und die allgemeine Stimmung können nicht getroffen werden, da der Katamnesefragebogen keine entsprechenden Items enthält.

Die Abbrecherrate war in der Katamnesegruppe gering: es gab keinen Abbruch durch die Einrichtung und lediglich 20% der Klienten (in der Gesamtklientel war die Rate doppelt so hoch) brachen die Therapie selbst ab. Vermutet werden kann ein Zusammenhang zwischen dieser geringen Rate und dem hohen Stellenwert, der der Motivation als Indikationskriterium für eine psychodramatische Gruppentherapie in der PSB beigemessen wird. Die geringe Abbrecherrate kann jedoch auch als Hinweis auf die Zufriedenheit der Patienten mit der Therapie gewertet werden. Ein vorzeitiger Therapieabbruch ist in der Regel ein negativer Prädiktor für den Behandlungserfolg (Feuerlein et al., 1998).

Für zukünftige Untersuchungen, mit denen Aussagen bezüglich der allgemeinen sowie der differentiellen Wirksamkeit der psychodramatischen Methode getroffen werden sollen, wird ein Untersuchungsdesign mit randomisierten Stichproben sowie einer bzw. mehreren Kontrollgruppen empfohlen. Bei unverändertem Untersuchungsplan können mit der Prüfung der Stabilität der Ergebnisse mittels weiterer Katamnesen und der Replikation der Befunde sicherere Aussagen getroffen werden. Eine Modifikation wäre jedoch in jedem Fall die bessere Variante.

Wünschenswert wäre auch ein Prä-Post-Vergleich (idealer Weise auch vor und nach der Motivations- und Beratungsphase) der subjektiven und objektiven Outcome-Kriterien, d. h. Erhebungen vor und nach der Therapie, um die persönlichen Veränderungen der Klienten unmittelbar nach Behandlungsende ohne Beeinflussung durch weitere Interventionen feststellen zu können.

Positiv zu bemerken ist, dass die Teilnahmequote von 63.6% (Klienten mit eigener Suchtthematik, ohne Angehörige: 40.5% - 70 Personen) an der Katamneseuntersuchung als relativ hoch bezeichnet werden kann und der dabei verwendete Katamnesefragebogen ein differenziertes Instrumentarium darstellt.

Im Zusammenhang mit den methodischen Mängeln muss nochmals darauf hingewiesen werden, dass sich die Behandlung in der PSB nicht auf die psychodramatische Gruppentherapie beschränkt, sondern auch Einzeltherapie sowie Entspannungstraining, Psychoedukation und Erlebnispädagogikelemente in den Behandlungsplan integriert wurden. Für die Beurteilung der Wirkung einer psychotherapeutischen Methode sollten die Wirkungen methodenfremder Behandlungselemente abgegrenzt werden können. Auch die Behandlungsdauer (die Teilnehmer an der Psychodramagruppe wurden im Schnitt 40 Wochen länger als die übrige Klientel der PSB betreut, und hatten deutlich mehr Einzel- und Gruppenkontakte) muss für Therapieerfolgsmessungen vereinheitlicht werden.

Es gab in der Bearbeitung der Daten keine Detail-Hypothesen, auf der Basis der Literaturrecherche und –analyse konnte jedoch von der Annahme ausgegangen werden, dass die Psychodramatherapie eine wirkungsvolle Behandlungsmethode in der Arbeit mit Abhängigen darstellt. Im Folgenden soll zusammenfassend auf die Analyse der zahlreichen Praxis- und Erfahrungsberichte eingegangen werden.

J.L. Moreno prägte den Ausspruch „Handeln ist heilender als Reden“ – für die Therapie mit Abhängigen kann im Hinblick auf deren spezifische Defizite diese These durchaus zur Diskussion gestellt werden. Das bloße Verbalisieren von intrapsychischen Konflikten und Beziehungsproblemen wird durch die szenische Darstellung in der Semirealität der psychodramatischen Bühne bereichert. Die Störungen durch psychotrope Substanzen bzw. das abhängige Verhalten wird im Psychodrama hauptsächlich als Ausdruck von Rollendefiziten in sozialen Beziehungen sowie in der Beziehung zu sich selbst verstanden. Das psychodramatische Krankheitsmodell und Verständnis dieser Störungen lässt sich jedoch sehr gut in die gängigen Theorien zur Ätiologie der Abhängigkeit als multifaktorielles Geschehen integrieren. Abhängigkeit entsteht in einem multikonditionalen Bedingungsgefüge – in der Behandlung dieser Störungen müssen sowohl biologische als auch psychologische und soziologische Aspekte berücksichtigt werden. Ein Grund dafür, das Psychodrama als sehr gut geeignete Therapiemethode bei Abhängigkeitserkrankungen zu bezeichnen ist, dass es an vielen Problembereichen ansetzt – Petzold (1970) bezeichnet das Psychodrama als „multilaterales therapeutisches Instrument“. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist, dass es eine Gruppentherapiemethode darstellt. Dieses therapeutische Setting hat in der Behandlung Abhängiger mehrere Vorteile:

➢ Die Behandlungsmotivation sowie die Motivation zur Abstinenz werden in der Gruppentherapie mit Gleichgesinnten über die Krankheitseinsicht gefördert. Zudem eignet sich das psychodramatische Spiel besonders dafür, das Wissen um die Abhängigkeit sowie die Einsicht in die Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitsstruktur und der konsumierten Substanz eindringlich zu vermitteln.

➢ Für viele Abhängige stellt die Tatsache, dass andere die gleichen Probleme und Emotionen haben, eine völlig neue Erfahrung dar, die ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt.

➢ Die Feststellung, in der Gruppe akzeptiert, verstanden und gebraucht zu werden, sowie das Rollenspiel im Allgemeinen haben positive Auswirkungen auf die soziale Kompetenz der Gruppenmitglieder, die ihnen den Wiederaufbau und die Neugestaltung ihrer durch die Abhängigkeit beeinträchtigten Beziehungen erleichtert und die für Abhängige charakteristische Selbstwertproblematik bessert.

➢ Die aktive Teilnahme an Selbsthilfegruppen wird erleichtert.

➢ In der psychodramatischen Gruppentherapie bieten sich zahlreiche Identifikations- und Erfahrungsmöglichkeiten.

➢ Im Gruppen-Setting im Allgemeinen und in der psychodramatischen Therapie im Speziellen hat das Lernen am Modell große Bedeutung. Die psychodramatische Technik des Probehandelns hat in diesem Zusammenhang einen besonderen Stellenwert.

➢ Das Psychodrama eignet sich auch hervorragend als Instrument zur Gruppendiagnostik. In diesem Zusammenhang sind die soziometrischen Techniken zu nennen, die vor allem die Bestimmung und Bearbeitung von Beziehungsnetzwerken zum Ziel haben und zudem das interpersonale Lernen, dem in der psychodramatischen Gruppentherapie besondere Bedeutung beigemessen wird, fördern.

Die wichtigsten therapeutischen Zielkomplexe in der psychodramatischen Behandlung von Abhängigen sind die Ich-Stärkung und die psychosoziale Nachreifung bzw. die Wiederbelebung des sozialen Atoms des Betroffenen. Das Psychodrama stellt eine Reihe von Interventionstechniken und Therapieelementen zur Verfügung um diese Problembereiche zu behandeln. In Bezug auf die bei Abhängigen häufig bestehenden Ich-Defizite sind vor allem die Technik des Doppelns und der Rollentausch zu nennen. Die für das Psychodrama charakteristische Orientierung am Hier-und-Jetzt trägt ebenfalls zur Ich-Stützung und -Stärkung bei. Beziehungsstörungen werden mit Hilfe der im psychodramatischen Spiel emotional durchlebten Konflikt- und Problemsituationen aufgearbeitet. Die Fixierung an passiv-orale Erwartungshaltungen und erstarrte Rollenrepertoires wird durch das handlungsorientierte Vorgehen aufgelöst. Vor allem die Loslösung von der Negativ-Rolle des „Abhängigen“ und der Rollenwechsel zwischen dem, der Hilfe annimmt und dem, der (als Hilfs-Ich) Hilfe anbietet sind in diesem Kontext wichtige therapeutische Faktoren. Spontaneität und Kreativität werden gefördert. Für Abhängige typische Affektblockaden können im Psychodrama in kathartischer Weise aufgelöst werden. Neue Verhaltensweisen im Umgang mit problematischen oder konfliktreichen Situationen (z. B.: Rückfallsituationen) werden spielerisch eingeübt, was zu einer erhöhten Selbstakzeptanz des Betroffenen führt.

Die in der Arbeit zitierten Erfahrungsberichte aus der psychodramatischen Therapie mit Abhängigen bieten einen Einblick in die Lebendigkeit und Vielseitigkeit der Methode. Des Weiteren ist festzustellen, dass die psychodramatische Methode im Bereich der Arbeit mit Abhängigen bereits ein sehr verbreitetes Behandlungsinstrument darstellt, das sich bislang in der Praxis außerordentlich gut bewährt hat. Einzelne Elemente der psychodramatischen Methode werden auch von anderen psychotherapeutischen Schulen in der Behandlung Abhängiger angewandt. Sämtliche in der Therapie von Abhängigen relevanten Zielkomplexe können mit Hilfe des breiten Spektrums an Interventionsmethoden der psychodramatischen Methode bearbeitet werden.

In diesem Zusammenhang soll auch erwähnt werden, dass das Moreno Institut Stuttgart und SZENEN – Institut in Bonn und Heidelberg eine 3-jährige Weiterbildung in psychodramatischer Suchttherapie anbietet. Diese Ausbildung umfasst die Vermittlung theoretischen und methodischen psychodramatischen Wissens unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung im Arbeitsfeld Abhängigkeit und wird vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger anerkannt. Die Weiterbildung in psychodramatischer Suchttherapie stellt einen weiteren Beleg für die gute theoretische und praktische Fundierung der Anwendung des Psychodramas im Bereich Abhängigkeitserkrankungen dar.

In Bezug auf die derzeit vorherrschende Orientierung an den Kosten und den Effizientkriterien therapeutischer Interventionen ist abschließend zu sagen, dass diese der Qualität dieser Behandlungen nicht immer zuträglich ist. Evaluationsstudien sollten weniger unter dem Rationalisierungsaspekt, als im Sinne einer „Rückmeldeschleife im kontinuierlichen Optimierungsprozess des Systems Suchttherapie“ gesehen werden (Beck, 1995, S. 28).

Am Ende dieser Arbeit soll der Hoffnung Ausdruck verliehen werden, dass der Wert und die positive Wirkung der Psychodramatherapie für die Therapielandschaft im Allgemeinen und in der Arbeit mit Abhängigen im Besonderen in dieser Studie zum Ausdruck gebracht werden konnten und diese auch in weiteren Analysen mit verbesserten Untersuchungsplänen bestätigt werden.

7. Zusammenfassung

DIE VORLIEGENDE STUDIE DIENT DER EVALUATION PSYCHODRAMATISCHER GRUPPENTHERAPIE VON ABHÄNGIGKEITSERKRANKUNGEN. AUF DER BASIS DER ANALYSE RELEVANTER PSYCHODRAMATISCHER PRAXISBERICHTE SOWIE DEM AKTUELLEN STAND DER KENNTNISSE IN DER PSYCHOTHERAPIEFORSCHUNG WERDEN DIE ERGEBNISSE DER KATAMNESEERHEBUNG DER PSYCHOSOZIALEN BERATUNG- UND BEHANDLUNGSSTELLE SIGMARINGEN DISKUTIERT. IN DIE STICHPROBE GINGEN 70 KLIENTEN – HAUPTSÄCHLICH ALKOHOLABHÄNGIGE – EIN, DIE IN DEN JAHREN 1993-1997 AN EINER AMBULANTEN PSYCHODRAMATISCHE GRUPPENTHERAPIE TEILGENOMMEN HATTEN. DIE AUSSCHÖPFUNGSRATE LAG BEI RUND 64%.

Die Untersuchung fand ohne Kontrollgruppe statt, weshalb ein Vergleich mit der Gesamtklientel der PSB durchgeführt wurde. In der Katamnesegruppe zeigten sich signifikante Unterschiede bezüglich der sozialen und beruflichen Integration sowie eine längere Behandlungsdauer.

Die Fragestellung der Untersuchung bezog sich vor allem auf die Feststellung der Eignung der psychodramatischen Gruppentherapie für die ambulante Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen sowie den Prognosevariablen für den Therapieerfolg.

Als Messinstrumente wurden der EBIS-A Grunddatenbogen, der von der Deutschen Hauptstellen gegen die Suchtgefahren in Zusammenarbeit mit dem Institut für Therapieforschung entwickelt wurde, und ein auf den Dokumentationsstandards für die Behandlung von Abhängigen der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie und dem SEDOS-Nachbefragungsbogen der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren und dem Institut für Therapieforschung basierender Katamnesefragebogen angewendet.

Die Katamneseerhebung fand 1998 statt, ein bis vier Jahre nach der Behandlung. Es wurde eine Abstinenzrate von 72,9% erreicht. Bei den abstinenten Klienten zeigte sich eine signifikant höhere Zufriedenheit mit unterschiedlichen Lebensbereichen als bei den Rückfälligen (r = .38, p ≤.01). In Bezug auf die Abstinenz konnte kein Zusammenhang mit Merkmalen der Klienten, der Symptomatik oder der Behandlung festgestellt werden. Die Zufriedenheit mit unterschiedlichen Lebensbereichen war zum Zeitpunkt der Katamneseuntersuchung höher, wenn zu Beginn der Behandlung keine Probleme mit psychischen Störungen vorlagen, wenn es sich nicht um eine wiederholte Behandlung an der PSB handelte, wenn der Partner an der Therapie teilgenommen hatte und wenn keine Probleme mit Abhängigkeit im familiären Umfeld vorhanden waren.

Die Patientenzufriedenheit mit der Behandlung in der PSB Sigmaringen wurde von der überwiegenden Anzahl der Katamneseteilnehmer mit „sehr gut“ und „gut“ bewertet.

In der Zusammenschau der Ergebnisse der Untersuchung sowie der psychodramatischen Praxisberichte kann von einem Behandlungserfolg und einer positiven Wirkung der psychodramatischen Gruppentherapie in der ambulanten Behandlung von Abhängigkeitserkrankten gesprochen werden.

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[1] Vorweg ist anzumerken, dass sich die vorliegende Arbeit zwar auf sämtliche Störungsbilder abhängigen Verhaltens bezieht, viele Zahlen und Beispiele jedoch ausschließlich auf den Bereich Alkoholismus abzielen, da dies die am weitesten verbreitete und am besten beforschte Diagnose unter den Abhängigkeitserkrankungen darstellt. Besonderheiten anderer Störungsbilder werden in der Arbeit berücksichtigt.

[2] Kriterien für Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen nach dem ICD-Klassifikationssystem siehe Kapitel 2.1.4.1.

[3] Als Übersterblichkeit bezeichnet man die über das Normalniveau hinausgehende Sterblichkeit einer Population.

[4] Zum Klassifikationssystem ICD-10 und den beschriebenen Diagnosegruppen siehe Kapitel 2.1.4.

[5] Siehe Kapitel 2.1.4.1: ICD-10 Klassifikation – Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen.

[6] Näheres zum ätiologischen Erklärungsansatz in der psychodramatischen Theorie in Kapitel 3.6.

[7] Zu den Möglichkeiten im Bereich Prävention von Abhängigkeitserkrankungen siehe Kapitel 2.1.7.

[8] Probleme des Selbstwertgefühls und des Selbstbildes werden in der psychoanalytischen Theorie hauptsächlich unter dem Begriff Narzissmus abgehandelt.

[9] Näheres zu den Dokumentations- und Informationssystemen der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren in den Kapiteln 4.4.2.1 und 4.4.2.2.

[10] Das SKID-I und II dienen der schnellen und validen Diagnosenstellung nach DSM-IV. Das SKID ist das international am häufigsten verwendete klinische Interview.

[11] Das CIDI ermöglicht als valides und reliables diagnostisches Interview die Diagnostik von 64 Störungen nach den Kriterien des ICD-10 und des DSM-VI, die Erfassung von Komorbidität, Beginn und Verlauf psychischer Störungen sowie der mit ihnen assoziierten psychosozialen Beeinträchtigungen. Es ist auch als computergestützte Version erhältlich.

[12] Eine PC-Version für den deutschsprachigen EuropASI ist auf der Homepage des IFT herunter zu laden:

[13] Im RCQ werden mit 12 Items werden über drei Subskalen die Veränderungsdimensionen Ahnung, Absicht und Umsetzung erfasst.

[14] Das Kreismodell von Prochaska und DiClementi ist in Kapitel 2.1.3.2 erläutert.

[15] Zur Technik des Sozialen Atoms siehe auch Kapitel 3.11.

[16] Das Kulturelle Atom als psychodramatische Technik wird in Kapitel 3.11 eingehend erläutert.

[17] Das psychodramatische Erklärungsmodell abhängigen Verhaltens wird in Kapitel 3.6 beschrieben.

[18] Siehe Kapitel 3.6

[19] Die von unterschiedlichen Autoren im Zusammenhang mit der psychodramatischen Therapie bei Abhängigkeitserkrankungen genannten Techniken werden in Kapitel 3.11 ausführlich erläutert.

[20] Die gängigen Screeningverfahren bei Verdacht auf Abhängigkeitserkrankungen sind in Kapitel 2.1.4.2 beschrieben.

[21] Nähere Informationen zur Technik des Motivational Interviewing: Mid-atlantic addiction technology transfer center, 2002, Project MATCH Research Group, 1998, Miller 1998 und o. J.

[22] Der medikamentöse Placebo-Begriff ist nicht auf die Psychotherapie übertragbar. Psychotherapeutische Placebo-Behandlungen stellen Kontrollbedingungen mit zumindest geringer Behandlung dar.

[23] Z. B.: Kognitive Verhaltenstherapie bei Depression versus Antidepressivum.

[24] Z. B.: Veränderung des Parameters Sitzungsdauer (45/90 Minuten) oder Hinzufügen von Entspannungsübungen.

[25] In sog. Quasiexperimentellen Studien werden die Patienten nach klinisch-praktischen Gesichtspunkten unterschiedlichen Behandlungen zugeordnet, es erfolgt keine Randomisierung, die externale Validität ist größer.

[26] Variationsmöglichkeiten bei TherapeutInnen-Merkmalen sind z. B. die Erfahrung.

[27] Als PatientInnen-Merkmal kann z. B. die Diagnose variiert werden.

[28] Zu den unerwünschten Wirkungen zählen Therapieablehnung trotz Indikation, Drop-Out-Raten, Rückfälle usw.

[29] Zum Konzept der Harm-reduction siehe Kapitel 2.1.6.

[30] Zu den Kriterien des Therapieerfolgs siehe auch Kapitel 4.4.2.2.

[31] Zur Veranschaulichung dieser Theorie siehe Kapitel 2.1.3.2, in dem das Kreismodell von Prochaska und DiClementi beschrieben wird. Rückfälle werden in diesem Modell als „natürlicher“ Teil des Verlaufs einer Abhängigkeitserkrankung betrachtet.

[32] Der Katamnesefragebogen befindet sich im Anhang A.

[33] Die in der allgemeinen Psychotherapieforschung bekannte Ein-Drittel-Regel besagt, dass ein Drittel der Patienten einen sehr guten Behandlungserfolg aufweist, ein weiteres Drittel als gebessert eingestuft werden kann und dass sich beim letzten Drittel kein Behandlungserfolg einstellt.

[34] Die im Folgenden zitierten Studien beziehen sich auf die Behandlung von Alkoholabhängigen. Die differentielle Wirksamkeit verschiedener Behandlungsfaktoren in der Therapie Abhängiger ist ein noch wenig beforschter Bereich.

[35] Die Motivationsentwicklungstherapie (Motivational Enhancement Therapy, MET) basiert auf dem Konzept des Motivational Interviewing, das in Kapitel 2.1.7.2 beschrieben ist.

[36] Anonyme Alkoholiker

[37] Süß stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die Behandlungsdauer in Deutschland im Schnitt viermal länger ist als in anderen Ländern.

[38] Auf methodische Mängel im Untersuchungsdesign wird in Kapitel 5 sowie im Diskussionsteil genauer eingegangen.

[39] Die Abkürzung SHG steht für Selbsthilfegruppe.

[40] Der Katamnesefragebogen wird in Kapitel 4.4.2.2 vorgestellt und befindet sich im Anhang A.

[41] Eine Zusammenfassung der im Bereich Abhängigkeit relevanten Psychodramaliteratur liefert Geßmann (1998).

[42] Siehe Kapitel 4.2.

[43] Nähere Informationen zur „Empfehlungsvereinbarung über die Zusammenarbeit der Krankenversicherungsträger und der Rentenversicherungsträger bei der Rehabilitation Abhängigkeitskranker“ unter: DHS, dhs.de/reihe/suchtver.htm.

[44] Das organische Psychosyndrom (auch hirnorganisches, psychoorganisches oder amnestisches Syndrom) kann bei Hirnschädigungen durch toxische Noxen wie z. B. Alkohol auftreten. Umschriebene Hirnschädigungen führen zunächst zu einem hirnlokalen Psychosyndrom, das sich durch Störungen des Grundantriebs, der Stimmung und anderer Einzelleistungen bei zu Beginn weitgehend intaktem Intellekt äußert. Im weiteren Verlauf kommt es zu Störungen des Gedächtnisses, der Auffassung, der Orientierung und des Denkens sowie der Affekte. Das organische Psychosyndrom kann bis zu einem Persönlichkeitswandel bzw. –zerfall führen (Pschyrembel Klinisches Wörterbuch, 1986).

[45] Zur psychodramatischen Erwärmungsphase siehe Kapitel 3.11.

[46] Eliasoph verwendet in seiner Erklärung der Ursachen der Abhängigkeit einen Begriff aus dem psychoanalytischen Sprachgebrauch: Die orale Phase stellt die erste Stufe der Libidoentwicklung dar, in der die sexuelle Lust überwiegend an die Reizung der Mundhöhle und der Lippen, die bei der Nahrungsaufnahme erfolgt, gebunden ist. Der Beziehungsmodus, der in dieser Phase aktiviert ist, ist die Einverleibung (Laplanche & Pontalis, 1994, S. 361/362).

[47] Zur Technik der Zukunftsprojektion siehe Kapitel 3.11.6

[48] Befreiung der Emotionen (Übers. d. Verf.)

[49] „der es ihm leicht macht, die Rolle des Protagonisten im psychodramatischen Spiel anzunehmen. Er liebt das Selbstgespräch und es fällt ihm nicht schwer, sich darzustellen“ (Übers. d. Verf.).

[50] Als Soziodrama bezeichnet man in der psychodramatischen Methode eine Anwendungsform des Psychodramas, das Beziehungen zwischen Gruppen und kollektiven Idealen behandelt (Zeintlinger-Hochreiter, 1996).

[51] Der TTCT basiert auf dem Konzept des divergenten Denkens (Guilford). Die Probanden werden aufgefordert, nicht die einzig richtige bzw. beste Lösung, sondern sich so viele Antworten wie möglich zu einem Problem/einer Fragestellung zu finden. Der TTCT umfasst folgende Subkategorien kreativen Denkens: Problemsensitivität, Flüssigkeit, Flexibilität, Redefinition und Elaboration.

[52] Die psychodramatische Technik der Symbolbildung wird in Kapitel 3.11.9 beschrieben.

[53] Diese Interventionsform ist auf die Gegenwart bezogen und dient der Klärung von aktuellen Beziehungsproblemen. Den Rahmen für diese Technik bildet das Soziale Atom (Krüger, 1994).

[54] Zur Technik des Sozialen Atoms siehe Kapitel 3.11.4.

[55] Siehe Kapitel 3.11.13.

[56] Diesen Begriff prägte Moreno in seinem Ausspruch „Jedes wahre zweite Mal ist die Befreiung vom ersten“.

[57] Die Studie Woods wird in Kapitel 3.1 beschrieben.

[58] Zu den therapeutischen Zielen bei Abhängigkeitserkrankungen siehe Kapitel 2.1.5.

[59] Auf diese Technik wird in Kapitel 3.11 Bezug genommen.

[60] Jeder verwendet die Techniken, mit denen er sich am wohlsten fühlt (freie Übersetzung d. Verf.)

[61] Beim Blitzlicht teilt jedes Gruppenmitglied seine momentane emotionale Befindlichkeit mit.

[62] Der Leiter der psychodramatischen Gruppe.

[63] Die geschilderte Szene stammt aus einem Artikel (Weiner, 1966), der eine Zusammenfassung von Tätigkeitsberichten liefert, die am 2. International Congress of Psychodrama in Barcelona vorgestellt wurden.

[64] Zur Technik des Sozialen Atoms siehe Kapitel 3.11.4.

[65] Siehe Kapitel 3.6.2.

[66] Das von der PSB Sigmaringen in diesem Zusammenhang verwendete Behandlungsblatt „Soziales Atom“ befindet sich im Anhang B.

[67] Krüger (1994) beschreibt im Zusammenhang mit der erweiterten Auseinandersetzung mit Beziehungskonflikten die Möglichkeit der Anwendung von Selbstsymbolen, die zu bestimmten Personen aus dem Sozialen Atom des Betroffenen in Beziehung gesetzt werden.

[68] Die Empfehlungsvereinbarung Ambulante Rehabilitation Such ist bei Tasseit (1994) zu finden.

[69] Die Empfehlungsvereinbarung Sucht wird von den Bundesverbänden der gesetzlichen Krankenkassen, dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger und der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe erarbeitet und definiert. Vereinbart werden Grundsätze, Begriffe und Regelungstatbestände der kurativen und rehabilitativen Hilfe für Suchtkranke. „Ziel der Vereinbarung ist die menschenwürdige, am körperlichen, seelischen und sozialen Wohl der abhängigkeitskranken Bürger orientierte umfassende und bundeseinheitliche Hilfe – auch durch Hilfe zur Selbsthilfe – auf der Grundlage der Gesundheits- und Sozialgesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland. Die erbrachten Leistungen müssen dabei ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein (§§70, 12 SGB V, zit. n. Arbeitsvorlage zur Empfehlungsvereinbarung Sucht, 1999, S. 5).

[70] Das Modell wurde in Kapitel 2.1.5 vorgestellt.

[71] Nähere Informationen zum EBIS-Dokumentationssystem in Kapitel 4.4.2.1.

[72] Dieser Selbsttest befindet sich im Anhang C oder unter



[73] In Kapitel 3.8 wurde bereits auf die besondere Bedeutung der Gruppe als therapeutisches Agens in der Behandlung Abhängiger hingewiesen.

[74] Die Erhebungsbögen befinden sich im Anhang D 1-6.

[75] Der EBIS-Verlaufsbogen befindet sich im Anhang E.

[76] Die Risikoliste zur Abschätzung der Selbstmordgefahr befindet sich im Anhang F.

[77] Einzelheiten zu den Vereinbarungen vor Gruppenbeginn finden sich in der „Einladung zur Gruppentherapie“ finden sich im Anhang G.

[78] Diese sowie die folgenden Ausführungen zur konkreten psychodramatischen Arbeit in der PSB Sigmaringen basieren auf Informationen, die von Herrn Harter, dem Gruppenleiter, der auch der Leiter der PSB ist, in einem persönlichen Gespräch weitergegeben wurden (Gespräch vom 24.07.2001).

[79] Eine detaillierte Ausführung zur psychodramatischen Technik des Sozialen Atoms ist im Kapitel 3.11.4. zu finden.

[80] Näheres zu den Evaluationskriterien in Kapitel 2.2.

[81] Das Schreiben befindet sich im Anhang H.

[82] Näheres zum System und Programm EBIS unter

[83] Der EBIS-A Grunddatenbogen befindet sich im Anhang I.

[84] Der Katamnesefragebogen ist im Anhang A zu finden.

[85] Das Behandlungsblatt konnte aus Datenschutzgründen im Rahmen dieser Studie nicht eingesehen werden. Die Daten des EBIS-Systems sind verschlüsselt.

[86] Original-Fragebogen ist im Anhang J zu finden.

[87] Die Unterlagen sind im Anhang K 1-7 zu finden.

[88] Nähere Informationen zur EBIS-Systemfamilie unter: üre2003.pdf

[89] Auf die für die Analyse der Daten verwendeten Verfahren wird in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen – sie sind im SPSS-Handbuch (Bühl & Zöfel, 2000) erläutert.

[90] Bei allen Klienten, die die PSB Sigmaringen aufsuchen, kommt der EBIS-A Grunddatenbogen zur Anwendung. Der Aufbau der folgenden Tabelle ist an diesem Bogen orientiert.

[91] Die Einzeltherapie wird vor psychodramatischem Hintergrund und mit entsprechenden Interventionen durchgeführt (die Information stammt aus einem persönlichen Gespräch mit dem Leiter der PSB Sigmaringen vom 24.07.2001).

[92] Pfeiffer, Fahrner & Feuerlein (1987) stellten eine Abstinenzrate von 52% für die ambulante Therapie mit Alkoholabhängigen fest. Bei Soyka et al. (1997) betrug die Abstinenzquote in ähnlichem Setting 48%.

[93] Zum aktuellen Stand der Rückfallforschung siehe Kapitel 2.2.

[94] Die durchschnittliche Unzufriedenheit der Katamneseteilnehmer wurde aus den Daten zur Zufriedenheit mit dem psychischen und physischen Gesundheitszustand, mit der Partnerbeziehung, mit der beruflichen bzw. schulischen Situation, der Freizeitgestaltung sowie mit den generellen Lebensumständen berechnet. Die Werte wurden addiert und durch die Anzahl der Werte geteilt.

[95] Die Berechung erfolgte über schrittweise multiple Regressionen.

[96] Im Text des Gutachtens wird der Sachverhalt folgendermaßen dargestellt: „Zur Prüfung vorgelegt wurden insgesamt circa 50 Originalarbeiten (von einer Seite bis circa 250 Seiten, von Diplomarbeiten bis zu Zeitschriftenbeiträgen, zum Teil unpublizierte Arbeiten). Nach Einschätzung des Wissenschaftlichen Beirates Psychotherapie erfüllt nicht eine einzige Arbeit die vom Wissenschaftlichen Beirat erstellten Mindestanforderungen“ (Wissenschaftlicher Beirat Psychotherapie, 2001, S. 351).

[97] Die Berechnung erfolgte über schrittweise vorwärts gerichtete Regressionsanalysen.

[98] Im Text der DGSS heißt es dazu: „ eine Stichprobengröße von 50 erscheint als Mindestgröße, wenn man Datenausfälle berücksichtigt und an die Anwendung statistischer Testverfahren denkt. Die Stichprobengröße ist also in hohem Maße abhängig von der Fragestellung: um differenzierte Aussagen zur Indikation machen zu können sind beispielsweise sehr viel größere Stichproben erforderlich als zur Feststellung des Therapieerfolgs eines bestimmten Behandlungsprogramms (Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie, 1992, S. 118).

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Zu sich

selbst

Nachdenkliche Musterung / „Na ja“

2

Oberfläch-

lich Be-

kannter

Guter

Bekannter

Arbeits-

kollege

mehrere

Bekannte

oder Ver-

wandte

Vor-

gesetz-

ter,

Meister

Eltern

Ehefrau,

Kinder

Einfaches „Nein“

„Nein danke, ich

darf keinen Alkohol

trinken“

„Ich muss unbedingt

völlig abstinent

Leben“

„Ich bin alkohol-

krank“

„Wenn ich jetzt ein

Glas trinke, werde

ich rückfällig“

Eisiges Schweigen / Unverständnis

Versuch umzustimmen

1

Macht sich lustig / Spott, Hohn

3

7

4

5

1

1

2

2

3

3

4

4

5

5

6

Bezugs-

Person

Partner

Handlung

6

Konsequenz

Spannung weicht / Verständnis

Ambulante Gruppen-

psychotherapie (offene oder

geschlossene Gruppen) /

Einzelpsychotherapie

Ambulante Gruppen-

psychotherapie (offene oder

geschlossene Gruppen) /

Einzelpsychotherapie

Nachsorge

ambulant: Praxis, Beratungsstelle,

Selbsthilfegruppen

stationär: Rehabilitationsheime

Entwöhnung

ambulant: Praxis, Beratungsstelle,

Selbsthilfegruppen

stationär: Fachklinik

Entgiftung

ambulant: Praxis

stationär: Allgemeinkrankenhaus

Beratungsstellen unterschied-

licher Institutionen

Erstkontakt

Motivierung

ambulant: Praxis, Beratungsstelle,

Selbsthilfegruppen

stationär: Nervenklinik u. a.

Ärztliche Praxis / psychiatri-

sche oder psychotherapeutische

Praxis

[pic]

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