Prof. Gerhard Köbler



Köbler, Gerhard, Zielwörterbuch europäischer Rechtsgeschichte, 7. Auflage 2019. 80 20200307. Fassung

(14385 Absätze, 818100 Wörter, 5904800 Zeichen)

A

A. A. (lat. [M.]) ist die Abkürzung für den abstrakt Aulus Agerius genannten Kläger des römischen →Formularprozesses.

Lit.: Söllner § 9

Aachen ist der ohne nachweisbare Kontinuität zu einer römischen Siedlung an den Ausläufern des Hohen Venn 765/766 als fränkische königliche →Pfalz erscheinende Ort, der nach der Reichsteilung 843/877 in eine Randlage gerät. Von 936 (Otto I.) bis 1531 (Ferdinand I.) ist es Krönungsstätte der deutschen Könige (mit Thronsetzung auf einen Marmorthron). 1071 wird A. (lat. [N.]) oppidum genannt, 1087 werden [lat. M. Pl.) cives erwähnt. In den 1120er Jahren kommt ein Stadtsiegel auf. 1166 erhält A. besondere Rechte. Die 1192 neben der Gesamtheit der Bürger nachweisbaren →Schöffen entwickeln sich seit 1134 (?) zu einem bedeutenden →Oberhof für teilweise bis zu 200 meist aus Reichsgut stammende Gerichte. Bis 1254 wird A. freie →Reichsstadt (Reichslandstadt) bis zu der Besetzung durch Frankreich (1794). Über Preußen (1815) gelangt es 1946 zu Nordrhein-Westfalen.

Lit.: Loersch, H., Achener Rechtsdenkmäler, 1871; Schwabe, W., Der Aachener Oberhof, 1924; Schwabe, W., Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 47 (1925), 48/49 (1926/1927); Herkens, R., Der Anspruch Aachens auf Krönung der deutschen Könige nach 1531, Diss. jur. Bonn 1959; Regesten der Reichsstadt Aachen, bearb. v. Mummenhoff, W. u. a., 1961ff.; Falkenstein, L., Der „Lateran“ der karolingischen Pfalz zu Aachen, 1966; Aachener Urkunden, bearb. v. Meuthen, E., 1979; Kraus, T., Jülich, Aachen und das Reich, 1988; Die Aachener Stadtrechnungen des 15. Jahrhunderts, bearb. v. Kraus, T., 2004; Herrmann, T., Anfänge kommunaler Schriftlichkeit, 2006; Tschacher, W., Königtum als lokale Praxis, 2010; Aachen, hg. v. Kraus, T., Bd. 1f. 2011ff.; Duchhardt, H., Der Aachener Kongress 1818, 2018

Aargau ist das um die Aare gelegene Land, das als A. 763 erstmals erscheint. 1415 erobert die Eidgenossenschaft der →Schweiz Teile des Gebiets. 1798/1803 wird daraus der Kanton A., der 1831 eine liberale Verfassung erhält.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Merz, W. u. a., Die Rechtsquellen des Kantons Aargau, Teil 1ff. 1898ff.; Merz, W., Mittelalterliche Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau, 1906; Nabholz, H., Der Aargau nach dem habsburgischen Urbar, Argovia 33 (1909); Dubler, H., Der Kanton Aargau und das Bistum Basel, 1921; Merz, W., Die Jahrzeitbücher der Stadt Aarau, Teil 1f. 1924ff.; Merz, W., Geschichte der Stadt Aarau im Mittelalter, 1925; Aargauer Urkunden, Teil 1f. 1931ff.; Strebel, K., Die Verwaltung der freien Ämter im 18. Jahrhundert, 1940; Werder, M., Die Gerichtsverfassung des aargauischen Eigenamtes, 1941; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,440; Geissmann, H., Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch für den Kanton Aargau (1847-1855), 1991

Abandon ist die wohl im spätmittelalterlichen italienisch-französischen Seerecht entstehende Möglichkeit der Aufgabe der Rechte an einem Gegenstand, um Haftungsfreiheit bzw. später Versicherungsleistung zu erlangen. Der A. erscheint erstmals in einem Statut der Stadt Kampen von dem 14. 2. 1372. In dem 19. Jahrhundert findet der A. Eingang in das Recht der juristischen Personen des Gesellschaftsrechts.

Lit.: Hantke, G., Der Abandon, 1912; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Helberg, O., Der Abandon in der Seeversicherung, 1925; Martin, L., L’abandon, 1957; Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim Seefrachtvertrag, (in) Wirkungen europäischer Rechtskultur, 1997, 595

abdingbar (Adj.) durch Vereinbarung abänderbar

Lit.: Kähler, L., Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012

Abecedarium (bzw. Promptuarium, Remissorium, Vocabularium) ist das auf Grund antiker Gedankengänge seit dem 13. Jahrhundert entstehende alphabetisch geordnete Sammelwerk eines Rechtsgebiets (römisches Recht, kirchliches Recht, um 1400 Greifswalder A. für →Sachsenspiegel und Sachsenspiegelglosse mit 7 Handschriften, 1402 Preetzer A., 1414ff. A. von Achte bis Wunden, vor 1421ff. Schlüssel des Landrechts, 1. H. 15. Jahrhundert Rechtsabecedarium der 2200 Artikel, E. 15. Jahrhundert Erlanger Promptuarium mit etwa 1400 Artikeln, 1490-1493 Remissorium Kaspar Popplaus).

Lit.: Steffenhagen, E., Das Preetzer Abecedarium mit dem Richtsteig Landrechts, Z. d. Ges. f. Schleswig-Holstein-Lauenburgische Gesch. 22 (1892), 297; Die Rechtssumme Bruder Bertholds, hg. v. Hamm, M. u. a., 1980, 143ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 77

Abendmahlsprobe ist die an das christliche Abendmahl anknüpfende Form des →Gottesurteils.

Aberacht ist die seit dem Hochmittelalter belegte, nach fruchtlosem Verstreichenlassen einer Frist von →Jahr und Tag eintretende Verstärkung der →Acht.

Lit.: Siuts, H., Bann und Acht, 1959

Aberdeen an dem Don in Schottland wird um 1130 Sitz eines Bischofs und 1494/1495 Sitz einer Universität.

Lit.: Keith, A., A thousand Years of Aberdeen, 1972; The Aberdeen Stylebook 1722, hg. v. Meston, M./Forte, A., 2000

Aberglaube (15. Jahrhundert in Glosse zu dem Sankt Trudperter Hohenlied) ist der von einem herrschenden Glauben als abwegig verworfene Glaube (lat. [F.] superstitio).

Lit.: Feine, J., Der Aberglaube, 1857; Schefold, K. u. a., Der Aberglaube im Rechtsleben, 1912; Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hg. v. Bächtold-Stäubli, H., Bd. 1ff. 1927ff., Neudruck 1987, digitalisierte Fassung 2006; Freytag, N., Aberglauben im 19. Jahrhundert, 2003; Hersperger, P., Kirche, Magie und Aberglaube, 2010

Abfall ist der nach Nutzung einer Sache verbleibende, nicht mehr genutzte oder nutzbare Rest (z. B. Knochen, Verpackung, Altöl). Zu dem Wohl der Gesellschaft muss er vor allem in den Städten gesammelt und zunächst gelagert (deponiert), nach seiner großen Vermehrung seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus wirtschaftlichen Überlegungen aber vor allem auch wiederverwertet werden.

Lit.: Abfall, hg. v. Rusterholz, P./Moser, R., 2004; Evans, D., Verschwendung – Wie aus Nahrung Abfall wird, 2017

Abgabe ist die Leistung von Gegenständen an die Allgemeinheit, an eine besondere Einrichtung oder an besondere Einzelne. Die rechtliche Grundlage der A. ist verschieden. Meist beruht die A. auf einer Pflicht zu der Unterstützung als Gegenleistung für einen Schutz oder eine Gebrauchsmöglichkeit. In der Naturalwirtschaft besteht die A. in Sachen, in der Geldwirtschaft in Geld. 1919 fasst das Deutsche Reich das Recht der Abgaben in der Reichsabgabenordnung (Enno Becker, u. a. Beginn der Überführung des Steuerstrafrechts aus dem Verwaltungsstrafrecht in das Kriminalstrafrecht) zusammen, die 1976 im Sinne eines Mantelgesetzes für die Abgaben erneuert wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Pöhlmann, C., Was ist Seltertum, ZRG GA 55 (1935), 243; Becker, A., Was ist Seltertum, ZRG GA 56 (1936), 398; Löning, G., Muntepenninge, ZRG GA 59 (1939), 273; Müller, W., Die Abgaben von Todes wegen in der Abtei St. Gallen, 1961; Henning, F., Dienste und Abgaben der Bauern im 18. Jahrhundert, 1969; Steuern, Abgaben und Dienste, hg. v. Schremmer, E., 1994; Giese, F., Abgabenordnung im Dritten Reich, 1998; Gehm, M., Die steuerstrafrechtlichen Bestimmungen in der Reichsabgabenordnung vom 13. Dezember 1919, 2010

Abgeordneter ist allgemein der durch eine Anordnung an eine Stelle Gesetzte, insbesondere der Volksvertreter im Parlament. Er ist nach dem vorzugswürdigen Grundsatz des freien Mandats nicht an den Willen der ihn Abordnenden gebunden (so aber DDR 1968), sondern in seiner Entscheidung nur seinem Gewissen und der Verantwortung für die Gesamtheit unterworfen. In Österreich führt die Februarverfassung des Jahres 1861 ein von den Landtagen besetztes Abgeordnetenhaus als zweite Kammer des Reichsrats neben dem Herrenhaus ein (1873 direkte Wahl, wegen des Nationalitätenkonflikts zeitweise handlungsunfähig, 12. 11. 1918 letzte Sitzung).

Lit.: Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung, bearb. v. Best, H. u. a., 1996

Abkürzung ist die aus Zweckmäßigkeitsgründen gekürzte Form einer Gegebenheit (z. B. eines Wortes oder Weges).

Lit.: Kirchner, H., Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. A. 2008; Schuler, P., Abkürzungslexikon, 2007 (vom Verlag zurückgezogen); Frenz, T., Abkürzungen. Die Abbreviaturen der lateinischen Schrift, 2010; Froesch, H., Lexikon lateinischer Abkürzungen, 2014

Ablass ist die in Nordspanien und Südfrankreich in dem 11. JahrhundertJahrhundert (u. a. Clermont 1095 Ablass für Teilnahme an dem Kreuzzug, 1187 für geldliche Förderung eines Kreuzzugs, um 1300 von Verbindung zu Kreuzzügen gelöst) in der christlichen →Kirche aus der Bitte um Vergebung und Nachlass einer Folge (Buße) entstehende, auch vor Gott verbindliche Befreiung von zeitlichen Sündenfolgen. Die ältesten Ablässe begnügen sich mit einem Erlass von 20 oder 40 Tagen Buße. Die zahlenmäßige und artmäßige Erweiterung führt bereits im 13. Jahrhundert zu scharf gerügten Missständen. Der Kauf von A. (auch für Verstorbene) wird ein wichtiger Anlass für die reformatorischen Ziele (John Wyclifs, Johannes Hus’ und) Martin →Luthers. Nach gegenwärtigem Verständnis der katholischen Kirche ist A. Nachlass zeitlicher Strafe vor Gott für Sünden, deren Schuld bereits getilgt ist (can. 992 CodIurCan 1983).

Lit.: Paulus, N., Geschichte des Ablasses im Mittelalter, Bd. 1f. 1922f.; Köhler, W., Dokumente zum Ablassstreit von 1517, 2. A. 1934; Poschmann, B., Der Ablass, 1948; Bornkamm, H., Thesen, 1967; Ehlers, A., Die Ablasspraxis des Deutschen Ordens im Mittelalter, 2007; Hamm, B., Ablass und Reformation, 2016; Laudage, C., Das Geschäft mit der Sünde, 2016; Doublier, E., Ablass, Papsttum und Bettelorden im 13. Jahrhundert, 2017

Ablösungsgesetzgebung ist die Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts zu der Beseitigung grundherrschaftlicher Rechte bzw. aufgespalteten Eigentums mit oder ohne Entschädigung zwecks Förderung wirtschaftlicher Entwicklung und aufgeklärter Gedanken. Dazu erlässt nach der Aufhebung aller Frondienste, Zehnten und anderen Feudalrechte durch die Nationalversammlung Frankreichs an dem 4. 8. 1789 der Staat →Preußen an dem 9. 10. 1807 das Edikt betreffend den erleichterten Besitz des Grundeigentums sowie die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner, das die persönliche Abhängigkeit der →Bauern von den →Grundherren entschädigungslos aufhebt. Dem folgen an dem 14. 9. 1811 zwecks Aufhebung der auf privatrechtlichen Titeln beruhenden dinglichen Abhängigkeit das Edikt, die Rechte der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse (Regulierungsedikt) betreffend und das Edikt zu der Beförderung der Landeskultur (Landeskulturedikt), nach denen der Bauer auf Antrag eines Beteiligten Eigentum an dem von ihm bewirtschafteten Hof erhält, wofür er als erblicher Besitzer ein Drittel, als nichterblicher Besitzer die Hälfte des Grundes dem Grundherrn überlassen oder eine dauernde Rente zahlen muss. Dadurch werden viele Bauern überfordert, so dass sie ihr neues Eigentum aufgeben müssen. Um dies zu vermeiden, richten Sachsen und Kurhessen (1832) öffentliche →Rentenbanken ein, die dem Grundherrn den Ablösungsbetrag in Rentenbriefen entrichten und dadurch den Bauern die Tilgung der Ablöseschuld in 40 bis 60 Jahren ermöglichen. Abgelöst werden auf Grund wirtschaftlicher Überlegungen auch die Nutzungsrechte der Bauern in staatlichen oder grundherrschaftlichen Wäldern (Hessen 1814, Preußen 1821).

Lit.: Danckelmann, B., Die Ablösung der Waldgrundgerechtigkeiten, Bd. 1f. 1880ff.; Knapp, G., Die Bauernbefreiung, 1887

Abmeiern ist das (vorzeitige) Beendigen des grundherrschaftlichen →Meierrechts durch den Grundherrn in Niedersachsen und Ostwestfalen seit dem 14. Jahrhundert. Seit 1597 (Salzduhmscher Landtagsabschied) wird das A. vor allem aus fiskalischen Überlegungen verrechtlicht (Meierordnungen, z. B. Calenberg 1772), mit der →Bauernbefreiung durch Ersetzung des Meierrechts durch Eigentum beseitigt.

Lit.: Pfeiffer, B., Das deutsche Meierrecht, 1855; Wittich, W., Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, 1896; Mohr, W., Die Abmeierung, 1942; Turner, G., Das Calenberger Meierrecht, 1961

Abschichtung ist die (dem römischen Recht unbekannte) vermögensrechtliche Verselbständigung eines Kindes bei (tatsächlichem) Ausscheiden aus dem Hausverband. Sie betrifft im Mittelalter fast nur Söhne. Der Sohn kann A. verlangen, sobald er „zu seinen Jahren kommt“ (d. h. mündig wird). Regelmäßig wird der Sohn abgeschichtet, wenn er bei Eheschließung einen selbständigen Haushalt gründet. Mit der A. erlischt die väterliche Herrschafts- und Schutzgewalt. Die Teilungsquote ist unterschiedlich (z. B. Kopfteil von dem Ganzen, Sohneskopfteil von der Hälfte). Die A. wird in Österreich durch (den Codex Theresianus von 1766 und) das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 (vollständig 1919), im deutschen Reich durch das Bürgerliche Gesetzbuch von 1896/1900 und im Schweizer Recht durch das Zivilgesetzbuch von 1907/1911 durch das Erreichen der Vogtbarkeit bzw. der Großjährigkeit bzw. der Volljährigkeit ersetzt

Lit.: Hübner 702; Adler, S., Eheliches Güterrecht und Abschichtungsrecht, 1893; Knothe, H., Die Geschäftsfähigkeit der Minderjährigen, 1980; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, 1999

Absetzung ist die Entfernung eines Menschen aus einer Tätigkeit und eines Wertes aus einem Vermögen (z. B. Absetzung für Abnutzung). Die A. eines Amtsträgers begegnet schon früh (z. B. Vertreibung des römischen Königs). Sie wird in der Neuzeit verrechtlicht.

Lit.: Bund, K., Thronsturz und Herrscherabsetzung im Frühmittelalter, 1979; Krah, A., Absetzungsverfahren, 1987; Rexroth, F., Tyrannen und Taugenichtse, HZ 278 (2004), 27; Wallner, M., Zwischen Königsabsetzung und Erbreichsplan, 2004; Schubert, E., Königsabsetzung im deutschen Mittelalter, 2005

Absicht ist der unmittelbar auf den Erfolg als Ziel gerichtete Wille des Täters. Das römische Recht kennt den (lat. [M.]) dolus als Bezeichnung eines Verschuldens. In dem Mittelalter wird der auf den Erfolg als Ziel gerichtete Wille oft durch (lat.) animo deliberato, cum deliberato consilio, contumaciter, dolose und (mhd.) geverlich oder mutwillig beschrieben. Folgen zieht in erster Linie das im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gewollte Unrecht nach sich. In dem 20. Jahrhundert wird die für den deliktischen Vorsatz das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit verlangende Vorsatztheorie (Binding 1877) im Strafrecht durch die als subjektive Voraussetzung der Rechtswidrigkeit bereits die Möglichkeit der Einsicht in das Verbotensein der Tat genügen lassende Schuldtheorie (Kohlrausch 1903, Carl Schmitt 1910) verdrängt.

Lit.: Mayer, M., Die schuldhafte Handlung und ihre Arten im Strafrecht, 1901; Schmitt, C., Über Schuld und Schuldarten, 1910 His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964, 68ff.; Beul, C., Si mensor falsum modum dixerit, 1998

absolut (Adj. bzw. Adv.) vollständig, unbedingt, uneingeschränkt, gegen jedermann wirkend (Gegensatz relativ)

absolutio (F.) ab instantia →Instanzentbindung

Absolutismus ist die im Einzelnen sehr vielfältige Herrschaftsform, bei welcher der Inhaber der Herrschaftsgewalt (Monarch) dem Untertanen gegenüber grundsätzlich unbedingte (absolute, unbeschränkte) Macht hat. Der frühe A. entwickelt sich in Spanien, Frankreich und England bis zu demEnde des 15. Jahrhunderts. Unterstützt wird der A. durch theoretische Ansichten, welche die Enttheologisierung der Herrschaft und die Unteilbarkeit der Staatsgewalt fordern (→Machiavelli, Nicolò [1469-1527], Il principe, 1513, →Bodin, Jean [1529-1596], Les six livres de la République, 1576, [lat.] maiestas est summa in cives ac subditos legibusque soluta potestas, die maiestas ist die [zeitlich unbegrenzt] gegenüber den Bürgern und Untertanen bestehende höchste und von den Gesetzen [nicht aber von göttlichem Recht, Naturrecht, Fundamentalgesetzen] losgelöste Gewalt). Begünstigt wird der A. dadurch, dass die Stände vielfach konfessionell gespalten sind und deswegen den Frieden in einem Land nicht sichern können. Mittel zu der Durchsetzung der absoluten Herrschaft werden die Aufstellung eines stehenden Heeres, der Aufbau einer allein von dem Herrscher abhängigen Beamtenschaft und die Einführung eines Staatswirtschaftssystems. Voraussetzung des A. ist die Entmachtung des →Adels hinsichtlich der Mitwirkung (bzw. formaler Mitspracherechte [Ersetzung durch informale Verständigung]) bei der →Landesherrschaft (in der Regel ohne Änderung der förmlichen Rechtsgrundlage der Herrschaft, z. B. Habsburg bzw. Österreich seit 1620). Der Höhepunkt des A. wird unter Ludwig XIV. (1643-1715) in →Frankreich erreicht. In dem Heiligen römischen Reich eifern dem viele Landesfürsten nach (z. B. Friedrich Wilhelm [1620-1688] von Brandenburg bzw. Preußen, August der Starke [1670-1733] von Sachsen bzw. Polen, Maria Theresia in Österreich). In der Mitte des 18. Jahrhunderts (Friedrich II. in Preußen, Joseph II. in Österreich, Anna Amalia und Carl August in Sachsen-Weimar, Peter Leopold in Toskana, Gustav III. in Schweden, Katharina II. in Russland) setzt im aufgeklärten A. (Reformabsolutismus) der Fürst als erster Diener des Staates wohlfahrtsstaatliche Änderungen in Gang (Bildungspolitik, Bauernbefreiung, Gerichtsorganisation). In Frankreich beendet die Revolution des Jahres 1789 den als Anspruch bedeutsamen, als Wirklichkeit kaum tatsächlich durchgesetzten A.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Bodin, J., Les six livres de la république, 1576, ; Hobbes, T., Leviathan 1651; Feine, H., Einwirkungen des absoluten Staatsgedankens auf das deutsche Kaisertum, ZRG GA 42 (1921), 474; Fehr, H., Der Absolutismus in der Schweiz, ZRG GA 69 (1952), 182; Sturmberger, H., Kaiser Ferdinand II. und das Problem des Absolutismus, 1957; Carsten, F., Princes and parliament in Germany, 1959; Conrad, H., Rechtsstaatliche Bestrebungen, 1961; Schnur, R., Individualismus und Absolutismus, 1962; Oestreich, G., Geist und Gestalt des frühmodernen Staates, 1969; Conrad, H., Staatsgedanke und Staatspraxis, 1971; Dreitzel, H., Protestantischer Aristotelismus und absoluter Staat, 1970; Absolutismus, hg. v. Hubatsch, E., 1973, 2. A. 1988; Der aufgeklärte Absolutismus, hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1974; Anderson, P., Lineages of the Absolutist State, 1974; Aufklärung, hg. v. Hinrichs, E., 1985; Hubatsch, W., Das Zeitalter des Absolutismus 1600-1789, 4. A. 1975; Anderson, P., Die Entstehung des absolutistischen Staates, 1979; Aspekte des europäischen Absolutismus, hg. v. Patze, H., 1979; Reinalter, H., Aufgeklärter Absolutismus und Revolution, 1979; Mousnier, R., La monarchie absolue en Europe, 1982; Meyer, J., Frankreich im Zeitalter des Absolutismus, 1990; Henshall, N., The Myth of Absolutism, 1992; Dreitzel, H., Absolutismus und ständische Verfassung in Deutschland, 1992; Cornette, J., Absolutisme et Lumières, 1993, 2. A. 2000, 3. A. 2003, 4. A. 2005, 5. A. 2008; Der Absolutismus – ein Mythos?, hg. v. Duchhardt, H., 1996; Vec, M., Zeremonialwissenschaft im Fürstenstaat, 1998; Reformabsolutismus und ständige Gesellschaft, hg. v. Birtsch, G. u. a., 1998; Duchhardt, H., Das Zeitalter des Absolutismus, 3. A. 1998 (mit rund 1400 Literaturnachweisen); Hinrichs, E., Fürsten und Mächte, 2000; Der aufgeklärte Absolutismus im europäischen Vergleich, hg. v. Reinalter, H. u. a., 2002; Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003, (Müßig, U., Recht und Justizhoheit,) 2. A. 2009; Reinalter, H., Lexikon zum aufgeklärten Absolutismus, 2005; Absolutismus, ein unersetzliches Forschungskonzept?, hg. v. Schilling, L., 2008; Feist, D., Absolutismus, 2008; Blänkner, R., „Absolutismus“, 2011 (= Dissertation von 1990)

Abstimmung ist das durch Abgabe einzelner Entscheidungen (Zustimmung, Ablehnung, Enthaltung) erfolgende Verfahren zu der Ermittlung des Willens (Gemeinwillens) einer Gesamtheit von zu einer Entscheidung zugelassenen Menschen oder Personen hinsichtlich einer bestimmten Frage. Als eine besondere Form der A. ist bereits im antiken Athen der Ostrazismus bekannt, bei dem der Angehörige des Volkes mittels je eines Tonscherbens (griech. ostrakon) darüber abstimmen kann, ob ein Bürger, der die politische Ordnung gefährdet, für 10 Jahre ohne Verlust des Vermögens und seiner sonstigen Rechtsstellung verbannt werden soll. In dem Einzelnen erfolgen dann Abstimmungen nach ziemlich unterschiedlichen Regeln (z. B. Stimmzählung und Mehrheitsentscheidung in der Goldenen Bulle 1356, Willensbildung nach Kurien im Reichstag des Heiligen römischen Reiches), bis in der Mitte des 19. Jahrhunderts sich die Einheitlichkeit des Abstimmungskörpers mit grundsätzlich gleichem Stimmrecht (Verfassung des deutschen Reiches von 1848) durchzusetzen beginnt. In dem 20. Jahrhundert ist die A. des Volkes über eine politische Frage ein Entscheidungsverfahren unmittelbarer Demokratie. Eine Sonderform der A. stellt die →Wahl dar.

Lit.: Stutz, U., Die Abstimmungsordnung der Goldenen Bulle, ZRG GA 43 (1922), 217; Stutz, U., Der Jüngste stimmt zuerst, ZRG GA 49 (1929), 435; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Scheuner, U., Das Mehrheitsprinzip, 1973; Heun, W., Das Mehrheitsprinzip, 1983; Bleicken, J., Die Verfassung der römischen Republik, 2000

Abstraktion (1571) ist die Lösung eines allgemeine Merkmale enthaltenden Umstands von einzelnen Erscheinungsformen. In dem 19. Jahrhundert setzt die →Pandektistik auf der Grundlage einer Entscheidung des römischen Juristen Julian/Iulianus (Hadrumetum um 100-um 170) die Trennung des →Verfügungsgeschäfts (→Übereignung, →Abtretung) von dem ihm als Grund (lat. [F.] causa) zugehörigen →Verpflichtungsgeschäft und die Trennung des Innenverhältnisses (Auftrag) von dem Außenverhältnis (Vollmacht) mit Hilfe des Prinzips der A. durch (Abstraktionsprinzip).

Lit.: Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978; Landwehr, G., Abstrakte Rechtsgeschäfte, (in) Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, 1990, 173; Eisenhardt, U., Die Entwicklung des Abstraktionsprinzips, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Ferrari, F., Vom Abstraktionsprinzip und Konsensualprinzip zum Traditionsprinzip, ZEuP 1993, 52; Rodríguez-Rosado, B., Abstraktionsprinzip und redlicher Erwerb als Mittel zum Schutze des Rechtsverkehrs, 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Laborenz, M., Solutio als causa – Die Frage des Abstraktionsprinzips im römischen Recht, 2014

Abt (Lehnwort lat. abbas, abbatem [Akk.] 4. Jahrhundert, „Abt, Vater“, Lehnwort gr. ábba, aram. abba, „Vater“, Lallwort) ist seit dem 4. Jahrhundert der Leiter einer rechtlich selbständigen Niederlassung eines christlichen →Ordens des weströmischen Gebiets. Er wird als geistlicher Vater (lat. pater [M.] spiritualis) verstanden. Die auf den Kirchenvater Augustinus (354-430) zurückgehende Ordensregel Benedikts von Nursia (480-547) legt Einzelheiten der Stellung genauer fest. Demnach erfordert die Weihe zu demanfangs von dem Bischof eingesetzten, nach den Novellen Justinians von sämtlichen Mönchen gewählten A. vorbildliche Lebensführung und Weisheit. Der A. hat gegenüber den Mönchen Rechte wie ein Vater gegenüber Kindern. Deshalb schulden die Mönche Gehorsam und Ehrerbietung. In dem fränkischen Reich tritt neben das freie Wahlrecht der Mönche das Einsetzungsrecht eines jeweiligen Herrn (einer Gründerfamilie). Seit karolingischer Zeit wird der A. auch mit weltlichen Aufgaben betraut. Synoden von Rom (826) und Poitiers (1078) sowie das Konzil von Vienne (1311/2) legen die Voraussetzung der Weihe zu demPriester für den A. fest. In dem 11. und 12. Jahrhundert dringt der Grundsatz der freien Wahl für kurze Zeit wieder vor.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hegglin, B., Der benediktinische Abt, 1961; Salmon, P., L’abbé dans la tradition monastique, 1963; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Seibert, H., Abtserhebungen, 1995; Wiech, M., Das Amt des Abtes im Konflikt, 1999

Abtei (lat. [F.] abbatia) ist seit der frühen Neuzeit die von der Stellung und Tätigkeit eines Abtes übernommene Bezeichnung für die von einem →Abt geleitete, rechtlich selbständige Niederlassung eines christlichen Ordens. Die A. kann →Reichsabtei, landsässige A. oder der römischen Kirche unterstellte freie A. sein.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Blume, K., Abbatia, 1919; Wehlt, H., Reichsabtei und König, 1970; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Brandstetter, A., Die Abtei, 1999

Äbtissin ist die Leiterin einer rechtlich selbständigen Niederlassung eines christlichen Frauenordens (des weströmischen Gebiets). →Abt

Lit.: Klapp, S., Das Äbtissinnenamt in den unterelsässischen Frauenstiften, 2012; Schröder-Stapper, T., Fürstäbtissinnen, 2015

Abtreibung ist der künstlich herbeigeführte vorzeitige Abgang der (beseelten) menschlichen Leibesfrucht aus dem Mutterleib. Die A. ist nach römischem Recht zeitweise zulässig. Die →Kirche wertet sie zunächst in jedem Fall als →Mord, Gratian (um 1140) beurteilt aber die A. vor dem 40. Tag der Schwangerschaft auf Grund von Exodus 21,22-23 milder. Die Aufklärung lehnt die kirchliche Lehre ab. Seit etwa 1970 (z. B. Österreich 1974) wird die kirchliche Auffassung im weltlichen Recht zunehmend eingeschränkt und der medizinisch einfach gewordene Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft als (nach einer Beratung in Deutschland seit 1995 zwar rechtswidrig, aber) straffrei zugelassen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Lewin, L., Die Fruchtabtreibung, 4. A. 1925; Huser, R., The Crime of Abortion, Diss. Washington 1942; Noonan, J., The Morality of Abortion, 1970; Jerouschek, G., Lebensschutz und Lebensbeginn. Kulturgeschichte des Abtreibungsverbots, 1988; Gante, M., § 218 in der Diskussion, 1991; Geschichte der Abtreibung, hg. v. Jütte, R., 1993; Onstein, H., Die Entwicklung der Straftatbestände der Abtreibung, Diss. jur. Münster 1996; Müller, W., Die Abtreibung, 2000 (2012 englisch); Jerouschek, G., Lebensschutz und Lebensbeginn, 2002; Bett, J., Die Beurteilung der embryopathischen Indikation zum Schwangerschaftsabbruch, Diss. jur. Tübingen 2003; Putzke, S., Die Strafbarkeit der Abtreibung in der Kaiserzeit, 2003; Koch, C., Schwangerschaftsabbruch, 2004; Behren, D. v., Die Geschichte des § 218 StGB, 2004; Usborne, C., Cultures of Abortion in Weimar Germany, 2007; Müller, W., The Criminalization of Abortion in the West, 2012; Laarmann, M., Die Bewertung der Abtreibung in der Antike, ZfL 2018, 122

Abtretung (lat. [F.] cessio) (1360) ist die Übertragung einer Forderung von einem bisherigen →Gläubiger (Zedenten) auf einen anderen (Zessionar), der damit neuer Gläubiger wird. Sie ist im römischen Recht ausgeschlossen, weil die Verbindlichkeit als höchstpersönliches Band zwischen Gläubiger und Schuldner betrachtet wird. Erst spät lässt das römische Recht mit Hilfe der Einrichtung des Prozessmandats (Geltendmachung der Forderung des Gläubigers durch einen Beauftragten) und der Novation in Form einer Stipulation zwischen Schuldner und Neugläubiger wenigstens die Übertragung eines selbständigen Rechtes zu, eine fremde Forderung auszuüben. In Gegensatz hierzu entwickelt sich wohl in den mittelalterlichen Städten die rechtsgeschäftliche Übertragung von Forderungen, die zunächst grundsätzlich der Mitwirkung des Schuldners durch Einwilligung gegenüber dem bisherigen Gläubiger oder durch Gelöbnis gegenüber dem neuen Gläubiger bedarf (ausgenommen gerichtlich festgestellte Forderungen). Vereinzelt bestehen auch Verbote von Abtretungen. Das Zustimmungserfordernis entfällt seit dem Spätmittelalter (letztlich) unter dem Einfluss des gemeinen Rechtes, in dem das deutschrechtliche Gedankengut die Übertragung der Forderung auch der Substanz nach eröffnet, so dass bereits der →Codex Maximilianeus Bavaricus civilis von 1756 (II 3 § 8) die A. aufnimmt (ALR I 11 §§ 376ff., Code civil Art. 1689ff., ABGB §§ 1392ff.). In dem 19. Jahrhundert unterliegt die einschränkende Lehre Christian Mühlenbruchs (1817) der durch Windscheid und Bähr geprägten Vorstellung von der Abtretung als einem abstrakten Verfügungsgeschäft (§§ 398ff. BGB, Art. 183ff. bzw. 164ff. Obligationenrecht der Schweiz). In England gilt die Forderung als solche bis 1873 als nicht übertragbar.

Lit.: Kaser § 55; Köbler, DRG 127, 165, 214; Mühlenbruch, C., Die Lehre von der Zession, 1817; Buch, G., Die Übertragbarkeit von Forderungen im deutschen mittelalterlichen Recht, 1912; Schumann, H., Die Forderungsabtretung im deutschen, französischen und englischen Recht, 1924; Luig, K., Zur Geschichte der Zessionslehre, 1966; Huwiler, B., Der Begriff der Zession in der Gesetzgebung seit dem Vernunftrecht, 1975; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Hoop, G., Kodifikationsgeschichtliche Zusammenhänge des Abtretungsverbotes, 1992; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Scheffzek, S., Der Einfluss der Mühlenbruch’schen Zessionslehre auf ausgewählte Gerichte, 2011; Ebinger, B., Die Forderungsübertragung nach Code civil und badischem Landrecht, Diss. jur. Mannheim 2011

Abtriebsrecht ist das Recht der Angehörigen einer Siedlungsgemeinschaft, den Zuzug eines Fremden zu verhindern. Es ist im Titel XLV (De migrantibus) des fränkischen Volksrechts (lst. [M.] Pactus legis Salicae, 507-511) bezeugt und besteht bis in das 19. Jahrhundert. Allerdings kann ein Herr einem Fremden ein Niederlassungsprivileg gewähren.

Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.

Abzahlung (1530) ist die planmäßig in kleineren Raten oder Teilbeträgen erfolgende Zahlung einer Schuld.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Abzahlungsgesetz ist das deutsche Gesetz von dem 16. 5. 1894, das außerhalb des 1896/1900 geschaffenenen Bürgerlichen Gesetzbuchs die nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika seit etwa 1835 von dem Handel umworbenen mittellosen Käufer beweglicher Sachen, die aus wirtschaftlichen Gründen etwa Nähmaschinen, Möbel oder Kleidung nur gegen Zahlung des Preises in Raten kaufen können, vor Benachteiligung (z. B. durch Verfall d. h. Rücknahme der Kaufsache bei Zahlungsversäumnis und Fortbestehen der Zahlungspflicht) schützen will. Es wird mit Wirkung von dem 1. 1. 1991 durch das Verbraucherkreditgesetz abgelöst, das zu dem1. 1. 2002 in das Bürgerliche Gesetzbuch eingearbeitet wird. In Österreich wird 1896 ein Ratengesetz, 1979 ein Konsumentenschutzgesetz erlassen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Benöhr, H., Konsumentenschutz vor 80 Jahren, ZHR 138 (1974), 492; Schubert, W., Das Abzahlungsgesetz von 1894, ZRG GA 102 (1985), 130; Fendel, R., Der Berliner Möbelleihvertrag, 1991

Abzahlungskauf →Abzahlungsgesetz

Abzugsrecht ist das Recht zu demAbzug des Einzelnen aus seinen bisherigen unfreien Rechtsverhältnissen, gegebenenfalls unter einer Geldleistung. Der Abzug findet sich in vielen spätmittelalterlichen Weistümern mit unterschiedlichen Regelungen. Mit der Bauernbefreiung des 19. Jahrhunderts wird das A. überflüssig.

L.: Möhlenbruch, R., Freier Zug, ius emigrandi, Auswanderungsfreiheit, Diss. jur. Bonn 1977

acceptatio (lat. [F.]) Annahme

acceptilatio (lat. [F.]) Empfangnahme →stipulatio

accessio (lat. [F.]) Hinzutreten, Zuwachs

accessio cedit principali (lat) - Zuwachs folgt rechtlich der Hauptsache. →Verbindung

Accursius (Bagnolo [Certaldo] bei Florenz 1182 oder 1185-Bologna 1260 oder 1263) wird in einer bäuerlichen Familie geboren und lehrt nach dem Studium des römischen Rechtes in Bologna (Azo, Jacobus Balduinus) und der Promotion seit etwa 1215. Bis kurz nach 1230 legt er (in Bearbeitung eines unvollendeten Werkes Azos?) fünfbändige, durch etwa 1200 Handschriften überlieferte Erklärungen (Kommentare) zu allen Teilen der justinianischen Kompilation in Form von Glossenapparaten (lat. glossa [F.] ordinaria) mit insgesamt 96940 Einzelglossen (22365 zu demDigestum vetus, 17969 zu demInfortiatum, 22243 zu demDigestum novum 17814 zu demCodex, 4737 zu den Institutionen, 7013 zu demAuthenticum und 680 zu den libri feudorum, Summe dieser Zahlen 92811) vor, in denen er Problemlösungen unter umfangreicher Verwertung der vorangehenden Literatur bietet. Außerdem sind 8 seiner Gutachten (Konsilien) erhalten, während eine bezeugte Summe nicht überliefert ist. Zu seinen Schülern zählen Odofredus und Papst Innozenz IV.

Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 106; Genzmer, E., Zur Lebensgeschichte des Accursius, FS L. Wenger, Bd. 2 1945, 223; Atti del convegno internazionale di studi accursiani, ed. Rossi, G., Bd. 1ff. 1968; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 335; Jakobs, H., Magna Glossa, 2006

Achilleisches Hausgesetz →Dispositio Achillea

Achramire (lat.-afrk.), adchramire, ist die frühmittelalterliche Bezeichnung für das Versprechen (Geloben), einen Gerichtstag wahrzunehmen, einen Eid zu leisten oder einen Bürgen oder Zeugen zu stellen (Lex Salica [507-511] 62 u. ö.). Das a. erfolgt unter Übergeben oder Zuwerfen eines (gekerbten) Stäbchens (lat. [F.] →festuca, vielleicht ursprünglich mit der [lat., F.] framea, Lanze).

Lit.: Köbler, LAW; Daberkow, M., Adhramire und die germanische framea, Z. f. d. P. 49 (1923), 229

Acht ist im mittelalterlichen deutschen Recht die als Unrechtsfolge (Strafmittel oder Verfahrensmittel) mögliche allgemeine Verfolgung. Die A. folgt auf verschiedene Taten, die eine niedrige Gesinnung widerspiegeln (z. B. Mord, Treubruch). Wird der Täter in der Tat ergriffen, so kann er folgenlos getötet werden. Ansonsten bedarf es eines besonderen Verfahrens, in dem die A. erklärt wird. Der Geächtete steht außerhalb des Rechtes, ist Feind aller und kann von jedem folgenlos getötet werden. Das bewegliche Vermögen des Geächteten wird verteilt, die Liegenschaft verwüstet. Mindere Formen der A. sind zeitlich (z. B. auf ein Jahr) befristet. Bei fruchtlosem Ablauf einer damit verbundenen Gestellungsfrist (Ungehorsamsacht) verfällt der Betreffende in →Aberacht. Die von dem König oder seinem Gericht verhängte A. gilt als →Reichsacht in dem gesamten Reich. Lösung aus der A. ist möglich. In dem Laufe des Mittelalters entwickelt sich die A. zu einer differenzierten Rechtsfigur, die mit Erstarkung der staatlichen Gerichtsherrschaft verschwindet (wegen der Vollstreckungsschwäche des Reiches von dem Reichskammergericht zuletzt noch 1698, von dem Reichshofrat zuletzt noch 1709 ausgesprochen).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Eichmann, E., Acht und Bann, 1909; Künßberg, E. Frhr. v., Acht, 1910; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Poetsch, J., Die Reichsacht, 1911; Ruf, F., Acht und Ortsverweis im alten Land- und Stadtgericht Nürnberg, Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 46 (1955), 1; Siuts, H., Bann und Acht, 1959; Landes, D., Das Achtverfahren, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Jacoby, M., Wargus, 1974; Kampmann, C., Reichsrebellion und kaiserliche Acht, 1992; Weber, M., Zur Bedeutung der Reichsacht in der frühen Neuzeit, ZHF Beiheft 19 (1997), 55; Mußgnug, D., Acht und Bann im 15. und 16. Jahrhundert, 2016

Achtbuch ist das über die von einem Gericht ausgesprochene →Acht (und dadurch die Geächteten) geführte Buch (Register), wie es anscheinend erstmals der Reichslandfriede des Jahres 1235 vorsieht (z. B. Lübeck 1243, Iglau 1249, Rostock 1258, Rothenburg ob der Tauber 1274, Nürnberg 1285, Achtbuch der Reichshofgerichtsschreiber Petrus Wacker und Johann Geisler zwischen 1417 und 1445 mit fast 600 Einträgen u. a.).

Lit.: Schultheiß, W., Nürnberger Rechtsquellen, Bd. 1f. 1960, 16; Battenberg, F., Das Achtbuch der Könige Sigmund und Friedrich III., 1986

Achtklausel ist die in mittelalterlichen Verträgen enthaltene Vereinbarung, sich für den Fall der Vertragsverletzung der →Acht zu unterwerfen.

Lit.: Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter, 1987´6, 288

acta (lat. [N.Pl.]) →Akten

acta municipalia (lat. [N.Pl.]) Gemeindeakten

Actio (lat. [F.]) ist in dem römischen Recht die Möglichkeit, vor Gericht zu verlangen, was einem zusteht (Klaganspruch). In dem →Formularprozess trägt der Kläger in Gegenwart des Beklagten das Begehren vor dem Gerichtsmagistrat vor und beantragt die Erteilung einer bestimmten a. Ergibt sich, dass der von dem Kläger vorgetragene Sachverhalt keine bereits anerkannte a. rechtfertigt, entfällt der Antrag. Allerdings kann der Gerichtsmagistrat, wenn er das Begehren des Klägers gleichwohl als rechtsschutzbedürftig erachtet, eine a. in factum in Aussicht stellen. Die zugelassenen actiones, von denen jede ihre eigene Formel hat, werden vor allem in dem 4. Buch der Institutionen Justinians in dem Titel (lat.) De actionibus (Von den Klagansprüchen) zusammengestellt. In dem Hochmittelalter anerkennt beispielsweise Johannes Bassianus 169 verschiedene actiones. In dem 19. Jahrhundert (Windscheid 1856) wird aus der römischrechtlichen a. der materiellrechtliche →Anspruch.

Lit.: Kaser § 82; Söllner § 9; Köbler, LAW; Windscheid, B., Die actio des römischen Civilrechts, 1856; Bethmann Hollweg, C. v., Der Civilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 6 1874, 16; Peter, H., Actio und writ, 1957; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14. Jahrhunderts, 1996; Kollmann, A., Begriffs- und Problemgeschichte des Verhältnisses von formellem und materiellem Recht, 1996; Gröschler, P., Actiones in factum, 2002; Artner, M., Agere praescriptis verbis, 2002

Actio (F.) ad exhibendum (lat.), Klaganspruch auf Vorlegung, Vorweisung (vor dem Prätor), Herausgabe, Exhibitionsklage (vgl. § 809 BGB, Klage auf Besichtigung) ist eine (lat.) actio in personam, durch die der bei einer (lat.) actio in rem fehlende Einlassungszwang umgangen werden kann.

Lit.: Kaser §§ 26 III 3, 27 I 5, 34 II 3

actio (F.) adiecticiae qualitatis (lat.) Klaganspruch aus Haftung für Gewaltunterworfene

Lit.: Kaser §§ 11, 15, 49, 60, 83; Wacke, A., Die adjektizischen Klagen, ZRG RA 111 (1994), 280

actio (F.) aestimatoria (lat.) Klaganspruch zu der Schätzung (aus Trödelvertrag)

Lit.: Köbler, DRG 48

actio (F.) arbitraria (lat.) Klaganspruch zu der Schätzung bzw. zu demErmessen

Lit.: Kaser §§ 8 IV, 83 II, 87 II

Actio (F.) auctoritatis (lat.), Klaganspruch wegen Eviktion (Entwerung) gegen den Verkäufer, Gewährschaftsklage, ist in dem römischen Recht der in den Digesten getilgte Klaganspruch eines wegen einer durch Manzipation erworbenen Sache von einem Dritten angegriffenenen und von dem Veräußerer nicht geschützten oder unterliegenden Käufers auf den doppelten Kaufpreis.

Lit.: Kaser §§ 7, 27, 32, 51; Söllner § 8; Brägger, R., Actio auctoritatis, 2012

Actio (F.) certae creditae pecuniae (lat.) ist in dem römischen Recht der Klaganspruch auf eine bestimmte Gelddarlehensschuld.

Lit.: Kaser §§ 39, 83

actio (F.) civilis (lat.) Klaganspruch nach dem Zivilrecht

actio (F.) commodati (lat.) Klaganspruch aus Leihvertrag

Lit.: Kaser § 39 II

Actio (F.) communi dividundo (lat.) ist in dem römischen Recht der wohl in dem 3./2. Jahrhundert v. Chr. durch eine (lat.) lex (F.) Licinia geschaffene Teilungsklaganspruch mindestens eines Angehörigen einer Vermögensgemeinschaft.

Lit.: Kaser §§ 23 IV 83

actio (F.) conducti (lat.) Klaganspruch des Mieters u. s. w.

Lit.: Kaser §§ 42, 83

actio (F.) confessoria (lat.) Servitutenklaganspruch, Nießbrauchsklaganspruch

Lit.: Kaser §§ 28, 29

actio (F.) contraria (lat.) Gegenklaganspruch (bei unvollkommen zweiseitig verpflichtenden Verträgen z. B. Aufwandsersatzklageanspruch des Entleihers, Verwahrers, Beauftragten oder Pfandgläubigers)

Lit.: Kaser § 38 IV 2

Actio (F.) de deiectis vel effusis (lat.), Klaganspruch wegen hinausgeworfener oder ausgeschütteter (Sachen), ist in dem römischen Recht der gegen den Inhaber von Räumen wegen eines durch Hinauswerfen oder Ausgießen von Sachen aus den Räumen entstandenen Schadens gerichtete, verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch eines Verletzten auf das Doppelte des Schadens (Quasidelikt, Erfolgshaftung?).

Actio (F.) de dolo (lat.), Klaganspruch wegen Arglist, ist in dem römischen Recht der auf Anregung des C. Aquilius Gallus in dem 1. Jahrhundert v. Chr. von dem Prätor bei Fehlen einer anderweitigen actio gewährte, binnen Jahresfrist geltend zu machende Klaganspruch des durch einen Betrug Geschädigten gegen den Täter auf Ersatz des Schadens, der durch Wiedergutmachung abgewendet werden kann, andernfalls Infamie nach sich zieht.

Lit.: Kaser §§ 8, 83; Söllner § 9

Actio (F.) de in rem verso (lat.), Klage wegen des auf eine Sache Verwendeten, Klaganspruch wegen eingetretener Bereicherung, ist in dem römischen Recht der Klaganspruch gegen einen Gewalthaber auf Herausgabe des Wertes, den ein Gewaltunterworfener aus einem Verpflichtungsgeschäft erlangt und zu einer Bereicherung des Vermögens des Gewalthabers verwendet. Das nachklassische römische Recht erweitert den Anwendungsbereich auf Geschäftsführung durch Freie, das gemeine Recht entwickelt die a. zu einem allgemeinen Bereicherungsanspruch wegen nützlicher Verwendung.

Lit.: Kaser § 49; Söllner § 12; Chiusi, T., Die actio de in rem verso, 2001

actio (F.) de pauperie (lat.) Klaganspruch wegen Minderung durch Schaden seitens eines vierfüßigen Nutztiers, den der Eigentümer durch Herausgabe des Tieres abwenden kann

Lit.: Kaser § 50 II 4

actio (F.) de peculio (lat.) Klaganspruch über das Sondergut eines Gewaltunterworfenen gegen den Gewalthaber wegen von dem Gewaltunterworfenen begründeter Geschäftsverbindlichkeiten bis zu der Höhe des Wertes des Sonderguts in dem Verurteilungszeitpunkt

Lit.: Kaser §§ 49 II, 83 II; Söllner § 12

Actio (F.) depositi (lat.) ist in dem römischen Recht der Klaganspruch des Hinterlegers auf Rückgabe der hinterlegten Sache gegen den Verwahrer.

Lit.: Kaser §§ 39, 83; Walter, T., Die Funktionen der actio depositi, 2012

actio (F.) de recepto (lat.) Klaganspruch aus Garantieerklärung

Lit.: Kaser § 46 III 3

actio (F.) de tigno iuncto (lat.) (schon in dem Zwölftafelgesetz enthaltener) Klaganspruch des römischen Rechtes über den bei einem Hausbau rechtswidrig verwendeten Balken oder später einen anderen Gegenstand eines anderne, den der Verwender nicht lostrennen, sondern nur mit dem doppelten Wert ersetzen muss

Lit.: Kaser § 26 III 3; Köbler, DRG 25; Hinker, H., Tignum iunctum, ZRG RA 108 (1991), 41

actio (F.) empti (lat.) Kaufklaganspruch

Lit.: Kaser §§ 51, 83 II; Söllner § 9

actio (F.) exercitoria (lat.) Klaganspruch gegen den Reeder für Geschäfte des Kapitäns bei dem Betrieb eines Schiffes

Lit.: Kaser § 49 II 3; Wacke, A., Die adjektizischen Klagen, ZRG RA 111 (1994), 280

Actio (F.) ex stipulatu (lat.) ist in dem römischen Recht der Klaganspruch des Gläubigers gegen den Schuldner, der in der einseitig verpflichtenden Stipulation eine unbestimmte Leistung versprochen hat.

Lit.: Kaser §§ 40, 83; Söllner §§ 9, 24

actio (F.) ex testamento (lat.) Klaganspruch aus Testament

Lit.: Kaser §§ 32 II 4, 76 II

actio (F.) familiae erciscundae (lat.) Erbteilungsklaganspruch

Lit.: Kaser §§ 65, 66, 73, 81; Söllner §§ 8, 9

actio (F.) fiduciae (lat.) Klaganspruch aus Sicherungsübereignung

Lit.: Kaser §§ 24, 31, 38, 83; Söllner § 9

actio (F.) finium regundorum (lat.) Grenzfeststellungsklaganspruch

Lit.: Kaser § 23

Actio (F.) furti non manifesti (lat.) ist in dem römischen Recht der Klaganspruch gegen den nicht handhaften Dieb auf das Doppelte des Wertes der entzogenen Sache, während die actio furti manifesti auf das Vierfache des Sachwerts gerichtet ist.

Lit.: Kaser § 83; Kaser, M., Die actio furti, ZRG RA 96 (1979), 89

actio (F.) honoraria (lat.) prätorischer Klaganspruch

Lit.: Kaser § 4 II 1

actio (F.) in factum (lat.) auf den Sachverhalt zugeschnittener Klaganspruch des Prätors bei Fehlen einer actio in dem Edikt und Anerkennung eines Rechtsschutzbedürfnisses (z. B. bei von der lex Aquilia nicht erfassten mittelbaren Schädigungen)

Lit.: Söllner § 15; Gröschler, P., Actiones in factum, 2002

actio (F.) iniuriarum (lat.) Schadensersatzklaganspruch

Lit.: Kaser §§ 34, 35, 83; Söllner § 8; Moosheimer, T., Die actio iniuriarum aestimatoria, 1998; Balthasar, S., Der Schutz der Privatsphäre im Zivilrecht, 2006

actio (F.) in personam (lat.) persönlicher Klaganspruch (wegen Forderungen aus einem Schuldverhältnis auf Leistung, wobei Einlassungszwang des Gegners besteht)

Lit.: Kaser § 4 I, II, 82 II; Söllner § 9

actio (F.) in rem (lat.) sachverfolgender Klaganspruch (zu der Durchsetzung von absoluten Rechten auf eine [ursprünglich in der Gerichtsstätte vorhandene] Sache gegenüber einem sich in Widerspruch zu den Rechten des Klägers Setzenden, wobei kein Einlassungszwang des Gegners besteht)

Lit.: Kaser §§ 4, 83 II; Söllner § 9

Actio (F.) institoria (lat.) ist in dem römischen Recht der Klaganspruch gegen einen Unternehmer aus einer von seinem Angestellten eingegangenen Verbindlichkeit.

Lit.: Kaser § 49; Wacke, A., Die adjektizischen Klagen, ZRG RA 111 (1994), 280; Hamza, G., Bemerkungen zur actio ad exemplum institoriae im römischen Recht (in) Seminarios Complutenses de derecho Romano, 25 (20129, 175

actio (F.) iudicati (lat.) Vollstreckungsklaganspruch

Lit.: Kaser §§ 32, 85

actio (F.) legis Aquiliae (lat.) Schadensersatzklaganspruch

Lit.: Kaser § 51; Söllner § 8; Kaufmann, H., Rezeption und usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958

actio (F.) locati (lat.) Klaganspruch des Vermieters u. s. w.

Lit.: Kaser §§ 42, 83 II

actio (F.) mandati (lat.) Klaganspruch aus Auftrag

Lit.: Kaser §§ 56, 57, 83

actio (F.) mixta (lat.) gemischter Klaganspruch (zugleich sachverfolgender und pönaler Klaganspruch)

Actio (F.) negatoria (lat.) ist in dem römischen Recht der Klaganspruch, mit dem der zivile Eigentümer sich dagegen wehren kann, dass ein anderer sich ein nicht bestehendes Recht zu der Einwirkung auf die Sache (z. B. Dienstbarkeit, Recht auf Immission) anmaßt.

Lit.: Kaser § 27 II; Ogorek. R., Actio negatoria und industrielle Beeinträchtigung des Grundeigentums, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 40; Thier, A., Zwischen actio negatoria und Aufopferungsanspruch, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 407; Kawasumi, Y., Von der römischen actio negatoria zum negatorischen Beseitigungsanspruch, 2001

actio (F.) negotiorum gestorum (lat.) Klaganspruch aus Geschäftsführung

Lit.: Kaser §§ 38, 44, 56, 64, 83

actio (F.) noxalis (lat.) Schadensersatzklaganspruch wegen Noxalhaftung des Gewalthabers

Lit.: Köbler, DRG 27

Actio (F.) nullitatis (lat.) ist der mittelalterliche Nichtigkeitsklaganspruch

Lit.: Köbler, DRG 117

actio (F.) operarum (lat.) Klaganspruch auf versprochene Dienste

Lit.: Kaser §§ 16 II, 39 II

Actio (F.) Pauliana (lat.) ist die unter Justinian (527-565) die (lat.) restitutio in integrum und das (lat.) interdictum fraudatorium aufnehmende Gläubigeranfechtungsklage gegen den unentgeltlichen oder wissenden Erwerber aus gläubigerbenachteiligenden Rechtsgeschäften des Schuldners.

Lit.: Willems, C., Actio Pauliana und fraudulent conveyances, 2012

actio (F.) pigneraticia (lat.) Pfandklaganspruch (in rem oder in personam)

Lit.: Kaser §§ 31, 39

actio (F.) poenalis (lat.) Strafklaganspruch

actio (F.) popularis (lat.) Popularklaganspruch, von jedermann aus dem Volk erhebbarer Klaganspruch (z. B. actio de deiectis verl effusis), bei dem die Buße an den Kläger, die Gemeinekasse bzw. Staatskasse oder an beide fällt

Lit.: Kaser § 50 I 1

actio (F.) praescriptis verbis (lat.) Klaganspruch der (von dem Prätor in der Klaganspruchsformel genau) vorgeschriebenen Worte (z. B. bei Innominatkontrakt)

Lit.: Kaser § 45 II; Kranjc, J., Die actio praescriptis verbis, ZRG RA 106 (1989), 434; Artner, M., Agere praescriptis verbis, 2002

actio (F.) praetoria (lat.) prätorischer Klaganspruch

Lit.: Kaser § 4 II

actio (F.) pro socio (lat.) Klaganspruch gegen den Gesellschafter

Lit.: Kaser § 43 I

Actio (F.) Publiciana (lat.) ist in dem römischen Recht der wohl in dem letzten vorchristlichen Jahrhundert von dem Prätor geschaffene sachverfolgende Klaganspruch des besseren Besitzers (z. B. Ersitzungsbesitzers, bonitarischen Eigentümers) gegen den schlechteren Besitzer (also nicht gegen den zivilen Eigentümer) auf Herausgabe der Sache (vgl. § 1007 BGB, 372 ABGB).

Lit.: Kaser §§ 27, 83; Söllner § 9; Apathy, P., Die publizianische Klage, 1981

actio (F.) quanti minoris (lat.) Minderungsklaganspruch (binnen einem Jahr geltend zu machen)

Lit.: Kaser § 41 VI 4; Söllner § 9

Actio (F.) quod iussu (lat.) (Geheißklage) ist in dem römischen Recht der Klaganspruch gegen den durch Geheiß (lat. [N.] iussum) zu Rechtsgeschäften ermächtigenden Hausvater bzw. Gewalthaber wegen des Geschäfts eines Haussohns bzw. Gewaltunterworfenen.

Lit.: Kaser §§ 49, 83; Schleppinghoff, A., Actio quod iussu, Diss. jur. Köln 1996

actio (F.) redhibitoria Wandelungsklaganspruch (binnen sechs Monaten geltend zu machen)

Lit.: Kaser §§ 34, 41; Söllner § 9

actio (F.) rei uxoriae (lat.) Klaganspruch auf Herausgabe des Heiratsguts der Frau

Lit.: Kaser §§ 33, 34, 36; Söllner §§ 9, 24; Söllner, A, Zur Vorgeschichte und Funktion der actio rei uxoriae, 1969

actio (F.) Serviana (lat.) Pfandklaganspruch des Pfandgläubigers (anfangs nur des Verpachtenden) auf Herausgabe der Pfandsache von jedem Besitzer

Lit.: Kaser § 31 III

actio (F.) stricti iuris (lat.) strengrechtlicher Klaganspruch

Lit.: Kaser §§ 33 IV, 36 III, 37 I

actio (F.) tutelae (lat.) Klaganspruch gegen den Vormund

Lit.: Kaser §§ 62 IV 4, 83 II 3

actio (F.) utilis (lat.) (von dem Präter in dem Einzelfall) brauchbar (anwendbar) gemachter allgemeiner Klaganspruch (z. B. Anwendbarmachung der actio legis Aquiliae des Eigentümers auf andere dinglich Berechtigte oder auf den Hausvater eines verletzten Hauskinds)

Lit.: Kaser § 55 II 3; Stolmar, R., Die Genesis der actio utilis, 1988; Stolmar, R., Die formula der actio utilis, 1992

actio (F.) venditi (lat.) Kaufpreisklaganspruch des Verkäufers

Lit.: Kaser §§ 41 III 2, 83 II 3

actus (lat. [N.]) Trift →Dienstbarkeit

actus (M.) iuridicus (lat.) →Rechtsgeschäft

Lit.: Köbler, DRG 164

actus (M.) legitimus (lat.) bedingungsfeindliches Rechtsgeschäft

Lit.: Kaser §§ 34, 41

Additio (F.) sapientium (lat.) ist die innerhalb der →Lex Frisionum überlieferte Niederschrift über Rechtsmitteilungen zweier Männer namens Wlemarus und Saxmundus.

Lit.: Heck, P., Die Entstehung der Lex Frisionum, 1927; Siems, H., Studien zur Lex Frisionum, 1980

Adel ist die Gesamtheit der erblich bevorrechtigten Familien einer Gesellschaft. Derartige Erscheinungen treten in verschiedenen Kulturen auf. Sie sind Wandlungen unterworfen. Die Herkunft des mittelalterlichen deutschen Adels ist ungeklärt. Neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten (ererbter Boden?) spielt wohl auch die Herrschaft über Menschen eine Rolle. Nicht sicher feststellbar ist die Bedeutung charismatischer Elemente (Heil, Behauptung göttlicher Abkunft). Die germanischen (lat. [M.Pl.]) principes (Ersten, Anführer) lassen sich nicht als A. sichern. Das salfränkische Volksrecht (507-511?) kennt noch keine rechtliche Aussonderung erblich bevorrechtigter Familien, doch ist es nicht ausgeschlossen, dass der aus der spätrömischen Reichsbeamtenschaft hervorgegangene römische Senatorenadel vergleichbare fränkische Strukturen als Gegenstück findet. Mit den fränkischen Königen steigen viele ihrer Anhänger über die Zuteilung von wichtigen Aufgaben auf. Infolge von Heiratsverbindungen und militärischen Erfolgen entwickelt sich ein engerer Kreis bedeutender Familien, denen zunehmend die höchsten Ämter des Reiches vorbehalten werden (Reichsadel). Weil ihre Lehen seit dem Ende des 9. Jahrhunderts erblich werden, festigt sich ihre örtliche Bindung zu bestimmten Gebieten. Diese oberste Schicht des bereits in den karolingischen Volksrechten durch ein besonderes →Wergeld sowie ansonsten durch →Ebenburt (Ebenbürtigkeit) und später →Pairsgericht gekennzeichneten Adels wird seit dem Hochmittelalter zu den →Landesherren bzw. →Reichsfürsten. Demgegenüber tritt der vielfach der Unfreiheit entstammende, durch Herrendienst entstandene →niedere Adel in den Dienst der Landesherren ein. Vielleicht ist seit dem 14. Jahrhundert die Ausbildung des eigentlichen Adels (geborenen Adels) in dem Wesentlichen abgeschlossen, wobei zu dem Altadel oder Uradel alle Familien zählen, deren Geschlecht nachweislich spätestens um 1400 dem ritterbürigen Adel angehört. Seit 1346 kann (dementsprechend) der A. (von dem König) durch Urkunde an Bürger verliehen werden (Briefadel, gekorener Adel). Mit dem Absolutismus wird die politische Bedeutung des Adels in dem Land beschnitten. Durch Säkularisation, Mediatisierung, Beseitigung der Grundherrschaft und Einführung des 1789 in Frankreich revolutionär verwirklichten Gleichheitsgrundsatzes wird der rechtliche Vorrang des Adels (im deutschen Gebiet) in der jüngeren Neuzeit (bis 1918) beseitigt (Österreich 3. 4. 1919 Gesetz über die Aufhebung des Adels, Führung verwaltungsstrafbar). Mit der Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone (1945-1949) werden ihm dort auch die wirtschaftlichen Grundlagen entzogen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 78, 87, 98, 111, 120, 132, 135, 149, 206, 225; Guilhiermoz, P., Essai sur l’origine de la noblesse en France, 1902; Wittich, W., Altfreiheit und Dienstbarkeit des Uradels in Niedersachsen, Vjschr. für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 1906; Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche, 1910; Mayer, E., Der germanische Uradel, ZRG GA 32 (1911), 1; Mayer, E., Zur Lehre vom germanischen Uradel, ZRG GA 37 (1916), 93; Ernst, V., Die Entstehung des niederen Adels, 1916; Lintzel, M., Die Stände der deutschen Volksrechte, 1933; Dungern, O. v., Adelsherrschaft im Mittelalter, 1927, Neudruck 1967; Otto, E., Adel und Freiheit, 1937; Stutz, U., Zum Ursprung und Wesen des niederen Adels, 1937; Bader, K., Zur Lage und Haltung des schwäbischen Adels am Ende des alten Reiches, Zs. f. württ. LG. 5 (1941), 335; Tellenbach, G., Vom karolingischen Reichsadel zum deutschen Reichsfürstenstand, 1943; Hiesel, R., Die staatsrechtliche und soziologische Stellung des Stadtadels, 1952; Sprandel, R., Der merovingische Adel, 1957; Bergengruen, A., Adel und Grundherrschaft im Merovingerreich, 1958; Kläui, P., Hochmittelalterliche Adelsherrschaften im Zürichgau, 1960; Deutscher Adel 1430-1555, hg. v. Rößler, H., 1965; Deutscher Adel 1555-1740, hg. v. Rößler, H., 1965; Störmer, W., Früher Adel, 1973; La noblesse, hg. v. Contamine, P., 1976; Fleckenstein, J., Die Entstehung des niederen Adels und das Rittertum, 1977; Sablonier, R., Adel im Wandel, 1979; Lemmel, H., Die genetische Kontinuität des mittelalterlichen Adels, 1980; Werner, M., Adelsfamilien im Umkreis der frühen Karolinger, 1982; Barbero, A., L’aristocrazia, 1987; Europäischer Adel 1750-1950, hg. v. Wehler, H. u. a., 1990; Althoff, G., Verwandte, Freunde und Getreue, 1990; Ritterorden und Adelsgesellschaft im spätmittelalterlichen Deutschland, hg. v. Kruse, H. u. a., 1991; Hoyningen-Huene, I. Frfr. v., Adel in der Weimarer Republik, 1992; Adel in der frühen Neuzeit, hg. v. Endres, W., 1993; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters, 1993, 2. A. 2015; Ranft, A., Adelsgesellschaften, 1994; Fehrenbach, E., Adel und Bürgertum im deutschen Vormärz, HZ-258 (1994), 1; Jackman, D., Das Eherecht und der frühdeutsche Adel, ZRG GA 112 (1995), 158; The European Nobilities in the Seventeenth and Eighteenth Centuries, Bd. 2 1995, 2. A. 2007; Geschichte des sächsischen Adels, hg. v. Keller, K. u. a., 1997; Contamine, P., La noblesse au royaume de France, 1997; Nobilitas, hg. v. Oexle, G. u. a., 1997; Dumoulin, K., Die Adelsbezeichnung im deutschen und ausländischen Recht, 1997; Rösener, W., Adelsherrschaft als kulturhistorisches Phänomen, HZ 268 (1998), 1; Werner, K., Naissance de la noblesse, 1998; Peters, U., Dynastiegeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999; Reif, H., Adel im 19. und 20. Jahrhundert, 1999; Baudisch, S., Lokaler Adel in Nordwestsachsen, 1999; Binder-Krieglstein, R., Österreichisches Adelsrecht 1868-1918/19, 2000; Nobles and Nobility in Medieval Europe, hg. v. Duggan, A., 2000; La noblesse dans les territoires angevins, hg. v. Coulet, N. u. a., 2000; Conze, E., Vom deutschen Adel – Die Grafen von Bernstorff im zwanzigsten Jahrhundert, 2000; Stockert, H., Adel im Übergang, 2000; Der europäische Adel im Ancien Régime, hg. v. Asch, R., 2001; Schmilewski, U., Der schlesische Adel, 2001; Janse, A., Ridderschap in Holland, 2001; Zwischen Nicht-Adel und Adel, hg. v. Andermann, K. u. a., 2001; Mauerer, E., Südwestdeutscher Reichsadel im 17. und 18. Jahrhundert, 2001; Pečar, A., Die Ökonomie der Ehre. Der höfische Adel am Kaiserhof Karls VI. (1711-1740), 2003; Zunker, D., Adel in Westfalen, 2003; Malinowski, S., Vom König zum Führer, 2003; Hengerer, M., Kaiserhof und Adel, 2004; Adel und Moderne, hg. v. Conze, E./Wienfort, M., 2004; Schneider, J., Spätmittelalterlicher deutscher Niederadel, 2003; Theilemann, W., Adel im grünen Rock, 2004; Funck, J., Feudales Kriegertum und militärische Professionalität, 2004; Hechberger, W., Adel, Ministerialität und Rittertum im Mittelalter, 2004, 2. A. 2010; Hechberger, W., Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter, 2005; Crouch, D., The Birth of Nobility, 2005; Kleines Lexikon des Adels, hg. v. Conze, E., 2005; Dendorfer, J., Adelige Gruppenbildung und Königsherrschaft, 2005; Barth, T., Adelige Lebenswege im alten Reich, 2005; Fried, J., Konradiner und kein Ende, ZRG GA 123 (2006), 1; Hochmittelalterliche Adelsfamilien in Altbayern, Franken und Schwaben, hg. v. Kramer, F. u. a., 2006; Adel im Wandel, hg. v. Bumiller, C., 2006; Adel im Wandel, hg. v. Hengerer, M. u. a., 2006; Ruppel, S., Verbündete Rivalen, 2006; Matzerath, J., Adelsprobe an der Moderne, 2006; Adel in Sachsen-Anhalt, hg. v. Labouvie, E., 2007; Votypka, V., Böhmischer Adel, 2007; Adel und Nationalsozialismus im deutschen Südwesten, hg. v. Haus der Geschichte u. a., 2007; Adel in Bayern, hg. v. Haus der bayerischen Geschichte, 2008; Sikora, M., Der Adel in der frühen Neuzeit, 2009; Adel im „langen“ 18. Jahrhundert, hg. v. Haug-Moritz, G. u. a., 2009; Adel in Schlesien, hg. v. Harasimowicz, J. u. a., 2010; Adel in Hessen, hg. v. Conze, E. u. a., 2010; Risch, H., Der holsteinische Adel im Hochmittelalter, 2010; Adel verbindet, hg. v. Van Driel, M. u. a., 2010; Adel und Bauern in der Gesellschaft des Mittelalters, hg. v. Fey, C. u. a., 2012; Groß, O., Die Debatten über den Adel im Spiegel der Grundrechtsberatungen in den deutschen Parlamenten 1848/1849, 2013; Adel in Südwestdeutschland und Böhmen 1450-1850, hg. v. Asch, R. u. a., 2013; Lyon, J., Princely Brothers and Sisters, 2013; Ansitz – Freihaus – corte franca, hg. v. Pfeifer, G. u. a., 2013; Adelsbilder von der Antike bis zur Gegenwart, hg. v. Scholz, P. u. a., 2013; Weckenbrock, O., Adel auf dem Prüfstand, 2014; Dewmel, W./Schraut, S.; Der deutsche Adel, 2014; Adel, Recht und Gericht im frühneuzeitlichen Europa, hg. v. Baumann, A., 2014; Gothaisches Genealogisches Handbuch, Fürstliche Häuser, Bd. 1, bearb. v. Fink von Finkenstein, G. u. a., 2015; Raasch, M., Der Adel auf dem Feld der Politik, 2015 (Zentrumspartei); Seelig, M., Alltagsadel – Der ehemalige ostelbische Adel, 2015; Singer, J., Arme adlige Frauen im deutschen Kaiserreich, 2016; Wunder, D., Der Adel im Hessen des 18. Jahrhunderts, 2016; Europäischer Adel als Unternehmer, hg. v. Rasch, M. u. a., 2017

Adelberg (Prämonstratenserstift)

Lit.: Albus-Kötz, S., Von Krautgärten, Äckern, Gülten und Hühnern, 2014

Ädile sind in dem römischen Recht zunächst die beiden Vorsteher des plebejischen Sonderheiligtums (lat. [F.] aedes [sacra], Tempel), die auch die Aufsicht über die dort stattfindenden Märkte haben. In dem Jahre 367 v. Chr. wird ihnen die allgemeine Polizeigewalt übertragen. Ihnen werden zwei weitere Ä. zu der Seite gestellt, die abwechselnd aus Patriziern und Plebejern gewählt werden sollen. Sie erhalten die Marktgerichtsbarkeit, in deren Rahmen sie ein eigenes Edikt aufstellen. Außer in Rom gibt es Ä. später auch in anderen Gemeinden.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 8, 15; Söllner §§ 6, 8; Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Daguet-Fagey, A., Splendor aedilitatum, 2015; Becker, M., „Suntoque aediles curatores urbis …“ – Die Entwicklung der stadtrömischen Aedilität in republikanischer Zeit, 2017

aditio (lat. [F.]) Antritt

adiudicatio (lat. [F.]) Zuspruch

adjektizisch (hinzukommend, erstreckend) z. B. in dem römischen Recht Klagansprüche gegen den Gewalthaber auf Grund von Geschäften Gewaltunterworfener (z. B. actio de in rem verso, actio de peculio, actio quod iussu, actio tributoria) oder gegen den Geschäftsherrn auf Grund von Geschäften von Geschäftsführern (z. B. actio institutoria, actio exercitoria), die keine selbständigen Verbindlichkeiten begründen, sondern die Verbindlichkeiten des Schuldners (Gewaltunterworfenen, Geschäftsführers) nur auf einen anderen (z. B. Gewalthaber, Geschäftsherrn) erstrecken

Adler ist der Vogel, der als König der Vögel bereits in dem Altertum als Begleitzeichen des höchsten Gottes (Zeus, Jupiter) erscheint und bald als Zeichen der römischen Weltherrschaft verwendet wird. Diese Symbolik übernimmt anscheinend Karl der Große. Unter Friedrich I. Barbarossa wird der goldene A. auf farblosem Grund zu demReichswappen, das in dem 13. Jahrhundert schwarz auf goldenem Grund gestaltet wird. An dem Ende des 12. Jahrhunderts tritt der ebenfalls schon antike Doppeladler in Siegeln von Reichsstädten neben den einfachen A. Um 1230 geben die Reichsfürsten den bis dahin wegen ihrer königlichen Lehen geführten A. fast durchweg auf. Unter Kaiser Sigismund wird 1433 der schwarze Doppeladler in dem goldenen Feld Reichswappen, neben dem der König bis zu demEnde des Heiligen römischen Reiches den einfachen A. führt. 1848 erklärt die Bundesversammlung den Doppeladler zu demWappen des geplanten Deutschen Reiches, 1871 das Deutsche Reich den einköpfigen schwarzen A. in Gold mit aufgelegtem preußischem Adlerschild, 1919 den einköpfigen schwarzen A. in Gold, der 1950 von der Bundesrepublik Deutschland übernommen wird. Österreich verwendet 1804 den Doppeladler als Reichswappen, versieht ihn aber mit je einer Krone und führt 1919 den einköpfigen schwarzen A. mit Hammer und Sichel in den Fängen ein, der von 1934 bis 1945 durch einen Doppeladler ersetzt, 1945 aber mit einer zusätzlichen gesprengten Eisenkette wieder aufgenommen wird. Preußen führt seit 1320 zusätzlich den kaiserlichen A., der 1525 als schwarzer A. in Silber gestaltet und mit einer goldenen Krone um den Hals und einem silbernen S(igismund) auf der Brust versehen wird. 1701 wird der gekrönte schwarze A. in Silber Wappen des Königreichs.

Lit.: Gritzner, E., Symbole und Wappen des alten deutschen Reiches, 1902; Korn, H., Adler und Doppeladler, Diss. phil. Göttingen 1969, Neudruck 1976; Hattenhauer, H., Deutsche Nationalsymbole, 1984; Hattenhauer, H., Geschichte der deutschen Nationalsymbole, 2. A. 1990; Hattenhauer, H., Deutsche Nationalsymbole, 3. A. 1998; Reichel, P., Schwarz Rot Gold, 2005

admallatio (lat. [F.]) Ladung

administratio (lat. [F.]) Verwaltung

Lit.: Busch, J., Administratio in der frühen Stauferzeit, ZRG GA 122 (2005), 42; Busch, J., Vom Amtswalten zum Königsdienst, 2007

Administrativjustiz (F.) durch die Verwaltung wahrgenommene Gerichtsbarkeit in Verwaltungsangelegenheiten (in dem 19. Jahrhundert)

Lit.: Pahlow, L., Administrativjustiz versus Justizstaat, ZNR 2000, 11

Administrator ist seit dem Ende des 13. Jahrhunderts der Verwalter eines Bistums.

Lit.: Busch, J., Administratio in der frühen Stauferzeit, ZRG GA 122 (2005), 43

admonitio (lat. [F.]) Ermahnung (z. B. Kapitular admonitio generalis von dem 23. 3. 789)

Lit.: Buck, T., Admonitio und Praedicatio, 1997; Die Admonitio generalis Karls des Großen, hg. v. Mordek, H. u. a., 2012

adoptio (lat. [F.]) Annahme an Kindes Statt →Adoption

Adoption ist die Annahme eines Menschen als Kind unabhängig von der tatsächlichen Verwandtschaft. Das römische Recht kennt in diesem Zusammenhang neben der (lat. [F.]) adrogatio eines Menschen sui iuris und verschiedenen testamentarischen Geschäften in Anknüpfung an die Zwölftafelgesetzgebung die (lat. [F.]) adoptio eines Menschen alieni iuris, bei der ein Vater seinen Sohn dreimal (bzw. eine Tochter oder einen Enkel einmal) dem künftigen Adoptivvater zu treuen Händen durch →Manzipation (lat. [F.] →mancipatio) überträgt, dieser ihn dreimal (bzw. einmal) freilässt, der Adoptierende vor dem Gerichtsmagistrat behauptet, dass das Kind das seine sei, der Vater nicht widerspricht und der Magistrat den Menschen dem Adoptivvater zuteilt. Das frühmittelalterliche Recht nimmt mit ähnlicher Zielsetzung die →Affatomie bzw. das Speergedinge vor. Zu Beginn der Neuzeit wird die römischrechtliche A. in eingeschränkter Form an einzelnen Stellen aufgenommen (Freiburg im Breisgau 1520) und findet erst danach allgemein (entweder als adoptio plena d. h. volle Verwandtschaft oder als adoptio minus plena Erbberechtigung des Adoptierten nach dem Adoptierenden) Eingang in die vernunftrechtlichen Kodifikationen (CMBC 1756 I, 4, § 5; I, 5 § 12, ABGB 1811 §§ 181ff., Code civil Art. 343ff., Bad LR Art. 343ff.). Wie schon in dem römischen Recht, so sollte auch in dem Allgemeinen Landrecht (II 2 §§ 666ff. Preußens die A. vor allem Kinderlosen einen Erben verschaffen. In Deutschland wird sie 1900 in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen und 1976 neu gefasst, in Großbritannien 1926 eingeführt. Sie dient zunehmend der Kinderfürsorge und der Befriedigung ideeller Wünsche.

Lit.: Kaser § 60; Söllner §§ 8, 25; Hübner; Köbler, DRG 21, 268; Pappenheim, M., Über künstliche Verwandtschaft im germanischen Rechte, ZRG GA 29 (1908), 304; Pitzorno, B., L’adozione privata, 1914; Eichmann, E., Die Adoption des deutschen Königs durch den Papst, ZRG GA 37 (1916), 291; Kuhn, H., Philologisches zur Adoption bei den Germanen, ZRG GA 56 (1947), 1; Wackernagel, W., Die rechtliche Stellung der Nachkommen des Adoptivkindes, Diss. jur. Basel 1953; Diederichsen, U., Wandlungen des Adoptionsrechts, StAZ 1977, 301; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schubert, W., Die Projekte der Weimarer Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und des Ehescheidungsrechts, 1986; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Jussen, B., Patenschaft und Adoption, 1991; Knütel, R., Zur Adoption im römischen Recht, (in) Familienrecht in Geschichte und Gegenwart, 1992, 3; Schoenenberger, M., Histoire du droit de l’adoption, (Diss. jur. Freiburg i. Ü.) 1995; Sturm, F., Die Aufnahme der Adoption in den Code civil, (in) Wirkungen europäischer Rechtskultur, 1997, 1305ff.; L’adoption dans le droit savant, hg. v. Roumy, F. u. a., 1998; Neukirchen, C. Die rechtshistorische Entwicklung der Adoption, 2004; Kurtz, D., Das Institut der Adoption im preußischen Allgemeinen Landrecht und im französischen Code civil, 2006; Wesener, G., Adoptio, FS Wilhelm Brauneder, 2008, 699; Schott, C., Kindesannahme - Adoption - Wahlkindschaft, 2009; Warnecke, M., Zwangs-Adoptionen in der DDR, 2009

advocatus (lat. [M.]) Herbeigerufener (Rechtsbeistand) →Advokat, (mlat.) →Vogt

Advokat (lat. [M.] advocatus) ist seit dem 5. Jahrhundert in der christlichen Kirche ein Funktionsträger. In dem 8. Jahrhundert schreibt die Kirche die Zuziehung solcher (lat.) advocati (M.Pl.) in weltlichen Streitigkeiten der Geistlichen vor. Bis 1340 wird ihr Aufgabenkreis durch päpstliche Dekrete näher bestimmt. An dem Ende des 14. Jahrhunderts findet das Wort als Fremdwort Eingang in das Deutsche. In dem Prozess verfasst der A. als Berater und Vertreter einer Partei Klageschriften und andere Stellungnahmen und trägt sie in seinem Plädoyer vor Gericht mündlich vor. Mit der Rezeption übernimmt zeitweise (KGO 1421, RKGO 1495) der →Prokurator den Vortrag vor Gericht. In Preußen wird 1793 kurzfristig die Advokatur abgeschafft. 1878 wird der Ausdruck A. in dem Deutschen Reich durch →Rechtsanwalt ersetzt.

Lit.: Söllner §§ 9, 11; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 56, 86, 117, 153; Fournier, P., Les officialités au Moyen Age, 1880; Hogan, J., Judicial Advocates and Procurators, 1941; Hermesdorf, B., Licht en schaduw in de advocatuur der Lage Landen, 1951; Gänßlen, G., Die Ratsadvokaten und Ratskonsulenten der Reichsstadt Ulm, 1966; Grahl, C., Die Abschaffung der Advokatur, 1993; Siegrist, H., Advokat, Bürger und Staat, 1996; Scherner, K., Advokaten, Revolutionäre, Anwälte, 1997; Neschwara, C., Die Entwicklung der Advokatur in Cisleithanien, ZRG GA 115 (1998), 441; Officium advocati, hg. v. Mayali, L., 2000; Baumann, A., Advokaten und Prokuratoren, 2006; 200 jaar orde van Advocaten te Antwerpen, hg. v. Bogaerts, P. u. a., 2012

aedilis (lat. [Adj.]) Haus-, s. Ädil

AEIOU ist die von dem der Buchstabenmagie zugetanen Kaiser Friedrich III. (1440-1493) von Habsburg seit 1437 verwendete Zeichenfolge, deren vielfache lateinische und deutsche Erklärungen (z. B. [lat.] Austriae est imperare orbi universo, Alles Erdreich ist Österreich untertan, [lat.] Austria est inter omnes universa, Österreich ist unter allen das vielseitigste) erst später erscheinen.

aequitas (lat. [F.]) Billigkeit, Gerechtigkeit

Lit.: Rühl, P., Das aequitatis iudicium im fränkischen Königsgericht, ZRG GA 20 (1899), 207; Kirn, P., Aequitatis iudicium, ZRG GA 52 (1932), 53; Ostwaldt, L., Aequitas und Justitia, 2009

Aequitas (F.) canonica (lat.) ist die aus den Umständen des Einzelfalls eine Abweichung von dem geltenden Recht begründende kanonische Billigkeit. Auf Grund von antiken Vorläufern (griech. epicheia, lat. supraiustitia) und kirchenrechtlichen Sammlungen des 10. und 11. Jahrhunderts wird sie von Gratian (1140) verwendet. Ziel ist die praktische Verwirklichung des Gerechtigkeitsideals. Hauptsächlich dient die a. c. der Auslegung und Ergänzung rechtlicher Regeln.

Lit.: Wohlhaupter, E., Aequitas canonica, 1931; Maitland, F., Equity, 1936; Hering, C., Die aequitas bei Gratian, (in) Studia Gratiana Bd. 2 1954, 96; Horn, N., Aequitas in den Lehren des Baldus, 1968; Caroni, P., „Aequitas“ romana, „misericordia“ patristica ed „epicheia“ aristotelica nella dottrina dell’ „aequitas canonica“, 1971; Equity in the World’s Legal Systems, hg. v. Newman, A., 1973; Maifeld, J., Die aequitas bei L. Neratius Priscus, 1991; Landau, P., Der Einfluss des kanonischen Rechtes, (in) Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1991, 39; Wesener, G., Aequitas naturalis, (in) Der Gerechtigkeitsanspruch des Rechts, 1996, 82

aequus (lat. [Adj.]) eben, gleich, billig, gerecht

aerarium (lat. [N.]) Staatskasse, Staatsschatz

aestimatum (lat. [N.]) Trödelvertrag

Affatomie ([F.] „Indenschoßsetzung“) ist das förmliche Verfahren des altfränkischen Rechtes (fränkische Volksrechte, Kapitularien, Formeln), durch das Güter eines kinderlosen Erblassers in drei zeitlich getrennten Handlungen in dem Ding, in dem Haus und in dem Königsding Dritten zugewendet werden können.

Lit.: Hübner; Pactus legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962, Tit. 46, §§ 1-6, Tit. 105, § 1; Schmidt, R., Die Affatomie der lex Salica, 1891; Sousa Costa, A. de, Studien zu volkssprachigen Wörtern in karolingischen Kapitularien, 1993, 162; Schmidt-Recla, A., Mancipatio familiae und Affatomie, (in) Leges – Gentes – Regna, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2006, 461

Affektion (F.) Zuneigung, Liebhaberei

Affektionsinteresse (N.) Liebhaberwert

Lit.: Kindler, M., Vom Ursprung des Affektionsinteresses im römischen Recht und seiner Rezeption, 2012

Afghanistan

Lit.: Buske, R., Kunduz. Ein Erlebnisbericht, 2015

Africanus (Sextus Caecilius Africanus) ist der als Schüler des →Julian bekannte hochklassische römische Rechtskundige des 2. Jahrhunderts n. Chr. († 175?), von dem Epistulae und Quaestiones bezeugt sind (insgesamt 35 Spalten in Otto Lenels Palingenesie).

Lit.: Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961; Africani quaestiones. Studien zur Geschichte und Dogmatik des Privatrechts, hg. v. Harke, J., 2011

Afrika ist der südlich Europas gelegene Kontinent, dessen günstige klimatische Gegebenheiten die Entwicklung des modernen Menschen ermöglichen, dessen Nordrand schon dem römischen Reich angehört, dessen südliche Teile aber erst mit dem Beginn der Neuzeit in das europäische Gesichtsfeld treten und dann als Kolonien durch Portugal, England, Frankreich, Belgien und Deutschland in Besitz genommen werden, bis sie sich nach der Mitte des 20. Jahrhunderts zu verhältnismäßig selbständigen Staaten befreien können.

Lit.: Davidson, B., Old Africa rediscovered, 1959; Davidson, B., Urzeit und Geschichte Afrikas, 1961; Strauch, H., Afrikas Weg zur Einheit, Diss. jur. Zürich (um 1965); Zimmermann, R., Der Einfluss Pothiers auf das römisch-holländische Recht in Südafrika, ZRG GA 102 (1985), 168; Davidson, B., The Black Man’s Burden, 1992; Iliffe, J., Geschichte Afrikas, 2. A. 2003; Harding, L., Geschichte Afrikas im 19. und 20. Jahrhundert, 1999, 2. A. 2010; Hazdra, P., Afrikanisches Gewohnheitsrecht, 1999; Wesseling, H., Teile und herrsche, 1999; Afrika, hg. v. Grau, I. u. a., 2000; Das Afrika-Lexikon, hg. v. Mabe, J., 2001; Ansprenger, F., Geschichte Afrikas, 2002; Fage, J./Oliver, R., Kurze Geschichte Afrikas, 2002; Giliomee, H., The Afrikaners, 2003; Kleines Afrika-Lexikon, hg. v. Hofmeier, R. u. a., 2004; Marx, C., Geschichte Afrikas, 2004; Guérivière, J. de la, Die Entdeckung Afrikas, 2004; Koloniale und postkoloniale Konstruktionen von Afrika und Menschen afrikanischer Herkunft in der deutschen Alltagskultur, hg. v. Bechhaus-Gerst, M. u. a., 2006; Schuerkens, U., Geschichte Afrikas, 2009; Schicho, W., Geschichte Afrikas, 2010; Harding, L., Das Königreich Benin, 2010; Weckner, F., Strafrecht und Strafrechtspflege für Afrikaner und ihnen gleichgestellte Farbige in Deutsch-Ostafrika, 2010; The Cambridge History of South Africa, Bd. 1f., hg. v. Hamilton, C. u. a., 2010f.; Wallace, M., History of Namibia, 2011; Thornton, J., A Cultural History of the Atlantic World 1250-1820, 2012; 50 Jahre Unabhängigkeit in Afrika, hg. v. Bierschenk, T. u. a., 2012; Brett, M., Approaching African History, 2013; Marx, C., Südafrika, 2012; Stamm, V., Schriftquellen zur westafrikanischen Geschichte, HZ 298 (2013), 326 (sehr umfangreich, aber nur teilweise aufgefunden und kaum erschlossen); Brauner, C., Kompanien, Könige und cabocers – interkulturelle Diplomatie an Gold- und Sklavenküste im 17. und 18. Jahrhundert, 2015; Van der Linden, M., The acquisition of Africa (1870-1914), 2016; Jones, A., Afrika bis 1850, 2016; Kwame Nkrumah 1909-1972, hg. v. Lundt, B. u. a., 2016; Marx, C., Mugabe – ein afrikanischer Tyrann, 2017; Stamm, V., Die Ökonomie der Ackerbauer, Viehhalter und Fischer, 2018 (westafrikanische Savannenregion ca. 1000-ca. 1900)

Afterlehen ist die seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts entstandene Bezeichnung für das von einem Lehnsmann in einem weiteren, von ihm begründeten Lehnsverhältnis an einen (Unter-)Lehnsmann (Aftervassallen) weitergegebene Lehen. In dem Gegensatz zu England und der Normandie ist in Deutschland und Frankreich der Empfänger des Afterlehens dem (Ober-)Lehnsherrn nicht zu Dienst und Treue verpflichtet.

Lit.: Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafen von Katzenelnbogen, 1969

Aggression

Lit.: Weisbord, N., The Crime of Aggression – The Quest for Justice in an Age of Drones, Cyberattacks, Insurgents and Autocrats, 2019

Agnat ist der über Männer Verwandte. In dem römischen Recht sind adgnati (M.Pl.) alle freien Menschen, die in demselben Hausverband (oder in manus) stehen oder noch ständen, wenn ihr gemeinsamer Stammvater noch lebte. In dem germanisch-deutschen Sprachbereich sind die Agnaten die Verwandten, die sich in rein männlicher Linie auf einen gemeinsamen Stammvater zurückführen lassen (→Schwertmagen). Der verschiedentlich behauptete Vorrang des agnatischen Prinzips vor dem kognatischen Prinzip ist nicht nachweisbar.

Lit.: Kaser § 12; Kroeschell, DRG 1; Schmid, K., Zur Problematik von Familie, Sippe und Geschlecht, Haus und Dynastie, ZGO 105 (1957), 1; Dölling, H., Haus und Hof in westgermanischen Volksrechten, 1958

Agrarverfassung ist die (rechtliche) Grundordnung der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke einer Allgemeinheit. Die römische A. ist zunächst durch kleinbäuerliche naturale Hauswirtschaft gekennzeichnet, doch bewirkt die Entwicklung Roms zu einer Weltmacht den Übergang der römischen Kleinbauern in das Proletariat, während die Patrizier durch Sklaven Plantagenwirtschaft betreiben können. Die A. der Germanen ist umstritten. Eher unwahrscheinlich ist die durch Berichte Caesars und Tacitus’ nahegelegte urkommunistische A. mit jährlicher Ackerverlosung. Vielmehr dürften Haus und umliegendes Ackerland oder Weideland bereits familienmäßig zugeordnet gewesen sein. Vielleicht als Folge der Landnahme in der Völkerwanderung und der Begegnung mit provinzialrömischen Zuständen entsteht die →Grundherrschaft als überwiegende Form des Betriebs der →Landwirtschaft. Mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft in dem Hochmittelalter werden Naturalabgaben der abhängigen bäuerlichen Hintersassen in Geldleistungen umgewandelt. Östlich von Elbe und Saale setzt sich vor allem seit der frühen Neuzeit die Gutsherrschaft durch, die abhängige Bauern zu Tagelöhnern macht. An die Stelle von Rentengrundherrschaft und Gutsherrschaft tritt nach der von der Aufklärung verursachten französischen Revolution von 1789 in dem 19. Jahrhundert (1807-1848) das →Eigentum des einzelnen (befreiten) Bauern. In dem 20. Jahrhundert führt die politische, wirtschaftliche und technische Entwicklung zu der Zerschlagung des Großgrundeigentums einerseits und zu der Notwendigkeit der Bildung größerer Wirtschaftseinheiten (landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR, Landpacht) andererseits. Nach dem zweiten Weltkrieg wird die A. von Industrialisierung, Europäisierung und Globalisierung geprägt, die das Ende des kleinbäuerlichen Familienbetriebs einleiten. Gleichwohl gilt noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts Sonderrecht für das landwirtschaftliche Grundeigentum.

Lit.: Köbler, DRG 133, 174; Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, 1856; Knapp, G., Die Bauernbefreiung, 1887; Wittich, W., Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, 1896; Weber, M., Agrarrecht, Agrargeschichte, Agrarpolitik - Vorlesungen 1894-1899, hg. v. Aldenhoff-Hübinger, R., 2007; Dopsch, A., Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit, 2. A. 1921; Weber, M., Wirtschaftsgeschichte, 1923; Kötzschke, R., Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters, 1924; Wührer, K., Beiträge zur ältesten Agrargeschichte des germanischen Nordens, 1935; Lütge, F., Die Agrarverfassung des frühen Mittelalters im mitteldeutschen Raum, 1937, 2. A. = Neudruck 1966; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Lütge, F., Geschichte der deutschen Agrarverfassung, 1963; Blaschke, K., Grundzüge und Probleme einer sächsischen Agrarverfassungsgeschichte, ZRG GA 82 (1965), 223; Wege und Forschungen der Agrargeschichte (FS Günther Franz), hg. v. Haushofer, H. u. a., 1967; Groß, R., Die bürgerliche Agrarreform in Sachsen, 1968; Jamin, R., Aufbau, Tätigkeit und Verfahren der Auseinandersetzungsbehörden bei der Durchführung der preußischen Agrarreformen, 1985; Brakensiek, S., Agrarreform und ländliche Gesellschaft, 1991; Rösener, W., Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter, 1992; Achilles, W., Deutsche Agrargeschichte im Zeitalter der Reformen und der Industrialisierung, 1993; Corni, G. u. a., Blut und Boden, 1996; Agrargeschichte, hg. v. Troßbach, W. u. a., 1998; Kluge, U., Agrarwirtschaft und ländliche Gesellschaft im 20. Jahrhundert, 2005; Agrarreformen und ethnodemographische Veränderungen - Südosteuropa vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart, hg. v. Krauss, K., 2008; Oberkrone, W., Ordnung und Autarkie, 2009; Grundzüge der Agrargeschichte, hg. v. Brakensiek, S. u. a., Bd. 1-3, 2016

Agustín, Antonio (Saragossa 1516-Rom 1586) schafft nach Studien in Alcala, Salamanca, Padua und Bologna (Alciat) in dem päpstlichen Dienst die Grundlage für die geschichtliche Bearbeitung der Quellen des kirchlichen Rechtes.

Lit.: Bernal Palacios, A., Antonio Agustín y su „Recollecta in iure canonico“, (in) Revista española de derecho canonico 45 (1988), 487

Ägypten ist das sich längs des unteren Nils erstreckende Gebiet Ägyptens, in dem seit dem Ende des 4. Jt.s v. Chr. eine Hochkultur erkennbar ist, deren Rechtssätze nur wenig bekannt sind. 30 v. Chr. fällt Ä. (nach mehr als 330 Königen aus 30 Dynastien) an die Römer, später wird es rasch von dem →Islam erfasst. Aus dem Erbe des osmanischen Reiches wird es 1882 von Großbritanien besetzt, zwischen 1922 und 1946 aber schrittweise verselbständigt.

Lit.: Grünau, W. v., Die staats- und völkerrechtliche Stellung Ägyptens, 1903, Neudruck 2013; Friedell, E., Kulturgeschichte Ägyptens und des Alten Orients, 1936, Neudruck 1998; Seidl, E., Einführung in die ägyptische Rechtsgeschichte, 2. A. 1951; Otto, E., Ägypten, 1953, 5. A. 1959; Seidl, E., Ägyptische Rechtsgeschichte 2. A. 1968; Goedicke, H., Die privaten Rechtsinschriften, 1970; Lurje, M., Studien zum altägyptischen Recht, 1971; Seidl, E., Rechtsgeschichte Ägyptens als römischer Provinz, 1973; Wolff, H., Das Recht der griechischen Papyri Ägyptens, Bd. 2 1978; Vercoutter, J., L´Egypte, Bd. 1 1992; Hölbl, G., Geschichte des Ptolemäerreiches, 1994; Assmann, J., Ägypten, 1996; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Reclams Lexikon des alten Ägypten, hg. v. Shaw, I. u. a., 1998; Boochs, W., Altägyptisches Zivilrecht, 1998; Huß, W., Ägypten in hellenistischer Zeit, 2001; Clauss, M., Das alte Ägypten, 2001; Wolff, H., Das Recht der griechischen Papyri Ägyptens, hg. v. Rupprecht, H., Bd. 1 2002; Hölbl, G., Altägypten im römischen Reich, 2005; Capponi, L., Augustan Egypt, 2005; Langner, U., Forschungsarbeiten zur frühen Kultur der Menschheit, 2007; Bingen, J., Hellenistic Egypt, 2007; Ägypten unter fremden Herrschern, hg. v. Pfeiffer, S., 2007; Hornung, E., Einführung in die Ägyptologie, 6. A. 2008, 7. unv. A. 2010; Booth, C., Das alte Ägypten, 2009; Cities and Urbanism in Ancient Egypt, hg. v. Bietak, M. u. a., 2010; Kubisch, S. u. a., Kleopatra, 2011; Clauss, M., Der Pharao, 2011; Rupprecht, H., Recht und Rechtsleben im ptolemäischen und römischen Ägypten, 2011; Huß, W., Die Verwaltung des ptolemäischen Reichs, 2011; Monson, A., From the Ptolemies to the Romans, 2012; Huß, W., Die Wirtschaft Ägyptens in hellenistischer Zeit, 2012; The Oxford Handbook of Roman Egypt, hg. v. Riggs, C., 2012; Wilkinson, T., Aufstieg und Fall des Alten Ägypten, 2012; Bauschtz, J., Law and Enforcement in Ptolemaic Egypt, 2013; Jin, S., Richten und Schlichten, 2014; History and Society during the Mamluk Period (1250-1517), hg. v. Conerman, S., 2014; Beckh, T. u. a., Die Entdeckung Ägyptens, 2014; Pink, J., Geschichte Ägyptens, 2014; Cline, E., 1177 v. Chr. Der erste Untergang der Zivilisation, 2015; Pharao – Leben im alten Ägypten, hg. v. Tietze, C., 2017; Blumenthal, V., Das ägyptische Alte Reich – Diskussionen zur „Ereignisgeschichte“ der 3. bis 6. Dynastie, 2019

Ahnengrab

Lit.: Meier, J., Ahnengrab und Brautstein, 1944; Meier, J., Ahnengrab und Rechtsstein, 1950

Ahnenprobe ist der Nachweis der (adeligen) Abkunft von dem 12. bis 19. Jahrhundert

Lit.: Langer, C., Die Ahnen- und Adelsprobe, 1862; Klocke, F. v., Westdeutsche Ahnenproben, 1940; Medien der Kommunikation im Mittelalter, hg. v. Spieß, K., 2003, 139ff.

Ahrweiler

Lit.: Krahforst, P., Stadtverfassung und Gerichtswesen im mittelalterlichen Ahrweiler, Diss. jur. Bonn 1962; Inventar des Archivs der Stadt Ahrweiler 1228-1795, bearb. v. Zimmer, T., 1965

Akademie ist die bei dem Hain des griechischen Helden Akademos in Athen von Plato (428/427-348/347 v. Chr.) gegründete, griechische, 529 n. Chr. von dem oströmischen Kaiser Justinian verbotene Philosophenschule, deren Grundgedanke 1454 in Italien (Terranuova/Florenz) wiederbelebt wird. Seitdem versammeln sich nach dem Kooptationsprinzip bedeutende universitäre Gelehrte in außeruniversitären Akademien (Accademia dei Lincei 1603, Accademia del Cimento 1657, Leopoldina Schweinfurt 1652) vor allem zwecks Netzwerkbildung. Der entscheidende Anteil an der Entwicklung der modernen Welt kann aber eher den Universitäten (z. B. Halle 1694, Göttingen 1737, Berlin 1810) als den Akademien (Preußen 1700, Österreich 1847) als Wissenschaftsnetzwerken zugesprochen werden.

Lit.: Electoralis academiae scientiarum Boicae primordia, Briefe aus der Gründungszeit, 1959; Lepper, H., Die Einheit der Wissenschaften, 1987; Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin, hg. v. Kocka, J., 1999; Die Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1914-1945, hg. v. Fischer, W., 2000; Göttinger Gelehrte, hg. v. Arndt, K. u. a., 2001; Hammerstein, N., Innovation und Tradition, HZ 278 (2004), 591; Kopetz, H., Die österreichische Akademie der Wissenschaften, 2006; Die Gründung der Leopoldina, hg. v. Toellner, R. u. a., 2008; Bolewski, H., Die Idee der Akademie, hg. v. Bolewski, M., 2009; Denker, Forscher und Entdecker, hg. v. Willoweit, D., 2009 (22 Lebensbilder); Joos, K., Gelehrsamkeit und Machtanspruch um 1700, 2012

Akademie für deutsches Recht ist die an dem 26. Juni 1933 auf Einladung des Staatsministers Hans Frank in dem Justizministerium Bayerns von Wilhelm Kisch, Otto von Zwiedineck-Südenhorst, Wilhelm Heuber, August von Finck, Wilhelm Arendts, Wilhelm Kißkalt, Karl Lasch und Hans Frank vorbereitete, durch bayerisches Gesetz von dem 22. September 1933 als Körperschaft des öffentlichen Rechtes anerkannte außeruniversitäre wissenschaftliche Einrichtung der nationalsozialistischen Zeit (1933-1945) zu der weltanschaulichen Umgestaltung des Rechtes (mit anfangs 95 Mitgliedern). Die A. f. d. R. wird mit verschiedenen Gesetzesvorhaben befasst (u. a. Volksgesetzbuch). Ihr wissenschaftlicher Ertrag bleibt vor allem aus zeitlichen Gründen notwendigerweise eher gering. Mitglieder sind (nach Pichinot) Albert, Anders, Arendts Carl, Arendts Wilhelm, Becker, Belitz, Berckemeyer, Bertram, Bilfinger, Bilke, Blomberg, Böhringer, Bohne, Bormann, Bosch, Bouhler, Brand, Brandt, Braunmühl, Breska, Bruns, Buch, Buchner, Bühler, Bürckel, Bumke, Bussmann, Buttmann, Buzengeiger, Calker, Correll, Dahm, Darré, Denzler, Dersch, Dierig, Dietrich, Ditten, Dorpmüller, Droege, Duisberg, Ebbecke, Eckhardt, Emge, Engert, Epp, Eschstruth, Exner, Fabian, Feder, Feise, Fiehler, Finck, Firle, Fischer, Flick, Florian, Forster, Freisler Oswald, Freisler Roland, Freytagh-Loringhoven, Frick, Fritzsche, Frowein, Frundt, Gaertner, Gaus, Geffroy, Geldmacher, Gelpcke, Gerdes, Gleispach, Glück, Goebbels, Goerdeler, Göring, Goltz, Gonella, Gottl-Ottilienfeld, Grau, Grauert, Grimm, Grohé, Gürtner, Haushofer, Heckel, Hedemann, Helfferich, Hellmuth, Henkel, Herle, Heß, Heuber, Heymann, Hierl, Hildebrandt, Hilgard, Hilland, Himmler, Huber, Hueck, Huecking, Hühnlein, Jessen, Jordan, Jung, Kaufmann, Keppler, Kerrl, Kilpper, Kisch, Kißkalt, Klagges, Klausing, Klauer, Kleiner, Kleinmann, Klitzsch, Kluge, Koch, Koellreutter, Kohlrausch, Krämer, Krohn, Krupp von Bohlen und Halbach, Kyser, Lammers Clemens, Lammers Hans-Heinrich, Lange Heinrich, Lange Karl, Lechner, Lehmann, Lehnich, Lent, Lenz, Ley, Linde, Linz, Lippert, Lohse, Luetgebrune, Lüer, Lutze, Madaus, Mansfeld, Meerwald, Meißner, Menge, Merck, Meyer Alfred, Meyer Herbert, Meyer Karl, Mezger, Mikorey, Minoux, Mitteis, Mönckmeier, Mößmer, Moritz, Müller-Erzbach, Mutschmann, Nagler, Neef, Neubert, Neurath, Nicolai, Niemczyk, Nipperdey, Noack, Noell, Noetzel, Oberlindober, Oboussier, Oertel, Oetker, Olscher, Opel, Oppikofer, Palandt, Papen, Pfundtner, Poensgen, Popitz, Popp, Pschorr, Racke, Ranz, Reemtsma, Reinhardt, Reinhart, Reusch, Ribbentrop, Rienhardt, Röhm, Rohde, Römer, Rößner, Roselius, Rosenberg, Rothenberger, Röver, Rühle, Rust, Sack, Sahm, San Nicolo, Sauckel, Saure, Schacht, Schaeffer, Schaffstein, Scheurl-Defersdorf, Schieck, Schippert, Schirach, Schlegel, Schlegelberger Franz, Schlegelberger Paul, Schmidt, Schmitt Carl, Schmitt Kurt, Schmitz, Schnauß, Schoetensack, Schraut, Schreyer, Schröder, Schroer, Schüßler, Schuhmann, Schultze, Schwarz F. X., Schwarz Otto, Schwarz, Schwede, Schwerin, Schwerin von Krosigk, Selchow, Seldte, Sellier, Sibeth, Siebert Ludwig, Siebert Wolfgang, Siemens, Simon Gustav, Simon H. A., Simons, Singer, Specht, Spiethoff, Sprenger, Springorum, Stauß, Steinaecker, Steyrer, Stock, Stoll, Stolleis, Streicher, Stuckart, Stutz, Teichler, Telschow, Terboven, Tewaag, Thierack, Thyssen, Tiemessen, Tischbein, Todt, Töwe, Tribius, Ullrich Arthur, Ullrich Hans, Ulrich, Vögler, Volkmar, Wagner Adolf, Wagner Josef, Wagner Robert, Wahl, Waldeck und Pyrmont, Waldmann, Walz, Weidemann, Wein, Weinrich, Weiß, Wirth, Witte, Wolpers, Wolff, Würdinger, Wüstendörfer, Zangen, Zarnack, Zwiedineck-Südenhorst, als korrespondierende Mitglieder u. a. Fehr, als Ausschußvorsitzende u. a.Dersch, Kunkel, Felgentraeger, Schmidt-Rimpler, Lehnich, Ulmer, Blomeyer, Wieacker, Scheuner, in Arbeitsgemeinschaften Lang, Predöhl, Boesler, Moeller, Schmölders, Gerhardt, Helander, Beckenrath, Brinkmann und Lampe.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Pichinot, H., Die Akademie für deutsches Recht, 1981; Akademie für Deutsches Recht, 1933-1945, Protokolle der Ausschüsse, hg. v. Schubert, W., Bd. 1ff. 1986ff.; Anderson, D., The Academy for German Law 1933-1944, 1987; Wacker, G., Der Erbrechtsausschuss, 1997

akademisch (Adj.) die Akademie oder Universität betreffend (z. B. akademische Gerichtsbarkeit der Universität über Professoren, Studenten, Angehörige, Bedienstete bis zu dem 19. Jahrhundert)

Akklamation (F.) Zuruf, Zustimmung

Akkreszenz (F.) →Anwachsung

Akkusation (F.) Anklage

Akkusationsprozess ist der durch Akkusation (Anklage) seitens eines (privaten) Anklägers begründete, seit dem 4. Jahrhundert (Konstantin) aus dem römischen Recht in das kirchliche Recht (6./7. Jahrhundert) übernommene Prozess. Er erfordert eine →Anklage (lat. [F.] accusatio). Kennzeichnend sind die dem Anklageschriftsatz beizufügende Verpflichtung des Anklägers zu dem→Talion für den Fall der Falschanklage und der →Kalumnieneid. In dem Hochmittelalter wird der A. auf den →Strafprozess eingeschränkt. Die Constitutio Criminalis Carolina (Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V.) von 1532 behandelt den A. in Art. 6 noch, doch hat er bereits zu dieser Zeit keine wirkliche Bedeutung mehr. Ein Gegensatz zu demA. ist der →Inquisitionsprozess. Seit dem 19. Jahrhundert (1848) ist öffentlicher Ankläger der Staatsanwalt. →Anklageprozess

Lit.: Köbler, DRG 156; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899; Herde, P., Audientia litterarum contradictarum, Bd. 1 1970; Kleinheyer, G., Zur Rechtsgestalt von Akkusationsprozess und peinlicher Frage, 1971

Aksum

Lit.: Breyer, F., Das Königreich Aksum – Geschichte und Archäologie Abessiniens in der Spätantike, 2012

Akten ist die seit dem 15. Jahrhundert (1500 acten) gelegentlich erscheinende Bezeichnung der Gesamtheit der in Gericht und Verwaltung in einer Angelegenheit entstehenden Schriftstücke. Solche A. kennt schon die Antike (59 v. Chr. [lat. N. Pl.] acta senatus). Nach dem frühmittelalterlichen Rückgang des Schriftwesens werden sie erst in dem 14. Jahrhundert wieder bedeutsamer.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 3, 5, 105, 145; Neuss, E., Aktenkunde der Wirtschaft, 1954; Dülfer, K., Urkunden, Akten und Schreiben in Mittelalter und Neuzeit, Archival. Z. 53 (1957), 11; Schellenberg, T., Akten- und Archivwesen in der Gegenwart, 1961; Weitzel, J., Das Inventar der Akten des Reichskammergerichts, ZNR 1999, 408; Prozessakten als Quellen, hg. v. Baumann, A. u. a., 2001; Zala, S., Geschichte unter der Schere politischer Zensur, 2001; Als die Welt in die Akten kam, hg. v. Lepsius, S. u. a., 2007; Hochedlinger, M., Aktenkunde, 2009

Aktenversendung (lat. transmissio [F.] actorum) ist die in der frühen Neuzeit verbreitete Übung der Gerichte, in einem anhängigen Verfahren (auf Antrag oder von Amts wegen) die Akten mit der Bitte um ein(en) Urteil(svorschlag) an eine rechtskundige Stelle zu versenden, um danach die Antwort als eigenes Urteil zu verkünden. Sie baut auf dem mittelalterlichen →Oberhof auf, bezieht aber nach italienischem Vorbild Juristen und deren →Fakultäten immer stärker ein (vgl. Art. 219 CCC). Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts schränken staatliche Gesetze die A. ein (Preußen 1746, Bayern 1753). Mit den Reichsjustizgesetzen der Jahre 1877/1879 (§ 16 GVG) endet die der Unmittelbarkeit des Richters widersprechende A. in dem Deutschen Reich.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 155, 201; Bülow, O., Das Ende des Aktenversendungsrechts, 1881; Löning, G., Spätes Lob der Aktenversendung, ZRG GA 63 (1943), 333; Ebel, W., Studie über ein Goslarer Ratsurteilsbuch des 16. Jahrhunderts, 1961; Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der Erlanger Juristenfakultät, 1962; Gehrke, H., Die privatrechtliche Entscheidungsliteratur, 1974; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983; Knecht, B., Rat als Rechtmäßigkeitsmerkmal, 2015 (Diss. jur. München)

Aktenwesen →Akten

Aktie (1492) ist der Anteil an der →Aktiengesellschaft. In dem 15. Jahrhundert ist A. in Amsterdam und Brügge der klagbare Anspruch und das diesen verbriefende Papier, in Zeugnissen von 1606/1607 (niederländisch-ostindische Handelscompagnie, VOC) vielleicht der Anspruch auf Dividende (aus dem Anteilsschein des Kapitalgebers) und in dem Code de commerce Frankreichs von 1807 ein Teil des Kapitals einer Handelsgesellschaft.

Lit.: North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995; Aktienrecht im Wandel, hg. v. Bayer, W. u. a., Bd. 1f. 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Aktiengesellschaft (1828) ist die Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit (juristische Person), die ein in Aktien zerlegtes Grundkapital hat und für deren Verbindlichkeiten den Gläubigern nur das (gesamte) Gesellschaftsvermögen (unbeschränkt) haftet (nicht auch der Gesellschafter mit ihrem sonstigen Vermögen). Auf der Grundlage erster Durchbrechungen des Grundsatzes der persönlichen Haftung des handelnden Kaufmanns infolge des wachsenden Kapitalbedarfs in Bergbau und Fernhandel in dem 15. Jahrhundert entsteht (auf römischen Grundlagen) nach Vorläufern (Genua 1407 St. Georgsbank) die A. aus den Bedürfnissen der Beschaffung hohen Kapitals und der Streuung großen Risikos in dem Kolonialhandel an dem Beginn des 17. Jahrhunderts (English East India Company 1600 zunächst als Rahmen für auf einzelne Unternehmungen beschränkte terminated stock companies, Vereinigte [Niederländische] ostindische Handelscompagnie VOC 20. 3. 1602, Schweden 1615, Dänemark 1616, Brandenburgisch-Ostindische Compagnie 1651, Niederlande Österreichs 1719). Sie wird mehr und mehr als Zusammenschluss mit eigenem Vermögen angesehen. Sie beruht zunächst auf einem einzelnen Privileg (Oktroisystem). Gesetzlich wird die A. in dem französischen Code de commerce (1807, 14 Artikel, „anonyme Gesellschaft“), (im Eisenbahngesetz Preußens von 1838,) in dem Gesetz über die Aktiengesellschaften für die königlich preußischen Staaten von dem 9. November 1843 (Konzession als Verwaltungsakt auf der Grundlage eines Gesetzes [Konzessionssystem], Vorstand und Generalversammlung, Verwaltungsratsmodell) und in dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (1861, Kombinationsmodell aus Aufsichtsrat und Verwaltungsrat, Konzessionssystem 1870 durch System der Normativbestimmungen mit Anspruch auf Erteilung bei Vorliegen der Voraussetzungen ersetzt), danach in Deutschland (nach zwei Notverordnungen von 1930 und 1931) 1937 in einem eigenen, 1938 auf Österreich erstreckten, 1945 geringfügig entnazifizierten, 1965 und 1994 novellierten Aktiengesetz (ab 1931 Abschlussprüfermodell, 1937 Aufsichtsrat als [nachträgliches] Kontrollorgan, 1998 ex-ante-Überwachung) geregelt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 167, 217, 242, 272; Gesetz über die Aktiengesellschaften vom 9. November 1843, hg. v. Baums, T., 1981; Lehmann, K., Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts, 1895; Cohn, G., Die Aktiengesellschaft, Bd. 1 1921; ; Schumacher, H., Die Entwickelung der inneren Organisation der Aktiengesellschaft, 1937; Lévy-Bruhl, H., Histoire juridique des sociétés de commerce en France, 1938; Bösselmann, K., Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens, 1939; Rauch, K., Die Aktienvereine in der geschichtlichen Entwicklung des Aktienrechts, ZRG GA 69 (1952), 238; Reich, N., Die Entwicklung des deutschen Aktienrechts, Ius commune 2 (1969), 239; Gmür, R., Die Emder Handelscompagnien, FS H. Westermann 1974, 167; Großfeld, B., Die rechtspolitische Bedeutung der Aktiengesellschaft im 19. Jahrhundert, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v., Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 236ff.; Baums-Stammberger, B., Der Versuch einer Aktiengesetzgebung in Sachsen 1836/37, 1989; Landwehr, G., Die Organisationsstruktur der Aktienunternehmen, (in) Vom Gewerbe zum Unternehmen, 1982, 251; Landwehr, G., Die Verfassung der Aktiengesellschaft, ZRG GA 99 (1982), 1; 100 Jahre modernes Aktienrecht, hg. v. Schubert, W. u. a., 1984; Schubert, W., Die Entwürfe der Weimarer Republik zur Reform des Aktienrechts, ZRG GA 103 (1986), 140; Akademie für deutsches Recht 1933-1945. Protokolle der Ausschüsse 1 Ausschuss für Aktienrecht, hg. v. Schubert, W., 1986; Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik. Die Protokolle der Verhandlungen im Aktienrechtsausschuss des vorläufigen Reichswirtschaftsrats, hg. v. Schubert, W. u. a., 1987; Gaastra, F., De geschiedenis van de VOC, 1991; Nörr, K., Zur Entwicklung des Aktien- und Konzernrechts, ZHR 150 (1986), 155; Frey, M., Die spanische Aktiengesellschaft, 1999; Hartung, W., Geschichte und Rechtsstellung der Compagnie in Europa, 2000; Bahrenfuss, D., Die Entstehung des Aktiengesetzes von 1965, 2001; Kalss, S./Burger, C./Eckert, G., Die Entwicklung des österreichischen Aktienrechts. Geschichte und Materialien, 2003; Söhnchen, M., Die historische Entwicklung der rechtlichen Gründungsvoraussetzungen, 2005; VOC 1602-2002 400 Years of Company Law, hg. v. Gepken-Jager, E. u. a., 2005; Thiäner, F., Das Verhältnis von Aufsichtsrat und Abschlussprüfern, 2007; Aktienrecht im Wandel, hg. v. Bayer, W. u. a., Bd. 1f. 2007; Velte, P., Das aktienrechtliche Verwaltungs- und Aufsichtsratsmodell, ZRG GA 127 (2010), 188; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Fleckner, A. Antike Kapitalvereinigungen - ein Beitrag zu den konzeptionellen und historischen Grundlagen der Aktiengesellschaft, 2010; Ellenberg, S., Herrschaft und Reform, 2012; Sicken, B., Privates Kapital für öffentliche Aufgaben, HZ 302 (2016), 645

Aktiengesetz ist das die Aktie bzw. →Aktiengesellschaft betreffende Gesetz. (z. B. Deutsches Reich 1937)

Lit. Quellen zum Aktiengesetz vom 18. Juli 1884, hg. v. Schubert, W., 2017

Aktienrecht (1873) ist das die Aktie betreffende Recht.

Lit.:; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Borgers, T., Das Oberappellationsgericht zu Lübeck und seine Rechtsprechung zum Aktienrecht, 2012; Christian, K., Aktienrecht und Aktienbanken in Schleswig-Holstein 1840-1870, 2015; Sauter, M., Die Ausprägung des Gläubigerschutzes in der geschichtlichen Entwicklung des Aktienrechts, 2017

Aktionär ist der Gesellschafter der →Aktiengesellschaft.

Aktionensystem ist das auf die (lat. [F.]) actio (z. B. in dem römischen Recht die Rechtsschutzverheißung in dem edictum perpetuum) als Klaganspruch ausgerichtete Rechtssystem, das den Sachverhalt nicht unter einen Tatbestand subsumiert, sondern auf seine Klagbarkeit untersucht. Bernhard Windscheid (1817-1892) trennt den materiellen Anspruch von der verfahrensrechtlichen (lat.) actio. Damit endet in dem deutschen Recht das A.

Aktivlegitimation (F.) Klagebefugnis

Akzeptation (Annahme, Anerkennung) ist die meist durch Überleitungsgesetz umgesetzte weltliche Anerkennung (Transformation) Akzeptation, lichen Rechtes in dem Spätmittelalter (z. B. Pragmatische Sanktion von Bourges 1438, Mainzer Akzeptation 1439).

Lit.: Hürten, H., Die Mainzer Akzeptation, 1955

Akzessorietät (F.) Abhängigkeit eines rechtlichen Umstands von einem anderen, zu lat. [M.] accessor, Hinzutretender

Lit.: Gerhold, S., Die Akzessorietät der Teilnahme an Mord und Totschlag, 2014

Akzise (zu lat. [V] accidere, auferlegen, cisa, Einschnitt [auf dem Kerbholz]) ist die in dem 11. Jahrhundert in Spanien (1001) und Venedig, in dem 13. Jahrhundert in dem deutschen Reich (Köln 1206, Stendal 1314 Bierziese) bezeugte, ursprünglich städtische, meist an dem Stadttor erhobene →Verbrauchsteuer (auf z. B. Wein, Bier, ausgedehnt auf Salz, Getreide, Fleisch). In den zusätzliche Einkünfte benötigenden Ländern wird die auf die reine Warenbewegung abstellende A. nach niederländischem Vorbild in dem 17. Jahrhundert bedeutsam (Württemberg 1633, Sachsen 1641, Brandenburg 1641, Kurpfalz 1699), deren Einführung die Landstände noch bewilligen. In dem 19. Jahrhundert tritt die A. gegenüber der Einkommensteuer zurück (abgeschafft in Bayern 1808, in dem Wesentlichen in Preußen 1820, in Sachsen 1834), wird aber in der Form der alle Bereiche des Warenumsatzes erfassenden Umsatzsteuer (oder später der auf den jeweils erzielten Mehrwert beschränkten Mehrwertsteuer) in dem 20. Jahrhundert (1916 bzw. 1918) wieder belebt.

Lit.: Köbler, DRG 113; Der Akzisenstreit, hg. v. Blesgen, D. u. a., 1717, Neudruck 2006; Knipping, R., Die Kölner Stadtrechnungen des Mittelalters, 1897; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992; Schwennicke, A., Ohne Steuer kein Staat, 1996; Ullmann, H., Der deutsche Steuerstaat, 2005

Alarich →Breviarium Alarici

Albanien ist der südosteuropäische, nördlich Griechenlands an der Adria gelegene Staat mit einer Fläche von 28748 qkm und rund 3,1 Millionen überwiegend muslimischer Einwohner (Skipetaren oder Albaner), deren seit dem 15. Jahrhundert schriftlich bezeugte Sprache zu demalbanischen Zweig der indogermanischen Sprachenfamilie zählt. Das von Menschen streitiger Herkunft bewohnte Gebiet wird in dem 1. Jt. v. Chr. griechisch beeinflusst und gerät 168 v. Chr. unter römische Herrschaft, unter der es 395 n. Chr. Ostrom zugeteilt wird. An dem Ende des Mittelalters wird das von 1392 bis 1479 Venedig unterstehende A. von den Osmanen erobert. An dem 28. 11. 1912 erklärt sich A. für unabhängig, 1928 zu demvon 1939 bis September 1943 in Personalunion mit Italien verbundenen Königreich. An dem 11. 1. 1946 entsteht die Volksrepublik A., die sich zunehmend abschließt. In dem Dezember 1990 endet die kommunistische Einparteienherrschaft. Seit freien Wahlen von dem März 1991 bemüht sich A. um eine Öffnung. Das albanische Recht ist dementsprechend in dem Wandel der Zeiten griechisch, römisch, osmanisch (Geltung der →Megelle [1869-1876] bis 1928), westlich, sozialistisch und demokratisch geprägt. Das mehrheitlich von Albanern bewohnte Gebiet Kosovo kann sich 2008 mit internationaler Hilfe von Serbien verselbständigen.

Lit.: Frasheri, K., The History of Albania, 1964; Skendi, S., The Albanian National Awakening, 1967; Ruß, W., Der Entwicklungsweg Albaniens, 1979; Lendvai, P., Das einsame Albanien, 1985; Albanien im Umbruch, hg. v. Altmann, F., 1990; Albanien, hg. v. Neuwirth, H. u. a., 1995; Mustafaj, B., Albanien, 1997; Kohl-Libal, C. v., Albanien, 1998; Schmitt, O., Das venezianische Albanien, 2001; Kohl, C. v., Albanien, 2. A. 2003; Albanien, hg. v. Jordan, P. u. a., 2003; Schubert, P., Albanische Identitätssuche, 2005; Köbler, G., Rechtsalbanisch, 2008 (Internet); Ordolli, S., Histoire constitutionelle de l’Albanie, 2008; Albanische Geschichte, hg. v. Schmitt, O., 2009; Löhr, H., Die Gründung Albaniens, 2010; Schmitt, O., Die Albaner, 2012; Morscher, L., Albanien 2013; Konflikt und Koexistenz – Die Rechtsordnungen Südosteuropas im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 1 (Rumänien, Bulgarien, Greichenland), hg. v. Stolleis, M., 2015, Bd. 2 (Bosnien, Serbien, Albanien) hg. v. Simon, T., 2017

Albericus (de porta Ravennate) ist ein zwischen 1165 und 1194 bezeugter Glossator (Glossen, Summula de testibus).

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 200

Albericus de Rosate ist ein in Rosciate bei Bergamo aus vornehmer Familie um 1290 geborener, in Padua ausgebildeter, praktisch tätiger, in dem September 1360 verstorbener Jurist (Kommentare zu Codex und Digesten, alphabetum bzw. dictionarium utriusque iuris, opus statutorum, kleinere Schriften).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 665; Albericus de Rosate, Dictionarium, per Decianum, F., 1581, Neudruck 2008 (372 Blätter)

Albertiner →Wettin

Albertus Gandinus s. Gandinus, Albertus

Albigenser

Lit.: La Croisade albigeoise, hg. v. Roquebert, M., 2004

Albrecht, Wilhelm Eduard (Elbing 4. 3. 1800-Leipzig 22. 5. 1876) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Königsberg und Göttingen und der Promotion (1822) und Habilitation (1824) in Königsberg 1829 Professor für deutsches Recht. 1830 wird er Nachfolger seines Lehrers Karl Friedrich Eichhorn in Göttingen, wo er in einer Rezension den Staat als juristische Person erklärt und 1837 (als einer der Göttinger Sieben) entlassen wird. Ab 1838 wirkt er in Leipzig, ist Vertreter Oldenburgs, Schwarzburgs und Anhalts in dem Bundestag des Deutschen Bundes und nimmt für Harburg an der deutschen Nationalversammlung von 1848 teil.

Lit.: Albrecht, W., Die Gewere als Grundlage des älteren deutschen Sachenrechts, 1828; Kück, H., Die Göttinger Sieben, 1935; Borsdorff, A., W. E. Albrecht, 1993

Alcala de Henares ist die östlich Madrids in Spanien gelegene Stadt, die auf römische Grundlagen zurückgeht und 1118 den Mauren wieder abgewonnen wird. 1348 wird dort durch die Cortes ein bedeutendes Rechtsbuch verkündet. 1498/1508 wird eine 1836 nach Madrid verlegte Universität gegründet.

Alciat, Andreas (Alzate bei Como 1492-Pavia 1550), Kaufmannssohn, wird nach dem Studium (Latein, Griechisch, 1507 Rechtswissenschaft) in Pavia und Bologna(, 1516 Promotion Universität Ferrara, Advokat Mailand,) 1518 nach Avignon berufen, (1522 Advokat Mailand, 1527 an die Universität Avignon zurückgekehrt,) und 1529 nach Bourges sowie 1533 nach Pavia berufen, (1541-1546 Ferrara). Er begründet mit Budé und Zasius die von dem →Humanismus geprägte Rechtswissenschaft ([lat.] Paradoxa [N.Pl.] iuris civilis, 1518, De verborum significatione, 1530), die in dem (lat.) →mos (M.) Gallicus zu ihrem Ausdruck kommt. Zeitlebens ist er auch ein geschätzter Gutachter.

Lit.: Köbler, DRG 143; Omnia … opera, 1557, Neudruck 2004; Moeller, E. v., Andreas Alciat, 1907; Viard, P., André Alciat, 1926; Osler, D., Development in the text of Alciatus’ Dispunctiones, Ius commune 19 (1992), 219; Troje, H., Humanistische Jurisprudenz, 1993; Belloni, A., L’amministrazione della giustizia a Milano, (in) Cunabula iuris, 2002, 1ff.

Aldermann (ae. ealdorman) ist seit dem Mittelalter an verschiedenen Stellen (z. B. Hamburg 1266, London 13. Jahrhundert) ein Funktionsträger mit unterschiedlichen Befugnissen.

Lit.: Dollinger, P., Die Hanse, 5.A. 1998; Wormald, P., The making of English law, Bd. 1 1999

Aldricus ist ein zwischen 1154 und 1177 bezeugter Glossator, von dem vielleicht eine Schrift über anwendbares Ortsrecht stammt.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 202

Alemanne ist der Angehörige eines wohl an dem Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. vor allem aus elbgermanischen Sueben gebildeten, in dem 3. Jahrhundert erstmals erwähnten germanischen Stammes, der 259/260 den römischen Limes durchbricht und das Gebiet an dem oberen Rhein besiedelt (am Anfang des 4. Jahrhunderts in dem Breisgau). 496/497 unterliegen die von einem König geführten Alemannen den →Franken. Etwa zu dieser Zeit setzt die sich über Jahrhunderte hinziehende Christianisierung ein. Zu Beginn des 7. Jahrhunderts zeichnen die Alemannen ihr Recht in dem →Pactus Alamannorum und zu Beginn des 8. Jahrhunderts in der →Lex Alamannorum auf. 746 wird ihr Herzogtum von dem fränkischen König endgültig beseitigt. In dem fränkisch-deutschen Reich lebt das Volk der Alemannen in den Ländern Schwaben (Baden, Württemberg), Elsass, Kantonen der Schweiz, Liechtenstein und Vorarlberg fort.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Cramer, J., Die Geschichte der Alamannen, 1899; Grundfragen der alemannischen Geschichte, hg. vom Institut für geschichtliche Landesforschung, 1955; Die Alemannen in der Frühzeit, hg. v. Hübener, W., 1974; Zur Frühgeschichte der Alemannen, hg. v. Müller, W., 1975; Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v. Schott, C., 1978; Borgolte, M., Die Geschichte der Grafschaften Alemanniens in fränkischer Zeit, 1984; Borgolte, M., Die Grafen Alemanniens, 1986; Geuenich, D., Geschichte der Alemannen, 1997, 2. A. 2004; Die Alamannen, hg. v. archäologischen Landesmuseum, 1997; Hellmuth, D., Frau und Besitz, 1998; Franks and Alamanni, hg. v. Wood, I., 1998; Bücker, C., Frühe Alemannen im Breisgau, 1999; Siegmund, F., Alemannen und Franken, 2000; Hartung, W., Die Alamannen, 2003; Die Alemannen und das Christentum, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003; Krapp, K., Die Alamannen, 2007; Drinkwater, J., The Alamanni and Rome 213-496, 2007; Alamannen zwischen Schwarzwald, Neckar und Donau, hg. v. Ade, D. u. a., 2008; Tarodunum/Zarten - Brigobanis/Hüfingen, hg. v. Kleiber, W., 2009; Alemannische Dialektologie, hg. v. Huck, D., 2014; Eckhardt, O., Alemannisch im Churer Rheintal, 2016 (fast alle ortstypischen Dialektmerkmale sind durch einen Regionaldialekt ersetzt)

Alemannien →Alemanne, →Schwabe

Alexander III., der (um 1120?) als Roland (Bandinelli?) in Siena geboren wird und in Bologna (vor 1142) Theologie und die Rechte lehrt (wohl verschieden von dem Dekretisten magister Rolandus), veranlasst als Papst (1159-1181) und Gegner Friedrichs I. Barbarossa bedeutsame →Dekretalen (insgesamt mehr als 700, u. a. zu der Papstwahl [Zweidrittelmehrheit der wählenden Kardinäle] und zu der Eheschließung).

Lit.: Pacaut, M., Alexandre III, 1956; Baldwin, M., Alexandre III and the XIIth century, 1968; Weigand, R., Magister Rolandus und Papst Alexander III., AKKR 149 (1980), 3; Laudage, J., Alexander III. und Friedrich Barbarossa, 1997; Pope Alexander III (1159-1181), hg. v. Clarke, P. u. a., 2012

Alexander der Große (Pella/Makedonien 20. 7. 356 v. Chr.-Babylon 10. 6. 323 v. Chr.) ist der das von seinem Vater geerbte Reich Makedonien zeitweise bis Indien ausdehnende König, mit dem die Zeit des Hellenismus beginnt.

Lit.: Barceló, P., Alexander der Große, 2007; Demandt, A., Alexander der Große, 2009; Romm, J., Der Tod Alexanders des Großen und der mörderische Kampf um sein Erbe, 2016; Romm, J., Der Geist auf dem Thron, 2016; Müller, S., Alexander der Große – Eroberungen – Politik – Rezeption, 320 S.; The Historiography of Alexander the Great, hg. v. Nawotka, K. u. a., 2018

Alexander von Roes (2. Hälfte es. 13. Jahrhunderts, um 1225-vor 1300) ist Kanoniker in Köln und weilt nach 1280 mehrfach in Italien. Er verfasst dort drei Werke. In ihnen setzt er sich zugunsten des deutschen Königs gegen Ansprüche des französischen Königs ein ([lat.] Memoriale [N.] de prerogativa Romani imperii, 1281).

Lit.: Schraub, W., Jordan von Osnabrück und Alexander von Roes, 1910; Alexander von Roes, Schriften, hg. v. Grundmann, H. u. a., 1958; Horst, H., Weltamt und Weltende bei Alexander von Roes, 2002

Alfenus Varus (um 39. v. Chr.) ist ein römischer Rechtskundiger.

Lit.: Liebs, D., P. Alfenus Varus, ZRG GA 127 (2010), 32

Aller guten Dinge sind drei (d. h. der Kläger muss dem Beklagten in drei Gerichtsterminen die Möglichkeit zu der Gegenwehr geben).

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 76 (Henisch 1616)

Allgäu

Lit.: Wiedemann, R., Der „Allgäuische Gebrauch einer Gerichtsbarkeit nach Personalitätsprinzip, 1932; Zinsrodel des Klosters Mehrerau 1290-1505, bearb. v. Bilgeri, B., 1940

Allgemeine Deutsche Civilprozessordnung ist das 1866 Entwurf gebliebene zivilprozessuale Gesetzgebungsprojekt des Deutschen Bundes, dem die Bürgerliche Prozessordnung (1850) Hannovers des Ministerialbeamten Adolf Leonhardt zugrunde liegt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Protocolle der Com-mission zur Beratung einer allgemeinen Civilprozessordnung, 1862ff., Neudruck 1985

Allgemeine Deutsche Wechselordnung ist das auf Grund eines 1847 von allen Mitgliedstaaten des →Deutschen Bundes ausgearbeiteten Entwurfs von der Frankfurter verfassungsgebenden Nationalversammlung angenommene, an dem 27. 11. 1848 verkündete Gesetz zu der Vereinheitlichung des partikularen Wechselrechts, das nach Scheitern der Einigungsbestrebungen des Jahres 1848 in den einzelnen Mitgliedstaaten durch Landesgesetz (als gleichlautendes allgemeines deutsches Recht) in Kraft gesetzt wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Protocolle der zur Beratung einer Allgemeinen Deutschen Wechsel-Ordnung in der Zeit vom 20. October bis zum 9. December in Leipzig abgehaltenen Conferenz, 1848; Huter, U., Das Reichsgesetz über die Einführung einer allgemeinen Wechselordnung, JZ 1978, 77ff.; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs, ZHR 144 (1980), 484; Pannwitz, K. v., Die Entstehung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung, 1998;

Allgemeine Gerichtsordnung (Österreichs) ist das (nach ersten Ansätzen der Jahre 1709 und 1753 vor allem von April 1774 bis September 1775 von Joseph Hyazinth Froidevo [Arlesheim 1735-Weidling 15. 8. 1811] in Fortschreibung des von dem gemeinen Recht stark geprägten Prozessrechts Böhmens ausgearbeitete,) 1781 in Österreich zwecks Rechtsvereinheitlichung kompilatorisch geschaffene Gesetz (Publikation 1. Mai 1781, JGS 13, Einführung mit Patent von dem 9. 4. 1782) zu der Regelung des gemeinrechtlichen Zivilprozesses (geheimes Aktenverfahren mit Verhandlungsmaxime, Eventualmaxime, grundsätzlicher Anwaltszwang, mittelbarer Beweisaufnahme und gebundener Beweisregel), das 1796 abgeändert in Westgalizien (Westgalizische Gerichtsordnung), später in Ostgalizien, der Bukowina, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Dalmatien und Istrien in Kraft tritt und erst durch die ältere Allgemeine Gerichtsordnung und erweiterte Westgalizische Gerichtsordnung vereinheitlichende österreichische Zivilprozessordnung von 1895 abgelöst wird.

Lit.: Köbler, DRG 155; Baltl/Kocher; Loschelder, M., Die österreichische Allgemeine Gerichtsordnung von 1781, 1978

Allgemeine Gerichtsordnung (Preußens) ist die 1793 (Sanktionierung, Ende 1794/Anfang 1795 Druckfassung) bzw. 1795 für Preußen auf der Grundlage (des Projects des Codicis Fridericiani Marchici von 1748 mit Anhängen von 1761 und 1769) und) des (lat.) Corpus Juris Fridericianum Erstes Buch von der Prozessordnung von 1781 (Patent von dem 26. 4. 1781) in Anpassung an das Allgemeine Landrecht geschaffene Zivilprozessordnung (1822 gegenüber der ursprünglichen Fassung unverändert, aber um Anhang von 1815 erweitert), die in vernunftrechtlicher Prägung (Erforschung der Wahrheit) eine Abkehr von dem gemeinrechtlichen, als zu langwierig empfundenen Zivilprozess versucht, ohne ihre Ziele wirklich erreichen zu können.

Lit.: Köbler, DRG 141, 155; Nörr, K., Reinhardt und die Revision der Allgemeinen Gerichtsordnung für die preußischen Staaten, 1975; Eckert, J., Die Entstehung der Allgemeinen Gerichtsordnung, (in) Das Preußische Allgemeine Landrecht, hg. v. Wolff, J., 1995; Busch, S., Die Entstehung der Allgemeinen Gerichtsordnung für die preußischen Staaten, 1999

Allgemeine Geschäftsbedingung (Wort bei Hinrichs, ZHR 20 [1875], 391) ist die allgemein verwendete Geschäftsbedingung. Allgemeine Geschäftsbedingungen entstehen (nach Vorläufern in [mittelalterlichen Formelsammlungen und] Policen von Versicherungen in dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts) als Folge der Massengeschäfte nach der industriellen Revolution an dem Ende des 19. Jahrhunderts (Eisenbahnbetriebsreglements, Postordnungen, 1919 Berliner Spediteurbedingungen), werden trotz der erkennbaren Vorteilssicherung der Verwender (mittels Haftungsbeschränkungen, Beweislast-umkehrungen, Gerichtsstandsklauseln, Rücktrittsvorbehalten und Verfallklauseln) zunächst nur vorsichtig in dem Einzelfall gerichtlich kontrolliert, an dem 9. 12. 1976 in Deutschland aber in einem eigenen Gesetz über das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen gesetzlich geregelt, das 2002 als §§ 305ff. in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jahrhundert; Raiser, L., Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, 2. A. 1961; Pohlhausen, R., Zum Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1978; Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Helm, J., AGB-Regelungen im Transportrecht des ADHGB, FS E. Brandner, 1996, 219; Prang, T., Der Schutz der Versicherungsnehmer, 2003; Röder, T., Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, 2006; Hellwege, P, Allgemeine Geschäftsbedingungen, 2010; Webersberger, M., Freizeichnungsklauseln in allgemeinen Konossementsbedingungen, 2014

Allgemeine Gütergemeinschaft →Gütergemeinschaft

Allgemeiner Teil (1807) ist der die allgemeinen Erscheinungen besonderer Teile zusammenfassende (und voranstellende) Teil einer Gesamtheit. Eine Unterscheidung zwischen Gattung ([lat.] genus, N., Geburt, Geschlecht, Gattung) und Art ([lat.] species, F., Sehen, Anblick, Gestalt, Bild, Stück) sowie zwischen (lat.) generalis (zu demGeschlecht gehörig, zu der Gattung gehörig, allgemein) und (lat.) specialis (besondere) ist bereits dem lateinischen Altertum bekannt. Allgemeine Einführungen in das Recht werden in den Versuchen des Franciscus Connanus (1508-1551) und Hugo Donellus (1527-1591), sich von der wenig systematischen Reihenfolge der Bestimmungen der justinianischen Kompilation(en) zu lösen, sichtbar. Johannes Althusius (Diedenshausen 1557-Emden 1638) überschreibt in dem Index capitum seiner Dicaelogicae (1618) den ersten Teil des ersten Buches mit (lat.) agit de generalibus (handelt von den allgemeinen [Angelegenheiten]), doch wird dies nicht weiter beachtet. In dem Gefolge naturrechtlicher Systematisierungsansätze (Erhard →Weigel [1625-1699], Samuel →Pufendorf [1632-1694], allgemeine Einleitung in das Recht und seine Anwendung sowie Auslegung in Jean Domats [1625-1695] Loix civiles dans leur ordre naturel [1689-1695], Christian Wolff [1679-1754] 1711 [Jus naturae, Band 1 De obligatione et iure hominum universali]) veröffentlicht Christian Wolffs Schüler Georg Darjes 1740 (lat.) Institutiones jurisprudentiae universalis (Einrichtungen der universellen Jurisprudenz), in denen er in einer (lat. [F.]) pars generalis (einem allgemeinen Teil) de iurium atque obligationum objecto (von der Rechte und Verbindlichkeiten Gegenstand), de iurium atque obligationum diversitate (von der Rechte und Verbindlichkeiten Verschiedenheit) und de acquisitione iurium et obligationum generatim (von dem Erwerb der Rechte und Verbindlichkeiten in dem Allgemeinen) handelt. 1749 legt Christian Wolffs weiterer Schüler Daniel Nettelbladt (Rostock 1719-Halle 1791) ohnvorgreifliche Gedancken, den heutigen Zustand der bürgerlichen und natürlichen Rechtsgelehrtheit in Teutschland, deren nöthige Verbesserung und dazu dienliche Mittel betreffend vor, in denen er eine von dem Demonstrieren der Rechtssätze nach Gründen ausgehende straffe Definitionen verwendende Darstellung des positiven Rechtes verlangt, in der alles systematisch so geordnet werden soll, dass das Allgemeine vor dem Besonderen und das Zusammengehörige beieinander steht. Nach erfolgreichen Elementarsystemen des gleichen Jahres verfasst er 1761 eine (lat.) Introductio (F.) in jurisprudentiam positivam Germanorum communem (Einleitung in die allgemeine positive Jurisprudenz der Deutschen), die neben einem allgemeinen Teil eine kurze Enzyklopädie und Methodologie sowie eine straffe Rechts- und Literärgeschichte enthält. 1767 entsteht Johann Stephan Pütters Versuch einer juristischen Enzyklopädie und Methodologie, die eine systematische, durch einen allgemeinen Teil grundgelegte Darstellung des römischen Rechtes verlangt. 1772 bietet Daniel Nettelbladt in seiner (lat.) Nova introductio (F.) in jurisprudentiam positivam Germanorum communem wohl erstmals einen ausgeführten allgemeinen Teil in zwei Büchern mit 7 bzw. 5 Sektionen über allgemeine rechtliche Fachwörter, Personen, Tatsachen, Sachen, Rechtshandlungen, Begründen, Auflösen, Bestätigen von Verbindlichkeiten, Stellvertretung, Anfechtung, Erwerb, Verlust und Bewahrung von Rechten, Eigentum, Schadensersatz, Sicherheitsleistung, Arrest, Sequestration, Protest, Besitz und Rechtsmittel. Nach weiteren ähnlichen Werken (Hofacker 1773, Habernickel 1776) ordnet (der Hallenser Schüler Daniel Nettelbladts) Gustav →Hugo in seinen (lat.) Institutionen des heutigen römischen Rechtes 1789 das Privatrecht noch klarer ([Einleitung in 7 Paragraphen über Gegenstand der bürgerlichen Rechtspflege, Entscheidungsgrundlagen des Richters, Unmöglichkeit der Vorausbestimmtheit der Entscheidung, römisches Recht in Deutschland, Justinians Leistung, teilweise Unbrauchbarkeit durch Änderung der Verhältnisse, Vereinfachung durch Vorausschickung des Allgemeinen,] Realrechte, persönliche Obligationen, Familienrechte, Verlassenschaften, Prozess). Christoph Christian Dabelow (Neu-Buckow 1767-Dorpat 1830), ebenfalls Schüler Nettelbladts in Halle, bietet 1793 eine Einleitung in die deutsche positive Rechtswissenschaft und 1794 ein System der heutigen Civilrechtsgelahrtheit, die beide 1796 eine zweite Auflage erfahren, wobei das System des gesamten heutigen Zivilrechts von 1796 in seinem allgemeinen Teil Personen, Sachen, Handlungen, Zeit, rechtliche Geschäfte, Eide, Wahrheit, Rechte, Verbindlichkeiten, Sicherheiten, Besitz, Verjährung, Rechtsmittel, Schaden, Schadensersatz, Verwaltung fremder Sachen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfasst. Hugos Erkenntnisse vertieft sein Göttinger Schüler Georg Arnold Heise in seinem Grundriss eines Systems des gemeinen Zivilrechts zum Behuf von Pandektenvorlesungen (1807, allgemeine Lehren [Von den Quellen des Rechtes, Von den Rechten im Allgemeinen, Von Verfolgung und Schützung der Rechte, Von den Subjecten und Objecten des Rechtes], dingliche Rechte, Obligationen-Recht, jura potestatis, das gesamte Erbrecht, Restitutio in integrum) zu einem allgemeinen Teil des Privatrechts. Durch →Savigny erlangt diese Vorstellung allgemeine Verbreitung und erfasst später über das Privatrecht hinaus auch Strafrecht und Verwaltungsrecht und andere Rechtsgebiete.

Lit.: Köbler, DRG 158, 199, 206, 213, 237; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Jakobs, H./Schubert, W., Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB - Allgemeiner Teil, 1985; Lehmann, A., Nettelbladt und Dabelow als die eigentlichen Begründer eines allgemeinen Teiles, FS G. Maier, 1994, 39; Jacoby, S., Allgemeine Rechtsgrundsätze, 1997; Hollstein, T., Die Verfassung als „Allgemeiner Teil“, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Der Allgemeine Teil des Privatrechts, hg. v. Baldus, C. u. a., 2013

Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) ist die →Kodifikation des Privatrechts in →Österreich. Sie wird mit dem Ziel der Rechtsvereinheitlichung der verschiedenen habsburgischen Herrschaftsgebiete schon von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) als Codex Leopoldinus Leopolds I. (1640-1705) ohne Erfolg angeregt. 1709 setzt Joseph I. (erfolglos) Kompilationskommissionen in Prag und Brünn ein, (nach der 1749 die österreichische Monarchie mit Ausnahme der ungarischen Länder von einer Länderunion in eine Einheit umwandelnden Reform Maria Theresias) 1753 Maria Theresia eine Kommission (Kompilationskommission [Joseph von Azzoni], 1756 Aufgabe auf die 1755 gebildete Revisionskommission übertragen) zu der Abfassung ([einer allgemeinen Gerichtsordnung und] eines gleichen Landrechts in allen benachbarten österreichisch-deutschen Erblanden bzw.) eines (lat.) →Codex (M.) Theresianus (Theresianisches Gesetzbuch), der (die) Provinzialrechte, das gemeine Recht, die Gesetze anderer Staaten und das allgemeine Recht der Vernunft berücksichtigen soll. Der umfangreiche, in drei Teilen mit insgesamt 538860 Wörtern 1766 fertiggestellte, vor allem auf dem gemeinen Recht beruhende Entwurf des Codex Theresianus (ein vierter Teil sollte das Zivilprozessrecht enthalten) wird lediglich als brauchbare Materialsammlung angesehen (und deswegen 1770 von Maria Theresia nicht sanktioniert und 1772/1773 von der geplanten Verbindung mit dem Zivilprozessrecht gelöst). Der bis 1774 auf etwa die Hälfte gekürzte Entwurf Johann Bernhard Hortens (Entwurf Horten) wird 1776 nicht weiter beraten, (nach Ehepatenten von dem 16. 1. 1783 und 3. 5. 1786) in seinem die gesetzliche Erbfolge betreffenden Teil 1786 aber als Erbfolgepatent von dem 11. 5. 1786 und in seinem personenrechtlichen Teil an dem 1. 11. 1786 zu dem1. 1. 1787 als Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, ErsterTeil (bzw. [später so genanntes] →Josephinisches Gesetzbuch) Josephs II. in den deutschen Erblanden (Österreichs bzw. Habsburgs) in Kraft gesetzt, doch verzögern sich die Arbeiten an den übrigen Teilen durch die nunmehr geplante Einbeziehung Ungarns und unterbricht der Tod Josephs II. (20. 2. 1790) den weiteren Fortgang. Ab 1793 bzw. 1794 arbeitet Karl Anton von →Martini an Hand der Benützung des Entwurfs Hortens und des (1794) in Kraft gesetzten Allgemeinen Landrechts Preußens einen neuen, etwas stärker naturrechtlich geprägten Entwurf (1796 Entwurf Martini mit 8859 Wortformen) aus, der (nach Inkraftsetzung der Zivilprozessordnung und des Strafgesetzes 1796 und geringer Umarbeitung) durch Patent von dem 13. 2. 1797 als Bürgerliches Gesetzbuch für Westgalizien (→Westgalizisches Gesetzbuch) für das von den Habsburgern aus der dritten Teilung Polens 1795 erworbene Erbland Westgalizien und durch Patent von dem 18. 9. 1797 auch für das bereits 1772 erlangte Ostgalizien kundgemacht wird (Bürgerliches Gesetzbuch für Galizien [und Bukowina] 1. 1. 1798). Dieses Bürgerliche Gesetzbuch für Galizien wird als sog. Urentwurf unter der Leitung Franz von →Zeillers zwischen 1801 und 1810 in drei Lesungen (unter Abbau der naturrechtlichen Prägung wegen der französischen Revolution) beraten und nach kaiserlicher Sanktion von dem 7. Juli 1810 (ohne Darlehensbestimmungen) bzw. 29. 4. 1811 (Darlehensbestimmungen) als Anlage zu demkaiserlichen Patent von dem 1. 6. 1811 (JGS 94) kund gemacht und zu dem1. 1. 1812 (mit 7344 Wortformen und 4313 Lemmata) unter Aufhebung des gemeinen Rechtes und grundsätzlich der Privatrechtsgesetze (als allgemeines, d. h. einheitlich für alle Einwohner ohne örtliche und ständische Unterschiede bzw. für den gesamten Bereich der Rechtsvereinheitlichung geltendes, als neuständisches Gesetzbuch ständische Unterschiede nur formal nicht berücksichtigendes und damit verdeckendes) für die gesamten deutschen Erblande des österreichischen Kaisers (Resolution von dem 18. 8. 1810) (zunächst nur in Niederösterreich, Oberösterreich [ohne Innkreis und Teile des Hausruckkreises], Böhmen [einschließlich Marktredwitz und sog. Fraischbezirk in der Oberpfalz, in Geltung bis 31. 12. 1899], Mähren, Schlesien, Galizien und Lodomerien [z. T., ohne Bezirke Wieliczka, Podgorze und Tarnopoler Landschaft], Bukowina, Teile des Hausruckkreises, Steiermark, Kärnten [ohne Oberkärnten], Militärgrenze [17. 7. 1811] [mit Warasdiner, slavonischer, siebenbürgischer und banatischer Militärgrenze], nicht aber in Ungarn, Kroatien-Slawonien, Siebenbürgen) als reines, aber nicht vollständiges Privatrechtsgesetzbuch (mit drei Teilen und 1512 Paragraphen sowie 73190 Wörtern, deutscher Text authentisch, 7344 Wortformen von 4313 verwendeten Wörtern) in Kraft gesetzt und zwischen 1815 und 1820 nach und nach auch in den Gebieten eingeführt, die durch den Frieden von Paris oder die Akte des Wiener Kongresses an die Monarchie zurückfielen oder von ihr erworben wurden (z. B. 1815 bzw. 1816 Lombardo-Venetien, [Lombardei 1816-1865, Venetien 1816-1871], 1815 Tirol mit Vorarlberg, 1817 Salzburg, Brixental, Zillertal, Innviertel, Hausruckviertel, 1820 Karlstädter Kreis, 1878 partiell-subsidär Bosnien-Herzegowina). Der (nicht eindeutig bekannte, vielleicht durch Abstände des Wappens auf dem Titelblatt in dem Ausmaß von 47 bzw. 7. bzw. 9 Millimetern erkennbare, anscheinend in § 591 die Zeichenfolge … Ordens; Jünglinge unter 18 Jahren, Frauenspersonen, Sinnlose, Blinde, Taube, oder Stumme … aufweisende) Erstdruck wird dem Kaiser an dem 24. Juni 1811 überreicht (amtlich publizierter Text in Justizgesetzsammlung 1817, Nr. 946). Inhaltlich beruht das A. B. G. auf dem römisch-gemeinen Recht bzw. dem jüngeren (lat.) usus (M.) modernus pandectarum (Schuldrecht, gewillkürtes Erbrecht), (wenigen Einschüben aus dem) einheimischen Recht (Sachenrecht, Erbvertrag), kirchlichen (kanonischen), durch die Grundsätze des späten Vernunftrechts gefilterten Recht (Eherecht für Katholiken) und dem Naturrecht (Systematik mit Einteilung nach Person und Sache, angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte des Menschen in § 16, Auslegungsregeln z. B. § 7, angeborene Freiheit der Inbesitznahme freistehender Sachen § 381, Parentelenordnung). Von Savigny wird es 1814 in seiner Schrift vom Beruf als misslungen bewertet. Durch Patent von dem 29. 11. 1812 bzw. 1846 (Erbrecht) wird es von Liechtenstein übernommen (, wo der Text um zwei Fünftel gekürzt und seit dem 20. Jahrhundert an das Recht der Schweiz angeglichen wird, so dass um 2010 dort nur noch etwa 40 Prozent der ursprünglichen Paragraphen gelten). In Moldau wird es 1817 in dem Wesentlichen in den Codex Callimachus übersetzt. 1852 wird es (mit Anpassungen vor allem in dem Eherecht und ohne tatsächliche öffentliche Anwendung) in Ungarn (im Neoabsolutismus gegen den Willen der Ungarn 1853-23. 6.1861, danach aber freiwillige Kryptorezeption), Kroatien und Slawonien (bis 1918, ohne Novellierungen), in der Woiwodschaft Serbien und in dem Temescher Banat, durch Patent von dem 29. 5. 1853 in Siebenbürgen und 1855 in Krakau eingeführt. Bern (1824/1830, Luzern (1831/1839), Solothurn (1841/1847) und Aargau (1847/1855), Bayern (Entwürfe von 1832/1834), Sachsen (Entwurf 1852), Serbien (1844) und Montenegro (1888 Code Bogisic) dient es als Vorbild, Bosnien und Herzegowina seit 1878 als subsidiäre Rechtsquelle nach dem einheimischen (z. B. ottomanischen) Recht. Nach verschiedenen Veränderungen bereits durch Hofdekrete vor 1848 wird das A. B. G. (1855 Ehegesetz für Katholiken mit Geltung nur von 1856 bis 1868,) 1914 (Personenrecht, Familienrecht, Vormundschaftsrecht, gesetzliches Erbrecht), 1915 (Grenzberichtigung), 1916 (Eigentumsvorbehalt, Belastungsverbot, Schuldübernahme, Auslobung, Schadensersatz, Verjährung) unter dem vor allem durch Joseph Unger (1818-1913) vermittelten Einfluss der deutschen historischen Rechtsschule in drei durch kaiserliche Notverordnung in Kraft gesetzten Teilnovellen pandektistisch novelliert (rund 15 Prozent der nun 1511 Paragraphen, 51 Paragraphen neu geschaffen, von dem alten Bestand 199 mehr oder weniger stark verändert). Berücksichtigt werden dabei außer dem Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen Reiches von 1900 die Vorarbeiten des Obligationenrechts (1881) und des Zivilgesetzbuchs (1907/1911) der Schweiz, das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (1861) und das deutsche Handelsgesetzbuch (1897) sowie der Entwurf eines Zivilgesetzbuchs Ungarns (1900/1913). Erfasst werden verschiedene Sachgegenstände (Verkürzung der Verschollenheitsfristen bei der Todeserklärung, Verbesserung der Rechtsstellung der Frau und des unehelichen Kindes und der unehelichen Mutter, Begrenzung der gesetzlichen Erbfolge der ehelichen Verwandten, Ehegattenerbrecht zu Eigentum statt zu Nießbrauch, Nachbarrecht, Eigentumsvorbehalt an Maschinen, Realverkehr, Realkredit, Angebot und Annahme von Verträgen, unerlaubte Verträge, Verträge zu Gunsten Dritter, Gewährleistung, Schadensersatz, Auslobung, Gastaufnahme, Anweisung, Schuldübernahme bei Übernahme eines Vermögens oder Geschäfts, Lohnzahlungszeitpunkt, Lohnfortzahlung bei unverschuldeter Verhinderung des Arbeitnehmers, Kündigungsfristen und Fürsorgepflichten des Arbeitgebers. Seit 15. 6. 1922 gilt es in dem Burgenland (zunächst ohne Eherecht). Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 wird das Eherecht durch das Ehegesetz (Gesetz zu der Vereinheitlichung des Rechtes der Eheschließung und der Ehescheidung), das Personenrecht durch das Personenstandsgesetz und vorübergehend bis 1947 das Testamentsrecht durch das Testamentsgesetz (Gesetz über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen von dem 31. 7. 1938) des Deutschen Reiches geändert, seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts durch mehrfache Novellierung das gesamte Familienrecht. Seit 1896 (Ratengesetz, Mietengesetz 1923, Konsumentenschutzgesetz 1979) wird es durch Nebengesetze ergänzt. Nach 1945 ist es in dem sozialistischen Rechtskreis außer Kraft gesetzt. Das Familienrecht wird auf Grund des Gleichheitsgrundsatzes vollständig verändert. 1984 wird die Sachwalterschaft aufgenommen. In Nebengesetzen sind etwa das Recht des Wohnens, der Verbraucherschutz, das internationale Privatrecht, die Haftpflicht, die Patientenverfügung (2006) und die eingetragene Partnerschaft (2010) geordnet. Vielleicht steht bzw. stehen in der Gegenwart noch die Hälfte oder drei Fünftel (Ogris) oder zwei Drittel (Brauneder) der ursprünglichen Paragraphen in Geltung (an dem 14. 2. 2011 861 von einst 1502 Paragraphen [1-3, 5-20, 22-23, 26-28, 33, 38-42, 44-46, 162, 286-299, 302-309, 311-356, 361-363, 365-366, 369-385, 387, 398, 400-421, 423-430, 438-450, 452-455, 457-468, 473-480, 482-484, 486-539, 542, 544-550, 552-565, 567, 570-573, 575-578, 580, 582-583, 588-589, 594-596, 601-614, 617, 647-668, 672-699, 701-715, 717, 719-721, 723-729, 733-737, 738-740, 750, 761, 763-764, 766, 770-778, 782, 786, 790-791, 793-795, 797-798, 802-804, 808-809, 812-814, 816-818, 820-821, 823-827, 829-843, 846, 854-858, 867, 869, 872, 874, 877, 880, 883, 888-901, 904, 907-913, 915, 923, 929-930, 934, 936-950, 952-969, 971-982, 1002-1020, 1023, 1025-1028, 1030-1033, 1035-1046, 1048-1051, 1053-1058, 1060-1069, 1071-1079, 1083-1095, 1099, 1103, 1106, 1108, 1110-1116, 1118-1120, 1176-1195, 1197-1209, 1211-1216, 1234-1236, 1246-1254, 1262, 1267-1277, 1279-1294, 1296-1297, 1299-1304, 1306, 1309-1313, 1317-1318, 1321-1326, 1331-1332, 1337-1338, 1340-1345, 1347-1355, 1357, 1359-1373, 1375-1399, 1411-1419, 1424-1438, 1441-1445, 1447-1457, 1459-1466, 1468, 1470-1473, 1475-1477, 1479, 1481-1484, 1488, 1491-1493, 1496-1502,] entfernt sind etwa Erbzinsvertrag, Widerlage, Morgengabe oder Obereigentum und Untereigentum).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 141, 185, 205; Banniza, J. Gründliche Anleitung zu dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuche, Bd. 1 1787; Wildner von Maithstein, I., Lexikon sämtlicher Worte des österreichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, 1843; Harras von Harrasowsky, P., Geschichte der Kodifikation des österreichischen Civilrechtes, 1868; Pfaff, L., Über die Materialien des österreichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, Grünhuts Zs. 2 (1875), 254; Ofner, J., Der Ur-Entwurf, Bd. 1f. 1889; Festschrift zur Jahrhundertfeier des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, 1911; Slapnicka, H., Österreichs Recht außerhalb Österreichs, 1945; Dölemeyer, B., Die Revision des ABGB durch die drei Teilnovellen von 1914, 1915 und 1916, Ius commune 6 (1977), 274; Ogris, W., 175 Jahre ABGB, 1986/7; Caroni, P., Der unverstandene Meister, FS H. Baltl, 1978, 107; Seemann, O., Die mit „1811“ datierten Drucke des ABGB, 1995; Neschwara, C., Die Geltung des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches in Ungarn und seinen Nebenländern von 1853 bis 1861, ZRG GA 113 (1996), 362; Frohnecke, E., Die Rolle des ABGB in Gesetzgebung und Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, 2001; ; ; Österreichs Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 3 hg. v. Berger, E., 2010; 200 Jahre ABGB (1811-2011). Die österreichische Kodifikation im internationalen Kontext, hg. v. Dölemeyer, B./Mohnhaupt, H., 2012 (darin S. 367 Deutsch, A., Billig streitet die Vermuthung . - Zu Wortwahl und Gesetzessprache im ABGB); Festschrift 200 Jahre AGBG, hg. v. Fischer-Czermak u. a., 2011; 200 Jahre ABGB - Ausstrahlungen, hg. v. Geistlinger u. a., 2011 (u. a. besonders Ogris, W., Das ABGB innerhalb und außerhalb Österreich, 2011); 200 Jahre ABGB - Richterinnenwoche, 2012; 200 Jahre ABGB 1811-2011, hg. v. Barta, H., 2012; Mattiangeli, D., Die Anwendung des ABGB in Italien im 19. Jahrhundert und seine historischen Aspekte, 2012; 200 Jahre ABGB, hg. v. Fenyves, A. u. a., 2012; Zweihundert (200) Jahre Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) und europäisches Vertragsrecht, hg. v. Kodek, G., 2012; Vom ABGB zum europäischen Privatrecht, hg. v. Welser, R., 2012; Die ältesten Quellen zur Kodifikationsgeschichte des österreichischen ABGB, hg. v. Neschwara, C., 2012; Das ABGB in den „vaterländischen Blättern“, hg. v. Kohl, G. u. a., 2012; Brauneder, W., Österreichs Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB), Band 1 Entstehung und Entwicklung des ABGB bis 1900, 2014

Allgemeines Deutsches Gesetz über Schuldverhältnisse ist das seit 1863 von den Mitgliedstaaten des →Deutschen Bundes zwecks Rechtsvereinheitlichung bzw. Rechtsangleichung beratene (allgemeine deutsche) Gesetz, dessen (→Dresdener) Entwurf in dem Jahre 1866 gerade der Bundesversammlung zugeleitet ist, als der Deutsche Bund an dem Gegensatz zwischen Österreich und Preußen zerbricht, so dass der Entwurf dieses Gesetzes nicht weiter behandelt wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Hedemann, J., Der Dresdener Entwurf von 1866, 1935; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866, hg. v. Francke, B., 1973; Protocolle der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts, 1866, 1984

Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch ist das auf Grund des Vorbilds des französischen →Code de commerce (1808) nach Scheitern eines 1848 auf Anregung der deutschen Nationalversammlung (Frankfurter Paulskirchenversammlung) eingesetzten Gesetzgebungsausschusses seit 1856 von einer Kommission des Deutschen Bundes vorbereitete, nach preußischer Vorlage (1850-1856) und österreichischen Vorlagen (1842, 1853, 1857) 1861 in dem so genannten Nürnberger Entwurf entstandene Handelsgesetzbuch, das die Mitgliedstaaten des →Deutschen Bundes auf Empfehlung der Bundesversammlung von dem 31. 5. 1861 durch übereinstimmende Einzelstaatsgesetze (u. a. Preußen 1. 3. 1862, Österreich 1. 7. 1863 Allgemeines Handelsgesetzbuch, Anlage zu dem Gesetz 17. 12. 1862 RGBl. 1863, 1, [ohne Seerecht] in Geltung bis 23. 12. 1938, Württemberg 15. 12. 1865, Schaumburg-Lippe 1. 1. 1870) ab 1862 als allgemeines deutsches Recht in Kraft setzen. An seine Stelle tritt in dem Deutschen Reich 1897 das →Handelsgesetzbuch (Österreich 24. 12. 1938).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Protokolle der Kommission zur Beratung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, hg. v. Lutz, J., Bd. 1ff. 1958ff., Neudruck 1984; Thöl, H., Zur Geschichte des Entwurfes eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, 1861; Goldschmidt, L., Der Abschluss und die Einführung des allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs, ZHR 5 (1862), 204ff.; Lindau, L., Register zu dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 1867; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, ZHR 144 (1980), 484; Wild, P., Der Einfluss des Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs auf die Privatrechtsdogmatik, Diss. jur. Saarbrücken 1966; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; ; Das ADHGB von 1861 als gemeinsames Obligationenrecht in Mitteleuropa, hg. v. Löhnig, M./Wagner, S., 2018

Allgemeines deutsches Recht ist das in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch Parallelgesetzgebung der Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes entstandene Recht. →Allgemeine Deutsche Wechselordnung, →Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch

Lit.: Köbler, DRG 182

Allgemeines Gesetzbuch für die preußischen Staaten (1791) ist eine älteren gescheiterten Versuchen folgende Vorstufe für die Kodifikation →Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten (1794). Vorausgeht eine Kabinettsordre des Königs von dem 14. 4. 1780, nach der „alle Gesetze für unsere Staaten und Untertanen in ihrer eigenen Sprache abgefasst, genau bestimmt und vollständig gesammelt werden“, „nur das Wesentliche mit dem Natur-Gesetz und der heutigen Verfassung Übereinstimmende aus dem römischen Recht abstrahirt, das Unnütze weggelassen, Unsere eigene Landes-Gesetze an dem gehörigen Ort eingeschaltet und solchergestalt ein subsidiarisches Gesetz-Buch, zu welchem der Richter beim Mangel der Provinzial-Gesetze recurriren kann, angefertigt“ werden soll. Eine Kabinettsordre von dem 27. 7. 1780 konkretisiert den Auftrag, dem das Corpus iuris Justinians zu Grund gelegt werden soll. Der unter Leitung Johann Casimir von Carmers hauptsächlich von Carl Gottlieb Svarez und Ernst Ferdinand Klein auf der Grundlage von Auszügen aus dem Corpus iuris civilis Justinians nach einer systematischen natürlichen Ordnung erarbeitete Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuchs für die preußischen Staaten wird seit 1784 in sechs Abteilungen gedruckt (Erster Teil Personenrecht, erste Abteilung von dem Hausstand 1784, zweite Abteilung von den Rechten und Pflichten der verschiedenen Stände des Staates 1785, dritte Abteilung Rechte und Pflichten des Staates gegen die Bürger 1786, zweiter Teil Sachenrecht), erste Abteilung Titel 1-6 1787, zweite Abteilung Titel 7-13 1787, dritte Abteilung Titel 14-22 1788). Die nach der Veröffentlichung eingereichten Vorschläge (Monita) werden verwertet und in einer Svarezschen Revision 1790/1791 genutzt. An dem 20. 3. 1791 reicht von Carmer das Publikationspatent für das Allgemeine Gesetzbuch für die preußischen Staaten ein, dessen Inkrafttreten zu dem1. 6. 1792 geplant wird. An dem 18. 4. 1792 verschiebt der König die Geltung aus politischen Gründen bis auf Weiteres. Wegen des Gebietsgewinns Preußens aus der zweiten Teilung Polens (1793) wird das in dem Privatrecht einem abgewandelten Institutionensystem folgende Werk an dem 1. 6. 1794 als Allgemeines Landrecht für alle preußischen Staaten in Kraft gesetzt.

Lit.: u. a. Svarez, Carl Gottlieb, Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuches für die preußischen Staaten, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Register zum allgemeinen Gesetzbuch für die preußischen Staaten (1792), hg. v. Krause, P., 2004; Finkenauer, T., Vom Allgemeinen Gesetzbuch zum Allgemeinen Landrecht, ZRG 113 (1995), 40; Barzen, C., Die Entstehung des „Entwurf(s) eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten“, 2000

Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und derselben Bestrafung ist das unter Joseph II. gewisse aufgeklärte Grundsätze verwirklichende Strafgesetzbuch Österreichs von 1787, das noch von dem Strafzweck der Abschreckung ausgeht.

Lit.: Baltl/Kocher;

Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten (ALR) ist das als →Kodifikation zu dem1. 6. 1794 in Kraft gesetzte umfassende Vernunftrechtsgesetzbuch →Preußens. Ihm gehen als ältere, in dem Ergebnis erfolglose Versuche der Rechtsvereinheitlichung der rechtlich ganz verschieden geordneten Teile Brandenburg-Preußens ein Ersuchen Friedrich Wilhelms I. von Preußen an die juristische Fakultät der Universität Halle an der Saale (1714) und das von Samuel von →Cocceji bearbeitete Projekt eines Corpus juris Fridericiani Friedrichs des Großen (Teilentwürfe 1749, 1751) voraus. Als Folge des sog. →Müller-Arnold-Prozesses (1. 1. 1780) erarbeiten nach einer Kabinettsorder Friedrichs des Großen (14. 4. 1780 betreffend die Verbesserung des Justizwesens bezüglich der Gerichtsverfassung, des Prozessrechts und des materiellen Rechtes) der neu berufene Großkanzler Johann Heinrich Casimir von →Carmer und Carl Gottlieb →Svarez (außer dem Corpus juris Fridericianum von 1781 für das Verfahrensrecht und einer Hypothekenordnung von 1783) an Hand des römischen Rechtes nach natürlicher Ordnung und der Sonderrechte der einzelnen Provinzen einen von dem König (1785) als zu weitläufig zurückgewiesenen Entwurf aus (1783-1788, zwischen 1784 und 1788 in sechs Bänden veröffentlicht). Nach Überarbeitung an Hand zahlreicher eingegangener Monita und Denkschriften wird 1791 ein Entwurf eines →allgemeinen Gesetzbuchs für die preußischen Staaten vorgelegt, (nach Einreichen des Publikationspatents an dem 20. 3. 1791) sein Inkrafttreten zu dem1. 6. 1792 verfügt, aber nach nicht mehr vollständig aufklärbaren Vorgängen an dem 18. 4. 1792 auf unbestimmte Zeit suspendiert. 1794 wird das Gesetzbuch nach dem 1793 bei der zweiten Teilung Polens erfolgten Erwerb umfangreicher Gebiete (Südpreußen, Neu-Ostpreußen) unter geringer Umarbeitung (Aufhebung des Verbots der Machtsprüche und einiger Bestimmungen über die Ehe zu der linken Hand) als A. L. R. erlassen (Anlage zu demköniglich preußischen Patent von dem 5. 2. 1794). Das Gesetz umfasst in zwei Teilen („Eigentum“, „Gesellschaft“) mit 23 und 20 Titeln sowie 19194 Paragraphen und 603365 Wörtern (fast) das gesamte private und öffentliche Recht (Privatrecht, Gemeinderecht, Beamtenrecht, Staatsrecht, Kirchenrecht, Lehnrecht, Strafrecht), das es fürsorglich und kasuistisch abhandelt. Sein von dem Einzelnen (über Ehe, Familie und Stände) zu demStaat fortschreitender Aufbau ist vernunftrechtlich. Anknüpfungspunkt ist (noch) nicht der Mensch als ohne weiteres rechtsfähiges Wesen, sondern der Mensch, soweit er nach Geburt, persönlichen Verhältnissen und Stand Rechte und Pflichten hat. Inhaltlich stellt es in seiner Ausrichtung auf das gemeine Wohl einen Ausgleich zwischen altständischer Gesellschaft und aufgeklärter Freiheit dar, der die fortschrittlichen Ideen des Bürgertums nur eingeschränkt verwirklicht. In dem Privatrecht folgt es einem abgewandelten Institutionensystem. Von Savigny wird es abgelehnt (1816 „Sudeley“), aber ab 1819 in Vorlesungen an der Universität vorgetragen. In den 1815 auf dem Wiener Kongress gewonnenen Rheinlanden, in denen Frankreich 1806/1807 seinen 1804 geschaffenen Code civil in Kraft setzt, und in den 1866 bei Auflösung des Deutschen Bundes erlangten Gebieten wird es nicht eingeführt. Durch das Strafgesetzbuch von 1851, das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861 und schließlich durch das →Bürgerliche Gesetzbuch (1896/1. 1. 1900) wird es Stück für Stück abgelöst.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140, 184, 151, 160, 198; Eggers, C. v., Lehrbuch des Natur- und allgemeinen Privatrechts und gemeinen preußischen Rechts, 1797; Thieme, H., Die preußische Kodifikation, ZRG GA 57 (1937), 355; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Conrad, H., Die geistigen Grundlagen des ALR, 1958; Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, hg. v. Hattenhauer, H., 1970, 2. A. 1994, 3. A. 1996; Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, Register 1973; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 1975; Das nachfriderizianische Preußen 1786-1806, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 1988; Mühleisen, H., Zur Ordnung der Akten und Materialien des Allgemeinen Landrechts, ZRG GA 108 (1991), 194; Schwennicke, A., Die Entstehung der Einleitung des preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, 1993; Friedrich Carl von Savigny, Landrechtsvorlesung 1824, hg. v. Wollschläger, C. u. a., 1994ff.; Gemeinwohl - Freiheit - Vernunft - Rechtsstaat, hg. v. Ebel, F., 1995; Das Preußische Allgemeine Landrecht, hg. v. Wolff, J., 1995; 200 Jahre allgemeines Landrecht, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 1995; Kodifikation gestern und heute, hg. v. Merten, D. u. a., 1995; Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuches für die Preußischen Staaten, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Finkenauer, T., Vom Allgemeinen Gesetzbuch zum Allgemeinen Landrecht, ZRG GA 113 (1996), 40; Benthaus, R., Eine „Sudeley“?, Diss. jur. Kiel 1996; Reformabsolutismus und ständische Gesellschaft, hg. v. Birtsch, G., 1998; Zur Ideen- und Rezeptionsgeschichte des preußischen Allgemeinen Landrechts, hg. v. Gose, W. u. a., 1999; Dilcher, G., Forschungen zum ALR-Jubiläum, ZNR 2001, 285; Steinbeck, J., Die Anwendung des allgemeinen Landrechts in der richterlichen Praxis, 2004; Benöhr, H., Die Urheber des ALR, ZRG GA 121 (2004), 493; Register zum allgemeinen Gesetzbuch, hg. v. Krause, P., 2004; Albrecht, M., Die Methode der preußischen Richter, 2005; ; Hilgenstock, C., Die Anwendung des Allgemeinen Landrechts in der richterlichen Praxis, 2009; Bitter, A. v., Das Strafrecht des preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, 2013; Stegmaier, W., Das preußische Allgemeine Landrecht und seine staatsrechtlichen Normen, 2013; Sturm, F., Das preußische Allgemeine Landrecht, 2014; Schroth, F., Praxistest für das ALR, 2016

Allgemeines Persönlichkeitsrecht ist das einer Person an ihrer Persönlichkeit insgesamt zustehende Recht. Erste Ansätze hierfür finden sich bei Donellus (Doneau 1527-1591), Pufendorf, Thomasius und Wolff (vgl. § 83 Einl. ALR, § 16 ABGB), doch lehnt Friedrich Carl von Savigny ein a. P. ab, weil Injurienstrafenklage und Strafrecht genügenden Schutz bieten. Demgegenüber treten später Otto von Gierke und Josef Kohler für ein a. P. ein. Bei der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird auf ein a. P. bewusst verzichtet, nur der Namensschutz in § 12 geregelt und der Schadensersatz bei immateriellen Schäden eingeschränkt (§ 253 BGB, anders Art. 28 ZGB Schweiz 1907/1911). Seit 1954 wird ein a. P. in Deutschland durch die Rechtsprechung (BGHZ 13, 334, 1958 BGHZ 26, 349, 1974 BVerfGE 34, 269, vgl. 1956 BGHZ 20, 345 pönale Geldentschädigung) anerkannt. Als Rechtsgrund wird Art. 2 Iff. GG angesehen (vgl. BGHZ 128,1). Beachte auch § 201a StGB.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Teil 1 1910, 58; Irmscher, K., Der privatrechtliche Schutz der Persönlichkeit in der Praxis des gemeinen und partikularen Rechts, 1953; Scheyhing, R., Zur Geschichte des Persönlichkeitsrechts im 19. Jahrhundert, AcP 158 (1959/1960), 503; Leuze, D., Die Entwicklung des Persönlichkeitsrechts im 19. Jahrhundert 1962; Simon, J., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine gewerblichen Erscheinungsformen, 1981; Gottwald, S., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 1996; Goebel, J., Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 2004; Kastl, K., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 2004; Martin, K., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 2007

Allgemeines Vermögensgesetzbuch für das Fürstentum Montenegro ist das vor allem unter der Mitarbeit Baltazar →Bogisics (1834-1908) 1888 in Kraft gesetzte Privatrechtsgesetzbuch Montenegros (ohne Familienrecht und Erbrecht).

Lit.: Zimmermann, W., Valtazar Bogisic (1834-1908), 1962; Hamza, G., Bemerkungen zur Privatrechtsentwicklung in Montenegro (in Spomenica Valtazara Bogišića, 1011, 315

Allgemeinverfügung ist die zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstandene, lange zwischen Verordnung und Verwaltungsakt stehende, zuletzt dem Verwaltungsakt zugeordnete Einrichtung des allgemeinen Verwaltungsrechts.

Lit.: Wandschneider, S., Die Allgemeinverfügung, 2009

Alliierte →Alliierte Hohe Kommandantur

Alliierte hohe Kommandantur Berlin ist das gemeinsame Organ der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs für Berlin seit Juli 1945. Nach dem Auszug des sowjetischen Stadtkommandanten an dem 16. Juni 1948 tagen die drei westlichen Stadtkommandanten allein. Die Hoheitsgewalt über →Berlin (West) wird bis zu der Vereinigung Berlins (1990) von den drei Westalliierten ausgeübt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Schiedermair, H., Der völkerrechtliche Status Berlins, 1975; Grant, H., Die Alliierten und die Teilung Deutschlands, 1985

Alliierte hohe Kommission ist das oberste Organ der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens und Frankreichs für die Bundesrepublik Deutschland einschließlich der westlichen Sektoren Berlins von dem 21. 9. 1949 bis 5. 5. 1955. Die A. H. K. hat ihren Sitz auf dem Petersberg bei Königswinter. Sie besteht aus den 3 Hohen Kommissaren der beteiligten Mächte.

Lit.: Vogt, H., Wächter der Bonner Republik, 2004

Alliierter Kontrollrat ist das an dem 30. 7. 1945 errichtete Organ der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs für die Ausübung der obersten Gewalt in Deutschland, insbesondere die Entscheidung aller Deutschland als Ganzes betreffenden Fragen. Der Alliierte Kontrollrat erlässt auch Gesetze. An dem 20. 3. 1948 stellt er wegen der gegensätzlichen Ansichten der westlichen Mächte einerseits und der Sowjetunion andererseits seine Tätigkeit ein. In Österreich werden nach dem ersten alliierten Kontrollabkommen von dem 4. 7. 1945 ein aus den vier militärischen Kommissaren der vier Besatzungsmächte gebildeter Alliierter Rat und ein Exekutivkomitee mit Stäben (insgesamt als Alliierte Kommission bezeichnet) eingerichtet, deren oberste Gewalt durch das zweite alliierte Kontrollabkommen von dem 28. 6. 1946 abgeschwächt wird.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Köbler, DRG 245; Jaenicke, G., Der Abbau der Kontrollratsgesetzgebung, 1952; Etzel, M., Die Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen, 1992; Schmoeckel, M., Die Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen, ZRG 112 (1994), 431; Mai, G., Der Alliierte Kontrollrat in Deutschland, 1995

Alliiertes Recht ist das von den alliierten Besatzungsmächten (in Deutschland nach 1945) geschaffene oder veranlasste Besatzungsrecht.

Allmende (mhd. almende) ist die mehreren zu der allgemeinen Nutzung zustehende Wirtschaftsfläche (einer Gemeinde oder ähnlichen Körperschaft). Es ist mehr als zweifelhaft, ob die Anfänge der vor allem in dem Hochmittelalter bezeugten A. in die germanische Landnahme zurückreichen. Inhaltlich besteht die A. aus Wäldern, Weide und Ödland. Nutzungsberechtigt sind regelmäßig die Inhaber mehrerer (nahe liegender) Hofstellen bestimmter Größe (Markgenossen). Schon früh versucht der König und später auch der Landesherr, ein Allmendregal durchzusetzen. Das 19. Jahrhundert strebt nach Beseitigung der A. zugunsten von Alleineigentum. →Alm

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96, 121; Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, 1856; Weiss, J., Die Hackwaldallmende der Stadt Eberbach, ZRG GA 17 (1896), 77; Rüttimann, K., Die zugerischen Allmendkorporationen, 1904; Rennefahrt, H., Die Allmend im Berner Jura, 1905; Wopfner, H., Das Almendregal des Tiroler Landesfürsten, 1906; Omlin, H., Die Allmendkorporationen der Gemeinde Sarnen, 1913; Litscher, M., Die Alpkorporationen des Bezirkes Werdenberg, 1919; Meyer, E., Die Nutzungskorporationen im Freiamt, 1919; Haff, K., Überbleibsel strenger Feldgemeinschaft auf friesischen und skandinavischen Inseln, ZRG GA 46 (1926), 378; Haff, K., Die alten Feld- und Wiesengemeinschaften der Insel Föhr und ihre Erbbücher, ZRG GA 47 (1927), 673; Bergdolt, W., Badische Allmenden, ZRG GA 48 (1928), 466; Weber, K., Zur Rechtsgeschichte der Wiesengemeinschaften der Hallig Hooge, 1931; Plett, E., Zur Rechtsgeschichte des Spätlandes auf Osterlandföhr, 1931; Kirchner, R., Die Allmende und ihre Schicksale in Unterfranken, Diss. jur. Würzburg 1931; Mantel, K., Der Gemeindewald in Bayern, Diss. jur. Würzburg 1933; Rynning, L., Bidrag til norsk almenningsrett I, 1934; Brinkmann, O., Die Bedeutung der Allmende im neuen Deutschland, 1935; Grass, N., Beiträge zur Rechtsgeschichte der Alpwirtschaft, 1948; Fischer, H., Zum Gebietsrecht der Stadtallmende, ZRG GA 71 (1954), 209; Sidler, R., Die schwyzerische Unterallmeindkorporation, Diss. jur. Zürich 1956; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Wehrenberg, D., Die wechselseitigen Beziehungen zwischen Allmendrechten und Gemeindefronverpflichtungen, 1969; Schildt, B., Bauer - Gemeinde - Nachbarschaft, 1996; Below, S. v. u. a., Wald, 1998; Zückert, H., Allmende und Allmendaufhebung, 2003; Schmidt-Wiegand, R., Allmende, (in) Worte des Rechts, 2007, 347; Von der Allmende zur Share Economy, hg. v. Schläppi, D. u. a., 2018

Allod ist das keinen zusätzlichen Beschränkungen unterliegende Familiengut (19. Jahrhundert, vgl. Lex Salica 59). Es steht insbesondere in dem Gegensatz zu →Lehen. In Deutschland gibt es immer A., während in Frankreich (wegen der Vermutung nulle terre sans seigneur) A. eher selten und in England A. seit 1066 (Domesdaybook) verschwunden ist. A. kann zu Lehen gemacht werden und Lehen in A. verwandelt werden. Mit dem 19. Jahrhundert geht A. in →Eigentum auf.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Chenon, E., Étude sur l’histoire des alleux en France, 1888; Rauch, K., Die Übertragung der steirischen Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht der Babenberger, ZRG GA 58 (1938), 448; Ebner, H., Das freie Eigen, 1969; Spieß, K., Das Lehnswesen, 2002, 2. A. 2009

Allodifikation ist die (ausdrückliche oder stillschweigende) Umwandlung von Lehen in →Allod. Tatsächlich findet in der Neuzeit eine allmähliche A. der deutschen Landesfürstentümer statt (bis 1806). Innerhalb der Landesfürstentümer erfolgt (nicht zuletzt aus steuerlichen Überlegungen) eine A. der Lehen von 1702 (Preußen) bis 1919 (Mecklenburg).

Lit.: Köbler, DRG 211; Loewe, V., Die Allodifikation der Lehen unter Friedrich Wilhelm I., (in) Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 11 1898; Deter, G., Allodifikation, ZRG GA 130 (2013), 205

Allthing ist die vielleicht 930 eingerichtete politische Versammlung der seit der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts vor allem von Westnorwegen aus besiedelten Insel →Island. Das A. wird in der zweiten Junihälfte jedes Jahres in dem Südwesten abgehalten. Teilnahmeberechtigt ist jeder thingsteuerfähige Freie, teilnahmeverpflichtet jeder Häuptling (Gode) und jeder neunte Mann. Auf dem A. hat der Gesetzessprecher oder Rechtssprecher (lögsögumadr) das Recht vorzutragen, ist Recht zu setzen und zu klären und müssen Urteile gefällt werden. 1271/81 endet diese ältere Gestaltung. 1798 wird das A. aufgelöst.

Lit.: Kuhn, H., Das alte Island, 1971

Alm →Almrecht

Almrecht ist das Recht der Alp oder (aus alben kontrahiert) Alm als der hochgelegenen, vielleicht seit 3000 Jahren in den Sommermonaten bewirtschafteten Weidefläche (vor allem des Alpenraums). Diese gehört teils Genossenschaften, teils Grundherren. Das Eigentum an den Grundstücken ist oft durch besondere Rechte und Dienstbarkeiten eingeschränkt (z. B. Schneefluchtrecht auf unteren Almen).

Lit.: Weiß, R., Das Alpwesen Graubündens, 1941; Grass, N., Beiträge zur Rechtsgeschichte der Alpwirtschaft, 1948; Moritz, A., Die Almwirtschaft im Stanzertal, 1956; Grass, N., Forschungen zur Alpwirtschaft, ZRG GA 81 (1964), 368; Ramseyer. R., Das altbernische Küherwesen, 1961; Gietzen, H., Die Almen des Stubaitales, 1964; Schweizerischer Alpkataster, hg. v. d. Abteilung für Landwirtschaft des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements in Bern, 1962ff.; Hägele, E., Die Hinterriss, Diss. staatswiss. Innsbruck 1967; Edelmann, M., Die Almen im Tegernseer Tal, 1966; Werner, K., Die Almwirtschaft des Schnalstales, 1969; Starz, R., Die Almwirtschaft in der Wildschönau, Diss. staatswiss. Innsbruck 1970; Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970; Schenk, P., Die Almwirtschaft im Alpbachtal (Tirol), 1974; Zwittkovits, F., Die Almen Österreichs, 1974; Grass, N., Oswald von Wolkenstein und die Almwirtschaft, ZRG GA 92 (1975), 105; Tremel, F., Zur Rechtsgeschichte des Almwesens, FS N. Grass Bd. 2 1975, 3; Untersuchungen zur eiszeitlichen und frühmittelalterlichen Flur, hg. v. Beck, H., 1980; Arnold, G., Die Korporation Ursern, 1990; Grass, N., Alm und Wein, 1990 (Aufsätze)

alodis (lat.-afränk.) →Allod

Alp →Alm

Alpen ist der Name des Italien von Frankreich und Deutschland trennenden europäischen Gebirges.

Lit.: Die Alpen in der europäischen Geschichte des Mittelalters, 1965; Die Alpen, hg. v. Mathieu, J. u. a., 2005; Wege über die Alpen, hg. v. Oster, U., 2006; Le Alpi porta d’Europa, hg. v. Pani, L. u. a., 2009; Winckler, K., Die Alpen im Frühmittelalter, 2012; Bätzing, W., Die Alpen, 2018

Alsfeld in Oberhessen übernimmt nach 1556 weitgehend wörtlich das Frankenberger Stadtrechtsbuch.

Lit.: Gerhardt, H., Das Alsfelder Stadtrechtsbuch, Diss. Freiburg im Breisgau 1993; Das Augustinerkloster Alsfeld, hg. v. Schneider, H., 2019

Altar ist der in der christlichen Kirche für geistliche Handlungen verwendete Tisch, mit dem auch Rechtshandlungen (z. B. Stiftungen, Eide, Gottesurteile) verbunden werden können.

Lit.: Carlen, L., Orte, Gegenstände, Symbole kirchlichen Rechtslebens, 1999; Viek, S., Der mittelalterliche Altar als Rechtsstätte, Mediävistik 17 (2004)

Altdorf bei Nürnberg, 1504 von der Pfalz an Nürnberg gelangt, 1553 sehr zerstört, ist von 1575 an Sitz des 1526 nach Vorschlägen Melanchthons in dem Egidienkloster Nürnbergs eingerichteten Gymnasiums und von 1622 bis 1809 Sitz einer Universität (Donellus, Rittershusius, 1599 Wallenstein, 1667 Leibniz).

Lit.: Will, G., Geschichte und Beschreibung der nürnbergischen Universität Altdorf 1796, Neudruck 1975; Die Matrikel der Universität Altdorf, hg. v. Steinmeyer, E. v., 1812, Neudruck 1980; Mummenhoff, G., Die Juristenfakultät Altdorf in den ersten fünf Jahrzehnten ihres Bestehens, Diss. jur. Erlangen 1957; Loiermann, H., Die Altdorfer Juristen, FS K. S. Bader 1965, 267; Mährle, W., Academia Norica (1575-1623), 2000; Nürnbergs Hochschule in Altdorf, hg. v. Marti, H. u. a., 2014

alte Kulm →Kulm

Altena

Lit.: Lappe, J., Die Freiheit Altena, 1929

Altenteil ist die einem Bauern und seinem überlebenden Ehegatten nach Übergabe seines Hofes an seinen Nachfolger zustehende Versorgung. Das seit der Mitte des 14. Jahrhundert nachweisbare A. wird bei freien Bauern durch (seit dem 16. Jahrhundert nachweisbaren) Vertrag vereinbart (und in neuerer Zeit in dem Grundbuch dinglich gesichert), bei grundherrschaftlichen Bauern auch in Hofrechten festgelegt. Es haftet an dem Hofgrundstück. Die Anerbengesetzgebung des 19. Jahrhunderts kennt eine gesetzliche Regelung, deren Ausgestaltung der Vereinbarung überlassen ist. Art. 96 EGBGB verweist für den schuldrechtlichen Vertrag auf das Landesrecht.

Lit.: Piepenbrock, J., Die Entwicklung des Altenteils oder der Leibzucht, 1925 (Diss.); Weiland, H., Die geschichtliche Entwicklung des bäuerlichen Altenteils, 1940; Weber, H., Der deutsche bäuerliche Übergabevertrag, 1941; Czerannowski, B., Das bäuerliche Altenteil in Holstein, Lauenburg und Angeln 1650-1850, 1988; Schäfer, A., Übernahme und Altenteil, Diss. jur. Bonn 1994

Alter ist die für das Recht in verschiedener Hinsicht bedeutsame, durch die dem Menschen vorgegebene Dimension Zeit bedingte Erscheinung menschlichen Lebens. Schon das römische Recht unterscheidet zwischen Kleinkindern (lat. [M.Pl.] infantes), Nochnichtgeschlechtsreifen (lat. [M.Pl.] impuberes) und Geschlechtsreifen (lat. [M.Pl.] puberes), wobei der Eintritt der Reife bei Männern mit vollendetem 14., bei Frauen mit vollendetem 12. Lebensjahr angenommen wird und volle Geschäftsfähigkeit bedeutet. Allerdings besteht (wohl schon früh) bis zu der Vollendung des 25. Lebensjahrs ein besonderer Schutz bei Rechtsgeschäften. Nach den frühmittelalterlichen Volksrechten tritt Mündigkeit zunächst nach der jeweiligen einzelnen Geschlechtsreife ein, später mit der Vollendung des 10. Lebensjahrs (angelsächsisches Recht vor 1000) oder 12. Lebensjahrs (Edictus Rothari [643] 155, Leges Liutprandi [721] 18). Der Unmündige kann bestimmte Handlungen nicht vornehmen, andere nach Erreichen der Mündigkeit widerrufen. Die väterliche Gewalt dauert aber bis zu der →Abschichtung fort. Nach dem Sachsenspiegel kann diese Rechtsstellung des Unmündigen freiwillig bis zu demAblauf des 21. Lebensjahrs und nach dem 60. Lebensjahr fortgeführt werden. Mit der Rezeption seit dem späteren Mittelalter dringt die römische Regelung der (lat. [F.]) infantia (Kindheit) ein (Geschäftsunfähigkeit). Wer älter als sieben Jahre alt ist, kann zwar Rechte erwerben, aber bis zu der Geschlechtsreife keine Pflichten begründen bzw. bis zu der Volljährigkeit (meist 25 Jahre) das Vermögen nicht ohne Zustimmung eines Kurators verringern, allerdings auf Antrag diese Rechtsstellung bereits mit 20 bzw. für Frauen mit 18 Jahren erreichen (lat. sog. [F.] venia aetatis, Erlaubnis des Alters). Nach dem österreichischen Codex Theresianus von 1766 (V § IV 98), dem preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 (II 18 § 696) und dem österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1811/1812 (§ 21) tritt die Volljährigkeit mit 24 Jahren ein, in dem Deutschen Reich seit 1875 mit 21 Jahren, in der Deutschen Demokratischen Republik und in der Bundesrepublik Deutschland (1975) mit 18, in Österreich (1919) mit 21, dann (1973) mit 19 und danach (2001) auch mit 18 Jahren. Daneben gibt es die Schulpflicht mit 6 Jahren, die Religionsmündigkeit mit 14 Jahren, die beschränkte Ehemündigkeit, Testierfähigkeit und Eidesfähigkeit mit 16 Jahren und den Heranwachsenden zwischen 18 und 21 Jahren in dem Strafrecht bzw. Jugendstrafrecht.

Lit.: Kaser § 14; Hübner 63ff.; Wackernagel, W., Die Lebensalter, 1862; Eckhardt, K., Die Volljährigkeitsgrenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 1; Helfenstein, U., Beiträge zur Problematik des Lebensalters in der mittleren Geschichte, 1952; Luther, G., Ehemündigkeit, Volljährigkeit, Strafmündigkeit, 1961; Cromberg, H., Die Knabenschaftsstatuten der Schweiz, 1970; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Aging and the Ages, hg. v. Sheehan, M., 1990; Alter und Gesellschaft, hg. v. Borscheid, P., 1995; Schäfer, D., Alter und Krankheit in der frühen Neuzeit, 2004; Schlegel-Voß, L., Alter in der Volksgemeinschaft, 2005; Generationengerechtigkeit?, hg. v. Brakensiek, S. u. a., 2006; Timmer, J., Altersgrenzen politischer Partizipation in antiken Gesellschaften, 2008; Lebensalter und Recht, hg. v. Ruppert, S. 2009; Youth and Age in the Medieval North, hg. v. Lewis-Simpson, S., 2008; Brunozzi, K., Das vierte Alter im Recht, 2012; Wagner-Hasel, B., Alter in der Antike, 2012; Torp, C., Gerechtigkeit im Wohlfahrtsstaat, 2015

Alteri stipulari nemo potest (lat.). Für einen anderen kann man sich nichts versprechen (bzw. sich versprechen lassen).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Ulpian 170-223)

Alternativentwurf zu der Strafrechtsreform ist der 1966 von reformfreudigen deutschen Strafrechtsprofessoren vorgelegte Entwurf, der die Liberalisierung des deutschen Strafrechts in der anschließenden Novellierung maßgeblich mitbestimmt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert

Altershilfe für Landwirte ist eine durch Gesetz von dem 27. 7. 1957 (zu dem1. 10. 1957) in Deutschland errichtete Abteilung der Sozialversicherung, die von Alterskassen bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften betrieben wird.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert

Altersversicherung →Sozialversicherung

Altertum ist der mit den ersten schriftlichen Aufzeichnungen (3000-2800 v. Chr.) bzw. dem 11. Jahrhundert v. Chr. beginnende, vor allem die Völker der Gegend von dem Mittelmeer (Griechen, Römer) bis zu demZweistromland erfassende und mit der Völkerwanderung (476 Eroberung Westroms durch die Germanen) allmählich endende geschichtliche Abschnitt der menschlichen Kulturentwicklung. →Antike

Lit.: The Oxford Classical Dictionary, 1949ff., 2. A. 1970, 3. A. 1996, 4. A, hg. v. Hornblower, S. u. a., 2012 (mehr als 6000 Einträge); Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1ff. 1975ff.; Buchwald, W. u. a., Tusculum-Lexikon griechischer und lateinischer Autoren, 3. A. 1982; Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Gesamtregister I, II, 1997ff. (mit CD-ROM); Ott, M., Die Entdeckung des Altertums, 2002; Piepenbrink, K., Das Altertum, 2006; Porter, A., Mobile Pastoralism and the Formation of Near Eastern Civilizations, 2012; Assmann, J., Exodus – Die Revolution der Alten Welt, 2015, 2. A: 2015, 3. A. 2015

Althochdeutsch ist die normalisierende Bezeichnung der zwischen (500 bzw.) 750 und 1050 als der alten deutschen Sprachperiode in dem südlichen (hochgelegenen) Deutschland (Alemannen, Bayern, Franken) gesprochenen, dem Germanischen folgenden und dem →Mittelhochdeutschen vorausgehenden Sprachen (z. B. althochdeutsches Lex-Salica-Bruchstück), deren Wortschatz sich auf 30191 Ansätze und Verweise berechnen lässt.

Lit.: Althochdeutsches Wörterbuch, hg. v. Frings, T./Karg-Gasterstädt, E., Bd. 1ff. 1952ff. (2030 soll es in 10 Bänden fertig sein, 750000 Zettel, 13 Mitarbeiter derzeit, sieben Zettel je Tag, ein Drittel Glossen); Baesecke, G., Vor- und Frühgeschichte des deutschen Schrifttums (2, 1), 1950; Schützeichel, R., Die Grundlagen des westlichen Mitteldeutschen, 1961; Schützeichel, R., Althochdeutsches Wörterbuch 1969, 6. A. 2004; Sonderegger, S., Althochdeutsch als Anfang, 1977; Köbler, G., Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1993; Köbler, G., Taschenwörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1994; Meinecke, E./Schwerdt, J., Einführung in das Althochdeutsche, 2001; ; Nievergelt, A., Althochdeutsch in Runenschrift, 2009

Althusius (Althaus), Johannes (Diedenshausen bei Berleburg 1557 [oder um 1563]-Emden 12. 8. 1638), Hofpredigerssohn, wird nach dem Studium in Marburg (Pädagogium), Köln (1581) Basel (Amerbach, 1586 Promotion) und Genf (D. Gothofredus) nach Herborn (1588) berufen (1592-1596 Steinfurt). Von 1604 bis 1638 wirkt er in Emden als Ratssyndikus. Sein Hauptwerk (lat. [F.] Politica methodice digesta, Politik methodisch behandelt, 1603) ist der erste deutsche Versuch einer systematischen Staatslehre, den A. zu einer allgemeinen, mit noch mittelalterlicher Naturrechtsvorstellung behafteten Rechtslehre ausbaut, der aber in dem beginnenden Absolutismus letztlich von beschränkter Wirkung bleibt.

Lit.: Köbler, DRG 148; Gierke, O. v., Johannes Althusius, 1880, 2. A. 102, 3. A. 1913, 4. A. 1929, 5. A. 1958, 6. A. 1968, Neudruck 1980, 7. A. 1981; Reibstein, E., Johannes Althusius als Fortsetzer der Schule von Salamanca, 1955; Winters, P., Die „Politik“ des Johannes Althusius und ihre zeitgenössischen Quellen, 1961; Althusius-Bibliographie, hg. v. Scupin, H. u. a., Bd. 1f. 1973; Friedrich, C., Johannes Althusius und sein Werk, 1975; Politische Theorie des Johannes Althusius, hg. v. Dahm, G. u. a., 1988; Wyduckel, D., J. Althusius - Die deutsche Literatur zwischen 1450 und 1620, 1991; Politische Begriffe und historisches Umfeld in der Politica methodice digesta, hg. v. Bonfatti, E. u. a., 2002; Althusius, J., Politik, übers. v. Janssen, H., hg. v. Wyduckel, D., 2003; Jurisprudenz, politische Theorie und politische Theologie. Beiträge des Herborner Symposions zum 400. Jahrestag der Politica des Johannes Althusisus 1603-2003, hg. v. Carney, F. u. a., 2004

Altmark

Lit.: Rohrlach, P., Historisches Ortslexikon für die Altmark, 2 Bände, 2018 XXXVII, 1-1299, XI, 1301-2903 S.

Altmärkische Glosse zu dem Sachsenspiegel →Stendaler Glosse

Altniederfränkisch ist die in dem Nordwesten des fränkischen Reiches in der altdeutschen Zeit des Frühmittelalters gesprochene Sprache, aus der sich das Mittelniederländische und das Niederländische entwickeln.

Lit.: Köbler, G., Sammlung altniederfränkischer Tradition – Texte – Glossen, 2002

Altona

Lit.: Maertens, R., Das Landgericht Altona (1879-1937) und die Anfänge des Landgerichts Itzehoe (1937-1945), 2011

Altsächsisch ist die zwischen (500 bzw.) 750 und 1200 als der alten deutschen Sprachperiode von den Sachsen gesprochene, dem Mittelniederdeutschen vorausgehende Sprache (z. B. →Heliand).

Altzelle

Lit.: Urkundenbuch des Zisterzienserklosters Altzelle, Teil 1 1162-1249, bearb. v. Graber, T., 2006; Die Zisterzienser und ihre Bibliotheken, hg. v. Graber, T. u. a., 2008

Alzey

Lit.: 1750 Jahre Alzey, hg. v. Becker, K., 1973

Amberg in der Oberpfalz wird erstmals 1034 in einer Gabe Konrads II. an das Hochstift Bamberg erwähnt. Spätestens 1242 ist es Stadt. Die älteste erhaltene (deutsche) Bestätigung des Stadtrechts stammt von 1294.

Lit.: Denkmäler des Amberger Stadtrechts, hg. v. Laschinger, J., Bd. 1ff. 1994ff.

Amerbach, Bonifacius (Basel 1495-1562), Schüler Zasius’ und Alciats, Freund des Erasmus von Rotterdam, Professor der Pandekten in Basel und Anwalt (Familie aus Amorbach, ursprünglicher Name Welcker).

Lit.: Die Amerbachkorrespondenz, hg. v. Hartmann, A. u. a., Bd. 1ff. 1942ff.; Kisch, G., Humanismus und Jurisprudenz, 1955; Troje, H., Graeca leguntur, 1971; Hagemann, H., Die Rechtsgutachten des Bonifacius Amerbach, 1997; Hagemann, H., Die Rechtsgutachten des Basilius Amerbach, 2001

Amerika ist der wohl frühgeschichtlich (um 13000 v. Chr., Prä-clovis-Funde bei Austin in Texas) von Sibirien aus (über eine Landbrücke nach Alaska von Asiaten/Indianern) besiedelte, um die erste Jahrtausendwende von Wikingern (Leif Eriksson aus Grönland mit 35 Männern in Helluland, Markland und Vinland = Weinland?, überliefert in isländischen Handschriften des 14. und 15. Jahrhunderts, 1960 Funde von Überresten einer wikingerzeitlichen Siedlung in L’Anse aux Meadows an der Nordspitze Neufundlands in Kanada mit Eisenschlackeresten) und 1492 von Kolumbus auf der von Europa aus nach Westen gerichteten Suche nach Indien (nochmals) entdeckte, von Amerigo Vespucci (Florenz 1451?-Sevilla 1512) in dem Gefolge der Entdeckung der Amazonasmündung (1502) als verschieden von Indien erkannte, an dem 25. 4. 1507 von Martin Waldseemüller und Matthias Ringmann in der (lat.) Cosmographiae Introductio (F., Einleitung in die Weltbeschreibung) nach Amerigo Vespucci als Amerika benannte, in dem Süden von Spanien (unter Ausnutzung einheimischer Zerstrittenheit) und Portugal und in dem Norden vor allem von England (und Frankreich) in Besitz genommene Kontinent, dessen verschiedene Kolonien bzw. Staaten sich seit dem 18. Jahrhundert von den Kolonialmächten lösen, aber in dem 20. Jahrhundert von den 1776 von Großbritannien verselbständigten →Vereinigten Staaten von A. stark geprägt werden.

Lit.: Bravo Lira, B., Beziehungen zwischen den europäischen und ibero-amerikanischen Kodifikationen, ZRG GA 103 (1986), 294; Die neue Welt, hg. v. Edelmayer, F. u. a., 2001; Semper, F., Die Rechte der indigenen Völker in Kolumbien, 2003; Weber, K., Deutsche Kaufleute im Atlantikhandel 1680-1830, 2004; Arens, W./Braun; H., Die Indianer Nordamerikas, 2004; Depkat, V., Geschichte Nordamerikas, 2004; König, H., Kleine Geschichte Lateinamerikas, 2006; Gemegah, H., Die Suche nach den ersten Amerikanern, 2007; Klemke, U., Die deutsche politische Emigration nach Amerika 1815-1848, 2007; Taladoire, E./Courau, J., Die Maya, 2007; Winfield, A., Eugenics and Education in America, 2007; Place and Native American Indian History and Culture, hg. v. Porter, J., 2007; Borge, F., A New World for a New Nation, 2007; Gemegah, H., Die Suche nach den ersten Amerikanern, 2007; Amerika, hg. v. Lehmkuhl, U. u. a., 2008; The Cambridge History of Law in America, hg. v. Grossberg, M. u. a., Bd. 1ff. 2008; Rinke, S., Revolutionen in Lateinamerika, 2010; Lerg, C., Amerika als Argument, 2011; The Oxford Encyclopedia of American Political and Legl History, hg. v. Critchlow, D., 2012; Campbell, J., Crime and Punishment in African American History, 2012; Rinke, S., Lateinamerika und die USA, 2012; Bernhard, R., Geschichtsmythen über Hispanoamerika, 2013; Saldern, A., v., Amerikanismus, 2013; Duve, T., Salamanca in Amerika, ZRG GA 132 (2015), 116; Loock, K., Kolumbus in den USA, 2014; Derecho privado y modernización, hg. v. Rosario Polotto, M. u. a., 2015; Rinke, S., Im Sog der Katastrophe – Lateinamerika und der erste Weltkrieg, 2015; Simek, R., Vinland! Wie die Wikinger Amerika entdeckten, 2016; Murrin, J., Rethinking America - From Empire to Republic, 2018 (Sammelband); Rinke, S., Conquistadoren und Azteken – Cortés und die Eroberung Mexikos, 2019; Huber, V., Die Konquistadoren – Cortés, Pizarro un die Eroberung amerikas, 2019

Amira, Karl von (Aschaffenburg 8. 3. 1848-München 22. 6. 1930), Richterssohn, wird nach dem Studium in München (Konrad Maurer) 1875 ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau und 1892 in München. Seine Hauptwerke betreffen Nordgermanisches Obligationenrecht (1882ff., unvollendet), die Dresdener Sachsenspiegelbilderhandschrift (1902, 1925/6) und die germanischen Todesstrafen (1922).

Lit.: Amira, K., Über Zweck und Mittel der germanischen Rechtsgeschichte, 1876; Amira, K. v., Grundriss des germanischen Rechts, 1890, 2. A. 1897, 3. A. 1913; Puntschart, P., Karl von Amira und sein Werk, 1932; Karl von Amira zum Gedächtnis, hg. v. Landau, P. u. a., 1999; Hein, O., Vom Rohen zum Hohen, 2001, 313ff.

Amnestie (griech. amnestia, F., Nichterinnerung) ist in dem Strafrecht die Begnadigung einer Mehrheit von Straftätern (in Griechenland seit dem 6. Jahrhundert belegt, Athen 403 v. Chr., erstmals 196 v. Chr. A. benannt). In dem 16./17. Jahrhundert wird die Bezeichnung in das Deutsche aufgenommen. In dem 19. Jahrhundert wird in dem deutschen Sprachraum für eine A. ein formelles Gesetz erforderlich. A. kann Rechtssicherheit und Rechtsstaat gefährden.

Lit.: Usteri, P., Ächtung und Verbannung im griechischen Recht, 1903; Waldstein, W., Untersuchungen zum römischen Begnadigungsrecht, 1964; Hammel, F., Innerstaatliche Amnestien, 1993; Süß, F., Studien zur Amnestiegesetzgebung, 2001

Amortisation (F.) Tilgung

Amortisationsgesetz ist das weltliche Gesetz, das die Freiheit des kirchlichen (oder auch jüdischen) Grunderwerbs und die Zunahme des abgabenfreien Kirchenguts einschränkt (z. B. Lübeck 1220/1226, Judenburg 1269, Österreich 1303, vgl. Ssp LR I 25 § 1, ALR II 11 § 1199) (, weil die tote Hand das einmal Ergriffene nicht mehr hergibt). Das österreichische Konkordat von 1855 und Art. 137 III WRV beseitigen diese wenig wirksamen Beschränkungen endgültig.

Lit.: Moshamm, F. v., Über die Amortisationsgesetze überhaupt, 1798; Kahl, W., Die deutschen Amortisationsgesetze, 1879; Lea, H., The Dead Hand, 1900; Borries, A. v., Die Erwerbsbeschränkungen der manus mortua in Preußen, Diss. jur. Leipzig 1904; Olivier-Martin, F., Histoire du droit français, 2. A. 1951, 483f.; Haegele, K., Die Beschränkungen des Grundstücksverkehrs, 3. A. 1970; Schmidt, P., Die Privatisierung des Besitzes der toten Hand in Spanien, 1990

Amsterdam an der Mündung der Amstel in das Ijsselmeer entsteht um 1270 und erhält um 1300 Stadtrecht. 1632 wird eine Universität eingerichtet.

Lit.: Koning, H., Amsterdam 1977; Beuys, B., Leben mit dem Feind, 2012 (1940-1945)

Amt (Wort um 765) ist die Aufgabe oder der Dienst. In dem römischen Recht hat nach dem Sturz des Königs von dem Jahr 510 v. Chr. der Höchstmagistrat (lat. consules [M. Pl.] Berater) das höchste A. der Republik. Hieraus entwickelt sich durch Schaffung weiterer Magistraturen ein nach Zuständigkeiten gegliedertes System der Träger herrschaftlicher Gewalt (mit einem vielleicht seit dem 2. J. v. Chr. regelmäßigen [lat.] cursus [M.] honorum). Dieses wird durch die Einführung des Prinzipats abgeändert (Ressortbezogenheit, auf den Kaiser ausgerichtete Hierarchie, Rangklassen, Qualifikationskriterien, Besoldung). Zu den leitenden Ämtern treten zahlreiche nachgeordnete Dienststellen hinzu. Bereits bei Caesar ist dabei keltisch-lat. (M.) ambactus als Bezeichnung für die gallische Adlige umgebenden Männer bezeugt (Commentarii de bello Gallico VI, 15). In der fränkischen Zeit wird das System der Römer zwar grundsätzlich übernommen, aber erheblich vereinfacht. Hinzu kommt eine verstärkte personelle Bindung durch die Belehnung. Insbesondere das A. (Dienst, Dienstverhältnis, Herrschaft, lat. [N.] ministerium) des Grafen wird als Lehen übertragen. Bald danach werden die dem Adel verliehenen Ämter vielfach durch ihre Inhaber dem König entzogen und zu eigenem Recht behauptet. In den seit dem 12. Jahrhundert dementsprechend entstandenen Ländern ersetzt der Landesherr die Lehnsmannen durch festbesoldete absetzbare Amtsträger und macht das A. wieder zu einer staatlichen Einrichtung. Das örtliche Tätigkeitsgebiet wird zu demA. in dem räumlichen Sinn. Wer mit einem A. betraut ist, ist Beamteter und wird zu dem→Beamten. Seit dem 17. Jahrhundert entstehen Verzeichnisse der Ämter (Amtskalender z. B. in England, Frankreich, dem Kirchenstaat um 1670, in Österreich um 1690 [1692], in Kursachsen 1702, in Preußen 1704 oder in Nürnberg 1705). Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert ist das öffentliche A. ein Kernbegriff der Verwaltung. Das A. in dem öffentlichen Dienst wird bestimmt durch seine Bezeichnung, die Laufbahn und die damit verbundene Besoldung.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 111, 197, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Conrat, M., Ein Traktat über romanisch-fränkisches Ämterwesen, ZRG GA 29 (1908), 239; Conrat, M., Ein Traktat über romanisch-fränkisches Ämterwesen, ZRG GA 30 (1909), 326; Keutgen, F., Ämter und Zünfte, 1903; Lappe, J., Geschichte des Amtes Waltrop, 1938; Beyerle, D., Das frühmittelalterliche Schulheft vom Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1; Grube, W., Vogteien, Ämter, Landkreise, 1960; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Banngewalt, 1960; Richardson, H./Sayles, G., The Governance of Medieval England, 1963; Forsthoff, E., Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. A. 1973; Bauer, V., Repertorium territorialer Amtskalender, Bd. 1f. 1997ff.; Brommer, P., Die Ämter Kurtriers, 2003; Beck, H., Karriere und Hierarchie, 2005; Löffler, U., Dörfliche Amtsträger im Staatswerdungsprozess, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Ämtertraktat →Decurio de gradus

Amtmann ist der Inhaber eines Amtes. In dem Mittelalter ist A. (ahd. ambahtman als Wiedergabe von lat. villicus, officialis, procurator) vor allem der Verwalter eines grundherrlichen Hofverbands (im Südwesten auch der Dorfvorsteher) und danach der Leiter eines landesherrlichen Amtsbezirks. Seit 1921 ist A. (unter Lösung von einem bestimmten Amtsgebiet) ein Beamter des gehobenen Dienstes.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 113, 151; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Agena, K., Der Amtmann im 17. Jahrhundert, 1972; Kroeschell, K., Der Amtmann, ; Klingebiel, T., Ein Stand für sich? Lokale Amtsträger in der frühen Neuzeit, 2002

Amtsanwalt ist (seit 1877/1879) der Vertreter des Staates vor dem Amtsgericht.

Lit.: Rüping, H., Polizeianwalt - Amtsanwalt - Staatsanwalt. Zur Geschichte der Amtsanwaltschaft in Deutschland, FS Wolfgang Sellert, 2000, 537

Amtsbuch (19. Jahrhundert) ist das aus Lagen zusammengesetzte Buch (oder die Rolle), das (bzw. die) zu der Ausübung eines →Amtes gehörige Eintragungen enthält. Solche Amtsbücher sind seit dem Ende der römischen Republik die (lat. [M.Pl.]) commentarii der Magistrate und Priester sowie später des Kaisers. In dem Mittelalter entsteht in dem 9. Jahrhundert das Traditionsbuch und werden seit dem 12. Jahrhundert viele Amtsbücher (Grundbuch, Lagerbuch, Schreinsbuch, Stadtbuch, Kopialbuch, Register, Imbreviaturbuch) eingerichtet. →Stadtbuch

Lit.: Der kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1 1986, 1257ff.; Reetz, J., Hamburgs mittelalterliche Stadtbücher, Z. d. Ver. f. hamburg. Gesch. 44 (1958), 95; Pätzold, S., Amtsbücher des Mittelalters, Archivalische Zeitschrift 81 (1998), 87; Kreter, K., Stadtbücher und Register 1289-1533, Hannoversche Geschichtsblätter 48 (1994), 47; Verwaltung und Schriftlichkeit in den Hansestädten, hg. v. Sarnowski, J., 2006

Amtsgericht ist das seit der frühen Neuzeit partikular für den Umfang eines →Amtes (Verwaltungsbezirkes) eingerichtete, beispielsweise in Baden durch Verordnung von dem 22. Juli 1857 zu dem1. September 1857 an die Stelle der Ämter gesetzte →Gericht, das durch das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz 1877/1879 zu demeinheitlichen Eingangsgericht (1893 in dem Deutschen Reich 1924 Amtsgerichte mit 4409 Richtern, 42% Einmannamtsgerichte) der ordentlichen Gerichtsbarkeit bestimmt wird.

Lit.: Köbler, DRG 200, 261; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Steinbach, E./Kniffka, R., Strukturen des amtsgerichtlichen Zivilprozesses, 1982; 150 Jahre Amtsgericht Diepholz, hg. v. Kruthaup, E. u. a., 2002; 150 Jahre Amtsgericht Soltau, hg. v. Rundt, S., 2002; 150 Jahre Amtsgerichte im Bereich des ehemaligen Königreichs Hannover, 2002; 125 Jahre rheinische Amtsgerichte, hg. v. Lünterbusch, A. u. a., 2003; Fischer, D., 150 Jahre badische Amtsgerichte, 2007; Dee Gerichtsbarkeit wird ausgeübt durch Amtsgerichte - 150 Jahre Amtsgerichte im Oldenburger Land, red. v. Welp, J., 2008; 100 Jahre Amtsgericht Elmshorn, 2010

Amtshaftung ist die neben den Ersatzansprüchen des Einzelnen für die Aufopferung seiner Rechtsgüter für das allgemeine Wohl stehende Art der →Staatshaftung. Ihr geht vor allem die spätmittelalterliche Syndikatsklage gegen einen absichtlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Urteil fällenden Richter voraus. In dem späten 18. und in dem 19. Jahrhundert wird allgemeiner eine Haftung jedes Beamten für eine Verletzung seiner Amtspflichten anerkannt (II 10 § 89 ALR für jede Fahrlässigkeit), wobei jede den Dienstvertrag verletzende Handlung dem Herrscher bzw. dem Staat nicht zugerechnet werden kann und deshalb eine private Ersatzpflicht des Beamten auslösen muss. Seit 1831 wird vereinzelt eine Ersatzpflicht des Staates geschaffen (Sachsen-Altenburg, 1852 Sachsen-Coburg-Gotha). Das Bürgerliche Gesetzbuch des deutschen Reiches von 1900 hat für eine öffentlichrechtliche Ersatzpflicht des Staates keine Zuständigkeit und bestimmt deshalb in § 839 nur eine deliktische Ersatzpflicht des Beamten. Demgegenüber sehen Bayern 1899, Preußen 1909 und § 1 des Reichsbeamtenhaftungsgesetzes von dem 22. 5. 1910 eine zwar mittelbare, aber primäre Haftung des Staats vor. Art. 131 WRV leitet die Haftung reichseinheitlich von dem Beamten auf den Staat über. Dem schließt sich Art. 34 GG an. Das eine unmittelbare, verschuldensunabhängige Staatshaftung für Amtspflichtverletzung festlegende Staatshaftungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist wegen (seinerzeit) fehlender (, inzwischen in Art. 74 I Nr. 25 GG geschaffener) Zuständigkeit nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von dem 19. 10. 1982 nichtig. Die 1969 in dem Staatshaftungsgesetz der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik geschaffene unmittelbare, von dem Verschulden unabhängige Staatshaftung für rechtswidriges hoheitliches Handeln ist zwar in dem Einigungsvertrag von 1990 aufrechterhalten, aber inzwischen durch Landesgesetz abgeschafft oder eingeschränkt. Das Recht Österreichs kennt eine vergleichbare A., das Recht der Schweiz eine mittelbare, meist verschuldensunabhängige Haftung des Staates.

Lit.: Loening, E., Die Haftung des Staates aus rechtswidrigen Handlungen seiner Beamten, 1879; Heidenhain, M., Amtshaftung und Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff, 1965; Kohl, J., Die Lehre von der Unrechtsunfähigkeit des Staates, 1977; Henne, T., Verwaltungsrechtsschutz im Justizstaat, 1995; Haaf, T., Das Tonabbau-Urteil des Reichsgerichts (1912), 2012

Amtsherzogtum ist das als königliches Amt vergebene →Herzogtum (9. Jahrhundert) in dem Gegensatz zu dem aus der Heerführerschaft eines Volkes erwachsenden →Herzogtum.

Lit.: Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1974

Amtshilfe ist die auf Ersuchen einer Behörde von einer anderen Behörde geleistete ergänzende Hilfe. Sie entwickelt sich in dem 19. Jahrhundert und wird von der Rechtshilfe durch Gerichte erst in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts abgegrenzt. Sie beruht anfangs auf Übung, Vertrag oder Einzelgesetz. In dem späteren 20. Jahrhundert ist sie durch Verwaltungsverfahrensgesetze allgemein geregelt.

Lit.: Dreher, M., Die Amtshilfe, 1959; Schlink, B., Die Amtshilfe, 1982

Amtskalender →Amt

Amtspflicht (Wort 1499)

Lit.:Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Amtspflichtverletzung (Wort 1896) ist die Verletzung einer einem Amtsträger gegenüber einem Dritten obliegenden Pflicht. Sie begründet nach § 839 BGB (1900) einen Schadensersatzanspruch (Amtshaftung, Staatshaftung).

Lit.: Köbler, DRG 217; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Amtsrecht ist in dem römischen Recht das von dem Amtsträger geschaffene Recht (lat. →ius [N.] honorarium).

Lit.: Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

Amtssasse ist der in dem Gerichtsstand erster Instanz dem örtlichen Amt zugeordnete →Landsasse.

Amtsverfolgung ist die Verfolgung eines Unrechtserfolgs durch die Allgemeinheit bzw. den Staat von Amts wegen ohne Antrag des Verletzten. Sie findet sich bereits in Rom und erscheint seit dem Frühmittelalter. →Offizialmaxime

Amtsvergehen ist das in einem →Amt begangene Vergehen. Als gedankliche Einheit werden die A. erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts erkannt. Noch das preußische Allgemeine Landrecht (1794) behandelt in dem Abschnitt Verbrechen der Diener des Staates strafrechtliche und disziplinare Sanktionen nebeneinander. Unter französischem Einfluss wird danach das Standesdisziplinarrecht der Beamten von dem Strafrecht geschieden (in Preußen 1849 zwei Verordnungen über das Disziplinarrecht). In dem preußischen Strafgesetzbuch von 1851 werden Verbrechen und Vergehen in dem Amt als Sonderdeliktsgruppe zusammengefasst (§§ 309-331).

Lit.: Stock, U., Entwicklung und Wesen der Amtsverbrechen, 1932; Sturm, W., Die Entwicklung der Sonderverbrechen, 1939; Schmitt-Weigand, A., Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit, 1962; Lüpkes, H., Die Verbrechen der Diener des Staats, 2004

Amtsvormundschaft ist die durch den Staat von Amts wegen übernommene →Vormundschaft.

Analogie ist der bereits der griechischen Philosophie bekannte Schluss von der (eigentlichen) Gleichheit mindestens zweier zunächst (nach dem Wortlaut des Gesetzes) rechtlich verschieden behandelter Tatbestände auf die (wegen der Gleichheit notwendige) Ausdehnung der Rechtsfolge eines (ersten) Tatbestands auf den zweiten oder weiteren Tatbestand. Der Begriff analogisch taucht in der juristischen Literatur in dem 16./17. Jahrhundert auf, wobei man unter analogischer Interpretation die Beseitigung von Widersprüchen versteht. In dem frühen 19. Jahrhundert wird auf Grund von Immanuel Kants Überlegungen zu der Systematisierbarkeit des empirischen Wissens die alte Verbindung von ausdehnender Auslegung und Ähnlichkeitsschluss aufgelöst und die A. als „rein logische“ (wissenschaftliche bzw. gerichtliche) Ergänzung des Rechtes aus dem – nur noch positiven und in sich geschlossenen – Rechtssystem verstanden (Feuerbach, Hufeland, Savigny). Zwischen Gesetzesanlogie und Rechtsanalogie wird seit dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts unterschieden.

Lit.: Falk, J., Die Analogie im Recht. Eine Studie zur neueren Rechtsgeschichte, Diss. jur. Gießen, 1906; Diedenhofen, P., Die Artikel 104/105 der peinlichen Gerichtsordnung, 1938; Steinwenter, A., Prolegomena zu einer Geschichte der Analogie, FS F. Schulz 2 (1951), 345; Langhein, A., Das Prinzip der Analogie als juristische Methode, 1992; Chanos, A., Begriff und Geltungsgrundlagen der Rechtsanalogie, 1994; Raisch, P., Juristische Methoden, 1995, 78; Schröder, J., Zur Analogie, ZRG GA 114 (1997), 1; Höltl, J., Die Lückenfüllung der klassisch europäischen Kodifikationen - Zur Analogie im ALR, Code civil und ABGB, 2006; Hofstadter, D./Sander, E., Die Analogie - das Herz des Denkens, 2014

Analogieverbot ist das Verbot für alle in dem Strafverfahren beteiligten staatlichen Stellen, →Analogie eines Strafgesetzes zu Ungunsten des Handelnden (Angeschuldigten) vorzunehmen, und damit die strenge Bindung des Richters an den Wortlaut des Gesetzes. Seit dem späten 18. Jahrhundert wird Analogie zu Ungunsten Handelnder verboten (Österreich 1787). In dem Deutschen Reich wird an dem 28. 6. 1935 das A. aufgehoben, nach Ende der nationalsozialistischen Herrschaft (1945) aber wieder hergestellt. →Nullum crimen, nulla poena sine lege.

Lit.: Köbler, DRG; Schottlaender, A., Die geschichtliche Entwicklung, 1911; Kleinheyer, G., Vom Wesen der Strafgesetze, 1968; Schreiber, H., Gesetz und Richter, 1976; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Weber, W., Analogie- und Rückwirkungsverbot, Diss. jur. Bonn 1998

Analytical jurisprudence ist die von John →Austin (1790-1859) begründete Strömung der englischen Rechtswissenschaft.

Anarchie (F.) Herrschaftslosigkeit

Lit.: Der Anarchismus, hg. v. Oberländer, E, 1972; Lösche, P., Anarchismus 1977; Anarchismus, hg. v. Diefenbacher, H., 1996

Ancien régime ist die Bezeichnung für die monarchisch-feudale Regierungsform (in Frankreich vor der französischen Revolution des Jahres 1789 bzw. allgemein) zwischen etwa 1650 und 1800.

Lit.: Köbler, DRG 129, 132; Fehrenbach, E., Vom ancien régime zum Wiener Kongress, 5. A. 2008

Andelang ist der bei der Übereignung von Grundstücken in dem fränkisch-alemannischen Gebiet bis zu dem Ende des 11. Jahrhunderts verwendete, nicht sicher bekannte Gegenstand (Handschuh?).

Lit.: Goldmann, E., Der andelang, 1912; Frommhold, G., Das andelang-Rätsel, ZRG GA 35 (1914), 426; Balon, J., L’andelangus, ZRG GA 79 (1962), 32

Andernach an dem Rhein führt von 1173 bis 1256 einen den Schreinskarten von Köln ähnlichen Rotulus (→Grundbuch).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Inventar des Archivs der Stadt Andernach, Bd. 1ff., bearb. v. Heyen, F., 1965ff.

Andlau →Peter von

Andorra ist die aus sechs Tälern zu politischer Einheit (Principat d’Andorra) zusammengefasste Tallandschaft in dem Südosten der ibero-baskisch besiedelten Pyrenäen. Seit dem späten 9. Jahrhundert lassen sich dort Abgabenrechte der Grafen von Urgel und der Bischöfe von Urgel feststellen. In dem 11. Jahrhundert treten die verschiedenen Täler zu einer Einheit zusammen. An dem 8. 9. 1278 werden durch Schiedsspruch (Paréage) Unklarheiten beseitigt. Die Rechte der Grafen fallen über Zwischenstufen 1607 bzw. 1620 an Frankreich. Das ursprüngliche Recht Andorras nimmt römische und katalanische Sätze auf. 1748 wird das Gewohnheitsrecht aufgezeichnet. In der Gegenwart ist A. ein Fürstentum, dessen von den Souveränen (Staatspräsident Frankreichs, Bischof von [La Seu d’] Urgel) delegierte Rechte durch einen französischen Departementspräfekten und einen spanischen Provinzzivilgouverneur bzw. ihre Vikare (Viguier, Viguer) wahrgenommen werden (Kondominium). Die Verfassung von dem 14. 3. 1993 schafft einen Consell General (Generalrat, Parlament) mit je 7 Abgeordneten aus jeder der vier Gemeinden, dem der Ministerpräsident verantwortlich ist, dem gegenüber aber die beiden coprínceps noch Einspruchsrechte haben. Seit 1. 7. 1991 besteht ein Handelsabkommen mit der Europäischen Gemeinschaft, seit 28. 7. 1993 ist A. Mitglied der Vereinten Nationen und seit November 1994 Mitglied des Europarats.

Lit.: Guilera, J., Una història d’Andorra, 1960; Engels, O., Schutzgedanke und Landesherrschaft, 1970; Belinguier, B., La condition juridique des vallées d’Andorre, 1970; Ourliac, P., La jurisprudence civile d’Andorre, 1972; Valls Taberner, F., Privilegis i ordinacions de les valls d’Andorra, 1990; Gergen, T., Sprachengesetzgebung in Katalonien, 2000; Consell General, Die Verfassung des Fürstentums Andorra, 2002

Andreas de Isernia ist ein in Isernia in dem Süden der Apenninen wohl nach 1220 geborener, in Neapel ausgebildeter und lehrender, vielleicht 1316 verstorbener Jurist ([lat.] commentaria [N. Pl.] in usus feudorum, lectura [F.) zu den sizilianischen Konstitutionen, ritus [M.] regiae summariae regni Neapolitani bzw. de iure Dohanarum).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 507

Anefang ist das rechtsförmliche Anfassen einer abhandengekommenen und von dem Verfolger wiedergefundenen beweglichen (, durch Kennzeichen erkennbaren) Sache unter der Behauptung des besseren Rechtes an ihr (lat. [F.] intertiatio). Der (z. B. in der Lex Ribvaria 37, 1 [7. Jahrhundert] schon und in dem Sachsenspiegel, Landrecht II, 36 [1221-1224] noch belegte) A. bedeutet eine Klageerhebung gegen den Besitzer, der sich in dem nachfolgenden Verfahren verteidigen muss. Vor Gericht kann der Besitzer sich insbesondere dadurch vor dem Diebstahlsvorwurf befreien, dass er die Sache dem übergibt, von dem er sie erhalten hat. Führt dies zu der Entdeckung des Diebes, so muss dieser die Sache herausgeben und Diebstahlsbuße leisten. Kann der Angegriffene sein besseres Recht darlegen, muss der Angreifer eine Buße wegen unrechten Anefangs leisten. Seit dem Hochmittelalter geht der A. allmählich in die Herausgabeklage (bzw. den →Herausgabeanspruch) bzw. für alle auf freiem Markt erworbene Sachen in einen Lösungsanspruch über.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 91; Köbler, WAS; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, 824ff.; Meyer, H., Entwerung und Eigentum, 1902; Rauch, K., Spurfolge und Anefang, 1908; Meyer, H., Gerüft, Handhaftverfahren und Anefang, ZRG GA 37 (1916), 382; Goldmann, E., Tertia manus und Intertertiation, ZRG GA 39 (1918), 145, 40 (1919), 199; Rauch, K., Spurfolge und Dritthandverfahren, ZRG GA 68 (1951), 1; Anners, E., Hand wahre Hand, 1952; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971

ane geværde (mhd.) ohne Gefährdung, aufrichtig

Aneignung (Wort 1800) ist der (originäre) Erwerb des Eigentums an einer herrenlosen (eigentümerlosen) Sache durch Inbesitznahme (lat. [F.) occupatio]). Die ersten Aneignungen fallen in die Anfangszeit des Rechtes überhaupt. In dem römischen Recht wird an aufgegebenen (lat. [F. Pl.]) res mancipi mit Inbesitznahme nur bonitarisches Eigentum erworben, während der zivile Eigentumserwerb Ersitzung verlangt. In dem Laufe der Geschichte wird die A. von dem abgeleiteten Eigentumserwerb (→Übereignung) zurückgedrängt, so dass A. ziemlich selten wird.

Lit.: Kaser § 26 I 1; Köbler, DRG 24, 40, 73, 90, 124; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Anerbe ist der durch das →Anerbenrecht begünstigte →Erbe.

Lit.: Köbler, DRG 123, 162, 175, 210

Anerbenrecht ist das Recht des Übergangs eines landwirtschaftlichen Betriebs auf einen einzelnen von mehreren vorhandenen Erben. Eine derartige Gestaltung fehlt noch in den frühmittelalterlichen Volksrechten, bildet sich aber spätestens in dem spätmittelalterlichen deutschen Reich aus, wobei grundherrschaftlicher Einfluss (Interesse an einem einzigen Verpflichteten) gestaltend gewesen sein kann. Daneben ist aber (freiere) Realteilung in Mitteldeutschland und Süddeutschland verbreitet. Der Liberalismus lehnt das A. als freiheitsfeindlich ab, weshalb die Verfassung Preußens die Teilbarkeit des Grundeigentums sichert. Aus wirtschaftlichen Gründen sehen partikulare Gesetze aber seit dem späteren 19. Jahrhundert A. vor, das dann zu der Anwendung kommt, wenn der Hofinhaber (bestimmter großer oder eingetragener Höfe) nicht durch letztwillige Verfügung einen Hoferben auswählt (Österreich 1. 4. 1889, Tirol Höfegesetz 12. 6. 1900, Kärnten Erbhofgesetz). Das Reichserbhofgesetz des Jahres 1933 verallgemeinert die Anerbenrechtsregelung des Höfegesetzes Hannovers (1909). 1947 treten in der französischen und amerikanischen Besatzungszone die alten Anerbengesetze wieder in Kraft. In der britischen Besatzungszone wird eine Höfeordnung erlassen, die das Bundesverfassungsgericht, wegen der Bevorzugung der Söhne, 1963 als verfassungswidrig ansieht, worauf eine verfassungsgemäße gesetzliche Regelung an dem 24. 8. 1964 erfolgt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Miaskowski, A. v., Das Erbrecht und die Grundeigentumsverteilung im deutschen Reiche, 1882ff.; Hagmeister Meyer zu Rahden, G., Die Entwicklung des ravensbergischen Anerbenrechts, 1936; Mauß, H., Anerbenrecht im niederrheinisch-westfälischen Grenzgebiet, 1938; Mayer-Edenhauser, T., Untersuchungen über Anerbenrecht und Güterschluss in Kurhessen, 1942; Gebb, J., Über den Versuch des deutschen Anerbenrechts, Diss. jur. Greifswald 1955; Bischoff, W., Die Geschichte des Anerbenrechts in Hannover, Diss. jur. Göttingen 1966; Kroeschell, K., Geschichtliche Grundlagen des Anerbenrechts, Agrarrecht 6 (1978), 147; Deutsches Agrarrecht, hg. v. Kroeschell, K., 1983; Brauneder, W., Studien II 1994, 357ff.; Buchenroth, A., Die Heimatzuflucht, 2004; Wöhrmann, H., Das Landwirtschaftserbrecht, 9. A. 2007

Anerkenntnis →Schuldanerkenntnis

Anerkennungszins ist der wegen seiner geringen Höhe wirtschaftlich bedeutungslose, aber als erkennbares Zeichen eines bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses rechtlich bedeutsame Zins (z. B. Freigelassener, Erbbauberechtigter u. s. w.).

Lit.: Schröder, R./Künßberg, E. v., Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 7. A. 1932, Neudruck 1966

Anfechtung (Wort 1261) ist die nachträgliche Beseitigung einer eingetretenen Rechtswirkung durch Willenserklärung und bzw. oder Verfahrenshandlung des durch die Rechtswirkung Betroffenen. In diesem Sinne ermöglicht bereits die →(lat.) querela [F.] inofficiosi testamenti (Beschwerde des pflichtwidrigen Testaments) des klassischen römischen Rechtes die Entkräftung eines Testaments, das bestimmte nahe Angehörige des Erblassers übergeht. In dem spätantiken Recht werden auch die Fälle der (lat.) →in integrum restitutio (F.) so verstanden. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) ordnet die A. in dem allgemeinen Teil ein.

Lit.: Kaser § 9 I 1; Hübner; Kroeschell, 20. Jahrhundert; Köbler, DRG 209; Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach deutschem Stadtrecht des Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 210; Harder, M., Die historische Entwicklung der Anfechtbarkeit von Willenserklärungen, AcP 173 (1973), 209; Düwel, L., Die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe, 2006; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Anfechtungsklage ist die Klage, die auf die nachträgliche Beseitigung bestimmter Rechtsfolgen durch Urteil gerichtet ist. In dem 19. Jahrhundert gibt es eine A. gegen den Beschluss auf Eröffnung des Konkurses oder gegen polizeiliche Verfügungen. In Deutschland ist seit 1960 eine A. gegen einen (rechtswidrigen) Verwaltungsakt statthaft.

Lit.: Köbler, DRG 263

angariae (lat. [F.Pl.], aus dem Persischen, Abgaben an reisende Boten des Königs Persiens) Spanndienste, Beherbergungspflichten in Antike und Frühmittelalter, seit 1789 weitgehend abgeschafft

Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. Bd. 2 1928, 308

Angebot (Wort 1783) ist die auf den Abschluss eines →Vertrags gerichtete →Willenserklärung. Das wesentlich in dem Naturrecht seit Hugo Grotius als allgemeine Erscheinung herausgearbeitete A. ist in dem älteren gemeinen Recht und in dem angloamerikanischen Recht nicht bindend, nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1896/1900) aber verbindlich. Wird das Angebot von dem Empfänger angenommen, so entsteht ein Vertrag unter den Beteiligten. Dem Gläubiger von dem Schuldner angeboten wird auch die Leistung.

Lit.: Zimmermann, R., The Law of Obligations, 1996; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Angelsachse ist der Angehörige der in dem 5./6. Jahrhundert unter den sagenhaften Führern Hengist und Horsa von Norddeutschland auf die britischen Inseln auswandernden, seit etwa 775 (Beda, Paulus Diaconus) mit der Sammelbezeichnung Angelsachsen (lat. [M.Pl.]Angli Saxones) benannten →Sachsen, Angeln (aus Schleswig) und Jüten. Die Angelsachsen bilden unter Verdrängung der einheimischen →Kelten mehrere Kleinkönigreiche (Kent, Sussex, Wessex, Essex, East Anglia, Mercia, Northumbria), in denen sie von römischen und von schottischen Missionaren zu demChristentum bekehrt werden. Den Königen von Wessex gelingt in dem 9. Jahrhundert die Einigung, doch werden die Angelsachsen 1016-1042 von den Dänen beherrscht und 1066 bei Hastings von dem →Normannen Wilhelm dem Eroberer unterworfen. Aus der Zeit bis 1066 ist mit insgesamt rund 1500-1800 Urkunden zu rechnen, von denen mehr als 1150 von dem Herrscher ausgestellt sind (von etwa 670 bis 900 rund 450 Urkunden, davon 2-3 Originale aus dem 7. Jahrhundert, 17-18 aus dem 8. Jahrhundert und etwa 55 aus dem 9. Jahrhundert).

Lit.: Köbler, DRG 81; Schmid, R., Die Gesetze der Angelsachsen, 1858; Liebermann, F., Die Gesetze der Angelsachsen, Bd. 1ff. 1898ff., Neudruck 1960; Attenborugh, F., Laws of the Earliest English Kings, 1922; Robertson, A., Laws of the Kings of England, 1925; Braude, J., Die Familiengemeinschaften der Angelsachsen, 1932; Wilson, D., The Anglo-Saxons, 2. A. 1970; Vollrath-Reichelt, H., Königsgedanke und Königtum bei den Angelsachsen, 1971; Wallace-Hadrill, J., Early Germanic Kingship, 1971; Torkar, R., Eine altenglische Übersetzung von Alcuins de virtute et vitiis Kap. 20, 1981; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990,;4. A. 2002; The Anglo-Saxons, hg. v. Hines, J., 1997; Dunn, M., The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597-c. 700, 2009; Kleinschmiedt, H., Die Angelsachsen, 2011; Bihrer, A., Die Angelsachsen, 2014; Kuhn, D., Der lateinisch-altenglische libellus precum, 2014

Angelsächsisches Recht ist das Recht der →Angelsachsen (zwischen der Mitte des 5. Jahrhunderts und etwa 1066). Es ist überliefert durch Rechtsbücher (lat. [F.Pl.] leges, Gesetzbücher) der angelsächsischen Könige des 7. bis 11. Jahrhunderts, durch allgemeine Rechtsaufzeichnungen unbekannter Verfasser und durch Urkunden und allgemeine Geschichtsquellen. Den Beginn bilden die in der Volkssprache niedergeschriebenen Rechtssätze Aethelberhts von Kent (597-616) und in jüngerer Überlieferung Ines von Wessex (688-694). Von Alfred dem Großen von Wessex stammt ein (ae.) domboc (887-899), von König Knut eine weitere umfangreiche Sammlung (1018-1023). Nichtoffizielle Kompilationen stellen der →Quadripartitus, die Leis Willelme (A. 12. Jahrhundert), die Consiliatio Cnuti (12. Jahrhundert) und die →Leges Henrici Primi (1114-1118) dar, mit denen das angelsächsische Recht noch weit in die normannische Zeit Englands reicht. Die Überlieferung ist auf wenige Handschriften beschränkt, so dass mit deutlichen Verlusten zu rechnen ist. Christlicher Einfluss ist unübersehbar. Die Abgrenzung von aufgezeichnetem Gewohnheitsrecht und neuem, gemeinsam mit Bischöfen und Adel gesetztem Recht (z. B. Todesstrafe für Diebstahl 925-939) bereitet Schwierigkeiten. Hauptgegenstand der Rechtsbücher („Gesetzbücher“) ist zunächst der Ausgleich von Unrechtserfolgen durch Buße an den Verletzten. Unter König Alfred nehmen kirchlicher Einfluss und königliche Anordnung zu. Ein Bezug auf geschriebenes Recht findet sich in den überlieferten Rechtsfällen, die vor dem von dem reeve, ealdorman oder scirman des Königs geleiteten örtlichen Gericht verhandelt werden, nicht.

Lit.: Schmid, R., Die Gesetze der Angelsachsen, 1858; Liebermann, F., Zu den Gesetzen der Angelsachsen, ZRG GA 5 (1884), 198; Liebermann, F., Die Gesetze der Angelsachsen, Bd. 1f. 1998ff., Neudruck 1960; Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen im Grundriss, 1909; Liebermann, F., The national assembly in the Anglo-Saxon period, 1913; Attenborough, F., Laws of the Earliest English Kings, 1922; Bechert, R., Die Einleitung des Rechtsgangs nach angelsächsischem Recht, ZRG GA 47 (1927), 1; Würdinger, H., Einwirkungen des Christentums auf das angelsächsische Recht, ZRG GA 55 (1935), 105; Goebel, J., Felony and Misdemeanour, 1937; English Historical Documents I, hg. v. Whitelock, D., 1955; Sawyer, P., Anglo-Saxon Charters, 1968; Harding, A., Law Courts of medieval England, 1973; Korte, D., Untersuchungen zu Inhalt, Stil und Technik angelsächsischer Gesetze und Rechtsbücher des 6.-12. Jahrhunderts, 1974; Rivers, T., A Reevaluation of Aethelberht 31, ZRG GA 93 (1976), 315; Scharer, A., Untersuchungen zu den angelsächsischen Königsurkunden des 7. und 8. Jahrhunderts, Diss. phil. Wien 1978 (masch.schr.); Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, ;4. A. 2002; Wormald, P., The Making of English Law, 1999; Scharer, A., Herrschaft und Repräsentation, 2000; Oliver, L., The Beginnings of English Law, 2002; Palmer, J., Anglo-Saxons in an Frankish World, 690-900, 2009; Fruscione, D., Neue Forschungen zum angelsächsischen Recht, ZRG GA 133 (2016), 474

Anger

Lit.: Brednich, R., Tie und Anger, 2007

Angers

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 138

Angestellter ist der Arbeitnehmer, der vorwiegend geistige Arbeit leistet. Die Gruppe der Angestellten wird in dem 19. Jahrhundert als besonderer Teil der Arbeitnehmer erkannt.

Lit.: Dittrich, M., Die Entstehung der Angestelltenschaft in Deutschland, 1939; Hromadka, W., Das Recht der leitenden Angestellten, 1979; Bichler, B., Die Formierung der Angestelltenbewegung, 1997; Schulz, G., Die deutschen Angestellten, 2000

Anhalt über dem Selketal ist die vielleicht um 1050 errichtete Burg (in der Gegenwart Ruine), nach der sich ein seit etwa 1000 erkennbares Geschlecht (→Askanier) benennt (1215 [lat.] princeps [Fürst] in Anahalt), dessen Angehörige als einzige Grafen seit 1218 dem Reichsfürstenstand angehören. Nach vielen Teilungen kommen die Güter 1863 in dem Herzogtum A. (1807) der Linie Anhalt-Dessau wieder zusammen, das an dem 12. 11. 1918 Freistaat wird (Verfassung 18. 7. 1919). An dem 9. 7. 1945 wird A. innerhalb der sowjetischen Besatzungszone mit der Provinz Sachsen →Preußens vereinigt und 1947 dem neugebildeten Land →Sachsen-Anhalt eingegliedert (1990-2003 Regierungsbezirk Dessau).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schrecker, U., Das landesfürstliche Beamtentum in Anhalt, 1906; Schröder, A., Grundzüge der Territorialentwicklung der anhaltinischen Lande, Anhalt. Geschichtsbll. 2 (1926); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2895; Marcus, P., Herzog Bernhard von Anhalt, 1993; Die Fürsten von Anhalt, hg. v. Freitag, W. u. a., 2003; Rheinbündischer Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; 800 Jahre Anhalt, hg. v. Anhaltischen Heimatbund, 2012

animo (lat.) durch Beherrschungswillen, →possessio, →animus

animus (lat. [M.]) →Wille

animus (M.) domini (lat.) Eigentümerwille

animus (M.) donandi (lat.) Schenkungswille →Schenkung

animus (M.) novandi (lat.) Abänderungswille →Novation

Anjou ist die Seitenlinie der →Kapetinger (erstes Haus begründet von [lat.]]vicecomes [M.] Fulco dem Roten um 898, Verlust der Grafschaft 1214/1259 an den König von Frankreich, 1154 Königtum in England mindestens bis 1399, 1499 Hinrichtung des letzten männlichen Plantagenet Earl Eduard von Warwick, zweites Haus 1246-1328/1351 als Apanage nach Übernahme der Grafschaft durch den König von Frankreich, drittes Haus 1351-1480), welche die Grafschaft Provence, Sizilien (1265-1282, Sizilien-Trinakria), Neapel (1265-1435, Sizilien-Neapel), Ungarn (1308-1386) und Polen (1370-1386) sowie in einer jüngeren Linie Lothringen (1431-1473) beherrscht. Die Landschaft A. (der keltischen Andekaver) um Angers zählt von 1154 bis 1204 unter dem Haus →Plantagenet zu →England. 1480/1481 fallen A. und Provence an den König von →Frankreich.

Lit.: Guillot, O., Le comte d’Anjou et son entourage au 11e siècle, 1972; Gillingham, J., The Angevin Empire, 1984; Michalsky, T., Memoria und Repräsentation, 1999; Kiesewetter, A., Die Anfänge der Regierung König Karls II. von Anjou (1278-1295), 1999; Berg, D., Die Anjou-Plantagenets, 2003; La justice temporelle dans les territoires angevins, hg. v. Boyer, J. u. a., 2005

Anklage ist die vor Gericht gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Straftat erhobene Anschuldigung. Sie tritt erst mit der Entstehung allgemeiner Streitbeendigungseinrichtungen auf. In Rom erfolgt der Übergang zu einer allgemeinen staatlichen Strafverfolgung seit dem 2. vorchristlichen Jahrhundert. Danach erscheint eine Popularanklage bei Verfolgung gemeiner Verbrechen. Jeder Bürger kann durch Anzeige die A. vorbringen und erhält in dem Falle des Erfolgs einen Lohn. In dem deutschen Mittelalter bildet die A. die Voraussetzung für den besonderen, seit dem 14. Jahrhundert sichtbaren →Anklageprozess, bei dem der Betreiber Sicherheit stellen und in dem Falle des Unterliegens die Kosten tragen und den Angeklagten entschädigen muss. In dem mehr und mehr vorherrschenden Inquisitionsprozess erfolgt die A. durch den Richter auf dem endlichen Rechtstag. In dem 19. Jahrhundert wird nach dem Vorbild Frankreichs die öffentliche A. durch eine von dem Gericht unabhängige Behörde eingeführt (Baden 1832 und Württemberg 1843 für Pressevergehen, Preußen 1846 für Kammergericht, 1849 allgemein). Seitdem gibt es eine private A. nur noch bei (wenigen) Privatklagedelikten.

Lit.: Köbler, DRG 156, 202, 118; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, 1879; His, R., Strafrecht des deutschen Mittelalters, 1920; Grossmann, S., Masken des Anklägers – Geschichte des Anklägers im amerikanischen Strafprozess, Diss. jur. Frankfurt am Main 2000

Anklagegrundsatz ist der Grundsatz, dass ein Strafverfahren nur auf Grund einer Anklage betrieben werden kann.

Anklageprozess ist der Strafprozess, der eine →Anklage (insbesondere seit dem 19. Jahrhundert eine Anklage durch eine besondere öffentliche Anklagebehörde) (→Staatsanwaltschaft) voraussetzt. Er ist in Frankreich eine unmittelbare Folge der französischen Revolution von 1789. In Deutschland setzt Baden 1832 erstmals Staatsanwälte ein. 1848 wird der A. von der (gescheiterten) Verfassung der Frankfurter Paulskirche vorgesehen. →Akkusationsprozess

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954

Anklam ist die an dem Unterlauf der Peene vor 1243 von deutschen Siedlern angelegte Stadt, die vor 1283 der Hanse beitritt und spätestens 1292 Lübecker Stadtrecht übernimmt. Sie überliefert ein bedeutsames →Stadtbuch.

Lit.: Das Stadtbuch von Anklam, bearb. v. Bruinier, J., Bd. 1ff. 1960ff.

Anleite ist seit dem Hochmittelalter in dem deutschen Recht die Einweisung in ein fremdes Gut, insbesondere die Einweisung des Klägers in die Güter eines wegen Prozessungehorsams geächteten Beklagten in einem sich über rund 10 Termine erstreckenden Verfahren vor dem Reichshofgericht (Reichskammergericht und Reichshofrat bis 1654) oder einem kaiserlichen Landgericht vor 1784. Sachlich wird es durch das Versäumnisverfahren ersetzt.

Lit.: Kohler, J., Acht und Anleite des königlichen Hofgerichts, FS G. Cohn, 1915, 1; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter, 1984

Annahme →Vertrag

Annahmeverzug (M.) Gläubigerverzug, Verzug des Gläubigers mit der Annahme der Leistung des Schuldners

Annalen (Jahrbücher) sind in möglicher Parallele zu spätantiken Konsullisten seit dem 8. Jahrhundert erscheinende, chronologisch geordnete Aufzeichnungen über denkwürdige Begebenheiten (z. B. Quedlinburger Annalen Sankt Servatiusstift Quedlinburg 1008-1030 [ab Schöpfung]).

Lit.: Poole, R., Chronicles and Annals, 1926; Caenegem, R. van/Ganshof, F., Kurze Quellenkunde des westeuropäischen Mittelalters, 1964; Mc Cormick, M., Les annales, 1975; Hay, D., Annalists and Historians, 1977; Die Annales Quedlinburgenses, hg. v. Giese, M., 2004

Annahme (Wort 1715) ist die ein Angebot uneingeschränkt bejahende Willenserklärung des Angebotsadressaten sowie die Entgegennahme der Leistung des Schuldners durch den Gläubiger in dem Zeitpunkt der Leistung (andernfalls Annahmeverzug, Gläubigerverzug).

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Annaten (14. Jahrhundert) sind gewohnheitsmäßig entwickelte, seit der Mitte des 13. Jahrhunderts bei der Verleihung freier nichtkonsistorialer Benefizien allgemein an den Papst geleistete Abgaben in Höhe eines ganzen oder halben Jahresertrags, die seit dem Konzil von Basel (1435) abkommen und seit 1917 grundsätzlich untersagt sind.

Lit.: Kirsch, J., Die päpstlichen Annaten, 1903; Hoberg, H., Die Einnahmen der apostolischen Kammer, Bd. 1f. 1955ff.; Denzel, M., Kurialer Zahlungsverkehr, 1991; Camera apostolica, hg. v. Ansani, M., 1994

Annweiler

Lit.: Seebach, H., Kleine Geschichte des Trifels und der Stadt Annweiler, 2009

Anschluss ist die von dem in Braunau gebürtigen Österreicher Adolf →Hitler 1938 nach mehrjähriger Vorbereitung durch politischen Druck herbeigeführte Vereinigung →Österreichs mit dem Deutschen Reich. Dem A. geht 1918 der von den alliierten Siegermächten des ersten Weltkriegs verhinderte Versuch der aus den meisten deutschsprachigen Gebieten Österreich-Ungarns gebildeten Republik →Deutschösterreich voraus, sich mit dem →Deutschen Reich zu vereinigen, wofür sich in Tirol 98,8 und in Salzburg 99,1 Prozent der Abstimmungsberechtigten aussprechen. Nach seiner Bestellung zu demReichskanzler in dem Deutschen Reich will Hitler dieses Ziel politisch erreichen. An dem 12. 2. 1938 zwingt Hitler den österreichischen Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg (im Berchtesgadener Abkommen), den nationalsozialistischen Sympathisanten Seyß-Inquart als Sicherheitsminister zu bestellen, die freie Betätigung der Nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei innerhalb der vaterländischen Front zuzulassen und alle Nationalsozialisten zu amnestieren. Eine für den 12. 3. 1938 von Schuschnigg angesetzte Volksabstimmung für ein „freies und deutsches, unabhängiges und soziales, christliches und einiges Österreich“ unterbleibt wegen des an dem 11. 3. 1938 von Hitler erzwungenen Rücktritts des Bundeskanzlers Schuschnigg. Auf Anforderung (Bitte um „Hilfe“) Seyß-Inquarts an Hitler kommen deutsche Truppen. Danach bestellt der Bundespräsident Österreichs (Miklas) Seyß-Inquart zu demBundeskanzler und tritt an dem 13. 3. 1938 zurück. Die Bundesregierung Österreichs beschließt auf der Grundlage des Ermächtigungsgesetzes von 1934 ein Bundesverfassungsgesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (BGBl. 1938, 75), auf Grund dessen Österreich ein Land des Deutschen Reiches wird. Eine Volksabstimmung von dem 10. 4. 1938 bejaht den A. zu 99,73%, doch wird dies nach 1945 verdrängt.

Lit.: Köbler, DRG 223; Baltl/Kocher; Kleinwächter, F./Paller, H., Die Anschlussfrage, 1930; Tirol und der Anschluss, hg. v. Albrich, T. u. a., 1988; Botz, G., Die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich, 1972, 3. A. 1988; Jung, O., Plebiszit und Diktatur, 1995; Roesler, J., Der Anschluss von Staaten, 1999; Krämer, K., Die Bestrebungen für einen Zusammenschluss zwischen Österreich und Deutschland 1918 bis 1921, Diss. phil. Hannover 2003

Anschütz, Gerhard (Halle an der Saale 10. 1. 1867-Heidelberg 14. 4. 1948) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Tübingen (1899), Heidelberg (1900), Berlin (1908) und Heidelberg (1916) und 1933 mit 66 Jahren auf Antrag emeritiert. Er ist Verfechter des demokratischen Gedankens und verfasst auf gesetzespositivistischer Grundlage den mit 14 Auflagen erfolgreichsten Kommentar zu der von ihm lose mitgestalteten Verfassung der →Weimarer Republik.

Lit.: Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933; Forsthoff, E., Gerhard Anschütz, Der Staat 6 (1967), 139; Gerhard Anschütz, Aus meinem Leben, hg. v. Pauly, W., 1993, 2. A. 2008; Dreier, H., Ein Staatsrechtslehrer, ZNR 20 (1998)

Ansegis (bei St. Rambert bei Lyon um 770-St. Wandrille/Fontenelle 20. 7. 833) ist der fränkische Benediktinerabt (823) von St. Wandrille bzw. Fontenelle in der Erzdiözese Rouen, der 827 in seinem vier Bücher (Karl der Große, Ludwig der Fromme, Weltliches, Kirchliches) umfassenden (lat.) Legiloquus liber (M.) in einfacher Ordnung 29 (von etwa 90 heute bekannten) →Kapitularien Karls d. Großen und Ludwigs des Frommen zusammenstellt, deren zwei Redaktionen (?) durch mehr als 60 (63), in vier Gruppen einteilbare Handschriften überliefert werden.

Lit.: Ganshof, F., Was sind die Kapitularien?, 1961; Die Kapitulariensammlung des Ansegis, hg. v. Schmitz, G., 1996

Anselm von Lucca verfasst zwischen 1081 und 1083 eine Sammlung (lat. [F.) Collectio) von Papstbriefen, Canones, patristischen Texten und römischen Rechtsquellen.

Lit.: Szuromi, S., Anselm von Lucca as Canonist, 2006

Anspruch (Wort 1291) ist das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 194 BGB) bzw. die von einem Kläger an einen Beklagten gerichtete Behauptung eines Rechtes mit einem bestimmten Inhalt. In dem römischen Recht ist beides in der (lat. [F.]) →actio (Klaganspruch) enthalten, wobei in dem Legisaktionenverfahren die Beachtung eines genauen Wortlauts erforderlich ist und in dem Formularverfahren nur verfahrensrechtlich durchsetzbare Rechte anerkannt werden (aktionenrechtliches Denken), wovon sich das spätantike Verfahren je nach Zweckmäßigkeit löst. In dem Spätmittelalter werden die Anforderungen an die Geltendmachung von Ansprüchen eher abgeschwächt. Der (lat.) usus modernus begnügt sich mit der Erkennbarkeit einer (lat.) actio. Savigny versteht die (lat.) actio als Klagerecht, das aus der Verletzung eines subjektiven Rechtes erwächst, als ein Recht in dem Zustand der Verteidigung. Nach Bernhard Windscheid (1856) ist dagegen der A. unabhängig von der jeweiligen Entscheidung eines Gerichts ein Recht.

Lit.: Windscheid, B., Die actio des römischen Civilrechts, 1856; Nörr, K., Das Aktionrenrecht bei Savigny, Ius commune 8 (1879), 110; Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht seit Savigny, 1965; Vossius, O., Zu den dogmengeschichtlichen Grundlagen der Rechtsschutzlehre, 1985; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium, 1996; Kollmann, A., Begriffs- und Problemgeschichte des Verhältnisses von formellem und materiellem Recht, 1996; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Anstalt (Wort 1250) ist die von einem Träger öffentlicher Verwaltung seit dem 18. Jahrhundert zu der Erfüllung einer besonderen Verwaltungsaufgabe errichtete, verwaltungsorganisatorisch oder rechtlich verselbständigte Verwaltungseinheit von persönlichen oder sachlichen Mitteln.

Lit.: Gerstlacher, C., Sammlung aller Baden-Durlachischen Anstalten und Verordnungen, Bd. 1ff. 1772f.; Weber, W., Die Entwicklung der Sparkassen, 1985; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991; Alexander, L., Anstalten und Stiftungen. Verselbständigte Vermögensmassen im römischen Recht, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Anstiftung ist die vorsätzliche Bestimmung eines anderen zu einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat (Versuch genügt). Als allgemeine Grundfigur des →Strafrechts wird die A. unter Herauslösung aus der Urheberschaft (intellektuelle Urheberschaft, so noch Feuerbach 1801) des (lat. [M.]) auctor erst in dem 19. Jahrhundert ausgebildet (§ 34 I StGB Preußens 1851).

Lit.: Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Ebrahim-Nesbat, S., Die Herausbildung der strafrechtlichen Teilnahmeformen im 19. Jahrhundert, 2006

Anthropologie (F.) Menschenkunde

Lit.: Dülmen, R. van, Historische Anthropologie, 3. A. 2001; Hoßfeld, U., Geschichte der biologischen Anthropologie in Deutschland, 2005

Antichrese ist das aus dem hellenistischen Bereich in das klassische römische Recht eingeführte Nutzpfand, bei dem der Pfandgläubiger mit Erlaubnis des Verpfänders die Früchte der Pfandsache ziehen darf.

Lit.: Kaser § 31; Hübner

Antike ([3000/2800 v. Chr. bzw.] 11. Jahrhundert v. Chr.-4./6. Jahrhundert n. Chr.) ist der vor allem durch die Kultur der (Sumerer, Assyrer, Ägypter, Juden,) Griechen und Römer gekennzeichnete, durch die Eroberung Westroms durch Germanen in dem Jahre 476 abgeschlossene geschichtliche Abschnitt der menschlichen Kulturentwicklung. →Altertum

Lit.: Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1ff. 1986; Selb, W., Antike Rechte im Mittelmeerraum, 1993; The Cambridge Ancient History, 2. A. Bd. 6, hg. v. Lewis, D., 1994; Dahlheim, W., Die Antike, 6. A. 2002; Löwe, G./Stoll, H, Lexikon der Antike, 1997; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Gehrke, H., Kleine Geschichte der Antike, 1999; Metzler Lexikon Antike, hg. v. Brodersen, K./Zimmermann, B., 1999; Lexikon der christlichen Antike, hg. v. Brauer, J./Hutter, M., 1999; Nickel, R., Lexikon der antiken Literatur, 1999; Geschichte der Antike, hg. v. Gehrke, H. u. a., 2000; Brandt, H., Das Ende der Antike, 2001; Grziwotz, H./Döbertin, W., Spaziergang durch die Antike, 2002; Die Rechtskulturen der Antike, hg. v. Manthe, U., 2003; Lexikon der antiken Gestalten in den deutschen Texten des Mittelalters, hg. v. Kern, M. u. a., 2003; Pöhlmann, E., Einführung in die Überlieferungsgeschichte und in die Textkritik der antiken Literatur, Bd. 1 2. A. 2003; Personen der Antike, hg. v. Brodersen, K. u. a., 2004; Herrscherchronologien der antiken Welt, 2004; Höhepunkte der Antike, hg. v. Brodersen, K., 2006; Erinnerungsorte der Antike, hg. v. Stein-Hölkeskamp, E. u. a., 2006; Troianer sind wir gewesen, hg. v. Olshausen, E. u. a., 2006; Sonnabend, H., Die Grenzen der Welt, 2007; Geschichte der Antike – Quellenband, hg. v. Gehrke, H. u. a., 2007; Geschichte der antiken Texte – Autoren- und Werklexikon, hg. v. Egger, B., 2007; Historischer Atlas der antiken Welt, hg. v. Wittke, A. u. a., 2007; Baltrusch, E., Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung in der Antike, 2008; Mann, C., Antike, 2008; Stangl, G., Antike Populationen in Zahlen, 2008; Die Ideale der Alten, hg. v. Rosenberger, V., 2008; Antike - Recht - Geschichte, hg. v. Benke, N. u. a., 2009; Antike Oldenburg Geschichte Lehrbuch hg. v. Wirbelauer, E., 2009, 3. A. 2010; Leppin, H., Das Erbe der Antike, 2010; Kitchen, K. u. a., Treaty, Law and Covenant in the Ancient Near East, 2012; Antike im Mittelalter, hg. v. Brather, S. u. a., 2014

Antiochia (Kreuzfahrerfürstentum)

Lit.: Mayer, H., Varia Antiochena, 1993; Buck, A., The Principality of Antioch and its frontiers in the tweltfth Century, 2017

Antisemitismus ist die die Juden (Semiten) ablehnende Haltung. Sie entsteht nach antiken, mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Vorläufern in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts (in Preußen Sozialkonservative wie Hermann Wagener seit der liberalen neuen Ära von 1858, in Österreich um 1885) neu. In dieser Zeit gelten Juden als Modernisierungsgewinner des Liberalismus, wobei auch die katholische Kirche ihr Unbehagen über die gesellschaftlichen Veränderungen an dem steigenden Einfluss der Juden zu einem Ausdruck bringt. Der A. begünstigt den Aufstieg Adolf Hitlers. →Jude

Lit.: Badinter, R., Un antisémitisme ordinaire, 1997; Scheil, S., Die Entwicklung des politischen Antisemitismus in Deutschland zwischen 1881 und 1912, 1999; Walter, D., Antisemitische Kriminalität, 1999; Katholischer Antisemitismus, hg. v. Blaschke, A. u. a., 2000; Kertzer, D., Die Päpste gegen die Juden, 2001; Bergmann, W., Geschichte des Antisemitismus, 2002; Ferrari Zumbini, M., Die Wurzeln des Bösen - Gründerjahre des Antisemitismus, 2002; Haury, T., Antisemitismus von links, 2002; El olivo y la espada, hg. v. Joan i Tous, P. u. a., 2003; Ley, M., Kleine Geschichte des Antisemitismus, 2003; Der Berliner Antisemitismusstreit 1879-1881, bearb. v. Krieger, K., 2003; Benz, W., Was ist Antisemitismus?, 2004; Wladika, M., Hitlers Vätergeneration, 2005; Terwey, S., Moderner Antisemitismus in Großbritannien 1899-1919, 2006; Mittmann, T., Vom Günstling zum Urfeind der Juden, 2006; Volkov, S., Germans, Jews and Antisemites, 2006; Sieg, U., Deutschlands Prophet - Paul de Lagarde und die Ursprünge des modernen Antisemitismus, 2007; Nonn, C., Antisemitismus, 2008; Brügmann, C., Flucht in den Zivilprozess, 2009; Herholt, v., Antisemitismus in der Antike, 2009: Antisemitische Geschichtsbilder, hg. v. Bergmann, W. u. a., 2009; Herbeck, U., Das Feindbild vom „jüdischen Bolschewiken“, 2009; Handbuch des Antisemitismus, hg. v. Benz, W., Bd. 1ff. 1209ff.; Albrecht, H., Antiliberalismus und Antisemitismus, 2010; Antisemitism in Eastern Europe, hg. v. Petersen, H. u. a., 2010; Imperien in der Antike, hg. v. Harrison, T., 2010; Bergmann, W. u. a., Antisemitismus in Zentraleuropa, 2011; Hofer, S., Richter zwischen den Fronten, 2011; Jahr, C., Antisemitismus vor Gericht, 2011; Imhoff, M., Antisemitismus in der Linken, 2011; Nicosia, F., Zionismus und Antisemitismus, 2012; Wein, S., Antisemitismus im Reichstag, 2014; Alma mater antisemitica, hg. v. Fritz, R. u. a., 2015; Antisemitismus in deutschen Parteien, hg. v. Ionescu/Salzborn, 2014; Schwarz-Friesel, M., Gebildeter Antisemitismus, 2015; Antisemitismus in der DDR und die Folgen, hg. v. Apelt, A. u. a., 2016; Arnold, S., Das unsichtbare Vorurteil – Antisemitismusdiskurse in der US-amerikanischen Linken nach 9/11, 2016, Mühlem. B. v. zur, Gustav Freytag, 2016; Wyrwa, U., Gesellschaftliche Konfliktfelder und die Entstehung des Antisemitismus, 2016; Modern Antisemitisms in the Peripheries, hg. v. Kovács, E. u. a., 2019; Eriksen, T. u. a., Judenhass, 2019; Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert – Der Tübinger Theologe und „Judenforscher“ Gerhard Kittel, hg. v. Gailus, M. u. a., 2019 (Sammelband); Antisemitismus im 19. Jahrhundert aus internationaler Perspektive, hg. v. König, M. u. a., 2019; Embacher, H. u. a., Antisemitismus in Europa, 2019

Antitribonianus ist das 1603 posthum erschienene Werk François →Hotmans, das in dem Angriff auf →Tribonian die Anwendbarkeit des (lat. [N.]) Corpus iuris civilis in der Neuzeit bestreitet und die Schaffung eigener Gesetzbücher empfiehlt.

Lit.: (HotomanusFranciscus)Antitribonian1603.pdf Baron, J., Franz Hotmans Antitribonian, 1888

Antrag (Wort 1325) ist das →Angebot auf Abschluss eines →Vertrags.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Antrustio (lat. [M.], zu afrk. druht, lat.-afrk. trustis, M., bewaffnete Schar) ist der in dem Volksrecht der →Franken durch dreifaches Wergeld des Freien ausgezeichnete, auch in Kapitularien und Formeln erwähnte freie Königsmann.

Lit.: Bergengruen, A., Adel und Grundherrschaft im Merovingerreich, 1958; Olberg, G. v., Die Bezeichnungen für soziale Stände, 1991

Antwerpen an der Schelde wird 726 erstmals urkundlich erwähnt. 1291 erhält es Stadtrecht. 1852 wird eine Universität eingerichtet.

Anwachsung (Wort 1453, Anwachsungsrecht 1721) ist die Erhöhung der Anteile anderer Berechtigter an einer (gesamthänderischen) Gesamtheit in dem Wege der Gesamtnachfolge bei Wegfall eines Mitberechtigten. Sie hat wohl in alten gesamthänderischen Gesamtheiten (z. B. Hausgemeinschaft, Akkreszenz in dem klassischen römischen Erbrecht) Bedeutung und wird später eher zurückgedrängt (z. B. durch Eintrittsrechte, Realteilung). Durch das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) gewinnt sie mit dem Gesamthandsprinzip an Gewicht.

Lit.: Kaser §§ 73 III, 76 III 1 154ff.; Hübner; Breuel, F., Geschichte des Anwachsrechts in Ostfriesland, 1954; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Meyer, H., Anwachs und Insel im hochmittelalterlichen Recht der Grafschaft Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Anwalt ist der Vertreter eines anderen (im Recht). In dem römischen Recht ist Vertretung grundsätzlich ausgeschlossen. In dem deutschen Bereich begegnen die ersten Anfänge in dem fränkischen Reich. Zu dem Hochmittelalter hin erscheinen Vertreter für Bischöfe (Vögte), Äbte, Gemeinden oder Genossenschaften. Bis zu der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts setzt sich neben dem Fürsprecher als Vertreter in dem (bloßen) Wort (Mund der Partei) die inhaltliche Vertretung der Partei in der Sache in dem bürgerlichen Rechtsstreit durch. Mit der Rezeption des römisch-kanonischen Prozessrechts wird an dem Ende des 15. Jahrhunderts der meist rechtsgelehrte, praktisch geschulte →Prokurator zu demVertreter der Partei vor Gericht, der rechtsgelehrte →Advokat zu demaußergerichtlichen Berater (1495 an dem Reichskammergericht acht Prokuratoren, zwei Advokaten, seit 1500 bzw. 1530 Prüfungen), doch verwischen sich in Deutschland die Unterschiede trotz Fortführung der verschiedenen Benennungen schon seit dem 16. Jahrhundert wieder. Bedeutung hat der A. vor allem in dem Zivilprozess. In Preußen wird 1725 die Prokuratur abgeschafft und 1780 die Advokatur als freier Beruf beseitigt (Assistenzrat, Justizkommissar). In dem 19. Jahrhundert werden auch in Preußen wieder frei wählbare Prozessvertreter zugelassen, die seit 1849 (1878 in dem Deutschen Reich) Rechtsanwälte heißen (Österreich Advokatenordnungen von 1849 und 1868). Neben ihnen dürfen in Deutschland seit 2008 (Rechtsdienstleistungsgesetz) auch Nichtjuristen eingeschränkt Rechtsberatung durchführen.

Lit.: Kaser § 87 II IV; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155, 202; Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905; Kübl, F., Geschichte der österreichischen Advokatur, 1925; Bader, K., Vorsprecher und Anwalt in den fürstenbergischen Gerichtsordnungen, 1931; Böhm, O., Die nürnbergische Anwaltschaft um 1500 bis 1806, 1949; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Failenschmid, H., Anwalt und Fürsprech, 1981; Holly, G., Geschichte der Ehrengerichtsbarkeit der deutschen Rechtsanwälte, 1989; Krach, T., Jüdische Rechtsanwälte in Preußen, 1991; Grahl, C., Die Abschaffung der Advokatur unter Friedrich dem Großen, 1994; Siegrist, H., Advokat, Bürger und Staat, 1996; Krug, G., Die Advokat-Anwälte, Diss. jur. Mannheim 1996; Die Geschichte des Deutschen Anwaltvereins, hg. v. Deutschen Anwaltverein, 1997; Nirk, R., 50 Jahre NJW. Die Entwicklung der Anwaltschaft, NJW 1997, 2625; Scherner, K., Advokaten, Revolutionäre, Anwälte, 1997; Treve, W., Rechts-, Wirtschafts- und Steuerberatung in zwei Jahrhunderten, 3. A. 1998; Klas, A., Standes- oder Leistungselite?, 2002; Wiedemann, A., Preußische Justizreformen, 2003; Reichspersonal, hg. v. Baumann, A., 2003; Advokatenordnung 1648, hg. v. Neschwara, C. u. a., 2013

Anwaltszwang ist die (tatsächliche oder) rechtliche Verpflichtung, in dem →Prozess einen →Anwalt zu verwenden.

Anwartschaft ist die einer bestimmten Person zustehende rein tatsächliche Aussicht auf ein später zu erwartendes Amt oder Recht. In dem deutschen Mittelalter hat der nahe Verwandte ein Anrecht auf den Nachlass (→Erbenwartrecht). In dem 20. Jahrhundert setzt sich die A. als werdendes Recht, das dem Vollrecht wesensgleich ist, beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt durch.

Lit.: Kaser § 10 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 269; Berger, W., Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht, 1984

Anweisung (Wort 1271/1286) ist die schriftliche Aufforderung eines Teiles (Anweisender, Wort 1863) an einen anderen Teil (Angewiesener) (Deckungsverhältnis), Geld, Wertpapiere oder andere Sachen an einen die Anweisung dem Angewiesenen vorlegenden Dritten (Anweisungsempfänger, Wort 1809) zu leisten (lat. [F.] delegatio zwischen Delegant, Delegat und Delegatar, Verhältnis zwischen Angewiesenem und Anweisungsempfänger Valutaverhältnis). Sie hat römische Grundlagen. Sie gehört in die Frühzeit des →Wertpapiers (13./14. Jahrhundert). Die pandektenwissenschaftliche Erörterung des 19. Jahrhunderts bereitet die Gestaltung in dem Bürgerlichen Gesetzbuch von 1896/1900 vor. Die A. kann Zahlungsanweisung oder Verpflichtungsanweisung sein.

Lit.: Eisenried, U., Die bürgerlich-rechtliche Anweisung und ihre Entstehung, 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Anwenderecht ist das in die Anfänge des dichteren Ackerbaus zurückreichende, seit dem 13. Jahrhundert vielfach schriftlich bezeugte Recht, zu der Bestellung des eigenen Feldes kurzzeitig ein Nachbargrundstück zu betreten und dadurch zu benutzen. Das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) lässt das landesrechtlich vorhandene A. als Teil des Nachbarrechts bestehen.

Lit.: Hübner 281; Götz, A., Das Anwenderecht, 1925; Schmidt-Wiegand, Anwende, Text und Sprachbezug in der Rechtssprachgeographie, 1985, 146

Anzeige ist die Mitteilung eines rechtlich erheblichen Vorgangs oder Zustands. Sie ist in verschiedenen Formen dem römischen Recht bekannt. Eine Verpflichtung zu einer A. bestimmter Handlungen stellt die Rügepflicht dar. Der hochmittelalterliche kanonische Prozess unterscheidet in dem 12. Jahrhundert die A. von der (lat. [F.]) accusatio. In der frühen Neuzeit genügt in dem Strafverfahren statt der Klage eines einzelnen Klägers die A. beim Richter zu der Ingangsetzung des Verfahrens.

Lit.: Köbler, DRG 157; Kisker, S., Die Nichtanzeige geplanter Straftaten - §§ 138, 139 StGB, 2002

Aostatal

Lit.: Roddi, G., Il Coutumier Valdostano (1588), 1994 (Diss. jur. Freiburg im Üchtland)

Apanage ist die Ausstattung eines nachgeborenen Sohnes, Bruders oder sonstigen Mitglieds eines landesherrlichen Hauses zu der Sicherung des standesgemäßen Unterhalts. Sie entwickelt sich nach älteren Vorläufern (Bretagne 990?, Dreux 1137?) in dem 13. Jahrhundert in Frankreich. Einen Rechtsanspruch auf A. gibt es nur bei Vorliegen eines entsprechenden Hausgesetzes. Die meist bei Eintritt der Volljährigkeit fällige A. kann auf eine Person oder auf eine Linie bezogen sein.

Lit.: Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851; Wood, C., The French Apanages, 1966

Apel, Johann (Nürnberg 1486-27. 4. 1536) wird nach dem Rechtsstudium in Wittenberg 1524 Rechtslehrer, 1530 Kanzler in Preußen und 1534 Rechtsberater in Nürnberg. 1535 schlägt er eine dialektische Lehrmethode für die Rechtswissenschaft vor. Außerdem bietet er erste systematische Ansätze.

Lit.: Köbler, DRG 144; Muther, T., Doctor Johann Apell, 1861; Wieacker, F., Einflüsse des Humanismus auf die Rezeption, Z. f. d. ges. Staatswiss. 100 (1940), 423

Apokalypse

Lit.: Fried, J., Aufstieg aus dem Untergang, 2001

Apostasie (F.) ist der von der Spätantike bis zu der Aufklärung geahndete Abfall von dem Glauben.

Lit.: Hinschius, P., System des katholischen Kirchenrechts, 1888ff.; Schauf, H., Einführung in das kirchliche Strafrecht, 1952

Apostelbrief ist in dem gelehrten Verfahrensrecht des Mittelalters der Bericht, den der untere Richter (lat. iudex [M.] a quo) auf die Bitte einer Partei, die →Appellation gegen seine Entscheidung erhebt, an den oberen Richter (lat. iudex [M.] ad quem) sendet. Er enthält eine Schilderung des bisherigen Verfahrensablaufs und eine Beurteilung der Berechtigung der Appellation sowie später auch die bisherigen Prozessakten.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Sägmüller, J., Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts, Bd. 2 3. A. 1914, 342

Apotheke („Aufbewahrungsort“, für Heilmittel zunächst in Klöstern, um 1241 verbietet Friedrich II. in dem Edikt von Salerno das Betreiben von Apotheken durch Ärzte, 1241 Löwenapotheke in Trier bezeugt) ist das Unternehmen des wissenschaftlich ausgebildeten, staatlich zu Herstellung und Verkauf von Arzneimitteln Berechtigten (Apothekers). Seit etwa 1850 gründen Apotheker Drogerien mit einem breiten Warenangebot, darunter auch Arzneimittel. 1935 wird eine deutsche Apothekerschaft geschaffen, 1937 eine Reichsapothekenkammer eingerichtet. 1961 ergeht ein Arzneimittelgesetz.

Lit.: Schröder, G., NS-Pharmazie - Gleichschaltung des deutschen Apothekerwesens im Dritten Reich, 1988; Schlick, C., Apotheken im totalitären Staat, 2008; Schäfer, C., Apotheker und Drogist, 2009

Apothekenurteil ist die in drei Stufen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Einschränkung von Grundrechten (z. B. Berufsfreiheit) ordnende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Deutschlands von dem 11. 6. 1958 über die Zulassung eines Apothekers in Traunreut.

Lit.: Henne, T., Das Lüth-Urteil, hg. v. Henne, T. u. a., 2004

appellatio (lat. [F.]) Anrufung, Berufung, →Appellation

Appellation ist in dem spätrömischen Verfahrensrecht das aufschiebend wirkende Rechtsmittel zu der Überprüfung der Entscheidung eines unteren Richters durch einen höheren Richter, das mit einem Urteil endet (Berufung). Die A. ist bei dem unteren Richter mündlich oder binnen 10 Tagen schriftlich einzubringen. Die A. wird in dem frühen Mittelalter in vereinfachter Form in der Kirche und in Oberitalien bewahrt. In dem hohen Mittelalter wird die A. (mittels →Apostelbriefs), die seit dem 12. Jahrhundert in dem kirchlichen Prozessrecht erscheint, aus dem oberitalienisch-kanonischen Prozessrecht in Deutschland zuerst in geistlichen Gerichten aufgenommen. In Italien und Frankreich dringt sie rascher vor. In dem Heiligen römischen Reich, in dem zwischen 1200 und 1450 (lat. [F.]) appellatio sehr unterschiedliche Einrichtungen benennen kann, ersetzt die A., die sich vor 1451 nur in einzelnen besonderen Fällen vor dem um 1450 grundsätzlich noch unmittelbar angerufenen, aber auch in dem älteren Rechtszugverfahren kaum eine nennenswerte Rolle spielenden König findet, in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts allmählich die ältere Urteilsschelte in weltlichen Verfahren. Die Appellationsverfahren verdrängen bald die erstinstanzlichen Rechtszugverfahren. Das 1495 eingerichtete Reichskammergericht ist vielfach Appellationsgericht (an dem Ende des 15. Jahrhunderts zu 80%). Zur Eindämmung der A. wird dort 1521 eine Appellationssumme von 50 Gulden festgelegt, die über 150 (1570) und 300 (1600) Gulden bis 1654 auf 600 Gulden bzw. 400 Reichstaler steigt, und wird 1530 dem Reichskammergericht die Annahme einer A. in Strafsachen verboten. In die gleiche Richtung wirken die Nichtappellationsprivilegien (1470-03-21 Reichsstadt Nürnberg, 1480-07-10 Bayern Herzog, 1482-05-08 Augsburg Reichsstadt, 1485-11-05Augsburg Reichsstadt, 1493-04-27 Köln Stadt, 1495-08-24 Nürnberg Reichsstadt, 1499-05-21 Windsheim, Nassau 1804-06-28, insgesamt (77) Aachen, Augsburg, Baden, Bayern, Biberach, Brandenburg, Brandenburg-Ansbach-Bayreuth, Braunschweig-Lüneburg, Bremen Stadt, Bremen Erzstift, Brixen, Dinkelsbühl, Donauwörth, Esslingen, Frankfurt am Main, Giengen, Hamburg, Hanau-Münzenberg, Herford Stadt, Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt, Hessen-Rheinfels, Hessen-Marburg, Hildesheim Bischof, Holstein, Ingelheim Freiherr, Jülich Kleve Berg, Kaufbeuren, Kempten Stadt, Köln Kurfürst, Köln Stadt, Lindau, Lippe Graf, Lübeck Stadt, Lüttich Bischof, Magdeburg Erzbischof, Mainz Kurfürst, Manderscheid Graf, Mecklenburg Herzöge, Memmingen Stadt, Merseburg Bischof, Münster Stadt, Nassau, Neuenahr und Moers Graf, Nördlingen, Nürnberg Stadt, Öttingen (Oettingen) Graf, Oldenburg und Delmenhorst Graf, Passau Bischof, Paumgarten Freiherr, Pfalz Kurfürst, Pommern, Rantzau, Regensburg Stadt, Reußen von Plauen Graf, Reutlingen, Rosheim Stadt, Rothenburg ob der Tauber, Rügen, Sachsen Kurfürst, Salzburg Erzbischof, Schwäbisch Hall, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Schweden König, Schweinfurt, Speyer Stadt, Straßburg Stadt, Trient Bischof, Trier Kurfürst, Ulm, Verden Bischof, Vorpommern, Waldeck Graf, Windsheim, Wismar, Worms Stadt, Württemberg, Würzburg Bischof). An dem Reichshofrat ist die A. vor allem wegen der Appellationsprivilegien nicht sehr häufig. 1879 wird die teuere und schwierige A. in dem Deutschen Reich durch die →Berufung ersetzt, in England erst 1875 wirklich zugelassen. →Konzil

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 34, 56, 114, 117, 152; Köbler, LAW; Perels, K., Die allgemeinen Appellationsprivilegien für Brandenburg-Preußen, 1908; Stölzel, A., Geding, Appellation, Hof, Hofgericht und Räte, 1912; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Blaschke, K., Das kursächsische Appellationsgericht 1559-1835 und sein Archiv, ZRG GA 84 (1967), 329; Eisenhardt, U., Die Rechtswirkungen der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86 (1969), 75; Weitzel, J., Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts als Appellationsgericht, ZRG GA 90 (1973), 213; Broß, S., Untersuchungen zu den Appellationsbestimmungen der Reichskammergerichtsordnung von 1495, 1973; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht, 1976; Die kaiserlichen privilegia de non appellando, hg. v. Eisenhardt, U., 1980; Weitzel, J., Über Oberhöfe, Recht und Rechtszug, 1981; Rechtsbehelfe, Beweis und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1985; Becker, H., Die Appellation vom Papst an ein allgemeines Konzil, 1988; Kern, B., Die Appellation in Kurpfälzer und verwandten Rechtsquellen des 15. Jahrhunderts, ZRG GA 106 (1989), 115; Seeger, T., Die Extrajudizialappellation, 1993; Morhard, A., Die gerichtliche Berufung, 1995; Diestelkamp, B., Die Durchsetzung des Rechtsmittels der Appellation, 1998; Szidzek, C., Das frühneuzeitliche Verbot der Appellation in Strafsachen, 2002; Strauch, D./Arntz, J./Schmidt-Troje, J., Der Appellhof zu Köln, 2002; Kannowski, B., Zwischen Appellation und Urteilsschelte - Über das Rechtsdenken des Johann von Buch, ZRG 123 (2006), 110; Hugo, L., Vom Missbrauch der Appellation, hg. v. Oestmann, P., 2012; Appellation und Revision im Europa des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit, hg. v. Auer, L. u. a., 2013; Ranieri, F., Gemeines und partikulares Recht in der Rechtsprechung des Reichskammergerichts, ZRG GA 131 (2014), 89

Appellationsgericht (N.) Berufungsgericht (z. B. Österreich 1782 Erhebung der von den Gubernien getrennten Justizsenaten zu Appellationsgerichten durch Joseph II., 1852 Oberlandesgerichte)

Appellationsprivileg ist das Privileg des deutschen Königs an Landesherren, das eine →Appellation aus dem jeweiligen Gebiet an den König ausschließt (Nichtappellationsprivileg). Es betrifft anfangs wohl nur den Rechtszug nach einer Urteilsschelte und erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die eigentliche Appellation. 1356 verleiht die →Goldene Bulle den Kurfürsten ein unbeschränktes A., dessen Bedeutung deswegen umstritten ist, weil die Appellation 1356 noch nicht allgemein aufgenommen worden war (z. B. in Sachsen erst seit dem 16. Jahrhundert).

Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Bross, S., Untersuchungen zu den Appellationsbestimmungen der Reichskammergerichtsordnung von 1495, 1972; Eisenhardt, U., Die kaierlichen privilegia de non appellando, 1980

Appenzell erscheint 1071 erstmals als Abbacella. Das zunächst unter der Herrschaft der Abtei Sankt Gallen stehende Gebiet gewinnt zwischen 1377 und 1429 Selbständigkeit. Seit 1411 ist A. zugewandter Ort der Eidgenossenschaft der →Schweiz, seit 17. 12. 1513 dreizehntes Mitglied. A. besteht aus einem evangelischen Halbkanton (Außerrhoden) und einem katholischen Halbkanton (Innerrhoden).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Benz, R., Die rechtlichen Zustände im Lande Appenzell, Appenzellische Jahrbücher 46 (1918), 1; Wirz, H., Die Grundlagen der Appenzeller Freiheit, Appenzellische Jahrbücher 56 (1929); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Die Land- und Alpwirtschaft in Außerrhoden, 1974; Blickle, P., Verfassung und Religion – Voraussetzungen und Folgen der Landteilung des Appenzell 1597, ZRG GA 115 (1998), 339; Die Appenzellerkriege, hg. v. Niederhäuser, P. u. a., 2006

Approbation (F.) Billigung, Bestätigung (z. B. einer klösterlichen Genossenschaft, einer Verehrung oder einer Königswahl)

Lit.: Deußen, W., Die Approbation der deutschen Königswahl, 1879; Unverhau, D., Approbatio - Reprobatio, 1973 Aprilverfassung ist die an dem 25. 4. 1848 von Kaiser Ferdinand I. erteilte, von dem Innenminister Franz Xaver von →Pillersdorf (Pillersdorff) geformte, nach dem 15. 5. 1848 zurückgezogene, erste formelle Verfassung Österreichs mit Gewaltenteilung, Reichstag und Grundrechten, aber ohne praktische Bedeutung.

Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher;

apud iudicem (lat.) vor dem Richter, →Prozess, Verfahren

Apulien in dem Süden Italiens gerät seit dem 9. Jahrhundert v. Chr. unter den Einfluss der Griechen, wird 317 v. Chr. von Rom erobert und gehört nach dem Untergang Westroms über die Herrschaft von Ostgoten und Oströmern in dem Norden seit 570 zu demHerzogtum Benevent der Langobarden. In der Mitte des 11. Jahrhunderts fällt es an die Normannen (1130 Sizilien), 1282 an das Königreich Neapel.

Lit.: Palumbo, P., Medio evo méridionale, 1978

aquae ductus (lat. [M.]) Wasserleitung(srecht), →Dienstbarkeit

aquae haustus (lat. [M.]) Wasserschöpfung(srecht)recht,→Dienstbarkeit

Aquileia nahe der Adria wird 181 v. Chr. als römische Kolonie (lat. [F.] colonia) gegründet. Der seit spätestens 314 nachweisbare Bischof beansprucht seit 558/568 den Titel eines Patriarchen. 1077 wird der Patriarch Reichsfürst. Seit 1418 gelangt A. an Venedig, in dem 16. Jahrhundert an Österreich und mit Venetien (1866) an Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gamber, K., Das Patriarchat Aquileja, 1987; Härtel, R., Die älteren Urkunden des Klosters S. Maria zu Aquileja (1036-1250), 2005

Aquilius →lex Aquilia

Aquitanien ist das Gebiet nördlich der Pyrenäen. Es wird seit 71 v. Chr. römisch, 418 westgotisch und 507 fränkisch. In dem 7. Jahrhundert entsteht ein fast selbständiges Herzogtum (bis 768), das in dem 9. Jahrhundert erneuert wird. Durch Heirat der Erbtochter mit Heinrich II. →Plantagenet (1152) gelangt A. beim Thronantritt Heinrichs II. in England in eine Personalunion mit →England. An dem Ende des hundertjährigen Krieges (1453/75) fällt A. von England an →Frankreich.

Lit.: Histoire de l’Aquitaine, hg. v. Higounet, C., 1971; Trabut-Cussac, J., L’administration anglaise en Gascogne, 1972; Bouet, A., Aquitanien in römischer >Zeit, 2015 (Bildband); Boyer, J., Pouvoirs et territoires en Auitaine du VIIe au Xe si`cle, 2018

Äquivalenzprinzip ist der in dem 20. Jahrhundert ausgebildete Grundsatz, dass zwischen dem Wert einer einzelnen Leistung der Verwaltung und der für diese geforderten Gebühr ein ausgewogenes Verhältnis bestehen muss.

Araber ist der Angehörige des in den mittelalterlichen lateinischen Quellen meist als (lat. [M.Pl.]) Saraceni bezeichneten semitischen Volkes, das zunächst auf der arabischen Halbinsel siedelt (853 v. Chr. in mesopotamischen Keilschriften erstmals erwähnt) und schon in dem Altertum mit den Lehren Zarathustras, dem Christentum, und dem Judentum in Berührung kommt. Die A. erobern nach der Bekehrung zu dem →Islam des Propheten Mohammed in dem frühen Kalifat (632-692) Ägypten, (638 Jerusalem,) Syrien, Irak und Persien. 711 wird Gibraltar erreicht, 716/717 Konstantinopel belagert und 732 ein Spanien einnehmender Vorstoß erst bei Tours und Poitiers von den Franken unter Karl Martell zurückgeschlagen. In dem 9. Jahrhundert, in dem griechische und indische Schriften in die arabische Sprache übertragen werden, setzt der Zerfall des bald auf Bagdad (762, um 1000 Kalifenbibliotheken mit vielleicht 100000 Bänden, seit dem 12. Jahrhundert Übersetzungen aus dem Arabischen und Griechischen in die lateinische Sprache) ausgerichteten Reiches in mehrere Einzelherrschaften ein. 1260 können die Mongolen abgewehrt werden. Das in dem 15. Jahrhundert unter muslimisch gewordenen Osmanen gebildete osmanische Reich fasst die A. nochmals zusammen, doch geht 1492 mit Granada die letzte Herrschaft in Spanien verloren und werden in dem 19. Jahrhundert die arabischen Länder mit dem Zerfall des osmanischen Reiches Gegenstand der Kolonialpolitik europäischer Staaten. Ein unmittelbarer Einfluss der A. auf das Recht Europas ist nicht nachweisbar, doch finden sich ausgehend von den wichtigsten Berührungsorten gewisse, Handel und Verwaltung betreffende mittelbare Auswirkungen (Kaufhöfe in Venedig, Seezoll in Pisa, Gesundheitsrecht in Sizilien, lat. contractus [M.] mohatrae). In dem Übrigen geben die A. allgemein auch antikes Gedankengut und eigene Gelehrsamkeit fruchtbringend an das europäische Mittelalter weiter.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Amari, M., Storia dei Musulmani di Sicilia, Bd. 1ff. 1854ff.; Geschichte der arabischen Welt, hg. v. Haarmann, U./Halm, H., 4. A. 2001; Crespi, G., Die Araber in Europa, 1992; Halm, H., Die Araber, 2004; Walther, W., Kleine Geschichte der arabischen Literatur, 2004; Steinberg, G., Saudi-Arabien, 2004; Katzer, A., Araber in deutschen Augen, 2008; Schlicht, A., Die Araber und Europa, 2008; Ambrosetti, N., L’eredità arabo-islamica nelle scienze e nelle arti del calcolo dell’Europa medievale, 2008Burnett, C., Arabic into Latin in the Middle Ages, 2009; Thorau, P., Lawrence von Arabien, 2010; Schlicht, A., Geschichte der arabischen Welt, 2013; Steinbach, U., Die arabische Welt im 20. Jahrhundert, 2. A. 2017

Aragonien (Aragón) in dem Nordosten Spaniens gelangt an dem Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. von den Puniern an die Römer, in dem 5. Jahrhundert n. Chr. an die Westgoten und 713 an die Araber. Kurz nach 800 wird es eine Grafschaft der Franken, die eine eigene (lat. [F.]) convenientia (958) hat und sich in dem Zuge der Rückeroberung der von den Arabern beherrschten Gebiete 1035 und 1134 zu einemm Königreich entwickelt, in dem der →Fuero von →Jaca (1064) besondere Bedeutung hat. Dieses A. wird 1137 mit Katalonien und 1238 mit Valencia verbunden. Seit dem 13. Jahrhundert dringt römisches Recht ein. 1247 werden die in 8, später in 12 Bücher gegliederten, vielleicht auf Vidal de Cañellas zurückgehenden, ausschließliche Geltung beanspruchenden Fueros de Aragón (Fori Aragonum) in Huesca verkündet. Unter die Herrschaft Aragoniens gelangen auch Sizilien (1282), Sardinien (1323) und Neapel (1442). Seit 1469 tritt A. hinter →Kastilien (1474 Personalunion) zurück und verliert die 1707 zunächst noch gewahrten Sonderrechte. Der Verlust der selbständigen Verwaltung (1833) wird erst 1982 wieder aufgehoben. Das überlieferte besondere Privatrecht gilt seit 1889 in dem Rahmen des Código Civil Español fort.

Lit.: Fori Aragonum 1476/1477, Neudruck 1979; Schwarz, K., Aragonische Hofordnungen, 1914; Klüpfel, L., Verwaltungsgeschichte des Königreichs Aragon, 1915; Vidal mayor, hg. v. Tilander, G., 1956; Lalinde Abadía, J., Virreyes y lugartenientes, Cuadernos de historia de España 1960, 98; Lalinde Abadía, J., La gobernación general en la corona de Aragón, 1963; Molho, M., El Fuero de Jaca, 1964; Lalinde Abadia, J./Fairen Guillen, V., Die aragonesischen Verfassungsprozesse, ZRG GA 91 (1974), 116; Los Fueros de Aragón, 1976; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,258; Neumann, C., Venedig und Aragon im Spätmittelalter (1280-1410) 2017

Arba ‘at ha-Turim →Jakob Ben Ascher

Arbeit (Wort bereits germanisch) ist die auf Schaffung von Werten gerichtete körperliche oder geistige Tätigkeit des Menschen. Steht ursprünglich die damit verbundene Mühe in dem Mittelpunkt, so verlagert sich der Bedeutungskern besonders seit dem 19. Jahrhundert auf die Unselbständigkeit und Fremdbestimmtheit der Tätigkeit. Hinsichtlich der A. treten deshalb, obwohl bereits in dem Mittelalter das dauernde Vorkommen vertraglich vereinbarter Arbeitsverhältnisse in Stadt und Land und die beständige Sorge der Obrigkeit für Reglementierung der Entlohnung bezeugt sind, erst seit etwa 1840 Arbeitgeber und Arbeitnehmer einander gegenüber. Bezüglich der A. schließen sie den →Arbeitsvertrag, dessen Gestaltung Teil des →Arbeitsrechts ist, für das sich das besondere →Arbeitsgericht ausbildet. Bereits in dem 19. Jahrhundert wird auch die Sicherung eines Rechtes des Einzelnen auf A. verlangt.

Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Arbeit und Rhythmus im Rechtsleben, ZRG GA 41 (1920), 370; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 154; Schröder, R., Zur Arbeitsverfassung des Spätmittelalters, 1984; Le travail au Moyen Age, hg. v. Hamesse, J. u. a., 1990; Jansen, R., Die Arbeitsverhältnisse an den deutschen Porzellanmanufakturen, 1990; Benöhr, H., Das Recht auf Arbeit in Frankreich 1848, ZRG GA 109 (1992), 179; Ritter, G., Arbeiter, Arbeiterbewegung und soziale Idee in Deutschland, 1996; Sellier, U., Die Arbeiterschaftgesetzgebung, 1998; Brückner, W., Arbeit macht frei, 1998; Brandt, P., Geschichtliche Entwicklung und heutige Bedeutung des Begriffs der gefahrgeneigten Arbeit, 1998; Geschichte und Zukunft der Arbeit, hg. v. Kocka, J. u. a., 2000; Fossier, R., Le travail au moyen âge, 2000; Schaller, K., Einmal kommt die Zeit, 2001; Guinand, C., Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), 2003; Postel, V., Arbeit im Mittelalter, 2006; Steinfeld, R., Free Wage Labor and the Suffrage in Nineteenth Century England, ZRG GA 123 (2006), 267; Postel, V., Arbeit und Willensfreiheit im Mittelalter, 2009; Rijkers, F., Arbeit - ein Weg zum Heil, 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Meskill, D., Optimizing the German Workforce, 2010; Humann, D., „Arbeitsschlacht“ Arbeitsbeschaffung und Propaganda in der NS-Zeit 1933-1939, 2011; Keiser, T., Vertragszwang und Vertragsfreiheit im Recht der Arbeit von der frühen Neuzeit bis in die Moderne, 2013; Viehweger, L., Die Internationale Arbeitsorganisation und Deutschland 1919-1933, Diss. phil. Düsseldorf 2013. Online-Ress.; Arbeit im Nationalsozialismus, hg. v. Buggeln, M. u. a., 2014; Handbook Global JHistory of Work, hg. v. Hofmeester, K. u. a., 2017; Int4ensivierung der Arbeit – Perspektiven auf Arbeitszeit und technologischen Wandel, hg. v. Griesbacher, M. u. a., 2020

Arbeiter (Wort 1233-1267) ist der körperliche Arbeit verrichtende Arbeitnehmer. Eine eigene Arbeiterbewegung entsteht in dem deutschen Sprachraum in dem zweiten Drittel und dem dritten Viertel des 19. Jahrhunderts.

Lit.: Kulemann, W., Der Arbeiterschutz, 1893, Neudruck 2013; Bödiker, T., Die Arbeiterversicherung, 1895, Neudruck 2013; Lorenz, A., Kleine Geschichte der Arbeiterbewegung in Deutschland von 1848 bis heute, 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Schneider, M., In der Kriegsgesellschaft – Arbeiter und Arbeiterbewegung 1939 bis 1945, 2014; Kocka, J. u. a., Arbeiterleben und Arbeiterkultur, 2015

Arbeiterkammer ist die in Österreich ab 1872 geplante, mit Gesetz von dem 26. 2. 1920 eingerichtete, 1938 aufgelöste, durch Gesetz von dem 20. 7. 1945 wiedererrichtete Vertretung der Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellten), die maßgeblich bei der Entwicklung des kollektiven Arbeitsrechts mitgewirkt hat.

Arbeitnehmer (Wort 1848) ist der in dem Arbeitsverhältnis die Arbeit ausführende Beteiligte in dem Gegensatz zu dem Arbeitgeber (Wort 1847).

Lit.: Pflaume, H., Organisation und Vertretung der Arbeitnehmer in der Bewegung von 1848/1849, 1934; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Arbeitsgericht ist das in dem Deutschen Reich 1926 für die erste Instanz (RGBl. 1926, 507, Inkrafttreten an dem 23. 12. 1926 bzw. 1. 7. 1927) geschaffene Eingangsgericht der vor allem auf Wunsch der Arbeitnehmerseite für Streitigkeiten aus Arbeitsverträgen zuständigen, 1946/1953 gänzlich von der ordentlichen Gerichtsbarkeit verselbständigten Arbeitsgerichtsbarkeit (1927 Reichsarbeitsgericht). Vorläufer des Arbeitsgerichts ist ein besonderes, mit Arbeitgeberbeisitzern und Arbeitnehmerbeisitzern besetztes Gewerbegericht (1890, Österreich 1898). Es geht seinerseits auf den in Frankreich (Lyon 1806) von Napoleon auf Wunsch der Arbeitnehmer errichteten Conseil de prud’hommes zurück, der linksrheinisch nachgebildet (1808 Aachen-Burtscheid) und später in Preußen (1845) und in dem Norddeutschen Bund (1869) beibehalten wird. Noch früher gibt es in Preußen in dem 18. Jahrhundert Fabrikdeputationen und in dem Mittelalter allgemein auch Entscheidungen innerhalb der Zünfte.

Lit.: Köbler, DRG 234, 261; Kaskel, W., Die Arbeitsgerichtsbarkeit 1929; Globig, K., Gerichtsbarkeit als Mittel sozialer Befriedung, 1985; Linder, M., The Supreme Labor Court, 1987; Brand, J., Untersuchungen zur Entstehung der Arbeitsgerichtsbarkeit, Bd. 1 1990; Schöttler, P., Zur Mikrogeschichte der Arbeitsgerichtsbarkeit, Rechtshistorisches Journal 9 (1990), 127; Weiß, J., Arbeitsgerichtsbarkeit, 1994; 50 Jahre saarländische Arbeitsgerichtsbarkeit, hg. v. Präsidenten des Landesarbeitsgerichts, 1997; 50 Jahre Arbeitsgerichtsbarkeit des Landes Schleswig-Holstein, 1997; Brand, J., Untersuchungen zur Entstehung der Arbeitsgerichtsbarkeit in Deutschland, Bd. 2 2002, Bd. 3 2008; Bachem-Rehm, M., Die katholischen Arbeitervereine im Ruhrgebiet 1870-1914, 2004; Zimmermann, U., Die Entwicklung der Gewerbegerichtsbarkeit in Deutschland, 2005

Arbeitsgesetzbuch ist das für das →Arbeitsrecht geschaffene Gesetzbuch (z. B. Deutsche Demokratische Republik 12. 4. 1961, 23. 11. 1966, 1977).

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Arbeitskampf (nach Kittner erster bekannter Arbeitskampf auf deutschem Boden Breslau 1329) →Aussperrung, Streik

Lit.: Die Entwicklung des Arbeitskampfrechts, hg. v. Pohl, H., 1980; Sieg’l, C., Arbeitskämpfe seit dem Spätmittelalter, 1993; Schröder, R., Der gewerbliche Kampf, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 533; Dallmann, C., Die Anfänge des französischen Arbeitskampfrechts, Diss. jur. Würzburg 2002; Kittner, M., Arbeitskampf, 2005 (61 Fallschilderungen zwischen 1155 v. Chr. und 2003 n. Chr.); Weber, P., Gescheiterte Sozialpartnerschaft - Gefährdete Republik, 2010; Arbeitskämpfe im Zeichen der Selbstermächtigung, hg. v. Leder, A., 2012

Arbeitslosenversicherung ist die bescheidenen gemeindlichen Anfängen (1913 in 13 deutschen Gemeinden eine Arbeitslosenunterstützung vorhanden) folgend von 1918 an geschaffene, 1927 einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes zu der Selbstverwaltung übertragene, 1969 aufgabenerweiternd in dem Arbeitsförderungsgesetz geregelte und zu dem1. 1. 1998 in das Sozialgesetzbuch (III) überführte →Sozialversicherung gegen die wirtschaftlichen Folgen des Mangels einer Erwerbstätigkeit.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 233, 241; Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, hg. v. Benöhr, H., 1991; Führer, K., Arbeitslosigkeit und die Entstehung der Arbeitslosenversicherung, 1990; Lewek, P., Arbeitslosigkeit und Arbeitslosenversicherung, 1992; Dorn, U., Arbeitslosigkeit, ZNR 1993, 12; Fukuzawa, N., Staatliche Arbeitslosenunterstützung in der Weimarer Republik, 1995; Raithel, T. u. a., Die Rückkehr der Arbeitslosigkeit, 2009

Arbeitslosigkeit →Arbeitslosenversicherung

Arbeitsmündigkeit →Mündigkeit

Lit.: Gefaeller, W., Entstehung und Bedeutung der Arbeitsmündigkeit, 1968

Arbeitsrecht ist das die →Arbeit betreffende Recht. Es wird trotz der bereits in dem Hochmittelalter vorhandenen und seit dem 16. Jahrhundert auch von den Landesherren geordneten Tätigkeiten als Gesinde, Seemann, Bergmann, Kaufmannsdiener oder Handwerksgeselle als Rechtsgebiet erst an dem Beginn des 20. Jahrhunderts verselbständigt (Stadthagen 1895 Arbeiterrecht, Sinzheimer 1907f./1914, Potthoff 1925), nachdem sich in dem 19. Jahrhundert die obrigkeitlichen und genossenschaftlichen Bindungen infolge des Liberalismus lösen (z. B. Bauernbefreiung) und →Arbeit zu demGegenstand freier vertraglicher Vereinbarung wird. Als erste gesetzliche Regelungen erscheinen Arbeitsschutzbestimmungen (England 1802, Preußen Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Fabriken von dem 9. 3. 1839, Truckverbot 1849/1869, Frauenschutz 1878, Gewerbeaufsicht 1878), die das deutsche Arbeiterschutzgesetz von 1891 verallgemeinert. Flankierend wirkt die →Sozialversicherung. Die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts allmählich entwickelte Kollektivierung des Arbeitsrechts (1891 Arbeiterausschüsse, 1916 Hilfsdienstgesetz) findet einen ersten Abschluss in der →Tarifvertragsverordnung (1918) und der zugehörigen Schlichtungsverordnung (1923). Durch die nationalsozialistische Regierung wird dann das kollektive A. durch eine autoritäre Arbeitsverfassung (1934 Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit) ersetzt, die nach 1945 wieder beseitigt wird. 1949 wird das Tarifvertragsrecht neu gestaltet, 1951 die Mitbestimmung in der Montanindustrie ausgedehnt, in den Folgejahren eine Reihe weiterer Gesetze erlassen bzw. neu gefasst. Wo der Gesetzgeber nicht tätig zu werden vermag, tritt ersatzweise die Arbeitsgerichtsbarkeit mit Richterrecht ein. In der Deutschen Demokratischen Republik wird 1961 ein Gesetzbuch der Arbeit erlassen, 1978 ein Arbeitsgesetzbuch. In der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union gewinnt das europäische Recht an Bedeutung (z. B. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, Europäische Sozialcharta 1961). Erste Darstellungen des Arbeitsrechts stammen von P. Lotmar (1902/1908) und H. Sinzheimer (1907f./1914). Als Besonderheit des Arbeitsrechts wird lange Zeit die Haftungseinschränkung bei →gefahrgeneigter Tätigkeit angesehen.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 215, 227, 241; Sinzheimer, H., Über den Grundgedanken und die Möglichkeit eines einheitlichen Arbeitsrechts in Deutschland, 1914; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht im Mittelalter, 1934; Schmieder, E., Geschichte des Arbeitsrechts im deutschen Mittelalter, 1939; Siebert, W., Die Entwicklung der staatlichen Arbeitsverwaltung, 1943; Anton, G., Geschichte der preußischen Fabrikgesetzgebung, 1953; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955; Teuteberg, H., Geschichte der industriellen Mitbestimmung, 1961; Ebel, W., Quellen zur Geschichte des deutschen Arbeitsrechts bis 1849, 1964; Mampel, S., Arbeitsverfassung und Arbeitsrecht in Mitteldeutschland, 1966; Wedderburn, K., Cases and materials on labour law, 1967; Weidmann, P., Die soziale Entwicklung des zürcherischen Arbeitsrechts von 1815-1870, Diss. jur. Zürich 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3635; Ramm, T., Die Arbeitsverfassung des Kaiserreichs, FS W. Mallmann, 1978; Ramm, T., Die Arbeitsverfassung der Weimarer Republik, (in) In memoriam Sir Kahn-Freund, 1980; Umlauf, J., Die deutsche Arbeiterschutzgesetzgebung 1880-1980, 1980; Wege zur Arbeitsrechtsgeschichte, hg. v. Steindl, H., 1984; Schröder, R., Zur Arbeitsverfassung des Spätmittelalters, 1984; Tschudi, H., Geschichte des schweizerischen Arbeitsrechts, 1987; Lewisch, P., Der Wandel von Arbeitsethos und Arbeitsrecht in Österreich in der Zeit von Maria Theresia bis zum ABGB, 1988; Bohle, T., Einheitliches Arbeitsrecht in der Weimarer Republik, 1990; Wahsner, R., Arbeitsrecht unter’m Hakenkreuz, 1994; Rückert, J., Beschreibende Bibliographie zur Geschichte des Arbeitsrechts, 1996; Kim, Y., Die Entwicklung des Rechts der Arbeitnehmerhaftung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1996; Benöhr, H., Fast vier Tropfen sozialen Öls, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Sellier, U., Die Arbeiterschutzgesetzgebung im 19. Jahrhundert, 1998; Die Entstehung des Arbeitsrechts in Deutschland, hg. v. Nutzinger, H., 1998; Rudischhauser, S., Vertrag, Tarif, Gesetz. Der politische Liberalismus und die Anfänge des Arbeitsrechts in Frankreich 1890-1902, 1999; Thiele, M., Die Auflösung von Arbeitsverhältnissen, 1999; Steinmetz, W., Begegnungen vor Gericht, 2001; Bornheim, S., Die arbeitsrechtliche Normsetzung des Reichskommissariats in den Niederlanden, 2002; Böhm, A., Arthur Philipp Nikisch, 2003; Hermel, M., Karl Flesch, 2004; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Däumichen, N., Erich Molitor - Mitbegründer der neueren Arbeitsrechtswissenschaft, 2012; Pierson, T., Die juristische Implementation und (De-)Regulierung des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses nach 1949, ZRG GA 129 (2013), 305; Hoefling, S., Vom Tropfen sozialen Öls zum Hebel des Fortschritts, 2015; Ludyga, H., Otto Kahn-Freund, 2016; Unertl, N., Walter Kaskel (1882-1928), 2018; Richardi, R., Arbeitsrecht im Wandel der Zeit – Chronik des deutschen Arbeitsrechts, 2019

Arbeitsverfassung →Arbeitsrecht

Arbeitsvertrag (Wort) 1793) ist der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die entgeltliche Leistung von →Arbeit geschlossene →Vertrag. Anfangs individuell ausgehandelt wird sein Inhalt unter Einschränkung der individuellen Vertragsfreiheit zunehmend kollektiv gestaltet (Tarifvertrag). Seit 1995 wird grundsätzlich die Schriftform angestrebt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Lotmar, P., Der Arbeitsvertrag, 2. A. hg. v. Rehbinder, M., 2001; Europäisches Arbeitsvertragsrecht, hg. v. Molitor, E. u. a., 1928ff.; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht im deutschen Mittelalter, 1934; Schmieder, E., Geschichte des Arbeitsrechts im deutschen Mittelalter, 1939; Gellbach, H., Arbeitsvertragsrecht der Fabrikarbeiter im 18. Jahrhundert, 1939; Kaiser, A., Zum Verhältnis von Vertragsfreiheit und Gesellschaftsordnung während des 19. Jahrhunderts, insbesondere in den Auseinandersetzungen über den Arbeitsvertrag, 1972; Söllner, A., Der industrielle Arbeitsvertrag in der deutschen Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, (in) Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 288; Vietinghoff-Scheel, E. v., Gewerbliche Arbeitsverhältnisse in Preußen, Diss. jur. Göttingen 1972; Ebert, K., Der industrielle Arbeitsvertrag in der österreichischen Gesetzgebung und Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 92 (1975), 143; Söllner, A., Entwicklungslinien im Recht des Arbeitsverhältnisses, (in) NS-Recht in historischer Perspektive, hg. v. Institut für Zeitgeschichte, 1981, 135; Alonso Olea, M., Von der Hörigkeit zum Arbeitsvertrag, 1981; Wild, T., Die Entwicklung des Gesamtarbeitsvertragsrechts, 1984; Klippel, D., Der Lohnarbeitsvertrag in Naturrecht und Rechtsphilosophie, (in) Geschichtliche Rechtswissenschaft, hg. v. Köbler, G., 1990; Entwürfe zu einem deutschen Arbeitsvertragsgesetz mit dem Arbeitsgesetzbuch der DDR von 1990 und dem österreichischen Entwurf einer Teilkodifikation des Arbeitsrechts von 1960, hg. v. Ramm, T, 1992; Becker, M., Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis, 1995; Thiele, A., Die Auflösung von Arbeitsverhältnissen, 2000; Becker, M., Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis während der Weimarer Republik und in der Zeit des Nationalsozialismus, 2005; Bausback, M., Der Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Totseva, M., Grundlagen der Arbeitsvertragstheorie im 19. Jahrhundert in Deutschland und England, 2013

Arbeitszeit ist die für →Arbeit aufzuwendende Zeit des Arbeitnehmers. Ihre Bestimmung ist Ausfluss der Verrechtlichung des Arbeitsverhältnisses. In dem Zug der Industrialisierung verlängert sich die A. durch Wegfall von Feiertagen erkennbar (um 20 Prozent?). An dem 23. 11. 1918 wird in dem →Deutschen Reich der Achtstundentag angeordnet und an dem 21. 12. 1923 die A. durch die Arbeitszeitordnung sowie 1994 durch das Arbeitszeitrechtsgesetz allgemein geregelt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bischoff, S., Arbeitszeitrecht in der Weimarer Republik, 1987; Grabherr, S., Das Washingtoner Arbeitszeitübereinkommen von 1919, 1992; Voth, H., Time and Work in England 1750-1830, 2000

arbiter (lat. [M.]) Schiedsrichter, →Schiedsgericht

Lit.: Kampmann, C., Arbiter und Friedensstiftung, 2001

arbiträr (Adj.) willkürlich, nach Ermessen (z. B. Strafe [lat. poena arbitraria], möglich nach der Constitutio Criminalis Carolina 1532, ausgedehnt durch Benedikt Carpzov 1595-1666, eingeschränkt durch das Strafgesetzbuch Josephs II. von 1787 bzw. das Strafgesetzbuch Bayerns von 1813).

Arbitrium (lat. [N.]) Ermessen, Gutachten, Entscheid, Schiedsspruch

Lit.: Meccarelli, M., Arbitrium iudicis und officialis im ius commune, ZRG GA 115 (1998), 552

archaisch (Adj.) altertümlich (anschaulich, einfach, mündlich)

Archäologie (Altertumskunde) ist die Wissenschaft von den gegenständlichen Hinterlassenschaften (z. B. Bauwerke, Geräte, Münzen, Knochen) von Menschen, die bei günstigen Voraussetzungen auch ethnische Unterschiede (z. B. in dem Frühmittelalter) wahrscheinlich machen kann. In Gegensatz zu der allgemeinen Geschichtswissenschaft erbringt sie durch Ausgrabung immer noch eine ständig wachsende Befundmenge.

Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Niemeyer, H., Einführung in die Archäologie, 3. A. 1983; Enzyklopädie der Archäologie, hg. v. Daniel, G., 1996; Fehring, G., Die Archäologie des Mittelalters, 3. A. 2000; Sinn, U., Einführung in die klassische Archäologie, 2000; Halle, U., Die Externsteine sind bis auf weiteres germanisch!, 2002; Hölscher, T., Klassische Archäologie – Grundwissen, 2002, 2. A. 2006, 3. A. 2008, 4. A. 2015; Martini, W., Sachwörterbuch der klassischen Archäologie, 2003; Bäbler, B., Archäologie und Chronologie, 2004; Die Aktualität des Archäologischen, hg. v. Ebeling, K. u. a., 2004; Frommer, S., Historische Archäologie, 2007; Eberhardt, G., Spurensuche in der Vergangenheit, 2010; Ickerodt, U., Einführung in das Grundproblem des archäologisch-kulturhistorischen Vergleichens und Deutens, 2010; Große Enzyklopädie der Archäologie, hg. v. Aedeen, C., 2013; Graben für Germanien, hg. v. Gocke-Mueseum u. a., 2013; Militärische Schichten der Kulturlandschaft, hg. v. Konold, W. u. a., 2014; Theune, C., Archäologie an Tatorten des 20. Jahrhunderts, 2014; Solnhofen – Ein Fenster in die Jurazeit, hg. v. Arratia, G. u. a., 2015; Cline, E., Biblische Archäologie, 2016; Parzinger, H., Abenteuer Archäologie, 2016; Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, hg. v. Scholkmann, B. u. a., 2016

Archidiakon ist seit etwa 365 der Leiter der →Diakone einer Bischofskirche, der sich zu demStellvertreter des →Bischofs entwickelt, ehe er bis zu dem 19. Jahrhundert weitgehend verschwindet.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Reinhardt, R., Das Archidiakonat auf dem Konzil von Trient, ZRG KA 61 (1975), 84

Archipresbyter ist der seit Anfang des 5. Jahrhunderts nachweisbare Stellvertreter des →Bischofs bei Messfeier und Spendung der Sakramente, in dem frühen Mittelalter der Leiter der Priester einer Taufkirche.

Lit.: Faure, J., L’archiprêtre, 1911

Archiv ist die Einrichtung zu der (geordneten) Sammlung und Aufbewahrung sowie Verwertung von Schriftgut (z. B. Akten, Urkunden, Karten, Pläne, Bilder, Dateien, Programme). Archive sind bereits in der Antike dort vorhanden, wo (umfangreiches) Schriftgut anfällt. Hieran schließt sich seit dem 3. Jahrhundert die christliche Kirche an, deren frühmittelalterliches Schriftgut gleichwohl zu großen Teilen verloren ist. In dem weltlichen Bereich werden Archive mit dem 12. Jahrhundert sichtbar. Für das Heilige römische Reich setzt eine dauerhafte zentrale Archivierung erst mit König bzw. Kaiser Maximilian an dem Übergang zu der Neuzeit ein. Allgemeiner für die Forschung geöffnet wird das A. in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Das Hauptproblem der Gegenwart ist die große Menge des Schriftguts, das nach dem Grundsatz der Archivwürdigkeit von wissenschaftlich ausgebildeten Archivaren (München 1821, Marburg 1894) gesichtet werden muss.

Lit.: Köbler, DRG 105, 145; Goldinger, W., Geschichte des österreichischen Archivwesens, 1957; Schellenberg, T., Akten- und Archivwesen, 1961; Kleinau, H., Übersicht über die Bestände des niedersächsischen Staatsarchivs in Wolfenbüttel, 1963; Meisner, H., Archivalienkunde, 1969; Papritz, J., Archivwissenschaft, 1976; Gesamtarchiv Schenk von Stauffenberg, Herrschaft Wilflingen, hg. v. Becker, O., 1981; Archiv der Freiherren von Woellwarth. Urkundenregesten 1359-1840, bearb. v. Hofmann, N., 1991; Die Bestände des Generallandesarchivs Karlsruhe, Teil 7 Spezialakten der badischen Ortschaften (229), bearb. v. Rupp, R., 1992; Franz, E., Einführung in die Archivkunde, 4. A. 1993, 5. A. 1999, 8. unv. A. 2010; Gaisberg-Schöckingensches Archiv, bearb. v. Müller, P., 1993; Füchtner, J., Quellen rheinischer Archive zur neuzeitlichen Personen- und Familiengeschichte, 1995; Bayerisches Hauptstaatsarchiv, red. Liess, A., 1996; Musial, T., Staatsarchive im Dritten Reich, 1996; Strauch, D., Das Archivalieneigentum, 1998, 2. A. 2014; Weiser, J., Geschichte der preußischen Archivverwaltung, 2000; Handbuch der bayerischen Archive, hg. v. bayerischen Archivtag, 2001; Die archivalischen Quellen, hg. v. Beck, F. u. a., 2002, 4. A. 2004, 5. A. 2012; Brenner-Wilczek, S. u. a., Einführung in die moderne Archivarbeit, 2006; Schoch, F. u. a., Archivgesetz, 2007; Schenk, D., Kleine Theorie des Archivs, 2008, 2. A. 2014; Schreyer, H., Das staatliche Archivwesen der DDR, 2008; Les archives dans l’université, hg. v. Robert, O., 2009; Staatliche Archive als landeskundliche Kompetenzzentren, hg. v. Kretzschmar, R., 2010; Archivische Informationssysteme, hg. v. Maier, G. u. a., 2010; Rechtsfragen der Nutzung von Archivgut, hg. v. Rehm, C. u. a., 2010; Archivpflege und Archivalienschutz. Das Beispiel der Familienarchive und „Nachlässe“, hg. v. d. Generaldirektion, 2011; Gewalt der Archive, hg. v. Weitin, T., 2012; Wimmer, M., Archivkörper, 2012; Vogt, A., Archivführer zur Wissenschaftsgeschichte, 2013; Stadtgedächntis Stadtgewissen Stadtgeschichte, 2013; Friedrich, M., Die Geburt des Archivs, 2013; Hochedlinger, M., Österreichische Archivgeschichte, 2013; Henning, E., Archivalien und Archivare Preußens, 2013; Adelsarchive in der historischen Forschung, hg. v. Franke, C. 2014; Müller, P., Die neue Geschichte aus dem alten Archiv, HZ 299 (2014), 36; Massenakten – Massendaten. Rationalisierung und Automatisierung im Archiv, hg. v. Deecke, K. u. a., 2018; Winter, T., Die deutsche Archivwissenschaft und das Dritte Reich, 2018

Arco

Lit.: Waldstein-Wartenberg, B., Geschichte der Grafen von Arco, 1971

Arelat (N.) Gebiet bzw. Reich um Arles in Burgund in dem Mittelalter

Arenga ist die der spätrömischen Rhetorik entstammende Einleitungsformel mittelalterlicher Urkunden, die mit meist sehr allgemeinem Inhalt von dem Protokoll (Urheber, Empfänger u. s. w.) zu demText (Inhalt) überleitet.

Lit.: Fichtenau, H., Arenga, 1957; Zwierlein, S., Studien zu den Arengen in den urkunden Kaiser Ludwigs des Frommen (814-840), 2016 (etwa drei Viertel der Urkunden haben Arengen, große Variationsbreite auf Grund souveräner Sprachfertigkeit)

argentarius (lat. [M.]) Bankier, →receptum (argentarii)

Ärgere Hand (lat. conditio [F.] vilior) ist die Kurzfassung des aus dem Grundsatz der Ebenburt (→Ebenbürtigkeit) an manchen Stellen folgenden mittelalterlichen Rechtssatzes, dass Kinder aus Ehen von Angehörigen unterschiedlicher Stände dem Stand des schlechter geborenen Elternteils angehören. Dieser Grundsatz nimmt vielleicht seinen Ausgang bei Ehen zwischen Unfreien und Freien. Mit der Durchsetzung der Gleichheitsidee (1789) verliert er seine Bedeutung.

Lit.: Hübner 104; Kroeschell, DRG 1; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau und der Kinder, 1912; Binder-Krieglstein, R., Österreichisches Adelsrecht, 2000

Arglist (Wort um 1000, arglistig um 1300) ist die hinterhältige Gesinnung. In dem klassischen römischen Schuldrecht verletzt jedes auf A. (lat. dolus [M.] malus) beruhende Verhalten ohne weiteres die Vertragstreue, so dass die Einrede (lat. [F.] exceptio) der A. auch ohne besondere Vereinbarung offensteht. In der Neuzeit bewirkt A. bei Täuschung die Anfechtbarkeit der dadurch beeinflussten Willenserklärung und kann arglistige Täuschung Strafbarkeit wegen Betrugs nach sich ziehen.

Lit.: Kaser § 8 V; Köbler, DRG 42, 49; Braun, F., Ohne Arglist, ZRG GA 54 (1934), 246; Raschke, M., Der Betrug im Zivilrecht, 1900; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Arianer ist der Angehörige der 325 auf dem Konzil von Nizäa verworfenen Lehre des alexandrinischen Priesters Arius, nach der Christus Gott nicht wesensgleich ist. Goten, Vandalen und Langobarden sind bis in das 6. Jahrhundert A., die Franken dagegen von Anfang an Athanasianer.

Lit.: Courtois, C., Les Vandales et L’Afrique, 1955; Meslin, M., Les Ariens, 1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Arianism, hg. v. Berndt, G. u. a., 2014

Arier ist der Angehörige eines arisch (indoiranisch) sprechenden, seit der Mitte des 2. Jt. v. Chr. geschichtlich nachweisbaren, auf die →Indogermanen zurückführbaren Volkes. Seit dem 19. Jahrhundert wird zunächst A. mit Indogermane gleichgesetzt und dann allmählich A. als Angehöriger der nordischen →Rasse verstanden. In dem Dritten Reich bedeutet A. in antijüdischer Veränderung den Nichtjuden.

Lit.: Bajohr, F., „Arisierung“ in Hamburg, 1997

Arimanne (Heermann, lat. [M.] exercitalis) ist bei den Langobarden in dem Frühmittelalter der vollfreie Krieger, insbesondere möglicherweise der auf Königsland angesiedelte, dem König verpflichtete Krieger. Unklar sind die Bezüge zu einer von dem 10. bis zu dem 13. Jahrhundert belegten Abgabe arimannia.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Cavanna, A., Fara sala arimannia, 1967; Jarnut, J., Beobachtungen zu den langobardischen arimanni und exercitales, ZRG GA 88 (1971), 1; Jarnut, J., Prosopographische und sozialgeschichtliche Studien zum Langobardenreich in Italien, 1972; Strukturen und Wandlungen der ländlichen Herrschaftsformen vom 10. zum 13. Jahrhundert, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2000

Arisierung ist in dem Dritten Reich (Adolf →Hitlers) die überwiegend rechtswidrige Verdrängung der →Juden aus dem Berufsleben und der Wirtschaftstätigkeit des Deutschen Reiches (u. a. Verordnungen von dem 26. 4. 1938, 25. 11. 1941), die nach 1945 nur teilweise ausgeglichen wird.

Lit.: Elsner von der Malsburg, M., „Arisierung“ von Privatbanken am Beispiel des Bankhauses E. J. Meyer in Berlin, 2015

Aristokratie (F.) Adelsherrschaft, Adel (im Gegensatz zu Monarchie und Demokratie sowie auch zu Oligarchie)

Aristoteles (Stageira 384 v. Chr.-Chalkis/Euböa 322 v. Chr.) Schüler Platos

Lit.: Jaeger, W., Aristoteles, 1923; Düring, I., Aristoteles, 1966; Christian Readings of Aristitle, hg. v. Bianchi, L., 2011; Flashar, H., Aristoteles. Lehrer des Abendlandes 2013; The Cambridge Companion to Aristotle’s Politics, 2013

Arktis

Lit.: Saxinger, G. u. a., Arktis und Subarktis. Vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert. 2017.

Armenier ist der Angehörige des armenisch sprechenden, indogermanischen Volkes (10,4 Millionen), das zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Türken bekämpft wird.

Lit.: Der Genozid an den Armeniern, hg. v. Kieser, H. u. a., 2006; Hosfeld, R., Tod in der Wüste, 2015

Armenrecht ist die einstweilige Befreiung einer armen (unbemittelten) Partei von den Kosten eines Rechtsstreits. Sie ist eine besondere Ausprägung der Bevorzugung wegen Armut, wie sie bereits von der mittelalterlichen Kirche gefordert wird. Sie findet sich etwa in der Kammergerichtsordnung bzw. Reichskammergerichtsordnungen von 1471 (§ 7), 1495 (§ 27), 1555 (1, 41) oder in der Constitutio Criminalis Carolina (Art. 47 CCC). In Deutschland wird 1980 das A. durch die →Prozesskostenhilfe (1981 §§ 114ff. ZPO) ersetzt.

Lit.: Köbler, DRG 155, 263; Schott, C., Armenfürsorge, Bettelwesen und Vagantenbekämpfung in der Reichsabtei Salem, 1978; Mollat du Jourdin, M., Die Armen in dem Mittelalter, 2. A. 1987; Scherner, K., Arme und Bettler, ZNR 1988, 129; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991; Krauß, M., Armenwesen und Gesundheitsfürsorge in Mannheim vor der Industrialisierung, 1993; Tierney, B., Medieval poor law, 1995; Hippel, W. v., Armut, Unterschichten, Randgruppen in der frühen Neuzeit, 1995, 2. A. 2013; Eser, S., Verwaltet und verwahrt, 1996; Hudemann-Simon, C., L’État et les pauvres, 1997; Hartlief, E., Die Düsseldorfer Armenversorgungsanstalt, Diss. jur. Köln 1998; Wohlrab, K., Armut und Staatszweck im deutschen Naturrecht, 1998; Sachße, C. u. a., Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland, 2. A. 1998; Humborg, M., Das Armenrecht, Diss. jur. Münster 1999; Rosenbaum, U., Liebestätigkeit und Armenpflege in der Stadt Zwickau, 1999; Jütte, R., Arme, Bettler, Beutelschneider, 2000; Gerhold, W., Armut und Armenfürsorge im mittelalterlichen Island, 2002; Armut im Mittelalter, hg. v. Oexle, O., 2004; Armut und Armenfürsorge in der italienischen Stadtkultur, hg. v. Helas, P. u. a., 2006; Being poor in modern Europe, hg. v. Gestrich, A. u. a., 2006; Norm und Praxis der Armenfürsorge in Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. v. Schmidt, S. u. a., 2006; Armenfürsorge und Wohltätigkeit - Ländliche Gesellschaften in Europa 1850-1930, hg. v. Brandes, I. u. a., 2008; Ludyga, H., Obrigkeitliche Armenfürsorge im deutschen Reich, 2010; Wagner, A., Gleicherweiß als wasser, 2011; Formen der Armenfürsorge, hg. v. Clemens, L u. a., 2011; Multrus, D., Armuts- und Fremdheitsdarstellungen, 2011; Schallmann, J., Arme und Armut in Göttingen 1860-1914, 2014; Schneider, B., Christliche Armenfürsorge, 2017

Armesünder ist ursprünglich der in der Kirche bemitleidenswerte Sünder (lat. miser peccator), in der frühen Neuzeit der dem peinlichen Gericht überantwortete Täter, insbesondere wenn er bereits (zum Tod) verurteilt ist.

Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Rechtliche Volkskunde, 1936; Radbruch, G., Elegantiae iuris criminalis, 2. A. 1950, 163

Armut ist das Fehlen durchschnittlicher bzw. zureichender Mittel des Menschen (z. B. haben 2017 800 Millionen Menschen keine genügende Ernährung, etwa 880 Millionen Menschen kein sauberes Trinkwasser, etwa 920 Millionen Menschen keine ausreichende Unterkunft, etwa 2,5 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen und etwa 775 Millionen Menschen keine Lesefähigkeit).

Lit.: Gelobte Armut, hg. v. Heimann, H. u. a., 2012; Gründler, J., Armut und Wahnsinn, 2013; Schallmann, J., Arme und Armut in Göttingen 1860-1914, 2014; Wimmer, F., Die völkische Ordnung von Armut, 2014; Althammer, B., Vagabunden, 2017; Bettler und Vaganten in der Neuzeit (1500-1933), hg. v. Althammer, B. u. a., 2017 (257 Dokumente aus dem deutschen Raum); Beck, V., Eine Theorie der globalen Verantwortung – Was wir Menschen in extremer Armut schulden, 2016 (ohne überzeugenden Änderungsvorschlag)

Arnstein

Lit.: Heinrich, G., Die Grafen von Arnstein, 1961

Arnulfinger ist der Angehörige der nach Bischof Arnulf von Metz benannten Familie der Pippiniden oder späteren Karolinger. Von den Arnulfingern sind (ab etwa 650) 34 Urkunden und ein Brief überliefert (davon elf Fälschungen oder starke Verfälschungen), zu denen 56 verlorene Urkunden hinzuzrechnen sind (90 Privaturkunden) (2011 23 echte Urkunden, ein Brief, 12 mittelalterliche Fälschungen, [vier moderne Fälschungen,] 56 verlorene Urkunden?).

Lit.: Die Urkunden der Arnulfinger, hg. v. Heidrich, I., 2001, vgl. ; Die Urkunden der Arnulfinger, hg. v. Heidrich, I., 2011

arra (lat. [F.]) Angeld, →arrha

Arras

Lit.: Kéry, L., Die Errichtung des Bistums Arras 1093/1094, 1994

Arrest ist die Verhaftung (eines Menschen oder einer Sache) oder Beschlagnahme und insbesondere das Eilverfahren des Zivilprozesses zu der Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung oder wegen eines Anspruchs, der in eine Geldforderung übergeht. In dem römischen Recht fehlt eine solche Einrichtung. Die Bezeichnung A. erscheint seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts in französischen Quellen und wenig später auch in lateinischen Texten (arrestare, arrestum, Frankfurt am Main 1297, Liber Sextus 1298, Sachsenspiegelvulgatfassung um 1340, wissenschaftlich erörtert von Andreas Gaill 1586, David Mevius 1674). Seit dem 17. Jahrhundert verdrängen arrestieren und Arrest allmählich die ältere deutsche Bezeichnung Kummer für ein wohl schon seit dem frühen Mittelalter bekanntes, (nach Hans Planitz aus einem Handhaftverfahren erwachsenes,) seit dem späteren 12. Jahrhundert (Köln 1178, beschleunigtes gerichtliches Verfahren Hagenau 1164) durch Privilegien und Verträge urkundlich bezeugtes Verfahren, bei dem vielleicht anfangs der Personalarrest als außergerichtliche Selbsthilfemaßnahme des Gläubigers in dem Vordergrund steht, aber schon seit dem 13. Jahrhundert von dem Sacharrest zurückgedrängt wird. Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts macht der Gläubiger bei Gericht seinen Anspruch glaubhaft und der Richter ordnet die Anlegung des Arrests (meist bei Gericht) an., wobei erst nach Durchführung eines ordentlichen Verfahrens eine Zwangsvollstreckung erfolgen kann.

Lit.: Köbler, DRG 116, 202; Briegleb, H., Arrest und Kummer - Vermischte Abhandlungen I 1868, 1; Wach, A., Der italienische Arrestprozess, 1868, Neudruck 1973; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, 1879; Rudorff, H., Zur Rechtsstellung der Gäste im mittelalterlichen städtischen Prozess, 1907; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914; Planitz, H., Studien zur Geschichte des deutschen Arrestprozesses, ZRG GA 34 (1913), 49; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914; Planitz, H., Studien zur Geschichte des deutschen Arrestprozesses – Der Fremdenarrest, ZRG GA 39 (1918), 223, 40 (1919), 87; Planitz, H., Grundlagen des deutschen Arrestprozesses, 1922; Mahnke, H., Das Arrestverfahren in den Lübecker Ratsurteilen, Diss. jur. Kiel 1961; Kraß, G., Das Arrestverfahren in Frankfurt am Main, 1996; Rymaszewski, Z., Areszt rzeczy jako zabezpieczenie wierzytelności w miastach Polski średniowiecznej (Der Sacharrest), 2015

Arrha (lat. [F.] arra, arrabon) ist die nach semitischem Vorbild („altorientalischer Arrhalvertrag“) in dem hellenistischen Recht bekannte, im entwickelten römischen Recht entbehrliche Draufgabe (Angeld) bei einem Vertragsschluss. Wer abredeuntreu wird, verwirkt in dem spätantiken Recht als Geber die a. an den Gegner und muss sie als Nehmer in doppelter Höhe zurückgeben. In dem Frühmittelalter (Codex Euricianus 297, Lex Baiwariorum 16, 10, Lex Visigothorum 3, 1, 3-4 [für Verlobung]) soll mit der Hingabe einer Teilleistung ein Vertrag geschlossen worden sein, der vielleicht anfangs nur den Empfänger verpflichtet. Vielfach wird die a. nur als Symbol gegeben, das von den Beteiligten sofort verschenkt oder vertrunken wird. Seit dem Spätmittelalter verliert die auch als Weinkauf (Worms 1498), Angeld (ABGB § 908 [1811]) oder Draufgabe (ALR I 5 § 207 [1794], BGB § 337 [1896/1900]) bezeichnete a. außerhalb des Gesinderechts (Handgeld) ihre schuldbegründende Bedeutung und nähert sich dem →Reugeld. In jedem Fall hat die a. eine gewisse Beweisfunktion.

Lit.: Kaser § 41; Hübner 535ff.; Köbler, DRG 64, 91, 127; Köbler, LAW; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts, 1855; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910; Calogirou, G., Die Arrha im Vermögensrecht, 1911, Neudruck 2013; Gastreich, F., Die Draufgabe, 1933; Siems, H., Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1992

Arrhalvertrag ist der aus dem Orient in das spätrömische Recht eindringende, unter notwendiger Verwendung einer →arrha (Hingabe unter Anrechnung auf die Gesamtleistung oder ohne Anrechnung) entstehende, von dem Formalvertrag und von dem Realvertrag zu trennende →Vertrag.

Lit.: Köbler, DRG 91, 126, 164

Arrogation (F.) Annahme

Lit.: Seelentag, A., Ius pontificium cum iure civili coniunctum - Das Recht der Arrogation in klassischer Zeit, 2014

Ars (F.) dictandi (lat.) ist die seit dem 12. Jahrhundert auftretende Bezeichnung für die Lehre von dem Abfassen von Briefen und Urkunden, die auf Grund der antiken Rhetorik und Grammatik in dem Gefolge der Kirchenreform an dem Anfang des 12. Jahrhunderts in Oberitalien ausgebildet wird ([lat.] Praecepta [N.Pl.] dictamina 1111?).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Rockinger, L., Über Briefsteller und Formelbücher, 1861; Schmale, F., Die Bologneser Schule der ars dictandi, DA 13 (1967); Schaller, D., Baldwin von Viktring, DA 35 (1979); Hartmann, F., Ars dictaminis, 2013

Ars (F.) notaria (lat.) ist die auf Grund antiker Vorläufer an dem Beginn des 13. Jahrhunderts (ars notaria 1221) in Oberitalien (Bologna) verselbständigte Lehre von der Beurkundung von Rechtshandlungen ([lat.] Formularium [N.] tabellionum 1200/1205, Rainerius Perusinus 1226-1233, Rolandus Passagerii [Summa Rolandina, 1255ff.]).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Anselmi, A., Le scuole di notariato in Italia, 1926

Artes (F.Pl.) liberales (lat., Sg. ars liberalis) sind die in der römischen Antike auf der Grundlage der griechischen Philosophie von Bürgern gepflegten Wissenschaftsfächer (Grammatik, Rhetorik, Dialektik als sog. Trivium, Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik als sog. Quadrivium), die in dem Mittelalter den Gegenstand der artistischen Fakultät der Universität bilden (schätzungsweise 200000 Studierende in Deutschland in dem Mittelalter ohne späteren Übertritt in eine der drei höheren Fakultäten, 50-70 Prozent ohne Graduierung).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Meyer, G., Die sieben freien Künste im Mittelalter, 1886; Glorieux, P., La faculté des arts et ses maîtres aux XIIIe siècle, 1971; Curtius, E., Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, 9. A. 1978; Englisch, B., Die artes liberales im frühen Mittelalter, 1994; Artisten und Philosophen, hg. v. Schwinges, R., 1999; Haage, B./Wegner, W., Deutsche Fachliteratur der artes in Mittelalter und früher Neuzeit, 2007

Articuli (M.Pl.) reprobati (lat., Sg. articulus reprobatus) sind die von Papst Gregor XI. an dem 8. 4. 1374 auf Betreiben des Augustinermönchs Johannes →Klenkok (Dekadikon, Magdeburg 1369) ohne wesentliche Auswirkung für nichtig erklärten 14 Artikel des →Sachsenspiegels, die kirchliches Verfassungsrecht (Landrecht I 3 § 3, III 57 § 1, III 63 § 2), Verfahrensrecht (Landrecht I 18 §§ 2, 3, I 39, I 63 § 3, I 64, II 12 § 10) und Privatrecht (Landrecht I 6 § 2, I 37, I 52 §§ 1, 2) betreffen.

Lit.: Köbler, DRG 117; Homeyer, C., Johannes Klenkok wider den Sachsenspiegel, Abh. d. Ak. d. Wiss. Berlin, phil.-hist. Kl. 1855, 1856, 377; Böhlau, H., Zur Chronologie der Angriffe Klenkoks, ZRG GA 4 (1883), 118; Brünneck, W. v., Zur Geschichte der articuli reprobati im Ermlande, ZRG GA 31 (1910), 426; Kirche und Staat, hg. v. Eichmann, E., Bd. 2 1914, Neudruck 1968, 159ff.; Kullmann, J., Klenkok und die „articuli reprobati“ des Sachsenspiegels, Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Oppitz, K., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 28; Der Sachsenspiegel als Buch, hg. v. Schmidt-Wiegand, R. u. a., 1991; Ocker, C., Johannes Klenkok, 1993

articulus (lat. [M.]) Artikel

Artikel (M.) Gliedchen, Abschnitt

Artikelbrief ist der in Abschnitte gegliederte Brief (z. B. Dienstvertrag für Söldner, Kriegsartikel, Zunftbrief, Forderungen der Bauern 1525).

Lit.: Pelz, S., Die preußischen und reichsdeutschen Kriegsartikel, Diss. jur. Hamburg 1979; Seebass, G., Bundesordnung und Verfassungsentwurf, 1988

Artikelprozess ist der in dem Spätmittelalter entwickelte römisch-kanonische Zivilprozess, bei dem der Kläger nach der Erhebung der Klage und nach Durchführung der Streitbefestigung seinen Vortrag in scharf abgegrenzte Behauptungen einzelner Tatsachen ([lat. F.Pl.] positiones [bzw. articuli]) zerlegen (wahr, dass) und der Beklagte dazu einzeln Antworten ([lat. F.Pl.] responsiones, glaubt wahr bzw. glaubt nicht wahr) geben muss, so dass sich (aus diesen auch als Artikel bezeichneten Positionen und Responsionen) leicht(er) das Bestrittene und von dem Kläger zu Beweisende ermitteln lässt. Der A. wird bereits von der Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1496 (Art. 12, ähnlich 1555, 1570) übernommen, wegen seiner Schwerfälligkeit unter dem Einfluss des sächsischen Prozesses durch den jüngsten Reichsabschied von 1654 aber bis auf die noch in dem 19. Jahrhundert erlaubten Beweisartikel wieder aufgegeben (vgl. aber Obliegenheit der Darlegung der Bestrittenheit oder Nichtbestrittenheit von Tatsachen für den Beklagten der Gegenwart).

Lit.: Linde, v., Lehrbuch des deutschen gemeinen Zivilprozesses, 7. A. 1850; Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses, 1861, 3. A. 1878; Budischin, J., Der gelehrte Zivilprozess, 1974; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977; Oestmann, P., Rechtsvielfalt vor Gericht, 2002; Lepsius, S., Von Zweifeln zur Überzeugung, 2003

Artushof ist das von dem sagenhaften britischen König Artus (um 500) abgeleitete gesellschaftliche Bürgernetzwerk in Hansestädten (z. B. Danzig 1350) bzw. das ihm dienende Gebäude.

Lit.: Selzer, S., Artushöfe im Ostseeraum, 1996

Arumaeus (van Arum), Dominikus (Leeuwarden 1579-Jena 24. 2. 1637) wird nach Studien in Franeker, Oxford, Rostock und Jena dort 1600 promoviert und 1602 zu einem außerordentlichen Professor (1605 ordentlicher Professor) ernannt. Er begründet die sich an deutschen Quellen ausrichtende, methodisch gemeinrechtlich arbeitende Reichsstaatsrechtslehre, innerhalb deren er das Reich als eine ständisch mitbestimmte Monarchie ansieht.

Lit.: Arumaeus, D., Commentarius de comitiis Romano-Germanici Imperii, 1630; Hoke, R., Die Reichsstaatsrechtslehre des Johannes Limnaeus, 1968; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988; Friedrich, M., Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, 1997

Arzt ist der wissenschaftlich vorgebildete Heilkundige.

Lit.: Niederhellmann, A., Arzt und Heilkunde in den frühmittelalterlichen Leges, 1983; Täterschaft, Strafverfolgung, Schuldentlastung, hg. v. Böhm, B. 2007; Laufs, A./Katzenmeier, C./Lipp, V., Arztrecht, 6. A. 2009; Tascher, G., Staat, Macht und ärztliche Berufsausbildung 1920-1956, 2010; Höftmann, D., Der Vergütungsanspruch des Kassenarztes, 2013; Polianski, I., Das Schweigen der Ärzte, 2015; Häberlein, M. u. a., Adalbert Friedrich Marcus (1753-1816) – ein Bamberger Arzt, 2016; McGrath, C., The Development of Medical Liability in Germany 1800-1945, 2019

As (lat. [N.]) ist eine römische Geldeinheit.

Asega ist eine Figur der (hoch)mittelalterlichen altfriesischen (Hunsigoer, Emsigoer, Fivelgoer, Rüstringer und Westerlauwerschen) Rechtsquellen (17 Küren und 24 Landrechte), deren Alter (vorfränkisch?, nachkarolingisch?) und Bedeutung (Gesetzessprecher?, Urteilsfinder?, Rechtskenner) umstritten sind.

Lit.: Jaekel, H., Abba, asega und redjeva, ZRG GA 27 (1906), 114; Gerbenzon, P., Der altfriesische asega, der altsächsische eosago und der althochdeutsche esago, TRG 41 (1973), 75; Köbler, G., Zu Alter und Herkunft des friesischen asega, TRG 41 (1973), 93

Asien ist der von Europa bis zu demPazifik reichende, u. A. Indogermanen, Mongolen, Chinesen und Japaner beherbergende Kontinent.

Lit.: Nissen, H., Geschichte Altvorderasiens, 1999, 2. A. 2013; Krieger, M., Geschichte Asiens, 2003; Mann, M., Geschichte Südasiens 1500 bis heute, 2010; Reid, A., A History of Southeast Asia, 215; Ostasiatisches Strafrecht, hg. v. Hilgendorf, E., 2010; Cunliffe, B., 10000 Jahre. Geburt und Geschichte Eurasiens, 2016; Goscha, C., Vietnam – A New History, 2016; Gilbert, M., South East Asia in World History, 2017; Thomsen, C., Burchards Bericht über den Orient – Reiseerfahrungen eines staufischen Gesandten im Reich Saladins 1175/7776, 2018; Schulte Nordholt, H., Südostasien, 2018; Afghanistan endlos, hg. v. Pilar, D., 2019 (Bildband); Mark, R., Händler, Forscher, Invasoren – Russland und Zentralasien 1000-1900, 2020

Askanier ist der Angehörige eines ursprünglich alemannisch-fränkischen Geschlechts, das um 1000 an dem Harz erscheint. Unter Albrecht dem Bären († 1170) betreibt es die Ostsiedlung und erwirbt 1180 das Herzogtum Sachsen (Gebiet um Wittenberg). Die brandenburgischen Güter der A. fallen 1319 an die →Wittelsbacher, die wittenbergischen 1422 (mit der 1356 in der Goldenen Bulle gesicherten Kurfürstenwürde) an die →Wettiner und die lauenburgischen 1689 an die →Welfen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon; Diederichs, A., Erbe und Erben Albrechts des Bären, VuG 28 (1938); Schmidt, E., Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Marcus, P., Herzog Bernhard von Anhalt, 1993; Partenheimer, L., Albrecht der Bär, 2001

assecuratio (lat. [F.]) →Versicherung

Assekuranz ist die wohl in dem 17. Jahrhundert aus Italien übernommene, in dem 19. Jahrhundert verdrängte Bezeichnung für die →Versicherung.

Assessor ist in der Spätantike der Rechtsberater hoher Amtsträger, seit dem 15. Jahrhundert (?) der rechtsgelehrte Beisitzer eines Gerichts (z. B. des königlichen Kammergerichts oder seit 1495 des Reichskammergerichts), seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Anwärter auf eine feste Anstellung in dem höheren Staatsdienst.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 153; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911; Jahns, S., Das Reichskammergericht und seine Richter, Bd. 1f. 2003ff.; Mader, E., Die letzten Priester der Gerechtigkeit, 2005

Assise (mlat. [F.] assisa) ist die Versammlung und die Gesamtheit der dort beschlossenen Rechtssätze vor allem in Frankreich und England (z. B. Assise regum regni Sicilie [von Ariano] 1140, Assise sur la ligece um 1165, Assize of Clarendon 1166 Assize of novel disseisin, Assize of Northampton 1176, Grand Assize 1179, Assize of Woodstock 1184). In England entwickelt sich daraus die Laienjury, die in Frankreich nach 1789 übernommen wird. Demgegenüber sind die Assisen von Jerusalem private Sammlungen von Abhandlungen über das Recht des Königreichs Jerusalem und Zyperns in französischer Sprache des 13. Jahrhunderts.

Lit.: Köbler, DRG 108; Stenton, D., The Earliest Northamptonshire Assize Rolls, 1940; Grandclaude, M., Étude critique sur les livres des Assizes de Jérusalem, 1923; Dilcher, H., Normannische Assisen und römisches Recht, 1966; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser Friedrichs II., 1975; Jenks, S., Die Assisen von Clarendon (1166) und Northampton (1176), Ius commune 21 (1994), 149

Asso y del Río, Ignacio (1742-1804) begründet 1771 mit den (span.) Instituciones (F.Pl.) del derecho civil de Castilla ein aus partikularer Rechtssatzung schöpfendes, neben das römische Recht tretendes gemeines spanisches (kastilisches) Privatrecht, das begrifflich und systematisch noch römischrechtlich geprägt ist.

Lit.: Mora, C., Vida y obra de Don Ignacio de Asso y del Río, 1972

Assyrer ist der Angehörige des in dem vorderen Orient (mittleres und nördliches Zweistromland bzw. Irak) von dem 2. Jahrtausend v. Chr. an bedeutenden, das semitische Akkadische sprechenden, in dem späten 7. Jahrhundert v. Chr. den Medern und Persern unterliegenden Volks.

Lit.: Chicago assyrian Dictionary, Bd. 1ff. 1921ff. (21 Bände mit 10000 S.); Cancik-Kirschbaum, E., Die Assyrer, 2003

Asyl (N.) unverletzlich(er Ort), Zuflucht →Asylrecht

Asylrecht ist das Recht der geschützten Zuflucht (politisch) Verfolgter. In griechischer und späterer römischer Zeit besteht das sakral-magisch geprägte Recht, einem Täter an einem heiligen Ort vorübergehend Schutz zu gewähren, für Tempel und wird von dort in dem 5. Jahrhundert auf christliche →Kirchen übertragen. Ob eine ähnliche Einrichtung auch den Germanen bekannt ist, lässt sich nicht feststellen. Die wohl durch römisch-christliches Vorbild geprägte karolingische Zeit schränkt das A. auf noch nicht verurteilte Täter und auf bestimmte Fristen ein. Örtlich wird später die Möglichkeit des Asylrechts auf Friedhof, Kloster, Pfarrhaus, Richterhaus u. s. w. erweitert. Der neuzeitliche Staat schafft das A. bis zu demEnde des 18. Jahrhunderts als geordneter Rechtspflege entbehrlich bzw. entgegenstehend ab (Frankreich 1539, England 1625, Österreich 1787). Danach gewährt er aber selbst politisch Verfolgten Schutz vor Verfolgung in einem Verfolgerstaat (Art. 16 GG 1949).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 259; Bindschedler, R., Kirchliches Asylrecht (Immunitas ecclesiarum localis) und Freistätten in der Schweiz, 1906; Mittermaier, H., Die geschichtliche Entwicklung des Asylrechts, Diss. jur. München 1950; Henßler, O., Formen des Asylrechts, 1954; Kimminich, O., Die Geschichte des Asylrechts, 1978; Siems, H., Zur Entwicklung des Kirchenasyls, (in) Libertas, 1991, 139; Reiter, H., Politisches Asyl im 19. Jahrhundert, 1992; Theler, J., Asyl in der Schweiz, 1995; Gamauf, R., Ad statuam licet confugere, 1999; Backsmann, K., Das Asylrecht in Preußen, Diss. jur. Bonn 2000; Fruscione, D., Das Asyl bei den germanischen Stämmen im frühen Mittelalter, 2003; Bammann, K., Im Bannkreis des Heiligen, 2002; Das antike Asyl, hg. v. Dreher, M., 2003; Derlien, J., Die religiöse und rechtliche Begründung der Flucht zu sakralen Orten, 2003; Traulsen, C., Das sakrale Asyl in der alten Welt, 2004; Shoemaker, K., Sanctuary and Crime, 2011

Aszendent (M.) Verwandter in aufsteigender Linie (z. B. Vater, Großmutter, Urgroßtante), Gegensatz Deszendent

Atheismus (M.) Gottlosigkeit bzw. „Ungöttigkeit“

Lit.: Welteke, D., Der Narr spricht: Es ist kein Gott. Atheismus, Unglauben und Glaubenszweifel, 2011; Der neue Atheismus, hg. v. Zager, W., 2017

Athen ist der griechische, seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. erkennbare Stadtstaat in Attika, in dem Drakon (624) und Solon (594) gesetzgeberisch tätig werden. 508/507 geht A. zu der →Demokratie über. In dem 4. vorchristlichen Jahrhundert könnte A. rund 30000 erwachsene Bürger gehabt haben. In den Gerichten geht es weniger um Recht und mehr um Öffentlichkeit für Streit um Ehre. 338 wird A. von Makedonien besiegt. 86 v. Chr. fällt es unter Sulla an die Römer, 1456 an die Osmanen (Türken). Nach dem griechischen Befreiungskampf wird es 1834 Hauptstadt Griechenlands und erhält 1837 eine Universität.

Lit.: Lipsius, J., Das attische Recht, Bd. 1ff. 1905ff., Neudruck 1984; Meyer-Laurin, H., Gesetz und Billigkeit im attischen Prozess, 1965; Wolff, H., „Normenkontrolle“ und Gesetzesbegriff, 1970; Mac Dowell, D., The Law in Classical Athens, 1978, 4. A. 1995; Bötig, K., Athen, 3. A. 1981; Rhodes, P., The Athenian Boule, 2. A. 1985; Welwei, K., Athen, 1992; Bleicken, J., Die athenische Demokratie, 2. A. 1994; Die athenische Demokratie, hg. v. Eder, W., 1995; Hansen, M., Die athenische Demokratie, 1995; Habicht, C., Athen, 1995; Cohen, D., Democracy and individual rights in Athens, ZRG RA 114 (1997), 27; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Lehmann, G., Oligarchische Herrschaft im klassischen Athen, 1997; Figueira, T., The Power of Money, 1998; Hurwit, J., The Athenian Acropolis, 1999; Welwei, K., Das klassische Athen, 1999; Funke, P., Athen in klassischer Zeit, 1999; Dreyer, B., Untersuchungen zur Geschichte des spätklassischen Athen, 1999; Knell, H., Athen im 4. Jahrhundert, 2000; Große Prozesse im antiken Athen, hg. v. Burckhardt, L./Ungern-Sternberg, J. v., 2000; Law and Social Status in Classical Athens, hg. v. Hunter, V. u. a., 2000; Cohen, E., The Athenian Nation, 2000; Dreher, M., Athen und Sparta, 2001; Wilson, P., The Athenian Institution of the Khoregia, 2002; Tießler-Marenda, E., Einwanderung und Asyl bei Hugo Grotius, 2002; Demokratie, Recht und soziale Kontrolle im klassischen Athen, hg. v. Cohen, D., 2002; Schulz, R., Athen und Sparta, 2003, 5. A. 2015; Pabst, A., Die athenische Demokratie, 2003; Schubert, C., Athen und Sparta, 2003; Goette, H./Hammerstaedt, J., Das antike Athen, 2004; Sinn, U., Athen, 2004; Flaig, E., Der verlorene Gründungsmythos der athenischen Demokratie, HZ 279 (2004), 36; Lanni, A., Law and Justice in the Courts of Classical Athens, 2006; Karakostas, I., König Otto, die Otto-Universität von Athen und ihre juristische Fakultät, 2007; Ober, J., Democracy and Knowledge, 2008; Lehmann, G., Perikles, 2008; Osborne, R., Athens and the Athenian Democracy, 2010; Stability and Crisis in the Athenian Democracy, hg. v. Herman, G., 2011; Lambert, S., Inscribed Athenian Laws and Decrees 352/2-322/1 BC, 2012, 1; Crowley, J., The Psychology of the Atheniean Hoplite, 2012; Worthington, I., Demosthenes of Athens and the Fall of Classical Greece, 2013; Coşkun, A., Perikles und die Definition des Bürgerrechts im klassischen Athen, HZ 299 (2014), 1; Pritchard, D., Sport, Democracy and War in Classical Athens, 2013; Oetjen, R., Athen im dritten Jahrhundert, 2014; Die athenische Demokratie im 4. Jahrhundert, hg. v. Tiersch, D., 2015; Blok, J., Citizenship in Classical Athens, 2017; Räuchle, V., Die Mütter Athens und ihre Kinder, 2017; The Athenian Constitution written in the school of Aristotle, hg. v. Rhodes, P., 2017; The Oxford Handbook of Thucydides, hg. v. Blot, R. u. a., 2017; Taylor, C., Poverty, Wealth, and Well Being, 2017; Der alte Orient und die Entstehung der athenischen Demokratie, hg. v. Horst, C., 2019

Äthiopien 1974 von Donald Johnson Skelett einer etwa einen Meter großen, 30 Kilo schweren Frau „Lucy“ (benannt nach dem gerade in dem Tranistorradio gepielten Beatleslied Lucy in the Sky with Diamonds) bzw. Dinkenesh (Wundersame) gefunden

Lit.: Dornisch, K., Sagenhaftes Äthiopien, 2015

Atlantik

Lit.: Studies in the Medieval Atlantic, hg. v. Hudson, B., 2012; Zeuske, M., Atlantik und „Atlantic Slavery“, HZ 309 (2019), 411

Atlantikcharta ist die an dem 14. 8. 1941 von dem amerikanischen Präsidenten Wilson und dem britischen Premierminister Churchill auf einem Schiff in dem Atlantik vereinbarte Erklärung über die Grundsätze der Politik (Verzicht auf Aggression, Entwaffnung von Aggressionsstaaten, Selbstbestimmungsrecht der Völker, Gleichberechtigung in dem Welthandel, Freiheit der Meere), die von den Vereinten Nationen übernommen wird.

Atomrecht ist die Gesamtheit der Atome besonders betreffenden Rechtssätze (z. B. Deutschland 23. 12. 1959 Atomgesetz).

Lit.: Winters, K., Atom- und Strahlenschutzrecht, 1978; Geier, S., Schwellenmacht, 2013; Göppner, N., Vorgeschichte und Entstehung des Atomgesetzes vom 23. 12. 1959, 2013; Hohmuth, T., Die atomrechtspolitische Entwicklung in Deutschland seit 1980, 2014; Wehner, C., Die Versicherung der Atomgefahr, 2017; Higginbotham, A., Mitternacht in Tschernobyl – Die geheime Geschichte der größten Atomkatastrophe aller Zeiten, 2019

Attentat ist der gewaltsame Angriff Einzelner auf einen Staat aus politischen Gründen.

Lit.: Kellerhoff, S., Attentäter, 2003; Mühlnikel, M., Fürst, sind Sie unverletzt?, 2014

Aubry, Charles (1803-1883) übersetzt 1838 als Professor in Straßburg zusammen mit Frédéric Charles Rau die vierte Auflage von Karl-Salomon Zachariäs Handbuch des französischen Zivilrechts (1837) aus dem Deutschen ins Französische und entwickelt hieraus in der Folge die führende Darstellung des französischen Privatrechts des 19. Jahrhunderts.

Lit.: Beudant, C./Gaudemet, E., Inauguration d’un moment à la mémoire de Aubry et Rau, 1923

Auctor (lat. [M.]) ist in dem römischen Recht der Vormann eines Gewalthabers einer Sache, auf den sich dieser berufen kann, wenn ein anderer als Eigentümer von ihm die Sache verlangt. Scheitert die Verteidigung durch den a., kann der angegriffene Gewalthaber von dem a. den doppelten Kaufpreis verlangen.

Lit.: Kaser § 25; Söllner § 8; Köbler, DRG 24; Köbler, LAW

auctoritas (lat. [F.]) Ansehen, Zustimmung, (z. B. eines [lat., M.] tutor zu einem Geschäft eines [lat., M.] pupillus bei Vornahme des Geschäfts)

Auctor (M.) vetus de beneficiis (lat.) ist das in lateinischer Reimprosa abgefasste Rechtsbuch mit Grundsätzen des Lehnrechts, das (in wortgetreuer Übersetzung) in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts (um 1300?) die Grundlage des mitteldeutschen →Görlitzer Rechtsbuchs bildet. Es ist streitig, ob der A. v. die Urfassung des Lehnrechts des Sachsenspiegels (oder eine in dem frühen 14. Jahrhundert aus einer deutschen Fassung entstandene lateinische Übersetzung) darstellt oder auf sie unmittelbar zurückgeht. Alle Handschriften sind verschollen. Die Überlieferung besteht in Drucken von 1569 (Havichorst), 1692 (Auszüge, Freher) und 1708 (Thomasius). Möglicherweise enthält der A. v. ursprünglich auch Landrecht in lateinischer Fassung. Der A. v. kennt ein Volljährigkeitsalter von 24 Jahren (I 65), während der Sachsenspiegel in dem Landrecht eine Volljährigkeit von 21 Jahren aufweist (I 42 § 1). Ihm fehlen Sätze späterer Ergänzungen des Sachsenspiegels in jüngeren Bearbeitungsstufen.

Lit.: Köbler, DRG 103; Moeller, R., Noch einmal der Vetus auctor de beneficiis und der Sachsenspiegel, ZRG GA 38 (1917), 309; Eckhardt, K., Die Volljährigkeitsgrenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 4; Auctor vetus de beneficiis, hg. v. Eckhardt, K., 1964; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 27; Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1 1998

Audiatur et altera pars (lat.). Auch die andere Seite muss (gerechterweise stets) gehört werden (vorrömisch, belegt 1580).

Lit.: Rüping, H., Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, 1976; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007; Coenraad, L., Het beginsel van hoor en wederhoor in het Romeinse procesrecht, 2000; Zur Erhaltung guter Ordnung, hg. v. Hausmann, J. u. a., 2000

Auditor (M.) Zuhörer, Hörer

Lit.: Hülle, W., Das Auditoriat in Brandenburg-Preußen, 1971

Aufgebot ist allgemein die öffentliche Aufforderung zu einem Verhalten (z. B. A. zu demHeeresdienst), insbesondere die (mehrfache) öffentliche, vielfach gerichtliche Aufforderung an unbekannte oder an unbekanntem Ort weilende Beteiligte, zwecks Verhinderung eines Rechtsverlusts vor einer beabsichtigten Änderung der Rechtslage Tatsachen anzugeben oder Rechte geltend zu machen. Ähnliche Vorgangsweisen erscheinen bereits in fränkischer Zeit (z. B. bei Vollstreckung in Grundstücke). In dem Mittelalter finden sie vermehrt Anwendung (z. B. bei Aneignung gefundener beweglicher Sachen oder bei der Suche nach unbekannten Erben). Ein A. vor einer Eheschließung fordert nach älteren Ansätzen das vierte Laterankonzil 1215. Mit der Rezeption römischrechtlicher Regelungen entwickelt sich die →Ediktalzitation, bei der jemand binnen einer Frist Klage zu erheben hat, wenn er sein Recht nicht verlieren will. Allgemein geordnet wird das A. in der preußischen →Allgemeinen Gerichtsordnung (1793) und in der deutschen Zivilprozessordnung (1877/1879). Das A. vor einer weltlichen Eheschließung wird in Deutschland und Österreich an dem Ende des 20. Jahrhunderts beseitigt bzw. eingeschränkt.

Lit.: Haase, E., Über Ediktalladungen und Ediktalprozess, 1871; Daude, E., Das Aufgebotsverfahren, 5. A. 1930, VIII

Aufklärung ist allgemein die Aufhellung eines dunkleren Zustands. Unter Bezugnahme auf einen auf Befreiung von nicht vernunftgemäß zu begründenden Ansichten gerichteten Erkenntnisvorgang durch selbständiges unvoreingenommenes Denken wird die gesellschaftskritische Geistesbewegung des 17./18. Jahrhunderts A. genannt (frühe Anfänge in dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts). Vorbereitend hierfür wirken Renaissance, Humanismus und Reformation. Als Denkverfahren werden →Empirismus und →Rationalismus verwendet. Bewusst wird die Einbeziehung immer breiterer Kreise (des Publikums) gesucht. In dem Recht entsprechen dem Gedankengang der A. die Anerkennung eines weltlichen →Naturrechts (→Vernunftrechts), das in die Kodifikationen des →Allgemeinen Landrechts Preußens (1794), des →Code civil Frankreichs (1804) und des →Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs Österreichs (1811/1812) Eingang findet, und die Ablehnung von Folter, Hexenprozess, Leibesstrafen einerseits sowie das Verlangen nach Gewaltenteilung, Teilhabe an der Macht, Grundrechten, Verfassung und Volkssouveränität andererseits. In der Verwaltung entsteht aus der A. die Funktionalität anstrebende Kameralwissenschaft. In der Wirtschaft geht es in der A. um größtmöglichen Wohlstand. Politisch führt die A. zu demaufgeklärten →Absolutismus (Friedrich der Große in Preußen, Joseph II. in Österreich, Großherzog Leopold in Toskana) bzw. zu der Revolution in Frankreich von dem 14. 7. 1789. Die vollständige Umsetzung aller Ziele in politische Handlung gelingt nicht.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 136, 157, 161, 206; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 243; Bayle, P., Dictionnaire historique et critique (Historisches und kritisches Wörterbuch), 1697; Valjavec, F., Geschichte der abendländischen Aufklärung, 1961; Schulze, R., Policey und Gesetzgebungslehre im 18. Jahrhundert, 1982; Bosshard, H., Pestalozzis Staats- und Rechtsverständnis und seine Stellung in der Aufklärung, 1983; Aufklärung, hg. v. Hinrichs, E., 1985; Aufklärung als Politisierung - Politisierung der Aufklärung, hg. v. Bödeker, H. u. a., 1987; Aufklärung und Geheimgesellschaften, hg. v. Reinalter, H., 1989; Im Hof, U., Das Europa der Aufklärung, 1993; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der Naturrechtslehre, 1993; Lexikon der Aufklärung, hg. v. Schneiders, W., 1995; Vierhaus, R., Was war Aufklärung?, 1995; Universitäten der Aufklärung, hg. v. Hammerstein, N., 1996; Schneiders, W., Das Zeitalter der Aufklärung, 1997; Der Illuminatenorden (1776-1785/87), hg. v. Reinalter, H., 1997; Cattaneo, M., Aufklärung und Strafrecht, hg. v. Vormbaum, T., 1998; Sweetman, J., The Enlightenment and the Age of Revolution, 1998; The Enlightenment, hg. v. Williams, D., 1999; Toleration in Enlightenment Europe, hg. v. Grell, O. u. a., 1999; Aufklärung – Vormärz – Revolution, hg. v. Reinalter, H., 2000; Böning, H./Siegert, R., Volksaufklärung, Bd. 2 2000; Alt, P., Aufklärung, 2. A. 2001; Lexikon der Aufklärung, hg. v. Schneiders, W., 2001; The Enlightenment in Europe, hg. v. Schneiders, W., 2003; Bürgerliche Freiheit und christliche Verantwortung, hg. v. De Wall, H., 2003; Les Lumières et leur combat, hg. v. Mondot, J., 2004; Borgstedt, A., Das Zeitalter der Aufklärung, 2004; Goldenbaum, U., Appell an das Publikum, 2004; Asbach, O., Staat und Politik zwischen Absolutismus und Aufklärung, 2005; Fichte und die Aufklärung, hg. v. De Pascale, C., 2005; Körber, E., Die Zeit der Aufklärung, 2006; Israel, J., Enlightenment Contested, 2006; Feiner, S., Haskala - Jüdische Aufklärung, 2007; Sorkin, D., The Religious Enlightenment, 2008; Lauer, G., Die Rückseite der Haskala, 2008; Strukturen der deutschen Frühaufklärung (1680-1720), hg. v. Bödeker, H., 2008; Meyer, A., Die Epoche der Aufklärung, 2010; Schenk, T., Wegbereiter der Emanzipation? Studien zur Judenpolitik des aufgeklärten Absolutismus, 2010; Schippan, M., Die Aufklärung in Russland im 18. Jahrhundert, 2012; Krünes, A., Die Volksaufklärung in Thüringen im Vormärz (1815-1848), 2013; Kléber Monod, P., Solomon’s Secret Arts, 2013; Aufklärung der Öffentlichkeit – Medien der Aufklärung, hg. v. Stöber, R. u. a., 2015; Religion und Aufklärung, hg. v. Beutel, A. u. a., 2016; Schmitt, A., Wie aufgeklärt ist die Vernunft der Aufklärung?, 2016; Reinalter, H., Der aufgeklärte Mensch, 2016; Bechler, K. u. a., Auufklärung in Oberschwaben, 2016; Lehner, U., Die katholische Aufklärung, 2017; Kampf um die Aufklärung? Institutionelle Konkurrenzen und intellektuelle Vielfalt im Halle des 18. Jahrhunderts, hg. v. Geffarth, R. u. a., 2018 (Sammelband); Mulsow, M., Radikale Frühaufklärung in Deutschland 1680-1720, 2018

Auflassung (Wort 1279 mittelniederdeutsch) ist die Öffnung eines Grundstücks für einen Erwerber. Sie erfolgt zunächst durch tatsächliches, möglicherweise rechtsförmliches Eröffnen des Grundstücks, später durch eine Erklärung vielleicht unter notwendiger Wahrung bestimmter Formen (außerhalb des Grundstücks, wissenschaftlich als zweiter Teil der Investitur eingeordnet, Besitzaufgabe). Seit dem 13. Jahrhundert wird A. zu der Bezeichnung für die Grundstücksübereignung insgesamt. Häufig erfolgt sie gerichtlich. Während der Aufnahme des römischen Rechtes in der frühen Neuzeit wird die A. zurückgedrängt. In dem 19. Jahrhundert dringt sie wieder vor. In dem deutschen bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist sie die Bezeichnung für den von Savigny (1779-1861) entwickelten dinglichen Vertrag über den Eigentumsübergang an Grundstücken, zu dem die Eintragung der Eigentumsänderung in das Grundbuch hinzukommen muss, wobei die gesamte Übereignung bei Fehlen eines Grundgeschäfts als ungerechtfertigte Bereicherung rückgängig gemacht werden kann.

Lit.: Hübner 205, 259f., 262; Kroeschell, DRG 1, 2; Stobbe, O., Die Auflassung des deutschen Rechtes, Jh. Jb. 22 (1873), 137; Lehmann, K., Die altnordische (altnorwegisch-altisländische) Auflassung, ZRG GA 5 (1884), 84; Lehmann, K., Zur nordgermanischen Auflassung, ZRG GA 11 (1890), 255; Schmidt, W., Die Auflassung im Mittelalter, Diss. jur. München 1932; Voser, P., Die altdeutsche Leibenschaftsübereignung, 1952; Köbler, G., Verzicht und Renuntiation, ZRG GA 85 (1968); Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984; Steppan, M., Das bäuerliche Recht an der Liegenschaft, 1995; Wieling, H., Wie Kaiser Konstantin die germanische Auflassung erfand, ZRG GA 124 (2007), 287; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Aufnehmen des Kindes (in die Familie) ist der in frühmittelalterlichen Volksrechten erkennbare, nach der Geburt vielleicht notwendige förmliche Rechtsakt, durch den ein neugeborenes Kind Mitglied der Rechtsgemeinschaft wird und deshalb danach nicht mehr ausgesetzt werden kann. Unter dem Einfluss des Christentums verschwindet dieses besondere A.

Lit.: Hübner 52f., 699; Coulin, A., Der nasciturus, ZRG GA 31 (1910), 131

Aufopferung ist die Beseitigung eines einzelnen Rechtes zugunsten der Allgemeinheit oder eines begünstigten Dritten, für die seit der Aufklärung Ersatz zu leisten ist (vgl. § 75 Einl. ALR).

Lit.: Köbler, DRG 259; Niesler, A., Aufopferung und Enteignung vom ALR bis zur WRV, Juristische Zeitgeschichte 8 (2007), 128ff.; Menninger, L., Die Inanspruchnahme Privater durch den Staat, 2014

Aufrechnung (Wort 1372) ist die schon der römischen klassischen Jurisprudenz als prozessual geltend zu machende (lat. [F.]) →compensatio bekannte, wechselseitige Tilgung zweier sich gegenüberstehender gleichartiger Forderungen durch Verrechnung (Verurteilung nur auf einen vorhandenen Überschuss bzw. [lat.] exceptio [F.] doli zu der Überprüfung der Gegenforderung). Das ältere deutsche Recht kennt anscheinend einen besonderen Aufrechnungsvertrag. Eine A. durch einseitige Erklärung entsteht wohl unter römischrechtlichem Einfluss in dem Spätmittelalter. Später genügt auf Grund eines Ansatzes des Glossators Martinus eine bloße Aufrechnungslage für das Erlöschen der gegenüberstehenden Ansprüche (ALR I 16 § 301, Cc 1290, ABGB § 1348). Seit dem späteren 19. Jahrhundert wird die A. als einseitiges Rechtsgeschäft eingeordnet und wieder eine Aufrechnungserklärung verlangt.

Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 125; Dernburg, H., Geschichte und Theorie der Compensation, Neudruck 1965, 2. A. 1968; Prausnitz, O., Die Geschichte der Forderungsverrechnung, 1928; Pielemeier, K., Das Aufrechnungsverbot des § 393 BGB, 1988; Halbwachs, V., Ipso iure compensatur, hg. v. Thier, A. u. a., 1999; Pichonnaz, P., La compensation, 2001; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Aufsicht (Wort 1483) ist allgemein der übergeordnete Blick auf eine Angelegenheit, der Rechte und Pflichten begründen kann.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Auftrag (Wort 1532) ist in dem römischen Recht die als (lat. [N.]) →mandatum bezeichnete Übernahme der unentgeltlichen Besorgung eines fremden Geschäfts (eines Auftraggebers oder Mandanten durch einen Auftragnehmer oder Mandatar), die wohl auf sittliche Pflichten zu demTätigwerden für einen Nachbarn zurückgeht, wobei diesem A. mangels der Möglichkeit unmittelbarer Stellvertretung keine Vollmacht entspricht (höchstpersönlicher Konsensualkontrakt). In dem deutschen Recht scheint der A. zunächst keine besondere Rolle gespielt zu haben. Nach der Rezeption des römischrechtlichen Mandats wird an dem Ende des 19. Jahrhunderts zwischen A. als Innenverhältnis und Vollmacht als Rechtsmacht gegenüber Dritten (Außenverhältnis) unterschieden (§ 788 SächsBGB 1863, § 662 BGB 1896).

Lit.: Kaser § 4; Söllner §§ 9, 17, 18; Hübner; Kroeschell, DRG 3; Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Albrecht, G., Vollmacht und Auftrag, 1970; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Amann, P., Abgrenzung und Anwendungsbereich von Dienstvertrag, Werkvertrag und Auftrag in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuches, Diss. jur. Bielefeld 1987; Grau, U., Historische Entwicklung und Perspektiven des Rechts der öffentlichen Aufträge, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Principles of European Law Mandate Contracts, prepared by Loos, M., 2013

Aufwendung (Wort 1542) ist der Einsatz von Mitteln zu der Erlangung eines Wertes.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Aufwertung ist die Erhöhung eines Wechselkurses einer Währung in dem Verhältnis zu demGoldwert oder zu anderen Währungen. Daneben wird auch die Erhöhung des Nennbetrages einer Geldschuld, die in Einheiten einer entwerteten Währung ausgedrückt ist, entsprechend der Kaufkraft bei der Begründung des Schuldverhältnisses als A. bezeichnet (z. B. Aufwertungsentscheidung des Reichsgerichts von dem 28. 11. 1923, 3. Steuernotverordnung von dem Februar 1924 auf Grund der Inflation, Aufwertungsgesetz von dem Juli 1925) in dem Deutschen Reich.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert 50; Mügel, O., Die Entwicklung der Aufwertungslehre des Reichsgerichts, DJZ 1928, 29ff.; Klemmer, M., Gesetzesbindung und Richterfreiheit in den Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen, 1996; Scholz, R., Analyse der Entstehungsbedingungen der reichsgerichtlichen Aufwertungsrechtsprechung, 2001; Chlosta, C., Nur dem Gesetz unterworfen?, 2005

Aufzeichnung ist die Umwandlung von Gedachtem oder Gesprochenem in Schrift oder andere weniger schnell vergängliche Mittel. →Schriftlichkeit

Auge ist das dem Sehen dienende Sinnesorgan von Tieren und Menschen, das auch als Zeichen der alles sehenden Gerechtigkeit verwendet werden kann.

Lit.: Deonna, W., Le symbolisme de l’oeil, 1965; Jaeger, W., Augenvotive, 1979; Schleusener-Eichholz, G., Das Auge im Mittelalter, 1980; Geissmar, C., Das Auge Gottes, 1993; Stolleis, M., Das Auge des Gesetzes, 2004

Augenschein ist die unmittelbare sinnliche Wahrnehmung. Der A. ist als Beweismittel bereits dem römischen Prozessrecht bekannt und findet auch in dem mittelalterlichen deutschen Prozess (insbesondere in dem Inquisitionsprozess) Verwendung (mhd. blickender schin, lat. evidentia ocularis). Seit dem 17. Jahrhundert wird der A. wissenschaftlich erörtert.

Lit.: Kaser § 84; Hänel, A., Das Beweissystem des Sachsenspiegels, 1858; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 2 1879; Holdefleiß, E., Der Augenscheinbeweis im mittelalterlichen deutschen Strafverfahren, 1933

Auge um Auge, Zahn um Zahn.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 39 (2. Moses 21, 22-25, Körte 1837)

Augen auf, Kauf ist Kauf ist wohl ein erst in dem 19. Jahrhundert geschaffenes Rechtssprichwort, das der Begründung des Ausschlusses der Sachmangelhaftung in dem deutschen Recht dient.

Lit.: Vgl. Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 2002, 38f.

Augsburg geht auf den 45 n. Chr. auf einem Bergsporn zwischen Lech und Wertach gegründeten Vorort Augusta Vindelicum der römischen Provinz Rätien zurück (um 121 n. Chr. [lat. N.] municipium). Vielleicht ist es seit dem 4. Jahrhundert (oder 5. Jahrhundert) trotz Zerstörung durch Germanen (5. Jahrhundert Alemannen) Sitz eines seit dem 7. Jahrhundert bzw. 738 nachweisbaren Bischofs. 1156 grenzt eine Urkunde Kaiser Friedrichs I. Barbarossa die Rechte des Bischofs und die Rechte der Bürger voneinander ab. 1167/1168 lässt sich der Kaiser die Hochstiftsvogtei und die Blutgerichtsbarkeit in A. übertragen. 1273 kommt die Vogtei an das Reich. 1276 zeichnet die Stadt ein eigenes, von dem König bestätigtes Stadtrecht in mittelhochdeutscher Sprache auf. Zu dieser Zeit entsteht wohl in A. eine mittelhochdeutsche Fassung des Sachsenspiegels, die zu Deutschenspiegel und sog. Schwabenspiegel weiterbearbeitet wird. 1294 erhält A. ein Nichtevokationsprivileg König Adolfs von Nassau. An der Wende des Mittelalters zu Neuzeit wirkt von A. aus die Kaufmannsfamilie Fugger. 1555 wird in A. der Augsburger Religionsfriede geschlossen. Bis 1805 bleibt das zu einem europäischen Handelsmittelpunkt aufsteigende A. danach Reichsstadt, bis es an dem 26. 12. 1805 durch den Vertrag von Pressburg an Bayern fällt.

Lit.: ; Köbler, Historisches Lexikon; Das Stadtbuch von Augsburg, hg. v. Meyer, C., 1872; Urkundenbuch der Stadt Augsburg, hg. v. Meyer, C., 1874ff.; Berner, E., Zur Verfassungsgeschichte der Stadt Augsburg, 1876; Hellmann, F., Das Konkursrecht der Reichsstadt Augsburg, 1905; Wolff, A., Gerichtsverfassung und Prozess im Hochstift Augsburg in der Rezeptionszeit, Archiv für die Geschichte des Hochstifts Augsburg 4 (1913), 129; Steiger, H., Geschichte der Stadt Augsburg, 1941; Augusta 955-1955, 1955; Liedl, E., Gerichtsverfassung und Zivilprozess der freien Reichsstadt Augsburg, 1958; Batori, J., Die Reichsstadt Augsburg im 18. Jahrhundert, 1969; Zorn, W., Augsburg, 2. A. 1972, 4. A. 2001; Schröder, D., Stadt Augsburg 1975; Geschichte der Stadt Augsburg, hg. v. Gottlieb, G., 2. A. 1985; Fassl, P., Konfession, Wirtschaft und Politik, 1988; Roeck, P., Eine Stadt in Krieg und Frieden, 1989; Dietrich, R., Die Integration Augsburgs in den bayerischen Staat, 1993; Hecker, H., Das Recht der Reichsstadt Augsburg, ZRG GA 113 (1996), 391; Augsburger Buchdruck und Verlagswesen, hg. v. Gier, H. u. a., 1997; Künast, H., Getruckt zu Augspurg, 1997; Müller, F., Bürgerliche Herrschaft in Augsburg, 1998; Schorer, R., Die Strafgerichtsbarkeit in der Reichsstadt Augsburg, 2001; Roeck, B., Geschichte Augsburgs, 2005; Haberstock, E., Der Augsburger Stadtwerkmeister Elias Holl (1573-1646), 2016; Timpener, E., Diplomatische Strategien der Reichsstadt Augsburg, 2017

Augsburger Konfession (Bekenntnis) ist die von Philipp Melanchthon für den Reichstag zu Augsburg verfasste, an dem 25. 6. 1530 verlesene Bekenntnisschrift der lutherischen Kirche mit 2 Teilen zu 21 und 7 Artikeln (im Gegensatz zu demHelvetischen Bekenntnis).

Lit.: Hoffmann, G., Entstehungsgeschichte der Augustana, Z. f. systemat. Theologie 15 (1938), 419

Augsburger Religionsfriede ist der in dem Reichsabschied des Heiligen römischen Reiches von dem 25. 9. 1555 zwischen König Ferdinand I. (für Karl V.) und den deutschen Reichsständen in Bezug auf die Religion nach dem Stand von dem 2. 8. 1552 geschlossene Friede, der die freie Religionsausübung für Katholiken und Lutheraner gewährleistet. Er sichert den Reichsständen (nicht aber ihren Untertanen) die Freiheit der Bekenntniswahl zu ([lat.] →cuius regio, eius religio). Gibt ein geistlicher Reichsstand den katholischen Glauben auf, verliert er Gebiet und Kirchenamt ([lat.] →reservatum [N.] ecclesiasticum). Das Auswanderungsrecht von Untertanen bereitet die Religionsfreiheit vor. Der lückenhafte, widersprüchliche und auch mehrdeutige A. R. kann weder die geistliche Einheit herstellen noch den Frieden dauerhaft sichern, bildet aber die Grundlage des paritätischen Reichskirchenrechts bis 1806.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Brandi, K., Der Augsburger Religionsfriede, 2. A. 1927; Simon, M., Der Augsburger Religionsfriede, 1955; Walder, E., Religionsvergleiche des 16. Jahrhunderts, 3. A. 1974; Rabe, H., Der Augsburger Religionsfriede und das Reichskammergericht 1550-1600, 1976; Heckel, M., Deutschland im konfessionellen Zeitalter, 2. A. 2001; Gotthard, A., Der Augsburger Religionsfrieden, 2004; Heckel, M., Konfessionalisierung in Koexistenznöten, HZ 280 (2005), 647; Heckel, M., Politischer Friede, HZ 282 (2006), 391; Der Augsburger Religionsfriede, hg. v. Schilling, H. u. a., 2007

Augsburger Vertrag (Augsburger Transaktion) →Niederlande

Augustiner ist der Anhänger des nach der in dem 8. Jahrhundert entstandenen sog. Regel Augustins (354-430) lebenden kirchlichen Ordens. Zu den Augustinern gehören die Augustiner-Eremiten (Orden zwischen 1244 und 1256), während Augustinerchorherren (11. Jahrhundert), Prämonstratenser und Dominikaner nur auch nach der Regel Augustins leben.

Lit.: Verheijen, L., La règle de St. Augustin, 1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Gutiérrez, D. u. a., Geschichte des Augustinerordens, 1975ff.; Cremona, C., Augustinus, 2. A. 1995; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 2003

Augustinus (354-430) einer der vier Kirchenlehrer der Spätantike und von Plato beeinflusster Philosoph

Lit.: Fuhrer, T., Augustinus, 2004; Augustin Handbuch, hg. v. Drecoll, V., 2007; Chadwick, H., Augustine of Hippo, 2009; Drecoll, V. u. a., Augustin und der Manichäismus, 2011; A Companion to Augustine, hg. v. Vessey, M., 2012; Rosen, K., Augustinus, 2015, 2. A. 2017

Augustus (Rom 23. 9. 63 v. Chr.–Nola bei Neapel 19. 8. 14 n. Chr.) Sohn einer Nichte Caesars, 44 n. Chr. Adoptivsohn Caesars (ursprünglich Gaius Octavius, seit Adoption Gaius Iulius Caesar, Ehrenname griech. sebastos, lat. augustus, Erhabener, der von dem Beginn seines Aufstiegs lernen musste, zu lügen und zu betrügen, wo immer es ihm nützlich erschien) verfolgt die Mörder Caesars und wird 36 v. Chr. Herrscher in dem westlichen und 30 v. Chr. Herrscher auch in dem östlichen Teil des römischen Reiches. Äußerlich stellt er die republikanischen Zustände wieder her. Tatsächlich leitet er (27 v. Chr.) mit seinem Prinzipat den zentrierenden und dadurch stabilisierenden Übergang zu demKaisertum ein. Seine Herrschaft wird an dem Ende auf Grund weitreichender Zustimmung als (lat.) pax (F.) Augusta (augusteische Friedenszeit) erklärt. Für die Ehe erlässt er gesetzliche Gebote und Verbote.

Lit.: Kienast, D., Augustus, 1982, 2. A: 1992, 3. A. 1999, 4. A. 2009, 5. A: 2014; Eck, W., Augustus und seine Zeit, 1998; Bleicken, J., Augustus, 1998; Bringmann, K./Schäfer, T., Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums, 2002; Schlange-Schöningen, H., Augustus, 2005; Bringmann, K., Augustus, 2007, 2. A. 2012; Augustus, Schriften, Reden und Aussprüche, hg. v. Bringmann, K. u. a., 2008; Dahlheim, W., Augustus, 2010; Cooley, A., Res Gestae Divi Augusti, 2009; Pabst, A., Kaiser Augustus, 2014; Rosa, A. dalla, Cura et tutela, 2014; Havener, W., Imperator Augustus, 2016; Williams, J., Augustus – Roman, 2016Auktion ist die schon der Antike bekannte, dort rechtlich nicht besonders beachtete Veräußerung einer (beweglichen) Sache an den Meistbietenden durch öffentlichen Aufruf. Sie erhält sich in der Form der Vergabe von Steuern, Ämtern und Nutzungen an den Meistbietenden in den romanischen Ländern. In dem 13. Jahrhundert dringt die A. gepfändeter Güter eines nichtzahlenden Schuldners nach Mitteleuropa ein. Daneben findet sich seit dem 14. Jahrhundert die A. von Waren durch Großhändler, seit der Mitte des 17. Jahrhunderts die A. fremdländischer Waren durch Kolonialgesellschaften. Wegen der damit möglichen Missstände entstehen Ordnungsvorschriften, die mit Einführung der Gewerbefreiheit in dem 19. Jahrhundert wieder aufgegeben werden. Wegen der damit wieder möglichen Missstände greift der Gesetzgeber seit 1883 wieder ein (in Deutschland u. a. 1960 § 34b GewO).

Lit.: Süßheim, M., Das moderne Auktionsgewerbe, 1900; Durach, H., Die deutschen Großhandelsauktionen, 1960; Thielmann, G., Die römische Privatauktion, 1961; Marx, H./Arens, H., Der Auktionator, 1992; Schneider, A., Auktionsrecht, 1999; Spindler, G./Wiebe, A., Internet-Auktion, 2001

Aurich

Lit.: Conring, W., Die Stadt- und Gerichtsverfassung der ostfriesischen Residenzstadt Aurich, Diss. jur. Göttingen 1965

Ausbildung

Lit.: Elementarbildung und Berufsbildung zwischen 1450 und 1750, hg. v. Hanschmidt, A. u. a., 2005; Rempel, M., Jherings Juristisches Kabinett – Das kasuistische Elemtnt der Juristenausbildung bei Rudolf von Jhering, 2018; Würfel, M., Das Reichsjustizprüfungsamt, 2019

Ausbildungsförderung ist die Förderung der allgemeinen und beruflichen Bildung durch Geldleistungen seitens der Allgemeinheit. Sie ist eine Folge des Sozialstaatsgrundsatzes. Sie ist auf Herstellung der Chancengleichheit in dem Ausbildungsbereich gerichtet (in Deutschland 1957-1971 Honnefer Modell, 1971ff. Bundesausbildungsförderungsgesetz).

Lit.: Köbler, DRG 261

Ausbluten(lassen)

Lit.: Rau, K., Augsburger Kinderhexenprozesse, Diss. jur. Zürich 2003

Ausbürger ist der außerhalb der →Stadt lebende →Bürger.

Lit.: Domsta, H., Die Kölner Ausbürger, 1973

Auschwitz ist der Ort eines Konzentrationslagers in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft des Deutschen Reiches, in dem unter der Kommandantur Rudolf Höß‘ mehr als 500000 Menschen getötet werden (Höß in dem April 1947 auf dem Lagergelände erhängt). Ab 1963 werden in der Bundesrepublik Deutschland Strafverfahren wegen dort verübter Verbrechen durchgeführt. Dabei werden 22 Angeklagte zu Haftstrafen verurteilt, 3 freigesprochen.

Lit.: Langbein, H., Der Auschwitzprozess, 1995; Werle, G./Wandres, T., Auschwitz vor Gericht, 1995; Meyer, A., Das Wissen um Auschwitz, 2010; Klee, E., Auschwitz, 2013, Pilecki, W., Freiwillig nach Auschwitz, 2013; Pendas, D., Der Auschwitz-Prozess, 2013 (amerikanisches Original 2013); Steinke, R., Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht, 2013 , M., Zeitgenossenschaft, 2014 (Zeitungsberichte von 1963); Koop, V., Rudolf Höß, 2014; Crippa, L. u. a., Wihelm Brasse – Der Fotograf von Auschwitz, 2014; Hansen, I., Nie wieder Auschwitz, 2015; Greif, G. u. a., Aufstand in Auschwitz, 2015; Brewing, D., Im Schatten von Auschwitz. Deutsche Massaker an polnischen Zivilisten 1939-1945, 2016 (nach dem Blutsonntag von Bromberg an dem 3./4. September 1939 mit etwa 400 toten Volksdeutschen rund 150000 Zivilisten als Opfer während der Besatzungsherrschaft von 2078 Tagen); Renz, W., Auschwitz vor Gericht, 2018; Turner, M., Historians at the Frankfurt Auschwitz Trial, 2018; Bruttman, T. u. a., Die fotografische Inszenierung des Verbrechens – Ein Album aus Auschwitz, 2019; Polian, P., Briefe aus der Hölle, 2019; DeWind, E., Ich blieb in Auschwitz – Aufzeichnungen eines Überlebenden 1943-45, 2020

Ausdärmen ist das gelegentlich angedrohte, kaum tatsächlich ausgeführte Töten eines Menschen durch Herausziehen des Darmes aus dem Körper als Strafe.

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, 1920ff.; Rehfeldt, B., Todesstrafen und Bekehrungsgeschichte, 1942

Ausgleich ist die 1867 unter maßgeblicher Beteiligung Franz Deáks (Söjtör 17. 10. 1803-Budapest 28. 1. 1876) für die Selbständigkeitsbestrebungen →Ungarns innerhalb der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie gefundene Lösung (ungarischer Gesetzesartikel XII:1867, österreichisches Delegationsgesetz von dem 21. 12. 1867, RGBl. 1867, 146, betreffend die allen Ländern der österreichischen Monarchie gemeinsamen Angelegenheiten und die Art ihrer Behandlung, Umwandlung des Kaisertums Österreich in die österreichisch-ungarische Monarchie). Auf der Grundlage der kaiserlichen Anerkennung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit Ungarns und der ungarischen Anerkennung der →Pragmatischen Sanktion (1723) wird dort festgelegt, dass den österreichischen und ungarischen Ländern der Herrscher, die auswärtigen Angelegenheiten, die Armee und das Finanzwesen (mit gewissen Einschränkungen) unter einem einheitlichen Ministerium gemeinsam sein sollen (gemeinsame pragmatische Angelegenheiten und dualistische Angelegenheiten, Trennung in kaiserlich und königliche k. u. k., kaiserlich-königliche k. k. und königlich ungarische k. ung. Organe). Das daraus erwachsende staatsrechtliche Verhältnis zu →Österreich wird teils als Gesamtreich oder Personalunion, teils als Realunion erklärt. 1918 wird Ungarn souverän.

Lit.: Köbler, DRG 265; Baltl/Kocher; Der österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867, 1967; Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten der österreich-ungarischen Monarchie, 2001

Aushebung (F.) Auswahl von Soldaten bei Wehrpflicht

Lit.: Schulze, W., Landesdefension und Staatsbildung, 1973

ausheischen (V.) herausverlangen, verlangen, dass ein Streit von einem Gericht vor einem Oberhof (z. B. Ingelheim) zu der Sprache gebracht wird

Lit.: Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation an das Reichskammergericht, 1976

Ausländer ist der aus einem anderen Land kommende und deswegen einem anderen Land angehörige →Fremde. Der A. erscheint als Folge der Bildung besonderer Länder in dem 13. Jahrhundert Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (um 1960) erweisen sich besondere Gesetze für A. (18. 4. 1965) als erforderlich (1991 Schengener Abkommen der Europäischen Gemeinschaften).

Lit.: Söllner §§ 6, 7, 8, 9; Kanein, W./Renner, G., Ausländerrecht, 5. A. 1992; Herbert, U., Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland, 2001

Auslegung ist die Ermittlung und Klarlegung des Bedeutungsgehalts eines Umstandes, insbesondere einer Erklärung. Sie ist bereits Bestandteil der römischen Jurisprudenz, die das Zwölftafelgesetz ebenso auslegt wie einzelne Verträge oder Erklärungen. Justinian verbietet 529/530/533 die A. seiner Kompilation (Const. 1, 14, 12, Deo auctore 12, Const. Tanta 21). Nach der vorkritischen Hermeneutik der Aufklärung und des Vernunftrechts ist Verstehen die Regel und Missverstehen die Ausnahme, weswegen die A. klarer und eindeutiger Rechtssätze ausgeschlossen ist. Zulässig ist vor allem die erklärende Auslegung, während ausdehnende und einschränkende A. ausgeschlossen sein können (z. B. Forster, V., Interpres, 1613, 2, 4). In der Neuzeit, vor allem seit dem 18. Jahrhundert erscheinen vermehrt Verbote der A. (Stadtrechtsreformation Nürnberg 1479/1484, Landrechtsreformation Bayern 1518, Papst Pius IV. Benedictus Deus 1654, Ordonnance Frankreichs 1667, Preußen 1746, 1794, ähnlich Österreich Codex Theresianus 1758 fertiggestellter Teil, Frankreich Gesetze von 1790/1793). Nach der modernen Hermeneutik ist Missverstehen die Regel, so dass auch scheinbar klare und eindeutige Rechtssätze der A. bedürfen. In seinen methodologischen Darlegungen unterscheidet an dem Beginn des 19. Jahrhunderts Savigny vier Arten von A. (grammatisch, historisch, systematisch und teleologisch).

Lit.: Kaser §§ 2 II 2, 3 V 1, 8 I; Kroeschell, 20. Jahrhundert; Köbler, DRG 2, 17, 146, 229; Müller, H., Zur Geschichte der bindenden Gesetzesauslegung, 1939; Schumacher, D., Das rheinische Recht in der Gerichtspraxis des 19. Jahrhunderts, 1970; Conrad, H., Richter und Gesetz, 1971; Rüthers, B., Die unbegrenzte Auslegung, 1968, 6. A. 2005, 7. A. 2012; Schott, C., Rechtsgrundsätze und Gesetzeskorrektur, 1975; Hübner, H., Kodifikation und Entscheidungsfreiheit des Richters, 1980; Schröder, J., Gesetzesauslegung und Gesetzesumgehung, 1985; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986, Neudruck 2007; Savignyana, Bd. 2 Vorlesungen über juristische Methodologie 1802-1842, hg. v. Mazzacane, A., 1993; Baldus, C., Regelhafte Vertragsauslegung, 1998; Bergfeld, C., Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts und des Reichsgerichts zur Auslegung von Rechtsgeschäften, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 625; Miersch, M., Der sog. référé législatif, 2000; Vogenauer, S., Die Auslegung von Gesetzen in England und auf dem Kontinent, 2001; Meder, S., Missverstehen und Verstehen, 2004; Haspl, R., Die Kontrolle der tatrichterlichen Auslegung von individuellen Willenserklärungen durch die Rechtsmittelinstanz, 2008; Baldus, C., Historische Auslegung in Rom?, Seminarium Complutense 20/21 (2007/2008), 85; Kosche, K., Contra proferentem und das Transparenzgebot im Common Law und Civil Law, 2011; Interpretation of Law in the Age of Enlightenment, hg. v. Morigiwa, Y. u. a. 2011; Rempel, M., Jherings Juristisches Kabinett – Das kasuistische Elemtnt der Juristenausbildung bei Rudolf von Jhering, 2018

Auslieferung ist die Beförderung von Sachen oder Menschen von einem Ort an einen anderen Ort oder die Überlassung an andere, meist gefährlichere Gegebenheiten. Das römische Recht kennt die A. von Tieren oder Sklaven in der Form der Preisgabe zwecks Haftungsfreiheit des Berechtigten oder Herren ([lat.] noxae datio [F.]). In der Neuzeit ist vor allem die A. eines Straftäters von einem Staat an einen anderen Staat zwecks Strafverfolgung oder Strafvollzug bedeutsam.

Lit,: His, R., Das Strafrecht im deutschen Mittelalter, 1920; Stüdemann, A., Die Entwicklung der zwischenstaatlichen Rechtshilfe in Strafsachen im nationalsozialistischen Deutschland, 2009

Auslobung (Wort 1767) ist das durch öffentliche Bekanntmachung erfolgende (seit dem 18. Jahrhundert) einseitige Versprechen einer Belohnung für die Vornahme einer Handlung, das in dem 18. Jahrhundert so benannt wird. Ursprünglich wird die Erklärung des Auslobens als Angebot an unbestimmte Personen angesehen.

Lit.: Dreiocker, K., Zur Dogmengeschichte der Auslobung, Diss. jur. Kiel 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Ausmärker ist der außerhalb einer →Mark Wohnende, der nur ausnahmsweise an einer Mark berechtigt ist. Seit dem Spätmittelalter wird eine Verfügung über Allmendrechte ohne Zustimmung der anderen Berechtigten möglich. Dadurch wird die Allmendberechtigung verkehrsfähig.

Lit.: Hübner 137f.; Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, 1856; Bader, K., Das mittelalterliche Dorf, 1957ff.

Ausnahmegericht ist das besonders gebildete und zu der Entscheidung besonderer Fälle bestimmte Gericht. Es findet sich beispielsweise als Star Chamber oder Court of High Commission in England, als Justizkommission in dem Absolutismus in Frankreich oder als Zentraluntersuchungskommission in dem Deutschen Bund. Ausgehend von England (Bill of Rights 1689) wird das A. in den Verfassungen verboten (Frankreich 1791, Deutsches Reich 1849).

Lit.: Pollard, A., Council, Star Chamber and Privy Council under the Tudors, EHR 37 (1922), 516; Menzel, W., Ausnahmegericht und gesetzlicher Richter, 1925; Schmidt, J., Rechtssprüche und Machtsprüche der preußischen Könige des 18. Jahrhunderts, 1943; Andrieux, C., Les Commissions Extraordinaires, 1955 (Diss. Paris); Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003

Ausnahmezustand ist der in der Mitte des 19. Jahrhunderts als solcher erkannte Zustand des Staates in einer außergewöhnlichen Notlage, in der grundsätzlich die Regel gilt Not kennt kein Gebot. Nach rechtsstaatlichem Verständnis bedarf auch der A. einer (vorherigen gesetzlichen) Regelung (z. B. Gesetz über den Belagerungszustand von dem 4. 6. 1851 Preußen, Reichstagsbrandverordnung von dem 28. 2. 1933 Deutsches Reich, Art. 87a, 91, 115aff. GG). Bei Zweifeln entscheidet der souveräne Staat über das anzuwendende Mittel.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 343; Schneider, P., Ausnahmezustand und Norm, 1957; Boldt, H., Rechtsstaat und Ausnahmezustand, 1967; Trotter, M., Der Ausnahmezustand, Diss. jur. Heidelberg, 1997; Ausnahmezustand - Carl Schmitts Lehre von der kommissarischen Diktatur, hg. v. Voigt, R., 2013

Ausschlagung (Wort 1445) ist die bereits dem römischen Recht bekannte Willenserklärung des vorläufigen Erben, die Erbschaft nicht anzunehmen (lat. repudiare).

Lit.: Kaser § 71 II 3; Hübner; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Ausschuss ist allgemein das aus einer Gesamtheit Ausgesonderte wie z. B. eine Untergliederung einer Einrichtung zu der einfacheren Erfüllung einer Aufgabe (z. B. Untersuchungsausschuss).

Lit.: Schmitt, C., Verfassungslehre 1928; Schönberger, C., Parlament im Anstaltsstaat, 1997; Linke, T., Entstehung und Fortbildung des Enquête-und Untersuchungsrechts in Deutschland. Rechtsentwicklungen aus 200 Jahren, 2015

Außenerbe (lat. heres [M.] extraneus) ist in dem altrömischen Recht der bei Fehlen von Hauserben (lat. sui heredes [M.Pl.]) eintretende Erbe (Agnat, Gentile, Patron, beliebiger Hausfremder), der die Vermögensrechte durch eine besondere Handlung ergreifen muss.

Lit.: Kaser § 65

Außenminister - > Minister

Lit.: Hampe, K., Das Auswärtige Amt in wilhelminischer Zeit, 2001; Die Außenpolitik der deutschen Länder im Kaiserreich, hg. v. Auswärtigen Amt, 2012; Das Auswärtige Amt und seine umstrittene Vergangenheit, hg. v. Sabrow, M. u. a., 2014

Außerstreitverfahren →freiwillige Gerichtsbarkeit

Aussetzung ist die bewusste Verbringung eines Menschen in eine Lage, in der ihr eine besondere Gefahr für das Leben droht. Nach dem römischen Zwölftafelgesetz ist die A. einer Missgeburt geboten, nach späterem römischem Recht und nach einzelnen frühmittelalterlichen Volksrechten ist die A. eines neugeborenen Kindes anscheinend erlaubt, doch lehnt die christliche Kirche die A. ab. Ob es A. als Strafe gegeben hat, ist streitig. Davon abgesehen ist A. eine Straftat.

Lit.: Kaser § 60; Hübner 52; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Schwarz, H., Der Schutz des Kindes im Recht des frühen Mittelalters, 1993

Aussperrung ist die von Arbeitgeberseite seit dem 19. Jahrhundert unter Verweigerung der Lohnzahlung planmäßig vorgenommene Nichtzulassung einer Gruppe von Arbeitnehmern zu der Dienstleistung. Sie ist ein Mittel des Arbeitskampfes. Ihre Zulässigkeit ist nicht unbestritten.

Lit.: Wege zur Arbeitsrechtsgeschichte, hg. v. Steindl, H., 1984; Kalbitz, R., Die Arbeitskämpfe in der Bundesrepublik Deutschland, Diss. phil. Bochum 1972

Ausstattung ist die über den gewöhnlichen Unterhalt hinausgehende, mit Rücksicht auf die Verheiratung oder die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung erfolgende Zuwendung der Eltern an ein Kind. Sie geschieht wesentlich als →Abschichtung bei Verheiratung oder sonstiger Verselbständigung. Einen eindeutigen Rechtsanspruch auf A. gewähren das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (II 2 §§ 232ff.) und das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (§§ 1220, 1231).

Lit.: Hübner; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern, 2000

Ausstäupen ist das mittels Rute, Stock oder Peitsche erfolgende Schlagen (an einem Pfahl [Staupe]?). Es findet sich als Rechtsfolge einer Tat früh für Unfreie, seit dem Hochmittelalter als Strafe des Diebstahls von geringerem Wert. Die Aufklärung erreicht bis 1848 die Beseitigung des Ausstäupens.

Lit.: Breithaupt, W., Die Strafe des Staupenschlags, 1938

Aussteller (Wort 1719)

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Aussteuer ist die in weitem Umfang übliche Zuwendung der zu der angemessenen Einrichtung eines Haushalts gehörenden Gegenstände (an eine Tochter durch die Eltern oder näheren Verwandten), die auch als Heimsteuer, Brautschatz und Mitgift bezeichnet werden kann. Sie ist wohl nur ausnahmsweise rechtlich notwendig (z. B. § 1220 ABGB, §§ 1620ff. BGB [1957 aufgehoben], nicht II 2 §§ 231ff. ALR). In der Gegenwart wird die A. vor allem durch die Gewährung einer Ausbildung verdrängt.

Lit.: Hübner 664; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, 1999; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern, 2000

Austin, John (1790-1859), von 1826 bis 1832 Professor in London, ist als Begründer der englischen analytischen Jurisprudenz (Recht als eine Form des Befehls) einer der bedeutendsten englischen Rechtstheoretiker (The Province of Jurisprudence, 1832).

Lit.:

JohnTheprovinceofjurisprudencedetermined1832.pdf, Austin, John, The Province of Jurisprudence determined, 1832, Löwenhaupt, W., Politischer Utilitarismus und bürgerliches Rechtsdenken, 1972; Morison, W., John Austin, 1982

Austrägalinstanz (Austrägal latinisiert aus Austrag) ist seit dem 13./14. Jahrhundert ein zunächst einzeln vereinbartes, und durch die Reichskammergerichtsordnung von 1495 für Gefürstete, seit 1521 auch für den übrigen reichsunmittelbaren Adel anerkanntes Schiedsgericht für Streitigkeiten zwischen Reichsfürsten. Gegen die Entscheidungen der bis 1806 bestehenden A. ist die Appellation an das →Reichskammergericht zulässig. Der Deutsche Bund kennt nach Art. XI der Deutschen Bundesakte bzw. Art. XXII der Wiener Schlussakte ebenfalls eine A. für die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Bundesstaaten bzw. Streitsachen der Bundesglieder. Für die Vollstreckung der Urteile dieser 1866 endenden A. ist die Bundesversammlung zuständig. Vergleichbare Einrichtungen in dem Deutschen Reich (1871-1918) und in Österreich (bis 1918) sind von geringer Bedeutung.

Lit.: Köbler, DRG 153, 200; Leonhardi, P. v., Das Austrägalverfahren des Deutschen Bundes, Bd. 1f. 1838ff.; Stein, A., Die Austragsgerichtsbarkeit des deutschen Bundes, 1950; Frühauf, G., Die Austrägalgerichtsbarkeit im Deutschen Reich und im Deutschen Bund, Diss. jur. Mainz 1976; Meurer, N., Die Entwicklung der Austrägalgerichtsbarkeit bis zur Reichskammergerichtsordnung von 1495, (in) Prozesspraxis im alten Reich, hg. v. Baumann, A. u. a., 2005

Australien ist der im Südosten Asiens (südlich Indonesiens) gelegene, vor etwa 50000 Jahren besiedelte, vermutlich bereits in dem 16. Jahrhundert auch von Europäern entdeckte, in der Gegenwart von 22 Millionen Menschen bewohnte Kontinent.

Lit.: Voigt, J., Geschichte Australiens, 1988; Hughes, R., Australien, 1992; Babeck, W., Einführung in das australische Recht, 2011; Voigt, J., Geschichte Australiens und Ozeaniens, 2011; Gleeson, J. u. a., Historical Foundations of Australian Law, Bd. 1f. 2013; Bramston, T., The Whitlam Legacy, 2014

Austrasien ist zeitweise ein besonderer (östlicher) Teil des fränkischen Reichs.

Lit.: Parisse, M., Austrasie, Lotharingie, Lorraine, 1990

Austria ist die an dem Ende des Frühmittelalters in Parallele zu →Austrien erscheinende Bezeichnung für ein Gebiet in dem Osten (des fränkischen oder deutschen Reiches z. B. 996 →ostarrihhi, 1156 marchia Austrie, woraus sich →Österreich entwickelt).

Lit.: Köbler, DRG 76; Baltl/Kocher; Floßmann, U., Regnum Austriae, ZRG GA 89 (1972), 78; Krasa-Florian, S., Die Allegorie der Austria, 2007

Austrien ist von dem 6. bis 8. Jahrhundert eine Bezeichnung für östliche Teile des Reiches der Franken.

Lit.: Lugge, M., Gallia und Francia im Mittelalter, 1960; Parisse, M., Austrasie, Lotharingie, Lorraine, 1990

Austrofaschismus ist eine Bezeichnung für das Herrschaftssystem Österreichs zwischen 1933/1934 und 1938.

Auswanderung ist das Verlassen eines Landes auf Dauer (durch einen Freien). 1555 erlaubt der →Augsburger Religionsfriede die A. (lat. [F.) emigratio) bei Religionswechsel des Landesherrn. Der absolute Staat schränkt die Freiheit der A. aus wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Überlegungen ein. Nach dem Vorbild Frankreichs (1789) lassen die Mitgliedstaaten des →Deutschen Bundes 1815 die A. in einen anderen Mitgliedstaat und um 1848 die A. überhaupt zu (§ 136 der gescheiterten Reichsverfassung), wobei zwischen 1816 und 1914 5,5 Millionen Deutsche vor allem nach Amerika auswandern (1897 gesetzliche Regelung). Teilweise wird bei A. eine →Steuer verlangt (u. a. 1931 Reichsfluchtsteuer, 1953 aufgehoben).

Lit.: Scheuner, U., Die Auswanderungsfreiheit, FS R. Thoma, 1950, 199ff.; Vom Reichskommissar für das Auswanderungswesen zum Bundesverwaltungsamt, 1989; Mußgnug, D., Die Reichsfluchtsteuer 1931-1953, 1993; Straten, A. v. d., Die Rechtsordnung des zweiten Kaiserreiches und die deutsche Auswanderung nach Übersee 1871-1914, 1997; Migration in der europäischen Geschichte, hg. v. Bade, K., 2002; Migration steuern, hg. v. Oltmer, J., 2003; Sternberg, J., Auswanderungsland Bundesrepublik, 2012; Keeling, D., The Business of Transatlantic Migration between Europe and the United States 1900-1914, 2012 (11 Millionen Auswanderer)

Ausweis s. Pass

Ausweisung ist die Anordnung zu demVerlassen eines Gebiets (Landes, Stadt). Wegen ihrer geringen Kosten und ihrer befreienden Wirkung verbreitet sich die A. seit dem späten Mittelalter rasch. Von der Aufklärung wird die A. von Straftätern seit dem 17. Jahrhundert zugunsten des Zuchthauses zurückgedrängt.

Lit.: Grenzen und Raumvorstellungen, hg. v. Marchal, G., 1996; Schnabel-Schüle, H., Überwachen und Strafen im Territorialstaat, 1997; Schuster, P., Eine Stadt vor Gericht, 2000; Reiter, I., Ausgewiesen, abgeschoben, 2000

Authenticae (lat. [F.Pl.]) sind die vielleicht von oder seit →Irnerius wahrscheinlich unter Verwendung der Epitome Juliani geschaffenen, in dem 13. Jahrhundert in den ersten neun Büchern des →Codex →Justinians eingefügten (362 bzw. 212) Auszüge aus der →Authenticum genannten Sammlung der →Novellen sowie (seit dem 14. Jahrhundert) die (2) Konstitutionen Sacramenta puberum (nach C 2. 27 bzw. 28. 1) und Habita (nach C 4. 13. 5) Friedrichs I. Barbarossa und die (durch Aufteilung eines umfangreichen Gesetzes entstehenden 11) Konstitutionen (Navigia, Omnes peregrini, Agricultores u. s. w.) Friedrichs II. (Ad decus), die bis zu →Accursius (um 1230) in den Codex aufgenommen werden. Eine Konstitution Heinrichs VII. von 1312 (Ad reprimendum) und der Friede von Konstanz sind nicht in den Codex, sondern als Extravaganten hinter die (lat. [M.Pl.]) libri feudorum (Lehnbücher) eingefügt. Nicht glossiert werden die A. zu den letzten drei Büchern des Codex. Erst an dem Beginn der Neuzeit werden alle Novellen wieder zu einer Einheit verbunden.

Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, 2. A. Bd. 3f. 1834ff.; Wesenberg, G., Die Privatrechtsgesetzgebung des Heiligen römischen Reiches, Studi P. Koschaker Bd. 1 1954, 187; Troje, H., Graeca leguntur, 1971; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Authenticum (lat. [N.]) ist die Bezeichnung für eine um 1100 in Bologna erscheinende, 134 in das Lateinische übersetzte Stücke umfassende, in neun (lat. [F. Pl.]) collationes geteilte Sammlung unbekannter Herkunft der seit 535 n. Chr. unter dem oströmischen Kaiser →Justinian ergangenen (168 griechisch gehaltenen) →Novellen, die der Zeit als authentische Fassung gilt. →Authenticae

Lit.: Söllner § 22; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, 2. A. Bd. 3f. 1834ff.; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Autobahn ist die nur für den Automobilverkehr zugelassene, vierspurige, kreuzungsfrei ausgebaute Straße. In Berlin wird 1921 die Avus eröffnet, der oberitalienische Autobahnen und in dem August 1932 die Strecke Köln-Bonn folgen. Nach Plänen Fritz Todts (1891-1942) entscheidet sich Adolf Hitler für Reichsautobahnen, von denen mittels gewagter Kreditaufnahmen (viereinhalb Milliarden Reichsmark Schulden) zwischen 1933 und 1945 rund 3860 Kilometer errichtet werden.

Lit.: Hartmannsgruber, F., …ungeachtet der noch ungeklärten Finanzierung, HZ 278 (2004), 625; Reitsam, C., Reichsautobahn-Landschaften, 2009

Autograph (N.) von dem Autor selbst geschriebenes Schriftstück (kein Werk der antiken Literatur als A. erhalten)

Lit.: Hoffmann, H., Autographa im früheren Mittelalter, DA 57 (2001), 1

Automat ist die mechanische, nach Aufheben einer Hemmung einen Vorgang selbsttätig ausführende Einrichtung. Größere tatsächliche Bedeutung gewinnt der A. mit dem Vordringen der elektronischen Datenverarbeitung an dem Ende des 20. Jahrhunderts. Für Rechtsfolgen wird dessenungeachtet auf das hinter dem A. stehende menschliche Verhalten abgestellt.

Automobil

Lit.: Automobilindustrie 1945-2000, hg. v. Tilly, S. u. a., 2013

Autonomie ist das (von dem Staat gewährte) Recht zu der Selbstgesetzgebung innerhalb einer anderweitigen Gesetzgebungshoheit. Die A. gewinnt mit der Entstehung des staatlichen Gesetzgebungsmonopols in dem Absolutismus an Bedeutung. A. haben beispielsweise Städte, Universitäten, Religionsgemeinschaften, Sozialversicherungsträger, Vereine u. s. w.

Lit.: Wicki, A., Zur Dogmengeschichte der Parteiautonomie im internationalen Privatrecht, 1965; Steffen, W., Die studentische Autonomie im hochmittelalterlichen Bologna, 1981; Mizia, R., Der Rechtsbegriff der Autonomie und die Begründung des Privatfürstenrechts, 1995; Lim, M., Der Begriff der Autonomie und des Menschenrechts bei Kant, 2002; Autonomie im Recht, hg. v. Grundmann, S. u. a., 2016; Autonomie im Recht, hg. v. Bumke, C. u. a., 2017

Autor →Urheber

Lit.: Metzler Lexikon Autoren hg. v. Lutz, B., 2010 (600 deutschsprachige Autoren)

Auvergne ist die durch Cäsar ins römische Reich gelangte Landschaft um das Zentralmassiv in Frankreich. Sie wird 507 fränkisch (Mitte 8. Jahrhundert [lat.] Formulae [F.Pl.] Arvernenses) und kommt 955 an Poitou. Seit 1189 geht sie von dem König zu Lehen. Ein Teil fällt 1527/1531 an den König, der gräfliche Rest 1609. Der Advokat Jean Masuer († 1450) zeichnet in seiner (lat.) Practica (F.) forensis (Gerichtliche Praxis) das zuvor ganz zersplitterte Recht erstmals umfassender auf. 1510 wird die Coutume d’Auvergne wirksam.

Lit.: Massé, E., La coutume d’Auvergne, Diss. jur. Toulouse 1913; Histoire d’Auvergne, hg. v. Manry, A., 1974

Averani, Giuseppe (1662-1738), seit 1685 Professor des römischen Rechtes in Pisa, übernimmt die humanistischen Gedanken des (lat.) →mos (M.) Gallicus in die Rechtswissenschaft Italiens und bereitet dadurch den Boden für die Aufklärung (in Toskana) vor ([lat.] Interpretationum iuris libri [M.Pl.] duo u. s. w., 1713).

Lit.: Dizionario Biographico degli Italiani, 1960ff., 4, 658f.

Avignon in Südfrankreich ist von 1309 bis 1378 Sitz des von Frankreich gefangen gehaltenen Papstes und von 1378 bis 1417 Sitz eines Gegenpapsts.

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 149

Aware, Avare, ist der Angehörige eines um 460 aus Zentralasien nach Westen vorstoßenden, um 566 an Donau und Theiß siedelnden, 822 aus der Überlieferung verschwindenden Steppenvolks.

Lit.: Pohl, W., Die Awaren, 2. A. 2002

Aymar du Rivail (Aymarus Rivallius) (1490?-1560), Sohn eines (lat.) legum doctor (M.) und Richters, wird nach dem Rechtsstudium in Avignon und Pavia (Mayno, Alciat?) 1521 königlicher Rat in dem Parlament von Grenoble. Mit Druckerprivileg von dem 8. 8. 1515 veröffentlicht er in Valence (lat.) Libri (M.Pl.) de historia iuris civilis et pontificii mit 129 numerierten und 19 unnumerierten Blättern, welche die erste umfassende Rechtsgeschichte (des römischen und kirchlichen Rechtes) darstellen.

Lit.: , Aymar du Rivail, Libri de historia iuris civilis et pontificii, 1515, Moeller, E. v., Aymar du Rivail, 1907; Köbler, G., Zur Geschichte der römischen Rechtsgeschichte, (in) Geschichtliche Rechtswissenschaft, hg. v. Köbler, G., 1990, 220

Aytta, Wigle (Viglius) van (Barrahuis bei Leeuwarden 1507-Brüssel 1577) wird nach dem Studium in Löwen, Dôle und Valence Schüler →Alciats in Bourges und 1532 Professor des römischen Rechtes in Padua, 1537-1542 in Ingolstadt. Er verwertet in seinen Veröffentlichungen auch byzantinische Rechtsquellen.

Lit.: Postma, F., Viglius van Aytta als humanist en diplomaat 1507-1549, 1983; Sprenger, R., Viglius von Aytta, 1988

Azo (Bologna 1150?-1220 [vor 1190-1220/1230]) lehrt nach dem Studium in Bologna (u. a. Johannes Bassianus) spätestens seit 1190 dort weltliches Recht. Seine bedeutendsten Leistungen bestehen in der Herstellung von (weitgehend ungedruckten) Glossenapparaten zu allen Teilen der justinianischen Gesetzgebung (die glossa ordinaria verweist auf ihn 3600mal) sowie in (lat.) Summae (F.Pl.) Codicis (1208-1210), Lectura (F.) Codicis (durch Vorlesungsnachschrift erhalten), Summae (F. Pl.) Institutionum und Summae Digestorum (str.) (daneben Quästionen, Distinktionen, Brocardica, Consilia und Definitionen). Insbesondere in dem 16. Jahrhundert erfahren seine Werke weiteste Verbreitung. Er ist Lehrer z. B. des →Accursius, Jacobus Balduini, (Martinus de Fano,) Roffredus Epiphanii, Jacobus de Ardizone, (Goffredus de Trano,) und Johannes Teutonicus. Seine Arbeiten werden u. a. verwendet von Henry de Bracton (vielleicht nach 1230), von dem Klagspiegel ([Conrad Heyden] um 1436) und wohl auch von dem (lat. [M.]) Vocabularius utriusque iuris (Wörterbuch beider Rechte) des Jodocus aus Erfurt (1452).

Lit.: Köbler, DRG 107; Belloni, A., Le questioni civilistiche del secolo XII, 1989; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 255

B

Baar ist die in Urkunden des 8. und 9. Jahrhunderts bezeugte, bisher nicht sicher erklärte Bezeichnung des Gebiets an der obersten Donau bei Donaueschingen (z. B. Adalhartespara). Nach den Herzögen von Zähringen erscheint 1264 Konrad von Wartenberg als Landgraf in der B., 1304 eine Landgrafschaft B., die denen von Fürstenberg zukommt.

Lit.: Bader, K., Zur politischen und rechtlichen Entwicklung der Baar, 1937; Bader, K., Kloster Amtenhausen in der Baar, 1940; Beyerle, F., Zum Problem der alamannischen Baaren, ZRG GA 62 (1942), 305; Bohnenberger, K., Zu den Baaren, ZRG GA 63 (1943), 319; Bader, K., Die Landgrafschaft Baar, 1960; Leiber, G., Das Landgericht der Baar, 1969; Banse, H., Ein neuer Ansatz, Alemann. Jb. 1997/1998, 27

Babelsberger Konferenz ist die in Babelsberg an dem 2./3. 4. 1958 tagende Konferenz, in der Walter Ulbricht von der Rechtswissenschaft der →Deutschen Demokratischen Republik eine stärkere marxistisch-leninistische Durchdringung sowie eine bessere Verbindung mit der Praxis des sozialistischen Aufbaus fordert.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Mollnau, K., Implementationsmechanismen der Babelsberger Konferenz, (in) Staat und Recht in den neuen Bundesländern, Sonderheft Oktober 1991, 175; Die Babelsberger Konferenz, hg. v. Eckert, J., 1993; Güpping, S., Die Bedeutung der „Babelsberger Konferenz“, 1997

Babenberger ist der Angehörige eines in der Mitte des 11. Jahrhunderts nach der Burg Babenberg (Bamberg) benannten, vor allem in Ostfranken begüterten, 945 letztmalig bezeugten Adelsgeschlechts (Popponen, Adalbert von Bamberg bei Haßfeld an dem 9. 9. 906 enthauptet). Als erster, wohl mit ihnen (oder nach Scheibelreiter vielleicht mit den Liutpoldingern) verwandter jüngerer B. erscheint 976 ein Markgraf Liutpald der Mark an der Donau. 1156 erreichen die B. (Leopold I. 976-994, Heinrich I. 994-1018, Adalbert 1018-1055, Ernst 1055-1075, Leopold II. 1075-1095, Leopold III 1095-1136, Leopold IV. 1136-1141, Heinrich II. Jasomirgott 1141-1177) in dem sog. (lat. [N.]) privilegium minus als Ausgleich für die Rückgabe des 1138 von den Staufern den Welfen entzogenen und 1139 den Babenbergern übertragenen Herzogtums →Bayern die Erhebung ihrer Mark zu demselbständigen, von Bayern gelösten Herzogtum →Österreich des deutschen Reiches. Die (nach Leopold V. 1177-1194, Friedrich I. 1195-1198, Leopold VI. 1198-1230 und Friedrich II. 1230-1246) zunächst an Baden (1248-1251) und dann an Böhmen gelangten Güter des 1246 in dem Mannesstamm erloschenen Geschlechts verlehnt König Rudolf von Habsburg nach dem →Interregnum (1282) innerfamiliär an die →Habsburger. Die Benennung als B. wird erst in dem 15. Jahrhundert allgemein üblich.

Lit.: Köbler, DRG 76, 94; Rauch, K., Die Erwerbung des Herzogtums Steiermark durch die Babenberger, ZRG GA 38 (1917), 269; Rauch, K., Die Übertragung der steirischen Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht der Babenberger, ZRG GA 58 (1938), 448; Urkundenbuch zur Geschichte der Babenberger in Österreich, Bd. 1ff. 1950ff.; Appelt, H., Privilegium minus, 1973, 2. A. 1977; Lechner, K., Die Babenberger, 1976, 4. A. 1985, 6. A. 1996; Tausend Jahre Babenberger in Österreich, 1976; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Dienst, H., Die Babenberger 976-1246, 2005; Brunner, K., Leopold der Heilige, 2009; Scheibelreiter, G., Die Babenberger, 2010; Hanko, H., Herzog Heinrich II. Jasomirgott, 2012; Lohrmann, K., Die Babenberger und ihre Nachbarn, 2020

Babylon

Lit.: Jursa, M., Die Babylonier, 2004

Baccalaureus (9. Jahrhundert baccalarius, [lat., M.], Knecht) ist seit dem 13. Jahrhundert (1231) der unterste akademische Grad (vgl. angloam. bachelor).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Leff, G., Paris and Oxford in the 13th and 14th Centuries, 1968; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht in dem Mittelalter, Bd. 2 2007, 63

Bacharach

Lit.: Wagner, F., Stadt Bacharach und Samtgemeinde der Viertäler, 1956

Bachofen, Johann Jakob (Basel 22. 12. 1815-Basel 25. 11. 1887), Seidenbandfabrikantensohn, wird nach dem Studium von Philologie, Geschichte und Recht in Basel, Berlin (Savigny) und Göttingen 1841-1844 Professor für römisches Recht in Basel und 1842 Richter (1844 Appellationsrat). Auf rechtsethnologischer Grundlage entwickelt er die Vorstellung eines ursprünglichen Mutterrechts (Über das Weiberrecht, 1856, Das Mutterrecht, 1861). Bei seinen Zeitgenossen findet er hierfür kein Verständnis.

Lit.: Bachofen, J., Eine Selbstbiographie, Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft 34 (1917); Bernoulli, C., Johann Jakob Bachofen und das Natursymbol, 1924; Müllenbach, B., Johann Jakob Bachofen als Rechtshistoriker, ZRG GA 105 (1988), 17

Bacon, Francis (London 22. 1. 1561-Highgate bei London 9. 4. 1626), Sohn des englischen Lordsiegelbewahrers, wird nach dem Studium in Cambridge und der Berufsausbildung in Gray’s Inn 1583 Anwalt, 1607 Kronanwalt, 1613 Justizminister, 1617 Lordsiegelbewahrer und 1618 Lordkanzler. Wegen des Verdachts der Bestechlichkeit verliert er 1621 alle öffentlichen Ämter. Als Jurist bemüht er sich besonders um Klarheit und Wissenschaftlichkeit. Außerrechtliche Bekanntheit gewinnt er durch die Forderung, dass die Wissenschaft nur aus einzelnen Erfahrungen allgemeine Folgerungen ziehen dürfe (→Empirismus, →Locke).

Lit.: Köbler, DRG 136; Bock, H., Staat und Gesellschaft bei Francis Bacon, 1937; Anderson, F., Francis Bacon, 1962; Krohn, W., Francis Bacon, 1988; Wormald, B., Francis Bacon, 1993; Zagorin, P., Francis Bacon, 1998; Keller, S., Experiment versus Dogma, 2005

Baculus (M.) iudicii secularis (lat.) in Frankenford ist das in 88 Artikeln gegliederte Werk über Gerichtsverfassung und Verfahren in Frankfurt am Main, das zwischen 1400 und 1430 von einem unbekannten Stadtschreiber verfasst worden sein könnte.

Lit.: ; Coing, H., Die Rezeption des römischen Rechtes in Frankfurt am Main, 1939, 15

Bad

Lit.: Martin, A., Deutsches Badewesen, 1906; Gail, W., Die Rechtsverfassung der öffentlichen Badstuben, 1940; Büchner, R., Im städtischen Bad vor 500 Jahren, 2014; Die Taunusbäder, hg. v. Vanja, C. u. a., 2019

Baden in dem Oostal erscheint nach einem römischen Aquae Aureliae 987. Nach ihm benennt sich seit 1112 eine mit Markgraf Hermann († 1074) erkennbare, von den Herzögen von →Zähringen abstammende Familie. Sie gewinnt umfangreiche Güter, die nach Vervierfachung unter Napoleon an dem Beginn des 19. Jahrhunderts (1806) bis zu der Abdankung an dem 22. 11. 1918 gehalten werden können. 1951/1952 geht B. in Baden-Württemberg auf.

Lit.: Kroeschell, DRG 186, 192, 201, 156; Köbler, Historisches Lexikon; Meyer, E., Badisches Volksleben im neunzehnten Jahrhundert, 1900; Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte Bd. 1f. 1906ff.; Andreas, W., Die Einführung des Code Napoléon in Baden, ZRG GA 31 (1910), 182; Lenel, P., Badens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung unter Markgraf Karl Friedrich (1738-1803), 1913; Andreas, W., Geschichte der badischen Verwaltungsorganisation und Verfassung in den Jahren 1802-1818, 1913; Windelband, W., Die Verwaltung der Markgrafschaft Baden zur Zeit Karl Friedrichs, 1916; Krieger, A., Badische Geschichte, 1921; Strobel, E., Neuaufbau der Verwaltung und Wirtschaft der Markgrafschaft Baden-Durlach, 1935; Hofmann, K., Die germanische Besiedelung Nordbadens, 1937; Wahle, E., Vorzeit am Oberrhein, 1937; Beinert, B., Geheimer Rat und Kabinett in Baden, 1937; Badisches Wörterbuch, bearb. v. Ochs, E. u. a., Bd. 1ff. 1940 ff.(2011 bis Lieferung 82/83, Abschluss in 5 Bänden geplant für 2015); Baden im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 1f. 1948ff.; Rheinbaben, G. v., Die erste Kammer in Baden, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1949; Bader, K., Der deutsche Südwesten in seiner territorialstaatlichen Entwicklung, 1950; Armbruster, F., Die Freiburger Talvogtei, 1950; Arndt, E., Vom markgräflichen Patrimonialstaat zum großherzoglichen Verfassungsstaat Baden, Diss. jur. Freiburg 1952 = ZGO 101 (1953), 157, 436; Haebler, R., Badische Geschichte, 1951, Neudruck 1987; Wielandt, F., Badische Münz- und Geldgeschichte, 1955; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess in den badischen Markgrafschaften, 1961; Rummer, J., Die Pforzheimer Prob, 1963; Sütterlin, B., Geschichte Badens, 1967; Gut, J., Die Landschaft auf den Landtagen der markgräflich badischen Gebiete, 1970; Blickle, P., Landschaften im alten Reich, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2626, 3,3,2855,3696; Hahn, W., Die Entwicklung der Laiengerichtsbarkeit im Großherzogtum Baden-Baden, 1974; Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-Württemberg 1, 2, hg. v. Landkreistag, 1975; Theil, B., Das älteste Lehnbuch der Markgrafen von Baden, 1974; Krimm, K., Baden und Habsburg, 1976; Stiefel, K., Baden 1648-1952, 1978; Boelcke, W., Handbuch Baden-Württemberg, 1982; Badische Biographien, neue Folge, Bd. 1ff. 1982ff.; Real, W., Die Revolution in Baden 1848/49, 1983; Das Großherzogtum Baden zwischen Revolution und Restauration 1849-1851, hg. v. Real, W., 1983; Pforzheim in der frühen Neuzeit, hg. v. Becht, H., 1989; Gross, N., Der Code civil in Baden, 1993; Muscheler, K., Die Rolle Badens in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 1993; Die badische Verfassung von 1818, hg. v. Bräunche, E. u. a., 1996; Hug, W., Geschichte Badens, 1998; Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, hg. v. Schwarzmaier, H. u. a., Bd. 1ff. 1998ff.; Baldes, A., Die Entstehung des Strafgesetzbuches, 1999; Quellen zur Entstehung der Verfassung des Landes Baden, bearb. v. Feuchte, P., 1999; Kißener, M., Richter zwischen Diktatur und Demokratie, 2003; Holenstein, A., Gute Policey und lokale Gesellschaft, 2003; Festschrift 200 Jahre Badisches Oberhofgericht – Oberlandesgericht Karlsruhe, hg. v. Münchbach, W., 2003; Würtz, C., Johann Niklas Friedrich Brauer (1754-1813), 2005; Schwarzmaier, H., Baden, 2005; Engehausen, F., Kleine Geschichte des Großherzogtums Baden 1806-1918, 2005; Die Protokolle der Regierung von Baden, Bd. 1ff. bearb. v. Hochstuhl, K., 2006ff.; Kohnle, A., Kleine Geschichte der Markgrafschaft Baden, 2007; Pätzold, S., Kleine Geschichte der Stadt Pforzheim, 2007; Laufs, A. u. a. Das Eigentum an badischen Kulturgütern, 2008; Becht, H., Badischer Parlamentarismus 1819 bis 1870, 2009; Maciejewski, J., Amtmannsvertreibungen in Baden im März und April 1848, 2010; Leschhorn, K., Die Städte der Markgrafen von Baden, 2010; Engehausen, F., Kleine Geschichte der Revolution 1848/49 in Baden, 2010; Borgstedt, A., Badische Anwaltschaft und sozioprofessionelles Milieu in Monarchie, Republik und totalitärer Diktatur, 2012; Weinacht, P., Politische Kultur am Oberrhein, 2012; Gräbener, R., Verfassungsinterdependenzen in der Republik Baden, 2014; Kitzing, M., Für den christlichen und sozialen Volksstaat, 2014; Die Lebenserinnerungen des ersten badischen Staatspräsidenten Anton Geiß (1858-1944), hg. v. Furtwängler, M., 2014; Hug, W., Die Geschichte Badens, 2. A: 2016; Selgert, F., Baden and the Modern State, 2018

Baden-Württemberg ist das 1951/1952 (25. April 1952) aus Württemberg-Baden (Nordbaden, Nordwürttemberg), Baden (Südbaden) und Württemberg-Hohenzollern (Südwürttemberg, Hohenzollern) gebildete Bundesland der Bundesrepublik Deutschland.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Deutsches Städtebuch, Baden-Württemberg 1959; Landesgeschichtliche Vereinigungen in Baden-Württemberg, bearb. v. Gönner, E., 1987; Boelcke, W., Handbuch Baden-Württemberg, 1982; Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, hg. v. d. Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Bd. 1ff. 1990ff.; Weber, R./Wehling, H., Geschichte Baden-Württembergs, 2007; Wilhelm, B., Das Land Baden-Württemberg, 2007; Meier-Braun, K. u. a., Kleine Geschichte der Ein- und Auswanderung in Baden-Württemberg, 2008; Waßner, M., Kleine Geschichte Baden-Württembergs, 3. A. 2017

Bader, Karl Siegfried (Waldau/Schwarzwald 27. 8. 1907-Zürich 13. 9. 1998, Vater Hauptlehrer) wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen, Wien, Heidelberg und Freiburg im Breisgau 1931 in Notariat und Staatsanwaltschaft in Freiburg im Breisgau tätig, aber zu dem1. 10. 1933 trotz Beitritts zur NSDAP wegen nicht vollarischer Abstammung seiner in Wien getroffenen Ehefrau (Grete Weiss) entlassen und deswegen Rechtsanwalt und Leiter des fürstenbergischen Archivs in Donaueschingen. 1945 wird er Generalstaatsanwalt und außerordentlicher Professor für Rechtsgeschichte und Kirchenrecht in Freiburg in Breisgau, 1951 ordentlicher Professor in Mainz und 1953 als Nachfolger Heinrich Mitteis‘ in Zürich (1975 emeritiert). Sein bekanntestes Werk seiner rund 1200 Veröffentlichungen sind dreibändige Studien zu der Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes (1957-1973).

Lit.: Zwei Jahrzehnte Rechtsgeschichte an der Universität Zürich, 1975; Bader, K., Ausgewählte Schriften, 1983; Schott, C., Karl Siegfried Bader, ZRG GA 119 (2002), 1

Badisches Landrecht von 1588 ist das von Markgraf Philipp II. an dem 2. 1. 1588 erlassene, 1805 erstmals gedruckte, bis Ende 1809 bzw. bis 1810 geltende Landrecht für die Markgrafschaft Baden-Baden (Landesordnung), das in seinen drei ersten Teilen (Untergerichtsordnung, Kontrakte, Testamente) auf dem württembergischen Landrecht von 1567 beruht, in dem vierten Teil das Intestaterbrecht selbständig behandelt und in seinem fünften Teil (Strafrecht) (über das Kurpfälzer Landrecht von 1580 bzw. 1582) auf die kursächsischen Konstitutionen (1572) zurückgeht.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess in den badischen Markgrafschaften, 1961, 86

Badisches Landrecht von 1654 ist das seit 1604 vorbereitete, für 1619 geplante, 1622 (und 1710, 1715 sowie 1773) gedruckte, ursprünglich für ganz Baden (Baden-Baden und Baden-Durlach) gedachte, aber wegen der (bis 1771 dauernden) Landesteilung nur in Baden-Durlach von 1654 bis 1810 gültige Landrecht, das auf der Grundlage älterer Einzelgesetze sowie des kurpfälzischen Landrechts und des württembergischen Landrechts in sieben Teilen (Untergerichtsordnung, Hofgerichtsordnung, Ehe- und Ehegerichtsordnung, Verträge, Testamente, Intestaterbrecht, Strafrecht und Strafprozessrecht) fast das gesamte Recht ordnet (ausgenommen das Verwaltungsrecht).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1906ff., 2, 20

Badisches Landrecht von 1809 ist der zu dem1. 1. 1810 als Landrecht für das Großherzogtum Baden eingeführte, durch Johann Nikolaus Friedrich Brauer unter Ausschluss von Fremdwörtern wortnah in die deutsche Sprache übersetzte Code Napoléon (→Code civil, 2281 Artikel) Frankreichs mit (270) Zusätzen und Handelsgesetzen, dessen Geltung (revidierte Fassungen von 1846, 1874 und 1899) durch die Inkraftsetzung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs an dem 1. 1. 1900 endet.

Lit.: Brauer, J., Erläuterungen über den Code Napoléon, 1809ff.; Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte, Bd. 2 1909; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Fehrenbach, E., Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, 3. A. 1983; Gross, N., Der Code Napoléon in Baden und sein Verleger C. F: Müller, 1997; Code Napoleon - Badisches Landrecht, (hg. v. Müller-Wirth, C.,) 1997; ; Schroeder, K., Hier ist eine baldige aber Radicale Kur nothwendig, NJW 2010, 731; Rabaa, A., Die Ehe als Rechtsinstitut im Badischen Landrecht von 1810, 2011; 200 Jahre Badisches Landrecht von 1809/1810, hg. v. Hattenhauer, C./Schroeder, K., 2011; Sturm, F., 200 Jahre Badisches Landrecht, 2011

Bagarottus ist ein zwischen 1170 und 1180 geborener, wohl in Piacenza anässiger Jurist.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 297

Bähr, Otto (Fulda 2. 6. 1817-Kassel 17. 2. 1895), Sohn eines Regimentsarzts, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg, Göttingen und Heidelberg Richter in Kassel (1849), (1851 strafverstzt in) Fulda, Kassel und (nach der Annexion Hessen-Kassels durch Preußen) 1866) Berlin (1879-1881 Reichsgericht, Aufgabe des Amtes wegen Nervenleidens). Als nationalliberaler Rechtspolitiker setzt er sich für die gerichtliche Überprüfbarkeit des Verwaltungshandelns ein (Der Rechtsstaat, 1864). In der Untersuchung Die Anerkennung als Verpflichtungsgrund entwickelt er den selbständig (abstrakt) verpflichtenden Schuldvertrag.

Lit.:

OttoDerRechtsstaat1864.pdf , Bähr, Otto, Der Rechtsstaat, 1864, Weber, D., Die Lehre von dem Rechtsstaat, Diss. jur. Köln 1968; Binder, B., Otto Bähr, 1983

Bahrprobe ist das wohl erst seit dem 12./13. Jahrhundert in literarischen Texten (Nibelungenlied) bezeugte, zunächst außergerichtliche, in dem Rechtsbuch Ruprechts von Freising von 1328 (Art. 278) auch für gerichtliche Verwendung nachgewiesene Verfahren, bei dem bei Fehlen anderer Beweismöglichkeiten ein einer Tötung Beschuldigter an die Totenbahre des Getöteten treten und seine Unschuld beschwören muss oder auch darf. Veränderungen der Leiche (z. B. Bluten) werden als Hinweis auf die Täterschaft des Beschuldigten angesehen. Herkunft (vgl. 1. Moses 4,10 [lat.] vox sanguinis fratris tui clamat ad me de terra, die Stimme des Blutes deines Bruders ruft zu mir von der Erde) und Wesen des Verfahrens sind unklar. Mit der Aufklärung verschwindet die in der Neuzeit als Indiz für die Anwendbarkeit der Folter gebrauchte B., mit dem 19. Jahrhundert der Glaube an sie.

Lit.: Christensen, C., Baareprøven, 1900; Kolb, F., Das alte Bahrrecht in Tirol, Tiroler Heimat 13/14 (1949/1950), 7; Ewers, H., Die Bahrprobe, Diss. jur. Bonn 1951; Fehr, H., Das Bahrrecht, Dt. Jb. f. Volkskunde 6 (1960), 85

Balduinus →Baudoin

Baldus de Ubaldis (Perugia 2. 10. 1327-Pavia 28. 4. 1400), Sohn eines adligen Professors der Medizin, wird nach dem Studium in Perugia (Bartolus) Professor des römischen Rechtes in Perugia (1347-1357), Pisa (1357/1358), Florenz (1358-1364), Perugia (1364-1376), Padua (1376-1379), Perugia (1379-1390) und Pavia (1390-1400). Auf Grund der vollständigen Beherrschung des gesamten geltenden Rechtes gelingt ihm die selbständige Weiterbildung vieler Einzelheiten (Wechselrecht, Gesellschaftsrecht, internationales Privatrecht, Prozessrecht, Staatsrecht, Strafrecht, Privatrecht) in rund 2800 (d. h. fast 70 je Jahr) Gutachten (lat. [N.Pl.] consilia) und verschiedenen (lückenhaften) Kommentaren (lectura Codicis, Kommentar zu dem digestum vetus, lectura trium librorum Codicis, lectura super usibus feudorum, Kommentar zu acta pacis Constantiae, Kommentar zu dem liber extra) und Traktaten.

Lit.: Söllner § 25; Kisch, G., Bartolus und Baldus, 1960; Horn, N., Aequitas in den Lehren des Baldus, 1968; Lange, H., Die Consilien des Baldus, 1974; Maffei, D., Giuristi medievali, 1979; Danusso, C., Ricerche sulla lectura feudorum di Baldo, 1991; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 749

Balkan (ein Berg in Bulgarien) ist die aus dem Türkischen kommende, zusammenfassende Bezeichnung für die südosteuropäische Halbinsel, auf der das römische Recht nach dem Ende der Antike in Form des byzantinisch-römischen Rechtes fortwirkt, seit dem 14. Jahrhundert aber durch den Nomokanon des Pseudo-Phótios von dem Ende des 9. Jahrhunderts, das Syntagma tón theión kai hierón nomón des Mönches Matthaios Blastarés (1335) und den Hexabiblos des Konstantinos Harmenopoulos (1345) bereichert wird. →Griechenland, Albanien, Bulgarien, Jugoslawien.

Lit.: Weithmann, M., Balkan-Chronik, 1995; Hösch, E., Geschichte der Balkanländer, 4. A. 2002; Der Balkan, hg. v. Elvert, J., 1997; Der Balkan, hg. v. Heuberger, V. u. a., 1998; Südosteuropa, hg. v. Hatschikjan, M. u. a., 1999; Der Balkankrieg, hg. v. Hofbauer, H., 1999; Mennel, R., Der Balkan, 1999; Razumovsky, D. Gräfin, Der Balkan, 1999; Pavlowitsch, S., A History of the Balkans 1804-1945, 1999; Todorova, M., Die Erfindung des Balkans, 1999; Hösch, E., Geschichte des Balkans, 2004; Europe and the Historical Legacies in the Balkans, hg. v. Detrez, R. u. a., 2008; Am Rande Europas?, hg. v. Chiari, B. u. a., 2009; Zimmermann, T., Der Balkan zwischen Ost und West, 2014; Jezernik, B., Das wilde Europa, 2015; Foteva, A., Do the Balkans Begin in Vienna?, 2015; Ruzicic-Kessler, K., Italiener auf dem Balkan – Besatzungspolitik in Jugoslawien 1941-1943, 2017; Schmitt, O., Der Balkan im 20. Jahrhundert, 2019

Ballei (zu mlat. [M.] ballivus) ist seit dem 14. Jahrhundert nach sizilianischem Vorbild die Bezeichnung für die Provinz des →Deutschen Ordens (außerhalb des Preußenlands) mit dem Landkomtur (als Vertreter des Hochmeisters) an der Spitze (z. B. Utrecht, Alten-Biesen, Westfalen, Sachsen, Hessen, Thüringen, Franken, Koblenz, Elsass-Schwaben-Burgund, Lothringen, Österreich, An der Etsch und im Gebirge, Lamparten, Apulien, Sizilien, Böhmen, Armenien und Zypern, Romanien).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Voigt, J., Geschichte des Deutschen Ritter-Ordens, Bd. 1f. 1857ff.; Militzer, K., Die Entstehung der Deutschordensballeien im deutschen Reich, 2. A. 1981; Militzer, K., Von Akkon zur Marienburg, 1999

Ballivus (zu lat. baiulus [M.] Lastträger) ist ein herrschaftlicher Amtsträger im mittelalterlichen Frankreich (um 1150) sowie später in Süditalien und als bailiff in dem hochmittelalterlichen England mit meist auch niedergerichtlichen Aufgaben.

Lit.: Nowé, H., Les baillis comtaux de Flandre, 1929; Rompaey, J. v., Het grafelijk baljuwsambt in vlaanderen, 1967

Balte ist der Angehörige eines baltisch sprechenden indogermanischen Volkes (Preußen, Kuren, Letten, Litauer).

Baltikum ist die neuzeitliche Sammelbezeichnung (seit dem 16. Jahrhundert sind baltische Länder Estland, Livland mit Lettgallen in dem Südosten, Semgallen und Kurland, während Litauen erst seit dem 19. Jahrhundert zu dem B. gezählt wird) für die spätestens seit dem ausgehenden Frühmittelalter von ugro-finnischen und balto-slawischen Stämmen (Esten, Liven, Kuren, Lettgaller, Selen, Semgaller) besiedelten Gebiete an dem östlichen Rand der südlichen Ostsee. Das B. wird seit dem Ende des 12. Jahrhunderts von Deutschen (Riga 1201) und Dänen (Reval 1219) beeinflusst. Die Bischöfe von Riga (1255 Erzbistum), Dorpat, Ösel, Kurland und Reval sowie der Deutschordensmeister von Livland erlangen die Stellung von Fürsten des Heiligen römischen Reiches. Sie finden sich in dem 15. Jahrhundert in einer altlivländischen Konföderation mit alljährlichen Landtagen zusammen. Das aufgezeichnete, neben ungeschriebenen Gewohnheitsrechten der Bauern bestehende Recht ist (von Dänemark und) von dem Heiligen römischen Reich beeinflusst (1315 waldemar-erichsches Lehnrecht [beeinflusst von dem Dienstrecht des Hochstifts Hildesheim], ältestes livländisches Ritterrecht, livländischer Spiegel [als Überarbeitung des →Sachsenspiegels], [kompiliert als] wiek-öselsches Lehnrecht, mittleres livländisches Ritterrecht [15. Jahrhundert], umgearbeitetes Ritterrecht [systematisiert], Bauernrechte [mit Bußbestimmungen], lübisches Stadtrecht [Reval] und hamburgisches Stadtrecht [Riga, Dorpat, Libau]). Das römische Recht wirkt sich nur wenig aus. 1561 kommt das Gebiet an Polen (Livland, Kurland) und Schweden (Estland, 1621 auch Livland), 1710 fallen Estland und (mittleres) Livland (sowie das seit 1559 dänische Ösel), 1772 bei der ersten Teilung Polens Lettgallen und 1795 bei der dritten Teilung Polens Kurland an Russland, wobei augsburgische Konfession, deutsches Recht, deutsche Verwaltung und Amtssprache zugesichert bleiben. 1816/1819 erfolgt (innerhalb Russlands) die Bauernbefreiung, danach die Festlegung des Provinzialrechts (1864 Zivilgesetzbuch [mit etwa 4600 Artikeln], liv-, est- und kurländisches Privatrecht, wobei der Kern des inhaltlichen baltischen Privatrechts als aus deutschen [40 Prozent livländisches, estländisches, lübisches, russisches Recht, kurländische Statuten, baltische Bauernverordnungen, Gewohnheitsrecht] und römischen Wurzeln [57 % römisch-rechtlichen Ursprungs] erwachsenen gemeinen Rechtes örtlicher Prägung erhalten bleibt), 1877 die Einführung der Städteordnung Russlands von 1870, 1889 die Einführung des russischen Gerichtsverfassungsrechts und Prozessrechts. 1918 werden Estland (24. 2. 1918) und Lettland von Russland bzw. der Sowjetunion unabhängig und selbständig, an dem 6. 8. 1940 bzw. 5. 8. 1940 der Sowjetunion unter Aussiedlung der Deutschen auf Grund des Hitler-Stalin-Pakts von 1939 gewaltsam eingegliedert und an dem 6. 9. 1991 wieder unabhängig. 2004 werden Estland, Lettland und Litauen Mitglieder der Europäischen Union.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ziegenhorn, C. v., Staatsrecht der Herzogtümer Curland und Semgallen, 1772, Neudruck 1973; Bunge, F. v., Einleitung in die liv-, est- und kurländische Rechtsgeschichte, 1849; Bunge, T. v., Der baltische Civilprozess nach der Justizreform vom Jahre 1889, 1890f.; Schmidt, O., Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Schilling, C., Die lehn- und erbrechtlichen Satzungen des waldemar-erich’schen Rechtes, (o. J.); Wittram, R., Baltische Geschichte, 1954; Blaese, H., Einflüsse des römischen Rechtes in den baltischen Gebieten, 1964; Von den baltischen Provinzen zu den baltischen Staaten, hg. v. Hehn, J. v. u. a., 1977; Hehn, J. v., Die Umsiedlung der baltischen Deutschen, 1984; Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Schmidt, A., Geschichte des Baltikums, 1992; Baltische Länder, hg. v. Pistohlkors, G. v., 1994; Die baltischen Sprachen, hg. v. Eckert, R., 1994; Der Aufbau der freiheitlich-demokratischen Ordnung in den baltischen Staaten, hg. v. Meissner, C. u. a., 1995; Norgaard, O. u. a., The Baltic States after Independence, 1996; Die baltischen Staaten, hg. v. Scholz, F. u. a., 1997; Baltistik, hg. v. Bammesberger, A., 1998; Handbuch Baltikum heute, hg. v. Graf, H. u. a., 1998; Die Deutschbalten und der Nationalsozialismus, Bd. 1, hg. v. Garleff, M., 2000; Roth, M., Der Einfluss des Europarats auf die demokratische und menschenrechtliche Transformation der baltischen Staaten, 2004; Tuchtenhagen, R., Geschichte der baltischen Länder, 2005; Garber, K., Schatzhäuser des Geistes, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 982; Tuchtenhagen, R., Zentralstaat und Provinz im frühneuzeitlichen Nordosteuropa, 2008; Baltisch-europäische Rechtsgeschichte und Lexikographie, hg. v. Kronauer, U. u. a., 2009; Rechtswissenschaft in Osteuropa, hg. v. Pokrovac, Z., 2010; Aufklärer im Baltikum, hg. v. Kronauer, u., 2011; Plath, T., Zwischen Schonung und Menschenjagden, 2012; Die baltischen Länder und Europa in der frühen Neuzeit, hg. v. Angermann, N. u. a., 2015

Baluze, Etienne (Tulle 24. 11. 1630-Paris 28. 7. 1718) veröffentlicht nach dem Rechtsstudium in Toulouse als Bibliothekar Colberts 1677 die erste große Ausgabe der frühmittelalterlichen →Kapitularien (einschließlich der Volksrechte) des fränkischen Reiches (Capitularia regum Francorum).

Lit.: Ganshof, F., Was waren die Kapitularien?, 1961

Bamberg ist der als Burg Babenberg (→Babenberger) erstmals zu dem Jahre 902 genannte Ort an dem oberen Main, der 973 von Kaiser Otto II. an den verwandten Herzog von Bayern gegeben und 1007 unter dessen Erben König Heinrich II. Sitz eines Bistums wird. Um 1060 erfolgt eine Aufzeichnung des Dienstrechts der Dienstmannen. 1507 schafft der bischöfliche Hofmeister Johann von →Schwarzenberg die Bamberger Halsgerichtsordnung (Constitutio Criminalis Bambergensis). 1735 wird für kurze Zeit eine juristische Fakultät (Gönner) an der von 1648 bis 1803 bestehenden Universität eingerichtet. 1769 wird ein Landrecht erlassen (nur Teil 1 Civil- oder bürgerliche Sachen betreffend). 1803 fällt das Fürstbistum B. an Bayern. Kirchlich wird das seit dem 13. Jahrhundert von Mainz exemte Bistum 1818/1821 Erzbistum mit den Bistümern Eichstätt, Speyer und Würzburg. Seit 1923 besteht eine philosophisch-theologische Hochschule mit (1946) rechtswissenschaftlichem Studiengang, seit 1972 eine Gesamthochschule (1979 Universität) mit einer wirtschaftswissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Fakultät.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 94, 138; Köbler, Historisches Lexikon; ; Zöpfl, H., Das alte Bamberger Recht, 1839; Jaffé, P., Monumenta Bambergensia, 1869; Güterbock, C., Zur Redaktion der Bambergensis, 1910; Ament, W., Bamberg, 1929; Das (exemte) Bistum Bamberg, hg. v. Guttenberg, E. v. u. a., 1937ff.; Weiß, H., Stadt- und Landkreis Bamberg, 1974; Hoffmann, H., Bamberger Handschriften, 1995; Moser, P., Bamberg, 1998; Pflefka, S., Das Bistum Bamberg, 2005; Das Bistum Bamberg um 1007, hg. v. Urban, J., 2006; Festschrift 200 Jahre Appellationsgericht/Oberlandesgericht Bamberg, hg. v. Meisenberg, M., 2009; Missionierung und Christianisierung im Regnitz- und Obermaingebiet, hg. v. Bergmann, R. u. a., 2007; Siewert, U., Das Bamberger Kollegiatstift St. Stephan, 2007; Staudenmaier, J., Gute Policey in Hochstift und Stadt Bamberg, 2012; Handel, Händler und Märkte in Bamberg, hg. v. Häberlein, M. u. a., 2015; Bambergische Peinliche Halsgerichtsordnung Constitutio Criminalis Bambergensis, 2015

Bamberger Halsgerichtsordnung →Bamberg

Bande ist der Zusammenschluss mehrerer Menschen zu der grundsätzlich gemeinsamen Begehung von Straftaten. Bekannte geschichtliche Beispiele sind etwa die B. Robin Hoods, des Schinderhannes oder der Roten Armee Fraktion.

Lit.: Die Entwicklung der Strafpraxis bei Bandenkriminalität, 2010; Gerstenmayer, C., Spitzbuben und Erzbösewichter, 2012; Sundermeyer, O., Bandenland – Deutschland im Visier von organisierten Kriminellen, 2017

Bank ist allgemein die breite Sitzgelegenheit und rechtlich das Unternehmen, dessen Inhaber mindestens eine Art von Bankgeschäften in einem Umfang betreibt, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Nach antiken Vorläufern in Ägypten, Griechenland und Rom (lat. [M.Pl.] argentarii, mensarii) entwickeln sich seit dem 12. Jahrhundert berufsmäßige, jeweils auf einer hölzernen oder steinernen Bank tätige Geldwechsler zuerst in Italien (Lombarden), wobei wegen der Nähe von Geldwechsel und Darlehen auf Grund des kanonischen Zinsverbots Juden geschäftliche Vorteile erwachsen. Seit dem 15. Jahrhundert entstehen halböffentliche Banken und danach öffentliche Banken (Barcelona 1401, Genua 1409, Amsterdam 1609, Hamburg 1619, Nürnberg 1621, Bank of England 1694). Seit etwa 1835 beginnen die Banken mit der Finanzierung industrieller Unternehmen, die bereit sind, Fremdkapital aufzunehmen (Paris 1852 Aktienbank). Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert werden die (zu etwa der Hälfte von jüdischen Inhabern betriebenen rund 1000 deutschen) Privatbanken (Sal. Oppenheim in Köln, M. Warburg in Hamburg) von den von ihnen zu der Gefahrenverringerung entwickelten Aktienbanken allmählich zurückgedrängt, zwischen 1933 und 1945 auch geschlossen oder enteignet. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden die Banken zu bedeutenden Dienstleistungsunternehmen, deren Recht zunehmend europäisiert wird. In dem Herbst 2008 entsteht auf Grund ungesicherter Darlehensvergabe weltweit eine Bankenkrise.

Lit.: Köbler, DRG 176; Günther, K., Die städtischen Wechselbanken Deutschlands, Diss. jur. Münster 1932; Trusen, W., Die Anfänge öffentlicher Banken und das Zinsproblem, FS J. Bärmann, 1975, 113; Born, K., Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, 1976; Poeschel, H., Die Statuten der Banken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften in Hamburg und Altona von 1710-1889; Wissenschaft und Kodifikation Bd. 5 1980; Klein, E., Deutsche Bankengeschichte, 1982; L’alba della banca, 1982; Gabler Banklexikon, hg. v. Grill, W. u. a., 11. A. 1995, 13. A. 2002; Lane, F./Mueller, R., Money and Banking, 1985; Ruland, A., Zur Entwicklung des Bankaufsichtsrechts, Diss. jur. Münster 1987; Kluge, A., Zur Geschichte der deutschen Bankgenossenschaften, 1991; Wandel, E., Banken und Versicherungen, 1997; Europäische Bankgeschichte, hg. v. Pohl, H., 1997; Banking, Trade and Industry, hg. v. Teichova, A., 1997; Fuchs, R., Die Wiener Stadtbank, 1998; North, M., Kommunikation, Handel, Geld und Banken, 2000; A History of European Banking, hg. v. Kurgan, G. u. a., 2000; James, H., Verbandspolitik im Nationalsozialismus, 2001; Kahmann, H., Die Bankiers von Jacquier & Securius 1933-1945, 2002; Distel, J., Die Errichtung des westdeutschen Zentralbanksystems mit der Bank deutscher Länder, 2003; Der Privatbankier, hg. v. Institut für bankhistorische Forschung, 2003; James, H., Die Deutsche Bank im Dritten Reich, 2003; Die Commerzbank und die Juden, hg. v. Herbst, L. u. a., 2004; Linder, N., Die Berner Bankenkrise von 1720, 2004; Liedtke, R., N M Rothschild & Sons, 2006; Deutsche Bankiers des 20. Jahrhunderts, hg. v. Pohl, H., 2008; Scholtyseck, J., Die Geschichte der National-Bank, 2011; Rosenberg, H. u. a., Die deutschen Banknoten ab 1871, 18. A. 2011, 19. A. 2014, 20. A. 2016; Denzel, M., Der Nürnberger Banco Publico, seine Kaufleute und ihr Zahlungsverkehr (1621-1827), 2012; Backhaus, F., Mayer Amschel Rothschild, 2012; Lampe, W., Der Bankbetrieb in Krieg und Inflation, 2012; Schlüsselereignisse der deutschen Bankengeschichte, hg. v. Lindenlaub, D. u. a., 2013; Jungmann-Stadler, F. u. a., Giesecke & Devrient. Banknotendruck 1955-2002, 2014; Graber, R. u. a., Akte Hypo Alpe Adria, 2014; Hetzer, W., Ist die Deutsche Bank eine kriminelle Vereinigung?, 2015; 100 Jahre Bundesverband öffentlicher Banken Deutschlands 1916-2017, hg. v. Institut für Bank- und Finanzgeschichte e. V., 2016

Bankert (mhd. Banchart [M.] auf der Bank Gezeugter) ist die ältere deutsche Bezeichnung für das seit dem 8. Jahrhundert von der Kirche abgelehnte →nichteheliche Kind.

Bankrott ist das vollständige Scheitern des Unternehmers, das in dem Spätmittelalter bei den Bankinhabern zu dem Zerstören ihrer Bank (ital. banca rotta [F.] zerbrochene Bank) führt, wobei die Bezeichnung über das Niederländische und das Französische in dem 16. Jahrhundert in das Neuhochdeutsche eindringt. Für die Abwicklung des Bankrotts setzt sich seit dem späteren 16. Jahrhundert das Verfahren des Konkurses durch. Der betrügerische B. ist Straftatbestand.

Lit.: Meier, A., Die Geschichte des deutschen Konkursrechts, 2003; Schmitt, C., Säuberlich banquerott gemacht – Konkursverfahren aus Frankfurt am Main vor dem Reichskammergericht, 2016

Bann ist die Möglichkeit eines Amtsträgers, Gebote und Verbote unter Anordnung gewichtiger Rechtsfolgen in dem Fall der Nichtbeachtung auszusprechen (lat. bannus Gregor von Tours [538/539-594], Historiae 5, 26). In diesem Sinn kann bereits der jüdische Rabbi den uneinsichtigen Sünder zu dem Heiden erklären (vgl. Matthäus 18,15-17). Dementsprechend schließt das Christentum (Elvira 306) Sünder in bestimmten Fällen aus der kirchlichen Gemeinschaft (lat. [F.] excommunicatio Ausschluss aus der Gemeinschaft in dem 4./5. Jahrhundert gebildet) aus (nicht auch aus der Kirche insgesamt). In Fällen geringerer Sünde werden nur der Empfang der Sakramente und das kirchliche Amt abgesprochen. Von dem kirchlichen B. kann der Papst lösen. In dem weltlichen Bereich kennt das fränkische Recht den B. des Königs oder Grafen. Wer dagegen verstößt, muss 60 bzw. 15 Schilling leisten. Seit dem Hochmittelalter gehen die Bannrechte des Königs auf den Landesherrn über und werden dann durch das Hoheitsrecht des Landesherrn bzw. später des Staates ersetzt. Der kirchliche B. wird unter dem Einfluss der Aufklärung in dem 18. Jahrhundert vielfach verboten, in dem 19. Jahrhundert aber häufig wieder eingeführt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 83, 130; Sickel, W., Zur Geschichte des Bannes, 1886; Koehne, C., Studien über die Entstehung der Zwangs- und Bannrechte, ZRG GA 25 (1904), 172; Eichmann, E., Acht und Bann, 1909; Eichholzer, E., Über Zwangs- und Bannrechte, 1914; Voltelini, H. v., Königsbannleihe und Blutbannleihe, ZRG GA 36 (1915), 290; Heck, P., Die Bannleihe im Sachsenspiegel, ZRG GA 37 (1916), 260; Ganahl, K., Der Fürbann im bayerischen Rechtsgebiet, ZRG GA 54 (1934), 257; Fehr, H., Zur Geschichte des Bannes, ZRG GA 55 (1935), 237; Wießner, H., Twing und Bann, 1935; Stutz, U., Zur Herkunft von Zwing und Bann, ZRG GA 57 (1937), 289; Siuts, H., Bann und Acht, 1959 (Diss. phil. Kiel 1956); Doskucil, W., Der Bann in der Urkirche, 1958; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Tiefenbach, H., Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft, 1973; Vodola, E., Excommunication in the Middle Ages, 1986; Schneider, J./Erb, T., Bannus, Archivum latinitatis medii aevi 64 (2006), 57; Mußgnug, D., Acht und Bann im 15. und 16. Jahrhundert, 2016

Banner ist die vielleicht schon in germanischer Zeit als Zeichen dienende Fahne (Heerfahne, Gerichtsfahne). Seit dem 11. Jahrhundert werden Fahnen mit einem Fahnenwagen in die Schlacht gefahren. Seit Friedrich I. Barbarossa (1122-1190, König 1152) führt der König ein B. mit schwarzem Adler auf gelbem Grund mit sich.

Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943, 34; 75 (Fünfundsiebzig) Jahre Reichsbanner Schwarz - Rot - Gold, red. v. Grimm, U., 1999

bannitio (lat. [F.]) öffentliche Ladung

Bannleihe ist die Vergabe (Leihe) eines Bannes durch den König. Sie wird 1149 zu Gunsten der Kirche sichtbar. In dem Sachsenspiegel ist die B. eine grundlegende Erscheinung der Gerichtsbarkeit, doch verliert die königliche B. mit dem Übergang der Gerichtsbarkeit auf die Landesherren ihre Bedeutung.

Lit.: Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994

Bannmeile ist die örtlich auf eine (oder auch mehrere) Meilen festgelegte Reichweite eines →Bannes oder einer Herrschaftsgewalt. Seit dem Hochmittelalter werden insbesondere Burgen, Städte (z. B. Lechenich 1279 banmile sive bivanc), Märkte, Mühlen oder Brauhäuser mit einer B. ausgestattet. In der Gegenwart beschreibt die B. eines Staatsorgans den räumlichen Bereich, in dem keine Versammlungen abgehalten werden dürfen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hirsch, H., Die Klosterimmunität seit dem Investiturstreit, 1913; Küchler, W., Das Bannmeilenrecht, 1964

Bannwald ist der durch Bann des Königs oder sonstigen Herren der allgemeinen Nutzung entzogene Wald (7. Jahrhundert lat. [F.] silva regis, forestis, 1251 banholz, 1280 banforst).

Lit.: Mantel, K., Wald und Forst in der Geschichte, 1990; Dasler, C., Forst und Wildbann, 2001

barbarus (lat. [M.]) plappernder (Nichtrömer)

Lit.: Köbler, LAW; Rugullis, S., Die Barbaren in den spätrömischen Gesetzen, 1992

Barbeyrac, Jean de (1674-1744), 1697-1710 Professor für alte Sprachen in Berlin, 1711-1717 für Geschichte und Naturrecht in Lausanne, 1717-1744 für öffentliches und privates Recht in Groningen, verbreitet naturrechtliches Gedankengut durch französische Übersetzungen von Werken Pufendorfs, Grotius’ und Cumberlands.

Lit.: Othmer, S., Berlin und die Verbreitung des Naturrechts in Europa, 1970

Bargilde →Biergelde

Barock

Lit.: Methoden und Probleme der Alltagsforschung im Zeitalter des Barock, hg. v. Pickl, O. u. a., 1992

Baron ist die über das Mittellateinische und Mittelfranzösische von ahd. (M.) baro Mann abgeleitete Bezeichnung für eine Gruppe Adliger (1595 für Freiherr).

Barrister ist der vor Gericht ([engl.] bar) auftretende Anwalt des englischen Rechtes.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990,;4. A. 2002; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000

Barschalk ist eine Bezeichnung für bestimmte Halbfreie in dem frühmittelalterlichen Bayern (8./9. Jahrhundert, auch 13. Jahrhundert).

Lit.: Köbler, WAS; Janda, A., Die Barschalken, 1926; Mayer, T., Baar und Barschalken, FS I. Zibermayr, 1954, 143

Bartholomäus de Capua ist ein in Capua an dem 12. 8. 1248 als Sohn eines Juristen geborener, in Neapel ausgebildeter und 1278 promovierter, 1328 verstorbener neapolitanischer Jurist (Glossen, Quästionen, Reden).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 499

Bartholomäusnacht ist die Nacht zu dem 24. August (1572), in der nach der Hochzeit (Bluthochzeit) des Protestanten Heinrich von Navarra mit Margareta von Valois in Paris und Umgebung mehr als 3000 Menschen (meistens Hugenotten) getötet werden.

Bartolus de Saxoferrato (aus bäuerlicher Familie, Venatura bei Sassoferrato/Saxoferrato nahe Ancona 1313? oder 1314?-Perugia 13. 7. 1357) lehrt nach dem in Perugia (1327, Cinus de Sighibuldis) und Bologna (1330?, 1333?) betriebenen Rechtsstudium und der nach der Disputation von 1333 (baccalaureus) an dem 10. 11. 1334 in Bologna erlangten Promotion zu einem (lat.) doctor (M.) iuris civilis und einer Tätigkeit als Assessor des Podestà in Todi, Cagli und Pisa seit Winter 1338/1339 in Pisa und Perugia (1342) weltliches Recht. Neben vielleicht mehr als 400 gedruckten und weiteren rund 200 ungedruckten Gutachten verfasst er bedeutende Kommentare zu Digesten und Codex Justinians sowie Glossen, additiones, 22 gedruckte quaestiones und etwa 45 (28 gedruckte) wichtige Traktate (z. B. zu dem Markenrecht und Wappenrecht) in klarer, aber trotz freierer Auslegung noch an der Scholastik ausgerichteter Denkweise. Seine Werke bilden neben der Glosse des Accursius an vielen Orten die Grundlage des juristischen Studiums bis weit in die Neuzeit ( [lat.] Nemo bonus iurista, nisi Bartolista, niemand ist guter Jurist, wenn er nicht Bartolist ist). Sein wohl bekanntester Schüler ist Baldus de Ubaldis.

Lit.: Söllner § 25; Bartolus, Opera omnia, Drucke seit 1525; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, 2. A. Bd. 3ff. 1834ff.; Woolf, C., Bartolus of Sassoferrato, 1913. Neudruck 2012; Bartolo da Sassoferrato, Bd. 1f. 1962; Merzbacher, F., Bartolo de Sassoferrato, (in) Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 559; Kisch, G., Bartolus und Baldus, 1960; Cavallar, O. u. a., A Grammar of Signs, 1994; Lepsius, S., Der Richter und die Zeuge, 2003; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 682; Bartolo de Sassoferrato nel VII centenario della nascità – diritto, politica, società, 2014

Basel an dem Rhein (Basilia 374 n. Chr.) wird auf keltisch-römischer Siedlungsgrundlage (keltische Rauriker 1. Jahrhundert v. Chr., römisches Kastell um 15 v. Chr.) nach dem Übergang an die Alemannen (6./7. Jahrhundert) vielleicht im 7. Jahrhundert Sitz eines Bischofs (zunächst von Augst und B.). Seit 1362 zählt es sich nach dem Kauf wichtiger Rechte des Bischofs zu den freien Städten in dem Heiligen römischen Reich und erwirbt Gebiete zu dem Jura hin. 1431-1437 ist es Tagungsort eines Konzils. 1459 (4. 4. 1460) erlangt es eine (bald verbaselete) Universität (mit rund 2200 Promotionen zwischen 1558 und 1818 d. h. jährlich etwa 9). An dem 13. 7. 1501 schließt sich B. als neunter Ort der Eidgenossenschaft der →Schweiz an und löst sich 1648 förmlich von dem Heiligen römischen Reich. Die Stadtgerichtsordnung von 1719 schöpft hauptsächlich aus dem württembergischen Landrecht von 1555. 1832/1833 trennt sich Basel-Land von Basel-Stadt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Heusler, A., Verfassungsgeschichte der Stadt Basel, 1860; Concilium Basiliense, hg. v. Haller, J., Bd. 1ff. 1896ff.; Wackernagel, R., Geschichte der Stadt Basel, Bd. 1ff. 1907ff.; Bruder, H., Die Lebensmittelpolitik der Stadt Basel, 1909; Mulsow, H., Maß und Gewicht der Stadt Basel, 1910; Festschrift zur Feier des 450jährigen Bestehens der Universität Basel, 1910; His, E., Geschichte des Basler Grundbuchs, 1915; Wackernagel, R., Geschichte der Stadt Basel, Bd. 1f. 1907ff.; Heusler, A., Geschichte der Stadt Basel, 1917; Ribeaud, A., Le moulin féodal, 1920; Heusler, A., Basels Gerichtswesen im Mittelalter, 1922; His, E., Zur Geschichte des Basler Notariats, Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 20 (1922), 1; Saxer, E., Das Zollwesen der Stadt Basel, 1923; Roth, P., Die Organisation der Basler Landvogteien, 1922; His, E., Eine historische Staatsteilung, GF Fritz Fleiner 1927; Membrez, A., Die Burgvogtei Binzen, 1928; Metzger, K., Die Verbrechen und ihre Straffolgen im Basler Recht des späteren Mittelalters, 1931; Koelner, P., Die Safranzunft zu Basel, 1935; Mayer-Edenhauser, T., Zur Territorialbildung der Bischöfe von Basel, ZGO 52 (1938), 226; Die Matrikel der Universität Basel, hg. v. Wackernagel, H., Bd. 1f. 1951ff.; Staehelin, A., Geschichte der Universität Basel 1632 bis 1818, 1957; Hagemann, H., Rechtswissenschaft und Basler Buchdruck, ZRG GA 77 (1960), 241; Hagemann, H., Basler Stadtrecht im Spätmittelalter, ZRG GA 78 (1961), 140; Professoren der Universität Basel, 1960; Kisch, G., Die Anfänge der juristischen Fakultät der Universität Basel 1459-1529, 1962; Baerlocher, R., Das Rechtsmittelsystem des baselstädtischen Zivilprozessrechts, 1964; Bühler, T., Andreas Heusler und die Revision der Basler Stadtgerichtsordnung 1860-1870, 1963; Staehelin, A., Sittenzucht und Sittengerichtsbarkeit in Basel, ZRG GA 85 (1968), 78; Christ, B., Die Basler Stadtgerichtsordnung von 1719, 1969; Abplanalp, F., Zur Wirtschaftspolitik des Fürstbistums Basel, 1971; Bühler, T., Gewohnheitsrecht und Landesherrschaft im ehemaligen Fürstbistum Basel, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,443, 3,2,1958; Mommsen, K., Katalog der Basler juristischen Disputationen 1558-1818, 1978; Simon, C., Untertanenverhalten und obrigkeitliche Moralpolitik, 1981; Hagemann, H., Basler Rechtsleben im Mittelalter, Bd. 1f. 1981ff.; Kern, B., Die juristische Gesellschaft zu Basel, ZRG GA 100 (1983), 145; Röthlin, N., Die Basler Handelspolitik, 1986; Münch, P., Aus der Geschichte des Basler Privatrechts im 19. Jahrhundert, 1991; Basel, hg. v. Kreis, G. u. a., 2000; Hirsch, V., Der Hof des Basler Bischofs Johannes von Venningen, 2004; Hagemann, H., Laiengericht und gelehrtes Recht am Beispiel des Basler Stadtgerichts, ZNR 27 (2005), 1; Gröbli, F., Bibliographie von Basel, 2005; Suter, S., Die strafrechtlichen Bedenckhen, 2006; Immenhauser, B., Bildungswege – Lebenswege, 2007; Steinbrink, M., Ulrich Meltinger, 2008; Berner, H. u. a., Kleine Geschichte der Stadt Basel, 2008; Hagemann, Hans-Rudolf, Vielschichtiges Recht - Zivilrechtspflege im neuzeitlichen Basel, 2009; Kunz, R., Geschichte der Basler juristischen Fakultät 1835-2010, hg. v. Hafner, F. u. a. 2011; Gelehrte zwischen Humanismus und Reformation, hg. v. Wallraff, M., 2011; Das Schuldbuch des Basler Kaufmanns Ludwig Kilchmann (gest. 1518), hg. v. Signori, G., 2014; Heuss, R., Basler Polizei 1816-2016, 2016; Christ-vonWedel, C., Glaubensgewissheit und Gewissensfreiheit – die frühe Reformationszeit in Basel, 2017

Basiliken (griech. [ta[] basilika [nomima], kaiserliche [Bücher bzw. Gesetze]) ist der Name für die (von Kaiser Basilius I. 867-886 geplanten) 60 Bücher, in denen unter Kaiser Leon VI. (886-912) in →Byzanz die lateinischen Rechtstexte (Codex und Digesten) Kaiser →Justinians (528-534) auf der Grundlage wohl alter griechischer Paraphrasen ins Griechische übersetzt, gestrafft und vereinfacht werden (Digestenparaphrase des Anonymus, Codexparaphrase des Thaleleios). Später kommen Randbemerkungen (Scholien) hinzu. Um 1345 bearbeitet →Harmenopulos die B. in dem →Hexabiblos. Die unmittelbare Geltung der B. endet mit der Einnahme Ostroms durch die Türken 1453 n. Chr., doch bleiben die B. in Zusammenfassungen und Auszügen für Griechenland bis zu dem Zivilgesetzbuch des Jahres 1946 bedeutsam.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 44 I 6; Basilicorum libri LX, hg. v. Scheltema, J., u.a, Bd. 1ff. 1953ff.

Baske ist der Angehörige eines vorindogermanischen, um die Pyrenäen siedelnden Volkes. In dem 10. Jahrhundert deckt sich das Land der Basken mit dem Königreich →Navarra. 1939 beseitigt der spanische Diktator Franco die Vorrechte der ihm ablehnend gegenüberstehenden Basken. 1979 erhalten die Basken (wieder) Autonomie.

Lit.: Ortots, H., Die Basken, 1979; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,247; Kasper, M., Baskische Geschichte, 1997, 2. A. 2008; Kurlansky, M., Die Basken, 2000

Baudoin (Balduinus), François (Arras 1520-Paris 1573), Fiskaladvokatensohn, lehrt nach dem Studium in Löwen (Mudaeus) kurz in Paris (Du Moulin), seit 1548 in Bourges, seit 1555 in Straßburg, seit 1556 in Heidelberg, nach einiger Unterbrechung seit 1566 in Besançon und seit 1569 in Angers. Innerhalb der französischen Humanisten bemüht er sich um die von der einfachen Überlieferung gelöste zusammenfassende Behandlung verschiedener Textschichten (z. B. der Codexfragmente Konstantins).

Lit.: Erbe, M., François Baudoin, 1978

Bauer ist der Angehörige des die Landwirtschaft betreibenden Berufsstands. Sachlich entsteht der B. mit der Sesshaftwerdung, mit welcher der Ackerbau neben die Viehzucht tritt. In dem Frühmittelalter gerät der B. vielfach in grundherrschaftliche Abhängigkeit. Seit der Aussonderung der Bürger und Ritter etwa in dem 11. Jahrhundert bilden die verbleibenden Mitglieder der Gesellschaft den Berufsstand der Bauern. Namengebend wird das bloße Nebeneinanderwohnen (ahd. būan). Möglich ist unter bestimmten Umständen der Erwerb von Freiheit (z. B. Rodungsfreiheit). Zu Beginn des 16. Jahrhunderts lehnen sich die Bauern erfolglos gegen ihre Herren auf (→Bauernkrieg). In dem dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wird vielleicht die Hälfte der Bauern getötet. In dem 19. Jahrhundert erlangen die Bauern Freiheit und Eigentum (→Bauernbefreiung) und werden den (anderen) Bürgern grundsätzlich gleichgestellt. Seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts nimmt die Zahl der Bauern wegen der günstigeren Lebensbedingungen in anderen Erwerbszweigen sehr stark ab (in Deutschland 2016 noch rund 280000 landwirtschaftliche Betriebe – durch Überproduktion und Preisverfall viele gefährdet -) und verliert die Landwirtschaft überhaupt ihre wesentliche wirtschaftliche Bedeutung an die Dienstleistung.

Lit.: Köbler, DRG 79, 98, 111, 135; Heusler, A., Der Bauer als Fürstengenoss, ZRG GA 7 (1886), 235; Wittich, W., Die Frage der Freibauern, ZRG GA 22 (1901), 245; Fehr, H., Das Waffenrecht der Bauern im Mittelalter, ZRG GA 35 (1914), 111; Urkunden zur deutschen Agrargeschichte, hg. v. Wopfner, H., 1925; Barth, F., Der baaremer Bauer, Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar 17 (1928); Weller, K., Die freien Bauern in Schwaben, ZRG GA 54 (1934), 178; Bader, K., Die freien Bauern im Breisgau, 1936; Mayer, T., Die Entstehung des „modernen“ Staates im Mittelalter und die freien Bauern, ZRG GA 57 (1937), 210; Bader, K., Das Freiamt im Breisgau und die freien Bauern am Oberrhein, 1936; Veltzke, G., Der gebundene bäuerliche Besitz, 1938; Arbusow, L., Das Bauernrecht des sog. budberg-schraderschen Landrechtsentwurfs von 1740, Mitteilungen aus der livländischen Geschichte 25 (1937), 377; Huppertz, B., Räume und Schichten bäuerlicher Kulturformen in Deutschland, 1939; Höffner, J., Bauer und Kirche 1939; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer, 1939; Deutsches Bauerntum, Bd. 1f. hg. v. Franz, G., 1939f.; Möller, K., Das Vierländer Bauernrecht, 1940; Lütge, F., Die landesherrlichen Urbarsbauern in Ober- und Niederbayern, 1943; Adel und Bauern im Staat des deutschen Mittelalters, hg. v. Mayer, T., 1943; Grass, N., Zur Kontinuität im bäuerlichen Rechte der Alpenländer, ZRG GA 66 (1948), 516; Haff, K., Der freie Bergbauer als Staatsgründer, ZRG GA 67 (1950), 394; Dollinger, P., L’évolution des classes rurales en Bavière, 1949; Das Problem der Freiheit in der deutschen und schweizerischen Geschichte, 1955; Niederer, A., Gemeinwerk im Wallis, 1956; Lehmann, R., Die Verhältnisse der niederlausitzischen Herrschafts- und Gutsbauern, 1956; Hofmann, H., Freibauern, Freidörfer, Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 23 (1960), 195; Wopfner, H., Bergbauernbuch, 1951ff.; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Achilles, W., Vermögensverhältnisse braunschweigischer Bauernhöfe im 17. und 18. Jahrhundert, 1965; Henning, F., Dienste und Abgaben der Bauern im 18. Jahrhundert, 1969; Grüll, G., Der Bauer im Lande ob der Enns, 1969; Bauer, Wort und Begriff, hg. v. Wenskus, R. u. a., 1975; Deutsches Bauerntum im Mittelalter, hg. v. Franz, G., 1976; Kuchenbuch, L., Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherrschaft im 9. Jahrhundert, 1978; Dollinger, P., Der bayerische Bauernstand vom 9. bis zum 13. Jahrhundert, 1982 (franz. 1949); Fossier, R., Paysans d’Occident, 1984; Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 1985, 4. A. 1987; Blickle, P., Studien zur geschichtlichen Bedeutung des deutschen Bauernstandes, 1989; Rösener, W., Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter, 1992; Trossbach, W., Bauern 1648–1806, 1993; Rösener, W., Die Bauern in der europäischen Geschichte, 1993; Wopfner, H., Tiroler Bergbauernbuch, hg. v. Grass, N., Bd. 1ff., 1995ff.; Epperlein, S., Bäuerliches Leben im Mittelalter, 2003; Bauernleben, hg. v. Bauer, K., 2005, 2. A. 2005, 3. A. 2007.4. A. 2014; Wiese, M., Leibeigene Bauern und römisches Recht im 17. Jahrhundert, 2006; Kissling, P., Freie Bauern und bäuerliche Bürger, 2006; Kofler, A., Bauernleben in Südtirol, 2010; Krauß, J., Ländlicher Alltag und Konflikt in der späten frühen Neuzeit, 2012

Bauerbrief →Dorfordnung

Bauergericht ist unter verschiedenen Namen das unter Vorsitz eines Bauermeisters in Flursachen tagende Gericht des mittelalterlich-frühneuzeitlichen Dorfes.

Lit.: Wiemann, H., Der Heimbürge in Thüringen und Sachsen, 1962

Bauernbefreiung (F. Knapp 1887) ist die Befreiung der gebietsmäßig durchaus verschieden gestellten Bauern aus der grundherrlichen Abhängigkeit an der Wende des 18. Jahrhunderts zu dem 19. Jahrhundert, die von Staatsmännern, Wirtschaftsdenkern und aufgeklärten Bürgern mit dem Ziel der Modernisierung der Landwirtschaft nach dem Vorbild Englands auch zwecks Ertragssteigerung angeregt wird. Sie beginnt nach Verbesserungen des Bauernschutzes in Preußen (1749) und Österreich (1751) in Savoyen (1761, 1771). Reformen Josephs II. in Österreich werden abgesehen von der Aufhebung der Erbuntertänigkeit nach 1789 wieder abgeschafft. In Baden wird 1787 die Leibeigenschaft aufgehoben. In Preußen erhalten von 1799 bis 1805 50000 Domänenbauern persönliche Freiheit und freies Eigentum. In dem Oktober 1807 verschafft ein preußisches Edikt bis zu dem Martinitag 1810 allen Bauern persönliche Freiheit, das Regulierungsedikt von 1811 auch Eigentum gegen Entschädigung. In dem Laufe des 19. Jahrhunderts dringt die B. vor allem seit 1848 (Österreich Aufhebung der Robot, Grundentlastung) allgemein durch (z. B. Russland 1861). Entgegen den Zielsetzungen bewirkt die B. keine allgemeine Verbesserung der Lage der Bauern.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 174; Knapp, G., Die Bauernbefreiung, 1887; Grünberg, C., Die Bauernbefreiung in Böhmen, Mähren und Schlesien, Bd. 1f. 1893, Neudruck 2013; Darmstädter, P., Die Befreiung der Leibeigenen (Mainmortables) in Savoyen, 1897; Vogt, G., Die Bauernbefreiung in Mecklenburg, 1937; Conze, W., Die liberalen Agrarreformen Hannovers im 19. Jahrhundert, 1947; Conze, W., Quellen zur Geschichte der Bauernbefreiung, 1957; Engels, W., Ablösungen und Gemeinheitsteilungen in der Rheinprovinz, 1957; Schremmer, E., Die Bauernbefreiung in Hohenlohe, 1963; Winkel, H., Die Ablösungskapitalien aus der Bauernbefreiung in West- und Süddeutschland, 1968; Hippel, W. v., Die Bauernbefreiung im Königreich Württemberg, Bd. 1f. 1977; Dipper, C., Die Bauernbefreiung in Deutschland 1790-1850, 1980; Kreutzkamp, F., Bauernbefreiung auf Cappenberg, 2003; Schneider, K., Geschichte der Bauernbefreiung, 2010

Bauernkrieg ist der (zwischen 1300 und 1800) von den →Bauern gegen die →Grundherrn geführte (einzelne) Krieg. Der B. von 1525 gründet sich auf eine als Folge der Pest an dem Ende des Mittelalters entstandene Agrarkrise und auf die von Martin Luther (Von der Freiheit eines Christenmenschen) genährte Hoffnung auf Besserung der Lage der Unterdrückten. Nicht zuletzt wegen Luthers baldiger Stellungnahme gegen die mörderischen Rotten der Bauern enden die Bauernkriege mit Niederlagen (bei Frankenhausen, Zabern, Böblingen und Würzburg) der Bauern (etwa 100000 Tote), ohne dass diese sich jedoch vollständig entrechten lassen.

Lit.: Zimmermann, W., Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges, 1841ff.; Franz, G., Der deutsche Bauernkrieg, 1933, Aktenband 1935, 14. A. 1984; Blickle, P., Die Revolution von 1525, 1975; Struck, W., Der Bauernkrieg am Mittelrhein und in Hessen, 1975; Waas, A., Der Bauernkrieg, 1995; Blickle, P., Der Bauernkrieg, 1998, 2. A. 2002; Blickle, P., Unruhen in der ständischen Gesellschaft, 1988, 2. A. 2010, 3. A. 2012; Goertz, H., Thomas Müntzer, 1989; Strunz-Happe, A., Wandel der Agrarverfassung, 2003; Fink, B., Die Böhmenkircher Bauernrevolte 1580-1582/83, 2004; Hohn, M., Die rechtlichen Folgen des Bauernkrieges von 1525, 2004; Bundschuh, hg. v. Blickle, P. u. a., 2004; Bauernkrieg zwischen Harz und Thüringer Wald, hg. v. Vogler, G., 2008; Der Oberrheinische Revolutionär, bearb. v. Lauterbach, K., 2009; Die Zwölf Artikel von 1525 und das „göttliche Recht“ der Bauern, hg. v. Hasselhoff, G. u. a., 2012; Blickle, P., Der Bauernjörg – Feldherr im Bauernkrieg, 2015; Goertz, H., Thomas Müntzer, 2015; Bauernkrieg in Franken, hg. v. Fuchs, F. u. a., 2016; „Armer Konrad“ und Tübinger Vertrag im interregionalen Vergleich, hg. v. Hirbodian, S. u. a., 2016; Bräuer, S./Vogler, G. Thomas Müntzer, 2016; Mayenburg, D. v., Gemeiner Mann und gemeines Recht – Die zwölf Artikel und das Recht des ländlichen Raums im Zeitalter des Bauernkriegs, 2018

Bauernlegen ist das in dem Hochmittelalter bei Orden (z. B. Zisterziensern) und dann in England in dem 15. Jahrhundert beginnende Einziehen wüst liegender Bauernhöfe und Aufkaufen freier Bauernhöfe durch Grundherren zwecks Vergrößerung von Grundherrschaften (z. B. Rittergütern in Mecklenburg und Vorpommern), das seit 1709 bzw. 1749 in Preußen verboten wird.

Lit.: Nichtweiß, J., Das Bauernlegen in Mecklenburg, 1954; Zientara, B., Die Agrarkrise in der Uckermark, (in) Feudalstruktur, Lehnbürgertum und Fernhandel 1967, 221ff.

Bauernlehen ist das vereinzelt an einen Bauern gelangte kleine Lehen, das zwischen Lehen und Leihe steht und in das Lehensrecht nur in einzelnen Hinsichten einbezogen wird.

Bauermeister (1159 mnd. burmester) ist von dem Hochmittelalter (bis zu dem Ausgang der frühen Neuzeit) der (gebietlich auch anders bezeichnete) Leiter örtlicher, meist bäuerlicher Gemeinden mit auch gerichtlichen Aufgaben.

Lit.: Schildt, B., Bauer Gemeinde Nachbarschaft, 1996

Bauerschaft ist die als Einheit verstandene Nachbarschaft, vor allem auf dem Land, aber zeitweise auch in niederdeutschen Städten.

Lit.: Lappe, J., Die Bauerschaften der Stadt Geseke, 1908; Lappe, J., Eine „untergegangene“ Bauerschaft, ZRG GA 32 (1911), 229; Lappe, J., Die Bauerschaften und Huden der Stadt Salzkotten, 1912

Bauersprache (mnd. bursprake) ist die Versammlung der Nachbarn in Stadt und Dorf, in der das geltende Recht verkündet wird und bei Bedarf allgemeine Angelegenheiten beraten werden.

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Baulast ist in dem späten 20. Jahrhundert in Deutschland das sich nicht bereits aus öffentlichrechtlichen Vorschriften ergebende, also freiwillig gegenüber der Bauaufsichtsbehörde übernommene, ein Grundstück betreffende Tun, Dulden oder Unterlassen eines Eigentümers. →Kirchenbaulast

Lit.: Döring, C., Die öffentliche Baulast, 1994; Grahm, Nicole, Kommunale Kirchenbaulasten im Gebiet des ehemaligen Großherzogtums Baden, 2012

Baum

Lit.: Demandt, A., Über allen Wipfeln – Der Baum in der Kulturgeschichte, 2002; Demandt, A., Der Baum, 2. A., 2014

Baurecht ist objektiv die Gesamtheit der Rechtssätze, die sich auf die Zulässigkeit und die Grenzen bzw. die Ordnung und die Förderung der Errichtung und wesentlichen Veränderung von baulichen Anlagen sowie auf deren bestimmungsgemäße Nutzung beziehen. Ursprünglich gilt für das B. der Grundsatz der Baufreiheit des Grundstücksberechtigten (so noch das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 in I 8 § 65). Seit dem Hochmittelalter finden sich erste Einschränkungen in den verdichtet besiedelten Städten. Dem folgen allmählich zahlreiche einzelne Polizeiverordnungen, Erlässe und Entschließungen der Landesherren. Sie werden in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch allgemeine Regelungen ersetzt (München 1863, Bayern 1864, Baden 1868, Sachsen 1868/1869, Preußen 1871, Württemberg 1872, Sachsen Baugesetz 1900, Bayern Bauordnung 1901, Preußen Wohnungsgesetz 1918, Deutsches Reich Baugestaltungsverordnung 1936), die mit zunehmender Besiedlungsdichte immer stärkere Beschränkungen aufnehmen, so dass der Grundsatz der Baufreiheit in erheblichem Umfang zu einem bloßen Grundsatz eingeengt wird (Bundesbaugesetz 1960, Baunutzungsverordnung 1962, Städtebauförderungsgesetz 1971, Baugesetzbuch 1986, Arbeitsstättenverordnung 2004). Als B. wird in Österreich das →Erbbaurecht bezeichnet.

Lit.: Köbler, DRG 152, 198, 259, 269; Grein, F., Baurecht nach den Vorschriften des allgemeinen Landrechts, 1863; Urschlechter, A., Das Baurecht der Stadt Nürnberg, Diss. jur. Erlangen 1940; Gönnenwein, O., Die Anfänge des kommunalen Baurechts, FG H. Fehr, 1948, 71; Pirson, D., Das Baurecht des fürstlichen Absolutismus im hohenzollerischen Franken, 1961; Buff, A., Die bestimmenden Faktoren der deutschen Bauordnungen, 1970; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Ries, P., Bauverträge im römischen Recht, Diss. jur. München 1989; Bauer, C., Anspruch und Wirklichkeit landesherrlicher Baugesetzgebung, Diss. jur. Marburg 1991; 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, hg. v. Bauer, H. u. a., 2000; Binding, G./Linscheid-Burdich, S., Planen und Bauen im frühen und hohen Mittelalter, 2002; Bauen nach Vorschrift?, hg. v. Spohn, T., 2002; Kocken, E., Van bouwen, 2004; Untermann, M., Architektur im frühen Mittelalter, 2006; Sokull, J., Baurecht und kommunale Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Bonn 2010 (im Druck erschienen 2012); Feldmann, E., Bauordnungen und Baupolizei, 2011; Quellen zum Bau- und Enteignungsrecht (1940-1958), hg. v. Schubert, W., 2016

Bausparkasse ist die genossenschaftlich organisierte →Sparkasse, die Darlehen zu Bauzwecken an Genossen vergibt. Die erste B. wird 1775 in Birmingham gegründet (Ketley’s Building Society, 1831 Oxford Provident Building Association in Frankfort/Pennsylvania). In Deutschland stammt die älteste B. von 1885 (Bielefeld, B. für jedermann, 1924 Bausparkasse Wüstenrot).

Lit.: Köbler, DRG 241; Lehmann, W., Die Bausparkasse, 5. A. 1977

Bautzen

Lit.: Eide, Statuten und Prozesse, hg. v. Schwerhoff, G. u. a., 2002

Bayer ist der Angehörige des aus streitigen Grundlagen (Bojern, Alemannen, Walchen) erwachsenden, zu dem 6. Jahrhundert (Jordanes) erstmals genannten, zwischen Alpen und Donau siedelnden Volkes. Die Bayern geraten schon früh unter die Herrschaft der →Franken. Um 740 werden für die Bayern von Bonifatius Bistümer eingerichtet (Passau, Salzburg, Freising, Regensburg, Eichstätt). Vielleicht vor 743 zeichnen die Bayern nach dem Vorbild der Alemannen ihr Recht auf (→Lex Baiwariorum). Ihr dem bereits in dem 6. Jahrhundert nachweisbaren Geschlecht der Agilolfinger angehörender König Tassilo III. wird 788 von Karl dem Großen abgesetzt. Später gelangen die Bayern (bzw. gelangt das Gebiet der Bayern als Herzogtum) nacheinander an die Luitpoldinger (Anfang 10. Jahrhundert), das sächsische (bzw. ottonische) und salische Königshaus (größte Ausdehnung um 950), die Welfen (1070-1138), die Babenberger (1139-1156), die Welfen (1156) und nach dem Sturz Heinrichs des Löwen (1180) an die →Wittelsbacher.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 75, 131, 139, 192, 256; Monumenta Boica, ed. Academia Scientiarum Boica, Bd. 1ff. 1763ff.; Rosenthal, E., Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation Baierns, Bd. 1f. 1889ff.; Gutmann, F., Die soziale Gliederung der Bayern zur Zeit des Volksrechtes, 1906; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Stowasser, O., Das Land und der Herzog in Bayern und Österreich, 1925; Spindler, M., Die Anfänge des bayrischen Landesfürstentums, 1937; Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich, 1970ff. (2012 -eig); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1472,2634, 3,3,3697; Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 1ff. 2. A. 1981, z. T. 3. A.ff. 1995ff.; Schmid, A., Das Bild des Bayernherzogs Arnulf (907-937), 1976; Conversio Bagoariorum et Carantanorum, hg. v. Wolfram, H., 1979, 2. A. 2012; Kraus, A., Geschichte Bayerns, 1983, 3. A. 2004; Jahn, J., Ducatus Baiuvariorum, 1989; Hartmann, P., Bayerns Weg in die Gegenwart, 1989, 2. A. 1992; Wolf, G., Bemerkungen zur Geschichte Herzog Tassilos III. von Bayern (748-788), ZRG GA 109 (1992), 353; Prinz, F., Die Geschichte Bayerns, 1997; Liebhart, W., Bayerns Könige, 1997, 2. A. 1997; Fait, B., Demokratische Erneuerung, 1998; Sagstetter, M., Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern, 2000; Volkert, W., Geschichte Bayerns, 2001; Störmer, W., Die Baiuwaren, 2002; Bayerische Verfassungsurkunden, bearb. v. Wenzel, A., 4. A. 2002; Schauplätze der Geschichte der Bayern, hg. v. Schmid, A. u. a., 2003; Holzfurtner, L., Gloriosus dux, 2003; Freund, S., Von den Agilolfingern zu den Karolingern, 2004; Lackner, I., Herzog Ludwig IX. der Reiche von Bayern-Landshut (1450-1479), 2011; The Baiuvarii and Thuringi, hg. v. Fries-Knoblach, J. u. a., 2014; Wolfram, H., Tassilo III. 2016

Bayerisches Landrecht von 1616 ist das von Herzog Maximilian (1597-1651) seinem Land →Bayern gegebene einheitliche →Landrecht.

Lit.: Schuppenies, P., Die Bürgschaft im bayerischen Landrecht, Diss. jur. Mannheim 1975

Bayerisches Oberstes Landesgericht ist das in Wahrung der Erinnerung an Bayern als unabhängigen deutschen Staat (1806-1871) beibehaltene, über mehreren bayerischen Oberlandesgerichten (München, Nürnberg, Bamberg) stehende oberste Gericht (Oberappellationsgericht) der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Bayern. Es geht auf das auf Grund eines kaiserlichen, von dem Reichskammergericht befreienden Privilegs an dem 18. 4. 1625 verfügte Revisorium (Revisionsgericht) Bayerns zurück. Eingerichtet wird es durch das bayerische Ausführungsgesetz zu dem Gerichtsverfassungsgesetz von dem 23. 2. 1879. Von dem 1. April 1935 bis 1948 war es aufgehoben. Ab 1. Januar 2005 ist es für Neueingänge durch die Oberlandesgerichte München, Nürnberg und Bamberg ersetzt, zu dem 30. 6. 2006 auch für anhängige Sachen aufgehoben.

Lit.: Merzbacher, F., 350 Jahre Bayerisches Oberstes Landesgericht, (in) Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 509; Das Bayerische Oberste Landesgericht, hg. v. Herbst, G., 1993; Demharter, J., 375 Jahre Bayerisches Oberstes Landesgericht, NJW 2000, 1154; Hettler, F., Das bayerische oberste Landesgericht, (in ) Bayern und Europa, 2005; Hirsch, G., Die Auflösung des bayerischen obersten Landesgerichts, NJW 2006, 3255

Bayerisches Strafgesetzbuch von 1813 ist das von →Feuerbach erarbeitete Strafgesetzbuch →Bayerns, das unter der Theorie des psychologischen Zwanges die wechselseitige Freiheit aller Bürger dadurch schützen will, dass es den Straftatbestand möglichst genau festlegt.

Lit.: Feuerbach, P., Lehrbuch des gemeinen, in Deutschland geltenden peinlichen Rechts, 1801, 14. A. 1847; Schubert, G., Feuerbachs Entwurf zu einem Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern, 1978

Bayerische Zivilprozessordnung von dem 29. 4. 1869 ist das an dem 1. 7. 1870 den älteren (lat.) →Codex (M.) iuris Bavarici iudiciarii (von 1753) ablösende, bis 1879 geltende Zivilprozessgesetz →Bayerns.

Lit.:

ern1869.pdf, Bayerische Zivilprozessordnung, 1869

Bayern ist das von den Bayern (→Bayer) bewohnte Gebiet. Seit 1255 wird das mit dem (lat. [N.]) privilegium minus von 1156 bei der Abteilung Österreichs als eigenes Territorialherzogtum erkennbare, 1180 an die Wittelsbacher verlehnte, 1214 um die Pfalzgrafschaft bei Rhein erweiterte, durch die Ausbildung der Hochstifte Augsburg, Passau, Freising, Regensburg und Salzburg aber geschmälerte Land B. mehrfach geteilt (1255 Oberbayern mit Pfalzgrafschaft, Niederbayern, bis 1346). 1329 werden in dem Hausvertrag von Pavia (aus Oberbayern) Oberpfalz (im Nordgau) und Pfalz einer eigenen Linie überantwortet (mit Kurwürde seit 1356). 1335/1346 gibt Kaiser Ludwig der Bayer dem Teil Oberbayern ein Landrecht. Nach seinem Tode (1347) wird das um Holland und Brandenburg vergrößerte Land erneut geteilt. 1474 gibt Herzog Ludwig der Reiche, der Gründer der Universität Ingolstadt (1472, 1800 Landshut, 1826 München), Niederbayern eine Landesordnung, die 1501 ergänzt wird (vgl. auch das Landgebot von Bayern-München von 1500). Nach dem Landshuter Erbfolgekrieg wird nach Schaffung des Fürstentums Pfalz-Neuburg (junge Pfalz) 1506 die Unteilbarkeit des wiedervereinigten Landes festgelegt, 1516 eine Landesfreiheitserklärung, 1516/1520 eine (vielleicht von Augustin Köllner endredigierte, 1520 um 20 Seiten gekürzte) Landesordnung, 1518 eine Landrechtsreformation (zu dem Landrecht von 1335/1346), 1520 eine Gerichtsordnung, 1553 eine Landesordnung und 1616 durch den die Landstände weiter zurückdrängenden, aber nicht entmachtenden Herzog Maximilian (1598-1651) ein einheitliches Landrecht geschaffen. 1623 wird B. Kurfürstentum. 1669 findet der letzte Landtag in B. statt. In der Mitte des 18. Jahrhunderts wird das Recht unter Wiguläus von Kreittmayr in dem (lat.) →Codex (M.) iuris Bavarici criminalis (1751), in dem →Codex iuris Bavarici iudiciarii (1753) und in dem →Codex Maximilianeus Bavaricus civilis (1756) zusammengefasst. 1777 kommen Pfalz (abgesehen von der Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken) und Bayern in der Pfälzer Linie (Carl Theodor aus der Nebenlinie Sulzbach-Hilpoltstein, der 1742 Jülich und Berg erheiratet und zudem Bergen op Zoom, Pfalz-Sulzbach, Neuburg und die Kurpfalz erbt) wieder zusammen. 1799 erbt die Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken (Max Joseph) alle Güter Zwischen 1803 und 1816 gewinnt das zu dem 1. 1. 1806 zu einem Königreich aufgestiegene, auch wegen der Bedrohung durch Habsburg/Österreich dem Rheinbund bzw. Napoleon angeschlossene und zu dem 6. 8. 1806 souverän gewordene Bayern große schwäbische und fränkische Gebiete (Würzburg, Bamberg, Augsburg, Freising, Teile von Eichstätt und Passau, 1806 Ansbach, Bayreuth). An dem 1. 5. 1808 entsteht zwecks Verhinderung einer zentralistischen Gestaltung des Rheinbundstatuts und einer Einmischung Napoleons in die inneren Angelegenheiten Bayerns eine Verwaltung und Gerichtsbarkeit umfassend modernisierende, von 23 Edikten und Verordnungen ergänzte Konstitution, 1813 ein Strafgesetzbuch, an dem 26. 5. 1818 eine Verfassung (mit Kammer der Reichsräte und Kammer der Abgeordneten). 1871 wird B. Teil des deutschen Reiches. 1918 wird das Königreich zu einem Freistaat mit einer Verfassung von dem 14. August 1919, an den 1920 Coburg angegliedert wird, der aber 1945 alle linksrheinischen Gebiete (Pfalz) an das neue Rheinland-Pfalz verliert. An dem 1. 12. 1946 wird innerhalb der Besatzungszone der Vereinigten Staaten von Amerika eine neue Verfassung für B., das einen besonderen Verfassungsgerichtshof erhält, angenommen. 1949 wird B. ein Teil der Bundesrepublik Deutschland.

Lit.: ; Riezler, S. v. Geschichte Bayerns, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1964; Gengler, H., Beiträge zur Rechtsgeschichte Bayerns, 1889; Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht in der mittelalterlichen Gerichtsverfassung Bayerns, 1929; Wüstendörfer, M., Das baierische Strafrecht des 13. und 14. Jahrhunderts, 1942; Historischer Atlas von Bayern, hg. v. d. Kommission für bayerische Landesgeschichte, Teil Altbayern Heft 1ff. 1950ff., Teil Franken 1951ff., Teil Schwaben 1952ff.; Rall, H., Kurbayern in der letzten Epoche der alten Reichsverfassung, 1952; Lieberich, H., Zur Feudalisierung der Gerichtsbarkeit in Bayern, ZRG GA 71 (1954), 243; Wilhelm, R., Rechtspflege und Dorfverfassung nach niederbayrischen Ehehaftsordnungen, 1954; Fried, P., Herrschaftsgeschichte der altbayerischen Landgerichte Dachau und Kranzberg, 1962; Grasser, W., Johann Freiherr von Lutz 1826-1890, 1967; Hofmann, S., Urkundenwesen, Kanzlei und Regierungssystem der Herzoge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214 bis 1255/1294, 1967; Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 1ff. 1967ff.; Dollinger, H., Studien zur Finanzreform Maximilians I. von Bayern in den Jahren 1598-1618, 1968; Peitzsch, Kriminalpolitik in Bayern, 1968; Ostadal, H., Die Kammer der Reichsräte in Bayern von 1819-1848, 1968; Hüttl, L., Caspar von Schmid (1622-1693), 1971; Weis, E., Montgelas, 1971; Mößle, W., Bayern auf den Dresdener Konferenzen 1850/51, 1972; Repräsentation und Parlamentarismus in Bayern, Bd. 1 1974; Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern, hg. v. Bosl, K. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Rankl, H., Staatshaushalt, Stände und „gemeiner Nutzen“ in Bayern 1500 bis 1516, 1976; Was früher in Bayern alles Recht war, v. Eberle, R., 1976; Kraus, A., Geschichte Bayerns, 1983; Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799-1980, hg. v. Volkert, W. u. a., 1983; Demel, W., Der bayerische Staatsabsolutismus 1806/1808-1817, 1983; Kraus, A., Grundzüge der Geschichte Bayerns, 1984; Sandberger, A., Altbayerische Studien zur Geschichte von Siedlung, Recht und Landwirtschaft, 1985; Junkelmann, M., Napoleon und Bayern, 1985; Christoffer af Bayerns breve 1440-1448, hg. v. Olesen, J., 1986; Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Bayern von 1811, hg. v. Demel, W. u. a., 1986; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen, 1986; Weiß, J., Die Integration der Gemeinden in den modernen bayerischen Staat, 1986; Fischer, S., Der geheime Rat und die geheime Konferenz unter Kurfürst Karl Albrecht von Bayern 1726-1745, 1987; Rall, H., Kurfürst Karl Theodor, 1993; Bayerisches Wörterbuch, hg. v. d. Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1ff. 1995ff. (rund 25000 Stichwörter, 2011 von a bis bowidl/powidl); Der bayerische Landtag, hg. v. Ziegler, W. u. a., 1995; Leeb, J., Wahlrecht und Wahlen zur zweiten Kammer, 1996; Regierungsakten des Kurfürstentums und Königreichs Bayern 1799-1815, bearb. v. Schimke, M., 1996; Treml, M., Geschichte des modernen Bayern, 2. A. 2000; Heydenreuter, R., Kriminalgeschichte Bayerns, 2003; Biebl, G., Bayerns Justizminister v(on) Fäustle und die Reichsjustizgesetze, 2003; Franz, M., Die Landesordnung von 1516/1520, 2003; Die Protokolle des bayerischen Ministerrates, hg. v. d. historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1ff. 2003ff.; Fiedler, B., Der rheinbayerische Kassationsgerichtshof, 2004; Hartmann, P., Bayerns Weg in die Gegenwart, 2. A. 2004; Kraus, A., Geschichte Bayerns, 3. A. 2004; Schlosser, H., Agnes Bernauerin (1410-1435), ZRG GA 122 (2005), 263; Weis, E., Montgelas, 2005; Bayern mitten in Europa, hg. v. Schmid, A. u. a., 2005; Krey, H., Herrschaftskrisen und Landeseinheit, 2005; Kummer, K., Landstände und Landschaftsverordnung unter Maximilian I. von Bayern (1598-1651), 2005; Tassilo III. von Bayern, hg. v. Kolmer, L., 2005; Hesse, C., Amtsträger der Fürsten, 2005; Körner, H., Geschichte des Königreichs Bayern, 2006; Bayerisches Hauptstaatsarchiv, 2. A. neubearb. v. Wild, J. u. a., 2006; Schwertmann, M., Gesetzgebung und Repräsentation im frühkonstitutionellen Bayern, 2006; Handbuch der historischen Stätten, Bayern, 3. A., Bd. 1f., hg. v. Körner, H. u. a., 2006; Volkert, W., Geschichte Bayerns, 3. A. 2007; Bayern – Böhmen – 1500 Jahre Nachbarschaft, 2007; Rheinbündischer Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; Weiß, D., Kronprinz Rupprecht von Bayern, 2007; Deutsches Verfassungsrecht, hg. v. Kotulla, M., Bd. 2 2007 (rund 340 Dokumente); Landesordnung und gute Policey, hg. v. Gehringer, H. u. a., 2008; Häfner, H., Ein König wird beseitigt. Ludwig II. von Bayern, 2008; Die bayerische Konstitution von 1808, hg. v. Schmid, A., 2009; Glasauer, B., Herzog Heinrich XVI (1393-1450), 2009; Rumschöttel, H., Ludwig II. von Bayern, 2011; Bibliographie zur Geschichte des bairischen Baierns, hg. v. Müller, M., Bd. 1ff. 2011ff.; Gahlen, G., Das bayerische Offizierskorps 1815-1866, 2011; Die Anfänge Bayerns, hg. v. Fehr, H. u. a., 2012; Faußner, H., Die römische generalstabsmäßige Ansiedlung der Bajuwaren, 2013; Immler, G., Die Wittelsbacher, 2013; Hilmes, O., Ludwig II. - Der unzeitgemäße König, 2013; Tauber, C., Ludwig II., 2013; Ehberger, W., Bayerns Weg zur parlamentarischen Demokratie, 2013; Die Regesten der Herzöge von Bayern 1180-1231, bearb. v. Schlütter-Schindler, G., 2013 (49 für Otto I., 626 für Ludwig I.); Faußner, H., Die bayerische Herzogsdynastie der Agilolfinger (578-788), 2014; Flurschütz, B., Die bayerische Popularklage, 2014; Junkelmann, M., Napoleon und Bayern, 2014; März, S., Ludwig III. Bayerns letzter König, 2014; Paulus, C., Machtfelder, 2015; Ruf, C., Die bayerische Verfassung vom 14. 8. 1919, 2015; Möller, H., Franz Josef Strauß, 2015; Die bayerischen Kommerzienräte, hg. v. Krauss, M., 2016 (Sammelband); Ruppert, K., Die Pfalz im Königreich Bayern, 2017; Handbuch der bayerischen Geschichte, begründt v. Spindler, M., neu hg. v. Schmid, A., Bd. 1 2017; Bäuml, M., Kulturpolitik gegen die Krise der Demokratie, 2018; Hille, M., Revolutionen und Weltkriege – Bayern 1914 bis 1945, 2018

Beamtenrecht ist die sich als Rechtsgebiet seit dem 19. Jahrhundert entwickelnde Gesamtheit der →Beamten betreffenden Rechtssätze (Ansätze in dem 17. Jahrhundert und in einem Reichshofratsprozess von 1776, in dem der Reichshofrat seinen Schutz einem ohne gerichtliches Urteil entschädigungslos und unehrenhaft entlassenen Beamten gewährt).

Lit.: Bader, K., Die Rechtsprechung des Reichshofrats und die Anfänge des territorialen Beamtenrechts, ZRG GA 65 (1947), 363; Dold, I., Die Entwicklung des Beamtenverhältnisses im Fürstentum Fürstenberg, 1961; Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue im preußischen Beamtenrecht, 1973

Beamter (Wort 1552) in dem beamtenrechtlichen Sinn ist, wer unter Aushändigung einer Urkunde bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechtes in das Beamtenverhältnis als ein öffentliches Dienstverhältnis und Treueverhältnis berufen worden ist. Insofern gibt es vor dem in dem Mittelalter entstehenden Territorialstaat keine eigentlichen Beamten, sondern nur Amtsträger. Für diese setzt sich in dem fränkischen Reich das Lehnsprinzip durch. Vielleicht seit dem 13. Jahrhundert (bzw. der ausgehenden Stauferzeit) wird der belehnte Adlige durch den festbesoldeten, absetzbaren und zunehmend fachlich geschulten Beamten ersetzt. Schon in dem 17. Jahrhundert kann dieser wegen seiner wohlerworbenen Rechte nicht mehr ohne gerichtliches Urteil entschädigungslos seines Amtes enthoben werden. In dem 18. Jahrhundert werden Beamte in Preußen zu Pflichtbewusstsein, Sachkenntnis, Pünktlichkeit und Unbestechlichkeit erzogen. Allgemeine Regeln über die als Zivilbediente bezeichneten Beamten enthält das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (II 10 §§ 68ff.). Dort ist der Beamte nicht länger Fürstendiener, sondern Staatsdiener. 1850 schreibt die preußische Verfassungsurkunde in den Artikeln 87ff. für die richterlichen Beamten moderne Grundsätze fest, welche die Weimarer Reichsverfassung in den Artikeln 128ff. auf alle Beamten erweitert. In Österreich wird die dienstrechtliche Stellung allgemein durch die Dienstpragmatik von dem 25. 1. 1914 geregelt (RGBl. 1914, 15). In dem Deutschen Reich werden die Beamten 1933 auf die nationalsozialistische Ideologie ausgerichtet (Gesetz zu der Wiederherstellung des Berufsbeamtentums von dem 7. April 1933, maßregelt durchschnittlich 6-8 % der Beamten). 1949 werden die hergebrachten Grundsätze des (wiederhergestellten) Beamtentums in Art. 33 GG aufgenommen., während die Deutsche Demokratische Republik den Beamten zu einem öffentlichen Arbeitnehmer macht. Wichtigste Beamtengesetze der Bundesrepublik Deutschland sind das Bundesbeamtengesetz und das Beamtenrechtsrahmengesetz. Österreich schafft an dem 2. 6. 1977 ein Beamtendienstrechtsgesetz. Wegen der hohen Personalkosten ist in der Gegenwart streitig, welche Staatstätigkeit von Beamten ausgeübt werden muss.

Lit.: Köbler, DRG 151, 197, 217, 225, 233, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Gönner, T., Der Staatsdienst, 1808; Isaacsohn, S., Geschichte des preußischen Beamtentums, Bd. 1ff. 1874ff.; Cohn, W., Das Zeitalter der Hohenstaufen in Sizilien, 1925; Bader, K., Die Rechtsprechung des Reichshofrates und die Anfänge des territorialen Beamtenrechts, ZRG GA 65 (1947), 363; Wyluda, E., Lehnrecht und Beamtentum, 1969; Rejewski, H., Die Pflicht der politischen Treue im preußischen Beamtenrecht (1850-1918). 1973; Wunder, B., Privilegierung und Disziplinierung, 1978; Hattenhauer, H., Geschichte des Beamtentums, 1980, 2. A. 1993; Schimetschek, B., Der österreichische Beamte, 1984; Megner, K., Beamte, 1985; Asch, R., Verwaltung und Beamtentum, 1986; Süle, T., Preußische Bürokratietradition, 1988; Heindl, W., Gehorsame Rebellen, 1991; Kittel, E., From Ad Hoc to Routine, 1991; Mühl-Benninghaus, S., Das Beamtentum in der NS-Diktatur, 1996; Wunder, B., Die badische Beamtenschaft, 1998; Heyen, E., Pastorale Beamtenethik 1650-1700, HZ 280 (2005) 345; Hesse, C., Amtsträger der Fürsten im spätmittelalterlichen Reich, 2005 (7468 Kurzbiographien); Krause, F., Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, 2008; Herlemann, H., Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (BBG), ZRG GA 126 (2009), 296; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Forgács, P., Der ausgelieferte Beamte, 2015

Beati possidentes (lat. [M.Pl.]) die glücklichen Besitzenden (sind in dem Rechtsstreit in dem Vorteil).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Euripides 485/480-406 v. Chr.)

Beaumanoir, Philippe de Rémi, Herr (Seigneur) von (um 1247-7. 1. 1296), nachgeborener Sohn des bailli (Amtmanns) des Gâtinais, wird nach dem Studium des Rechtes in Orléans und vielleicht Bologna 1279 bis 1283 bailli der Grafschaft Clermont in Beauvaisis. Zwischen 1280 und 1283 verfasst er Li livres des coustumes et des usages de Beauvoisins (Coutumes de Beauvaisis), die teils das Bestehende bewahren, teils aber auch verändern. Später erhält er hohe königliche Ämter.

Lit.: Köbler, DRG 103; Philippe de Beaumanoir, Coutumes de Beauvaisis, hg. v. Salmon, A., Bd. 1f. 1899, Neudruck 1970; Actes du colloque international Philippe de Beaumanoir et les coutumes de Beauvaisis, 1283-1983, hg. v. Bonnet-Laborderie, P., 1983

Beaumont bei Reims ist die freie Siedlung, mit deren Recht viele Orte in dem Westen des deutschen Reiches bewidmet werden. →Loi de Beaumont

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 221; Bonvalot, E., Le tiers état d’après la charte de Beaumont, 1884

Bebenhausen

Lit.: Das Bebenhäuser Urbar von 1356, bearb. v. Wille, W. 2015

Bebenburg, Lupold von (Bebenburg in Württemberg um 1297-Bamberg 28. 10. 1363), Reichsministerialensohn, wird nach dem Studium des kirchlichen Rechtes in Bologna (1316) Kanoniker in Würzburg und nach der Lösung (1351) des 1338 von dem Papst ausgesprochenen Bannes 1353 Bischof in Bamberg. In seinem kaiserfreundlichen (lat.) Tractatus (M.) de iuribus regni et imperii (1340) entwickelt er eine eigenständige Reichstheorie, in der er einem Reichskaisertum ein auf göttliches Recht gegründetes Weltkaisertum gegenüberstellt.

Lit.: Wolf, E., Große Rechtsdenker, 1939, 4. A. 1963, 30

Beccaria, Graf Cesare Bonesana von (Mailand 15. 3. 1738-28. 11. 1794), nach dem Rechtsstudium (1754-1758) 1760-1771 Professor in Mailand, danach in dem Dienst der österreichischen Lombardei, verfasst 1764 zunächst anonym (it.) Dei delitti e delle pene (Von Verbrechen und Strafen). Darin verlangt er die Durchsetzung des Grundsatzes (lat.) nulla poena sine lege (keine Strafe ohne Gesetz), die regelmäßige Ersetzung der Todesstrafe durch lebenslängliche Zwangsarbeit, die Abschaffung der Folter, die Öffentlichkeit der Strafgerichtsverhandlung, das Verbot der Willkür bei Strafverfolgung, die Beachtung der Nützlichkeit gegenüber der bloßen Vergeltung sowie die Bekämpfung des Verbrechens durch aufgeklärte Bildung. Dies hat Auswirkungen auf das Erzherzogtum Toskana des Habsburgers Leopolds II. Gegner Beccarias ist Immanuel Kant.

Lit.: ; Köbler, DRG 158; Beccaria, Gesamtausgabe in 16 Bänden, Bd. 1ff. 1984ff; Cesare Beccaria, hg. v. Deimling, G., 1989; Weis, E., Cesare Beccaria (1738-1794), 1992; Beccaria et la culture juridique des lumières, hg. v. Porret, M., 1998; Edizione nazionale delle opere di Cesare Beccaria, Bd. 3 Scritti economici, hg. v. Gaspari, G., 2014; Di Renzo Villata, G., Beccaria und die Anderen – Zur Strafrechtswissenschaft der frühen Neuzeit, 2016

Bedarf (Wort 1616)

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Bede ist in dem deutschen Mittelalter die in dem Hinblick auf eine bestimmte Notlage von einem Herrn (durch Bitte) erbetene und von den Betroffenen durch Zustimmung bewilligte, in ihrer Höhe vermögensabhängige →Abgabe in Geld seit etwa dem 11. Jahrhundert Innerhalb der als Einheit bedepflichtigen Stadt trifft die B. als Umlage den Bürger. Später wird die B. von der Steuer verdrängt (z. B. Bayern 1292, 1295, 1304, 1309).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 113; Zeumer, K., Die deutschen Städtesteuern, 1878; Waas, A., Vogtei und Bede, 1919; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992

Bedingung (Wort 1302) ist das zukünftige ungewisse Ereignis, von dessen Eintritt die Folgen einer menschlichen Erklärung abhängig gemacht werden. Die B. ist aufschiebend oder auflösend bereits dem frühen römischen Privatrecht bekannt (lat. [F.] →condicio). Mit diesem wird sie in weiten Teilen Europas seit dem Mittelalter aufgenommen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1896/1900) folgt dem von Windscheid (Die Wirkung der erfüllten Bedingung, 1851) eingenommenen Standpunkt, dass die erfüllte aufschiebende Bedingung regelmäßig keine rückwirkende Kraft hat und während der Schwebezeit eine Gebundenheit des bedingt Verpflichteten zu Gunsten des bedingt Berechtigten für den Fall des Eintritts der Bedingung besteht

Lit.: Kaser § 10; Schiemann, G., Pendenz und Rückwirkung der Bedingung, 1973; Scheltema, A., De goederechtelijke werking van de ontbindende voorwarde, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

beerbt (Adj.), mit einem (Abkömmling als) Erben versehen

Beeskow

Lit.: Urkunden der Stadt Beeskow, bearb. v. Beck, F., 2003

Befangenheit ist das Fehlen der Unvoreingenommenheit bzw. der sachlichen Einstellung unabhängig von persönlichen Neigungen. Insbesondere von Richtern wird schon früh verlangt, dass sie unparteilich vorgehen. Allgemein wird die B. erst in dem 18. Jahrhundert erfasst.

Befestigung ist die künstliche Schutzvorrichtung (z. B. durch Mauern) eines Ortes gegenüber anderen.

Lit.: vmbringt mit starcken turnen, murn. Ortsbefestigungen im Mittelalter, hg. v. Wagener, O., 2010

Befestigungsrecht ist das bei den Franken von dem König beanspruchte Recht, einen Ort mit einer künstlichen Schutzvorrichtung (z. B. Mauer) zu sichern. Mit der Entstehung des →Landes geht das B. von dem König auf den Landesherrn über (1220 bzw. 1231). Danach erwerben auch die Städte ein B.

Lit.: Schrader, E., Das Befestigungsrecht in Deutschland, 1909; Coulin, A., Befestigungshoheit und Befestigungsrecht, 1911; Isenburg, G., Die Befestigung der mittelalterlichen Stadt, 1997; Mintzker, Y., The Defortification of the German City, 1689-1866, 2012

Begnadigung ist der auf Gnade beruhende teilweise oder völlige Erlass der Strafe eines einzelnen Täters nach Eintritt der Rechtskraft eines Strafurteils durch einen Herrn. Sie ist vermutlich ähnlich alt wie die Strafe . In dem 20. Jahrhundert wird sie durch Gnadenordnungen zunehmend verrechtlicht.

Lit.: Lueder, C., Das Souveränitätsrecht der Begnadigung, 1860; Beyerle, K., Von der Gnade im deutschen Recht, 1910; Köstler, R., Huldentzug als Strafe, 1919, Neudruck 1965; Grewe, W., Recht und Gnade, 1936; Klees, K., Das Wesen der Gnade, 1953; Hupe, I., Das Gnadenrecht, 1954; Waldstein, W., Untersuchungen zum römischen Begnadigungsrecht, 1964; Schätzler, J., Handbuch des Gnadenrechts, 1976; Merten, D., Rechtsstaatlichkeit und Gnade, 1978; Mickisch, C., Die Gnade im Rechtsstaat, 1996; Bauer, A., Das Gnadenbitten in der Strafrechtspflege, 1996; Dimoulis, D., Die Begnadigung in vergleichender Perspektive, 1996; Vrolijk, M., Recht door gratie, 2004; Rehse, B., Die Supplikations- und Gnadenpraxis in Brandenburg-Preußen, 2008

Begräbnis ist das Verbringen eines Toten unter die Erdoberfläche. Es ist schon in frühen Zeiten an vielen Orten üblich. Vielfach werden dem Begrabenen Beigaben für ein anderweitiges Fortwirken mitgegeben. In dem Anschluss an die jüdische Bibel begraben die Christen ihre Toten in Hinblick auf die künftige Auferstehung des verklärten Leibes (1. Moses 38,24, 1. Korinther 15,42), wobei allmählich der Kirchhof zu dem wichtigsten Begräbnisplatz wird. Mit der zunehmenden Verdichtung wird das B. verrechtlicht. Die von dem Christentum abgelehnte Verbrennung wird seit dem Ende des 18. Jahrhunderts bedeutsamer.

Lit.: Körner, A., Das kirchliche Beerdigungsrecht, 1906; Gaedke, J., Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 1963, 6. A. 1992, 9. A. 2004, 10. A. 2010; Ili, M., Wohin die Toten gingen, 1992; Fischer, N., Vom Gottesacker zum Krematorium, 1996; Bestattungsbefunde in ethnoarchäologischer Perspektive, hg. v. Noll, E. u. a., Ethnograph.-archäolog. Zs. 38 (1997), 287ff.; Engels, J., Funerorum sepulcrorumque magnificentia, 1998; Hassenpflug, E., Das Laienbegräbnis in der Kirche, 1999

Begriff ist die von Sache und Wort zu trennende Vorstellung des Menschen von einer Gegebenheit.

Lit.: Begriffsgeschichte, hg. v. Bödeker, H., 2002; Koselleck, R., Begriffsgeschichten, 2006

Begriffsjurisprudenz (Jhering 1884) ist die Richtung der Rechtswissenschaft, die davon ausgeht, dass die Rechtsordnung nicht eine zusammenhanglose Anhäufung einzelner Vorschriften ist, sondern ein sinnvolles, zusammenhängendes Ganzes und damit aus einem lückenlos geschlossenen System von Begriffen (Begriffspyramide) besteht, aus dem vor allem unter Ausschluss aller außerrechtlichen politischen und gesellschaftlichen Wertungen durch einen logischen Denkvorgang eine Lösung des gesetzlich nicht eindeutig geregelten Einzelfalls ermittelt werden könne und Lücken durch Begriffe und Grundsätze geschlossen werden, die aus dem Gesetz oder Gewohnheitsrecht (z. B. aus den Regeln des römischen Rechtes über den Irrtum bei dem Kauf) durch Abstraktion gewonnen werden (z. B. der Grundsatz, dass ein Irrtum eine Willenserklärung nichtig macht). Sie beruht geschichtlich auf der →historischen Rechtsschule (Savigny) und methodisch auf dem →Naturrecht (Christian Wolff). Wichtigster Vertreter ist Georg Friedrich →Puchta (1798-1846), der den Juristen auf ein hierarchisches System von rein juristischen, positiven und von der gesellschaftlichen Wirklichkeit (wie der Geschichte) gelösten Begriffen verpflichtet, aus dem nach vorgegebener, den Naturwissenschaften verwandter geometrischer Art für jede Frage konstruktiv die zutreffende Lösung gewonnen werden kann, ohne dass freilich auf der Suche nach Gerechtigkeit andere Gesichtspunkte völlig ausgeschlossen sind. Die B. wird in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem von Rudolf von Ihering angezweifelt und danach allmählich von der →Interessenjurisprudenz verdrängt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 188; Savigny, F. v., Vorlesungen über juristische Methodologie 1802-1842, hg. v. Mazzacane, A., 1993; Puchta, G., Cursus der Institutionen, 1841, Bd. 1, 9 A. 1881; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Krawietz, W., Theorie und Technik der Begriffsjurisprudenz, 1976; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 10. A. 2005, § 4; Bohnert, J., Über die Rechtslehre Georg Friedrich Puchtas, 1975; Falk, U., Ein Gelehrter wie Windscheid, 1989; Schröder, J., Recht als Wissenschaft, 2001, 2. A. 2012; Haferkamp, H., Georg Friedrich Puchta und die Begriffsjurisprudenz, 2004; Henkel, T., Begriffsjurisprudenz und Billigkeit, 2004

Begründung →Urteilsbegründung

Lit.: Horak, F., Rationes decidendi, 1969; Gudian, G., Die Begründung in Schöffensprüchen des 14. und 15. Jahrhunderts, 1960; Begründungen des Rechts, hg. v. Nembach, U. u. a., 1979; Köbler, G., Die Begründung von Rechtssätzen im Hoch- und Spätmittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 86; Köbler, G., Die Begründungen der Lex Baiwariorum, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 69; Hensche, M., Teleologische Begründungen, 1998; Die Begründung des Rechts als historisches Problem, hg. v. Willoweit, D., 2000; Hocks, S., Gerichtsgeheimnis und Begründungszwang, 2002; Ratio decidendi. Guiding Principles of Judicial Decisions, hg. v. Bryson, W. u. a., 2006; Wunderlich, S., Über die Begründung von Urteilen am Reichskammergericht im frühen 16. Jahrhundert, 2010; Von der religiösen zur säkularen Begründung staatlicher Normen, hg. v. Siep, L. u. a. 2012; Harke, J., Argumenta Iuventiana - Argumenta Salviana - Entscheidungsbegründungen bei Celsus und Julian, 2012; Mysterium „Gesetzesmaterialien“, hg. v. Fleischer, H., 2013

Begünstigung ist die Hilfeleistung an einen anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht, ihm die Vorteile der Tat zu sichern. Sie wird erst in der Neuzeit als solche verselbständigt.

Lit.: Dersch, G., Begünstigung, Hehlerei und unterlassene Verbrechensanzeige, 1980; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002

Behinderung

Lit.: Stoll, J., Behinderte Anerkennung? Interessenorganisationen von Menschen mit Behinderung in Westdeutschland seit 1945, 2017

Behörde ist die organisatorisch selbständige Stelle, die (als unselbständiges Organ des Staates oder sonstigen selbständigen Verwaltungsträgers) Aufgaben öffentlicher →Verwaltung wahrnimmt. Dementsprechend entstehen Behörden, sobald die Verwaltung eine gewisse Größe überschreitet. Dies ist insbesondere seit der Entwicklung des modernen Staates in dem Spätmittelalter der Fall. Frühe Ansatzpunkte sind Kanzlei, Hofgericht, und Raitkammer. In dem 19. Jahrhundert erfolgt ein rational-bürokratischer Aufbau aller Behörden, wobei monokratische und kollegiale Behörden möglich sind. →Bürokratie

Lit.: Köbler, DRG 150, 197, 233, 258; Biedermann, H., Geschichte der landesfürstlichen Behörden in und für Tirol, Archiv f. Gesch. Tirols 2 (1866); Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Wintterlin, F., Geschichte der Behördenorganisation in Württemberg, 1904; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen Behördenorganisation, 1913; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen Behördenorganisation im Zeitalter Maximilians I., 1913; Bär, M., Die Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815, 1919; Freitag, D., Das schlesische Behördenwesen, Diss. jur. Breslau 1937; Ohnsorge, W., Die Verwaltungsreform unter Christian, Neues Archiv f. sächs. Gesch. 63 (1943), 26ff.; Bernhard, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg und ihre Beamten 1520-1629, Bd. 1f. 1973; Histoire comparée de l’administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. Bd. 1ff.1983ff.

Beichtstuhljurisprudenz ist die sich auf die spätantike Ohrenbeichte (lat. [F.] paenitentia privata, private Beichte) gründende, in Westeuropa seit dem 6. Jahrhundert (Toledo 589, Irland E. 6. Jahrhundert, Châlon-sur-Saône 644-656) sichtbare, seit dem 12. Jahrhundert an Gewicht gewinnende Lehre von dem Verhalten des christlichen Beichtvaters gegenüber einem Sünder hinsichtlich der Entscheidung für und gegen die Lossprechung. Hierzu entstehen in dem Frühmittelalter besondere Bußbücher (Columban, Liber paenitentiarum mensura taxanda [Luxeuil um 573], Iudicia Theodori Cantuariensis [Canterbury? Ende 7. Jahrhundert]) und in dem Hochmittelalter Beichtsummen (lat. Summae [F.Pl.] confessorum) wie z. B. die Summa de poenitentia des Raymund von Peñafort (vor 1238) oder die Summa confessorum des Johannes von Freiburg (vor 1290?). Die auftretenden Rechtsprobleme des sog. (lat.) →forum (N.) internum werden dabei nach den Regeln des Rechtes bzw. der gelehrten Rechte behandelt. An dem päpstlichen Hof entwickelt sich die apostolische Poenitentiarie als für Gewissenssachen und Gnadensachen zuständige Behörde. Während die Reformation dem Beichtvater die Entscheidungsgewalt abspricht, stellt die katholische Kirche die Entscheidung der Beichtväter (1551) einem Urteil gleich. Nach 1558 wird das Beichtverfahren in die geistliche Gerichtsbarkeit überführt.

Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur des römisch-kanonischen Rechtes in Deutschland, 1867, Neudruck 1959, ; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962; Michaud-Quantin, P., Sommes de casuistique et manuels de confession au moyen âge, 1962; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,999; Trusen, W., Zur Bedeutung des geistlichen forum internum und externum für die spätmittelalterliche Gesellschaft, ZRG KA 76 (1991), 254ff.; Prosperi, A., Tribunali della coscienza, 1996; Das Konzil von Trient und die Moderne, hg. v. Reinhard, W., 2001; Alle origini del pensiero giuridico moderno, hg. v. Cavina, M., 2004

Beichtsumme →Beichtstuhljurisprudenz

Lit.: Michaud-Quantin, P., Sommes de casuistique, 1962; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,1828

Beigeordneter ist in einigen Bundesländern Deutschlands der von dem zuständigen Organ einer kommunalen Körperschaft auf Zeit gewählte führende →Beamte.

Lit.: Wolter, H., Der Beigeordnete, 1978

Beihilfe ist die Unterstützung eines Menschen insbesondere bei einer Straftat oder hinsichtlich einer Entlohnung für eine Tätigkeit. Zwischen Tätern und Gehilfen wird erst in dem Spätmittelalter gelegentlich unterschieden. Danach wird die B. als allgemeine Erscheinung erfasst. Die finanzielle B. entwickelt sich mit dem Ausbau des Rechtes der →Beamten.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 119; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.

Beil ist das aus metallener Klinge und hölzernem Griff zusammengesetzte, hauptsächlich einhändig dem Zerkleinern von Holz dienende Gerät. Es ist in Altertum und Mittelalter auch ein Kennzeichen für herrschaftliche Gewalt und wird zu dem Vollzug von Todesstrafen und Leibesstrafen verwendet. Seit dem 14. Jahrhundert erscheint das Fallbeil, das in Frankreich 1792 nach Vorschlag des Arztes J. Guillotin zu der Guillotine weiterentwickelt wird.

Lit.: Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Maisel, W., Rechtsarchäologie Europas, 1992

Beilager ist der Beischlaf bzw. die öffentliche Beschreitung des Ehebetts als Voraussetzung für die vollzogene →Eheschließung, deren rechtliche Notwendigkeit in der germanischen Zeit in der Wissenschaft streitig ist.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Eckhardt, K., Beilager und Muntübergang zur Rechtsbücherzeit, ZRG GA 47 (1927), 174; Carlsson, L., Das Beilager im altschwedischen Recht, ZRG GA 75 (1958), 348; Hemmer, R., Über das Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 76 (1959), 292; Carlsson, L., Vom Alter und Ursprung des Beilagers im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 310; Hemmer, R., Nochmals über das Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 78 (1961), 298

Beirut →Berytos

Beisasse ist (vor allem in der mittelalterlichen Stadt) der nicht vollberechtigte Bewohner (Bürger).

Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 1954, 5. A. 1980, 275ff.; Vits, B., Hüfner, Kötter und Beisassen, 1993

Beisitz ist eine mindere Form einer Beteiligung. In dem mittelalterlichen Recht bleibt nach dem Tode eines Hausvaters die Witwe mit den Kindern in ungeteilter Vermögensgemeinschaft auf dem Gut sitzen. Sie erzieht die Kinder und nutzt deren Vermögen durch B., bis dieser durch Abschichtung, Wiederverheiratung oder Tod beendet wird. Mit der Entwicklung des →Ehegattenerbrechts schwindet der noch in dem preußischen Allgemeinen Landrecht (1794, II 1 § 645) enthaltene B.

Lit.: Hübner 693; Köbler, DRG 89; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973

Beisitzer →Assessor

Beispruch ist in dem älteren deutschen Recht die Zustimmung des nächsten Erben des Veräußerers eines Gutes zu der Veräußerung. Das Beispruchsrecht beruht auf der ursprünglichen Familiengebundenheit von Grund und Boden. Es ist zunächst ein vollständiges Recht auf Herausgabe der veräußerten Sache (Rückrufsrecht), schwindet in dem Laufe des Mittelalters aber in regionaler Verschiedenheit über ein Vorkaufsrecht allmählich gegenüber der Verfügungsfreiheit des Eigentümers.

Lit.: Hübner 332; Fipper, C., Das Beispruchsrecht nach altsächsischem Recht, 1879; Freytagh-Loringhoven, A. v., Beispruchsrecht und Erbenhaftung, ZRG GA 28 (1907), 69; Agena, G., Grundbesitz, Beispruch und Anerbenrecht in Ostfriesland, 1938; Forster, G., Mitwirkungsrechte, 1952

Beispruchsrecht →Beispruch

Belagerungszustand ist der seit dem 19. Jahrhundert verrechtlichte Zustand der (ursprünglich tatsächlichen) Belagerung (z. B. einer Stadt) durch einen Feind, in dem bestimmte Rechte eingeschränkt und die Zuständigkeit von Gerichten abgeändert werden kann.

Lit.: Schudnagies, C., Der Kriegs- oder Belagerungszustand während des ersten Weltkriegs, 1994

Beleidigung ist die nach außen dringende Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung eines anderen. Sie ist in dem altrömischen Recht in der (lat. [F.]) iniuria (Unrecht) des Zwölftafelgesetzes mit der Folge der Leistung von 25 Pfund Kupfer enthalten, die in dem klassischen römischen Recht zu einem Tatbestand erweitert wird, der jede bewusste Missachtung der Persönlichkeit eines anderen in Wort und Tat umfasst. In dem Mittelalter hat die B. eher tatsächliche als rechtliche Folgen. Die peinliche Gerichtsordnung Karls V. von 1532 erfasst nur einzelne Sonderfälle. Bei Thomasius (1655-1728) werden Körperverletzung und tätliche B. voneinander geschieden. In dem preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) wird die B. als Straftatbestand angesehen. Das frühe 19. Jahrhundert sondert die Verleumdung von der B., das Reichsstrafgesetzbuch des Jahres 1871 sieht B., Verleumdung und üble Nachrede als B. in weiterem Sinn an.

Lit.: Köbler, DRG; Landsberg, E., Injuria und Beleidigung, 1886; Thieme, K., Iniuria und Beleidigung, 1905; Bartels, K., Die Dogmatik der Ehrverletzung in der Wissenschaft des gemeinen Rechts, Diss. jur. Göttingen 1959; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 1981, 5. A. 2007; Fuchs, R., Um die Ehre, 1998; Müller, M., Verletzende Worte – Beleidigung du Verleumdung in Rechtstexten aus demMittelalter und aus dem 16. Jahrhundert, 2017

Belgien ist das Gebiet zwischen der kontinentalen Ärmelkanalküste und den Ardennen. Sein Name geht auf 51 v. Chr. von Caesar unterworfene keltisch-germanische Mischstämme zurück, die zusammenfassend als (lat. [M.Pl.]) Belgae bezeichnet werden. Sie geraten in der Völkerwanderung unter den Einfluss der von dem Niederrhein einströmenden →Franken, die den nördlichen Teil sprachlich assimilieren (altniederfränkisch, flämisch). 843/877 gelangt ein Teil an den Westen (Frankreich), der übrige Teil an den Osten (Deutschland), 1384 das gesamte Gebiet an →Burgund und über Maria von Burgund 1477 an Habsburg, für das Karl V. 1531 die Aufzeichnung aller örtlichen Gewohnheitsrechte (coutumes) binnen sechs Monaten anordnet ([1750] 691). Bei der Teilung in dem Hause Habsburg (1521/1522/1526) fällt der Raum an →Spanien, ohne in dem Freiheitskampf der →Niederlande mit diesen sich (tatsächlich 1571-1581 und rechtlich 1648) aus der spanischen Herrschaft lösen zu können (spanische Niederlande). Nach dem spanischen Erbfolgekrieg (1713) wird das Gebiet an das habsburgische →Österreich gegeben (österreichische Niederlande), nach der Besetzung durch das bald seine Kodifikationen von 1804ff. unter Aufhebung älterer Gewohnheitsrechte und Gesetze einführende Frankreich (1793, 1795 Batavische Republik, 1797 Teil Frankreichs) 1815 aber Österreich auch rechtlich entzogen und mit den Niederlanden zu dem Königreich der Niederlande vereint. Unter der Einwirkung der französischen Revolution des Jahres 1830 erklärt das teils wallonische (romanische) Gebiet (im Südosten um [Brüssel,] Charleroi, Namur, Bastogne, 40 Prozent), teils flämische (niederländischsprachige) Gebiet (im Nordwesten um Ostende, Brügge, Gent, Antwerpen, Mechelen, 60 Prozent) an dem 18. 11. 1830 seine Unabhängigkeit. Die Verfassung von dem 7. 2. 1831 legt eine konstitutionelle Monarchie fest (Einheitsstaat). Das Recht ist deutlich von Frankreich geprägt. Die 1831/1839 garantierte Neutralität ist seit 1914/1919 beendet bzw. aufgehoben. Seit 1951/1952 ist B., in dem die sog. flämische Revolution die Vorherrschaft französischer Kultur mehr und mehr durchbricht, Kernland europäischer Einigung (1951/1952 Montanunion, 1957 Euratom, Europäische Wirtschaftsgemeinschaft), entwickelt sich als Folge des inneren sprachlichen Gegensatzes aber 1993 zu einem Bundesstaat. →Europäische Union

Lit.: Recueil des anciennes ordonnances de la Belgique; Recueil des anciennes coutumes de la Belgique; Pirenne, H., Histoire de Belgique, Bd. 1ff. 1899ff., Neudruck 1975; Errera, P., Das Staatsrecht des Königreichs Belgien, 1909; Niemeyer, T., Belgien und seine Neutralisierung, 1917, Neudruck 2013; Marez, G. des, Le droit privé à Ypres, 1927; Vercauteren, F., Étude sur les civitates de la Belgique seconde, Mémoires publiés par l’académie royale de Belgique 1934; Niermeyer, J., Onderzoekingen over Luikse en Maastrichtse oorkonden, 1935; Dievoet, E. van, Het burgerlijk recht, 1943; Algemene Geschiedenis der Nederlanden, 1949ff.; Standen en Landen, Bd. 1ff. 1950ff.; Génicot, L., L’économie rurale Namuroise, 1960; Verhulst, A./Gysseling, M., Le compte général de 1187, 1962; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff. 3,1,1069, 3,2,2581, 3,3,3726,3794,3892,3973,4091; Ordonnances et autres actes juridiques concernant le duché de Bouillon, Bd. 2 1977; Gilissen, J., Introduction historique au droit, 1979; Smidt, J. de u. a., Chronologische Lijsten van de geentendeerde sententien, 1979; Gilissen, J., Historische Inleiding tot het recht, 1981; Liber sentenciarum van de officialiteit van Brussel 1448-1459, hg. v. Vleeschouwers, C. u. a., 1982; Cossart, A. v., Belgien, 1985; Dumont, G., Histoire de la Belgique, 1985; Godding, P., Le droit privé dans les Pays-Bas méridionaux, 1987; Costumen van de stad en van de kasselrij Kortrijk, hg. v. Monballyu, J., Bd. 2 1989; Schilling, J./Täubrich, R., Belgien, 1990; Holthöfer, E., Beiträge zur Justizgeschichte der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs im 19. und 20. Jahrhundert, 1993; Hermsdörfer, W., Geschichte und Gegenwartsgestalt des Verhältnisses von Staat und Kirche in Belgien, 1998; Cook, B., Belgium, 3. A. 2002ff.; Delpérée, F., Le droit constitutionnel de la Belgique, 2000; Zedinger, R., Die Verwaltung der österreichischen Niederlande in Wien (1714-1795), 2000; Uyttendaele, M., Précis de droit constitutionnel belge, 2001; Geschiedenis van de Belgische Kamer van Volksvertegenwoordigers, red. v. Gerard, E. u. a., 2003; Koll, J., Die belgische Nation, 2003; Politieke en sociale geschiedenis van justitie in Belgie, hg. v. Heirbaut, D. u. a., 2004; La Belgique, les petits États et la construction européenne, hg. v. Dumoulin, M. u. a., 2003; Napoleons nalatenschap, hg. v. Heirbaut, D. u. a., 2005; Heirbaut, D., Hadden/hebben de Belgische ministers van Justitie een civielrechtelijk beleid?, 2005; Schaepdrijver, S. de, La Belgique et la première guerre mondiale, 2005; Heirbaut, D., Privaatrechtsgeschiedenis van de Romeinen tot heden, 2005; Vesentini, F., Pratiques pénales et structures sociales, 2005; Lejeune, C., Die Säuberung, Bd. 1ff. 2005ff.; Monballyu, J., Zes eeuwen strafrecht, 2006; Dupont-Bouchat, M. u. a., La Belgique criminelle, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 971; Deferme, J., Uit de ketens van de vrijheid, 2007; Verfassungsdokumente Belgiens, Luxemburgs und der Niederlande 1789-1848, hg. v. Stevens, F., 2008; Heirbaut, D., Een beknopte geschiedenis van het sociaal, het economisch en het fiscaal recht in Belgie, 2009; Horvat, S., De vervolging van militairrechtelijke delicten tijdens Wereldoorlog I, 2009; Meinen, I., Die Shoah in Belgien, 2009; Monballyu, J., De jacht op de flaminganten, 2010; Kakoschke, A., Die Personennamen in der römischen Provinz Gallia Belgica, 2010; Debaenst, B., Een Proces van Bloed, Zweet en Tranen!, 2011; Stevens, W., Het leenhof van Dendermonde, 2013; Vandenbogaerde, S., Vectoren van het recht – Geschiedenis van de Belgische juridische tijdschriften, Diss. jur. Gent 2014; De Belle Epoque van het Belgische recht (1870-1914), hf. v. Debaenst, B., 2016; Wampach, C., Der Rechtsstreit um die Verletzung der belgischen Neutralität im ersten Weltkrieg, ZRG GA 133 (2016), 404; Witte, E. u. a., Politieke geschiedenis van België, 2016; Spraul, G., Der Franktireurkrieg 1914. 2016; Driessen, C., Geschichte Belgiens, 2018; The Belgian Constitution of 1831 History, Idologies, Sovereignty, hg. v. Maes, C. u. a., 2018;Cauchies, J, Es plantar un mundo nuevo. Académie Royale de Belgique, Brüssel 2019

Belial (hebr. Bosheit, Widersacher Christi) ist in der Bibel (2. Kor. 6, 15) ein Teufel und in dem Spätmittelalter eine Lehrschrift ([lat.] Processus [M.] Luciferi contra Jesum coram iudice Salomone, Prozess Luzifers gegen Jesus vor dem Richter Salomo) des kanonistisch geschulten Archidiakons Jacobus (Paladinus) de Theramo (Teramo, 1382 Archidiakon in Aversa, 1391 Bischof von Monopoli, später von Florenz) von 1382. Ihre frühe deutsche Übersetzung ist ein Fall populärer, die Rezeption der gelehrten Rechte beschleunigender Literatur.

Lit.: Hagemann, H., Der Processus Belial, FG M. Gerwig, 1960, 55; Ott, N., Rechtspraxis und Heilsgeschichte, 1983

Beliebung →Dorfordnung, Siebenhardenbeliebung

Bellapertica →Petrus de

Bello, Andrés (1781-1865), der von 1810 an ein jahrelanges Rechtsstudium in London betreibt, ist der Verfasser des auf dem europäischen Kodifikationsgedanken und dem spanisch-römischen Sachmaterial eigenständig aufgebauten (span.) Codigo civil (Bürgerliches Gesetzbuch) de la república de Chile von 1855.

Lit.: Nelle, D., Entstehung und Ausstrahlungswirkung des chilenischen Zivilgesetzbuches von Andrés Bello, 1988

Bellot, Pierre François (1776-1836), seit 1819 bzw. 1823 Professor in Genf, ist der Redaktor des Zivilgesetzbuchs und Schöpfer des Prozessrechts in →Genf.

Lit.: Elsener, W., Die Schweizer Rechtsschulen, 1975, 446

bellum (lat. [N.]) Krieg

Benedictus de Isernia ist ein in Benevent kurz vor 1200 geborener, 1252 in Neapel noch bezeugter Jurist (Glossen, Summen).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 496

Benedictus Levita ist der selbstgewählte Name des (unbekannten) Verfassers einer in drei Bücher mit 405, 436 und 478 (bzw. insgesamt 1719 bzw. 1721) Kapiteln gegliederten, um 850 (vor 852?) wohl in der Erzdiözese Reims (nach eigenen Angaben in dem Archiv der Kirche von Mainz) entstandenen, teilweise (mehr als drei Viertel?) gefälschten oder verfälschten, zu einem beträchtlichen Teil aber echten, auf sehr guten Vorlagen beruhenden, vollständig nur durch zwei Handschriften überlieferten, nur mäßig erfolgreichen Rechtssammlung, die Kapitularien aus der Sammlung des →Ansegis, Bibeltexte, Kirchenväter, Kanones und andere Quellen kirchlichen wie weltlichen Rechtes (von den Volksrechten nur die [lat.] Lex Baiwariorum, Volksrecht der Bayern) ohne jede erkennbare Ordnung aneinanderreiht.

Lit.: Ganshof, F., Was waren die Kapitularien? 1961; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988ff.; Schmitz, G., Die Reformkonzilien von 813 und die Sammlung des Benedictus Levita, DA 56 (2000), 1; Fortschritt durch Fälschungen?, 2002; Lukas, V., Eine Sammlung von Kapitularien Karls des Großen bei Benedictus Levita, ZRG KA 90 (2004), 1

Benedikt XIV. (Prospero Lambertini, Bologna 1694-1754), seit 1740 Papst, ist auf Grund seines Werkes (lat.) De synodo dioecesana (Über die Diözesansynode) der früheste Vertreter einer geschichtlichen Kirchenrechtswissenschaft.

Lit.: Haynes, R., Philosopher King. The Humanist Pope Benedict XIV, 1970

Benediktiner ist der Angehörige des von Benedikt von Nursia (um 480-547) zunächst in Subiaco und nach 529 in Montecassino (bei Neapel) geleiteten ältesten abendländischen Mönchtums, der nach der von Benedikt verfassten, sich in dem fränkischen Reich durchsetzenden Klosterregel lebt. Bedeutende Klöster der B. sind neben Montecassino vor allem Luxeuil, Cluny, Corbie, Fontenelle, Stablo, Malmédy, Bobbio, Farfa, Echternach, Prüm, Hirsau, Reichenau, Sankt Gallen, Weißenburg in dem Elsass, Lorsch, Maria Laach, Fulda, Corvey, Benediktbeuern, Wessobrunn, Beuron, Ettal, Tegernsee, Mondsee, Gorze, Melk, Bursfeld, Sankt Blasien, Weingarten, Sankt Emmeram und Göttweig. Als Zweigorden der B. lassen sich Kamaldulenser, Vallumbrosaner, Zisterzienser, Silvestriner, Cölestiner und Olivetaner verstehen. In Frankreich werden alle Klöster der B. 1789 aufgehoben, in dem Heiligen Reich alle Klöster 1803 säkularisiert, doch werden in dem 19. Jahrhundert viele wiederbegründet. Seit 1893 gibt es einen weltweiten Zusammenschluss mit derzeit 21 Kongregationen und rund 200 Klöstern.→regula Benedicti

Lit.: Hilpisch, S., Geschichte des benediktinischen Mönchtums, 1929; Schmitz, P., Geschichte des Benediktinerordens, Bd. 1ff. 1947ff.; Holtz, L., Geschichte des christlichen Ordenslebens, 1986; Engelbert, P., Geschichte des Benediktinerkollegs Sankt Anselm in Rom, 1988; Clark, J., The Benedictines in the Middle Ages, 2011; Dartmann, C., Die Benediktiner, 2014; Miegel, A., Kooperation, Vernetzung, Erneuerung, 2014; Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Bayern, red. v. Hildebrandt, M., 2014 (149 Beiträge); Jenal, G., Sub Regula S. Benedicti – Eine Geschichte der Söhne und Töchter Benedikts von den Anfängen bis zur Gegenwart, 2019

Benediktinerregel →regula Benedicti

Benediktion

Lit.: Franz, A., Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter, 1909

Beneficium (lat. [N.] Wohltat, gute Tat) ist in dem römischen Recht jede (, vor allem kaiserliche) Gunst (z. B. Übertragung des Rechtes an einer Sache [u. a. b. excussionis sive ordinis, b. divisionis, b. cedendarum actionum, b. dationis in solutum, b. abstinendi, b. inventarii, b. separationis bonorum, b. cessionis bonorum, b. competentiae]), in dem Frühmittelalter unter anderem die besonders vorteilhafte →Leihe. Als solche gilt jedenfalls seit 743/744 auch die Leihe (z. B. säkularisierten Kirchenguts) gegen Leistung von Kriegsdienst. Später werden als b. auch Ämter und in Anerkennung an spätrömische Vorbilder sogar Kirchen oder Pfründengüter (Amtspfründen) verliehen. In dem Süden Frankreichs spricht man seit dem Ende des 9. Jahrhunderts auch von fevum, feodum, feudum, später allgemein volkssprachig von →Lehen. In dem 13. Jahrhundert tritt in Deutschland das Wort b. ebenfalls zurück. In dem Rahmen des römischen Rechtes wird es mit dessen Aufnahme seit dem Spätmittelalter wieder verwendet.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Stutz, U., Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens, 1895, Neudruck 1972; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 1961, 6. A. 1983, 7. A. 1989; Wesener, G., Rechtswohltat, HRG Bd. 4 1986, 423; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994; Mönchtum - Kirche - Herrschaft, hg. v. Bauer, D. u. a., 1998; Erdmann, J., Quod non est in actis, 2007; Wolkenhauer, J., Senecas Schrift De beneficiis und der Wandel im römischen Benefizienwesen, 2014

beneficium (N.) cedendarum actionum (lat.) Wohltat der abzutretenden Ansprüche

Beneficium (N.) competentiae (lat.) (Rechtswohltat des Notbedarfs) heißt seit dem 16. Jahrhundert die schon in dem klassischen römischen Recht vorhandene Möglichkeit, gewisse nahe Angehörige oder Mitgesellschafter nur zu dem Geldwert eines zu der Urteilszeit vorhandenen Vermögens zu verurteilen, um die mit der Vollstreckung verbundenen Nachteile nicht eintreten zu lassen. Ein gewohnheitsrechtlich entstandenes, auf Liber extra 3,23,3 gestütztes b. c. genießt auch der Klerus, dem das zu dem standesgemäßen Unterhalt Notwendige zu belassen ist.

Lit.: Kaser §§ 32 III, 85; Wünsch, O., Zur Lehre vom beneficium competentiae, Diss. jur. Leipzig 1897; Zipperling, O., Das Wesen des beneficium competentiae, 1907; Gildemeister, J., Das beneficium competentiae im klassischen römischen Recht, 1986

beneficium (N.) divisionis (lat.) Wohltat der Teilhaftung

Beneficium (N.) emigrationis (lat.) (Wohltat der Auswanderung) ist die nach der Reformation Martin →Luthers von Landesherren und durch den Augsburger Religionsfrieden von dem 25. 9. 1555 reichsrechtlich gewährte Freiheit, in ein Land auszuwandern, in dem die von dem eigenen Landesherrn nicht geteilte Religion eines auswanderungswilligen Untertanen gilt. Voraussetzung ist der Verkauf der Güter und die Entrichtung einer Nachsteuer sowie einer möglichen Befreiungsabgabe.

Lit.: Zycha, A., Deutsche Rechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1949, 55

beneficium (N.) excussionis (lat.) Wohltat (Einrede) der Vorausklage

Lit.: Wurch, N., David Mevius und das lübische Recht – dargestellt am Beispiel des „beneficium excussionis“, 2015

beneficium (N.) inventarii (lat.) Wohltat der Inventarerrichtung

Beneš-Dekrete sind die von Edvard Beneš (28. 5. 1884-3. 9. 1948) als dem Präsidenten der zweiten tschechoslowakischen Republik verfügten (insgesamt 143) Dekrete (Dekret des Präsidenten von dem 19. Mai 1945 über die nationale Verwaltung [Enteignung) der Vermögenswerte von Deutschen und Madjaren, Verrätern und Kollaborateuren, Dekret von dem 19. Juni 1945 über die Bestrafung der nazistischen Verbrecher, Verräter und ihrer Helfershelfer durch außerordentliche Volksgerichte, Dekret von dem 21. Juni 1945 über die Konfiskation und Aufteilung des landwirtschaftlichen Vermögens der Deutschen, Madjaren u. s. w., [Bekanntmachung des Finanzministers von dem 22. Juni 1945 über die Sicherstellung des deutschen Vermögens,] Dekret von dem 20. Juli 1945 über die Besiedlung des landwirtschaftlichen Bodens der Deutschen, Madjaren und anderen Staatsfeinde durch Tschechen und Slowaken, Verfassungsdekret von dem 2. August 1945 über den Verlust der Staatsbürgerschaft der Deutschen und Madjaren, Dekret von dem 19. September 1945 über die Arbeitspflicht der ausgebürgerten Menschen (ohne Entlohnung und Lebensmittel), Dekret von dem 18. Oktober 1945 über die Auflösung der deutschen Universität Prag und der deutschen technischen Hochschulen von Prag und Brünn, Dekret von dem 25. Oktober 1945 über die Konfiskation des feindlichen Vermögens, Dekret von dem 27. Oktober 1945 über die Einrichtung von Zwangsarbeitssonderabteilungen und Verfassungsdekret von dem 27. Oktober 1945 über die Sicherstellung der als unzuverlässig angesehenen Menschen (sowie Erlass des Innenministeriums von dem 26. November 1945 über die Aussiedlung der deutschen Antifaschisten in die sowjetische Besatzungszone Deutschlands und Gesetz von dem 6. Mai 1946 über die Rechtmäßigkeit aller mit dem Kampf um die Wiedergewinnung der Freiheit der Tschechen und Slowaken zusammenhängenden Handlungen [oder Straftaten]). Die B. entfalten noch in der Gegenwart Wirksamkeit.

Lit.: Dokumente zur Diskussion über die Beneš-Dekrete, hg. v. Slapnicka, H., 1999; Beneš, E., Benesovy dekrety, 2002; Mandler, E., Benesovy dekrety, 2002; Die Deutschen und Magyaren in den Dekreten des Präsidenten der Republik. Studien und Dokumente 1940-1945, hg. v. Jech, K., 2003; Perzi, N., Die Beneš-Dekrete, 2003; Bühler, K./Schusterschitz, G./Wimmer, M., The Beneš-Decrees, Austrian Review of International and European Law 9 (2004), 1

Benin

Lit.: Harding, L., Das Königreich Benin, 2010 (Nigeria um 1200, 1898 von Großbritannien erobert)

Bentham, Jeremy (London 15. 2. 1748-6. 6. 1832), Anwaltssohn, wird nach dem Studium in Oxford und der Ausbildung in Lincoln’s Inn (1763) für kurze Zeit Anwalt. 1789 veröffentlicht er als Privatgelehrter (engl.) The Introduction of the Principles of Morals and Legislation (Einführung in die Grundsätze von Moral und Gesetzgebung), welcher der Gedanke zugrunde liegt, dass eine Handlung dann richtig und ein Gesetz dann gerecht ist, wenn es das größte Glück der größten Zahl von Menschen fördere (→Utilitarismus). Dazu strebt er eine Kodifikation an. 1817 tritt er in (engl.) A Catechism on Parliamentary Reform (Bekenntnis zu der Reform des Parlaments) für jährliche Wahlen, einheitliche Wahlbezirke, Ausdehnung des Wahlrechts und Geheimheit der Wahl ein. Er beeinflusst John →Austins analytische Rechtswissenschaft. Die historische Rechtsschule nimmt ihn nicht zu allgemeiner Kenntnis, doch gibt es einzelne Auswirkungen seiner Vorstellungen in dem Prozess, Gefängniswesen und bei den Zinsen.

Lit.: Köbler, DRG 139, 179; Bentham, J., A Comment on the Commentaries, hg. v. Everett, C., 1928; Vanderlinden, J., Code et codification dans la pensée de J. Bentham, TRG 32 (1974); Campos Boralevi, L., Bentham and the oppressed, 1984; Postema, G., Bentham and the Common Law Tradition, 1986; Luik, S., Die Rezeption Jeremy Benthams, 2003; Kramer-McInnis, G., Der „Gesetzgeber der Welt“, 2008

Bentheim

Lit.: Köbler, G., Historisches Lexikon der deutschen Länder, 7. A. 2007; Finkemeyer, E., Verfassung und Verwaltung der Grafschaft Bentheim zur Zeit der hannoverschen Pfandschaft 1753-1804, 1967; Veddeler, P., Die territoriale Entwicklung der Grafschaft Bentheim bis zum Ende des Mittelalters, 1970; Marra, S., Allianzen des Adels, 2006

Benutzungszwang ist der öffentlichrechtliche Zwang zu der Benutzung einer öffentlichrechtlichen Einrichtung, wie er in dem 19. Jahrhundert durch die →Leistungsverwaltung durchgesetzt wird (z. B. Preußen 1868 bezüglich der öffentlichen Schlachthäuser).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983f.

Beratungshilfe ist die in Deutschland zusammen mit der Prozesskostenhilfe das →Armenrecht 1980 ablösende Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens durch Rechtsanwälte.

Lit.: Köbler, DRG 263; Engels, C., Beratungshilfegesetz/Prozesskostenhilfe, 1990; Kawamura, H., Die Geschichte der Rechtsberatungshilfe in Deutschland, 2014

Berber ist der Angehörige eines eine Berbersprache sprechenden Volkes in Nordafrika (z. B. Tuareg, Kabyle, Wort vielleicht von gr. barbaros?)

Lit.: Brandes, J., Geschichte der Berber, 2004

Bereicherung (Wort 1785, Bereicherungsanspruch 1893) ist die Vermehrung eines Vermögens. Sie ist dann herauszugeben, wenn sie nicht rechtlich begründet ist. In diesem Sinn kann bereits in dem klassischen römischen Recht eine nichtgeschuldete Leistung (lat. indebitum [N.] solutum) wohl wegen der Ähnlichkeit mit einem Darlehen mit der besonderen Begehrensform der →Kondiktion (lat. [F.] condictio) zurückverlangt werden. Über die Nichtschuld hinaus gilt diese Folge auch für Fälle nicht eingetretener Erwartung oder sittenwidrigen Leistungszweckes. Herauszugeben ist grundsätzlich der erlangte bestimmte Gegenstand. In nachklassischer Zeit wird in dem Osten die Herausgabe aus grundloser Vorenthaltung mit der allgemein philosophisch-christlichen Überlegung gerechtfertigt, dass niemand aus dem Nachteil eines anderen reicher (lat. locupletior) werden dürfe. In dem Mittelalter versuchen die Glossatoren erstmals, die Kondiktion mit dem Grundsatz der Beschränkung der Herausgabepflicht auf die noch vorhandene B. zu verbinden. Dem folgt →Duaren (1509-1559). Von Hugo →Grotius wird der allgemeine Grundsatz aufgestellt, dass jemand, der aus der Sache eines anderen, der sie nicht mehr hat, reicher geworden ist, herauszugeben hat, worum er reicher geworden ist. Er wird aber nicht in die vernunftrechtlichen Kodifikationen aufgenommen. In dem 19. Jahrhundert setzt sich wohl auf Grund der von Glück übernommenen Vorstellung die Ansicht durch, dass nur die noch vorhandene B. herauszugeben ist. Otto von Gierke bewirkt, dass in dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) die Grundlosigkeit des Habens als Leitgedanke der Ansprüche auf Herausgabe der B. vorangestellt wird.

Lit.: Kaser § 48; Söllner § 9; Köbler, DRG 166, 215, 271; Coing, H., Zur Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung bei Accursius, ZRG RA 80 (1963), 396; Schmitt, R., Die Subsidiarität der Bereicherungsansprüche, 1969; Feenstra, R., Die ungerechtfertigte Bereicherung in dogmengeschichtlicher Sicht, (in) Ankara Universitesi Hukuk Fakültesi Dergise 29 (1972), 289; Misera, K., Der Bereicherungsgedanke bei der Schenkung unter Ehegatten, 1974; Schubert, W., Windscheid und das Bereicherungsrecht des ersten Entwurfs des BGB, ZRG RA 92 (1995), 186; Bauer, K., Ersitzung und Bereicherung im klassischen römischen Recht, 1988; Schartl, R., Ungerechtfertigte Bereicherung nach deutschen Rechtsquellen des Mittelalters, TRG 60 (1992), 109; Jakobs, H., Lucrum ex negotiatione, 1993; Unjust Enrichment, ed. by Schrage, E., 1995; Hallebeek, J., The Concept of unjust enrichment, 1995; Schäfer, F., Das Bereicherungsrecht in Europa, 2001; Wernecke, F., Abwehr und Ausgleich aufgedrängter Bereicherungen, 2004; Grundstrukturen eines europäischen Bereicherungsrechts, hg. v. Zimmermann, R., 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Berg an der Dhün an dem Niederrhein ist in dem 11. Jahrhundert der Sitz eines Geschlechts von Grafen, deren Land 1614/1666 an Pfalz-Neuburg und 1777 mit der Pfalz an Bayern gelangt. 1805/1806 formt Napoleon hieraus und aus anderen Gebieten das Großherzogtum Berg mit Verfassung und Verwaltung nach französischem Vorbild. 1813/1814 werden die französischen Einrichtungen aufgehoben. 1815 fällt B. an Preußen, über das sein Gebiet (1946) zu →Nordrhein-Westfalen kommt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Land im Mittelpunkt der Mächte, 3. A. 1985; Kraus, T., Die Entstehung der Landesherrschaft der Grafen von Berg, 1981; Francksen, M., Staatsrat und Gesetzgebung im Großherzogtum Berg 1806-1813, 1982; Lohausen, H., Die obersten Zivilgerichte, 1995; Schmidt, C., Das Großherzogtum Berg, 1999; Hecker, M., Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Modell und Wirklichkeit, hg. v. Dethlefs, G. u. a., 2008; Severin-Barboutie, B., Französische Herrschaftspolitik und Modernisierung, 2008; Hentsch, C., Die Bergischen Stahlgesetze, 2011; Berner, A., Kreuzzug und regionale Herrschaft, 2014; Geschichte des Bergischen Landes, hg. v. Gorißen, S. u. a., Bd. 1f. 2014ff.

Berg, Günther Heinrich von (Schwaigern bei Heilbronn 27. 11. 1765-9. 9. 1843), Amtmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen 1793 außerordentlicher Professor in Göttingen und danach Hofrat (1800), Regierungspräsident, Bundestagsgesandter, Oberappellationsgerichtspräsident und Staatsminister. Sein bekanntestes Werk ist ein siebenbändiges Handbuch des →Polizeirechts (1799ff.).

Lit.: Köbler, DRG 152

Bergbau →Bergrecht

Lit: Bader, K., Zur Geschichte des Eisenerzabbaues und des Hüttenwerks zu Blumberg, 1938; Schmidtill, E., Zur Geschichte des Eisenerzbergbaues im südlichen Fichtelgebirge, 1963; Valentinitsch, H., Das landesfürstliche Quecksilberbergwerk Idria 1575-1659, 1981; Europäisches Montanwesen im Hochmittelalter. Das Trienter Bergrecht 1185-1214, hg. v. Hägermann, D. u. a., 1986; Paul, R., Vorstudien für ein Wörterbuch zur Bergmannssprache in den sieben niederungarischen Bergstädten, 1987; Wiesemann, J., Steinkohlenbergbau in den Territorien um Aachen 1334-1794, 1995; Krenz, H., Lütticher Steinkohlen-Bergbau im Mittelalter, 2000; Geschichte des deutschen Bergbaus, hg. v. Tenfelde, K. u. a., Bd. 1ff. 2012ff.; Unter uns – Die Faszination des Steinkohlebergbaus in Deutschland, hg. v. Müller, B., Bd. 1f. 2015f.; Jung, Y., Strukturwandel im sozialen Feld – Bergarbeiterfamilien im Ruhrgebiet 1945 bis 2000, 2015

Bergelohn ist die bei der Bergung eines in Seenot und zugleich aus der Verfügungsgewalt der Schiffsbesatzung geratenen Schiffes geschuldete Vergütung. Ursprünglich herrscht hier der Grundsatz des Strandraubs, dem der Grundsatz des Strandregals des Landesherrn folgt. Seit dem frühen Mittelalter (Rhodos 600-800 n. Chr., Hamburg 1270, Ordonnance de la Marine 1681) wird dem Berger ein Anteil zugesprochen. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird für den Berger wie den Hilfeleistenden ein gemäß den Umständen nach billigem Ermessen zu bestimmender B. für richtig gehalten (Strandungsordnung 1874, §§ 740ff. HGB, Brüsseler Übereinkommen 1910).

Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957

Bergen („Bergweide“) an dem Byfjord wird 1070 gegründet. Es ist seit dem 12. Jahrhundert →Norwegens Krönungsstadt. Um 1343 eröffnet dort die →Hanse eine Niederlassung.

Lit.: Bruns, F., Die Lübecker Bergenfahrer, 1900; Bergen, hg., v. Friedland, K., 1971; Archiv der Bergenfahrerkompagnie zu Lübeck, bearb. v. Asmussen, G. u. a., 2002; Ullrich, S., Untersuchungen zum Einfluss des lübischen Rechts, 2008

Berggericht

Lit.: Huffmann, F., Über die sächsische Berggerichtsbarkeit, 1935

Bergrecht ist das Berge betreffende Recht, insbesondere das Recht des Bergbaus und damit der Gewinnung von Bodenschätzen zunächst vor allem aus Bergen. Der dem antiken folgende, mittelalterliche Bergbau beginnt um Goslar (Silber) in dem 9. Jahrhundert, an der Südseite des Erzgebirges um 1140 und in dem Mansfelder Gebiet (Kupfer) um 1190. Ausgangspunkt ist die Bergbaufreiheit des Grundeigentümers. Wohl bereits in dem Frühmittelalter beansprucht aber der König die Herrschaft über den Bergbau, durch welche die Stellung des Grundeigentümers beschränkt wird. 1158 verkündet Friedrich I. Barbarossa zunächst für Italien in Roncaglia ([lat.] Constitutio [F.] de regalibus, Gesetz über die königlichen Rechte) das Silberregal und das Salzregal des Königs ([lat.] argentariae … et salinarum reditus, Abgaben aus Silberwerken? und Salinen). Wenig später wird das B. erstmals ausführlicher festgehalten (Trient 1185/1208, Iglau 1249, Goslar 1271, Freiberg 14. Jahrhundert, Schladming 1408). In der Folge darf auch gegen den Willen des Grundeigentümers an jedem geeigneten Ort Bergbau betrieben werden (Bergfreiheit, Bergbaufreiheit, Goldberg 1342), wobei der Finder Anspruch (Finderrecht) auf Verleihung der Schürfrechte hat (Kulmer Handfeste 1233). 1356 geht das Bergregal des Königs urkundlich auf die Kurfürsten und danach bis 1648 auf andere Reichsfürsten über. Die Landesherren erlassen Bergordnungen (Kuttenberg 1300-1305 als Vorläuferin, Schneeberg 1492, Annaberg 1509, Joachimsthal bzw. Joachimstal 1518, Jülich-Berg 1542, Henneberg 1566). Die Bergbauunternehmer arbeiten als bergrechtliche Gewerkschaft (Genossenschaft) mit Kuxen als Anteilen. Arbeitgeber ist zunächst der einzelne Gewerke für seine allmählich in verschiedenen Hinsichten geschützten Arbeiter (Knappe). In der Mitte des 18. Jahrhunderts wandelt sich der Bergbau zu der Industrie. Der Staat greift durch Gesetze ein (Loi relative aux mines 28. 7. 1791, Code des mines 1810, Österreich 1854, Allgemeines Berggesetz für die preußischen Staaten 24. 6. 1865, Sachsen 16. 6. 1868), wobei an die Stelle des fürstlichen Bergregals die staatliche Berghoheit tritt. Das Bundesberggesetz der Bundesrepublik Deutschland hebt die Gewerkschaften alten Rechtes und die Gewerkschaften neuen Rechtes auf und verlangt eine Umwandlung zu dem 1. 1. 1986.

Lit.: Köbler, DRG 90, 97, 113, 167, 205, 218; Agricola, G. v., De re metallica libri XII, 1556; Die Henneberger Bergordnung von 1566, hg. v. Lingelbach, G., 2002; Achenbach, H., Das gemeine deutsche Bergrecht, 1871; Ermisch, H., Das sächsische Bergrecht des Mittelalters, 1887; Abignente, G., La proprietà del sottosuolo, 1888; Zycha, A., Das Recht des ältesten deutschen Bergbaues, 1899; Zycha, A., Das böhmische Bergrecht des Mittelalters, 1900; Arndt, A., Noch einmal der Sachsenspiegel und das Bergregal, ZRG GA 23 (1902), 112; Arndt, A., Einige Bemerkungen zur Geschichte des Bergregals, ZRG GA 24 (1903), 59; Zycha, A., Über den Ursprung der deutschen Bergbaufreiheit, ZRG GA 24 (1903), 338; Arndt, A., Zur Frage des Bergregals, ZRG GA 24 (1903), 465; Arndt, A., Zur Geschichte und Theorie des Bergregals und der Bergbaufreiheit, 2. A. 1916; Möllenberg, W., Das Mansfelder Bergrecht und seine Geschichte, 1914; Müller-Erzbach, Das Bergrecht, 1917; Stolz, O., Die Anfänge des Bergbaues und Bergrechtes in Tirol, ZRG GA 48 (1928), 207; Schönbauer, E., Beiträge zur Geschichte des Bergbaurechts, 1929; Weizsäcker, W., Das alte Zinnbergrecht von Graupen im Erzgebirge, ZRG GA 50 (1930), 233; Weizsäcker, W., Sächsisches Bergrecht in Böhmen, 1929; Sehm, J., Der Silberbergbau zu Annaberg, (1934); Silberschmidt, W., Zur Geschichte der Bergfreiheiten, Zeitschrift für Bergrecht 75 (1935), 260; Silberschmidt, W., Das schwedische Bergrecht, Zeitschrift für Bergrecht 75 (1935), 442, Krzyżanowski, J., Die Bergbaufreiheit in Polen, 1935 (polnisch); Sehm, J., Die Schreckenberger Bergordnung 1499/1500, 1936; Büchsel, H., Rechts- und Sozialgeschichte des oberschlesischen Berg- und Hüttenwesens 1750 bis 1806, 1941, Thieme, H., Die Funktion der Regalien im Mittelalter, ZRG GA 62 (1942), 57; Löscher, H., Die erste Annaberger Bergordnung vom 11. Februar 1493, ZRG GA 68 (1951), 435; Isay, R., Vereinheitlichung des deutschen Bergrechts, 1952; Schneider, H., Zur Geschichte des Bergrechts und der Bergverfassung im Siegerland, Diss. jur. Bonn 1954; Schmelzeisen, G., Die Arbeitsordnung in den jüngeren Berggesetzen, ZRG GA 72 (1955), 111; Schneider, H., Das ältere Siegerländer Bergrecht, 1956; Clauss, H./Kube, S., Freier Berg und vermessenes Erbe, 1957; Schrader, E., Zum Bergrecht und zum Schatzrecht im Sachsenspiegel I, 35, ZRG GA 74 (1957), 178; Löscher, H., Vom Bergregal im sächsischen Erzgebirge, Freiberger Forschungshefte D 22, 1957; Willecke, R., Grundriss des Bergrechts, 1958; Ebel, W., Über das landesherrliche Bergregal, Zs. f. Bergrecht 109 (1968), 146; Löscher, H., Zur Frühgeschichte des Freiberger Bergrechts, ZRG GA 76 (1959), 343; Willecke, R./Turner, G., Grundriss des Bergrechts, 2. A. 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1767; Strätz, H., Bergmännisches Abbaurecht, FS N. Grass, 1974, 533; Willecke, R., Die deutsche Berggesetzgebung, 1977; Boldt, G./Weller, H., Kommentar zum Bundesberggesetz, 1984; Europäisches Montanwesen im Hochmittelalter. Das Trienter Bergrecht 1185-1214, hg. v. Hägermann, D. u. a., 1986; Tubbesing, G., Vögte, Froner, Silberberge, 1996; Steuer, H./Zettler, A., Der mittelalterliche Bergbau und seine Bedeutung für Freiburg, 1996; Ecker, F., Die Entwicklung des Bergrechts im Saarbrücker Steinkohlenrevier, 1997; Soestwöhner, M., Bergschadensrecht im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Bochum 1997; Kranz, H., Lütticher Steinkohlen-Bergbau im Mittelalter, 2000; Pfeifer, G., Ius regale montanorum, 2002; Thür, G., Gedanken zu Bergregal und Bergbaufreiheit in der griechisch-römischen Antike, (in) Festschrift für Gernot Kocher, 2002, 317ff.; Löscher, H., Das erzgebirgische Bergrecht des 15. und 16. Jahrhunderts, Bd. 1f. 2003ff.; Stadt und Bergbau, hg. v. Kaufhold, K. u. a., 2004

Bergregal →Bergrecht

Berlich(ius), Matthias (Schkölen bei Weißenfeld 9. 10. 1586-Leipzig 8. 8. 1638), Bürgermeisterssohn, wird nach dem Studium des Rechtes in Jena und Marburg (Promotion 1610) 1611 in Leipzig Anwalt. In seinen (lat.) Conclusiones (F.Pl.) practicabiles (Praktische Schlüsse) (1615ff.) stellt er das gemeine Recht nach der Ordnung der kursächsischen Konstitutionen von 1572 dar. Auf seinem in dem Strafrecht eine genauere Beschreibung der Straftatbestände anstrebenden Werk baut Benedikt Carpzov auf.

Lit.: ; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1 1880, Neudruck 1957, 1978, 640, 736

Berlin erwächst aus zwei älteren (um 1200 geplanten?), beiderseits eines Übergangs über die untere Spree liegenden Siedlungen (Cölln [dendrologische Daten um oder nach 1171, Ersterwähnung 1237], Berlin [Sumpfort], slawische Besiedlung Berlins bis ins 10. Jahrhundert nachweisbar?, Ersterwähnung 1244), die um 1235 (Berlin um 1230?, 1253 an Frankfurt an der Oder übertragen) Stadtrecht erhalten und 1307 organisatorisch (zu einer Union) vereinigt werden. An dem Ende des 14. Jahrhunderts (1397) entsteht das Berliner Stadtbuch (Berlin, Stadtarchiv, ohne Signatur), dessen Schöffenrecht hauptsächlich auf dem →Sachsenspiegel aufbaut und durch die Glosse Johanns von Buch, durch den Richtsteig Landrechts und durch das Sächsische Weichbildrecht beeinflusst ist, aber auch brandenburgische Gewohnheiten und gelegentlich gelehrtes Recht erkennen lässt. Unter den 1442/1448 den Widerstand der Stadt B. brechenden Hohenzollern (1415) wird B. 1470 Residenz der Markgrafen von Brandenburg, die hier 1516 das →Kammergericht einrichten und sich seit 1701 Könige in Preußen nennen. 1709 wird aus B., Cölln, Friedrichswerder, Dorotheenstadt, Friedrichstadt und einigen Vorstädten die einheitliche Königsstadt B. mit einem Magistrat gebildet. 1810 erhält B. eine Universität. 1871 wird B. Hauptstadt des Deutschen Reiches. 1878 findet dort ein internationaler Kongress über die Staatsverhältnisse auf dem Balkan statt. 1912 wird der Zweckverband Groß-Berlin geschaffen. An dem 27. 4. 1920 wird aus 8 Städten, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirken die zweistufig gegliederte, in 20 Bezirke geteilte Einheitsgemeinde B. gebildet. 1945 wird B. in vier Sektoren der Besatzungsmächte aufgeteilt, 1948 in Westberlin und Ostberlin gespalten, von 1961 bis 1989 durch eine Mauer mit Schießbefehl getrennt, 1990 aber wieder vereinigt und 1991 (mit rund 890 Quadratkilometern Fläche und etwa 3,5 Millionen Einwohnern) statt Bonn zu der Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland bestimmt. Der Versuch der Vereinigung mit Brandenburg scheitert bei einer Volksabstimmung an dem 5. 5. 1996.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Köbler, DRG 181, 245; ; Berlinisches Stadtbuch, hg. v. Clauswitz, P., 1883; Das Stadtbuch des alten Köln an der Spree, hg.v. Clauswitz, P., 1921; Gebhardt, P. v., Das älteste Berliner Bürgerbuch 1453-1700, 1927; Seeboth, J., Das Privatrecht des Berliner Stadtbuches, 1928; Die Bürgerbücher von Cölln an der Spree, hg. v. Gebhardt, P. v., 1930; Latendorf, O., Die Entwicklung der städtischen Kassenorganisation Berlins, 1931; Berliner Häuserbuch, bearb. v. Lüdicke, R., Bd. 1 1933; Steffen, K., Das Berliner Stadtverfassungsrecht, 1936; Asen, J., Gesamtverzeichnis des Lehrkörpers der Universität Berlin, Bd. 1 (1810-1945), 1955; Berlin-Bibliographie, Bd. 1ff. 1965ff.; Schiedermair, H., Der völkerrechtliche Status Berlins, 1975; Scholz, F., Berlin und seine Justiz, 1982; Festschrift zum 125jährigen Bestehen der juristischen Gesellschaft zu Berlin, hg. v. Wilke, D., 1984; Geschichte Berlins, hg. v. Ribbe, W., Bd. 1f. 1987, 3. A. 2002; Rechtsentwicklungen in Berlin, hg. v. Ebel, F. u. a., 1988; Geschichte der Berliner Verwaltungsbezirke, hg. v. Ribbe, W., Bd. 1ff. 1988ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 61; Schultz, H., Berlin 1650-1800, 2. A. 1992; Fijal, A., Die Geschichte der juristischen Gesellschaft zu Berlin in den Jahren 1859 bis 1933, 1991; Schubert, W., Die Vorträge von Reinhold Johow in der Berliner Mittwochs-Gesellschaft (1881-1897), ZRG GA 110 (1993), 458; Schröder, R./Bär, F., Zur Geschichte der juridischen Fakultät, Kritische Justiz 1996, 447; Spree-Insel, hg. v. Haspel, J. u. a., 1998; Raiser, T., Schicksalsjahre einer Universität, 1998; Lösch, A. Gräfin v., Der nackte Geist, 1999; Berlin. Die Hauptstadt, hg. v. Süß, W., 2000; Fritze, W./Schich, W., Gründungsstadt Berlin, 2000; Städtebuch Brandenburg und Berlin, hg. v. Engel, E. u. a., 2000; Ribbe, W., Die historische Kommission zu Berlin, 2000; Berlin, hg. v. Schoeps, J., 2001; Ziolkowski, T., Berlin, 2002; Large, D., Berlin, 2002; Engler, H., Die Finanzierung der Reichshauptstadt, 2004; Die Berliner Universität in der NS-Zeit, hg. v. Bruch, R. vom u. a., 2005; Thies, R., Ethnograph des dunklen Berlin, 2006; Regesten der Urkunden zur Geschichte von Berlin/Cölln im Mittelalter (1237 bis 1499)., bearb. v. Huch, G. u. a., 2008; Winter, A., Das Gelehrtenschulwesen der Residenzstadt Berlin, 2008; Geschichte der Universität Unter den Linden 1810-2010, hg. v. Bruch, R. vom u. a., Bd. 1ff. 2010; Die Matrikel der Universität Berlin (1810-1850), hg. v. Bahl, P. u. a., 2010; Die Berliner Universität im Kontext, hg. v. Bruch, R. vom, 2010; Die Vorlesungen der Berliner Universität 1810-1834, hg. v. Virmond, W., 2010; Festschrift 200 Jahre juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, hg. v. Grundmann, S., 2010; Kleibert, K., Die juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin im Umbruch, 2010; Pawliczek, A., Akademischer Alltag zwischen Ausgrenzung und Erfolg, 2011; Die Berliner juristische Fakultät und ihre Wissenschaftsgeschichte von 1810 bis 2010, hg. v. Schröder, R. u. a. 2011 (mit CD-ROM, 334 Dissertationen zwischen 1933 und 1945, 478 Dissertationen zwischen 1949 und 1989; Markovits, I., Juristen - böse Sozialisten?, ZRG GA 129 (2012), 267; Berlin 1933-1945, hg. v. Wildt, M. u. a., 2012; Haase, S., Die Berliner Universität und die nationale Bewegung 1800-1848, 2012; Geraubte Mitte - Die „Arisierung“ des jüdischen Grundeigentums, hg. v. Nentwig, F., 2013; Reuss, E., Millionäre fahren nicht Fahrrad, 2013; Kraushaar, F., Aufbruch zu neuen Ufern - Die privatrechtlichen und rechtshistorischen Dissertationen der Berliner Universität im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, 2014; Rudolph, H., Berlin, 2014; Beachy, R., Das andere Berlin, 2015; Lubini, J., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern der SBZ/DDR 1945-1952, 2015; Schenk, D., Als Berlin leuchtete – Kunst und Leben in den zwanziger Jahren, 2015; Ryan, C., Der letzte Kampf, 2015; Das rote Berlin, hg. v. Schumann, F., 2015; Mauer, V., Brückenbauer – Großbritannien, die deutsche Frage und die Blockade berlins 1948-1949, 2018

Bern wird wohl unter Bezugnahme auf Verona 1191 von dem Herzog von Zähringen auf ursprünglichem Königsgut gegründet. 1218 gelangt es an das Reich zurück (Berner Handfeste Kaiser Friedrichs II., in ihrer Echtheit umstritten) und wird 1274 Reichsstadt. Danach erwirbt B. umfangreiche Güter, verbindet sich 1353 mit der →Eidgenossenschaft der Schweiz und entwickelt sich (1458 4500 Einwohner) zu dem größten Stadtstaat nördlich der Alpen, der mit 130000 qkm rund ein Drittel der heutigen Schweiz umfasst (etwa 100000 Untertanen). Seit 1848 ist B. Hauptstadt der Schweiz. An dem 9. 9. 1886 wird in B. die völkerrechtliche Berner Übereinkunft des Urheberrechts geschlossen, die alle Verbandsstaaten (nicht z. B. Vereinigte Staaten von Amerika) zu der Gleichbehandlung der Urheber aus Mitgliedstaaten mit Inländern verpflichtet.

Lit.: Mutach, A. v., Revolutionsgeschichte der Republik Bern 1789-1815, hg. v. Wirz, H., 1934; Die Rechtsquellen des Kantons Bern (Teil 1 Stadtrechte, Teil 2 Rechte der Landschaft), hg. v. Welti, E. u. a. 1902ff.; Welti, F. u. a., Das Stadrecht von Bern, Bd. 1ff. 1902ff., Bd. 1f. 2. A. bearb. v. Rennefahrt, H., 1971; Stürler, R. v., Die vier Berner Landgerichte Seftigen, Sternenberg, Konolfingen und Zollikofen, Diss. jur. Bern 1920; Die historische Entwicklung der Leinwandweberei im Kanton Bern, Diss. staatswiss. Bern 1920; Audétat, E., Verkehrsstraßen und Handelsbeziehungen Berns (Diss. phil. Bern), 1921; Rennefahrt, H., Freiheiten für Bern aus der Zeit Friedrichs II., Zeitschrift für schweizerisches Recht N. F. 46 (1927); Rennefahrt, H., Grundzüge der bernischen Rechtsgeschichte, Bd. 1-4 1928ff.; Däppen, O., Verfassungsgeschichte der Berner Landstädte, Archiv des historischen Vereins des Kantons Bern 30 (1929), 1; Strahm, H., Studien zur Gründungsgeschichte der Stadt Bern, 1935; Die Rechtsquellen des Kantons Bern, Teil 2, Bd. 2 1937; Schmid, B., War Bern in staufischer Zeit Reichsstadt?, Zeitschrift für schweizerische Geschichte 20 (1940), 161; Feller, R., Geschichte Berns, 1946; Roth, U., Samuel Ludwig Schnell und das Zivilgesetzbuch für den Kanton Bern von 1824-1830, 1948; Bader, K., Um Echtheit oder Fälschung der Berner Handfeste, ZRG GA 72 (1955), 194; Sechshundert Jahre Inselspital (1354-1954), verf. v. Rennefahrt, H. u. a., 1954; Dübi, A., Die Geschichte der bernischen Anwaltschaft, 1955; Rennefahrt, H., Nochmals um die Echtheit der Berner Handfeste, Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 6 (1956), 145; Häusler, F., Das Emmental im Staate Bern bis 1798, Bd. 1f. 1958ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,444, 3,2,1925; Soliva, C., Zur Berner Stadtrechtsreformation von 1614, ZRG GA 92 (1975), 117; Bierbrauer, P., Freiheit und Gemeinde im Berner Oberland 1300-1700, 1991; Gmür, R., Der alte bernische Stadtstaat (1191-1798), ZRG GA 112 (1995), 366; Gerber, R., Gott ist Burger zu Bern, 2001; Berns mutige Zeit, hg. v. Schwinges, R. 2003 Repertorium der Policeyordnungen 7, hg. v. Schott-Volm, C., 2006; Studer Immenhauser, B., Verwaltung zwischen Innovation und Tradition, 2006; Rieder, K., Netzwerke des Konservativismus, 2008; 100 Jahre bernisches Obergericht in der vorderen Länggasse, hg. v. Obergericht Bern, 2009; Cottier, M., Fatale Gewalt, 2017

Bernardus Dorna ist ein aus der Provence stammender, zeitweise in Bologna tätiger, 1222-1234 in Montpellier nachweisbarer Jurist ([lat.] Summula [F.] de libellis et eorum compositione).

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 302

Bernardus Papiensis (Pavia vor 1150-1213) wird nach dem Studium in Bologna Lehrer des geistlichen Rechtes und 1187 Propst, 1198 Bischof von Pavia. Seine in fünf Bücher geteilte systematische Dekretalensammlung (lat.) Breviarium (N.) extravagantium (Kurzfassung der zusätzlichen [Dekretalen]) (1188/1190) wird (als [lat.] compilatio [F.] prima, erste Sammlung) zu dem Vorbild aller späteren Gesetzessammlungen (Dekretalensammlungen) des kanonischen Rechtes, das seit dem späten 12. Jahrhundert als sich ständig erneuernde Rechtsordnung in ihrem jeweils neuesten Stand auf den Universitäten gelehrt wird.

Lit.: Landau, P., Die Entstehung der systematischen Dekretalensammlungen, ZRG KA 65 (1979), 120

Berner, Albert Friedrich (Straßburg/Uckermark 30. 11. 1818-Berlin 13. 1. 1907), Justizratssohn, wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in Berlin (Savigny, Gans) 1848 außerordentlicher Professor und 1861 ordentlicher Professor in Berlin. Sein von dem Vergeltungszweck geprägtes Lehrbuch des →Strafrechts erfährt 18 Auflagen.

Lit.: ; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965

Bernstein

Lit.: Die Bernsteinstraße, hg. v. Quast, D. u. a. 2013

Berthold von Henneberg →Henneberg

Beruf ist die auf Dauer angelegte, die Arbeitskraft und Arbeitszeit überwiegend in Anspruch nehmende Betätigung, die meist mit dem Ziel betrieben wird, daraus den Lebensunterhalt zu gewinnen, und die zugleich einen Beitrag zu der gesellschaftlichen Gesamtleistung erbringt (bloße gelegentliche Betrauung eines ausnahmsweise als ao. Prof. titulierten Privatgelehrten mit einer gutachterlichen Tätigkeit ist kein B.). Der B. entwickelt sich mit der Entstehung besonderer Tätigkeitsfelder. Bedeutsam ist er bereits in der mittelalterlichen Stadt. Verfassungsrechtlich geschützt wird der B. in dem späteren 20. Jahrhundert

Lit.: Lange, H., Das Verbot der Berufsausübung im Mittelalter, 1940; Richarz, M., Der Eintritt der Juden in die akademischen Berufe, 1974; Henning, H., Die deutsche Beamtenschaft, 1984; Knörr, M., Die Berufszulassung zum Handwerk, Diss. jur. Erlangen 1996; Eisenbach, U., Duale Berufsausbildung in Hessen, 2010; Professionen, Eigentum und Staat, hg. v. Müller, D. u. a., 2014; Sailmann, G., Der Beruf, 2018

Berufsfreiheit ist die Freiheit der Berufswahl und Berufsausübung, die erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts grundrechtliche Bedeutung erlangt.

Lit.: Hege, H., Das Grundrecht der Berufsfreiheit, 1977

Berufsrichter ist der Richter, der seine Tätigkeit als Beruf ausübt. Er tritt als gelehrter Offizial des Bischofs vereinzelt seit dem späten 12. Jahrhundert (Reims, Mainz), allgemeiner seit 1246 als ständiger, ordentlicher und selbst entscheidender Einzelrichter der kirchlichen Gerichtsbarkeit auf. Bis zu dem 19. Jahrhundert setzt er sich unter Verdrängung des ungelehrten, ehrenamtlich tätigen Schöffen auch in dem weltlichen Gericht durch, ehe ihm dann durch den Liberalismus nach englischem (bzw. französischem) Vorbild erneut ehrenamtliche Laienrichter zu der Seite gestellt werden.

Lit.: Köbler, DRG 154, 234; Nörr, K., Zur Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Müller-Volbehr, J., Die geistlichen Gerichte in den braunschweig-wolfenbüttelschen Landen, 1972; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess in der Praxis geistlicher Gerichte, 1974; Horn, N., Bologneser doctores und iudices im 12. Jahrhundert, ZHF 3 (1976), 221

Berufsschule ist die in Deutschland in dem 19. Jahrhundert zu der Verbesserung der beruflichen Ausbildung entwickelte öffentliche Schule.

Lit.: Fischbach, R., Von der Sonntags- und Fortbildungsschule zur Berufsschule, 2004

Berufsverbot (seit 1933) ist das Verbot, einen bestimmten Beruf auszuüben. Ihm geht die nach Einführung der Gewerbefreiheit in dem 19. Jahrhundert geschaffene Möglichkeit voraus, ein aufgenommenes Gewerbe nachträglich zu untersagen (Preußen Gewerbeordnung 1845, Norddeutscher Bund 1869, Deutsches Reich 1872). Das Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher von dem 24. 11. 1933 führt daneben als Maßregel der Sicherung und Besserung eine Untersagung einer Gewerbeausübung in dem Rahmen eines Strafverfahrens bei Begehung einer Straftat unter Missbrauch des Berufs ein (§ 42l StGB). Sie wird bald als B. bezeichnet. Seit etwa 1970 wird auch das ablehnende Ergebnis einer politischen Überprüfung von Bewerbern für die Einstellung in den öffentlichen Dienst B. genannt.

Lit.: Reinhard, E., Die Entwicklung der Untersagung gewerblicher Unternehmen seit 1869, Diss. jur. Heidelberg 1940

Berufung ist das seit 1877/1879 grundsätzlich gegen Urteile des ersten Rechtzugs in Deutschland gegebene Rechtsmittel. Es kommt sachlich mit der Aufnahme des römisch-kanonischen Prozessrechts in dem Spätmittelalter als →Appellation an einen höheren Richter ins Reich und verdrängt dort die ältere Urteilsschelte, die seit dem Ende des 13. Jahrhunderts aber schon in einem ziemlich allgemeinen Sinn B. genannt werden kann. Gleichzeitig wird B. allmählich das allgemeine deutsche Wort für die bis 1877/1879 als Rechtsmittel verwendete Appellation.

Lit.: Kaser § 65 IV; Köbler, DRG 116, 202, 235; Planck, W., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, 268; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht, 1976

Berytos (Beirut) ist der Sitz einer bereits vor 238 n. Chr. berühmten Rechtsschule. Hier wie später in Konstantinopel lehren besoldete Professoren (lat. [M.Pl.] antecessores) in einem festen Studienplan in fünf Jahreskursen. In dem ersten Jahr beginnt man (als dupondius) mit den Institutionen des Gaius (Privatrecht, Prozessrecht). Es folgen vier Teile (lat. libri singulares) zivilrechtlicher Schriften ([vielleicht aus Ulpians Ad Sabinum libri] Mitgiftrecht, Vormundschaftsrecht, Testamentsrecht, Vermächtnisrecht). In dem zweiten und dritten Jahr (edictalis, Papinianista) wird der Stoff des Jurisdiktionsedikts der römischen Privatrechtsmagistrate (Stadtprätor, Provinzgouverneur bzw. Legat) behandelt. In dem zweiten Jahr studiert man wahrscheinlich nach Ulpians Ad edictum praetoris libri aus dem Edikt (Buch 1-14) das Gerichtsverfassungsrecht und Anfänge des Zivilprozessrechts (Allgemeines, Zuständigkeiten, Einleitung des Verfahrens, Wiedereinsetzung, Haftung für Garantiezusagen, Sicherheitsleistung, danach in der zweiten Jahreshälfte (Buch 15-25) Prozesseid, parteiliche Richter, wichtige dingliche Ansprüche, einige deliktische Ansprüche), in dem dritten Jahr (Ediktsstoff Buch 26-32) Kreditverträge, Leihe, Verpfändung, Gehilfengeschäftehaftung, Verwahrung, Treuhand, Auftrag, Gesellschaft, Kauf, Miete, Pacht, Dienstvertrag, Werkvertrag), in der zweiten Hälfte des dritten Jahres die (ersten 8 der 19) Responsen (Rechtsbescheide) Papinians. In dem vierten Jahr (lytes) und fünften Jahr (prolytes) beschäftigt man sich in dem Selbststudium mit den Responsen des Paulus und den Konstitutionen der Kaiser (einschließlich des Strafrechts und des sonstigen öffentlichen Rechtes), wobei bewusst die klassischen Traditionen aufgegriffen werden. Erzeugnisse der Arbeit der Lehrer sind nur vereinzelt überliefert. Justinian setzt 533 n. Chr. in erster Linie an die Stelle der bisherigen Studientexte seine Institutiones und Digesten sowie seinen Codex (im ersten Jahr Institutionen, Digesten 1-4 mit Rechtsphilosophie, Rechtsgeschichte, Rechtsquellen, Grundbegriffe, Staatsrecht, Verwaltungsrecht, Zivilprozessrecht, in dem zweiten Jahr Digesten 5-11 oder 12-19, Mitgift D. 23-29, Vormundschaft D. 26-27, Testament D. 28-29, Vermächtnis D. 30-36, in dem dritten Jahr vertragliches Schuldrecht D. 12-19 oder Gerichtsverfassung, Einleitung eines Zivilprozesses, Sachenrecht aus Buch 5-11 der Digesten, dann Hypotheken D. 20, Sach- und Rechtsmängel bei Marktkauf D. 21, Verzinsung, Seedarlehen, Beweis und Irrtum D. 22, in dem vierten Jahr Mitgift, Vormundschaft, Testament, Vermächtnis aus D. 24, 25, 27, 29 und 31-36 und in dem fünften Jahr den Codex einschließlich von Wirtschaft, Verwaltung und Kirche).

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53; Wieacker, F., Antecessores, FS H. Niederländer, 1991, 215

Besançon (mhd. Bisanz) an dem Doubs nördlich des Jura wird 1691 Sitz einer Universität (bis 1793).

Besatzung ist die zeitweise Übernahme der Herrschaftsgewalt in einem fremden Gebiet durch einen an sich nicht zuständigen Staat beispielsweise als Ergebnis eines Krieges (z. B. nach 1945 insgesamt 15 Millionen Soldaten und Angehörige der Vereinigten Staaten von Amerika in dem Gebiet der späteren Bundesrepublik Deutschland).

Lit.: Marx, T., Zwischen Schwert und Schild, 2004; Die besetzte res publica, hg. v. Meumann, M. u. a., 2006; Löhnig, M., Zwischenzeit, 2011

Besatzungsstatut ist die 1949 von den drei westlichen Besatzungsmächten Deutschlands einseitig erlassene Grundregelung des Verhältnisses ihrer Hoheitsgewalt zu jener der Bundesrepublik Deutschland, die dieser grundsätzlich die volle gesetzgebende, vollziehende und rechtsprechende Gewalt überträgt. 1951 überarbeitet, wird es an dem 5. 5. 1955 mit Inkrafttreten der Pariser Verträge beseitigt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Pollock, J., Besatzung und Staatsaufbau nach 1945, hg. v. Krüger-Bulcke, I., 1994; Waibel, D., Von der wohlwollenden Despotie zur Herrschaft des Rechts, 1996; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, W., 1999

Besatzungsrecht →Besatzungszone

Lit.: Handbuch des Besatzungsrechts, hg. v. Schmoller, G. v. u. a., 1957; Das geltende Besatzungsrecht, hg. v. Schröder, D., 1990; Zwischen Kontinuität und Fremdbestimmung, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1996; Waibel, D., Von der wohlwollenden Despotie zur Herrschaft des Rechts, 1996; Die volle Macht eines souveränen Staates, hg. v. Haftendorn, H. u. a., 1996; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, W., 1999; Walton-Jordan, U., Die britische Gerichtsbarkeit in Nordwestdeutschland 1945-1949, ZRG GA 117 (2000), 362; Rensmann, M., Besatzungsrecht im wiedervereinigten Deutschland, 2002; Zentz, F., Das amerikanische Strafverfahren als Element der Besatzungspolitik, 2005

Besatzungszone ist das Gebiet (Zone), das einer von mehreren Besatzungsmächten zugeteilt ist. 1945 werden das →Deutsche Reich (und das davon wieder verselbständigte →Österreich) in je eine B. der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs aufgeteilt (Potsdamer Abkommen von dem 2. 8. 1945). Den Einwohnern werden von Frankreich täglich 900 Kalorien, von Großbritannien 1050, von der Sowjetunion 1080 und von den Vereinigten Staaten von Amerika 1330 Kalorien zugebilligt (in Berlin 900). An dem 5. 5. 1955 erklären die westlichen Besatzungsmächte die Bundesrepublik Deutschland für souverän, an dem 25. 3. 1954/20. 9. 1955 die Sowjetunion die Deutsche Demokratische Republik. Das in den Besatzungszonen von den alliierten Stellen unmittelbar oder durch deutsche Stellen mittelbar gemeinsam oder einzeln in fünf unterscheidbaren Phasen (1941-8. 5. 1945, 5. 6. 1945-30. 3. 1948, 30. 3. 1948-1951, 1951-1955, 1955-1990ff., abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland 12. 9. 1990) erlassene (deutsche) Recht (Besatzungsrecht zu der Sicherung der Interessen der Besatzungsmächte, zu der Entmilitarisierung, Entnazifizierung und Bestrafung von Kriegsverbrechern sowie zu dem allmählichen Wiederaufbau) gilt auch über die Beendigung des Besatzungsregimes hinaus bis zu seiner Aufhebung oder Abänderung.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh; Köbler, DRG 244, 245; Blomeyer, A., Die Entwicklung des Zivilrechts, 1950; Overesch, M., Das besetzte Deutschland, 1986, Neudruck 1992; Das geltende Besatzungsrecht, hg. v. Schröder, 1990; Zwischen Kontinuität und Fremdbestimmung, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1996; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, W., 1999; Lehmann, A., Der Marshall-Plan und das neue Deutschland, 2000; Mußgnug, D., Alliierte Militärmissionen in Deutschland 1946-1900, 2001; Kriegsende und Neubeginn, hg. v. Hoser, P. u. a., 2003; Behling, K., Spione in Uniform, 2004; Groß, J., Die deutsche Justiz unter französischer Besatzung 1945-1949, 2007; Zwischenzeit, hg. v. Löhnig, M., 2011

Bescheid

Lit.: ; Gemeine Bescheide, Teil 1 Reichskammergericht 1497-1805, hg. v. Oestmann, P., 2013, Teil 2 Reichshofrat, 2015

Beschlagnahme (Anfang 19. Jahrhundert) ist die zwangsweise Sicherstellung von Gegenständen zu der Sicherung öffentlicher oder privater Belange. Unterschiedliche Einzelfälle dieser Art sind bereits in älteren Zeiten bekannt (z. B. römische [lat.] missio [F.] in bona, Gütereinweisung). In dem Rechtsstaat des 19. Jahrhunderts wird die B. an gesetzlich geregelte Voraussetzungen gebunden.

Lit.: Kaser §§ 85, 86; Mothes, R., Die Beschlagnahme nach Wesen, Arten und Wirkungen, 1903; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Freyberg, R., Über die Beschlagnahme, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971

Beschreien der Wände ist die wahrnehmbare Lautgebung eines neugeborenen Menschen. Das B. ist von dem Sachsenspiegel (1221-1224) bis zu dem preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) bezeugt. Nach vielen Rechtsquellen ist es ausreichende Voraussetzung der Rechtsfähigkeit.

Lit.: Brunner, H., Die Geburt eines lebenden Kindes, ZRG GA 16 (1896), 63; Kuyk, I. van, Het schreiend Kind, TRG 2 (1920/1921), 63ff.

Beschwerde (lat. [N.] gravamen) ist die Belastung, aus der sich ein verfahrensmäßiger Rechtsbehelf entwickelt (z. B. Italien 12. Jahrhundert). In dem Verhältnis zu Rechtsmitteln wie Appellation bezieht sich die B. in der jüngeren Vergangenheit auf Beschlüsse und Verfügungen. Eine neue Sonderform ist die →Verfassungsbeschwerde in Deutschland. →Nichtigkeitsbeschwerde

Lit.: Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Kiefner, H., Zur Divergenzjudikatur des Reichsgerichts, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 585; Suppliche e , hg. v. Nubola, C., 2002

Beseitigung ist die Entfernung eines Umstands, insbesondere die Entfernung einer Störung. Auf sie kann ein Anspruch bestehen. Er ist von einem möglichen Schadensersatzanspruch unabhängig.

Lit.: Kawasumi, Y., Von der römischen actio negatoria zum negatorischen Beseitigungsanspruch, 2001

Beseler, Georg (Rödemis bei Husum 2. 11. 1809-Bad Harzburg 28. 8. 1888), Kammerratssohn, wird nach dem Studium in Kiel, München, Göttingen und Heidelberg mit der streng geschichtlich die Einrichtung von den Anfängen bis zu der Gegenwart verfolgenden, auch Urkunden berücksichtigenden Lehre von den Erbverträgen in Heidelberg 1835 habilitiert und nach Basel, Rostock (1837), Greifswald (1842) und Berlin (1859) berufen. Sein System des gemeinen deutschen Privatrechts (1847ff.) versucht ein dem gemeinen römischen Recht gegenüber gleichwertiges deutsches System (allen nicht rein römischen Rechtes) zu entwickeln, in dem die Genossenschaft besonders bedeutsam ist. Vor 1831 bzw. 1848ff. wirkt er auch politisch (rechtsliberal).

Lit.: Beseler, G., System des gemeinen deutschen Privatrechts, Bd. 1 1847, Bd. 2 1853, Bd. 3 1855, , , , Beseler, G., Erlebtes und Erstrebtes, 1884; Gierke, O., Georg Beseler, ZRG GA 10 (1889), 1; Kern, B., Georg Beseler, 1982 (mit Schriftenverzeichnis, 77 Titel); Kern, B., Georg Beselers Mitgliedschaft in der Berliner Mittwochs-Gesellschaft, ZRG GA 113 (1996), 279

Besitz (10. Jahrhundert, Verb besitzen germanisch) ist die tatsächliche Gewalt einer Person über eine Sache. Das römische Recht bezeichnet dies als (lat. [F.]) possessio, die auf die tatsächliche Gewalt (lat. [M.] usus) und auf das Sitzen auf Land zurückgeht. Notwendig sind Gewalt über eine Sache ([lat.] corpus) und (nicht notwendig rechtsgeschäftlicher) Wille zu der Herrschaft ([lat.] animus). Nach dem allgemeinen Recht (lat. ius [N.] civile) muss die tatsächliche Gewalt auf einem Rechtsgrund beruhen, nach dem Amtsrecht (lat. ius [N.] praetorium) wird der Besitz (Interdiktenbesitz) durch bestimmte Klagen gegen Entziehung oder Störung geschützt (z. B. Eigenbesitzer [Besitzer mit animus domini, Eigenbesitzwillen wie Eigentümer oder Ersitzungsbesitzer] und gewisse Fremdbesitzer [unter Anerkennung eines fremden Besitzrechts besitzende Besitzer] wie Erbpächter, Prekarist, Pfandgläubiger oder Sequester). Nicht B. (im rechtlichen Sinne, sondern nur [lat.] possessio [F.] naturalis, natürlichen B.) hat der bloße Innehaber (z. B. Mieter). Von dem B. streng geschieden ist das Eigentum. Justinian schränkt den B. auf den rechtlichen B. mit Eigentümerbesitzwillen ein, nähert diesen B. aber einem Recht an. In dem deutschen Recht steht ursprünglich das schlichte Haben (ahd. haben, aigan) in dem Vordergrund. Später entwickelt sich die besondere Figur der →Gewere. Vielleicht aus dem kirchlichen Recht stammt die Anerkennung des Besitzes auch bestimmter Innehaber (z. B. Mieter, Pächter u. s. w.). Mit der Aufnahme des römischen Rechtes verdrängt das Wort B. (Lehnübertragung?) das Wort Gewere. Sachlich kommt es zu einer gegenseitigen, ziemlich verwirrenden Beeinflussung. In den naturrechtlichen Kodifikationen ist B. grundsätzlich der Eigenbesitz, doch gewährt das preußische Allgemeine Landrecht (1794) auch dem Mieter, Pächter oder Pfandgläubiger Besitzschutz (nicht dem Prekaristen). Savigny versteht (1803) den B. als Tatsache, stellt ihn dem Eigentum (Recht) gegenüber, ordnet ihn in das Deliktsrecht ein und verrätselt das Recht des Besitzes hinsichtlich der Folgen als das Recht eines Faktums. Das (tatsächliche Gewalt und in § 309 Eigenbesitzwillen verlangende, von einem sehr weiten Begriff der Sache ausgehende) Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) kennt den Tabularbesitz des in dem Grundbuch Eingetragenen. In dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist unter Bruch mit dem gemeinen Recht der unmittelbare B. die tatsächliche Herrschaft über eine Sache (z. B. des Mieters oder Diebes), neben welcher der durch ein Rechtsverhältnis (Besitzkonstitut) vermittelte mittelbare B. (z. B. des Vermieters) steht. Die Innehabung ist grundsätzlich beseitigt, der Gegensatz zu dem Eigentum betont.

Lit.: Kaser § 19; Hübner 221; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 25, 39, 60, 140, 162, 211; Savigny, F., Das Recht des Besitzes, 1803, 7. A. 1875, Neudruck 1990; Bruns, K., Das Recht des Besitzes, 1848; Randa, A., Der Besitz nach österreichischem Recht, 1865, 4. A. 1895; Pflüger, H., Die sogenannten Besitzklagen des römischen Rechts, 1890, Neudruck 2013; Kaser, M., Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, 1943, 2. A. 1956; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Benöhr, H., Der Besitzerwerb durch Gewaltabhängige, 1972; Wacke, A., Das Besitzkonstitut, 1974; Hofmeister, H., Die Grundsätze des Liegenschaftserwerbs, 1977; Diurni, G., Le situazioni possessorie nel Medioevo, età langobardo-franca, 1988; Schnatenberg, P., Die Entstehung der Regeln des BGB über den mittelbaren Besitz, Diss. jur. Köln 1994; Ernst, W., Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, 1992; Link, M., Possession, possessio und das Schicksal des common law, 2003; Moriya, K., Savignys Gedanke im Recht des Besitzes, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Choi, Y., Der Besitzerwerb des Erben, 2013

Besitzdiener ist der die tatsächliche Gewalt für einen anderen (d. h. einen Besitzer) in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen weisungsgeprägten Verhältnis Ausübende (z. B. Chauffeur). Er ist nicht Besitzer. Er dient der Überbrückung der Verschiedenheit von tatsächlichen Gegebenheiten und rechtlicher Bewertung.

Besitzeinweisung (Wort 1696) ist die Einweisung eines Menschen oder einer Person in den Besitz einer Sache.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Besitzer (1290) ist die Besitz habende Person.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Besitzerwerb ist der Erwerb des Besitzes (Wort Besitzergreifung 1784). Er erfordert in dem römischen Recht die Begründung der tatsächlichen Gewalt über eine Sache und den Willen, diese für sich zu beherrschen. Er kann ursprünglich (originär) oder abgeleitet (derivativ) erfolgen.

Lit.: Becker, E., De constituto possessionis, 1644; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Besitzkonstitut (Wort 1888, Besitzmittlungsverhältnis, § 868 BGB) ist das Verhältnis zwischen einem unmittelbaren Besitzer (nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch z. B. Mieter) und einem mittelbaren Besitzer (z. B. Vermieter), in dem bzw. durch das der ursprüngliche Besitzer (z. B. Vermieter) seinen Eigenbesitzwillen bezüglich einer Sache durch Fremdbesitzwillen (für den Erwerber) ersetzt und der neue Besitzer (z. B. Mieter) Eigenbesitzwillen begründet.→Besitz

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Besitzrecht →Besitz

Besitzschutz (Wort 1891) ist der dem zunächst rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnis (Besitz) zugeordnete Schutz der Rechtsordnung gegen unrechtmäßige Entziehung oder Störung. Hierzu gewährt das römische Recht besondere →Interdikte gegen unerlaubte Eigenmacht (lat. vi [gewaltsam], clam [heimlich], precario [Zurückbehaltung bei bloßer Bittleihe]) zu Gunsten des verhältnismäßig rechtmäßigen Besitzers (Verbot der Gewaltanwendung und Gebot zu der richterlich überwachten Rückstellung zu Gunsten von Eigenbesitzer, Erbpächter, Prekarist, Faustpfandgläubiger und Sequester). Das kanonische Recht des Mittelalters entwickelt dies zu einem vorläufigen Besitzschutz weiter. Hierauf baut auch das Reichskammergericht (1495-1806) auf, das aber bereits bei der vorläufigen Entscheidung nach einem bestandskräftigen Ergebnis strebt. Die historische Rechtsschule erarbeitet einen rein possessorischen Schutz der besonderen Besitzklagen, bei dem wie in Rom eine Einrede aus dem Recht zu dem Besitz (z. B. Eigentum) ausgeschlossen ist. Er ist in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) übernommen.

Lit.: Kaser § 21; Söllner §§ 9, 23; Hübner 221ff.; Kroeschell, DRG 1; Wieling, H., Grund und Umfang des Besitzschutzes, FG U. v. Lübtow, 1980; Dedek, H., Der Besitzschutz, ZEuP 1997, 342; Jacobi, J., Besitzschutz vor dem Reichskammergericht, 1998; Beermann, C., Besitzschutz, 2000; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Besitzstand (Wort 1787) ist der rechtlich in gewisser Weise geschützte tatsächliche Stand der Verhältnisse, insbesondere des Beitzes.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Besitzstörung (Wort 1831) ist die rechtswidrige Störung des Besitzers im Besitz.

Lit. :Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Besold, Christoph (Tübingen 22. 9. 1577-Ingolstadt 15. 9. 1638), aus einer Juristenfamilie (Hofgerichtsadvokatensohn), nach dem Rechtsstudium (1599 Tübingen Promotion) 1610 Professor in Tübingen, 1636 in Ingolstadt, entwickelt als Reichspublizist innerhalb der politischen Wissenschaft eigene Vorstellungen in dem Bereich des neuen öffentlichen Rechtes (Vorbereitung der Lehre von dem Bundesstaat).

Lit.: Meyer, F., Christoph Besold als Staatsrechtler, Diss. jur. Erlangen 1957; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 120; Synopse der Politik, hg. v. Boehm, L., 2000, 291ff.

Besonderes Gewaltverhältnis ist das Verhältnis, das, in Gegensatz zu dem allgemeinen Verhältnis des Inhabers von Hoheitsgewalt über den Bürger, zusätzliche Einwirkungen ohne weitere Rechtsgrundlage ermöglicht (z. B. Staat - Strafgefangener). Diese in dem 19. Jahrhundert entwickelte Vorstellung wird in dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts zunehmend abgelehnt.

Lit.: Wenninger, L., Geschichte der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982

Bessarabien (östlicher, zwischen 1806 und 1812 von Russland der Türkei abgerungener Teil der Moldau zwischen Pruth und Dnjestr, in dem ab 1814 von Zar Alexander I. Deutsche angesiedelt wurden, 1918 Rumänien, 1940 in das Deutsche Reich umgesiedelt, ansonsten 1945 vertrieben)→Rumänien, Sowjetunion, Moldawien

Lit.: King, C., The Moldovans, 2000; Schmidt, U., Die Deutschen aus Bessarabien, 2003, 2. A. 2004, 3. A. 2006; Schröder, O., Die Deutschen in Bessarabien 1914-1940, 2012

Besserung ist allgemein die Vermehrung der Güte eines Zustands. Hierzu kann auch die wertsteigernde Aufwendung auf zu Leihe überlassenem Land gezählt werden. Sie ist teilweise eigenständiges, veräußerliches Gut.

Lit.: Arnold, W., Zur Geschichte des Eigentums in den Städten, 1861; Wolf, M., Der Bau auf fremden Gut, 1900; Stingel, M., Die bäuerliche Leihe im Recht des Würzburger Benediktinerklosters Sankt Stephan in Würzburg, Diss. jur. Erlangen 1962; Promnitz, C., Besserung und Sicherung, 2016

Bestand (Wort 1272) ist allgemein der Zustand, Bestandkontrakt (1740) bzw. Bestandvertrag (1809) die deutsche Wiedergabe der (lat.) locatio conductio, Bestandteil (1811) der zu dem Bestand einer Sache gehörige Teil.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Bestechung ist die Gewährung eines Vorteiles an einen Amtsträger für eine Dienstpflichtverletzung. Sie ist als Wahlbestechung bereits dem römischen Recht bekannt. Besondere Bedeutung erlangt sie mit der Entwicklung des Beamtentums.

Lit.: Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Kulesza, R., Die Bestechung im politischen Leben Athens, 1995

Besthaupt ist das beim Tode eines Bauern besonders in Grundherrschaften an einen Herrn abzuliefernde beste Stück Vieh. Das B. begegnet in Flandern und Lothringen in dem 9. Jahrhundert und ist in dem Hochmittelalter weit verbreitet. Bereits zu dieser Zeit schwindet es aber in den Städten, wird allgemein jedoch erst an dem Beginn des 19. Jahrhunderts aufgegeben.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bodmann, F., Historisch-juristische Abhandlung vom Besthaupte, 1794; Schultze, A., Seelgerät und Besthaupt, ZRG GA 38 (1917), 301; Mayer, E., Seelgerät und Besthaupt, ZRG GA 38 (1917), 301; Stutz, U., Zweitbesthaupt, ZRG GA 40 (1919), 282; Müller, W., Die Abgaben von Todes wegen in der Abtei Sankt Gallen, 1961

Bestimmtheitsgebot ist das Gebot (an den Gesetzgeber), einen Rechtssatz insbesondere in dem Strafrecht so bestimmt zu fassen, dass der Betroffene Tragweite und Anwendungsbereich erkennen kann. Es erwächst aus der Aufklärung. Es setzt sich seit dem 19. Jahrhundert durch.

Lit.: Schreiber, H., Gesetz und Richter, 1976; Krey, V., Keine Strafe ohne Gesetz, 1983; Müller-Dietz, H., Abschied vom Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht? FS T. Lenckner, 1998, 179

Bet, Josef →Karo

Betäubungsmittel ist das der Betäubung der menschlichen Sinne dienende Mittel (z. B. Opium, Morphium, Heroin, Kokain, Cannabis und synthetische B.). Seit dem 16./17. Jahrhundert wird die Sucht nach Betäubungsmitteln als Krankheit erkannt, seit etwa 1850 breitet sich die Sucht allmählich, seit etwa 1965 rasch aus. Mit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beginnt die gesetzliche Bekämpfung (Preußen, kaiserliche Verordnung von dem 25. 3. 1872, Opiumkonferenz von Schanghai 1909, Den Haag, Ausführungsgesetz von 1921, Opiumgesetz von dem 1. 1. 1930, Betäubungsmittelgesetz 1972).

Lit.: Wriedt, J., Von den Anfängen der Drogengesetzgebung bis zum Betäubungsmittelgesetz vom 1. 1. 1972, 2006

Betreibung

Lit.: Malamud, S. u. a., Die Betreibungs- oder Eingewinnungsverfahren der Stadt Zürich im Spätmittelalter, ZRG GA 116 (1999), 87

Betreuung ist in Deutschland seit 1. 1. 1992 die staatliche Fürsorge für die Person und das Vermögen eines volljährigen Menschen, soweit er infolge einer Krankheit oder Behinderung seine Angelegenheiten nicht selbst besorgen kann, durch einen von dem zuständigen Vormundschaftsgericht bestellten Betreuer. Die B. ersetzt die Entmündigung

Lit.: Köbler, DRG 268; Damrau, J./Zimmermann, W., Betreuungsgesetz, 1991; Müller, B., Rechtliche und gesellschaftliche Stellung von Menschen mit einer geistigen Behinderung, 2001

Betrieb

Lit.: Jakobi, C., Die vieldeutige Betriebsgemeinschaft, 2013

Betriebsrat ist das Organ der Arbeitnehmer eines Betriebs, das in bestimmten Angelegenheiten eines Betriebs mitwirkt und mitbestimmt. Der B. entwickelt sich an dem Ende des 19. Jahrhunderts (1905 Bergbau, 1916 Kriegswirtschaft). Nach dem Betriebsrätegesetz von dem 4. 2. 1920 ist in Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten ein B. zu bilden (Österreich 1919). In dem Dritten Reich wird der B. beseitigt, 1946 (in Österreich 1947) aber wieder eingeführt und danach gestärkt (11. 10. 1952, 15. 1. 1972).

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Köbler, DRG 241, 273; Oertzen, P. v., Betriebsräte in der Novemberrevolution, 1963; Plumeyer, M., Die Betriebsrätegesetze, Diss. jur. Hannover, 1992; Schaub, G., Der Betriebsrat, 1973, 7. A. 2002, 8. A. 2005; Raedel, C., Amtsenthebungen und Kündigungen von Betriebsräten, 1999

Betriebsrisiko ist in dem Arbeitsrecht die in dem 20. Jahrhundert verrechtlichte Gefahr des Erliegens bzw. Stillstands eines Betriebs ohne Verschulden eines Beteiligten.

Lit.: Tamm, M., Die Entwicklung der Betriebsrisikolehre, 2001

Betriebsverfassung ist die Gesamtheit der Regeln, welche die Rechte des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer und ihrer Organe in dem Betrieb in Bezug auf das Betriebsgeschehen ordnen. Die B. wird in Deutschland nach einzelnen Vorläufern des späten 19. Jahrhunderts durch das Betriebsrätegesetz von dem 4. 2. 1920 eingerichtet und (nach Beseitigung während der nationalsozialistischen Herrschaft) durch Gesetz von dem 17. 4. 1946 wiederhergestellt.

Lit.: Köbler, DRG 273; Adelmann, G., Quellensammlung zur Geschichte der sozialen Betriebsverfassung, Bd. 1f. 1960ff.; Reichold, H., Betriebsverfassung als Sozialprivatrecht, 1995; Mitbestimmung und Betriebsverfassung, hg. v. Pohl, H., 1996

Betriebswirtschaft ist die Wirtschaft des einzelnen Betriebs (Privatwirtschaftslehre in Gegensatz zur Wirtschaft des gesamten Volkes oder Staates), die seit 1898 (Leipzig, Aachen, Wien) wissenschaftlich gelehrt wird und nach steilem Aufstieg (1922 Tübingen Curt Eisfeld, 1923 23 Orte, 1924 43, 1939 70) derzeit jährlich 100000 Studierende für mehr als 1000 Professoren findet.

Lit.: Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre, hg. v. Gaugler, E./Köhler, R., 2002; Burr, W./Wagenhofer, A., Geschichte des VHB, 2011

Betrug ist die durch Täuschung verursachte Vermögensschädigung (z. B. der Universitätsassistent I. lässt sich in dem öffentlichen Dienst jahrelang krank schreiben und betreibt in dieser Zeit privatwirtschaftlich einen Verlag für Lügenbarone). In dem römischen Recht erfassen (lat. [N.]) falsum (Fälschung), stellionatus (M.) (Hinterhältigkeit) und (N.) furtum (Wegnahme) einzelne Fälle des nicht als solcher zusammengefassten Betrugs. Ähnlich verfährt auch das Mittelalter. Die durch Täuschung bewusst herbeigeführte Vermögensschädigung findet sich seit dem 16. Jahrhundert, ohne dass sie aber von der Fälschung bereits eindeutig geschieden werden kann. Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts bzw. 1871 gelingt unter dem Einfluss des Code pénal (1810) Frankreichs eine klare Abgrenzung.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 158; Köstlin, C., System des deutschen Strafrechts, Bd. 2 1858, Neudruck 1978, 124ff.; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1955; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 318ff.; Naucke, W., Zur Lehre vom strafbaren Betrug, 1964; Hupe, E., Falsum, fraus und stellionatus im römischen und germanischen Recht bis zur Rezeption, Diss. jur. Marburg 1967; Kausch, W., Die Entwicklung des falsum, Diss. jur. Göttingen 1971; Schütz, S., Die Entwicklung des Betrugsbegriffs, 1988; Roth, J./Sokolowsky, K., Lügner, Fälscher, Lumpenhunde, 2000; Lügen und Betrügen, hg. v. Hochadel, O. u. a., 2000; Freller, T., Die Welt will betrogen sein, 2001; Die Autobiographie des Betrügers Luer Meyer 1833-1855, 2010; Lehmann, J., Zwischen Betrug und Gier, 2019

Betteln ist das Bitten um unentgeltliche Leistungen zu dem Lebensunterhalt. Es wird seit dem Hochmittelalter sichtbar. Zeitweise wird es mit polizeilichen Mitteln entschieden bekämpft (Bettelordnungen Nürnbergs von 1370, 1478, Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577, s. a. z. B. Graz 1996).

Lit.: Stamm, R., Theodor Konrad Hartleben (1770-1827) und seine Allgemeine deutsche Justiz- und Polizey-Fama, ZGO 113 (1965), 45; Goglin, J., Les miserables, 1976; Scherner, K., Arme und Bettler, ZNR 1988, 129; Rudersdorf, M., Das Glück der Bettler, 1995; Bindzus, D./Lange, J., Ist Betteln rechtswidrig? JuS 1996, 482; Bräuer, H., . und hat seit hero gebetlet, 1996; Bettler in der europäischen Stadt der Moderne, hg. v. Althammer, B., 2007; Wagner, A., Gleicherweiß als wasser, 2011; Bettler und Vaganten in der Neuzeit, hg. v. Althammer, B. u. a., 2013 (eine kommentierte Quellenedition)

Betti, Emilio (Camerino 1890-1968), nach juristischen Studien in Parma und philosophischen Studien in Bologna seit 1917 Professor für römisches Recht in Camerino und in Macerata, Messina, Parma, Florenz, Mailand und Rom, bemüht sich unter Verknüpfung von Dogmatik und Geschichte vor allem um ein neues Verständnis der →Auslegung und der Hermeneutik insgesamt.

Lit.: Betti, E., Die Hermeneutik als allgemeine Methodik der Geisteswissenschaften, 1962; L’ermeneutica giuridica di Emilio Betti, hg. v. Frosini, V./Riccobono, F., 1994

Beunde (963 ahd. piunta) ist das dorfnahe, durch Einzäunung („Bewindung“?) aus der Allmende ausgeschiedene landwirtschaftliche Grundstück.

Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, Bd. 3 1973

Beutellehen ist das an einen Bürger oder Bauern gelangende →Lehen (Bayern E. 13. Jahrhundert), bei dem statt Kriegsdienst bei Herrenfall und Mannfall eine erhöhte Abgabe in den Beutel des Herrn zu leisten ist. In dem 18. Jahrhundert gibt es auch ritterliche B. Durch Gesetz von dem 17. 12. 1862 wird in Österreich das B. in Eigentum umgewandelt.

Lit.: Klein, H., Ritterlehen und Beutellehen, Mitteil. d. Ges. f. Salzburger Landesk. 80 (1940), 87ff.; Spieß, K., Das Lehnswesen in Deutschland, 2002, 2. A. 2009, 3. A. 2011

Beuterecht ist das Recht auf Aneignung feindlichen Gutes in dem Krieg. Es besteht ursprünglich gegenüber der gesamten gegnerischen Bevölkerung, wenn auch 1179 durch das dritte Laterankonzil unter Christen die Versklavung verboten wird. In dem 19. Jahrhundert setzt sich für den Landkrieg die Beschränkung auf das für Kriegszwecke verwendbare Staatseigentum des Feindes durch (Haager Landkriegsordnung 1907).

Lit.: Redlich, F., De praeda militari, 1956; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Praeda, hg. v. Coudry, M. u. a., 2009

bewegliche Sache (Wort 1784) →Sache

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Beweis ist die Darlegung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Vorstellung durch ein Verhalten. Besondere Bedeutung hat der B. in einem Streit zweier Personen. In dem altrömischen und in dem klassischen römischen Recht würdigt dabei der (lat. [M.]) iudex (Richter) frei die mit beliebigen Mitteln vorgebrachten Beweisversuche. Demgegenüber dringt in dem spätantiken römischen Recht die Bindung an feste Beweisregeln und Beweislastregeln vor. Bei den Germanen erfolgt wahrscheinlich meist außerhalb der Versammlung ein B. mit Eid, Zeugen oder Augenschein, wobei der Angegriffene ein Recht zu dem B. vor allem durch Eid (mit Eidhelfern) hat. In dem Frühmittelalter kann der in einem zweizüngigen Urteil auferlegte B. auch in dem Gericht erbracht werden, wobei der B. durch eine Urkunde vordringt. Wahrscheinlich unter christlichem Einfluss gewinnt zeitweise das Gottesurteil dann Bedeutung, wenn ein anderer B. nicht möglich ist. Der Kläger kann allmählich das Beweisrecht dadurch an sich ziehen, dass er ein stärkeres Beweismittel als den Eid anbietet. Möglich wird der Gegenbeweis. In dem spätmittelalterlichen Strafverfahren bemüht sich der Richter von sich aus um die Ermittlung der Wahrheit. Als sicherstes Beweismittel gilt dabei das Geständnis (lat. [F.] confessio). Zu seiner Erreichung ist die Folter zulässig, wobei seit der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V. (1532) ihre Anwendung nur bei Vorliegen bestimmter Indizien (z. B. Aufenthalt in Tatnähe) gestattet wird. Hinzu kommen feste Beweisregeln. Das Gottesurteil verschwindet. Mit dem über die Kirche schon seit dem Spätmittelalter eindringenden gelehrten Zivilprozess gelten unbestrittene Tatsachen als zugestanden. Bestrittene Tatsachen sind von dem Kläger durch Zeugen, Parteieid, Urkunden, Augenschein oder Sachverständige zu beweisen (Beweislast, s. [lat.] onus [N.] probationis reo non incumbit, Die Beweislast trifft nicht den Beklagten, Gratian um 1140), wobei feste Beweisregeln gelten. Bereits der (lat.) usus (M.) modernus (Cocceji, Leyer) befasst sich vertieft mit den entsprechenden Fragen. Nach französischem Vorbild (1791) setzt sich in dem 19. Jahrhundert die freie richterliche Beweiswürdigung wieder allgemein durch (Berlin 1846, Preußen 1849), wobei es auf die Überzeugung des Richters ankommt. Die Beweislast in dem Zivilprozess trägt grundsätzlich jede Partei für die ihr günstigen Tatsachen, doch kehrt die Rechtsprechung zu Gunsten schwacher Parteien verschiedentlich die Beweislast zu Lasten des Gegners um.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 116, 155, 167; Savigny, C., Über Schwurgerichte und Beweistheorie, GA 6 (1858), 469; Hänel, A., Das Beweissystem des Sachsenspiegels, 1858; Kries, A. v., Der Beweis im Strafprozess des Mittelalters, 1878; Endemann, W., Die Entwicklung des Beweisverfahrens im deutschen Civilprozess seit 1495, 1895; Haff, K., Beweisjury und Rügeverfahren im fränkischen und altdänischen Recht, ZRG GA 38 (1917), 130; Mayer-Homberg, E., Beweis und Wahrscheinlichkeit nach älterem deutschem Recht, 1921; Stutz, U., Die Beweisrolle im altdeutschen Rechtsgang, ZRG GA 49 (1929), 1; Bechert, R., Recht oder Pflicht zur Beweisführung?, ZRG GA 49 (1929), 26; La preuve, 1963; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Nagel, H., Die Grundzüge des Beweisrechts im euopäischen Zivilprozess, 1967; Ziller, H., Private Bücher des Spätmittelalters und ihre rechtliche Funktion, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971; Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1972; Walter, G., Freie Beweiswürdigung, 1979; Rechtsbehelfe, Beweis und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1986; Schmitt, B., Die richterliche Beweiswürdigung im Strafprozess, 1992; Subjektivierung des justiziellen Beweisverfahrens, hg. v. Gouron, A. u. a., 1994; Allen, C., The Law of Evidence in Victorian England, 1997; Wißgott, V., Das Beweisantragsrecht im Strafverfahren, 1998; Macnair, M., The Law of Proof in Early Modern Equity, 1999; Stürner, R., Geschichtliche Grundlinien des europäischen Beweisrechts, FS A Söllner, 2000; Nehlsen-von Stryk, K., Die Krise des irrationalen Beweises im Hoch- und Spätmittelalter, ZRG GA 117 (2000), 1; Sauer, M., Die Entwicklung des Ablehnungsgrundes der Wahrunterstellung, Diss. jur. Köln 2002; Perband, M., Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung im Zivilprozess (§ 286 ZPO), 2003; Lepsius, S., Von Zweifeln zur Überzeugung - Der Zeugenbeweis im gelehrten Recht, 2003; Deppenkemper, G., Beweiswürdigung als Mittel prozessualer Wahrheitserkenntnis, 2004; Bausteine eines europäischen Beweisrechts, hg. v. Marauhn, T., 2007; Mentz, D., Die Beweislastumkehr in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2010; Repgen, T., Qui dicit probare debet, ZRG GA 129 (2012), 76

Beweisinterlokut ist in dem gemeinen deutschen Zivilprozessrecht eine gerichtliche Zwischenentscheidung über Beweislast, Beweisthema und Beweisfrist. Es trennt den Prozess in zwei Teile und bildet den Beginn des besonderen Beweisverfahrens. Dessen Ergebnis bindet den Richter. Besonders ausgestaltet ist das B. in dem sog. sächsischen Prozess (so noch Hannover 1850). In dem 18. Jahrhundert dringt das B. allgemein in den gemeinen Prozess ein. Die preußische allgemeine Gerichtsordnung von 1793 kennt aber schon kein B. mehr, ebensowenig das französische Zivilprozessrecht (1806) und die davon beeinflusste deutsche Zivilprozessordnung von 1877/1879.

Lit.: Planck, J., Die Lehre vom Beweisurteil, 1848

Beweislast →Beweis

Beweismittel →Beweis

Beweisurteil ist das →Urteil über eine Beweisfrage. →Beweisinterlokut

Beyer, Georg (Leipzig 10. 9. 1665-Wittenberg 21. 8. 1714), Aktuarssohn, wird nach den Studien von Philosophie und Recht in Leipzig (Thomasius), Frankfurt an der Oder und Leipzig 1706 Professor in Wittenberg. Dort hält er als einer der ersten eine Vorlesung über deutsches Recht, die als Leitfaden des deutschen Rechtes ([lat.] Delineatio [F.] iuris Germanici, 1718) nach seinem Tod veröffentlicht wird.

Lit.: ; Köbler, DRG 144, 186, 205; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978, III, 1 137f.

Beyerle, Franz (Konstanz 30. 1. 1885-Wangen 22. 10. 1977), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Austritt aus der katholischen Kirche und dem Studium in Freiburg im Breisgau, Breslau (Konrad Beyerle) und Göttingen (Promotion 1910, Frensdorff) sowie der Habilitation in Jena (1913, Rauch) 1918 Professor in Basel, 1929 Greifswald, 1930 in Frankfurt am Main, 1934 in Leipzig und 1938 in Freiburg im Breisgau (bis 1953). Seine Arbeiten betreffen das Stadtrecht Freiburgs, den Entwicklungsgang im Recht, die Treuhand und Volksrechte.

Lit.: Dürselen, F., Franz Beyerle, 2005; Schützenmeister, A., Franz Beyerle, 2008; Jocus regit actum, hg. v. Riosus, F., 2011

Beyerle, Konrad (Konstanz 14. 09. 1882-München 26. 4. 1933), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, der Promotion bei Richard Schröder (1895) und der Habilitation bei Ulrich Stutz (1899) Professor in Freiburg im Breisgau (1900), Breslau (1903), Göttingen (1906) und München (1918). Als Abgeordneter der bayerischen Volkspartei wirkt er in der verfassunggebenden Nationalversammlung (1919) und in dem Reichstag. (bis 1924). Einzelne Arbeiten betreffen die Grundeigentumsverhältnisse in Konstanz, die Lex Baiwariorum und die Kultur der Abtei Reichenau.

Lit.: Hense, T., Konrad Beyerle, 2002

Bezirk ist das abgegrenzte Gebiet. Preußen wird zwischen 1808 und 1816 in (Provinzen und) Regierungsbezirke geteilt. Mit österreichisch-kaiserlicher Entschließung von dem 26. 6. 1849 (RGBl. 295) wird die Einteilung der Kronländer in Kreise und darunter in Bezirke bestimmt, wobei an der Spitze des Bezirks ein Bezirkshauptmann steht (1852-1868 Vereinigung der Bezirkshauptmannschaften mit den Bezirksgerichten zu gemischten Bezirksämtern) und der B. 1925 von einer Zentralstaatsbehörde zu einer Landesbehörde umgestaltet wird. Die Deutsche Demokratische Republik ersetzt 1952 die Länder (bis 1990) durch 15 Bezirke.

Bibel ([griech.] Buch] ist die Sammlung der für Juden und Christen das Wort (ihres) Gottes enthaltenden Schriften. Diese sind zwischen 1200 v. Chr. (10. Jahrhundert v. Chr.) und dem 2. Jahrhundert n. Chr. (50-120 n. Chr.) entstanden. Die jüdische B. gliedert sich in Tora (Weisung), Propheten und Schriften, die christliche B. ergänzt dieses alte, um die Zeitenwende in seinem Bestand abgeschlossene Testament um das nachchristliche, in dem 4. Jahrhundert weitgehend abgeschlossene neue Testament. Die Übertragung der ursprünglich aramäischen bzw. hebräischen Texte in das Griechische erfolgt zwischen 250 v. Chr. und 100 n. Chr. (Septuaginta), die Übersetzung in das Lateinische in dem 4. Jahrhundert n. Chr., die Übersetzung in germanistische Volkssprachen seit dem ausgehenden 4. Jahrhundert n. Chr. Lateinisch enthält die von etwa 40 Verfassern hergestellte Bibel vielleicht 738765 Wörter, deutsch 800890 Wörter. Das älteste erhaltene Handschriftenbruchstück stammt von etwa 125 n. Chr. Die christliche B. ist das weitest verbreitete und häufigst gedruckte Buch der Welt. Die B. enthält umfangreiches →biblisches Recht.

Lit.: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 1966ff., Neudruck 2019Thyen, J., Bibel und Koran, 1989, 2. A. 1993, 3. A. 2000, 4. A. 2015; Klauck, H., Die apokryphe Bibel, 2008; The Biblical Models of Power and Law, hg. v. Biliarsky, I. u. a., 2008; Bibel und Exegese der Abtei Saint Victor zu Paris, hg. v. Berndt, R., 2009; The Cambridge Companion to the Bible, 2. A. hg. v. Chilton, B. u. a., 2008; Der Pentateuch, hg. v. Dozeman, T. u. a., 2011; Schöpflin, K., Die Bibel in der Weltliteratur, 2011; Die Septuaginta und das frühe Christentum, hg. v. Scott Caulley, T. u. a., 2011; Die Septuaginta - Entstehung, Sprache, Geschichte, 2012; Jaroš, K., Die ältesten griechischen Handschriften des Neuen Testaments, 2014 (weit mehr als 5000 Handschriften bekannt, hier 104 ediert); The Mew Cambridge History of the Bible, hg. v. Paget, H. u. a., 2013; Bezzel, H., Saul, 2015; The Formation of the Pentateuch, hg. v. Gertz, J. u. a., 2016; Die Septuaginta – Orte und Intentionen, hg. v. Kreuzer, S. u. a., 2016; Mugridge, A., Copying Early Christian Texts, 2016; Cline, E., Warum die Arche nie gefunden wird – Biblische Geschichten archäologisch entschlüsselt, 2016; Tiwald, M., Die Logienquelle 2016 (Die in etwa 80 kurzen Bruchstücken erschließbare Logienquelle Q von etwa 60 n. Chr. lag als nur indirekt erhaltener Text den Evangelien nach Matthäus und Lukas als schriftliche Quelle vor, verbindet Frühjudentum und Anfänge der Jesusbewegung und bildet die Brücke zwischen dem geschichtlichen Jesus und dem späteren Christentum.); Westerholm, S., Law and Ethics in Early Judaism and the New Testament, 2017 (= Aufsatzsammlung); Billings, D., Acts of the Apostles and the Rhetoric of Roman Imperialism, 2017; Tiwald, M., The Sayings Source – A Commentary on Q., 2020

Biberach

Lit.: Riotte, A., Diese so oft beseufzte Parität. Biberach 1649-1825, 2018

Bibliothek ist die Sammlung von Büchern und das ihr dienende Gebäude.

Lit.: Otto, J., Bibliothek des Bundesgerichtshofs, 1996 (rund 475000 Bände); Portale zu Vergangenheit und Zukunft, hg. v. Seefeldt, J. u. a., 2003, 2. A. 2003, 3. A. 2007, 4. A. 2011; Rösch, H. u. a., Bibliotheken und Informationsgesellschaft in Deutschland, 2006, 2. A. 2011, 3. A. 2019; Rekonstruktion und Erschließung mittelalterlicher Bibliotheken, hg. v. Rapp, A. u. a., 2008; Jochum, U., Geschichte der abendländischen Bibliotheken, 2009; Zur Erforschung mittelalterlicher Bibliotheken, hg. v. Rapp, A. u. a., 2009; Festschrift für Dietrich Pannier, hg. v. Fischer, D. u. a., 2010; Die Bibliothek des Mittelalters als dynamischer Prozess, hg. v. Embach, M. u. a., 2012; Huber-Frischeis, T. u. a., Die Privatbibliothek Kaiser Franz I. von Österreich 1784-1835, 2015; Jank, D., Bibliotheken von Frauen – Ein Lexikon, 2019 (770 Frauen zwischen dem 16. und 20. Jh.)

Biblisches Recht ist das aus den in der jüdisch-christlichen →Bibel (vor allem in den Büchern Moses) enthaltenen zahlreichen rechtlichen Sätzen gebildete Recht. Besonders bekannt hiervon sind die zehn Gebote. Noch wichtiger ist vielleicht die grundsätzliche Beschreibung des jüdisch-christlichen Gottes als eines Gottes des Rechtes, der die Einhaltung von Recht gebietet und die Verletzung von Recht verbietet. Dieser Grundgedanke beeinflusst die europäischen Rechte in nachhaltiger Weise.

Lit.: Collatio legum Mosaicarum et Romanarum, (in) Fontes iuris Romani antejustiniani, Bd. 2 1940, 541; Hohenlohe-Schillingsfürst, C. v., Der Einfluss des Christentums auf das Corpus Juris, 1937; Kisch, G., Sachsenspiegel and Bible, 1941; Biondi, B., Il diritto Romano Cristiano, Bd. 1ff. 1952ff.; Verdam, P., Mosaic Law in Practice and Study throughout the Ages, 1959; Heckel, J., Lex charitatis, 2. A. 1973; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Hattenhauer, H., Das Recht der Heiligen, 1976; Welch, J., A biblical law bibliography, 1990; Bibel und Recht, hg. v. Eckert, J. u. a., 1994; Calvocoressi, P., Who´s who in der Bibel, 1992, 5. A. 1994, 16. A. 2009; Brand, J., Bibel und altes Recht im Bauernkrieg, 1996; Campenhausen, H. v., Die Entstehung der christlichen Bibel, Neudruck 2003; Ohler, A., dtv-Atlas Bibel, 2004; Kaden, D., Matthew, Paul, and the Anthropology of Law, 2016

Bielefeld

Lit.: Urkundenbuch der Stadt und des Stiftes Bielefeld, hg. v. Vollmer, B., 1937; Flügel, A., Kaufleute und Manufakturen in Bielefeld, 1990; Meineke, B., Die Ortsnamen der Stadt Bielefeld, 2013; Bielefeld und die Welt, hg. v. Büschenfeld, J. u. a., 2014; Linde, R. u. a., unglaublich bodenständig, 2014

Bienenrecht ist das die Bienen betreffende Recht. Dabei darf der (unverzüglich) verfolgende Eigentümer (s)einen mit dem Schwärmen herrenlos werdenden Bienenschwarm auch auf einem fremden Grundstück einfangen (Aneignungsrecht). In dem deutschen →Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) gelten für das B. die §§ 961ff.

Lit.: Rieth, J., Das gesamte deutsche Bienenrecht, 1910; Schüßler, A., Deutsches Bienenrecht, 1934; Haff, K., Zum Bienenrecht in den schwedischen und dänischen Landschaftsgesetzen, ZRG GA 60 (1940), 253; Schulz, S., Die historische Entwicklung des Rechts an Bienen, 1990; Stripf, R., Honig für das Volk. Geschichte der Imkerei in Deutschland, 2019

Biener, Friedrich August (Leipzig 5. 2. 1787-Dresden 1861) wird nach Rechtsstudien in Leipzig und Göttingen 1810 Professor in Berlin.

Bier (vielleicht zu lat. bibere trinken) ist das aus stärkehaltiger Substanz (z. B. Gerste, Weizen) durch alkoholische Gärung gewonnene (gebraute) Getränk. In dem Frühmittelalter wird es von Frauen hergestellt, später entsteht in den Städten eine gewerbliche Produktion, die seit etwa 1300 Hopfen als die Haltbarkeit erhöhenden Zusatz verwendet. In der frühen Neuzeit setzt sich in Bayern ein auf das Jahr 1516 zurückgeführtes Reinheitsgebot (Malz, Hopfen, Hefe, Wasser) durch.

Lit.: Moldenhauer, G., Das Göttinger Braurecht, Diss. jur. Göttingen 1956; Schlosser, H., Braurechte, Brauer und Braustätten in München, 1981; Unger, R., A History of Brewing in Holland 900-1900, 2001; Blanckenburg, C. v., Die Hanse und ihr Bier, 2001; Oliver, G., The Oxford Companion to Beer, 2011; Hirschfelder, G. u. a., Bier – Eine Geschichte von der Steinzeit bis heute, 2016

Biergelde oder Bargilde ist der in dem 8./9. Jahrhundert erscheinende (freie, aber trotzdem pflichtige) Mensch, der von der Forschung teils mit Wehrsiedlung, teils mit Rodungssiedlung verbunden wird. Der Inhalt des Wortes ist nicht völlig klar („Abgabenleister“?), obgleich die Biergelden noch in dem →Sachsenspiegel (1221-1224) als besonderer Stand erfasst sind.

Lit.: Köbler, WAS; Metz, W., Zur Geschichte der Bargilden, ZRG GA 72 (1955), 185; Hagemann, H., Die Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983; Springer, M., Die Sachsen, 2004

Bifang ist (im Mittelalter) das von einem Berechtigten durch tatsächlichen Zugriff neu (stärker) genutzte, meist eingefriedete Grundstück.

Lit.: Köbler, WAS; Bethge, O., Über Bifänge, VSWG 20 (1928), 139ff.; Sorhagen, I., Die karolingischen Kolonisationsprivilegien, 1976

Bigamie ist die weitere Eheschließung eines bereits verheirateten Menschen in einer nur die Einehe zulassenden Rechtsordnung. Das Christentum hält von Anfang an nur die Einehe für zulässig. Als Folge der Christianisierung der römischen Gesellschaft ist die B. seit Diokletian strafbar und als Folge der Christianisierung der Germanen wird die bei ihnen erlaubte, tatsächlich aber wohl seltene Mehrehe von der Kirche abgelehnt. In dem Frühmittelalter ist die B. eine zunächst rein kirchliche Frage, für die nur die kirchlichen Gerichte zuständig sind. Seit dem Hochmittelalter sehen aber vor allem die Stadtrechte Enthaupten und Ertränken als peinliche Strafe vor. Die →Constitutio Criminalis Bambergensis (1507, Art. 146) behandelt unter dem Einfluss der augustinischen Ehebruchsgesetzgebung eine Frau bei B. strenger als einen Mann, die →Constitutio Criminalis Carolina (1532, Art. 121) ordnet die B. stets als qualifizierten Ehebruch ein. Strafe ist zunächst die Todesstrafe, nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 (II, 20 §§ 1066ff.) und nach dem deutschen Reichsstrafgesetzbuch von 1871 mehrjähriges Zuchthaus (§ 171 StGB, 5 Jahre Zuchthaus). Privatrechtlich ist die B. Ehehindernis.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 56; Hälschner, H., Die Lehre vom Ehebruch und der Bigamie, Gerichtssaal 22 (1870), 401; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts, 1928, 150f.; Erle, M., Die Ehe im Naturrecht des 17. Jahrhunderts, 1952; Buchholz, S., Der Landgraf und sein Professor, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Siebenhüner, K., Bigamie und Inquisition in Italien 1600-1750, 2006

Bilanz ist die zusammengefasste Gegenüberstellung der aktiven und passiven Vermögenswerte einer Person. Sie entwickelt sich in dem spätmittelalterlichen Handelsgeschäft. Besonders seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert werden die rechtlichen Vorschriften betreffend eine B. angesichts der wachsenden Größe der Unternehmen immer dichter (1937 Richtlinien zu der Vereinheitlichung des Buchhaltungswesens der Wirtschaft, § 266 HGB).

Lit.: Brönner, H., Die Bilanz nach Handels- und Steuerrecht, 2. A. 1940, 9. A. 1991, 10. A. 2011

Bild ist die sichtbare Wiedergabe eines Umstands (durch menschliches Tun). Mittels der Augen und des Gehirns entstehen für den Menschen während seines Bewusstseins zahllose sehr flüchtige Bilder. Vielleicht zuerst in Höhlenmalereien (z. B. kurz vor 2019 in der Kalksteinhöhle Leang Bulu Sipong vier in dem Südwesten der Insel Sulawesi in Indonesien entdeckte, mindestens sieben Antilopen und mindestens drei Jäger mit Speeren wiedergebende, mindestns 43900 Jahre alte Darstellungen) versucht der Mensch die Vergänglichkeit dieser Eindrücke zu bekämpfen. Dem folgen viele Malereien und andere Abbildungen auf weiteren Stoffen. Zwischen 1835 und 1839 entwickelt der Maler Louis Jacques Mandé Daguerre in Frankreich die Möglichkeit unter Nutzung des Lichtes seitenverkehrte Abbildungen von körperlichen Gegebenheiten auf spiegelglatt polierten Metalloberflächen herzustellen. Die Rechte an dem Verfahren werden von Frankreich erworben. Aus der Daguerrotypie entwickelt sich die modernere Fotografie.

Lit.: Goerlitz, T., Die rechtliche Behandlung der gewerblichen Bildzeichen in Deutschland seit dem 14. Jahrhundert, ZRG GA 55 (1935), 216; Historische Bildkunde 2, 1935; Beyerle, F., Sinnbild und Bildgewalt im älteren deutschen Recht, ZRG GA 58 (1938), 788; Troescher, G., Weltgerichtsbilder, Westdt. Jb. f. Kunstgeschichte 11 (1939), 139; Kisch, G., Recht und Gerechtigkeit in der Medaillenkunst, 1955; Brückner, W., Bildnis und Brauch, 1966; Ebel, F. u. a., Römisches Rechtsleben im Mittelalter, 1988; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Bild und Abbild, hg. v. Vavra, E., 1999; Schmoeckel, M., Auf der Suche nach der verlorenen Ordnung, 2004; Zitzlsperger, P., Dürers Pelz und das Recht im Bild, 2008; Poeschel, S., Handbuch der Ikonographie, 2005, 2. A. 2008, 3. A. 2009, 4. A. 2011, 5. A. 2014; Boehme-Neßler, V., BilderRecht, 2010; Hayduk, H., Rechtsidee und Bild, 2011; Elkins, J., What Photography is, 2011; Steinhauer, F., Das eigene Bild, 2013; Rechtsikonographie geistlicher und weltlicher Macht, hg. v. Gulczyński, A., 2012; Bild und Konfession im östlichen Mitteleuropa, hg. v. Deiters, M. u. a., 2013; Büttner, N., Einführung in die frühneuzeitliche Ikonographie, 2014; Poeschel, S., Starke Männer – schöne Frauen – Die Geschichte des Aktes, 2014; Cleaver, L., Illuminated History Books, in the Anlo-Norman World 1066-1272, 2018; Illuminierte Urkunden, hg. v. Bartz, G. u. a., 2018Dreier, T., Bild und Recht, 2019

Bilderhandschrift ist die mit sachlich auf den Text bezogenen Bildern ausgestattete Handschrift. Die umfänglichsten rechtlichen Bilderhandschriften sind mit bis zu 924 Bildstreifen zu dem Sachsenspiegel überliefert (Vorbild eine bebilderte Willehalmhandschrift? [1300 Miniaturen], 1270?/vor E. 13. Jahrhundert Harzvorland?, Stammhandschrift verloren, Anfang 14. Jahrhundert/um 1300 Heidelberger B. [nur zu einem Drittel erhalten, Druck 1971], vielleicht Meißen wohl 1347-1363/M. 14. Jahrhundert Dresdener B. [Druck 1902, 2002], drittes Viertel 14. Jahrhundert Wolfenbütteler B. [Tochterhandschrift der Dresdener Bilderhandschrift?, Druck 1993], 1336 Oldenburger B. [mittelniederdeutsch, nur Landrecht bebildert, vielfach nur Vorzeichnungen, Druck 1995], insgesamt mindestens sieben Bilderhandschriften anzunehmen). Die Bedeutung der Bilder ist streitig. Mehr Bilderhandschriften als zu dem Sachsenspiegel gibt es zu dem Decretum Gratiani.

Lit.: Köbler, DRG 103; Amira, K. v., Die Dresdener Bilderhandschrift, Bd. 1ff. 1902ff.; Koschorreck, W., Die Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, 1970; Text – Bild – Interpretation, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1986; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 24; Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters, hg. v. Ott, N., 1991ff.; Got ist selber Recht. Die vier Bilderhandschriften des Sachsenspiegels Oldenburg, Heidelberg, Wolfenbüttel, Dresden, hg. durch Schmidt-Wiegand, R. u. a., 1992; Scheele, F., die sal man alle radebrechen, 1992; Eike von Repgow Sachsenspiegel Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1993; Bloh, U. v., Die illustrierten Historienbibeln, 1993; Der Oldenburger Sachsenspiegel, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1995; Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, 1995; Repgow, Eike von, Sachsenspiegel. Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1998; Die Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels als digitale Edition auf CD-ROM, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1999; Lück, H., Über den Sachsenspiegel, 1999, 2. A. 2005; Brunschwig, C., Visualisierung von Rechtsnormen, 2001; Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels. Interimskommentar, hg. v. Lück, H., 2002; Der Dresdener Sachsenspiegel. Faksimile-Ausgabe, 2002; Schmidt-Wiegand, R., Rechtsbücher als Ausdruck pragmatischer Schriftlichkeit, Frühmittelalterliche Studien 37 (2003), 435ff.; ; ; ; Eike von Repgow, Sachsenspiegel. Die Heidelberger Bilderhandschrift Cod. Pal. Germ. 164, hg. v. Kocher, G., u. a., 2010; Rechtsikonographie geistlicher und weltlicher Macht, hg. v. Gulczyński, A. 2012

Bildnisstrafe ist die an dem Bild vollzogene Strafe. Sie findet sich für die Majestätsbeleidigung beispielsweise in Frankreich 1670 in Dänemark und Norwegen 1683 und 1687, in Brandenburg 1688 und 1717, in Sachsen 1712, in Preußen 1721 und 1794, in Österreich 1768 und in Baden 1809, wird aber nach 1848 beseitigt. Daneben bestehen verschiedene von der B. in engerem Sinn verschiedene Einrichtungen.

Lit.: Hentig, H. v., Die Strafe, Bd. 1 1954, 320

Bildung

Lit.: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 5 1989, Bd. 2 18. Jahrhundert 2005; Nonn, U., Mönche, Schreiber und Gelehrte, 2012; Bosse, H., Bildungsrevolution 1770-1830, hg. v. Ghanbari, N., 2012; Lesch, H./Forstner, U., Wie bildung gelingt, 20120

Billigkeit ist die natürliche Gerechtigkeit vor allem in dem einzelnen Fall. Sie erscheint in der römischen Antike teils als (lat. [F.]) benevolentia des Kaisers, teils bei den nach der B. beurteilten Klagen oder Schuldverhältnissen (lat. →bonae-fidei-iudicia [N.Pl.]). In dem frühen Mittelalter bewirkt die Kirche die Aufnahme des Gedankens der B. (lat. →aequitas [F.] canonica), wobei Streit darüber besteht, ob der König nach B. urteilen konnte. Danach greift insbesondere das Naturrecht verstärkt die B. auf. Die B. steht grundsätzlich in einem Spannungsverhältnis zu der Gleichheit und zu der Rechtssicherheit.

Lit.: Kaser §§ 3, 33; Köbler, DRG 86; Rühl, P., Das aequitatis iudicium im fränkischen Königsgericht, ZRG GA 20 (1899), 207; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Kirn, P., Über die angebliche Billigkeitsjustiz des fränkischen Königs, ZRG GA 47 (1927), 115; Wohlhaupter, E., Aequitas canonica, 1931; Kirn, P., Aequitatis iudicium, ZRG GA 53 (1932), 53; Lange, H., Ius aequum und ius strictum bei den Glossatoren, ZRG RA 71 (1954), 319; Erler, A., Aequitas in Sprüchen des Ingelheimer Oberhofes FS G. Kisch, 1955, 53; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Schott, C., Billigkeit und Subjektivismus, FS M. Keller, 1989, 745; Wesener, G., Aequitas naturalis, natürliche Billigkeit (in) Der Gerechtigkeitsanspruch des Rechts, 1996, 81ff.; Jacoby, S., Allgemeine Rechtsgrundsätze, 1997; Schröder, J., Aequitas und rechtswissenschaftliches System, ZNR 21 (1999), 29ff.; Schmidt, R., Zur Rechtsprechung Regensburger Gerichte im 14. Jahrhundert, ZRG GA 125 (2008), 82; Zwischen Formstrenge und Billigkeit, hg. v. Oestmann, P., 2009

Bill of Rights ist das englische Gesetz, das 1689 von dem König angenommen und von einem ordentlichen Parlament bestätigt wird. In 13 Artikeln verbietet es katholische Thronfolge, Steuererhebung, Gesetze und Heer ohne Zustimmung des Parlaments sowie geistliche Gerichte und gewährt Redefreiheit, Petitionsrecht und das grundsätzliche regelmäßige Geschworenengericht. In den Vereinigten Staaten von Amerika heißen B. o. R. die zehn Artikel, die 1791 der Verfassung von 1787 hinzugefügt werden. →Virginia Bill of Rights

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; The complete Bill of Rights, hg. v. Cogan, N., 1997

Billerbeck

Lit.: Geschichte der Stadt Billerbeck, hg. v. Freitag, W., 2012

Binding, Karl (Frankfurt am Main 4. 6. 1841-Freiburg im Breisgau 7. 4. 1920), aus einer Juristenfamilie, wird nach dem Studium in Göttingen (1860-1863) Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Staatsrecht in Heidelberg (1865), Basel, Freiburg im Breisgau, Straßburg und Leipzig (1913 emeritiert). Er vertritt auf liberaler Grundlage ein formales Vergeltungsstrafrecht zwecks Aufrechterhaltung staatlicher und gesetzlicher Autorität und bekämpft abweichende Auffassungen (z. B. Franz von Liszt) entschieden. Nach seiner Normentheorie geht der Rechtsregel eine Sozialnorm voraus, deren Befehlswirkung der Täter missachtet, so dass er durch Bestrafung unter die Macht des Staates gebeugt werden muss (Die Normen und ihre Übertretung, Bd. 1ff. 1872ff.). Er lässt Analogie zu und befürwortet die Vernichtung lebensunwerten Lebens (Binding, K./Hoche, A. Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, 1920, posthum).

Lit.: Köbler, DRG 204; Binding, K., Die Geschichte des burgundisch-romanischen Königreichs, 1868; Kaufmann, A., Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie, 1954; Westphalen, D., Karl Binding, 1989; Jerouschek, G., Carl Binding, JZ 2005, 514

Binnenmarkt ist der innere Markt, insbesondere der Markt innerhalb der sich aus der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (seit 1957) entwickelnden Europäischen Gemeinschaft und Europäischen Union (1992). In ihm gibt es keine Grenzen und Binnenzölle, während der Außenhandel mit Drittstaaten gemeinsam geregelt wird. In der Europäischen Union gelten Warenverkehrsfreiheit, Personenverkehrsfreiheit, Kapitalverkehrsfreiheit und Dienstleistungsverkehrsfreiheit.

Binnenschifffahrt ist die Schifffahrt auf den schiffbaren Binnenwasserstraßen. Sie geht bereits weit in die Zeit der alten Völker zurück, wobei nach römischem Recht alle größeren Flüsse als öffentliche Sachen (lat. [F.Pl.] res publicae) von jedem Bürger zu Schifffahrt benutzt werden dürfen. In dem Mittelalter ist die B. durch Zölle stark belastet. In dem 19. Jahrhundert sichern nach dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 und dem Wiener Kongress (1815) besondere Schifffahrtsakten die freie Schifffahrt (1821 Elbe, 1823 Weser, 1831/1868 Rhein, 1857/1948 Donau). In Deutschland ist die B. in der Gegenwart in einem besonderen Gesetz (1896) geregelt.

Lit.: Eckert, C., Rheinschifffahrt im 19. Jahrhundert, 1900; Rörig, F., Zur Rechtsgeschichte der Territorialgewässer, 1949; Wettstein, L., Die Schifffahrtsfreiheit auf dem Rhein, Diss. jur. Mainz 1963; Gerber, S., Die Ordnung auf den Wasserwegen, Diss. jur. Würzburg 1975; Kischel, D., Die Geschichte der Rheinschifffahrtsgerichtsbarkeit, 1990; Vortisch, O., Binnenschifffahrtsrecht, 4. A. 1991; Scherner, K., Handel, Wirtschaft und Recht in Europa, 1999

Biographie ist die Lebensbeschreibung eines Menschen. Aussagen über sich selbst (Autobiographien) begegnen in Griechenland seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. (Hesiod, Xenophon, Isokrates, Platon, Augustinus), wobei die Zeit um 300 v. Chr. für die griechische B. besonders wichtig ist. In dem deutschen Sprachraum entsteht seit der Mitte des 14. Jahrhunderts eine umfangreiche weltliche Autobiographik (z. B. Ulman Stromer, Nikolaus Muffel, Anton Tucher, Elias Holl, Karl IV.).

Lit.: Berschin, W., Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter, Bd. 1ff. 1986ff.; Varnhagen von Ense, K., Denkwürdigkeiten des eignen Lebens, hg. v. Feilchefeldt, K., Bd. 1ff. 1987; Rüthers, B., Geschönte Geschichten – geschonte Biographien, 2001, 2. A. 2015; Biographisches Lexikon zur Weltgeschichte, hg. v. Danckelmann, O., 2001; Sonnabend, H., Geschichte der antiken Biographie, 2002; Meisterdenker der Welt, hg. v. Grabner-Haider u. a., 2004; Biographisches Handbuch der deutschen Politik, bearb. v. Jahn, B., Bd. 1ff. 2004; Antike Autobiographien, hg. v. Reichel, M., 2005; Schmid, B., Schreiben für Status und Herrschaft, 2006; Hageneier, L., Jenseits der Topik, 2004; The Limits of Ancient Biography, hg. v. McGing, B. u. a., 2006; Handbuch Biographie, hg. v. Klein, C., 2009; Henning, E., Selbstzeugnisse, 2012; Etzemüller, T., Biographien, 2012; Life Writing and Political Memoir, hg. v. Brechtlen, M., 2012 (Sammelband)

Birkarecht (biaerkeraett, bjärköarätt) →Schonen, →Schweden

Bischof (griech. episkopos [M.] Aufseher) ist in der katholischen Kirche der Obere, der in einem bestimmten Teil der Kirche als Nachfolger der Apostel in Einheit mit dem Papst das höchste Amt ausübt. Er setzt sich als Leiter einer Gemeinde von Kleinasien aus allmählich durch und hat in dem 3. Jahrhundert auch das Amt als Richter inne, wobei zu innergemeindlichen Aufgaben auch weltliche Aufgaben kommen (lat. [F.] episcopalis audientia). Sein Sitz innerhalb seines Bistums ist grundsätzlich eine Stadt (lat. [F.] civitas). Ausgewählt wird er an sich durch Klerus und Volk, tatsächlich aber in dem Einzelfall von dem Vorgänger, durch das Priesterkollegium der Bischofskirche, durch die Gemeinde oder durch den Erzbischof. In dem fränkischen Frühmittelalter wird der B. wichtiger Berater des Königs, wird deshalb das Interesse des Adels an dieser Stellung geweckt und beginnt der König allmählich mit der Einbeziehung der Bischöfe in sein Herrschaftssystem durch Beauftragung der Bischöfe mit weltlichen Aufgaben, weshalb neben die Wahl durch Klerus und Volk die Einsetzung durch den König tritt (ottonisch-salisches Reichskirchensystem). In dem Investiturstreit (ab 1073) setzt die Kirche (1122) die Wahl durch Klerus und Volk durch. Bis 1215 wird das Domkapitel zu dem Wahlgremium. Danach tritt neben den B. der vor allem mit geistlichen Aufgaben betraute Weihbischof. In dem Reich, für dessen Gebiet sich zwischen 1198 und 2001 rund 5500 Diözesanbischöfe (und seit der frühen Neuzeit Weihbischöfe und Generalvikare) nachweisen lassen, wird der B. (seit dem Investiturstreit) geistlicher Reichsfürst (bis zu der Säkularisation 1803). In dem evangelischen Kirchenwesen verdrängt der Superintendent bis 1918 (teilweise) den B. Seit dem 19. Jahrhundert sind Staat und Kirche grundsätzlich getrennt, doch gewähren Konkordate (z. B. Österreich 1855, 1933) der Kirche noch verschiedene Einflussmöglichkeiten.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 56, 87, 115, 152; Friedberg, E., Der Staat und die Bischofswahlen in Deutschland, 1874, Neudruck 2013; Stutz, U., Der neuste Stand des deutschen Bischofswahlrechts, 1909; Feine, H., Die Besetzung der Reichsbistümer, 1921; Hofmeister, P., Bischof und Domkapitel, 1931; Claude, D., Die Bestellung der Bischöfe im merowingischen Reiche, ZRG KA 80 (1963), 1; Vescovi e diocesi, 1964; Ganzer, K., Papsttum und Bischofsbesetzungen, 1968; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Kaiser, R., Bischofsherrschaft, 1981; Scheibelreiter, G., Der Bischof in merowingischer Zeit, 1983; Die Bischöfe des Heiligen römischen Reiches, hg. v. Gatz, E., 1990; Landau, P., Der Papst und die Besetzung der Bischofsstühle, Z. f. ev. Kirchenrecht 37 (1992), 241; Bührer-Thierry, G., Évêques et pouvoir dans le royaume de Germanie, 1997; Die früh- und hochmittelalterliche Bischofserhebung im europäischen Vergleich, hg. v. Erkens, F., 1998; Die Bischöfe des Heiligen römischen Reiches, hg. v. Gatz, E., 2000; Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945-2001, hg. v. Gatz, E., 2002; Freund, S., Von den Agilolfingern zu den Karolingern, 2004; Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im heiligen römischen Reich 1648-1803, hg. v. Glatz, E., 2007; Norton, P., Episcopal Elections 250-600, 2007; Peltzer, J., Canon Law, Carrers and Conquest, 2008; Patzold, S., Episcopus - Wissen über Bischöfe, 2009; Christopher, P., L’élection des évêques, 2009; Thier, A., Hierarchie und Autonomie, 2011; Patterns of episcopal power, hg. v. Körntgen, L. u. a., 2011; Jégou, L., L’évêque, juge de pais, 2011; Braun, B., Princeps et episcopus, 2012; Bode, T., König und Bischof in ottonischer Zeit, 2015; Kritzinger, P., Ursprung und Ausgestaltung bischöflicher Repräsentation, 2016; Ideal und Praxis – Bischöfe und Bischofsamt im Heiligen römischen Reich 1570-1720, hg. c. Walter, P. u. a., 2019

Bismarck, Otto von (Schönhausen/Altmark 1. 4. 1815-Friedrichsruh 30. 7. 1898) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft (1832-1835) in Göttingen und Berlin und Tätigkeit in dem Staatsdienst Landwirt (1839) und 1849 für die Konservative Partei Mitglied der zweiten preußischen Kammer, Vertreter Preußens in dem Deutschen Bund (1851), Gesandter in Sankt Petersburg (1859) und Paris (1862) und an dem 23. 9./8. 10. 1862 preußischer Ministerpräsident. In dem Deutschen Bund setzt er sich für Preußen und damit gegen Österreich ein. Nach der Gründung des →Norddeutschen Bundes (1867) und des (zweiten) Deutschen Reiches (1871) wird er bis 20. 3. 1890 Reichskanzler (meist gleichzeitig Ministerpräsident und Außenminister Preußens) und betreibt eine Bündnispolitik (1879 Zweibund mit Österreich-Ungarn, 1882 zu dem Dreibund mit Italien erweitert, 1915 von Italien gekündigt). Besondere rechtliche Verdienste gewinnt er durch die Herstellung der Rechtseinheit in Deutschland und durch die Einführung der →Sozialversicherung. In dem Mittelpunkt seines Denkens und Handelns steht der von einem Erbmonarchen mit starker Bürokratie gelenkte Staat, nicht die Nationsidee.

Lit.: Köbler, DRG 171, 177, 183, 194; Meyer, A., Bismarcks Kampf mit Österreich, 1927; Kober, H., Studien zur Rechtsanschauung Bismarcks, 1961; Wehler, H., Bismarck und der Imperialismus, 1969; Gall, L., Bismarck, 1980; Engelberg, E., Bismarck, 1985; Pflanze, O., Bismarck, Bd. 1f. 1997f.; Krockow, C., Graf v., Bismarck, 1997; Thier, A., Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999; Otto von Bismarck und die Parteien, hg. v. Gall, L., 2001; Schmidt. R., Otto von Bismarck (1815-1898), 2004; Brunck, H., Bismarck und das preußische Staatsministerium 1862-1890, 2004; Otto von Bismarck im Spiegel Europas, hg. v. Hildebrand, K. u. a., 2006; Gall, L., Bismarck, Preußen und die nationale Einigung, HZ 285 (2007), 355; Althammer, B., Das Bismarckreich 1871-1890, 2008; Bismarcks Mitarbeiter, hg. v. Gall, L. u. a., 2009; Kolb, E., Bismarck, 2009; Haffer, D., Europa in den Augen Bismarcks, 2010; Thies, J., Die Bismarcks, 2013; Otto von Bismarck und die Wirtschaft, hg. v. Epkenhans, M. u. a., 2013; Kretschmann, C., Bismarck, 2014; Kraus, H., Bismarck, 2015; Nonn, C., Bismack, 2015; Bismarck, hg. v. Mayer, T., 2015; Bremm, K., 1866 – Bismarcks Krieg gegen die Habsburger, 2016; Otto von Bismarck und das „lange 19. Jahrhundert“, hg. v. Lappenküper, U., 2017; Lappenküper, U., Bismarck und Frankreich 1815 bis 1898, 2019; Lappenküper/Morgenstern, Überzeugungen, Wandlungen und Zuschreibungen, 2019

Bistum ist der kirchliche Herrschaftsbezirk des →Bischofs. Seit dem 12. Jahrhundert tritt ihm in dem Heiligen römischen Reich das weltliche Hochstift bis 1803/1806 zu der Seite. Neben dem Bischof steht in dem B. der Kathedralklerus (mit Archidiakon, Archipresbyter, Propst, Offizial, Generalvikar).

Lit.: Hinschius, P., Das System des katholischen Kirchenrechts, 1878; Gatz, E., Die Bistümer des Heiligen römischen Reiches, 2003; Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, hg. v. Gatz, E., 2005; Bistümer und Bistumsgrenzen, hg. v. Klueting, E. u. a., 2006

Bittleihe (lat. [N.] precarium) ist in dem römischen Recht die unentgeltliche, widerrufliche Gebrauchsüberlassung einer Sache. Sie ist kein Rechtsverhältnis und begründet keinen für eine Ersitzung ausreichenden Besitz, wohl aber Schutz gegenüber Dritten.

Bizone ist die Bezeichnung für den Zusammenschluss von amerikanischer und britischer Besatzungszone in Deutschland (1. 1. 1947-8. 4. 1949).

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Pünder, T., Das bizonale Interregnum, 1966; Hubert, G., Die Diskussion um die rechtliche Natur der Bizone, 1996

Bjärköarätt (N.) →Birkarecht, →Schonen, →Schweden

Blackstone, Sir William (London 10. 7. 1723-14. 2. 1780, aus Handwerker- und Kaufmannsfamilie) wird nach Studien in Oxford (als Fünfzehnjähriger 1738-1741) und einer Rechtsausbildung in Middle Temple in London 1746 Anwalt (barrister) in London, 1753 Dozent und 1758 Professor für englisches Recht in Oxford, (eigenes Netz wichtiger Kontakte, 1759 The Great Charter, 1761-1770 Unterhaus, Anhänger des Hauses Hannover, Gegner der Unabhängigkeit der amerikanischen Kolonien) 1763 solicitor general to the Queen, 1766 Anwalt in London und 1770 Richter (Court of common pleas). Seine vier, ihn als überzeugten Reformer ausweisenden Bände Commentaries on the Laws of England (1765-1769, in dem letzten Kapitel eine Geschichte der Entwicklung des englischen Rechtes) bieten (beeinflusst von Matthew →Hale, Burlamaquis, Pufendorf, Locke und Montesquieu) in klarer verständlicher Sprache und übersichtlicher Gliederung eine umfassende knappe Darstellung des englischen Verfassungsrechts, Vermögensrechts, Schuldrechts und Strafrechts bzw. Privatrechts, Staatsrechts, Prozessrechts und Strafrechts (common law und equity), die sich in Anlehnung an ein Werk Hales in Personen, Sachen, Delikte und Straftaten gliedert, früh in Göttingen und Frankreich bekannt wird und bis in das 21. Jahrhundert in dem angloamerikanischen Bereich von großer Bedeutung bleibt.

Lit.: ; Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 12 1938, 702ff.; Benser, R., Die Systematik des Privatrechts, 1938; Warden, L., The Life of Blackstone, 1938; Simmonds, N., Reason, History an Privilege – Blackstone’s Debt to Natural Law, ZRG GA 105 (1988), 200; Harman, C., Critical Commentaries on Blackstone, 2002; Blackstone and his Commentaries, hg. v. Prest, W., 2009; Prest, W., William Blackstone, 2009

Blasius de Morcono (in Morcone vielleicht zwischen 1283 und 1293 geboren, 1350 an Pest gestorben) ist der letzte Erläuterer des langobardischen Rechtes als eines lebenden Rechtes (Tractatus de differentiis inter ius Longobardorum et Romanorum, vielleicht zwischen 1323 und 1332 entstanden).

Lit.: Dom. Blasii de Morcono de differentiis inter ius Longobardorum et ius Romanorum tractatus, cura Abignente, J., 1912; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 513

Blasphemie ist die Lästerung des christlichen Gottes. Seit dem 13. Jahrhundert erscheint die B. auch in weltlichen Strafrechtstexten. Kirchliche wie weltliche Folgen sind vielfältig. In dem 20. Jahrhundert schwindet die Bedeutung.

Lit.: Volker, G., History of the Crime of Blasphemy, 1928; Schwerhoff, G., Blasphemie vor den Schranken der städtischen Justiz, Ius commune 25 (1998), 39; Cabatous, A., Geschichte der Blasphemie, 1999 (übersetzt von Wilczek, B.); Schwerhoff, G., Zungen wie Schwerter, 2005; Saint Victor, J. de, Blasphemie – Geschichte eines „imaginären Verbrechens“, 2017

Bleichgericht

Lit.: Das Chemnitzer Bleichgericht und die dortigen Bleichen vor 500 Jahren, ZRG GA 25 (1904), 345

Blendung (F.) ist das Ausstechen oder Ausbrennen eines Auges oder beider Augen. B. ist eine Leibesstrafe in Altertum und Mittelalter. Mit der Aufklärung wird sie beseitigt.

blickender Schein →Augenschein

Blijde Inkomst →Brabant

Blinder

Lit.: Laske, W., Zur Stellung des Blinden im Recht des Mittelalters, ZRG GA 97 (1980), 27; Krüger, J., Blindheit und Königtum, 1992

Blockade ist die Absperrung eines Gebiets von anderen Gebieten vor allem in dem Seekrieg (aus it. [F.] bloccata). 1584 verwenden die Holländer die B. als Kriegsmittel in dem Freiheitskampf gegen Spanien. Die Pariser Seerechtsdeklaration von dem 16. 4. 1856 und die nicht ratifizierte Londoner Deklaration von dem 26. 2. 1909 legen das Recht der B. fest, die Charta der Vereinten Nationen lässt die B als kollektive Zwangsmaßnahme zu.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Hogan, A., Pacific blockade, 1908; Schenk, R., Seekrieg und Völkerrecht, 1958; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007, §§ 42, 48

Blume des Sachsenspiegels (Di blume ubir der Sachsen spigel …) ist die in 8 bzw. 10 Handschriften überlieferte ungedruckte, ein Abecedar (Incipiunt regulae juris Ad decus …) enthaltende Bearbeitung der →Blume von Magdeburg durch Nikolaus →Wurm (um 1397).

Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 67; Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus Wurm, 1990

Blume von Magdeburg ist das von Nikolaus →Wurm an dem Ende des 14. Jahrhunderts (um 1390) nach dem Vorbild des Richtsteig Landrechts unter Benutzung des Sachsenspiegels und des Magdeburger Weichbilds verfasste, in zwei Teile gegliederte, in einer Handschrift überlieferte Werk, das Sachsenrecht (Weichbildrecht) und gelehrtes gemeines Recht (lat. [FPl.] leges und canones) verbinden will.

Lit.: Böhlau, H., Die Blume von Magdeburg, 1868; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 66; Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus Wurm, 1990

Bluntschli, Johann Kaspar (Zürich 7. 3. 1808-Karlsruhe 21. 10. 1881) wird nach dem Studium in Zürich, Berlin (1827-1829) und Bonn Gerichtsschreiber in Zürich (1830), dann Professor in Zürich (1836), München (1848) und Heidelberg (1861). Auf der Grundlage seiner Staats- und Rechtsgeschichte der Stadt und Landschaft →Zürich (1838/1839, 2. A. 1856) führt er das in Personenrecht, Sachenrecht, Obligationenrecht, Familienrecht und Erbrecht gegliederte Privatrechtliche Gesetzbuch für den Kanton Zürich zu einem Abschluss (1853-1855), das bis zu dem Zivilgesetzbuch von 1907/1911 (auch in Schaffhausen, Thurgau und Zug) gilt.

Lit.: Zürich, Privatrechtliches Gesetzbuch von Bluntschli, Johann Kaspar, Bd. 1ff. 1854ff., Briefwechsel Johann Kaspar Bluntschlis mit Savigny, Niebuhr, Leopold Ranke, Jakob Grimm und Ferdinand Meyer, hg. v. Oechsli, W., 1915; Vontobel, J., Die liberal-konservative organische Rechts- und Staatslehre Joh(ann) Caspar Bluntschlis, Diss. jur. Zürich 1954; Schmidt, S., Die allgemeine Staatslehre Johann Caspar Bluntschlis, 1968 (Diss.); Elsener, F., Die Schweizer Rechtsschulen, 1975; Affentranger, M., Besitz und Besitzschutz im Züricher Privatrechtlichen Gesetzbuch Johann Caspar Bluntschlis, 1987; Senn, M., Rassistische und antisemitische Elemente im Rechtsdenken von Johann Caspar Bluntschli, ZRG GA 110 (1993), 372; Röben, B., Johann Caspar Bluntschli, Francis Lieber und das moderne Völkerrecht 1861-1881, 2003; Cavallar, G., Johann Caspar Bluntschlis europäischer Staatenbund in seinem historischen Kontext, ZRG GA 121 (2004), 504; Metzner, C., Johann Caspar Bluntschli, 2009

Blut ist die das Leben von Wirbeltieren sichernde Körperflüssigkeit, auf die einzelne Rechtswörter (z. B. Blutbann, Blutrache, Blutschande) und Rechtsregeln (Das Gut fließt wie das B.) Bezug nehmen.

Lit.: Strack, H., Das Blut im Glauben und Aberglauben, 7. A. 1900; Schenda, R., Gut bei Leibe, 1998; Schury, G., Lebensflut, 2001

Blutbann ist die Zuständigkeit zu der Verhängung der Todesstrafe. →Hochgerichtsbarkeit

Blutrache ist die in dem älteren Recht erlaubte eigenmächtige Vergeltung einer Verletzung (Tötung) durch eine neue Verletzung (Tötung). Recht und Pflicht zu der B. bzw. Fehde oder Selbsthilfe verschwinden bis zu der Neuzeit. Das Wort Bluträcher begegnet erstmals bei Martin Luther in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.

Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 2; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Vlavianos, B., Zur Lehre der Blutrache, Diss. jur. München 1924; Zacharias, R., Die Blutrache im deutschen Mittelalter, Z. f. d. A. 91 (1962), 167 (Diss. phil. Kiel 1961); Miller, W., Bloodtaking and peacemaking, 1990; Diesselhorst, M., Die Fehde von Sichar und Chramnesind FS F. Wieacker, 1991, 187ff.; Het recht in eigen hand, Tijdschrift voor Geschiedenis 123 (2010), Nummer 2; Karauscheck, E., Fehde und Blutrache, 2011

Blutschande (Inzest) ist der Geschlechtsverkehr zwischen nahen (leiblichen) Verwandten, der sowohl in dem Alten Testament wie auch bei den Römern verboten ist. Von dem christlichen Einfluss wird das Frühmittelalter erfasst, das als Folge die Tötung, die Verknechtung, das Exil oder das Gefängnis kennt. Häufiger erscheint die B. an dem Ende des Mittelalters wohl unter dem Einfluss des römischen Rechtes (1507 [Constitutio Criminalis Bambergensis] Enthauptung). Eine Einschränkung auf die Verwandten und Verschwägerten aufsteigender und absteigender Linie bringt das preußische Strafgesetzbuch von 1851.

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 165f.; Siebert, M., Das Inzestverbot, Diss. jur. Berlin 1997

Bocksdorf, Dietrich (Theoderich) von (Zinnitz bei Calau um 1405 (bzw. um 1410)-Zeitz 9. 3. 1466, auch Bocksdorff) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig (1425, 1426 baccalaureus) und Perugia (1436/1437, Dr. iur. utr.) Professor des kirchlichen Rechtes in Leipzig (1443-1463) und 1463 Bischof von Naumburg. Er verfasst wissenschaftliche Arbeiten zu dem →Sachsenspiegel (Informaciones 1433, 1451, Sippschaftsregeln, Erbschaftsregeln, Remissorium, Weise des Lehnrechts), nicht dagegen die sog. Bocksdorfsche Erweiterung der Glosse zu dem Sachsenspiegel.

Lit.: Köbler, DRG 103; Distel, T., Eine Rechtsunterweisung Dittrich von Bocksdorfs, ZRG GA 4 (1833), 234; Kisch, G., Zur sächsischen Rechtsliteratur der Rezeptionszeit, Bd. 1 Dietrich von Bocksdorfs „Informaciones“, 1923; Verfasserlexikon, 2. A. Bd. 2 1980, 110 (Ulmschneider, H.); Wejwoda, M., Spätmittelalterliche Jurisprudenz zwischen Rechtspraxis, Universität und kirchlicher Karriere, 2012; Wejwoda, M., Sächsische Rechtspraxis und gelehrte Jurisprudenz, 2012; Wejwoda, M., Dietrich von Bocksdorf und seine Bücher, 2014

Bocksdorfsche Glosse ist die wohl von Tammo von →Bocksdorf nur in einzelnen Besserungen veränderte Erweiterung der buchschen Glosse des Sachsenspiegels.

Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 74

Bocksdorf, Tammo von (um 1385-nach 1460, wohl Onkel Dietrich von Bocksdorfs), verfasst nach dem Rechtsstudium in Prag als Domherr in Magdeburg 1426 ein →Remissorium zu dem Sachsenspiegel und vielleicht die Bocksdorfschen (lat. [F.Pl.]) additiones (Zusätze) zu der Sachsenspiegelglosse.

Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 74; Wejwoda, M., Spätmittelalterliche Jurisprudenz zwischen Rechtspraxis, Universität und kirchlicher Karriere, 2012

Böddeken

Lit. Probus, J., Cronica monasterii beati Meynulphi in Bodeken, hg. v. Rüthning, H., 2016

Bodenreform ist die Umwandlung von Großgrundeigentum in bäuerliche Betriebe in dem Anschluss an staatliche Umwälzungen teils liberalistischer, teils sozialistischer Zielsetzung (z. B. Sowjetunion 1929, 1945 sowjetische Besatzungszone).

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert, 121; Damaschke, A., Die Bodenreform, 1902; Hedemann, J., Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Teil 2 1930; Kippes, O., Die Bestrebungen der Bodenreform, 1933; Weißbuch über die „Demokratische Bodenreform“, hg. v. Kruse, J., 1988; Werner, J., Die Bodenreform, 1997; Oppenheimer, F., Großgrundeigentum und soziale Frage, 1998; Fikentscher, R./Schmuhl, B./Breitenborn, K., Die Bodenreform in Sachsen-Anhalt, 1999; Zahnert, D., Das Recht der Bodenreform der sowjetischen Besatzungszone, 2000; Kempen, B./Dorf, Y., Bodenreform 1945-1949, 2004; Die rechtsstaatliche Bewältigung der demokratischen Bodenreform, hg. v. Kempen, B., 2005; Küppers, J., Die wahre Wahrheit über die Bodenreform, 2014

Bodenregal ist das von dem König in dem Frühmittelalter grundsätzlich geltend gemachte →Regal an herrenlosem Grund und Boden, das sich in Frankreich erhalten (domaine public) und in Deutschland zu dem Aneignungsrecht des Staates (Fiskus) entwickelt hat.

Lit.: Köbler, DRG 90; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, § 27

Bodensee

Lit.: Stoffel, F., Die Fischereiverhältnisse des Bodensees, 1906; Münch, W., Das Fischereirecht des Bodensees im Mittelalter, Diss. jur. Graz 1943; Gönnenwein, O., Die Rechtsgeschichte des Bodensees, Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees 69 (1950); Der Bodensee, hg. v. Maurer, H., 1982

Bodin, Jean (Angers 1530?-Laon 1596), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium (1548) und einer Lehrtätigkeit in Toulouse 1561 Advokat an dem Parlament von Paris, 1571 Bediensteter des Herzogs von Alençon, 1576 Staatsanwalt in Laon und schließlich königlicher Prokurator. In seinem empirisch entwickelten, für die politische Festigung Frankreichs gedachten Hauptwerk (Les six livres de la République, 1576, Die sechs Bücher über die Republik) beschreibt er rationalistisch das auf der von Gott gegebenen Souveränität (Unteilbarkeit, Unbeschränktheit, Ständigkeit) aufbauende moderne Staatswesen, in dem der Souverän zu dem Erlass des Gesetzes (lat. [F.] lex) befugt ist, aber den göttlichen und natürlichen Gesetzen (lat. [N.] ius) unterliegt. Die Monarchie kann für B. den Religionsfrieden und die Staatsordnung bestmöglich wieder herstellen. Hexerei ist B. das schwerste Verbrechen (De la démonomanie des sorciers, 1580). Streitig ist, inwieweit B. den →Absolutismus begründet.

Lit.: ; Köbler, DRG 148f.; Fickel, G., Der Staat bei Bodin, 1934; Schmitz, A., Staat und Kirche bei Jean Bodin, 1939; Bodin, Jean, hg. v. Denzer, H., 1973; Goyard-Fabre, S., Jean Bodin et le droit de la république, 1989; Spitz, J., Bodin et la souveraineté, 1998; Couzinet, M., Jean Bodin, 2001; Mayer-Tasch, P., Jean Bodin, 2. A. 2011; Lloyd, H., Jean Bodin, 2017 (Standardwerk)

Bodman

Lit.: Bodman. Dorf, Kaiserpfalz, Adel, hg. v. Berner, H., 1977

Bodmann, Franz Josef (Groß-Aura 3. 5. 1754-Mainz 21. 10. 1820) wird nach dem Studium des Rechtes in Würzburg und Göttingen (Johann Stephan Pütter) 1780 außerordentlicher und 1783 ordentlicher Professor in Mainz und von 1807 bis 1814 Konservator der ehemals kurfürstlichen Bibliothek und Archivar. Er fälscht Quellen durch Änderung von Ort, Zeit und Namen (z. B. sog. Rheingauer Landrecht). Wegen dieser seit 1903 aufgedeckten Fälschungen sind alle nur durch ihn überlieferten Quellen verdächtig.

Lit.: Erler, A., Ingelheimer Urteile als Quellen Franz Josef Bodmanns, ZRG GA 69 (1952), 74ff., 77 (1960), 345ff.; Büttner, H., Zum Bodmann-Problem, HJB 74 (1955), 363ff.

Bodmerei ist die hochverzinste Beleihung eines Schiffes in der Form, dass mit seinem Verlust die Zahlungspflicht entfällt und die Rückzahlung von der sicheren Ankunft des Schiffes abhängt (seerechtliches Darlehen mit Gefahrtragung durch den Darlehensgeber, reine Sachhaftung). Der B. geht das griechisch-römische Seedarlehen voraus (lat. fenus [N.] nauticum), das möglicherweise durch indische oder babylonische Vorläufer beeinflusst ist. In dem Hochmittelalter wird auf Grund unbekannter Entwicklung die Verpfändung des der Seegefahr ausgesetzten Schiffes oder Schiffsteils (bodeme, Boden) vorausgesetzt (Rôles d’Oléron 2. H. 13. Jahrhundert, Lübeck 1387, 1418 Bodmereiverbot der Hanse, 1591 Zulassung). Später wird sie durch die Seeversicherung verdrängt und auf die Notbodmerei des Schiffes (durch den Kapitän in Notfällen) eingeschränkt (HGB 1897). Als Folge der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung wird die B. durch Gesetz von dem 21. 6. 1972 in dem Handelsgesetzbuch Deutschlands ganz aufgehoben.

Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Mathiass, B., Das foenus nauticum und die geschichtliche Entwicklung der Bodmerei, 1881; Schuster, S., Das Seedarlehen in den Gerichtsreden des Demosthenes, 2005

Böhmen ist das nach den keltischen Boiern (latinisiert Boiohaemum) benannte Land östlich des Bayerischen Waldes, in das seit dem 6. Jahrhundert Slawen eindringen. Seit 800 wird es christianisiert, wobei um 890 Herzog Boriwoi aus dem Geschlecht der →Przemysliden getauft wird. Von dem ottonischen König Heinrich I. wird B. unterworfen. In dem 10. Jahrhundert wird der bisher nicht sicher gedeutete Name Čechy (Tschechen) erwähnt. 973 wird für das zunächst kirchlich Regensburg unterstellte Gebiet das Bistum Prag, 975 das Bistum Olmütz gegründet und Mainz unterstellt. B. entwickelt sich zu einem Herzogtum (1085 Königstitel) in dem deutschen Reich (1114 Schenk, Reichserzschenk). Seit dem 12. Jahrhundert wandern deutsche Siedler in den Randgebieten und in den Städten ein. 1198/1212 wird B. als Königreich ähnlich wie →Österreich in dem Reich verhältnismäßig verselbständigt. Der Sachsenspiegel (1221-1224) zählt den König von B. zu den Kurfürsten, lässt ihn aber bei der Königswahl als Nichtdeutschen nicht wählen. Nach dem Aussterben der Babenberger in männlicher Linie in Österreich (1246) wird Ottokar II. aus der Familie der Przemysliden (um 1232-26. 8. 1278) 1251 mit Zustimmung der Stände Herzog von Österreich (1252 Heirat mit der mehr als 30 Jahre älteren Margarete von Babenberg, 1261 annulliert zwecks Heirat mit möglicher Erbin Ungarns) und 1253 als Nachfolger seines Vaters König von Böhmen. 1260 erzwingt er von Ungarn die Übergabe der Steiermark. 1269 erwirbt er nach einem Erbvertrag die Herzogtümer Kärnten und Krain. 1273 unterliegt er Rudolf von Habsburg bei der Wahl zu dem deutschen König. 1276 muss er auf seine Erwerbungen verzichten und Böhmen und Mähren von Rudolf von Habsburg als Reichslehen nehmen. An dem 26. 8. 1278 wird er bei dem Versuch der gewaltsamen Rückgewinnung dieser Güter in der Schlacht von Dürnkrut (Marchfeld) getötet, wodurch Österreich als Reichslehen wieder frei wird. 1306 sterben die Przemysliden aus (1307 Habsburg, 1311 Luxemburg, 1438-1457 Habsburg). 1314 gewinnt Johann von Luxemburg als König von B. das Nichtappellationsprivileg. Die Markgrafschaft Mähren und Fürstentümer in Schlesien werden angegliedert. 1344 wird Prag Erzbistum. 1348 erhält die Stadt eine Universität. Kaiser Karls IV. Plan eines böhmischen Landrechts (→Maiestas Carolina) scheitert 1355. !356 betrifft die Goldene Bulle auch das Kurfürstentum B. 1415 wird der tschechische Religionserneuerer Jan Hus hingerichtet. In dem 15. Jahrhundert wird B. zu der Adelsherrschaft. 1495 entsteht mit den Neun Büchern über die Rechtsordnung des Landes Böhmen das bedeutendste Werk der tschechischen spätmittelalterlichen Rechtswissenschaft. 1526 ernennt der Adel Ferdinand I. von Österreich auf Grund von Erbansprüchen zu dem König. 1527 gründet Ferdinand I. auf Drängen der böhmischen Stände eine böhmische Hofkanzlei. 1547 wird das Königreich B. für Habsburg erblich und verselbständigt sich danach mehr und mehr von dem Reich. 1564 wird eine Landesordnung erlassen, die nach Niederschlagung der mit dem Prager Fenstersturz (1618) verbundenen Reformationsbewegung (1620, Winterkrieg, Schlacht an dem Weißen Berg, Verlegung der böhmischen Hofkanzlei nach Wien) 1627 absolutisierend als (v)erneuerte Landesordnung umgestaltet wird. In beachtlichem Umfang wird römisch-kanonisches Recht aufgenommen. In dem 17. Jahrhundert versucht Österreich eine Zentralisierung. 1707 wird Böhmen in die Halsgerichtsordnung Josephs I. von 1707 einbezogen. Maria Theresia hebt die böhmische Hofkanzlei 1748/1749 auf (Directorium in publicis et cameralibus). 1761 entsteht die böhmisch-österreichische Hofkanzlei für die innere Verwaltung der böhmischen und österreichischen Erbländer. Joseph II. beseitigt die Leibeigenschaft in Böhmen, Mähren und Schlesien. 1812 wird das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs auch in B. in Kraft gesetzt. An dem 8. 4. 1848 verspricht der österreichische Kaiser Ferdinand I. eine eigene Verfassung (Böhmische Charte), bezieht B. aber tatsächlich in die Geltung der pillersdorfschen Aprilverfassung ein. Die böhmisch-österreichische Hofkanzlei wird zu dem Innenministerium. 1918 löst sich das Kronland (Cisleithaniens) B., wie seit 1848 gefordert, in der →Tschechoslowakei von Österreich. An dem 15. 3. 1939 errichtet das Deutsche Reich ein mit dem Ende des zweiten Weltkriegs beseitigtes Protektorat Böhmen und Mähren. Zu dem 1. 1. 1993 teilt sich die in dem zweiten Weltkrieg aufgeteilte, danach wiederhergestellte Tschechoslowakei in die Tschechische Republik (Tschechien) und in die Slowakei auf.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 95, 109, 129; Palacky, F., Geschichte Böhmens, Bd. 1ff. 1836ff.; Rössler, E., Deutsche Rechtsdenkmäler aus Böhmen und Mähren, 1845ff.; Schmidt von Bergenhold, J., Geschichte der Privatrechtsgesetzgebung und Gerichtsverfassung, 1866; Codex juris municipalis regni Bohemiae, 1886; Werunsky, E., Die Maiestas karolina, ZRG GA 9 (1888), 64; Werunsky, E., Der Ordo iudicii terre Boemie, ZRG GA 10 (1889), 98; Grünberg, C., Die Bauernbefreiung in Böhmen, Bd. 1 1895; Lippert, J., Sozialgeschichte Böhmens in vorhussitischer Zeit, 1896ff.; Schreuer, H., Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte der böhmischen Sagenzeit, 1901; Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae, hg. v. Friedrich, G. u. a., Bd. 1ff. 1904ff.; Bretholz, B., Geschichte Böhmens und Mährens, 1912; Köster, A., Die staatlichen Beziehungen der böhmischen Herzöge und Könige zu den deutschen Kaisern, 1912; Stieber, M., Böhmische Staatsverträge, 1912; Zycha, A., Über den Ursprung der Städte in Böhmen, 1914; Peterka, O., Rechtsgeschichte der böhmischen Länder, Bd. 1f. 1923ff., Neudruck 1965; Perels, E., Zur Geschichte der böhmischen Kur, ZRG GA 45 (1925), 83; Weizsäcker, W., Die Fremden im böhmischen Landrechte, ZRG GA 45 (1925), 206; Weizsäcker, W., Nárok und sok im böhmisch-mährischen Landrecht, ZRG GA 53 (1933), 300; Stanka, R., Die böhmischen Konföderationsakte von 1619, 1932; Diels, P./Koebner, R., Das Zaudengericht in Böhmen, Mähren und Schlesien, 1935; Schubart-Fikentscher, G., Die Verbreitung der deutschen Stadtrechte in Osteuropa, 1942; Wegener, W., Die Přemysliden, 1957; Klabouch, J., (Die Rechtslehren des Aufklärungszeitalters in den böhmischen Ländern), 1958; Wegener, W., Böhmen/Mähren und das Reich im Hochmittelalter, 1959; Das böhmische Staatsrecht in den deutsch-tschechischen Auseinandersetzungen des 19. und 20. Jahrhunderts, hg. v. Birke, E. u. a., 1960; Nový, R., Libri civitatum Bohemiae, 1963; Markov, J., Das landrechtliche Gerichtsverfahren in Böhmen und Mähren bis zum 17. Jahrhundert, ZRG GA 83 (1966), 144; Cultus pacis, hg. v. Vaněček, V., 1966; Siedlung und Verfassung Böhmens in der Frühzeit, hg. v. Graus, F./Ludat, H., 1967; Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder, hg. v. Bosl, K., Bd. 1ff. 1967ff.; Russocki, S., Protoparlamentaryzm Czech do początku XV wieku (Der Protoparlamentarismus Böhmens bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts), 1973; Procházka, R. Frhr. v., Genealogisches Handbuch erloschener böhmischer Herrenstandsfamilien, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,429; Hlavaček, I. u. a. Nichtbohemikale Originalurkunden in den böhmischen Ländern, 1977; Eberhard, W., Konfessionsbildung und Stände in Böhmen 1478-1530, 1981; Sasse, B., Die Sozialstruktur Böhmens in der Frühzeit, 1982, Hassenpflug-Elzholz, E., Böhmen und die böhmischen Stände, 1982; Prinz, F., Böhmen im mittelalterlichen Europa, 1984; Eberhard, W., Monarchie und Widerstand, 1985; Hoensch, J., Geschichte Böhmens, 3. A. 1997; Seltenreich, R., Das römische Recht in Böhmen, ZRG GA 110 (1993), 496; Čechura, J., Die Struktur der Grundherrschaften im mittelalterlichen Böhmen, 1994; Rentzow, L., Die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Vernewerten Landesordnung für das Königreich Böhmen von 1627, 1998; Kadlecová, M., Verneuerte Landesordnungen, ZRG GA 120 (2003), 150; Begert, A., Böhmen, die böhmische Kur und das Reich, 2003; Himl, P., Die armben Leüte und die Macht, 2003; Malý, K., Die böhmische Konföderationsakte und die verneuerte Landesordnung, ZRG GA 122 (2005), 285; Untertanen, Herrschaft und Staat in Böhmen und im alten Reich, hg. v. Cerman, M. u. a., 2005; Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005; Votypka, V., Böhmischer Adel, 2007; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 973; Kejř, J., Die mittelalterlichen Städte in den böhmischen Ländern, 2010; Schelle, K., Recht und Verwaltung im Protektorat Böhmen und Mähren, 2009; Böhmen und das Deutsche Reich, hg. v. Schlotheuber, E. u. a., 2009; Rechtswissenschaft in Osteuropa, hg. v. Pokrovac, Z., 2010; Höbelt, L., Böhmen, 2012; Religion und Politik im frühneuzeitlichen Böhmen - Der Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. von 1609, hg. v. Hausenblasová, J. u. a., 2014; Deutschland und das Protektorat Böhmen und Mähren, hg. v. Mund, G., 2014; Grant, J., For the Common Good. The Bohemian Land Law and the Beginning of the Hussite Revolution, 2015; Wewer, H., Postalische Zeugnisse zur deutschen Besatzungsherrschat im Protektorat Böhmen und Mähren, 2018; Kalhous, D., Bohemi – Prozesse der Identitätsbildung in frühpřemyslidischen Ländern (bis 1200), 2018

Böhmer, Johann Friedrich (Frankfurt am Main 22. 4. 1795-Frankfurt am Main 22. 10. 1863), begüterter Kanzleidirektorssohn, wird nach dem Studium des Rechtes in Heidelberg und Göttingen (1817 Promotion), Privatgelehrter, Stadtarchivar und Stadtbibliothekar in Frankfurt am Main, als welcher er das Urkundenbuch Frankfurts (Codex Diplomaticus Moeno-Francofurtanus), deutsche Kaiserurkunden und die (lat. [N.Pl.] Regesta imperii (1831ff.) herausgibt.

Lit.: Jansen, J., Böhmers Leben, 1863; Kleinstück, E., Johann Friedrich Böhmer, 1959; Frankfurter Biographie 1, 1994, 84ff.

Böhmer, Justus Henning (Hannover 29. 1. 1674-Halle 23. 8. 1749) wird nach dem Studium in Jena (1693-1695) Anwalt in Hannover und Hofmeister, seit 1698 Lizentiat in Halle, dann 1701 außerordentlicher und 1711 ordentlicher Professor. Hier verfasst er 1704 das beste Lehrbuch des römischen Rechtes in dem 18. Jahrhundert ([lat.] Introductio [F.] in ius digestorum, Einführung in das Recht der Digesten, 14. A. 1791), 1710 eine Einführung in das allgemeine öffentliche Recht bzw. Staatsrecht (lat. Introductio [F.] in ius publicum universale) und 1714-1737 eine umfassende geschichtlich-dogmatische Gesamtdarstellung des protestantischen Kirchenrechts ([lat.] Ius [N.] ecclesiasticum protestantium, z. T. 5. A. 1756ff.). Er präsidiert 139 Dissertationen, die mit der Einschränkung des Vorrangs protestantischer Bekenntnisschriften auch der Übertragung des (lat.) modernus usus (M.) pandectarum auf das Kirchenrecht dienen. Sein zivilrechtliches Werk umfasst 175 Titel in 50 Bänden.

Lit.: ; ; Köbler, DRG 144, 159; Rütten, W., Das zivilrechtliche Werk Justus Henning Böhmers, 1981; Landau, P., Kanonistischer Pietismus bei Justus Henning Böhmer, (in) Vom mittelalterlichen Recht zur neuzeitlichen Rechtswissenschaft, 1994, 317; Wall, H. de, Zum kirchenrechtlichen Werk Justus Henning Böhmers, ZRG G‚KA 87 (2001), 455ff.; Schulze, R., Justus Henning Böhmer und die Dissertationen seiner Schüler, 2009

Boissonade de Fontarabie, Gustave Emile (1825-1910), nach dem Rechtsstudium seit 1864 Lehrer des römischen Rechtes in Grenoble und 1867 Paris, wechselt 1873 nach →Japan, wo er als Berater der Regierung französisches Recht lehrt und 1880 ein Strafgesetzbuch und eine Strafprozessordnung sowie 1890 einen nicht Gesetz gewordenen Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs erarbeitet.

Lit.: Carbonnier, J. u. a., Boissonade et la réception du droit français au Japon, Revue internationale du droit comparé 43 (1991), 327

Bologna ist die auf etruskischen und römischen Grundlagen ruhende Hauptstadt der oberitalienischen Landschaft Emilia an dem südöstlichen Rand der Po-Ebene, die sich seit 1115 von den von dem deutschen König eingesetzten Grafen von B. zu lösen vermag (und aus der für das elfte Jahrhundert 478 Urkunden und für die Zeit bis 1150 etwa 1300 städtische Urkunden erhalten sind). In B. wird vielleicht auf der Grundlage einer in dem 11. Jahrhundert bezeugten Artistenschule und wegen des Wissensbedarfs zahlreicher Notare und Investitoren (1057) als Rechtsschule (lat. [N.] studium) eine der ältesten Universitäten Europas gegründet. Ihr bekanntester Lehrer ist (nach Albertus [1067], Arianus, Geminianus und Pepo) zunächst →Irnerius mit der von ihm geprägten Schule der →Glossatoren (Bulgarus, Martinus, Jacobus, Hugo und viele andere bis Accursius). Um 1140 kommt das Studium des kirchlichen Rechtes hinzu. Die fremden Studenten gründen an dem Ende des 12. Jahrhunderts als Mehrheit aus zwei (lat. [F.Pl.]) universitates eine →universitas. Ihre Zahl wird zu dieser Zeit auf etwa 1000 beziffert. Bruchstücke von Statuten der Universität sind aus dem Jahre 1252 überliefert. Zwischen 1265 und 1425 lassen sich rund 3600 deutsche, fast ausschließlich geistliche Rechtsstudenten in B. nachweisen (durchschnittlich 23 Erstnennungen je Jahr mit rückläufiger Tendenz).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 106, 159; Fitting, H., Die Anfänge der Rechtsschule von Bologna, 1888; Dallari, U., I Rotuli dei lettori, legisti e artisti dello studio bolognese dal 1384 al 1799, 1888ff.; Knod, G., Deutsche Studenten in Bologna (1289-1562), 1899; Schelb, W., Staatsverwaltung und Selbstverwaltung, 1911; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 39; Zanella, G., Bibliografia (in) Studi e memorie per la storia dell’università di Bologna N. S. 5, 1985; Wandruszka, N., Die Oberschichten Bolognas, 1993; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Schmutz, J., Juristen für das Reich, 2000; Le carte bolognesi del secolo XI, a cura di Feo, G., 2001; Soetermeer, F., Utrumque ius in peciis, 2002; Le carte bolognesi del secolo XI, Appendice hg. v. Modesti, M., 2005; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 32; Bologna nel Medioevo, hg. v. Capitani, O., 2007; Behle, T., Der Magister Walfred von Bologna, 2008; Wray, S., Communities and Crisis, 2009; Blanshei, S., Politics and Justice in Late Medieval Bologna, 2010; I libri iurium del comune di Bologna, hg. v. Trombetti Budriesi, A. u. a., 2010; Bologna e il secolo XI, hg. v. Roversi Monaco, F., 2011

Bolschewismus ist die bis etwa 1953 übliche Bezeichnung des Kommunismus in der Sowjetunion (zu Bolschewiki, russ., Mehrheitler).

Lit.: Köbler, DRG 226; Lösche, P., Der Bolschewismus im Urteil der deutschen Sozialdemokratie, 1967; Rogalla von Bieberstein, J., Jüdischer Bolschewismus, (2. A.) 2010

Bonae-fidei-iudicium (lat. [N.], Klage nach Treu und Glauben) ist in dem klassischen römischen Recht die nach der →Billigkeit beurteilte freiere Klage bzw. das freier beurteilte Schuldverhältnis (z. B. Kauf, Miete, Leihe, Pacht, Dienstvertrag, Werkvertrag, Gesellschaft, Auftrag, Geschäftsführung ohne Auftrag, Verwahrung, Bruchteilsgemeinschaft [lat. fiducia], Vormundschaft bzw. Tutel, Treuhandschaft, Mitgiftrückgabe, Pfand, Innominatkontrakt). Bei einem b. ist zu leisten, was nach guter Treue (lat. ex fide bona) geschuldet wird. Für die diesbezügliche Feststellung hat der (lat.) iudex (Richter) auf Grund der Klagformel des Gerichtsmagistrats einen Ermessensspielraum. Er muss Nebenpflichten aus Abreden, Schutzpflichten und Treuepflichten beachten und Arglist auch ohne Einrede des Beklagten berücksichtigen. Der Gegensatz zu dem b. ist das (lat.) iudicium (N.) stricti iuris (strengrechtliche Klage, z. B. →condictio).

Lit.: Kaser § 33; Wieacker, F., Zum Ursprung der bonae-fidei-iudicia, ZRG RA 80 (1963) 1; Honsell, H., Quod interest im bonae-fidei-iudicium, 1969; Platschek, J., Zur Rekonstruktion der bonae fidei iudicia, ZRG RA 127 (2010), 275

Bona fides (lat. [F.] gute Treue) ist in dem klassischen römischen Recht zunächst die Pflicht zu dem Worthalten und danach ein Maßstab, nach dem der Richter das betreffende Rechtsverhältnis zu beurteilen hat. Für den Inhalt des Schuldverhältnisses findet dabei neben der formlosen Vereinbarung auch die Verkehrssitte Anwendung. Bei der Ersitzung ist b. f. (Gutgläubigkeit hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Erwerbs) des Erwerbers ([lat.] bonae fidei possessor [M.]) in dem Zeitpunkt des Erwerbs nötig ([lat.] mala fides superveniens non nocet, nachträgliche Bösgläubigkeit schadet nicht).

Lit.: Kaser § 33; Söllner §§ 8, 9, 12, 18; Köbler, DRG 40, 42; Köbler, LAW; Lombardi, L., Dalla fides alla bona fides, 1961; Hausmaninger, H., Die bona fides des Ersitzungsbesitzers im klassischen römischen Recht, 1965

Bonaparte (Buonaparte) s. Napoleon

Bonellus de Barulo, Andreas ist ein wohl vor 1250 in Barletta bei Bari geborener, vor oder nach 1291 verstorbener neapolitanischer Jurist ([lat., N. Pl.] Commentaria super postremis libris codicis, commentaria in leges Longobardorum, Glossen zu den constitutiones Siculae).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 502

Bönhase ist seit dem 15. Jahrhundert die in dem Mittelniederdeutschen entstandene Bezeichnung für den unzünftigen, bereits vereinzelt seit dem 14. Jahrhundert von den Zünften bekämpften Handwerker (wie ein Hase auf dem Boden arbeitend?, heimlich auf dem Dachboden arbeitend?, außerhalb der „Hanse“ arbeitend?).

Lit.: Wissell, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, 1928, 2. A. 1981; Ennen, R., Zünfte und Wettbewerb, 1971

Boni homines (lat. [M.Pl.], Sg. bonus homo) oder auch (lat.) probi homines (M.Pl., frz. prud’hommes) sind (in Frankreich, Spanien, Italien, dem Alpenraum und dem späteren Heiligen römischen Reich) in dem Frühmittelalter (seit Anfang des 7. Jahrhunderts) und bis ins 13. Jahrhundert Zeugen, Gerichtsbeisitzer, Schätzer oder Vermittler, die Freiheit, guten Leumund sowie meist Grundeigentum und Ansässigkeit als Voraussetzung ihrer jeweiligen Tätigkeit erfüllen, aber sich nicht einem bestimmten Stand zuweisen lassen und kein bestimmtes Amt haben. Seit Ende des 12. Jahrhunderts treten sie in den oberitalienischen Städten als Vertreter der Konsuln auf.

Lit.: Köbler, LAW; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines des frühen Mittelalters, 1981

Bonifatius bzw. Wynfreth (Wessex 672/675-bei Dokkum 5. 6. 754), aus niederem Adel, in dem Kloster Exeter erzogen, wird zunächst Lehrer und 718 Missionar in dem fränkischen Reich. In Rom an dem 30. 11. 722 zu einem Bischof geweiht, missioniert er unter einem Schutzbrief Karl Martells von 723 bis 732 in Thüringen und Hessen (u. a. Fällung der Donareiche bei Geismar und Gründung der Zelle Fritzlar). 732 wird er Erzbischof ohne besonderen Sitz, 737/738 Legat für Germanien. 738/739 erneuert er die Bistümer Regensburg, Passau, Salzburg und Freising. 741/742 gründet er die Bistümer Würzburg, Büraburg und Erfurt (später Eichstätt), 744 das Kloster Fulda. 754 wird er in Friesland erschlagen.

Lit.: Schieffer, T., Winfrid-Bonifatius, 2. A. 1972; Schipperges, S., Bonifatius ac socii sui, 1996; Padberg, L. v., Bonifatius, 2003; Heidrich, I., Fälschung aus gelehrtem Eifer, DA 67 (2011), 625; Clay, J., In the Shadow of Death, 2010

Bonifatius VIII (Benedetto Caetani, Anagni um 1235-Rom 11. 10. 1303) wird nach dem Studium vermutlich des kirchlichen Rechtes in Todi, Spoleto und Bologna an dem 23. 1. 1295 Papst. 1298 lässt er die päpstlichen Dekretalen ab 1234 in dem (lat.) Liber (M.) sextus decretalium (sechsten Buch der Dekretalen) zusammenfassen. In der Dekretale (lat.) Unam sanctam (eine heilige) von dem 18. 11. 1302 fordert er die Unterordnung der weltlichen Gewalt unter den Papst, wird aber an dem 7. 9. 1303 in Anagni verhaftet.

Lit.: Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Schmidt, T., Der Bonifaz-Prozess, 1989; Politische Reflexion der Welt des späten Mittelalters, hg. v. Kaufhold, M., 2004, 129ff.

bonitarisch auf (lat.) in bonis esse, „in den Gütern sein“ beruhend, in Gegensatz zu zivil (z. B. die in dem römischen Recht durch bloße Übergabe einer mancipium-Sache statt Manzipation seitens des Eigentümers erlangte, von dem Prätor geschützte Stellung des Erwerbers)

Bonn (Bonna 12-9 v. Chr.) an dem Rhein gegenüber der Einmündung der Sieg ist ein auf keltisch-römischer Grundlage entstandener Ort, der in dem 11. Jahrhundert (von den Ezzonen) an das Erzstift →Köln gelangt. In dem 16. Jahrhundert wird er dessen Hauptort und erhält 1777/1786 eine 1797 aufgehobene, 1815/1816 jedoch wiedererrichtete Universität, in der 1928 die Staatswissenschaften fast vollständig aus der philosophischen Fakultät in die juristische Fakultät übergeführt werden. Von dem 1. 9. 1948 bis 23. 5. 1949 tagt in B. der Parlamentarische Rat zu der Vorbereitung der Bundesrepublik Deutschland, weshalb das →Grundgesetz auch als Bonner Grundgesetz bezeichnet wird. 1949 wird B. bis zu dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zu der Bundesrepublik Deutschland (1990) vorläufige Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wiedemann, A., Geschichte Godesbergs und seiner Umgebung, 1920; Niessen, J./Ennen, E., Geschichte der Stadt Bonn, 1956ff.; Eisenhardt, U., Die weltliche Gerichtsbarkeit der Offizialate, 1966; Hübinger, P., Das historische Seminar, 1963; Schäfer, K., Verfassungsgeschichte der Universität Bonn 1818 bis 1960, 1969; Meier, J., Der Rechtsunterricht an den Universitäten Köln und Bonn, Diss. jur. Köln 1987; Geschichte der Stadt Bonn, hg. v. Höroldt, D. u. a., 1989ff.; 150 Jahre Landgericht Bonn, hg. v. Fassbender, H., 2000; Die Juristen der Universität Bonn im Dritten Reich, hg. v. Schmoeckel, M., 2004; 75-Jahr-Feier der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät, 2004; Schmoeckel, M. u. a., Stätten des Rechts in Bonn, 2004; Schmoeckel, M., Das Juridicum, 2016; Schadow, S., Rechtswissenschaft und praktische Bedürfnisse – Johann Christian Hasse 1779-1830, 2016; Sachsse, R., Bonn, 2016 (Fotografien 1850-1970)

Bonorum possessio (lat. [F.] Güterbesitz, Nachlassbesitz) ist in dem klassischen römischen Erbrecht die Stellung, die der →Prätor auf Antrag dem zuweist, den er in dem Fall des Todes eines Erblassers für wahrscheinlich berechtigt hält. Der damit erreichte Schutz und die damit gewonnene Zuständigkeit für den Bereich des prätorischen Rechtes können sich durch Ersitzung in Eigentum nach zivilem Recht wandeln.

Lit.: Kaser §§ 65, 71, 73; Söllner § 25; Köbler, DRG 38; Ankum, H. u. a., Die verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks in bonis alicuius esse, ZRG RA 107 (1990), 155

bonum (N.) commune (lat) gemeines Wohl, Allgemeinwohl

bonus homo →boni homines

Boppard

Lit.: Heyen, F., Reichsgut im Rheinland, 1956

Borgarthingsbók ist ein norwegisches Rechtsbuch. →nordisches Recht

Lit.: Bruchstücke der Rechtsbücher des Borgarthings und des Eidsivathings, hg. v. Meißner, R., 1942

Börse (zu lat. [F.] bursa, Beutel, Kasse?) ist die regelmäßig an einem bestimmten Ort stattfindende, nur von Kaufleuten besuchte Veranstaltung zu dem Zweck des Abschlusses von Gattungskäufen vertretbarer Sachen. Geldbörsen entstehen seit dem 12. Jahrhundert in Oberitalien und Südfrankreich, eine Warenbörse ohne anwesende Waren ist in Antwerpen um 1500 bezeugt. Wichtige Börsen bestehen in Antwerpen, Lyon, Amsterdam, Paris, London, Frankfurt am Main, Berlin und Wien, später auch in New York oder Tokio. 2012 untersagt die Europäische Kommission die Verbindung von Deutscher Börse und New York Stock Exchange.

Lit.: Deutsche Börsengeschichte, hg. v. Pohl, H., 1992; Blumentritt, J., Die privatrechtlich organisierte Börse, 2003

Börsengesetz ist das an dem 22. 6. 1896 geschaffene, das Recht des Wertpapierhandels an der Börse (Vorformen in dem 15. Jahrhundert in Sevilla, Cadiz und Lissabon [16. Jahrhundert]) regelnde deutsche Gesetz.

Lit.: ; Meier, J., Die Entstehung des Börsengesetzes, 1992; Schulz, W., Das deutsche Börsengesetz, 1994

Bösgläubigkeit ist das Wissen oder grobfahrlässige Nichtwissen um einen rechtlich bedeutsamen Umstand. →guter Glaube

Bosnien ist die östlich der mittleren Adria gelegene Landschaft, die 9 n. Chr. von den Römern erobert wird (Dalmatia) und bei der Reichsteilung des 4. Jahrhunderts an Ostrom gelangt. Zu Beginn des 7. Jahrhunderts siedeln sich Südslawen an. Das dort entstehende Königreich (1377) gerät mit Herzegowina 1463/1482 durch Eroberung unter die Herrschaft der Osmanen. Seit 1878 erlebt B. unter dem Einfluss (Besetzung und Verwaltung) Österreichs (1883 HGB, ZPO, Wechselgesetz u. a.) einen Aufschwung. 1908 wird B. von →Österreich-Ungarn annektiert und als weitere pragmatische Angelegenheit von Österreich und Ungarn gemeinsam verwaltet (1909 von der Türkei anerkannt). 1918 wird es Teil →Jugoslawiens (1941-1945 Kroatiens). Nach der Erklärung der Souveränität (1992) und einem Bürgerkrieg wird es 1995/1996 als Bosnien-Herzegowina (zwischen Kroatien, Serbien, Monenegro und Adria, 4,3 Millionen Einwohner, 51129 Quadratkilometer, bosniakisch-kroatische Föderation und serbische Republik) verselbständigt.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,332; Balic, S., Das unbekannte Bosnien, 1992; Dzaja, S., Bosnien-Herzegowina, 1994; Bär, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Babouna, A., Die nationale Entwicklung der bosnischen Muslime, 1996; Haselsteiner, H., Bosnien-Hercegovina, 1996; Lovrenovic, I., Bosnien und Herzegowina, 1998; Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2001; Gabriel, K., Bosnien-Herzegowina 1878, 2003; Classen, L., Der völkerrechtliche Status von Bosnien-Herzegowina, 2004; Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005; Konflikt und Koexistenz, hg. v. Simon, T., 2017

Bote (lat. [M.] nuntius) ist ein Mensch, der für einen anderen ohne eigene Willensbildung eine Erklärung (wie ein Brief) empfängt oder abgibt.

Lit.: Kaser § 11; Kroeschell, DRG 2

Bourbone ist der nach Bourbon-l’Archambault in dem heutigen Departement Allier benannte Angehörige einer durch Graf Ludwig I. von Clermont (1270-1342, 1327 Herzog von Bourbon) begründeten Seitenlinie der →Kapetinger. Die jüngere Linie Bourbon-Vendôme erlangt von 1589 bis 1792 und von 1814 bis 1830 bzw. in der 1660 abgespaltenen Nebenlinie Orléans von 1830 bis 1848 das Königtum in →Frankreich. In Spanien wird die Linie Bourbon-Anjou 1700 Königsgeschlecht (ausgenommen 1808-1814, 1868-1875, 1931-1975). Sie herrscht auch von 1735 bis 1860 in Neapel-Sizilien sowie von 1748 bis 1802 und von 1847 bis 1859/1860 in Parma-Piacenza.

Lit.: Legual, A., Histoire du Bourbonnais, 1960; Malettke, K., Die Bourbonen 1589-1848, Bd. 1ff. 2008f.

Bourges ist die auf keltischen Grundlagen (Avaricum) beruhende zentralfranzösische Stadt an dem Zusammenfluss von Yèvre und Auron. Ihre Universität ist zu Beginn des 16. Jahrhunderts Ausgangspunkt des →mos Gallicus (lat. [M.], gallische Art) der Rechtswissenschaft. →Budé

Lit.: Devailly, G. u. a., Histoire du Berry, 1980

Boutillier, Jehan (Pernes/Pas-de-Calais vor 1350-Tournai [vor?] 24. 1. 1396) verfasst als Berater des französischen Königs in Nordfrankreich (Tournai) wohl kurz vor 1396 das (französische) Rechtsbuch →Somme rural.

Lit.: Köbler, DRG 143; Dievoet, G. van, Jehan Boutillier en de Somme rural, 1951

Boykott ist die nach dem englischen Gutsbesitzer Charles Boycott (Irland 1880) benannte Ablehnung aller Rechtsbeziehungen zu einem möglichen Vertragspartner, dem dadurch die Möglichkeit zu der Teilnahme an dem Rechtsverkehr abgeschnitten wird.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Ahlheim, H., Deutsche, kauft nicht bei Juden, 2011

Boyneburg

Lit.: Diehl, T., Adelsherrschaft im Werraraum, 2010; Eckhardt, W., Reichsministerialen der Boyneburg, ZRG GA 129 (2012), 377

Bozen

Lit.: Die Bozner Handelskammer vom Merkantilmagistrat bis zur Gegenwart, 1981; Das Urbar des Heilig-Geist-Spitals zu Bozen von 1420, bearb. v. Schneider, W., 2003; Obermair, H., Bozen Süd – Bolzano Nord. Schriftlichkeit und urkundliche Überlieferung, Bd. 1 2005

Brabant ist das aus dem fränkischen Gau Bracbantum in dem Nordwesten (um Brüssel) unter den Grafen von Löwen (um 1188 Herzöge von B.) entstandene, sich von dem Reich verselbständigende (1349 Goldene Bulle von Brabant), den Einwohnern in der Blijde Inkomst 1356 die Rechte des Fürsten begrenzende Herzogtum, das nach Johanna von B. (1355-1406) 1390/1430 an →Burgund und nach Maria von Burgund 1477 an →Habsburg (Spanien) kommt. Nach dem spanischen Erbfolgekrieg gelangt es 1723 an Österreich. Nach Ende der 1775 erfolgten Annexion durch Frankreich wird es 1815 Teil der →Niederlande, 1830 mit seinem südlichen Gebiet Teil →Belgiens.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Moll, W., De rechten van den Heer van Bergen op Zoom, 1915; Lousse, E., Les deux chartes romanes brabançonnes du 12 juillet 1314, Bulletin de la Commission royale d’histoire 96 (1932), 1; Sturler, J. de, Les relations politiques et les échanges commerciaux entre le duché de Brabant et l’Angleterre, 1936; Willem van der Tanerijen, Boec van der loopender praktijken der raidtcameren van Brabant, hg. v. Strubbe, E., 1952; Ganshof, F., Brabant, 1938; Middeleeuwe rechtsbronnen van stad en heerlijkheid Breda, hg. v. Cerutti, F., Bd. 1f. 1956ff.; Nikolay, W., Die Ausbildung der ständischen Verfassung in Geldern und Brabant während des 13. und 14. Jahrhunderts, 1985; Geschiedenis van Noord-Brabant, hg. v. Van den Eerenbeemt, H., Bd. 1ff. 1996f; Godding, P., Le Conseil de Brabant sous le règne de Philippe le Bon (1430-1467), 1999; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Geschiedenis van Brabant, hg. v. Van Uytven, R. u. a.,2004; Tigelaar, J., Brabants historie ontvouwd, 2006

bracchium (N.) saeculare (lat.) (der Staat als) weltlicher Arm (der Kirche) (kirchlicher Anspruch auf staatliche Unterstützung 1983 aufgegeben)

Bracton, Henry de (Bratton Fleming in Devon 1210-Exeter 1268) ist nach Ausbildung als Priester unter William Raleigh (und dem Studium des weltlichen und kirchlichen Rechtes wohl an der Domschule von Exeter) seit etwa 1229 Schreiber (clerk) eines Richters, seit 1245 reisender Richter, von 1247 bis 1257 Richter an dem Gericht Coram rege (Court of King’s Bench) und seit 1264 Domkanzler in Exeter. Sein vielleicht nach 1230 von ihm verfasstes oder auch von ihm nur überarbeitetes, durch 48 Handschriften überliefertes, unvollendetes Werk (lat.) →De legibus et consuetudinibus Angliae (Über Gesetze und Gewohnheiten Englands) bietet auf Grund einer Sammlung von etwa 2000 wahrscheinlich in die Jahre zwischen 1220 und 1240 gehörenden Urteilen (precedents) des Königsgerichts die beste Darstellung des englischen →common law des Mittelalters. Der Traktat gliedert sich nach Personen, Sachen und Klagansprüchen. In dem dritten Teil behandelt er an Hand der verschiedenen Klageformeln (writs) das Privatrecht, Strafrecht und Lehnrecht. Eine gezielte Romanisierung des englischen Rechtes durch B. ist nicht erweislich.

Lit.: Bractons Note Book, hg. v. Maitland, F., 1887; Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 2 4. A. 1936, 230; Peter H., Actio and writ, 1957; Fesefeldt, W., Englische Staatstheorie des 13. Jahrhunderts, 1962; Richardson, H., Bracton, the problem of his text, 1965; Bracton, hg. v. Woodbine, G., übers. v. Thorne, S., 1968; Thorne, S., Henry de Bracton 1268-1968, 1970

Brand von Tzerstede (Lüneburg um 1400-Lünenburg 3. 10. 1451), Patrizierssohn, wird nach dem Studium des Rechtes in Leipzig (1414, 1417 baccalaureus) Ratsherr in Lüneburg. Er verfasst die in zwei Handschriften und einem Fragment überlieferte, 1442 abgeschlossene Glosse zu der Vorrede des Sachsenspiegels von der Herren Geburt und nach eigener Angabe weitere Glossierungen.

Lit.: Glossen zum Sachsenspiegel-Landrecht Buch’sche Glosse, hg. v. Kaufmann, F., 2002, 124ff.

Brandenburg ist die nach der slawischen Brennaburg (928/929, 948 Bistum, 983 Slawenaufstand) benannte Mark ([3. 10.] 1157) östlich der Elbe. Nach den Askaniern (1134-1319, 1165 Wiederbegründung des Bistums), Wittelsbachern, Luxemburgern (1375 Landbuch der Mark Brandenburg) gelangt es als Kurfürstentum (1356) an die Hohenzollern (1411/1417). 1473 legt die →Dispositio Achillea des Markgrafen Albrecht Achilles die Unteilbarkeit fest (1506 Universität Frankfurt an der Oder, 1516 Kammergericht in Berlin). 1614 fallen Kleve, Mark und Ravensberg an, 1618 →Preußen als Lehen Polens. Seit 1701 tritt B. hinter den Namen Preußen zurück. 1947 wird Preußen aufgelöst. Der 1945 unter Verwaltung Polens gestellte Teil Brandenburgs östlich der Oder und Neiße wird 1990 Polen zugeteilt. Der Versuch der Vereinigung des Bundeslands B. mit Berlin scheitert bei einer Volksabstimmung an dem 5. 5. 1996.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stölzel, H., Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, Bd. 1f. 1888; Urkundliches Material aus den Brandenburger Schöppenstuhlsakten, hg. v. Stölzel, A., 1901; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, 1901f.; Spangenberg, H., Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg im Mittelalter, 1908; Perels, K., Die allgemeinen Appellationsprivilegien für Brandenburg-Preußen, 1908; Altmann, W., Ausgewählte Urkunden zur brandenburgisch-preußischen Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 2. A. 1914; Hintze, O., Die Hohenzollern und ihr Werk, 1915, Neudruck 1980; Caemmerer, H. v., Die Testamente der Kurfürsten von Brandenburg, 1915; Luck, W., Die Prignitz, 1917; Werminghoff, A., Ludwig von Eyb der Ältere (1417-1502), 1919; Gley, W., Die Besiedlung der Mittelmark, 1926; Acta Brandenburgica, Bd. 1ff. 1927ff.; Tschirch, O., Geschichte der Chur- und Hauptstadt Brandenburg an der Havel, 1928; Schulze, B., Brandenburgische Landesteilungen, 1928; Schulze, B., Die Reform der Verwaltungsbezirke in Brandenburg und Pommern 1809-1918, 1931; Erläuterungen zur brandenburgischen Kreiskarte von 1815, v. Schulze, B., 1933; Die alten und neuen brandenburgischen Kreise nach dem Stande von 1815, bearb. v. Curschmann, F. u. a., 1933; Brandenburgische Ämterkarte, bearb. v. Schulze, B., 1935; Schulze, B., Besitz- und siedlungsgeschichtliche Statistik der brandenburgischen Ämter und Städte, 1935; Das Landregister der Herrschaft Sorau von 1381, hg. v. Schultze, J., 1936; Oestreich, G., Der brandenburgisch-preußische geheime Rat, 1937; Ruppel-Kuhfuß, E., Das Generaldirektorium unter der Regierung Friedrich Wilhelms II., 1937; Das Landbuch der Mark Brandenburg von 1375, hg. v. Schultze, J., 1940; Buchda, G., Über die verlorenen hallischen Konstitutionen zum Landrecht der Kurmark Brandenburg (1714), ZRG GA 69 (1952), 385; Die Mark Brandenburg, hg. v. Schultze, J., Bd. 1ff. 1961, 2. A. 1989, 3. A. 2004, 4. A. 2010; Schultze, J., Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte, 1964 (Aufsätze); Hoppe, W., Die Mark Brandenburg, Wettin und Magdeburg, 1965 (Aufsätze); Engel, E./Zientara, B., Feudalstruktur, Lehnbürgertum und Fernhandel im spätmittelalterlichen Brandenburg, 1967; Geschichte von Brandenburg und Berlin, Bd. 3, hg. v. Herzfeld, H., 1968; Harnisch, H., Die Herrschaft Boitzenburg, 1968; Schmidt, E., Markgraf Otto I. von Brandenburg, ZRG GA 90 (1973), 1; Schmidt, E., Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf von 1594, 1973; Podehl, W., Burg und Herrschaft in der Mark Brandenburg, 1975; Ein sonderbares Licht in Teutschland, hg. v. Heinrich, G., 1990; Brandenburgische Geschichte, hg. v. Materna, I./Ribbe, W., 1995; Justiz in Stadt und Land Brandenburg, hg. v. Clavée, K., 1998; Geschichte der brandenburgischen Landtage, hg. v. Adamy, K. u. a., 1998; Pohl, D., Justiz in Brandenburg 1945-1955, 2001; Das Domstift Brandenburg und seine Archivbestände, bearb. v. Schößler, W., hg. v. Neitmann, K., 2005; Beck, F., Regesten der Urkunden Kurmärkische Stände (Rep. 23 A), 2006; Partenheimer, L., Die Entstehung der Mark Brandenburg, 2007; Scheffczyk, F., Der Provinzialverband der preußischen Provinz Brendenburg 1933-1945, 2008; Baumgart, P., Brandenburg-Preußen unter dem Ancien régime, hg. v. Kroll, F., 2009; Wie die Mark entstand, hg. v. Müller, J., 2009; Müller, M., Besiegelte Freundschaft - Die brandenburgischen Erbeinungen, 2010; Winkelmann, J., Die Mark Brandenburg des 14. Jahrhunderts, 2011; Lubini, J., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern der SBZ/DDR 1945-1952, 2015; Enders, L., Die Altmark, 2. A. 2016; Radtke, W., Brandenburg im 19. Jahrhundert (1815-1914/18), 2016; Andresen, S., In fürstlichem Auftrag – Die gelehrten Räte der Kurfürsten von Brandenburg, 2017

brandenburgischer Landrechtsentwurf →Köppen

Brandileone, Francesco (Buonabitacolo 1858-Neapel 1929) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Neapel Professor für italienische Rechtsgeschichte in Macerata, Sassari, Parma, Bologna und Rom.

Brandmarken ist das schon den Römern (für Sklaven und Abhängige, Verbot der B. ins Gesicht durch Kaiser Konstantin) bekannte Kennzeichnen eines Täters durch Brandzeichen auf die Hand oder in das Gesicht (oder Verstümmeln), das sich 726 bei den Langobarden (für rückfällige Diebe) und trotz Ablehnung durch die Aufklärung noch 1787 in Österreich, 1813 in Bayern und 1810 und 1832 in Frankreich findet (Verbot in England 1829, Frankreich 1834, Frankfurter Paulskirchenverfassung 1849 § 139). Vielleicht hängt das Wort hirnverbrannt mit dem B. zusammen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 495; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 530, Neudruck 1964; Chen, Y., Probleme der Strafe der Brandmarkung, 1948; Hentig, H. v., Die Strafe, Bd. 1 1954; Cate, C. ten, Tot glorie der gerechtigheit, 1975; Hattenhauer, H., Die Brandmarkung in das Gesicht, 1994

Brandstiftung ist das Inbrandsetzen einer (fremden) Sache. Die B. ist in Rom eine Straftat, auf die der Feuertod steht. In dem Mittelalter wird sie wegen ihrer Bedeutung in der →Fehde eher gering gebüßt. Gottesfrieden (z. B. 1083) und Landfrieden lehnen sie ab. Der Sachsenspiegel (1221-1224) kennt Enthauptung oder (bei Mordbrand) Rädern als ihre Strafen (ähnlich sog. Treuga He[i]nrici von 1224), die (lat.) Constitutio (F.) Criminalis Carolina (1532, Art. 126) Feuertod (bei boshaftiger B.), das preußische Allgemeine Landrecht (1794) Enthauptung und Feuertod. Die fahrlässige B. wird schon früh gesondert behandelt. Seit dem 19. Jahrhundert werden allgemein unterschiedliche Begehungsformen unterschieden.

Lit.: Kaser §§ 36, 50; Kroeschell, DRG 1, 2; Osenbrüggen, E., Die Brandstiftung, 1854; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 348; Geerds, F., Die Brandstiftungsdelikte, 1962; Timcke, G., Der Straftatbestand der Brandstiftung, Diss. jur. Göttingen 1965; Spicker-Beck, M., Räuber, Mordbrenner, umschweifendes Gesind, 1995; Birklbauer, A. u.,a., Die Entwicklung der Strafpraxis bei Brandkriminalität, 2010

Brant, Sebastian (Straßburg 1457/1458-Straßburg 10. 5. 1521), Gastwirtssohn, wird nach dem Rechtsstudium (1477) in Basel Professor (1489 Dr. iur. utr.), lehrt seit 1483 römisches Recht, kirchliches Recht und Poetik, wechselt aber als Folge der Annäherung Basels an die Eidgenossen 1501 als Syndicus (bzw. 1503 Stadtschreiber) nach Straßburg. Neben (lat. [F.Pl.]) Expositiones [1490, Ausstellungen, ein Anfängerlehrbuch], 36 Auflagen) veröffentlicht er in dem Rahmen der populären Literatur eine Bearbeitung von Tenglers →Laienspiegel von 1495 (1509) und des →Klagspiegels (Conrad Heydens, † 1443/1444) (Neuausgabe 1516) sowie die Satire Narrenschiff (1494).

Lit.: Köbler, DRG 143; Staehelin, A., Sebastian Brant, (in) Professoren der Universität Basel, 1960, 18; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962, 127; Knape, J., Dichtung, Recht und Freiheit, 1992; Sebastian Brant, hg. v. Wilhelmi, T., 2002; Knape, J./Wilhelmi, T., Sebastian Brant Bibliographie Werke und Überlieferungen, 2015; Knape, J./Wilhelmi, T., Sebastian Brant Bibliographie - Forschungsliteratur bis 2016, 2018

Brasilien ist der portugiesischsprachige und größte Staat Südamerikas. Sein Recht ist stark durch die Kodifikationen Frankreichs beeinflusst. 2002 wird ein neues Zivilgesetzbuch geschaffen, welches das Handelrecht einbezieht, das Verbraucherschutzrecht ausgliedert und einen Allgemeinen Teil voranstellt.

Lit.: Schmidt, J., Zivilrechtskodifikation in Brasilien, 2009; Prutsch, U. u. a., Brasilien – Eine Kulturgeschichte, 2013

Brauchtum ist die Gesamtheit der tatsächlich innerhalb einer Menschenmehrheit geübten sozialverträglichen Verhaltensweisen. Das B. weist viele Beziehungen zu dem Recht auf (z. B. Weistümer). Insbesondere kann das Recht das B. beeinflussen.

Lit.: Köbler, DRG 5; Sartori, P., Sitte und Brauch, 1910; Bächtold, H., Die Gebräuche bei Verlobung und Hochzeit, 1914; Künßberg, E. Frhr. v., Rechtsbrauch und Kinderspiel, 1920 (SB Heidelberg), 2. A. 1952; Künßberg, E. v., Rechtliche Volkskunde, 1936; Becker, A., Frühlingsbrauch und Sonnenkult, 1937; Fehrle, E., Deutsche Hochzeitsbräuche, 1937; Zipperer, F., Das Haberfeldtreiben, 1938; Lippert, E., Glockenläuten als Rechtsbrauch, 1939; Müller, G., Der Umritt, 1941; Dörrer, A., Brotspenden als Verlöbnis und Gemeinschaftsbrauch, ZRG GA 74 (1957), 266; Erler, A., Burschenbrauchtum vor den Schranken des Ingelheimer Oberhofes, ZRG GA 79 (1962), 254; Schädler, K., Die Lederhose in Bayern und Tirol, 1962; Brückner, W., Bildnis und Brauch, 1966; Cromberg, H., Die Knabenschaftsstatuten der Schweiz, (um 1976); Schieder, E., Das Haberfeldtreiben, 1983; Deimling, B., Ad rufam ianuam, ZRG GA 115 (1988), 498; Becker-Huberti, M., Lexikon der Bräuche und Feste, 2000; Althoff, G., Die Macht der Rituale, 2003; Rechtssymbole und Wertevermittlung, hg. v. Schulze, R., 2004

Brauen ist das Herstellen von Bier aus Getreide und Wasser(, 12. Jahrhundert Hopfen und in der Neuzeit Hefe). Es ist bereits dem Altertum bekannt und findet sich in den Grundherrschaften seit dem Frühmittelalter (1040 Bischof von Freising für Weihenstephan). In der hochmittelalterlichen Stadt entwickelt es sich zu dem verrechtlichten Gewerbe. Die Herzöge von Bayern beschränken die Bierherstellung auf Gerste, Hopfen und Wasser (1493/1516, Reinheitsgebot, vgl. 1906 Biersteuergesetz § 9 I). Seit der Einführung der Gewerbefreiheit in dem frühen 19. Jahrhundert entstehen Bierfabriken, die als Großbrauereien die Hausbrauereien verdrängen.

Lit.: Brinkmann, H., Das Brauwesen der kaiserlich freien Reichsstadt Goslar, 1925; Schlosser, H., Braurechte, Brauer und Braustätten in München, 1981; Heckel-Stehr, K., Brauwesen in Bayern, 1988; Blanckenburg, C. v., Die Hanse und ihr Bier, 2001

Braunschweig an der Oker wird 1031 erstmals erwähnt und wächst aus fünf älteren Siedlungen (Altstadt, Neustadt E. 12. Jahrhundert, Sack 2. H. 13. Jahrhundert, Hagen um 1160, Altenwiek) zusammen. Schon früh steht der Ort unter der Herrschaft der Welfen, deren Reichsfürstentum von 1235 nach B. und Lüneburg benannt wird. Die zeitweise ziemlich selbständige Stadt, die 1227 das Hagenrecht und das sog. Ottonianum (mnd.) aufzeichnet, 1402 den Rechtsstoff neu ordnet und 1532 ihre Statuten einer 1675 aufgehobenen Reformation unterzieht, geht 1671 an das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel über und gelangt, wirtschaftlich mehr und mehr von Hannover und Magdeburg überholt, 1946 mit dem Land B. an Niedersachsen.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Urkundenbuch der Stadt Braunschweig, bearb. v. Dolle, J. u. a., Bd. 1ff. 1874ff. (Bd. 5 1994, Bd. 8 1388-1400 2008); Hanselmann, L., Die ältesten Stadtrechte Braunschweigs, Hans. Geschbll. 1892, 3; Frensdorff, F., Das braunschweigische Stadtrecht bis zur Rezeption, ZRG GA 26 (1905), 195; Merkel, J., Der Kampf des Fremdrechtes mit dem einheimischen Rechte in Braunschweig-Lüneburg, 1904; Fahlbusch, O., Die Finanzverwaltung der Stadt Braunschweig, 1913; Busch, F., Beiträge zum Urkunden- und Kanzleiwesen der Herzöge zu Braunschweig und Lüneburg, 1921; Hüttebräuker, L., Das Erbe Heinrichs des Löwen, 1927; Wolters, G., Das Amt Friedland und das Gericht Leineberg, 1927; Meier, P., Der Streit Herzog Heinrichs des Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel mit der Reichsstadt Goslar, 1928; Kleinau, H., Der Grundzins in der Stadt Braunschweig, 1929; Willecke, R., Das eheliche Güterrecht im Braunschweiger Stadtrecht, 1929; Timme, F., Die wirtschafts- und verfassungsgeschichtlichen Anfänge der Stadt Braunschweig, 1931; Germer, H., Die Landgebietspolitik der Stadt Braunschweig, 1937; Spieß, W., Die Heerstraßen auf Braunschweig, 1937; Spieß, W., Die Ratsherren der Hansestadt Braunschweig 1231-1671, 1940; Querfurth, H., Die Unterwerfung der Stadt Braunschweig im Jahre 1671, 1953; Beiträge zur Geschichte des Gerichtswesens im Lande Braunschweig, hg. v. Spieß, W., 1954; Piper, H., Testament und Vergabung von Todes wegen, 1960; Diestelkamp, B., Die Städteprivilegien Herzog Ottos des Kindes, 1961; Moderhack, R., Hundert Jahre Stadtarchiv und Stadtbibliothek, 1961; Spieß, W., Geschichte der Stadt Braunschweig im Nachmittelalter, 1966; Kleinau, H., Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landes Braunschweig, 1967, 1968 (2425 Namen); Pitz, E., Landeskulturtechnik, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2903; Garzmann, M., Stadtherr und Gemeinde in Braunschweig, 1976; Lockert, M., Die niedersächsischen Stadtrechte, 1978; Petersen, W., Verzeichnis der Einblattdrucke und Handschriften, 1984; Rat und Verfassung im mittelalterlichen Braunschweig, 1986; Bringmann, W., Die braunschweigische Thronfolgefrage, 1988; Henne, T., Verwaltungsrechtsschutz im Justizstaat, 1995; Hanse - Städte - Bünde, hg. v. Puhle, M., 1996; Hackel, C., Der Untergang des Landes Braunschweig, 2000; Die braunschweigische Landesgeschichte, hg. v. Jarck, H. u. a., 2000; Ohm, M., Das Braunschweiger Altstadtrathaus, 2002; Justiz und Anwaltschaft in Braunschweig, hg. v. Isermann, E. u. a., 2004; Die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des braunschweigischen Landes vom Mittelalter bis zur Gegenwart, hg. v. Leuschner, J. u. a., 2008; Weglage, S., Menschen und Vermächtnisse, 2011; Gudladt, K., Rechtswissenschaften an der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, 2013

Braurecht ist das das Brauen betreffende Recht.

Lit.: Peterka, O., Die bürgerlichen Braugerechtigkeiten in Böhmen, 1917; Schlosser, H., Braurechte, Brauer und Braustätten in München, 1981

Braut (8./9. Jahrhundert) ist zunächst die neuvermählte junge Frau und erst in jüngerer Zeit die durch ein Heiratsversprechen erst zu der Eheschließung verpflichtete Frau.

Lit.: Köbler, WAS; Opet, O., Brauttradition und Konsensgespräch, 1910; Die Braut, hg. v. Völger, G. u. a., 1985

Brautkind ist das Kind einer (unverheirateten) Braut. Es ist unehelich, kann aber innerhalb der unehelichen Kinder eine bessere Rechtsstellung haben.

Brautlauf ist die in dem 13. Jahrhundert in dem Deutschen erloschene Bezeichnung für die Hochzeit.

Lit.: Krogmann, W., Brautlauf und Braut, Wörter und Sachen 16 (1934), 81

Bregenz

Lit.: Helbok, A., Die Bevölkerung der Stadt Bregenz, 1912

Breisach

Lit.: Beyerle, Franz, Das älteste Breisacher Stadtrecht, ZRG GA 39 (1918), 318; Haselier, G., Geschichte der Stadt Breisach am Rhein, 1969

Bremen (782) südlich der Wesermündung wird 787/789 Sitz eines Bischofs bzw. 845/864 eines Erzbischofs. In dem 13. Jahrhundert löst sich B. von der Herrschaft des Bischofs. Wahrzeichen wird der Roland. B. wird Mitglied der Hanse. 1303/1304 wird das Recht aufgezeichnet. 1541/1646 wird die Reichsfreiheit erlangt, die sich in der Stellung als Mitglied des Deutschen Bundes (1815) und als Land in dem Deutschen Reich (1871) und in der Bundesrepublik Deutschland (1949) fortsetzt. 1970 entsteht in B. eine Universität.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; ; Bremisches Urkundenbuch, Bd. 1ff. 1873ff.; Kühtmann, A., Die Romanisierung des Zivilprozesses in der Stadt Bremen, 1891; Kühtmann, A., Geschichte der bremischen Stadtvogtei, 1900; Rehme, P., Über das älteste bremische Grundbuch (1438-1558), 1908; Gattjen, B., Der Rentenkauf in Bremen, 1928; Eckhardt, K., Die mittelalterlichen Rechtsquellen der Stadt Bremen, 1931; Das bremische Stadtrecht von 1303/08, hg. v. Eckhardt, K., 1931; Haase, C., Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts, 1953; Hinte, P., Die hannoversche Gerichtsbarkeit in der Stadt Bremen von 1720-1803, Diss. jur. Göttingen 1957; Merker, O., Die Ritterschaft des Erzstifts Bremen im Spätmittelalter, 1969; 2; Lorenz, G., Das Erzstift Bremen und der Administrator Friedrich, 1969; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2905; Schwarzwälder, H., Geschichte der freien Hansestadt Bremen, Bd. 1ff. 1975ff.; Barkhausen, W., Erzbischof Adaldag und König Harald Gormsson, ZRG GA 111 (1994), 363; Kessler, A., Die Entstehung der Landesverfassung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1996; Bremer Freiheiten, bearb. v. Gerstenberger, H., 1997; Schwarzwälder, H., Das große Bremen-Lexikon, 2000; 700 Jahre Bremer Recht 1303-2003, hg. v. Elmshäuser, K., 2003; Kähler, J., Französisches Zivilrecht und französische Justizverfassung in den Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815), 2007; Elmshäuser, K., Geschichte Bremens, 2007; Rehder, A., Die Verfassung der freien Hansestadt Bremen von 1920, 2016

Bremgarten

Lit.: Bürgisser, E., Geschichte der Stadt Bremgarten, 1937

Breslau an der Oder erscheint in dem 10. Jahrhundert als befestigte Siedlung und wird 1000 Sitz eines Bischofs. Seit 1163 ist es in Niederschlesien Sitz eines Herzogs aus der Familie der Piasten. 1225 erhält es eine Marktsiedlung nach deutschem Recht, 1241 deutsches Recht. (1261 Magdeburger Recht). 1335 gelangt B. an Böhmen. In der Mitte des 14. Jahrhundert wird ein zunächst unsystematisches, gegen 1370 systematisiertes Stadtrechtsbuch zusammengestellt. An dem Ende des 15. Jahrhundert entstehen die Rechtsbücher Der rechte Weg und Remissorium. B. wird Oberhof für mindestens 65 Städte. 1505 missglückt eine Universitätsgründung. 1526 fällt B. mit Böhmen an Österreich. 1702 wird eine Universität eingerichtet (1811 zu der Schlesischen Universität umgestaltet). 1741 wird B. von Preußen erobert. An dem Anfang des Jahres 1933 waren an der juristischen Fakultät tätig Eugen Rosenstock-Huessy, Ernst Cohn, Hans Albrecht Fischer, Theodor Süss, Walter Schmidt-Rimpler, Johannes Nagler, Arthur Wegner, Hans Helfritz, Heinrich Pohl, Ludwig Waldecker (Axel Freiherr von Freytagh-Loringhoven und Friedrich Schöndorf). Über Preußen gelangt B. nach 1945 an Polen. →Breslauer Landrecht

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Laband, P., Das Magdeburg-Breslauer systematische Schöffenrecht, 1863; Breslauer Urkundenbuch, hg. v. Korn, G., 1870; Goerlitz, T., Die Übertragung liegenden Gutes, 1906; Rehme, P., Über die Breslauer Stadtbücher, 1909; Pfitzner, J., Besiedlungs-, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Breslauer Bistumslandes, 1926; Pfeiffer, G., Das Breslauer Patriziat, 1929; Goerlitz, T., Die Breslauer Rechtsbücher des 14. Jahrhunderts, ZRG GA 59 (1939), 136; Lindgren, E., Die Breslauer Strafrechtspflege, 1939; Hermann, E., Das Abgabenrecht der Stadt Breslau, 1941, Goerlitz, T., Verfassung, Verwaltung und Recht der Stadt Breslau, hg. v. Petry, L., 1962; Rabe, C., Alma mater Leopoldina, 1999; Encyklopedia Wroclawia (Enzyklopädie Breslaus), hg. v. Harasimowicz, J., 2000; Der rechte Weg, hg. v. Ebel, F., 2000; Quellenbuch zur Geschichte der Universität Breslau 1702 bis 1811, hg. v. Conrads, N., 2002; Davies, N. u. a., Die Blume Europas, 2002; Eschenloer, P., Geschichte der Stadt Breslau, hg. v. Roth, G., 2003; Thum, G., Die fremde Stadt, 2003; Quellenbuch zur Geschichte der Universität Breslau 1702 bis 1811, hg. v. Conrads, N. u. a., 2004; Ditt, T., Die Stoßtruppfakultät Breslau, 2010; Garber, K., Das alte Breslau, 2014; Mühle, E., Breslau, 2015; Friedla, K., Juden in Breslau/Wrocław 1933-1949, 2015

Breslauer Landrecht ist die durch König Johann von Böhmen veranlasste, in 351 Kapitel mit 13 Anhangskapiteln gegliederte, in dem Fürstentum Breslau und Teschen gebrauchte Bearbeitung des Landrechts des →Sachsenspiegels (1346/1356).

Lit.: Köbler, DRG 103; Gaupp, E., Das schlesische Landrecht, 1828, Neudruck 1966, ; Goerlitz, T., Die Breslauer Rechtsbücher, ZRG 59 (1934), 155; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 30

Bretagne ist die schon früh von Kelten besiedelte westliche Halbinsel Westeuropas, die 56 v. Chr. von Caesar unter die Herrschaft der Römer gebracht wird. Von dem 5. Jahrhundert n. Chr. an wandern keltische Briten von Britannien aus ein, die unter die Herrschaft der Franken geraten. Um 845/846 wird die B. von dem fränkischen Reich unabhängig, steht bald aber wieder unter französischer und seit 1113 englischer Lehnsherrschaft. Zwischen 1312 und 1325 wird die (franz.) Très ancienne coutume de B. (Sehr alte Gewohnheit der B.) aufgezeichnet. 1515 wird die B. Krondomäne Frankreichs.

Lit.: La très ancienne coutume de Bretagne, hg. v. Planiol, M., 1896; Poisson, H., Histoire de la Bretagne, 1966; Fleuriot, L., Les origines de la Bretagne, 1980

Breviarium (N.) Alarici (lat.) ist die von dem Westgotenkönig Alarich II. vor 507 geschaffene Kurzfassung des nachklassischen römischen Rechtes, die für die Romanen in dem westgotischen Reich gilt und bis in das Hochmittelalter Bedeutung behält. →Lex Romana Visigothorum

Lit.: Söllner § 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 53, 82; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953

Brevium exempla (lat. [N.Pl.]) ist die moderne Bezeichnung eines frühmittelalterlichen Güterverzeichnisses (825-850) für königliche Güter in Staffelsee, Weißenburg und bei Lille.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960, 18

Briand-Kellogg-Pakt →Kellogg-Pakt

Brief (aus lat. breve, kurze [Mitteilung]) ist die (kurze) schriftliche, später durch einen Umschlag verschlossene Mitteilung. In Hessen wird 1831 das Briefgeheimnis erstmals durch die Verfassung geschützt. Die unerlaubte Öffnung eines fremden Briefes ist ein Straftatbestand.

Lit.: Die Tegernseer Briefsammlung des 12. Jahrhunderts, hg. v. Plechl, H., 2002; Schaller, H., Handschriftenverzeichnis zur Briefsammlung des Petrus de Vinea, 2002; Furger, C., Briefsteller, 2009; Garfield, S., Briefe, 2015; Codex Udalrici, hg. v. Naß, K., 2017 (113 Urkunden, 228 Briefe, 22 Gedichte, insgesamt 395 Dokumente, vielleicht die wichtigste Quelle für die deutsche Geschichte des Investiturstreits, Domkustos Udalrich von Bamberg?, Ende August bis Ende Dezember 1125)

Briefadel ist der durch Urkunde erlangte Adelsstand und die Gesamtheit der durch Urkunde in den →Adel erhobenen Menschen. B. ist seit 1346 unter französischem Einfluss möglich (bis 1918).

Lit.: Köbler, DRG 98

Briefgeheimnis ist die Geheimheit der in einem Brief (Schriftstück) niedergeschriebenen Gedanken eines Menschen. Bereits in dem römischen Recht (Lex Cornelia) ist das unbefugte Öffnen von Urkunden mit Strafe bedroht. Mittelalterliche Botenordnungen und frühneuzeitliche Landesordnungen (Tirol 1532) schützen Briefe. II 10 § 1370 ALR (1794) stellt das unerlaubte Eröffnen von Briefen überhaupt unter Strafe. Der verfassungsrechtliche Schutz des Briefgeheimnisses ist eine Errungenschaft des 19. Jahrhunderts (Kurhessen 1831 § 38).

Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004; Geschichte der deutschen Post, hg. v. Sautter, K., Teil 1ff. 1928ff.; Krauß, M., Das kursächsische Postrecht, 1998; Vellusig, R., Geschichte des Briefes, 2000

Briefmarke ist das als Quittung für vorausgezahlte Postbeförderungsgebühr verkaufte aufklebbare Wertzeichen. Die B. ist Inhaberpapier (Josef Kohler, § 807 BGB), wobei streitig ist, ob sie amtliches →Wertzeichen (§ 148 StGB) ist. Rechtstatsächlich werden an dem 21. 9. 1847 die ersten (blauen) Briefmarken der britischen Kornkolonie Mauritius ausgegeben, deren beide Exemplare für 1 Penny und 2 Pence 1993 für etwa 5 Millionen Euro versteigert werden.

Lit.: Weipert, S., Die Rechtsnatur der Briefmarke, Diss. jur. Kiel 1996; Bohnert, J., Briefmarkenfälschung, NJW 1998, 2879; Gezähnte Geschichte – Die Briefmarke als historische Quelle, hg. v. Smolarski, P. u. a., 2019

Bringschuld ist die an dem Wohnsitz des Gläubigers zu erbringende Schuld. Da Abgaben in der Regel beim Berechtigten abzuliefern sind, ist die B. schon in dem Frühmittelalter weit verbreitet. Ihre Bedeutung wächst nach dem Aufkommen der Geldwirtschaft.

Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, § 28

Brinz, Alois Ritter von (Weiler in dem Allgäu 25. 2. 1820-München 13. 9. 1887), Sohn eines Landgerichtsaktuars, wird nach dem Studium von Sprachen und Recht in München und Berlin 1851 außerordentlicher Professor und 1854 ordentlicher Professor in Erlangen, Prag (1857), Tübingen (1866) und München (1871). Sein wichtigstes Werk ist ein Pandektenlehrbuch (1857ff.), in dem er die juristische Person als Zweckvermögen versteht.

Lit.: Rascher, J., Die Rechtslehre des Alois von Brinz, 1975

Britannien →Brite

Brite ist der Angehörige eines keltischen, die britischen Inseln bewohnenden Volkes, das 409 n. Chr. von römischer Herrschaft frei wird, aber wenig später aus nicht genau feststellbaren Gründen (Ausrottung bzw. Akkulturation?) gegenüber der Bedrohung durch Angeln, Sachsen und Jüten in die →Bretagne bzw. nach Wales, Cornwall und Schottland zurückweicht.

Lit.: Ross, A., Pagan Celtic Britain, 2. A. 1974; Brodersen, K., Das römische Britannien, 1998; A Companion to Roman Britain, hg. v. Todd, M., 2004; Birley, A., The Roman Government of Britain, 2005; Creighton, J., Britannia, 2006; Britons in Anglo-Saxon England, hg. v. Higham, N., 2007; Kleinschmidt, H., Migration und Identität, 2009; Hobbs, R./Jackson, R., Das römische Britannien, 2011

Brite →England, Großbritannien, Kelte

Britische Zone (Britische Besatzugszone) ist die 1945 Großbritannien zugeteilte →Besatzungszone Deutschlands. Sie geht an dem 1. 1. 1947 in der →Bizone auf. Von 1948 bis 1950 kennt sie einen Obersten Gerichtshof.

Lit.: Trittel, G., Die Bodenreform in der britischen Zone 1945-1949, 1975; Zimmermann, R., Der oberste Gerichtshof für die britische Zone, ZNR 3 (1981), 158; Großekathöfer, S., Besatzungsherrschaft und Wiederaufbau – Staatliche Strukturen in der britischen Zone 1945-1949, 2016

Brixen

Lit.: Fajkmajer, K., Studien zur Verwaltungsgeschichte des Hochstiftes Brixen im Mittelalter, Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs 6 (1909); Schwüppe, H., Das Bürger- und Inwohnerbuch der Stadt Brixen 1500-1709, Diss. phil. Innsbruck 1955 (masch.schr.); Kustatscher, E., Die Städte des Hochstifts Brixen im Spätmittelalter, 2007

Brocarda oder Brocardica (lat. [F.], Herkunft streitig, zu Burchard?, zu pro - contra?, zu mlat. broccus, Adj., hervorstehend, roman. Spieß?) ist in dem Hochmittelalter die in der Kompilation Justinians noch nicht enthaltene, gelehrte Rechtsregel, aus der man durch logisches Schließen Rechtsfolgen ableiten kann (Pilius, Damasus Boemus um 1215).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Meyer, E., Brocardica, ZRG KA 69 (1952), 453; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Brücke ist die auf Dauer angelegte Verbindung zweier Landgebiete über ein Gewässer durch ein überirdisches Bauwerk. Sie ersetzt die natürliche Furt und die nach Bedarf verkehrende Fähre. Bereits die Römer hatten eine hoch entwickelte Brückenbaukunst.

Lit: Cooper, A., Bridges, Law and Power in Medieval England, 2006

Bruderschaft (F., ahd.) ist der dem Verhältnis von Brüdern nachgebildete Verband von Priestern oder Handwerkern

Lit.: Hinojosa, E. de., La fraternidad artificial en España, Revista de Archivos 1905; Moeller, E. v., Die Elendenbrüderschaften 1906; Le mouvement confraternel, 1987; Einungen und Bruderschaften in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Johanek, P., 1993; Rosenplenter, K., Saeculum pium, 2003; Mittelalterliche Bruderschaften in europäischen Städten, hg. v. Escher-Apsner, M., 2009; Laqua, B., Bruderschaften und Hospitäler während des hohen Mittelalters, 2011

Brügge in Flandern wird trotz römischer Vorläufersiedlung erst in dem 11. Jahrhundert als Sitz flämischer Grafen bedeutsam. 1127 erhält es Stadtrechte. In dem Hochmittelalter wird es durch Handel reich. Trotz wirtschaftlichen Niedergangs wird es 1559 Bischofssitz.

Lit.: Van Houtte, J., De geschiedenis van Brugge, 1982; Murray, J., Bruges, Cradle of Capitalism, 2005

Brünn in Südmähren ist der seit 800 erscheinende, in dem Hochmittelalter von Deutschen aufgesiedelte Ort, der 1243 das Stadtrecht von →Iglau erhält. Brünner Schöffenbuch ist ein von einem Stadtschreiber Johann(es) (von Gelnhausen) (1343-1387) in Brünn um 1350 verfasstes, sachlich-alphabetisch von (lat. [F.Pl.]) actiones (Klagansprüche) bis vulnera (Wunden) geordnetes →Rechtsbuch in 730 Artikeln, das (etwa mit der Wendung lex dicit, das Gesetz besagt) in das einheimische deutsche Recht einzelne römisch-rechtliche Zutaten einfügt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bretholz, B., Geschichte der Stadt Brünn, 1911, Schubart-Fikentscher, G., Das Brünner Schöffenbuch, DA 1 (1937), 457; Schubart-Fikentscher, G., Römisches Recht im Brünner Schöffenbuch, ZRG GA 65 (1947), 86; Weizsäcker, W., Wien und Brünn in der Stadtrechtsgeschichte, ZRG GA 70 (1953), 125; Flódr, M., Právni kniha města Brna z poloviny 14. století 1 (Das Rechtsbuch der Stadt Brünn aus der Mitte des 14. Jahrhunderts 1), 1990ff.; Der Brünner Todesmarsch 1945, hg. v. Hertl, H. u. a., 1998; Lexikon bedeutender Brünner Deutscher, hg. v. Fehige, C. u. a., 2000; Pfeifer, C., Jus regale Montanorum, 2002; Sulitková, L., Vyvoj mestskych knih v Brne, 2004; Flodr, M., Nálezy Brněnského městského práva, 2007; Jan z Gelnhausenu, Příručka práva městského (Manipulus vel directorium iuris civilis). K vydání připravil Flodr, Miroslav [Johann von Gelnhausen, Handbuch des Stadtrechts >Manipulus vel directorium iuris civilis; Ducat, J., Spartan Education, 2006; Giannopoulos, S., Griechischer Stadtstaat und hegemoniale Monarchie, 2011; Bernhardt, R., Sparta und die Genese des politischen Freiheitsbegriffs, HZ 298 (2014), 197; Thommen, L., Die Wirtschaft Spartas, 2014; Blank, T., Logos und Praxis, 2014; Das antike Sparta, hg. v. Pothou, V./Powell, A., 2017 (durchwachsen); Sparta, hg. v. Cooley, M., 2017

Spätantike ist das ausgehende Altertum von dem 3. bis zu dem 6. Jahrhundert Umstritten ist das Fortleben antiker Einrichtungen in dem →Mittelalter. →Kontinuität

Lit.: Köbler, DRG 50; Seeck, O., Geschichte des Untergangs der antiken Welt, 4. A. 1921, Neudruck 2000; Martin, J., Spätantike und Völkerwanderung, 3. A. 1995; Demandt, A., Geschichte der Spätantike, 1998, 2. A. 2008; Henning, D., Periclitans res publica, 1999; Laniado, A., Recherches sur les notables municipaux dans l’empire protobyzantin, 2002; Le trasformazioni delle élites in età tardoantica, hg. v. Testa, R. L., 2006; Dinzelbacher, P. u. a., Europa in der Spätantike 300-600, 2007; König, I., Die Spätantike, 2007; The Oxford Handbook of Late Antiquity, hg. v. Johnson, S., 2012; Pfeilschifter, R., Die Spätantike, 2014; Meier, M., Spätantike, HZ 304 (2017) 686

Spätmittelalter ist das ausgehende Mittelalter von dem 13. Jahrhundert (Interregnum 1254-1273) bis zu dem 15. Jahrhundert (Entdeckung der Neuen Welt 1492).

Lit.: Köbler, DRG 93; Das 14. Jahrhundert, hg. v. Buckl, W., 1995; Meuthen, E., Das 15. Jahrhundert, 3. A. 1996, 5. A. 2012; Dirlmeier, U. u. a., Europa im Spätmittelalter 1215-1378, 2003; Signori, G., Das 13. Jahrhundert, 2007; Schneidmüller, B., Grenzerfahrung und monarchische Ordnung, 2011

SPD (→Sozialdemokratische Partei Deutschlands)

species (lat. [F.]) Art in Gegensatz zu genus (lat. [N.]) Gattung

specificatio (lat. [F.]) Verarbeitung

speculum (N.) Spiegel (als Buchtitel z. B. schon Speculum quis ignorat Augustinus‘ 354-430, Radulfi Ardentis speculum universale wohl zwischen 1193 und 1215 an unbekanntem Ort)

Lit.: Grabes, H., Speculum, 1973; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 415; Radulfi Ardentis Speculum universale, hg. v. Heimann, C. u. a., 2011

Speculum (N.) iudiciale (lat., Gerichtsspiegel) ist das zwischen 1276 und 1290 entstandene Rechtsbuch des französischen Geistlichen und Modeneser Rechtslehrers Wilhelm →Durantis’ (um 1237-1296), das unter Einbeziehung der Verfahrenswirklichkeit die gesamte geistliche Gerichtsbarkeit ausführlich darstellt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 107; Durantis, W., Speculum iudiciale, 1574, Neudruck 1975

Spedition ist die gewerbsmäßige Übernahme der Besorgung von Güterversendungen durch Frachtführer oder Verfrachter von Seeschiffen für Rechnung eines anderen in eigenem Namen. Sie entsteht in dem Spätmittelalter. In dem frühen 20. Jahrhundert entwickeln die Spediteure erste allgemeine Spediteurbedingungen (Berlin 1919).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 238; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913

Spee (Spee von Langenfeld), Friedrich von (Kaiserswerth 25. 2. 1591-Trier 7. 8. 1635) wird nach dem Studium der Theologie 1610 Jesuit. 1631 veröffentlicht er die (lat.) Cautio (F.) criminalis contra sagas (Strafrechtliche Vorsicht gegenüber Hexen, Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse), in der er sich gegen Verfahrensunrecht in dem →Hexenprozess und damit vor allem die →Folter wendet. Allgemeinere Auswirkungen hat sein Werk erst in dem 18. Jahrhundert

Lit.: Köbler, DRG 107; Spee, F. v., Cautio Criminalis, deutsche Ausgabe v. Ritter, J. 1939; Zwetsloot, H., Friedrich Spee und die Hexenprozesse, 1954; Rosenfeld, E., Friedrich Spee von Langenfeld, 1958; Geilen, H., Die Auswirkungen der Cautio criminalis, Diss. jur. Bonn 1963; Ritter, J., Friedrich von Spee, 1977; Sellert, W., Friedrich Spee von Langenfeld, NJW 39 (1986), 1222; Waider, H., Miszellen über Friedrich von Spee, FS der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Köln, 1988, 531; Friedrich Spee, hg. v. Franz, G., 1995; Spee, F. v., Cautio criminalis, übertragen v. Ritter, J., 1939, 6. A. 2000

Speer

Lit.: Funk, W., Speer, Pfandschaub, Kreuz und Fahne, ZRG GA 65 (1947), 297; 300000 Jahre Spitzentechnik – Der altsteinzeitliche Fundplatz Schöningen und die frühesten Speere der Menschheit, hg. v Terberger, T. u. a., 2018

Spencer, Herbert (Derby 27. 4. 1820-Brighton 8. 12. 1903) ist der liberale englische Philosoph, der das Grundprinzip universalen Geschehens in der Entwicklung zu immer besseren Formen sieht.

Lit.: Köbler, DRG 179

Speranskij, Michail Michailovic (Tscherkutino/Wladimir 1772-St. Petersburg 23. 2. 1839) legt als engster Vertrauter des Zaren für →Russland 1808/1809 ohne durchgreifenden Erfolg einen Vorschlag zu der Änderung der Herrschaftsverhältnisse nach englischem Vorbild vor (1810 Reichsrat). Er erreicht nach zwischenzeitlicher Verbannung nach Sibirien (1812) die Schaffung der Gesetze des russischen Reiches (Polnoe sobranie zakonov Rossijskoj Imperii bis 1828/1830) und die Zusammenfassung aller geltenden russischen Gesetze (Svod zakonov 1832, 15 Bände mit 60000 Artikeln). Damit schafft er eine wichtige Grundlage für die russische Rechtsentwicklung.

Lit.: Raeff, M., Michail Speranskij, 1957

Speyer an dem Rhein (kelt. Noviomagus), der Hauptort der germanischen Nemeter, wird 614 als Bischofssitz bezeugt. Seit 1294 ist der von den →Saliern durch Privilegien ausgezeichnete Ort →Reichsstadt. Von 1526/1527 bis 1689 beherbergt S. das →Reichskammergericht, in der Gegenwart eine (deutsche) Verwaltungshochschule mit Professoren der Rechtswissenschaft.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Harster, T., Das Strafrecht, 1900; Wagner, G., Münzwesen und Hausgenossen in Speyer, 1931; Seidel, L., Die Finanzwirtschaft der freien Reichsstadt Speyer, Diss. rer. pol. Frankfurt am Main 1956; Voltmer, E., Reichsstadt und Herrschaft, 1981; Fouquet, G., Das Speyerer Domkapitel, 1987; Meier, M./Welwei, K., Interpolationen in einem Speyerer Judenprivileg?, ZRG GA 112 (1995), 408; Neumann, H., Sozialdisziplinierung in der Reichsstadt Speyer, 1997; Ammerich, H., Kleine Geschichte der Stadt Speyer, 2008; Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit, Bd. 10 bearb. v. Mahlerwein, G. u. a., 2010 (3386 Nummern); Päffgen, B., Die Speyerer Bischofsgräber, 2010; Hattenhauer, H., Der Speyerer Freiheitsrief vom 7./14. August 1111, Archiv für mittelrheinische KG 63 (2011), 39; Reidinger, E., 1027 – Gründung des Speyerer Domes, Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 63 (201), 9 (konstruiert?); Bürger, Kleriker, Juristen – Speyer um 1400 im Spiegel seiner Trachten, hg. v. Andermann, K., 2014; Das Reichskammergericht und Speyer, hg. v. Kemper, J., 2014; Speyer als Hauptstadt des Reiches, hg. v. Baumann, A. u. a., 2016; Blum, D., Multikonfesionalität im Alltag – Speyer, 2016; Baumann, A., Visitationen am Reichskammergericht - Speyer als politischer und juristischer Aktionsraum des Reiches (1529-1588), 2018

Spezialexekution (F.) Einzelvollstreckung

Lit.: Kaser §§ 85 I, 87 I; Köbler, DRG 34

Spezialität (F.) Bezug eines dinglichen Rechtes auf jeweils eine spezielle, individuell bestimmte Sache (körperlichen Gegenstand, anders z. B. Generalhypothek des römischen Rechtes)

Spezialprävention ist die Verhütung von Straftaten durch Abschreckung gegenüber einem einzelnen Straftäter. Sie ist ein →Strafzweck (von →Grolman 1775-1829, von →Liszt 1882).

Lit.: Köbler, DRG 204, 269

Spezieskauf (M.) Stückkauf in Gegensatz zu dem Genuskauf (Gattungskauf)

Sphragistik (F.) Siegelkunde

Lit.: Köbler, DRG 3

Spiegel ist die das einfallende Licht zurückwerfende Fläche, die glatt genug ist, dass das Licht nach dem Reflexionsgesetz seine Parallelität behält und ein Abbild entstehen kann. Ein natürlicher Spiegel ist die ruhende Wasseroberfläche, erster künstlicher Spiel wohl die flache Schale mit Wasser, der in der Kupfersteinzeit oder Bronzezeit (Mesopotamien um 3000 v. Chr.) der Metallspiegel und um die Zeitenwende (Plinius) der Glasspiegel folgen. In dem 13. Jahrhundert wird auch das Wissen in Spiegeln erfasst. →speculum, Sachsenspiegel, Deutschenspiegel, Schwabenspiegel, Fürstenspiegel, Ritterspiegel, Klagspiegel, Laienspiegel

Lit.: Trusen, W., Die Rechtsspiegel und das Kaiserrecht, ZRG GA 102 81985), 13; Lohrmann, D., Europas Hoffnung auf den Brennspiegel im 13. Jahrhundert, HZ 304 (2017) 601 (stärker in den Bereich des praktischen Nutzens fiel an dem Ende des 13. Jahrhunderts die Erfindung der Brille)

Spiegelnde Strafe ist die Strafe, die in ihrer Ausführung erkennbaren Bezug auf die ausgeführte Straftat nimmt (z. B. Abschlagen der Schwurhand oder Abschneiden der Zunge des Meineidigen, Verbrennen des Brandstifters). Ihre Herkunft ist ungewiss, ihre wirkliche Bedeutung gering. →Talion

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964

Spiel (Wort bereits für das Germanische zu erschließen) ist die allein aus Freude und ohne ernsthafte praktische Zielsetzung erfolgende Tätigkeit. Rechtlich ist S. ein Vertrag, bei dem sich die Beteiligten eine Leistung unter entgegengesetzten Bedingungen versprechen, um sich zu unterhalten und möglicherweise Gewinn zu erzielen. Bereits Tacitus berichtet von dem mit höchstem Einsatz und Gefahr für Gut und Freiheit betriebenen Würfelspiel der Germanen. Das römische Recht unterscheidet zwischen erlaubtem und unerlaubtem S. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter wird die Forderung aus S. klaglos gestellt. Die Obrigkeit verbietet seit dem Spätmittelalter teils das S. unter Ordnungsgesichtspunkten, teils lässt sie es zwecks Erzielung von Einkünften (Steuern, Abgaben) unter Aufsicht zu (Spielbank, Spielcasino).

Lit.: Hübner § 87 II; Schuster, H., Das Spiel, 1878; Wohlhaupter, E., Zur Rechtsgeschichte des Spieles in Spanien, Spanische Forschungen 3 (1931), 92; Hartung, W., Die Spielleute, 1982; Endrei, W., Spiel und Unterhaltung im alten Europa, 1986; Duderstadt, D., Spiel, Wette und Differenzgeschäft (§§ 762-764 BGB) in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2007; Volles Risiko! Glücksspiel von der Antike bis heute, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Lacina, H., Die Spielleute nach spätmittelalterlichen deutschen Rechtsquellen, 2010; Stauß, T., Frühe Spielwelten, 2014; Hilüpert, H., Sport- und Spielregeln, 2019

Spießbürger ist der nur mit dem eigenen Spieß bewaffnete einfache →Bürger.

Spießrecht

Lit.: Bonin, B. v., Das Spießrecht in der Theorie des 17. und 18. Jahrhunderts, ZRG GA 25 (1904), 52

Spießrutenlaufen ist das Laufen eines Menschen (z. B. Fahnenflüchtigen) zwischen zwei Reihen von mit Spießen oder spitzen Ruten bewaffneten Menschen zwecks Demütigung oder Züchtigung. Es ist in dem Altertum wie in der frühen Neuzeit bekannt. Es führt als Folge des menschlichen Wesens vielfach zu dem Tod des Läufers.

Lit.: Franz, G., Ursprung und Brauchtum der Landsknechte, MIÖG 61 (1953), 79; Möller, H., Das Regiment der Landsknechte, 1976

Spindel (F.) Spinngerät

Spindelmage (F.) weibliche Verwandte

Lit.: Hübner §§ 106, 11; Kroeschell, DRG 1; Schröder, R., Über die Bezeichnung der Spindelmagen, ZRG GA 4 (1883), 1

Spinoza, Benedictus (Baruch) de (Amsterdam 24. 11. 1632-Den Haag 21. 2. 1677), portugiesisch-jüdischer Kaufmannssohn, wird nach der geistigen Lösung von dem Judentum (1656) Linsenschleifer und Philosoph. Er geht von der Identität Gottes mit der Natur aus, lässt den Menschen glückselig sein, der allein nach der Notwendigkeit seiner vernünftigen Natur lebt, hält die Demokratie für den besten Staatszustand und stellt das Naturrecht nach geometrischer Methode dar. An dem Ende des 18. Jahrhunderts werden diese Vorstellungen vielfach aufgegriffen.

Lit.: Dunin Borkowski, S. v., Spinoza, Bd. 1ff. 1933; Steffen, H., Recht und Staat im System Spinozas, 1968; Hong, H., Spinoza und die deutsche Philosophie, 1988; Senn, M., Spinoza und die deutsche Rechtswissenschaft, 1991; Ethik, Recht und Politik bei Spinoza, hg. v. Senn, M. u. a., 2001; Senn, M., Vom Recht der großen und kleinen Fische, (in) Recht, Moral und Faktizität, 2008, 201; Naturalismus und Demokratie, hg. v. Bartuschat, W. u. a., 2014

Spionage

Lit.: Thiemrodt, I., Strafjustiz und DDR-Spionage, 2000; Strafjustiz und DDR-Unrecht, hg. v. Marxen, K. u. a., Bd. 4 Spionage, 2004, Neudruck 2012; Rid, T., Mythos Cyberwar – Über digitale Spionage, Sabotage und andere Gefahren, 2018 (nicht nut mythisch, sondern effektiv); Appelius, S., Die Spionin – Olga Raue, 2019; Hechelhammer, B., Spion ohne Grenzen. Heinz Felfe – Agent in sieben Geheimdiensten, 2019

spiritualis (lat.) geistlich (in Gegensatz zu [lat.] temporalis, zeitlich bzw. weltlich)

Spital (zu lat. hospitalis) oder Hospital ist das Haus zu der Beherbergung von Fremden, Kranken, Alten und Armen. Es entsteht in dem ausgehenden Altertum. In dem Mittelalter geht das S. zunächst auf die Kirche zurück (Abtei, Kloster, Domspital). Seit dem Hochmittelalter kommen ritterliche und andere Orden, seit dem ausgehenden Mittelalter auch reiche Bürger als Gründer hinzu (z. B. Johann Twente 1339 in Osnabrück). Das S. wird als eigene Verbandsperson eingeordnet. In der Renaissance entsteht in dem Hospital eine hauptberufliche Betreuung für Patienten auf dem jeweiligen medizinischen Wissensstand. Seit dem 18. Jahrhundert wird das allgemeine S. durch besondere Einrichtungen (z. B. Krankenhaus) abgelöst.

Lit.: Reicke, S., Das deutsche Spital und sein Recht, Bd. 1f. 1932, Neudruck 1970; Imbert, J., Les hopitaux en droit canonique, 1947; Nasalli Rocca, E., Il diritto ospedaliero, 1956; Tierney, B., Medieval poor law, 1959; Berger, W., Das St.-Georgs-Hospital zu Hamburg, 1972; Wendehorst, A., Das Juliusspital in Würzburg, 1976; Kolb, P., Die Juliusspital-Stiftung zu Rothenfels, 1985; Jetter, D., Das europäische Hospital, 1986; Macht der Barmherzigkeit. Lebenswelt Spital, hg. v. Schmauder, A., 2000; Funktions- und Strukturwandel spätmittelalterlicher Hospitäler, hg. v. Matheus, M., 2003; Drossbach, G., Christliche caritas als Rechtsinstitut, 2004; Watzka, C., Vom Hospital zum Krankenhaus, 2005; Pauly, M., Peregrinorum, pauperum ac aliorum transeuntium receptaculum, 2007 (528 Hospitäler in 353 Orten); Sozialgeschichte mittelalterlicher Hospitäler, hg. v. Bulst, N. u. a., 2007; Hospitäler in Mittelalter und früher Neuzeit, hg. v. Drossbach, G., 2007; Hensel-Grobe, M., Das St.-Nikolaus-Hospital zu Kues, 2007; Europäisches Spitalwesen, hg. v. Scheutz, M. u. a., 2008; Quellen zur europäischen Spitalgeschichte in Mittelalter und früher Neuzeit, hg. v. v. Scheutz, M. u. a., 2010; Spitzer, I., Kirchliches Spitalwesen in Österreich, 2010; Wirtz, T., Hospital und Hypothek, 2013; Henderson, J., Das Spital im Florenz der Renaissance, 2014; Quellen zur Geschichte des Bürgerspitals Würzburg 1500-1650, bearb. v. Bergerhausen, H., 2014; Scheutz, M., u. a., Spital als Lebensform, 2015

Split (Aspalathos) an der Adria entsteht um einen von Kaiser Diokletian in dem späten 3. Jahrhundert n. Chr. errichteten Palast. In dem 6. Jahrhundert wird es Sitz eines Erzbischofs. 1396 erhält es eine Universität, die 1974 erneuert wird. Über Venedig (1420-1497) kommt es an Österreich, 1918 zu Jugoslawien.

Lit.: Steindorff, L., Die dalmatischen Städte, 1984; Dusa, J., The Medieval Dalmatian Episcopal Cities, 1991

Spolienrecht →ius spolii

Lit.: Prochnow, F., Das Spolienrecht, 1919; Kaps, J., Das Testamentsrecht, 1958; Schrader, E., Bemerkungen zum Spolien- und Regalienrecht der deutschen Könige im Mittelalter, ZRG GA 84 (1967), 128

Sponsalia (lat. (N.Pl.() ist seit dem altrömischen Recht das →Verlöbnis. Später wird unter (lat.) sponsalia de futuro (bezüglich der Zukunft) das Verlöbnis, unter sponsalia de praesenti (bezüglich der Gegenwart) die Eheschließung verstanden

Lit.: Kaser § 58 III; Köbler, DRG 22

Sponsio (lat. (F.() ist seit dem altrömischen Recht das Versprechen (Gelöbnis) oder die daraus entstehende Verpflichtung. Von hier aus wird die s. eine der drei Formen der →Bürgschaft. Auf ein Vertragsangebot (lat.) spondesne (versprichst du?) wird die Antwort (lat.) spondeo (ich verspreche) gegeben.

Lit.: Kaser §§ 7 III, 32 II, 57 II, 58 III; Söllner §§ 8, 9, 18, 24; Köbler, DRG 27, 44, 63

Sport ist die um ihrer selbst willen, zu der Stärkung der Gesundheit oder aus Interesse an dem körperlichen Wettkampf ausgeübte körperliche Tätigkeit. Der S. ist bereits in dem Altertum bedeutsam (z. B. Olympia). In dem Ersten Weltkrieg setzt sich die aus England stammende Sportidee gegen das deutsche Turnen durch. Wirtschaftliches Gewicht erlangt der S. seit der Professionalisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, mit der er auch stärker verrechtlicht wird.

Lit.: Decker, W., Sport in der griechischen Antike, 1995, 2. A. 1012; Newby, Z., Greek Athletics in the Roman World, 2005; Oswald, R., „Fußball-Volksgemeinschaft“, 2008; Tauber, P., Vom Schützengraben auf den grünen Rasen, 2008; Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Wir gegen uns - Sport im geteilten Deutschland, 2010; Hilpert, H., Die Geschichte des Sportrechts, 2012; Geschichte des Fußballs in Deutschland und in Europa seit 1954, hg. v. Pyta, W., 2013; Bahro, B., Der SS-Sport, 2013; Jaser, C., Agonale Ökonomien – Städtische Sportkulturen des 15. Jahrhunderts am Beispiel der Florentiner Palio-Pferderennen, HZ 298 (2013), 593; Baratella, N., Das kämpferische Subjekt, 2015; Sport ist …, hg. v. Loureda, Ó., 2016; Hilpert, H, Sport- und Spielregeln, 2019

Sprache ist die in Zeit und Raum unterschiedliche lautliche Gestalt menschlicher Gedanken, wobei die wohl in dem linken Stirnlappen und dem mit ihm durch ein bei Affen kaum vorhandenes und bei Kindern allmählich bis zu dem achten Lebensjahr reifendes Nervenfaserbündel verknüpften linken Schläfenlappen befindlichen, der Grammatik zugrundeliegenden Hirnfunktionen, mit deren Hilfe einzelne linear geordnete Laute als Zeichen für Gegebenheiten zu Aussagen verknüpft werden können, das vielleicht vor 50000 Jahren entwickelte Kennzeichen des Menschen sind. Das durchschnittliche Wortschatzwissen der Gegenwart umfasst wohl rund 50000 Einheiten, ist semantisch einfach, aber stark vernetzt und zwischen lautlichem Ausdruck und Inhalt (Bedeutung) nur lose verbunden. Das →Recht kann vor allem über Sprache wirken. Die an sich vergängliche Sprache kann durch →Schrift und andere Aufzeichnungen verhältnismäßig dauerhaft gemacht werden. In der Welt bestehen um das Jahr 2000 rund 6500 verschiedene Sprachen (davon 1100 von den 10 Millionen Bewohnern Neuguineas), von denen etwa 50 nur mehr einen einzigen Sprecher haben, so dass alle zwei Wochen eine Sprache ausstirbt, während die (2015) zwölf größten Sprachen wie (Mandarin-)Chinesisch 875 Millionen Sprecher, Hindi, Englisch, Spanisch, Arabisch, Portugiesisch, Bengalisch, Russisch, Französisch, Japanisch, Deutsch und Koreanisch insgesamt 3,2 Milliarden Muttersprachler und mehr als 5,3 Milliarden Sprecher insgesamt haben (Weltsprachen Englisch, Spanisch, Französisch, Arabisch, Portugiesisch, international bedeutsame Sprachen Englisch, Spanisch, Französisch, Chinesisch, Arabisch, Russisch, Deutsch, 3,05 Milliarden Sprecher einer indogermanischen Sprache, Sprachfamilie Niger-Kongo mit rund 1460 Einzelsprachen, Austronesisch mit rund 1150, mehr als 3000 Sprachen zusammen auf insgesamt 15 Millionen Menschen beschränkt, Baskisch mit bis zu 33000 möglichen Verbformen).

Lit.: Köbler, DRG 9; Köbler, LAW; Köbler, WAS; Günther, L. Recht und Sprache, 1898; Kalb, W., Wegweiser in die römische Rechtssprache, 1912, Neudruck 1961; Günther, L., Die deutsche Gaunersprache, 1919; Zaunmüller, W., Bibliographisches Handbuch der Sprachwörterbücher, 1958 (5500 Wörterbücher zwischen 1460 und 1958 in mehr als 500 Sprachen); Löfstedt, B., Studien über die Sprache der langobardischen Gesetze, 1961; Sonderegger, S., Die Sprache des Rechts im Germanischen, Schweiz. Monatshefte 42 (1962), 259; Schmitt, L., Entstehung und Struktur der neuhochdeutschen Schriftsprache, Bd. 1 1966; Baier, D., Sprache und Recht im alten Österreich, 1983; Wörterbuch der mittelhochdeutschen Urkundensprache, Bd. 1ff. 1986ff.; Vollmann-Profe, G., Wiederbeginn volkssprachiger Schriftlichkeit, 1986; Sprache und Recht (FS Schmidt-Wiegand, Ruth), hg. v. Hauck, K. u. a., 1986; Hattenhauer, H., Zur Geschichte der deutschen Rechts- und Gesetzessprache, 1987; Germanische Rest- und Trümmersprachen, hg. v. Beck, H., 1989; Sprache, Recht, Geschichte, hg. v. Eckert, J. u. a., 1991; Stammesrecht und Volkssprache, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1991; Lyons, J., Die Sprache, 4. A. 1992; Bio-bibliographisches Handbuch zur Sprachwissenschaft des 18. Jahrhunderts, hg. v. Brekle, H., Bd. 1ff. 1992ff.; Beiträge zum Sprachkontakt und zu den Urkundensprachen zwischen Maas und Rhein, hg. v. Gärtner, K. u. a., 1995; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Lyons, J., Einführung in die moderne Linguistik, 8. A. 1995; Schmidt, W., Geschichte der deutschen Sprache, 9. A. 2004; Lexicon grammaticorum, hg. v. Stammerjohann, H., 1996; Bodmer, F., Die Sprachen der Welt, 1997; Görgen, A., Rechtsgrenzen folgen Sprachgrenzen, ZRG GA 115 (1998), 388; Recht und Sprache in der deutschen Aufklärung, hg. v. Kronauer, U. u. a., 2001; Lohaus, M., Recht und Sprache in Österreich und Deutschland, 2000; Crystal, D., Language Death, 2000; Haarmann, H., Kleines Lexikon der Sprachen, 2001; Haarmann, H., Lexikon der untergegangenen Sprachen, 2002; Görgen, A., Rechtssprache in der frühen Neuzeit, 2002; Geschichte der deutschen Sprache, bearb. v. Langner, H. u. a., 9. A. 2004; Kuckenburg, M., Wer sprach das erste Wort?, 2004, 2. A. 2010, 3. A. 2016; Deisler, D., Die entnazifizierte Sprache, 2. A. 2006; Bergmann, R. u. a., Einführung in die deutsche Sprachwissenschaft, 5. A. 2010; Appenzeller, G., Das Niedersächsische Wörterbuch, 2011, ; Sprache - Recht - Gesellschaft, hg. v. Bäcker, C. u. a., 2012; Sprache(n) als europäisches Kulturgut, hg. v. Schmidt-Hahn, C., 2012; Sprache und Recht – Kolumnen aus der österreichischen Juristenzeitung, 2014; Stockhammer, Robert, Grammatik, 2014; Evans, N., Wenn Sprachen sterben, 2014; Oßwald, K., Grundzüge einer Frequenzanalyse des althochdeutschen Wortschatzes, 2015; Kausen, E., Die Sprachfamilien der Welt, Bd. 1f. 2015; Schmid, H., Historische deutsche Fachsprachen, 2015; Luth, J., Semantische Kämpfe im Recht, 2015; Wunderlich, D., Sprachen der Welt, 2015; Metzler Lexikon Sprache, hg. v. Glück, H., 2016 (rund 5000) Einträge); Ernst Kausen erzählt die Sprachen der Welt, 2016 (4 CD); Breitling, A., Weltgestaltung durch Sprache, 2017; Deutsche Regionalsprachen in Mittel- und Südosteuropa, 2019; Göttert, K., Die Sprachreiniger – Der Kampf gegen Fremdwörter und der deutsche Nationalismus, 2019

Sprichwort →Rechtssprichwort

Lit.: Röhrich, L./Mieder, W., Sprichwort, 1977; Thesaurus proverbiorum medii aevi, begr. v. Singer, S., Bd. 1ff. Bd. 6 (heilig-Kerker) 1998

Spruch (M.) Urteil

Spruchkollegium ist das für ein Urteil zuständige Kollegium (z. B. juristische Fakultät seit dem 14. Jahrhundert, verstärkt in dem Rahmen der →Aktenversendung von dem 16. bis 19. Jahrhundert).

Lit.: Buchda, G., Die Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät, ZRG GA 62 (1942).; Klugkist, E., Die Göttinger Juristenfakultät, Diss. jur. Göttingen 1951 masch.schr.; Haalck, J., Die Rostocker Juristenfakultät, (in) Wiss. Z. d. Univ. Rostock 8 (1958/9); Haalck, J., Zur Spruchpraxis der Juristenfakultät Frankfurt (Oder), FS R. Lehmann, 1958; Jammers, A., Die Heidelberger Juristenfakultät, 1969; Weiß, R., Aus der Spruchtätigkeit der alten Juristenfakultät zu Kiel, Diss. jur. Kiel 1965; Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965; Pätzold, G., Die Marburger Juristenfakultät, 1966; Gehring, H., Das Lehrzuchtverfahren in der evangelischen Kirche, Diss. jur. Göttingen, 1968, Schikora, A., Die Spruchpraxis an der Juristenfakultät zu Helmstedt, 1972; Schildt, B., Die Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1980 masch.schr.; Lück, H., Die Spruchtätigkeit der Wittenberger Juristenfakultät, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1982 masch.schr.

Spurfolge ist die Verfolgung der Spuren eines Diebes in dem älteren Recht. In dem fränkischen Recht ist S. nur in einer Frist von 3 Nächten zulässig. Die S. erlaubt, wenn die Spur in ein Haus führt, dessen Durchsuchung.

Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1; Rauch, K., Spurfolge und Anefang, 1908; Goldmann, E., Tertia manus und Intertiation, ZRG GA 39 (1918), 145, 40 (1919), 199; Rauch, K., Spurfolge und Dritthandverfahren, ZRG GA 68 (1951), 1; Vec. M., Die Spur des Täters, 2002

SS (Schutzstaffel) (1925 von Adolf Hitler nach seiner Haftentlassung für Freiwillige begründet, anfangs unter SA-Führung, 1929 280 Mann stark, Heinrich Himmler unterstellt, Ende 1930 3000-4000, zeitweilig 400000, 1939 mehr als 200000 Mitglieder, etwa 90 Prozent allgemeine SS, herkunftsmäßig gut der Gesamtbevölkerung entsprechend und 1945 dementsprechend leicht eingegliedert, geschätzt 400000 Deutsche, 500000 Volksdeutsche und Ausländer in der Waffen-SS)

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Kogon, E., Der SS-Staat, 1946; Wegner, B., Hitlers Politische Soldaten, 6. A. 1999; Schulte, J., Zwangsarbeit und Vernichtung – Das Wirtschaftsimperium der SS, 2001; Syndor, C., Soldaten des Todes, 2002; Dierker, W., Himmlers Glaubenskrieger, 2003; Die SS, hg. v. Smelser, R. u. a., 2. A. 2003; Schwan, H./Heindrichs, H., Der SS-Mann – Josef Blösche, 2003; Kaienburg, H., Die Wirtschaft der SS, 2003; Bidigarai Diehl, P., Macht – Mythos – Utopie, 2004; Cüppers, M., Wegbereiter der Shoa, 2005; Schneider, C., Die SS und „das Recht“, 2005; Longerich, P., Heinrich Himmler, 2008; Die SS, Himmler und die Wewelsburg, hg. v. Schulte, J., 2009; Rohrkamp, R., Weltanschaulich gefestigte Kämpfer, 2010; Rothländer, C., Die Anfänge der Wiener SS, 2012; Hein, B., Elite für Volk und Führer?, 2012; Dillon, C., Dachau & the SS – A Schooling in Violence, 2015; Pieper, H., Fegelein’s Horsemen and Genocidal Warfare – The SS Cavalry Brigade in the Soviet Union, 2015; Hein, S., Die SS, 2015; Zaugg, F., Albanische Muslime in der Waffen-SS, 2016; The Waffen-SS - A European History, hg. v. Böhler, J. u. a., 2017; Lehnhardt, J., Die Waffen-SS, 2017; Eichmüller, A., Die SS in der Bundesrepublik, 2018; Kuppel, D., „Das Echo unserer Taten“, 2019

Staat ist die auf Dauer berechnete Zusammenfassung einer Anzahl von Menschen (Staatsvolk) auf einem bestimmten Teil der Erdoberfläche (Staatsgebiet) unter Regelung aller für deren gemeinschaftliches Leben notwendigen Belange durch einen innerhalb der Gemeinschaft obersten Willensträger (Staatsgewalt), sofern sich die von diesem Willensträger aufgestellte Ordnung tatsächlich durchgesetzt hat und keinem völkerrechtswidrigen Zweck dient. Als S. wird bereits der Stadtstaat des Altertums eingeordnet (Athen, Rom). In dem Übrigen entsteht der S. wohl erst seit dem Spätmittelalter. Er erzielt Einkünfte zunächst vor allem aus seinen Gütern, dann zunehmend auch durch Steuern. Er ist Verbandsperson bzw. seit dem 19. Jahrhundert →juristische Person des öffentlichen Rechtes. Durch Verdichtung der Herrschaft steigert der →Souveränität beanspruchende S. seine Machtausübung in der frühen Neuzeit zu dem →Absolutismus. Hiergegen wenden sich aufgeklärte Philosophen, deren Gedanken seit der →französischen Revolution zu dem (theoretischen) Übergang der Staatsgewalt auf das Volk (→Volkssouveränität) und zu der Teilung der Staatsgewalt unter verschiedenen Staatsorganen (→Gewaltenteilung) führen. Dennoch wächst die Macht des von Wilhelm Albrecht 1837 erstmals als juristische Person eingeordneten Staates und die Gefahr ihres Missbrauches durch jeweilige Amtsträger unaufhörlich. Die formelle →Verfassung (1776) vermag sie nicht in jedem Fall zuverlässig zu begrenzen. Die beste Sicherheit bietet die allgemeine Anerkennung inhaltlich rechtstreuer Gesinnung. Dies ist um so wichtiger, je mehr sich der S. aufbläht (im Deutschen Reich 1925 fast 2000000 Beschäftigte = 5,6 Prozent aller Erwerbstätigen, 8,4 % der abhängigen Erwerbstätigen, Anteil der gesamten öffentlichen Wirtschaft an dem Volkseinkommen rund 10 Prozent). Zwischen 1800 und 2000 erhöht der Staat seinen Anspruch auf das Gesamteinkommen von etwa einem Zehntel auf etwa die Hälfte, wobei um 1800 zwei Drittel der Staatseinkünfte für Verteidigung und Innvenverwaltung ausgegeben werden, um 2000 für Infrastruktur, Bildung und Soziales.

Lit.: Kaser § 17 II 1a; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 111, 136, 140, 176, 248; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 1; Huber, M., Die Staatensuccession, 1898, Neudruck 2013; Redslob, R., Die Staatstheorien der französischen Nationalversammlung von 1789, 1912; Below, G. v., Der deutsche Staat des Mittelalters, 1914; Fehr, H., Die Staatsauffassung Eikes von Repgow 37 (1916), 131; Fleiner, F., Entstehung und Wandlung moderner Staatstheorien in der Schweiz, 1916; Keutgen, F., Der deutsche Staat des Mittelalters, 1918; Der deutsche Staatsgedanke, zusammengestellt v. Joachimsen, P., 1921, Neudruck 1967; Goebel, J., The equality of States, 1923; Weimann, K., Der Staat des deutschen Mittelalters, 1925; Schramm, P., Studien zu frühmittelalterlichen Aufzeichnungen über Staat und Verfassung, ZRG GA 49 (1929), 167; Schulte, A., Der deutsche Staat, 1933; Mayer, T., Die Entstehung des „modernen“ Staates im Mittelalter und die freien Bauern, ZRG GA 57 (1937), 210; Waas, A., Herrschaft und Staat im deutschen Frühmittelalter, 1938; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Stolz, O., Das Wesen des Staates im deutschen Mittelalter, ZRG GA 61 (1941), 234; Jantke, C., Preußen, Friedrich der Große und Goethe in der Geschichte des deutschen Staatsgedankens, 1941; Lemke, W., Entwicklung des deutschen Staatsgedankens bei Friedrich Nietzsche, 1941; Heydte, F. Frhr. v. d., Die Geburtsstunde des souveränen Staates, 1952; Vaccari, P., Stato e classi nel paesi Europei, 1957; Häfelin, U., Die Rechtspersönlichkeit des Staates, 1959; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Suerbaum, W., Vom antiken zum frühmittelalterlichen Staatsbegriff, 1961, 2. A. 1970; Hofmann, H., Adelige Herrschaft und souveräner Staat, 1962; Kudrna, J., Stát a společnost na úsvitě italské renesance (Staat und Gesellschaft am Vorabend der italienischen Renaissance), 1964; Willi, H., Die Staatsauffassung Edmund Burkes (1729-1797), 1964 (Diss. jur. Bern 1954); Willi, H., Die Staatsauffassung Edmund Burkes (1729-1797), 1964; Koerber, E. v., Die Staatstheorie des Erasmus von Rotterdam, 1967; Hauser, S., Untersuchungen zum semantischen Feld der Staatsbegriffe, Diss. phil. Zürich 1967; Entrèves, A. Passerin d’, The Notion of the State, 1967; Mager, W., Zur Entstehung des modernen Staatsbegriffs, 1968; Broszat, M., Der Staat Hitlers, 11. A. 1986; Weinacht, P., Staat, 1968; Quaritsch, H., Staat und Souveränität 1, 1970; Conrad, H., Der deutsche Staat, 2. A. 1974; Hanisch, W., Der deutsche Staat König Wenzels, ZRG GA 92 (1975), 21; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Strayer, J., Die mittelalterlichen Grundlagen des modernen Staates, 1975; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987, 3. A. 1995; Struve, T., Die Entwicklung der organologischen Staatsauffassung im Mittelalter, 1978; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Ogris, W., Recht und Staat bei Maria Theresia, ZRG GA 98 (1981), 1; Adomeit, K., Antike Denker über den Staat, 1982; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982; Ambrosius, G., Die öffentliche Wirtschaft in der Weimarer Republik, 1984; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Stollberg-Rilinger, B., Der Staat als Maschine, 1986; Grimm, D., Recht und Staat der bürgerlichen Gesellschaft, 1987; Renaissance du pouvoir législatif et génèse de l´État, hg. v. Gouron, A. u. a., 1988; Breuer, Der archaische Staat, 1990; Stichweh, R., Der frühmoderne Staat, 1991; Conquest and Coalescence, hg. v. Greengrass, M., 1991; Demel, W., Vom aufgeklärten Reformstaat zum bürokratischen Staatsabsolutismus, 1993, 2. A. 2010; Schulze, H., Staat und Nation, 1994; Staatsaufgaben, hg. v. Grimm, D., 1994; Zippelius, R., Geschichte der Staatsideen, 10. A. 2003; Demandt, A., Antike Staatsformen, 1995; Truhart. P., Historical Dictionary of States - Lexikon der historischen Staatsnamen, 1995; Zippelius, R., Staat und Kirche, 1997; Meyer, T., Stand und Klasse, 1997; Herzog, R., Staaten der Frühzeit, 2. A. 1998; Hillgruber, C., Die Aufnahme neuer Staaten in die Völkerrechtsgemeinschaft, 1998; Leuthäusser, W., Die Entwicklung staatlich organisierter Herrschaft, 1998; Staatliche Vereinigung, hg. v. Brauneder, W., 1998; Jost, E., Staatsschutzgesetzgebung, 1998; Identità territoriali e cultura politica nella età moderna. Territoriale Identität und politische Kultur in der frühen Neuzeit, hg. v. Bellabarba, M. u. a., 2000; Reinhard, W., Verstaatlichung der Welt?, 1999; Kersting, W., Platons „Staat“, 1999; Demandt, A., Der Idealstaat, 2000; Kahl, W., Die Staatsaufsicht, 2000; Uhlenbrock, H., Der Staat als juristische Person, 2000; Di Fabio, U., Der Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft, 2001; Schulz, G., Europa und der Globus – Staaten und Imperien seit der Antike, 2001; Giannios, S., Das Werden des Palästinenserstaats, 2002; Fuhrmann, M., Volksvermehrung als Staatsaufgabe?, 2002; Roth, K., Genealogie des Staates, 2003; Maitland, F., State, Trust and Corporation, ed. by Runciman, D. u. a., 2003; Staatsformen, hg. v. Gallus, A. u. a., 2004, 2. A. 2007; Schulze, H., Staat und Nation in der europäischen Geschichte, 2004; Staatsformen, hg. v. Gallus, A. u. a., 2004; Das Wissen des Staates, hg. v. Collin, P. u. a., 2004; Rösler, J., Der Ursprung des Staates, 2004; Staatsbildung als kultureller Prozess, hg. v. Asch, R. u. a., 2005; Figurationen des Staates, hg. v. Chatriot, A. u. a., 2005; Statehood before and beyond Ethnicity, hg. v. Eriksonas, L. u. a., 2005; Zusammengesetzte Staatlichkeit in der europäischen Verfassungsgeschichte, hg. v. Becker, H., 2006; Vom Feld, I., Staatsentlastung im Technikrecht, 2007; Politeia - staatliche Verfasstheit bei Platon, hg. v. Nitschke, P., 2008; Der frühmittelalterliche Staat, hg. v. Pohl, W., 2009; Blanke-Kießling, U., … dieser Staat ist nicht mein Staat … 2009 (Tucholsky); Lei, Y., Auf der Suche nach dem modernen Staat, 2010; Handbuch Staatsdenker, hg. v. Voigt, R. u. a., 2010; Demel, W., Vom aufgeklärten Reformstaat zum bürokratischen Staatsabsolutismus, 1993, 2. A. 2010; Marquardt, B., Universalgeschichte des Staates, 2009; John Stuart Mill und der sozialliberale Staatsbegriff, hg. v. Höntzsch, F., 2011; Globale Rivalitäten, hg. v. Birnk, T. ten, 2011; Pauka, M., Kultur, Fortschritt und Reziprozität, 2012; Heimbeck, L., Die Abwicklung von Staatsbankrotten im Völkerrecht, 2013; Staat und Ordnung im konservativen Denken, hg. v. Großgeim, M. u. a., 2013; The Oxford Handbook of the State in the Ancient Near East and Mediterranean, hg. v. Bang, P. u. a., 2013; Breuer, S., Der charismatische Staat, 2014; Der moderne Staat und le doux commerce – Politik, Ökonomie und politische Beziehungen im politischen Denken der Aufklärung, hg. v. Asbach, O., 2014; Weinacht, P., Staat- Staatsräson – Staatsbürger, 2014; Siep, L., Der Staat als irdischer Gott, 2015; Hirsch/Kannankulam/Wissel, Der Staat der bürgerlichen Gesellschaft, 2015Staatsdenken – Zum Stand der Staatstheorie heute, hg. v. Voigt, R., 2016; Vom Vorrücken des Staates in die Fläche, hg. v. Ganzenmüller, J u. a., 2016; Gespräche über den Staat, hg. v. Schliesky, Utz, 2017; Skinner, Q, Thomas Hobbes und die Person des Staates, 2017; Willoweit, D., Staatsbildung und Jurisprudenz, 2019 (Aufsatzsammlung).

Staatenbund ist der vertraglich vereinbarte Bund mehrerer souverän bleibender Staaten (z. B. Vereinigte →Niederlande 1579-1795, →Rheinbund 1806-1813, →Deutscher Bund 1815, →Schweiz 1815-1848, Staatengemeinschaft oder Staatenverbund →Europäische Gemeinschaft bzw. Europäische Union 1952 bzw. 1993). Der S. ist kein Staat und kein Völkerrechtssubjekt. Rechtssätze (des Staatenbunds) erlangen in den Staaten grundsätzlich nur durch Umsetzung (Transformation) Geltung.

Lit.: Ebers, G., Die Lehre vom Staatenbunde, 1910, Neudruck 1966; Politz, C., Die Verfassung des deutschen Staatenbundes, Bd. 1f. 1847; Müller-Kinet, H., Die höchste Gerichtsbarkeit im deutschen Staatenbund, 1975; Kuschnick, M., Integration in Staatenverbindungen, 1999

Staatenhaus ist die Vertretung der Staaten in der Verfassung des geplanten →Deutschen Reiches von 1848. Das S. besteht aus 192 von den Regierungen und den Parlamenten der Einzelstaaten ausgewählten Mitgliedern.

Lit.: Köbler, DRG 194

Staatsangehörigkeit ist die Mitgliedschaft eines Menschen in einem Staat. Sie erscheint nach älteren frühneuzeitlichen Vorläufern in Frankreich 1791, in dem Heiligen römischen Reich nach 1800. Seitdem wird sie in dem Gefolge des Code Napoléon (Art. 9-21) (1804) Frankreichs meist gesetzlich besonders geregelt (z. B. [§§ 28ff. ABGB Österreichs von 1811,] Preußen 1842, Deutsches Reich 1870, 1913 Übergang von dem Territorialgrundsatz zu dem Abstammungsprinzip, an dem Beginn des 21. Jahrhunderts aus Mangel an Beitragszahlern zu der Sozialversicherung für Zuwanderer gelockert).

Lit.: Zenthöfer, E., Zur Geschichte des Begriffs der Staatsangehörigkeit, Diss. jur. Königsberg 1938; Vanel, M., Histoire de la nationalité française, 1945; Grawert, R., Staat und Staatsangehörigkeit, 1973; Hecker, H., Staatsangehörigkeit im Code Napoléon, 1980; Gosewinkel, D., Die Staatsangehörigkeit als Institution des Nationalstaats, (in) Offene Staatlichkeit, 1995; Ernst, A., Das Staatsangehörigkeitsrecht, Diss. jur. Münster 1999; Gosewinkel, D., Einbürgern und ausschließen, 2001, 2. A. 2004; Trevisiol, O., Die Einbürgerungspraxis im deutschen Reich 1871-1945, 2006

Staatsanwalt ist der Vertreter des Staates in der Strafanklage. Der auch die ausführende Staatsgewalt gegenüber der unabhängig werdenden Gerichtsbarkeit stärkende S. findet sich nach französischem Vorbild (procurator des Königs als Vertreter der königlichen Interessen [z. B. Einziehung von Geldbußen] vor Gericht 14. Jahrhundert, →ordonnance de Villers-Cotterets von 1539, ab Ordonnanz von 1670 beherrschende Stellung in dem Strafverfahren, öffentliche Partei zu der Vertretung öffentlicher Interessen und zu der Kontrolle der Richter, ministère public [Dienststelle für öffentliche Angelegenheiten], nach 1789 an Stelle der königlichen Prokuratoren von dem König ernannte, königliche Kommissare als Gesetzeswächter in dem Verfahren einerseits und von dem Volk gewählte öffentliche Ankläger an dem Gerichtshof andererseits, Aufhebung dieser Zweiteilung durch die Jakobiner, erneute Trennung beider Funktionen nach dem Sturz Robespierres, mit der Verfassung von dem Dezember 1799 endgültige Aufhebung der Trennung von Anklagefunktion und Gesetzeswächteramt und Verschwinden des öffentlichen Anklägers und damit Eröffnung der modernen Staatsanwaltschaft, ministère de public 1808) seit 1810 in dem linksrheinischen Rheinland. Es folgen Baden 1831/1832 (je ein Staatsanwalt bei den vier badischen Regierungskreisen Seekreis, Oberrheinkreis, Mittelrheinkreis und Unterrheinkreis in Meersburg, Freiburg im Breisgau, Rastatt und Mannheim), Hannover 1841 (öffentlicher Anwalt, Kriminalfiskal Vertreter des öffentlichen Strafverfolgungsinteresses, 1849 provisorische Staatsanwaltschaft), Württemberg 1843 und Preußen (1. 1.) 1846 unter teilweiser Beschränkung auf bestimmte Verfahren wie etwa Pressevergehen, 1877/1879 das Deutsche Reich (1893 Oberreichsanwalt, 4 Reichsanwälte an dem Reichsgericht, 54 Staatsanwälte bei den Oberlandesgerichten, 542 Staatsanwälte bei den Landgerichten). Das ursprünglich für den S. geltende →Legalitätsprinzip weicht seitdem zunehmend dem →Opportunitätsprinzip.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 202, 203, 228, 235; Sundelin, P., Die Staatsanwaltschaft in Deutschland, 1860; Elling, E., Die Einführung der Staatsanwaltschaft, 1911, Neudruck 1977; Carsten, E., Die Geschichte der Staatsanwaltschaft, 1932, Neudruck 1971, Carsten, E./Rautenberg, E., Die Geschichte der Staatsanwaltschaft, 2. A. 2012, 3. A. 2015; Sättler, A., Die Entwicklung der französischen Staatsanwaltschaft, Diss. jur. Mainz 1956; Schuhmacher, U., Staatsanwaltschaft und Gericht im Dritten Reich, 1985; Biebl, W., Zur Geschichte der Staatsanwaltschaft, Bay. VwBll. 1992; Wohlers, W., Entstehung und Funktion der Staatsanwaltschaft, 1994; Knollmann, J., Die Einführung der Staatsanwaltschaft, 1994; Festgabe 150 Jahre Staatsanwaltschaft Berlin, hg. v. d. Senatsverwaltung für Justiz, 1997; Collin, P., „Wächter der Gesetze“ oder „Organ der Staatsregierung“? Konzipierung, Einrichtung und Anleitung der Staatsanwaltschaft, 2000; Staatsanwaltschaft, hg. v. Durand, B., 2005; Wulff-Kuckelsberg, S., Procureurs, 2005; Lacher, A., Friedrich Oskar von Schwarze (30. 09. 1816-17. 01. 1896), Diss. jur. Würzburg 2008; Kneip, W., Die Staatsanwaltschaft Mannheim im 19. Jahrhundert, 2010; Pragst, R-. Auf Bewährung, 2011; Staatsanwaltschaftsrecht (1934-1982) eingeleitet und hg. v. Schubert, W., 2013 Baden 1831/1832, Hannover 1841, Württemberg 1843; Wilke, M., Staatsanwälte als Anwälte des Staates?, 2016; Bichat, T., Die Staatsanwaltschaft als rechts- und kriminalpolitische Steuerungsinstanz im NS-Regime, 2016 (Sondergericht Köln); Kleinknecht, O., In dem Sturm der Zeiten – Aus den Erinnerungen eines württembergischen Staatsanwalts 1929 bis 1949, 2016; Vurgun, O., Die Staatsanwaltschaft beim Sondergericht Aachen, 2017

Staatsaufsicht

Lit.: Kahl, W., Die Staatsaufsicht, 2000

Staatsbürger ist das bewusst als Bürger mit Teilhaberecht an dem Staat (Staatsangehörigkeit) verstandene Mitglied eines Staates. Der S. wird zwischen 1770 und 1789 allgemein anerkannt (in Österreich 1811 in den §§ 28ff. ABGB geregelt, 1849 einheitlich, Heimatrecht in einer Gemeinde, 1867 für Cisleithanien und Transleithanien getrennt, 1920 Bundesstaatsbürgerschaft und Landesstaatsbürgerschaft, 1938 deutsche Staatsbürgerschaft, 1945 Bundesstaatsbürgerschaft und Landesstaatsbürgerschaft ohne besonderes Heimatrecht, 1988 einheitliche Staatsbürgerschaft Österreichs). 1919 werden in dem Deutschen Reich die S. einander gleichgestellt.

Lit.: Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Weinacht, P., Staatsbürger, Der Staat 8 (1969), 41; Bürger und Bürgerlichkeit, hg. v. Vierhaus, R., 1981; Reiter, I., Ausgewiesen, abgeschoben, 2000; Gosewinkel, D., Einbürgern und Ausschließen, 2001; Pütter, N., Teilnahme und Staatsbürgertum, 2001; Fahrmeir, A., Citizenship, 2007; Fahrmeir, A., Die moderne Staatsbürgerschaft und ihre Grenzen, HZ 286 (2008), 641; Gironda, V., Die Politik der Staatsbürgerschaft, 2010; Staatsbürgerschaft und Teilhabe, hg. v. Boeckh, K. u. a., 2014; Angster, J. u. a., Staatsbürgerschaft im 19. und 20. Jahrhundert, 2019

Staatsgebiet →Staat

Lit.: Stengel, E., Regnum und imperium, 1930

Staatsgerichtshof ist in dem 19. Jahrhundert das Verfassungsgericht (→Verfassungsgerichtsbarkeit) einzelner Staaten vor allem für Anklagen gegen oberste Verwaltungsorgane wegen schuldhafter Amtspflichtverletzung (Württemberg 1819, Sachsen 1831, Bayern 1848, Kremsierer Entwurf Österreichs, Märzverfassung Österreichs 1849, aber nicht verwirklicht und 1851 formell wieder beseitigt, durch Gesetz von dem 25. 7. 1867 wieder eingeführt, aber nie verwendet, 3. 4. 1919 Verfassungsgerichtshof [1921, 1923 und 1985 staatsgerichtliche Verfahren durchgeführt] Sachsen-Weimar-Eisenach 1850, Oldenburg 1852, Baden 1868), 1921 für das Deutsche Reich. In dem Mittelpunkt der Tätigkeit der Staatsgerichtshöfe steht vor allem die →Ministeranklage. Nach 1945 gehen die meisten Länder zu einem →Verfassungsgericht über.

Lit.: Scheel, M., Die Staatsgerichtshöfe der deutschen Länder, Diss. jur. Leipzig 1931; Grund, H., Preußenschlag und Staatsgerichtshof, 1976; Wehler, W., Der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, Diss. jur. Bonn 1979; Vetter, J., Die Bundesstaatlichkeit, 1980; Landesverfassungsgerichtsbarkeit, hg. v. Starck, C. u. a., 1983; Hueck, I., Der Staatsgerichtshof zum Schutz der Republik, 1996

Staatsgewalt →Staat

Lit.: Wolzendorff, K., Staatsrecht und Naturrecht, 1916; Wenger, L., Hausgewalt und Staatsgewalt im römischen Altertum, 1942; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Lieberwirth, R., Die historische Entwicklung der Theorie vom vertraglichen Ursprung des Staates, SB. d. sächs. Akad. d. Wiss. 118, 2, 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1978; Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht, 1985; Reinhard, W., Geschichte der Staatsgewalt, 1999; Weber-Fas, R., Über die Staatsgewalt, 2000; Gerstenberger, H., Die subjektlose Gewalt, 2. A. 2006

Staatsgrundgesetz ist die Bezeichnung für ein die Verfassung des Staates grundlegend bestimmendes Gesetz (z. B. Österreich 20. 10. 1860, 21. 12. 1867). Die 5 bzw. 6 österreichischen Staatsgrundgesetze von dem 21. 12. 1867 (→Dezemberverfassung) betreffen die Reichsvertretung, die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, die Einsetzung eines Reichsgerichts, die richterliche Gewalt und die Ausübung der Regierungsgewalt und Vollzugsgewalt.

Lit.: Köbler, DRG 193, 231; Baltl/Kocher; Bauer, D., Sprache und Recht im alten Österreich, 1983; Krech, J., Das schleswig-holsteinische Staatsgrundgesetz vom 15. September 1848, 1985

Staatshaftung ist die Haftung des Staates für den durch staatliches Verhalten entstandenen Schaden. Sie beruht auf der bereits in dem 18. Jahrhundert allgemein anerkannten Haftung des →Beamten für eine Verletzung seiner Amtspflichten (Amtshaftung, Vorgänger Syndikatsklage gegen einen Richter z. B. in der Reichskammergerichtsordnung von 1555) und der Haftung des Staates als juristischer Person für ein Verhalten seiner Organe. Nach der Mandatstheorie kann dabei wegen Überschreitung des Mandats rechtswidriges Verhalten des Beamten dem Fürsten oder Staat nicht zugerechnet werden. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) setzt die Haftung des Beamten für schuldhafte Amtspflichtverletzungen fest, das preußische Beamtenhaftungsgesetz (1909) und das Reichsbeamtenhaftungsgesetz von 1910 lassen zu dem Schutz des Beamten den Staat eintreten (in Sachsen-Altenburg bereits 1831, in Sachsen-Coburg-Gotha bereits 1852, in Bayern 1899). Art. 131 WRV und Art. 34 GG knüpfen an die Beamtenhaftung des § 839 BGB an, leiten die Haftung aber auf den Staat über. Der Europäische Gerichtshof bejaht die Haftung des Staates für europarechtswidriges Verhalten der Gesetzgebung, Ausführung und Rechtsprechung (z. B. des Parlaments, der Verwaltung und des Verwaltungsgerichtshofs Österreichs).

Lit.: Köbler, DRG 259; Loening, E., Die Haftung des Staates aus rechtswidrigen Handlungen seiner Beamten, 1879; Heidenhain, M., Amtshaftung und Entschädigung, 1965; Kohl, J., Die Lehre von der Unrechtsfähigkeit des Staates, 1977; Henne, T., Verwaltungsrechtsschutz im Justizstaat; Pfab, S., Staatshaftung in Deutschland, 1997; Ossenbühl, F., Staatshaftung, 5. A. 1998; Grzeszick, B., Rechte und Ansprüche, 2002; Bertelmann, H., Die Europäisierung des Staatshaftungsrechts, 2005; Thompson, D., Krieg ohne Schaden, 2015

Staatshaushalt →Haushalt

Lit.: Köbler, DRG 225, 251; Riedel, A., Der brandenburg-preußische Staatshaushalt, 1866; Schmelzle, H., Der Staatshaushalt des Herzogtums Bayern, 1900; Friauf, P., Der Staatshaushaltsplan, 1968; Müller, P., Theorie und Praxis des Staatshaushaltsplans im 19. Jahrhundert, 1989; Ullmann, H., Der deutsche Steuerstaat, 2005; Schirmer, U., Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656), 2006

Staatskanzler ist in Österreich in dem 18. und 19. Jahrhundert die Amtsbezeichnung der Fürsten Kaunitz und Metternich als Leiter der Haus-, Hof- und Staatskanzlei und von 1918 bis 1919 sowie 1945 Karl Renners.

Staatskirche ist die in einem Staat allein anerkannte Kirche (z. B. Rom in der Spätantike, evangelische Länder des Heiligen römischen Reiches, Großbritannien, Schweden, Spanien).

Lit.: Barceló, P., Constantius II. und seine Zeit. Die Anfänge des Staatskirchentums, 2004

Staatskirchenrecht ist das staatliche, die Kirche betreffende Recht. Das Wort ist erstmals in dem Motivenbericht zu dem Katholikengesetz Österreichs 1874 verwendet. Es umfasst sachlich die Gesamtheit der staatlichen Rechtssätze betreffend die Kirche bzw. die Religion.

Lit.: Heckel, M., Staat und Kirche, 1968; Seifert, E., Paul Joseph Riegger, 1973; Staat und Kirche im 19. Jahrhundert, hg. v. Huber, E. u. a., Bd. 1 1973; Winter, J., Die Wissenschaft vom Staatskirchenrecht im Dritten Reich, 1979; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Staat und Kirche im 20. Jahrhundert, hg. v. Huber, E. u. a., Bd. 1ff. 1980ff.; Ortloff, C., Das staatskirchenrechtliche System Wilhelm Traugott Krugs, 1998; Schneider, B., Ius reformandi, 2001; Ochsenfahrt, V., Die staatskirchenrechtliche Stellung des katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland, 2007; Heckel, M., Vom Religionskonflikt zur Ausgleichsordnung, 2007; 100 Begriffe aus dem Staatskirchenrecht, hg. v. Heinig, H. u. a., 2012

Staatslehre ist der seit dem Ende des 18. Jahrhunderts entstehende Zweig der Rechtswissenschaft, der sich mit dem Wesen des Staates als solchem befasst.

Lit.: Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, Neudruck 2009; Deutsche Rechtswissenschaft und Staatslehre im Spiegel der italienischen Rechtskultur, hg. v. Schulze, R., 1990; Staatslehrer der frühen Neuzeit, hg. v. Hammerstein, N., 1995; Trott zu Solz, L. v., Hans Peters und der Kreisauer Kreis, 1997; Badura, P., Die Methoden der neueren allgemeinen Staatslehre, 2. A. 1998; Schuppert, G., Staatswissenschaft, 2003; Rüdiger, A., Staatslehre und Staatsbildung, 2005; Reformierte Staatslehre in der frühen Neuzeit, hg. v. Wall, H. de, 2014

Staatsnotstand ist die außerordentliche Gefahr für den Bestand eines Staates. Für diesen Fall enthält das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland seit 1968 eine Notstandsverfassung.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Ballreich, H. u. a., Das Staatsnotrecht, 1955; Schüler-Springorum, H., Notstand im Völkerrecht, Diss. jur. Marburg 1956 masch.schr.; Der Staatsnotstand, hg. v. Fraenkel, E., 1965; Boldt, H., Rechtsstaat und Ausnahmezustand, 1967; Radke, K., Der Staatsnotstand im modernen Friedensvölkerrecht, 1988; Casanova, A., Legale oder legitime Diktatur?, 2006; Rose, M., Schleiermachers Staatslehre, 2012

Staatsoberhaupt ist das an der Spitze eines Staates stehende Staatsorgan (z. B. König, Präsident).

Lit.: Bouveret, M., Die Stellung des Staatsoberhauptes in der parlamentarischen Diskussion und Staatsrechtslehre von 1848 bis 1918, 2003

Staatspolizei →geheime Staatspolizei

Staatsraison ist die zu der Förderung des Staatswohles erforderliche Klugheit. Die S. wird in Italien in dem 16. Jahrhundert aufgegriffen. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wird sie wegen der Nähe von Staat und Fürst oder Staat und Partei auch kritisch gesehen.

Lit.: Meinecke, F., Die Idee der Staatsraison, 4. A. 1976; Friedrich, C., Die Staatsraison im Verfassungsstaat, 1961; Stolleis, M., Staatsraison, 1972; Staatsraison, hg. v. Schnur, R., 1975; Lutz, H., Ragione di Stato, 2. A. 1976; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Thuau, E., Raison d’État, 1966; Weinacht, P., Staat, 1968; Munkler, H., Im Namen des Staates, 1987; Voß, W., Vereinigungsfreiheit und Staatsräson, (in) Libertas, 1991, 301; Tieck, K., Staatsräson und Eigennutz, 1998; Staatsräson in Deutschland, hg. v. Heydemann, G. u. a., 2003; Raison(s) d’Etat(s) en Europe, hg. v. Krulic, B., 2010

Staatsrat ist das der Staatsleitung dienende Beratungsorgan (z. B. Österreich 10. 12. 1760-4. 4. 1848 [1851-26. 2. 1861 Reichsrat, 26. 2. 1861-12. 6. 1868 Reichsrat, 1918-März 1919], 1934, Preußen 1808-1817, 1921-1933 [etwa 80 Mitglieder]). In der →Deutschen Demokratischen Republik ist der S. ab 12. 9. 1960 Leitungsorgan.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jahrhundert; Baltl/Kocher; Hoch, C., Frhr. v., Der österreichische Staatsrat (1760-1848), 1879, Neudruck 1972; Hintze, O., Der österreichische Staatsrat im 16. und 17. Jahrhundert, ZRG GA 8 (1887), 137; Schneider, H., Der preußische Staatsrat, 1952; Francksen, M., Die Institution des Staatsrates in den deutschen Staaten, ZNR 7 (1985), 19; Bayer, H., Der Staatsrat des Freistaates Preußen, 1992; Michel, K., Der Staatsrat, 1998; Wrage, M., Der Staatsrat im Königreich Hannover 1839-1866, 2001; Der preußische Staatsrat 1921-1933, bearb. v. Lilla, J., 2005

Staatsrecht ist das den Staat allgemein betreffende Recht. Dem S. geht die Reichspublizistik (Reichsstaatsrechtslehre) voraus, die sich mit der materiellen Verfassung des Heiligen römischen Reiches befasst (z. B. Theodor Reinkingk 1590-1664, Johannes Limnaeus 1592-1663, Christoph Besold 1577-1638, Hermann Conring 1606-1661, Samuel Pufendorf 1632-1694, Gottfried Wilhelm Leibniz 1646-1716, Christian Thomasius 1655-1728, Johann Jakob Moser 1701-1785 und Johann Stephan Pütter 1725-1807). Das S. entwickelt sich mit dem Konstitutionalismus und der Trennung von Staat und Gesellschaft in dem Laufe des 19. Jahrhunderts aus dem →öffentlichen Recht. Dabei strebt das 19. Jahrhundert (Paul Laband) vor allem nach Verwissenschaftlichung. Als demokratische Staatsrechtslehrer in der Weimarer Republik werden Hugo Preuß, Gerhard Anschütz, Richard Thoma, Hans Kelsen und Hermann Heller hervorgehoben. Um 1950 gibt es in Deutschland etwa 80 Hochschullehrer des Staatsrechts.

Lit.: Kaser §§ 2 II 1, 3 II, 17 II; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 143; Moser, J., Teutsches Staatsrecht, Teil 1ff. 1737ff., Neudruck 1968; Pütter, J., Litteratur des teutschen Staatsrechtes, Bd. 1ff. 1776ff., Neudruck 1965; Kreittmayr, W. Frhr. v., Grundriss des allgemeinen deutsch- und bayerischen Staatsrechts, 1768; Mohl, R. v., Staatsrecht des Königreichs Württemberg, 1831; Laband, P., Das Staatsrecht des deutschen Reiches, 1887, Bd. 1ff. 5. A. 1911ff., Neudruck 1964; Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. z. T. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Deutsches Staatsrecht, hg. v. Haenel, A. u. a., 1892, 2. A. 2013; Mommsen, T., Abriss des römischen Staatsrechts, 1893, Neudruck 2013, 2. A. 1907, Neudruck 2013; Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 1958; Hoke, R., Die Reichsstaatsrechtslehre des Johannes Limnaeus, 1968; Das Staatsrecht des heiligen römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Oertzen, P. v., Die soziale Funktion des staatsrechtlichen Positivismus, 1974; Hoke, R., Die Emanzipation der deutschen Staatsrechtswissenschaft, Der Staat 15 (1976), 211; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Rennert, K., Die „geisteswissenschaftliche Richtung“ in der Staatsrechtslehre der Weimarer Republik, 1987; Ridder, H., Verfassungsrecht oder Staatsrecht, Bll. f. dt. u. internat. Politik 1988, 220; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1ff. 1988ff.; Pauly, W., Der Methodenwandel im deutschen Spätkonstitutionalismus, 1993; Bülow, B. v., Die Staatsrechtslehre der Nachkriegszeit, 1996; Rainer, M., Einführung in das römische Staatsrecht, 1997; Friedrich, M., Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, 1997; Becker, L., Schritte auf einer abschüssigen Bahn, 1999; Stern, K., Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5 Die geschichtlichen Grundlagen, 2000; Schmidt, J., Konservative Staatsrechtslehre und Friedenspolitik, 2001; Dreier, H./Pauly, W., Die deutsche Staatsrechtslehre in der Zeit des Nationalsozialismus, 2001; Handbuch des Staatsrechts, hg. v. Isensee, J. u. a., 3. A. 2003; Unruh, P., Weimarer Staatsrechtslehre und Grundgesetz, 2004; Frieder, G., Denken vom Staat her, 2004; Kremer, C., Die Willensmacht des Staates - Die gemeindeutsche Staatsrechtslehre des Carl Friedrich von Gerber, 2008; Kuriki, H., Beiträge zur Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, 2009; Gottwald, D., Fürstenrecht und Staatsrecht im 19. Jahrhundert, 2009; Die Weimarer Staatsrechtsdebatte, hg. v. Gangl, M., 2011; Ishikawa, T., Deutschsprachige Staatsrechtslehrer, 2012; Schulze-Fielitz, H., Staatsrechtslehre als Mikrokosmos, 2013; Staatsrechtslehrer des 20. Jahrhunderts, hg. v. Häberle, P. u. a., 2015, 2. A. 2018; Schönberger, C., Der „German Approach, 2015; Dreier, H., Staatsrecht in Demokratie und Diktatur – Studien zur Weimarer Republik und zum Nationalsozialismus, hg. v. Jestaedt, M. u. a., 2016

Staatsregierung ist die politische Leitungsgewalt des Staates (z. B. Deutschösterreich 1918, Österreich 1945, Bayern).

Staatsschutz

Lit.: Staatsschutz, hg. v. Willoweit, D., 1994; Passek, I., Die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte in Staatsschutzstrafsachen, 2003

Staatssekretär

Lit.: Hefty, J., Die parlamentarischen Staatssekretäre im Bund, 2005

Staatsvertrag ist der unter Staaten abgeschlossene Vertrag (z. B. Friedensvertrag, S. betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreichs mit den Alliierten von dem 15. 5. 1955, in Kraft an dem 27. 7. 1955, einzelne Bestimmungen 1990 einverständlich für obsolet erklärt).

Lit.: ; Fünfzig Jahre Staatsvertrag und Neutralität, hg. v. Olechowski, T., 2006

Staatswissenschaft ist die Wissenschaft von der Entstehung und dem Wesen des Staates. Sie spielt in dem 19. Jahrhundert eine bedeutende Rolle. Danach ist die Verbindung von S. und Rechtswissenschaft überwiegend wieder aufgegeben.

Lit.: Schuppert, G., Staatswissenschaft, 2003

Staatsziel ist das von einem Staat angestrebte politische Ziel (z. B. Umweltschutz). Staatszielbestimmungen begründen grundsätzlich keine einklagbaren Ansprüche Einzelner.

Stab ist das lange dünne gerade Holzstück, das als Rechtssymbol für Gewalt verwendet werden kann. Seit 1499 ist bezeugt, dass der Richter über den Angeklagten den Stab bricht. Beim Stabwurf versinnbildlicht der S. den zu übertragenden Gegenstand (z. B. Grundstück).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Moeller, E. v., Die Rechtssitte des Stabbrechens, ZRG GA 21 (1900), 27; Amira, K. v., Der Stab in der germanischen Rechtssymbolik, 1909; Liebermann, F., Zum Stabbrechen des Richters, ZRG GA 41 (1920), 382; Lauffer, O., Der Büttelstab, ZRG GA 61 (1941), 252; Kocher, G., Richter und Stabübergabe im Verfahren der Weistümer, 1971; Vorbrodt, G./Vorbrodt, I., Die akademischen Szepter und Stäbe, Bd. 1f. 1971; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Töbelmann, P., Stäbe der Macht, 2011

Stade

Lit.: Das Stader Stadtrecht vom Jahre 1279, 1950; Weise, E., Geschichte des niedersächsischen Staatsarchivs in Stade, 1964; Ellermeyer, J., Stade 1300-1399, 1975

Stadt ist die umfangreichere, gewerbliche Tätigkeit beherbergende, meist durch eine Mauer befestigte Siedlung mit besonderem Stadtrecht. Die S. ist bereits dem Altertum bekannt (z. B. Çatal Höyük in Kleinasien, etwa 6800 v. Chr., Eridu, Uruk, Athen, Rom, in dem römischen Weltreich vielleicht 2000 Städte). In dem Mittelalter entsteht sie vielfach auf römischer Grundlage (Römerstadt wie Köln, Bonn, Trier, Main, Basel, Zürich, Regensburg, Passau, Wels, Wien) wohl in dem 11. Jahrhundert auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen unter Förderung durch den Stadtherrn (in Kenntnis von Städten des Altertums neu) in dem Ausbau vorhandener Siedlungen oder vielleicht auch durch bewusste Gründung (Gründungsstadt z. B. Freiburg im Breisgau, Zunahme städtischer Siedlungen seit der Mitte des 12. Jahrhunderts). Reichsunmittelbar ist die →Reichsstadt. In der frühen Neuzeit bezieht der Landesherr die Stadt stärker in das Land ein und verwendet sie als örtliche Verwaltungseinheit. Seit dem 19. Jahrhundert tritt die S. trotz wirtschaftlichen Vorrangs rechtlich hinter der →Gemeinde zurück (z. B. Österreich 1849), so dass die Bezeichnung S. ihre rechtliche Bedeutung verliert. Tatsächlich leben wohl seit 2007 mehr Menschen weltweit in urbanen Räumen als in ländlichen Räumen(um 1950 ein Drittel, um 2050 wohl zwei Drittel der Menschen in urbanen Räumen).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 78, 96, 98, 110, 111, 113, 120, 138, 149, 152, 195; Keutgen, F., Untersuchungen über den Ursprung der deutschen Stadtverfassung, 1895; Rietschel, S., Markt und Stadt, 1897; Liesegang, E., Niederrheinisches Städtewesen, 1897; Hegel, K., Die Entstehung des deutschen Städtewesens, 1898; Wild, E., Verfassungsgeschichte der Stadt Wil, 1904; Kretzschmar, J., Die Entstehung von Stadt und Stadtrecht, 1905; Siegburg, bearb. v. Lau, F., 1907; Lahusen, J., Zur Entstehung der Verfassung bairisch-österreichischer Städte, 1908; Lappe, J., Die Sondergemeinden der Stadt Lünen, 1909; Merz, W., Die Stadt Aarau, 1909; Quellen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte (Blankenberg, Deutz, Neuß), 1911; Below, G. v., Territorium und Stadt, 1900, 2. A. 1923; Schmoller, G., Deutsches Städtewesen, 1922; Sander, P., Geschichte des deutschen Städtewesens, 1922; Niedersächsischer Städteatlas, 1922ff.; Groß, L., Stadt und Markt im späteren Mittelalter, ZRG GA 45 (1925), 65; Geisler, W., Die deutsche Stadt, 1924; Dörries, H., Die Städte im oberen Leinetal, 1925; Pirenne, H., Les villes du moyen-âge, 1927; Rütimeyer, E., Stadtherr und Stadtbürgerschaft in den rheinischen Bischofsstädten, 1928; Knöpp, F., Die Stellung Friedrichs II. und seiner beiden Söhne zu den deutschen Städten, 1928, Neudruck 1965; Dörries, H., Entstehung und Formenbildung der niedersächsischen Stadt, 1929; Beyerle, F., Zur Typenfrage in der Stadtverfassung, ZRG GA 50 (1930), 1; Weller, K., Die staufische Städtegründung in Schwaben, Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte N. F. 36 (1930), 145; Hamm, E., Die Städtegründungen der Herzöge, 1932; Lappe, J., Stadtgründung und Stadtverfassung im Gebiete der Einzelhöfe (Werne im Münsterlande), Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde 89 (1932), 1; Flach, W., Verfassungsgeschichte einer grundherrlichen Stadt – Berga a. d. Elster, 1934; Loehr, M., Leoben, 1934; Rudolph, H., Stadt und Staat im römischen Italien, 1935; Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 1936), 150; Frölich, K., Zur Verfassungstopographie der deutschen Städte des Mittelalters, ZRG GA 58 (1938), 275; Pirenne, H., Les villes, 1939; Deutsches Städtebuch, hg. v. Keyser, E., Bd. 1ff. 1939ff.; Ganshof, F., Over stadsontwikkeling, 1941; Dahm, G., Untersuchungen zur Verfassungs- und Strafrechtsgeschichte der italienischen Stadt, 1941; Planitz, H., Frühgeschichte der deutschen Stadt, ZRG GA 63 (1943), 1; Planitz, H., Die deutsche Stadtgemeinde, ZRG GA 64 (1944), 1; Fischer, H., Doppelstadt und Stadtverlegung, ZRG GA 66 (1948), 236; Quellen zur älteren Geschichte des Städtewesens in Mitteldeutschland, hg. v. Institut f. dt. Landes- und Volksgesch. an der Univ. Leipzig, Bd. 1, 2 1949; Vollmer, G., Die Stadtentstehung am unteren Niederrhein, 1952; Ennen, E., Frühgeschichte der europäischen Stadt, 1953; Städtewesen und Bürgertum, hg. v. Brandt, A. v. u. a., 1953; La ville, 1954; Ludat, H., Vorstufen und Entstehung des Städtewesens in Osteuropa, 1955; Naujoks, E., Obrigkeitsgedanke, Zunftverfassung und Reformation, 1958; Schildhauer, J., Soziale, politische und religiöse Auseinandersetzungen in den Hansestädten, 1958; Mauersberg, H., Wirtschafts- und Sozialgeschichte zentraleuropäischer Städte, 1960; Scheper, B., Anfänge und Formen bürgerlicher Institutionen norddeutscher Hansestädte, Diss. phil. Kiel 1960; Haase, C., Die Entstehung der westfälischen Städte, 1960, 2. A. 1963; Bärmann, J., Die Städtegründungen Heinrichs des Löwen, 1961; Diestelkamp, B., Die Städteprivilegien Herzog Ottos des Kindes, 1961; Müller, W., Die heilige Stadt, 1961; Die Städte Mitteleuropas im 12. und 13. Jahrhundert, 1963; Untersuchungen zur gesellschaftlichen Struktur der mittelalterlichen Städte in Europa, 1966; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Drollinger, K., Kleine Städte Südwestdeutschlands, 1968; Die Stadt des Mittelalters, hg. v. Haase, C., 1969; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Bibliographie zur Städtegeschichte Deutschlands, hg. v. Keyser, E., 1969; Verwaltung und Gesellschaft in der südwestdeutschen Stadt des 17. und 18. Jahrhunderts, hg. v. Maschke, E. u. a., 1969; Die Stadt des Mittelalters 1ff., Begriff, Entstehung und Ausbreitung, Recht und Verfassung, Wirtschaft und Gesellschaft, hg. v. Haase, C., 1969ff.; Städtische Mittelschichten, hg. v. Maschke, E./Sydow, J., 1972; Stadt und Stadtherr im 14. Jahrhundert, hg. v. Rausch, C., 1972; Vor- und Frühformen der europäischen Stadt, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1973; Die Stadt am Ausgang des Mittelalters, hg. v. Rausch, W., 1974; Stadt und Umland, hg. v. Maschke, E. u. a., 1974; Vor- und Frühformen der europäischen Stadt im Mittelalter, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1974, z. T. 2. A. 1975; Ennen, E., Die europäische Stadt des Mittelalters, 4. A. 1987; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 1954, 5. A. 1980; Fritze, K., Bürger und Bauer zur Hansezeit, 1976; Bischofs- und Kathedralstädte, hg. v. Petri, F., 1976; Schwineköper, B., Königtum und Städte bis zum Ende des Investiturstreits, 1977; Die mittelalterliche Städtebildung im südöstlichen Europa, hg. v. Stoob, H., 1977; Hall, T., Mittelalterliche Stadtgrundrisse, 1978; Die Stadt, hg. v. Stoob, H., 1979; Zentralität als Problem der mittelalterlichen Stadtgeschichtsforschung, hg. v. Meynen, E., 1979; Städte und Ständestaat, hg. v. Töpfer, B., 1980; Die Stadt an der Schwelle zur Neuzeit, hg. v. Rausch, W., 1980; Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte mittel- und oberdeutscher Städte im Spätmittelalter, übers. v. Möncke, G., 1982; Mitterauer, M., Markt und Stadt, 1980; Beiträge zum hochmittelalterlichen Städtewesen, hg. v. Diestelkamp, B., 1982; Beiträge zum spätmittelalterlichen Städtewesen, hg. v. Diestelkamp, B., 1982; Stadt und Herrschaft, hg. v. Vittinghoff, F., 1982; Stadt und wirtschaftliche Selbstverwaltung, hg. v. Kirchgässner, B. u. a., 1987; Urkunden zur Geschichte des Städtewesens in Mittel- und Niederdeutschland bis 1350, hg. v. Stoob, H., 1985; Bibliographie zur deutschen historischen Städteforschung 1, hg. v. Stoob, H., 1986; Stadtkernforschung, hg. v. Jäger, H., 1987; Modelli di città, hg. v. P. Rossi, 1987; Isenmann, E., Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, 1988; Kießling, R., Die Stadt und ihr Land, 1989; Grundherrschaft und Stadtentstehung am Niederrhein, hg. v. Fink, K. u. a., 1989; Recht, Verfassung und Verwaltung in der frühneuzeitlichen Stadt, hg. v. Stolleis, M., 1991; Schroeder, K., Das alte Reich und seine Städte, 1991; Stadtkern und Stadtteile, hg. v. Kirchgässner, B. u. a. 1991; Schilling, H., Die Stadt in der frühen Neuzeit, 1991; Stadtadel und Bürgertum in den italienischen und deutschen Städten des Spätmittelalters, hg. v. Elze, R. u. a. 1991; The City in the Late Antiquity, hg. v. Rich, J., 1992; Engel, E., Die deutsche Stadt des Mittelalters, 1993; Schilling, H., Die Stadt in der frühen Neuzeit, 1993; Residenzen des Rechts, hg. v. Kirchgässner, B./Becht, H., 1993; Stadt und Bürgertum im Übergang von der traditionalen zur modernen Gesellschaft, hg. v. Gall, L., 1993; Boockmann, H., Die Stadt im späten Mittelalter, 3. A. 1994; Gerteis, K., Die deutschen Städte in der frühen Neuzeit, 2. A. 1994; Denkmäler des Amberger Stadtrechts, bearb. v. Laschinger, J., Bd. 1ff. 1994ff.; Roux, S., Le monde des villes, 1994; Shofield, J./Vince, A., Medieval Towns, 1994; Meier, U., Mensch und Bürger, 1994; Landesherrliche Städte in Südwestdeutschland, hg. v. Treffeisen, J. u. a., 1994; Die Stadt (Kalkar) im Mittelalter, hg. v. Kaldewei, G., 1994; Deidesheim, hg. v. Andermann, K. u. a., 1995; Anfänge des Städtewesens an Schelde, Maas und Rhein bis zum Jahre 1000, hg. v. Verhulst, A., 1996; Vetter, K., Zwischen Dorf und Stadt – Die Mediatstädte des kurmärkischen Kreises Lebus, 1996; Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, hg. v. Matzerath, H., 1996; Eberhard, I., Van des stades wegene utgegeven unde betalt, 1996; Klotz, H., Die Entdeckung von Çatal Höyük, 1998; Die Frühgeschichte der europäischen Stadt im 11. Jahrhundert, hg. v. Jarnut, J. u. a., 1998; Hirschmann, F., Stadtplanung, Bauprojekte und Großbaustellen im 10. und 11. Jahrhundert, 1998; Mitteleuropäisches Städtewesen, hg. v. Janssen, W. u. a., 1999; Sweet, R., The English Town 1680-1840, 1999; Das Bild der Stadt in der Neuzeit, hg. v. Behringer, W. u. a., 1999; Nissen, H., Geschichte Altvorderasiens, 1999; Knittler, H., Die europäische Stadt in der frühen Neuzeit, 2000; Schöber, P., Wirtschaft, Stadt und Staat, 2000; Quellen zur Verfassungsgeschichte der deutschen Stadt, ausgew. v. Hergemöller, B., 2000; Städtelandschaft, hg. v. Escher, M. u. a., 2000; Kannowski, B., Bürgerkämpfe und Friedebriefe, 2001; Happ, S., Stadtwerdung am Mittelrhein, 2002; Stadt und Recht im Mittelalter, hg. v. Monnet, P. u. a., 2002; Happ, S., Stadtwerdung am Mittelrhein, 2002; Die vormoderne Stadt, hg. v. Feldbauer, P. u. a., 2002; Sondergemeinden und Sonderbezirke in der Stadt der Vormoderne, hg. v. Johanek, P., 2003; Müller, C., Landgräfliche Städte in Thüringen, 2003; Meier, D., Bauer, Bürger, Edelmann, 2003; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und Sanktion in deutschen Städten vor 1300, 2003; Grzywatz, B., Stadt, Bürgertum und Staat im 19. Jahrhundert, 2003; Weinberger, B., Städtefeindlichkeit in der deutschen Geschichte, 2003; Baeriswyl, A., Stadt, Vorstadt und Stadterweiterung im Mittelalter, 2003; Städtelandschaft, hg. v. Gräf, H. u. a., 2004; Vielerlei Städte, hg. v. Johanek, P. u. a., 2004; Die Salzstadt, hg. v. Freitag, W., 2004; Grzywatz, B., Stadt, Bürgertum und Staat im 19. Jahrhundert, 2003; Stercken, M., Städte der Herrschaft, 2006; Stadt und Region, hg. v. Duchhardt, H. u. a., 2005; Die urbanen Zentren des hohen und späteren Mittelalters, hg. v. Escher, M. u. a. 2005; Die europäische Stadt im 20. Jahrhundert, hg. v. Lenger, F., 2005; Golvin, J., Metropolen der Antike, 2005, 2. A. 2019; Opll, F., Das Werden der mittelalterlichen Stadt, HZ 280 (2005), 561; Engel, E./Jacob, F., Städtisches Leben im Mittelalter, 2006; Müller, A., Modernisierung in der Stadtverwaltung, 2006; Imagining the City, hg. v. Emden, C. u. a., Bd. 1f. 2006; Städte im östlichen Europa, hg. v. Goehrke, C. u. a., 2006; Stercken, M., Städte der Herrschaft, 2006; Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa, hg. v. Irsigler, F. u. a., 2007; Who ran the cities?, hg. v. Roth, R. u. a., 2007; Was machte im Mittelalter zur Stadt?, hg. v. Jäschke, K u. a., 2007; Turnau, V., Unruhehäufungen und ihre Zusammenhänge in Städten des Reiches zu Beginn des 14. Jahrhunderts, 2007; Repräsentationen der4 mittelalterlichen Stadt, 2008; Urbanisierung und Urbanität, hg. v. Flachenecker, H. u. a., 2008; Hirschmann, F., Die Stadt im Mittelalter, 2009; Urban Space, hg. v. Classen, A., 2009; Schmieder, F., Die mittelalterliche Stadt, 2. A. 2009, 3. A. 2012; Hirschmann, F., Die Stadt im Mittelalter, 2009; Die Urbanisierung Europas von der Antike bis in die Moderne, hg. v. Fouquet, G. u. a., 2009; Städte im europäischen Raum, hg. v. Roth, R., 2009; Stadtgestalt und Öffentlichkeit, hg. v. Albrecht, S., 2010; Europäische Städte im Mittelalter, hg. v. Opll, F. u. a., 2010; Lau, T., Unruhige Städte, 2010; Die Macht der Städte, hg. v. Gehler, M., 2010; Hergemöller, B./Clarius, N., Glossar zur Geschichte der mittelalterlichen Stadt, 2011; Hirschmann, F., Die Anfänge des Städtewesens in Mitteleuropa - Die Bischofssitze des Reiches bis ins 12. Jahrhundert, Bad. 1ff. 2011f.; Stadtgründung und Stadtwerdung, hg. v. Opll, F. u. a., 2011; Hirschmann, F., Die Anfänge des Städtewesens in Mitteleuropa – Die Bischofssitze des Reiches bis in das 12. Jahrhundert, 2011; Städtische Wirtschaft im Mittelalter, hg. v. Holbach, R., 2011; Isenmann, E., Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150-1150, 2012, 2. A. 2014; Blaschke, K-. Von der Kaufmannssiedlung zur Stadt, ZHR 294 (2012) 653; Bild und Wahrnehmung der Stadt, hg. v. Johanek, P., 2012; Orte der Stadt im Wandel, hg. v. Morscher, L. u. a., 2013; Blaschke. K., Nikolaikirchen und Stadtentstehung in Europa, 2013; Mittler zwischen Herrschaft und Gemeinde. Die Rolle von Funktions- und Führungsgruppen in der mittelalterlichen Urbanisierung Zentraleuropas, hg. v. Gruber, E. u. a., 2013; Wandel der Stadt um 1200, hg. v. Igel, K. u. a., 2013; Blaschke, K./Jäschke, U., Nikolaikirchen und Stadtentstehung in Europa, 2013; Stadt und Demokratie, hg. v. Bräunche, E. u. a., 2014; Dilcher, G., Zu Stand und Aufgaben der Stadtgechichtsforschung, ZRG 131 (2014), 434; Autostädte im 20. Jahrhundert, hg. v. Heßler, M. u. a., 2014; Gelebte Normen im urbanen Raum?, hg. v. Brand, H. u. a., 2014; Schott, D., Europäische Urbanisierung (1000-2000). 2014; Rau, S., Räume der Stadt _ Eine Geschichte Lyons 1300-1800, 2014; Biller, T., Die mittelalterlichen Stadtbefestigungen im deutschsprachigen Raum, 2016; Hanson, J., An Urban Geography of the Roman World, 2016 (will die Städte des imperium Romanum möglichst vollständig erfassen, erstaunlich geringer Erkenntnisfortschritt); La participation politique dans les villes du Rhin supérieur à la fin du Moyen Âge, hg. v. Richard, O., 2017; New Cities in Late Antiquity, hg. v. Rizos, E., 2017; Stadt, Region, Migration, hg. v. Hecker, H. u. a., 2017; Payer, P., Der Klang der Großstadt – Eine Geschichte des Hörens, 2018; Die materielle Kultur der Stadt in Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. v. Heusinger, S. v. u. a., 2019; Wolffhardt, T., Vom Wiederaufbau zur urbanen Entwicklungspolitik – Die Vereinten Nationen, ttansnationale Netzwerke und das Problem der Urbanisierung, ca. 1945-1966, HZ 309 (2019), 337

Stadtbuch ist das von einer →Stadt für die Aufzeichnung wichtiger rechtlicher Geschehnisse geführte Buch. Es erscheint seit dem 13. Jahrhundert Mit zunehmender Verschriftlichung treten mehrere besondere Bücher nebeneinander.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 105, 125; Das Lübecker Oberstadtbuch, hg. v. Rehme, P., 1895; Zeller-Werdmüller, H., Die Zürcher Stadtbücher, 1899; Die Zürcher Stadtbücher des 14. und 15. Jahrhunderts, hg. v. Nabholz, H., Bd. 3 1906; Rehme, P., Über die Breslauer Stadtbücher, 1909; Beyerle, K., Die deutschen Stadtbücher, Dt. Geschichtsbll. 11 (1910), 145; Rehme, P., Stadtbuchstudien, ZRG GA 37 (1916), 1; Stowasser, O., Das Stadtbuch von Waidhofen, Jahrbuch des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich, 1916; Das älteste Böhmisch Kaunitzer Stadtbuch, 1915; Die sogenannten Sobielaw’schen Rechte, hg. v. Schranil, R., 1916: Rehme, P., Über Kieler Stadtbücher des Mittelalters, ZRG GA 38 (1917), 164; Schubert, F., Das älteste Glatzer Stadtbuch (1316-1412), ZRG GA 45 (1925), 250; Rehme, P., Stadtbücher des Mittelalters, FS V. Ehrenberg, 1927, 173; Das Mindener Stadtbuch, hg. v. Krieg, M., 1931; Rehme, P., Neues über die Stralsunder Stadtbücher, ZRG GA 58 (1938), 674; Buyken, T./Conrad, H., Die ältesten Stadtbücher von Koblenz, ZRG GA 59 (1939), 165; Das Stadtbuch von Dux 1389, bearb. v. Kochmann, K., 1941; Schmid, H., Dalmatinische Stadtbücher, Kosov Zbornik-Festschrift (Laibach) 1953, 330; Triller, A./Schön, B., Stadtbuch von Dinslaken, 1959; Das Stadtbuch von Anklam, hg. v. Bruinier, J., Bd. 1ff. 1960ff.; Nový, R., Libri civitatum Bohemiae, 1963; Das älteste Rostocker Stadtbuch, hg. v. Thierfelder, H., 1967; Das Stadtrecht von Schaffhausen, Bd. 2 Das Stadtbuch von 1385, bearb. v. Schib, L., 1967; Das älteste Stadtbuch von Coburg, bearb. v. Andrian-Werburg, K. Frhr. v., 1977; Das Stadtbuch von Karpfen (Krupina), hg. v. Grothausmann, K., 1977; Hemann, F., Das Rietberger Stadtbuch, 1994; Stadtbücher als namenkundliche Quellen, hg. v. Debus, F.; 2000; Die Weimarer Stadtbücher, hg. v. Steinführer, H., 2005; Haus- und Familienbücher in der städtischen Gesellschaft, hg. v. Studt, B., 2006

Stadtbürger →Bürger

Städtebund ist der vertragliche Zusammenschluss von Städten zu gemeinsamem Handeln wie etwa der Sicherung des Handels (z. B. lombardische Liga 1167, rheinischer Städtebund 1254/1256, schwäbischer Städtebund 1376/1381, →Hanse).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 97, 121; Füchtner, J., Die Bündnisse der Bodenseestädte bis zum Jahre 1390, 1970; Mägdefrau, W., Der Thüringer Städtebund im Mittelalter, 1977; Kommunale Bündnisse, hg. v. Maurer, H., 1987; Vom Städtebund zum Zweckverband, hg. v. Kirchgäßner, B. u. a., 1994; Stoob, H., Die Hanse, 1995; Distler, E., Städtebünde im deutschen Spätmittelalter, 2006; Städtebünde – Städtetage, hg. v. Felten, F., 2006

Städteordnung ist das das Stadtrecht regelnde Gesetz des 19. Jahrhunderts (z. B. das preußische Gesetz von dem 19. 11. 1808, das den Städten die →Selbstverwaltung erneuert).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197; Städteordnungen des 19. Jahrhunderts, hg. v. Naunin, H., 1984; Wex, N., Staatliche Bürokratie und städtische Autonomie, 1997

Stadtgericht ist das in der →Stadt für die gerichtlichen Angelegenheiten zuständige →Gericht, dem anfangs meist der Stadtherr vorsitzt.

Lit.: Torggler, K., Stadtrecht und Stadtgericht in Klagenfurt, 1937; Bühler, T., Andreas Heusler und die Revision der Basler Stadtgerichtsordnung, 1963; Christ, B., Die Basler Stadtgerichtsordnung von 1719, Diss. jur. Basel 1968; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; Spieß, P., Die Konkurrenz zwischen „städtischer“ und „stadtherrlicher“ Strafgerichtsbarkeit im 13. und 14. Jahrhundert, ZRG GA 98 (1981), 291

Stadthagen

Lit.: Die Eheberedungen des Amts Stadthagen im Staatsarchiv Bückeburg, bearb. v. Sturm-Heumann, M., Teil 1ff. 2004ff.

Stadtherr →Stadt

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111; Stadt und Stadtherr im 14. Jahrhundert, hg. v. Rausch, W., 1972

Stadtkommune →Stadt

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967

Stadtluft macht frei ist das Rechtssprichwort des 19. Jahrhunderts, das zu dem Ausdruck bringen will, dass ein Herr einen in die Stadt geflohenen Unfreien nicht zurückholen kann, wenn er nicht binnen eines Jahres, sechs Wochen und drei Tagen klagt (z. B. Altenburg 1256). Urbare und Neubürgerlisten stützen die Vermutung umfangreicher Landflucht in dem Hochmittelalter allerdings anscheinend nicht. Zu der Abwehr der Landflucht wird gleichwohl die →Leibeigenschaft entwickelt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Brunner, H., Luft macht frei, FG O. Gierke, 1901, 1; Schütze, P., Die Entstehung des Rechtssatzes Stadtluft macht frei, 1903; Mitteis, H., Über den Rechtsgrund des Satzes „Stadtluft macht frei“, FS E. Stengel, 1952, 342; Kroeschell, K., Weichbild, 1960, 75; Gellinek, C., Stadtluft macht frei?, ZRG GA 106 (1989), 306; Haase, R., Anmerkungen zum Satz „Stadtluft macht frei“, ZRG GA 106 (1989), 311; Stamm, V., Gab es eine bäuerliche Landflucht im Hochmittelalter?, HZ 276 (2003), 305; Schwarz, J., Stadtluft macht frei, 2008

Stadtmauer →Stadt

Stadtrat →Rat, Stadt

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2

Stadtrecht ist das besondere Recht einer Stadt. Es erwächst nach römischem Vorbild in dem Mittelalter an dem Ende des 11. Jahrhunderts (lat. ius (N.( civile). An dem Beginn steht das →Privileg eines Herrn (z. B. Freiburg im Breisgau 1120?), das von der Gewohnheit ergänzt wird. Spätestens in dem 13. Jahrhundert kommt die →Satzung von Seiten meist des Rates hinzu. Festgehalten wird das S. oft in einem →Stadtbuch. Der Stadtherr kann das S. einer Stadt an eine andere übertragen (Stadtrechtsfamilie z. B. Wien, Frankfurt am Main, Lübeck, Magdeburg). Eine Stadt kann auch einer anderen ihr S. mitteilen. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter dringt dieses über Stadtrechtsreformationen (z. B. Nürnberg 1479/1484, Tübingen 1493, Worms 1499, Frankfurt 1509, Freiburg 1520, Pettau/Slowenien 1513, Windsheim 1521, Braunschweig 1538, Bern 1539, Zwickau 1539/1569, Hamburg, Lüneburg) auch in das S. ein. In der Neuzeit greift der Landesherr vielfach vereinheitlichend ein. Auch in der Gegenwart gibt es auf der Ebene der Selbstverwaltung besonderes S.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 98, 101, 104, 120; Deutsche Stadtrechte des Mittelalters, hg. v. Gaupp, T., 1851f., Neudruck 1966; Gengler, H., Codex iuris municipalis, 1863, Neudruck 1968; Meyer, C., Das Stadtrecht von Hof vom Jahre 1436, ZRG GA 19 (1998), 152; Oberrheinische Stadtrechte, hg. v. d. badischen historischen Kommission, 1895ff.; Urkunden zur städtischen Verfassungsgeschichte, hg. v. Keutgen, F., 1901, Neudruck 1965; Lippstadt, bearb. v. Overmann, A., 1901; Kretzschmar, J., Die Entstehung von Stadt und Stadtrecht, 1905; Zehntbauer, R., Die Stadtrechte von Freiburg im Üchtland und Arconciel-Illens, 1906; Merz, W., Die Stadtrechte von Bremgarten und Lenzburg, 1909; Kogler, F., Beiträge zur Stadtrechtsgeschichte Kufsteins, 1912; Haff, K., Studien zum Waadtländer Stadtrecht, 1918; Torggler, K., Stadtrecht und Stadtgericht in Klagenfurt, 1937; Thieme, H., Staufische Stadtrechte im Elsass, ZRG GA 58 (1938), 654; Haff, K., Übereinstimmungen im Stadtrechte von Schleswig (Haithabu) und in dem Bjärköa-Ret, ZRG GA 59 (1939), 277; Schubart-Fikentscher, G., Die Verbreitung der deutschen Stadtrechte in Europa, 1942; Ebel, W., Der Bürgereid, 1958; Diestelkamp, B., Die Städteprivilegien Ottos des Kindes, 1961; Diestelkamp, B., Welfische Stadtgründungen und Stadtrechte des 12. Jahrhunderts, ZRG GA 81 (1964), 164; Köbler, G., Zur Entstehung des mittelalterlichen Stadtrechts, ZRG GA 86 (1969), 177; Die Gesetze der Stadt Frankfurt am Main im Mittelalter, 1969; Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung bei Notker von St. Gallen, 1974; Lockert, M., Die niedersächsischen Stadtrechte zwischen Aller und Weser, 1979; Dilcher, G., „Hell, verständig für die Gegenwart sorgend, die Zukunft bedenkend“, ZRG GA 106 (1989), 12; Recht, Verfassung und Verwaltung in der frühneuzeitlichen Stadt, hg. v. Stolleis, M., 1991; Kersting, W., Das Otterndorfer ostfälisch-sächsische Stadtrecht, ZRG GA 109 (1992), 374; Quellen zur Verfassungsgeschichte der deutschen Stadt im Mittelalter, hg. v. Hergemöller, B., 2000; Moldt, D., Deutsche Stadtrechte im mittelalterlichen Siebenbürgen, 2008; Cox, J., Hebbende privilege van stede, 2011

Stadtrechtsbuch ist das →Rechtsbuch einer →Stadt (z. B. Reichsrechtsbuch von Mühlhausen in Thüringen von etwa 1230 oder Rechtsbuch von Görlitz, Breslau, Magdeburg, Danzig, Posen, Zwickau, Meißen, Elbing, Eisenach, Liegnitz, Freising, Wien, Ofen, Neumarkt, Löwenberg, Berlin, Sillein, Glogau, Salzwedel, Saalfeld, Pressburg, Freiberg, Frankenberg u. s. w.)

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planitz, H., Das Zwickauer Stadtrechtsbuch, ZRG GA 38 (1917), 321; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990

Stadtrichter →Stadtgericht

Stadtschreiber →Schreiber

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Arnecke, F., Die Hildesheimer Stadtschreiber, Diss. phil. Marburg 1913; Schulze, A., Das deutsche Stadtschreiberamt, Diss. phil. Jena 1921; Steinberg, S., Die Goslarer Stadtschreiber, 1933; Burger, G., Die südwestdeutschen Stadtschreiber, 1960; Elsener, F., Notare und Stadtschreiber, 1962; Schmied, H., Der Ratsschreiber, 1979; Kintzinger, M., Das Bildungswesen in der Stadt Braunschweig, 1990; Stephan Roth (1492-1546) - Stadtschreiber in Zwickau, hg. v. Metzler, R., 2008

Stadtschultheiß →Schultheiß

Stadtstaat (z. B. Athen, Rom, Florenz, Venedig, Bern, Nürnberg, Hamburg, Bremen)

Lit.: Söllner § 4; Clarke, M., The Medieval City State, 1931; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Gmür, R., Der alte bernische Stadtstaat, ZRG GA 112 (1995), 366; City States, hg. v. Molho, A. u. a., 1991

Stadtverordnetenversammlung ist die Versammlung der von den Bürgern gewählten Vertreter als gesetzgebendes und allgemein ausführendes Organ (Preußen 1808).

Lit.: Köbler, DRG 197; Pahlmann, M., Anfänge des städtischen Parlamentarismus, 1997

Staffel (F.) Stufe, Gerichtsstein

Stahl (Jolson), Friedrich Julius (München 16. 1. 1802-Bad Brückenau 10. 8. 1861), Kaufmannssohn, 1819 von dem Judentum zu dem Protestantismus übergetreten, wird nach dem Rechtsstudium in Würzburg, Heidelberg und Erlangen 1832 außerordentlicher Professor in Erlangen, dann ordentlicher Professor in Würzburg, 1834 in Erlangen und 1840 in Berlin. Sein Hauptwerk (1830ff.) ist eine zweibändige Philosophie des Rechtes, die sich gegen das →Naturrecht richtet. Politisch lehnt er die Volkssouveränität ab.

Lit.: Maser, G., Friedrich Julius Stahl, 1930; Wiegand, C., Über Friedrich Julius Stahl, 1981; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 59; Müller, J., Die Staatslehre Friedrich Julius Stahls, 1999

Stair, James Dalrymple (1619-1695) wird nach dem Studium der Philosophie in Glasgow Professor, 1648 Anwalt und 1657 Richter. 1681 muss er bis 1688 wegen antikatholischer Haltung nach Holland fliehen, wo er wichtige Entscheidungen seines Gerichtes veröffentlicht. Gleichzeitig begründet er mit seinen römischrechtlich-naturrechtlich in vier Bücher (Personen und Familie, Obligationen, Sachen, Erbe und Verfahren) geteilten Institutions of the Law of Scotland (1681) die Rechtswissenschaft in →Schottland.

Lit.: Stair, hg. v. Walker, D., 1981; Walker, D., The Scottish Jurists, 1985, 106

Stal

Lit.: Siebs, B., Stal – Roland – Rosengarten, ZRG GA 76 (1959), 246

Stalin (Dschugaschwili), Josef Wissarionowitsch (Gori/Georgien 21. 12. 1879-Moskau 5. 3. 1953) ist (als Schulabbrecher) von 1924 bis 1953 diktatorischer Führer der →Sowjetunion, der maßgeblich das sozialistische Recht mitgestaltet.

Lit.: Marie, J., Staline, 1967, Neudruck 2001; Deutscher, I., Stalin, 1979; Stalinismus vor dem zweiten Weltkrieg, hg. v. Hildermeier, M., 1998; Lustiger, A., Rotbuch - Stalin und die Juden, 1998; Boeckh, K., Völlig normal, HZ 278 (2004), 55; Baberowski, J., Der rote Terror, 2003; Kellmann, K., Stalin, 2005; Stalinismus in der sowjetischen Provinz, hg. v. Binner, R. u. a., 2009; Dahlke, S., Individuum und Herrschaft im Stalinismus, 2010; Baberowski, J., Verbrannte Erde - Stalins Herrschaft der Gewalt, 2012; Wettig, G., Die Stalin-Note, 2015 (nur Propaganda Stalins); Fitzpatrick, S., Stalins Mannschaft, 2017 (Beria, Molotov, Orshonikidse, Andreev); Altrichter, H., Stalin – Der Herr des Terrors, 2018 (hauptsächlich Bekanntes)

Stalking ist das gewollte und wiederholte belästigende Verfolgen eines Menschen durch einen Menschen, das von den Vereinigten Staaten von Amerika ausgehend seit etwa 2000 in verschiedenen Staaten strafbar ist (Deutschland § 238 StGB 31. Juli 2007 Nachstellung).

Lit.: Helmke, N., Der Normsetzungsprozess des Stalkings, 2011

Stamm ist der zwischen Wurzel und Zweigen befindliche Teil eines Baumes. Ein selbständiger Teil der Germanen (z. B. Franken, Alemannen, Bayern, Sachsen) wird ebenso als S. bezeichnet wie die Abkömmlinge eines Abkömmlings.

Lit.: Merk, W., Die deutschen Stämme in der Rechtsgeschichte, ZRG GA 58 (1938), 1; Hugelmann, K., Stämme, Nation und Nationalstaat, 1955; Wenskus, R., Stammesbildung und Verfassung, 1961; Giese, W., Der Stamm der Sachsen, 1979

Stammesherzogtum ist das in dem Frühmittelalter aus einem Volk bzw. →Stamm gebildete →Herzogtum (z. B. Franken, Alemannen, Bayern, Sachsen) in Gegensatz zu dem Territorialherzogtum in dem Hochmittelalter (z. B. Österreich, Bayern, Westfalen, Sachsen). Das ältere S. besteht in merowingischer Zeit (Bayern bis 788), das jüngere S. in dem 10. Jahrhundert

Lit.: Köbler, DRG 83; Läwen, G., Stammesherzog und Stammesherzogtum, 1935; Stingl, H., Die Entstehung der deutschen Stammesherzogtümer, 1974; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1977; Hartmann, P., Bayerns Weg in die Gegenwart, 1989

Stammesrecht→Volksrecht

Lit.: Stammesrecht und Volkssprache, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1991

Stammgut ist das auf Grund Hausgesetzes oder Gewohnheitsrechts in einer Adelsfamilie gebundene und damit unveräußerliche und grundsätzlich unteilbare Gut. Es wurde 1938/1939 aufgelöst und dabei vielfach in eine Stiftung überführt.

Stammler, Rudolf (Alsfeld 19. 2. 1856-Wernigerode 25. 6. 1938), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Gießen und Leipzig (Binding, Windscheid, Sohm) 1882 außerordentlicher Professor in Leipzig, 1884 ordentlicher Professor in Gießen, Halle (1885) und Berlin (1916). Außer als Romanist wirkt er vor allem als neukantianischer Rechtsphilosoph. Von 1928 bis 1932 legt er das zweibändige Lehrwerk „Deutsches Rechtsleben in alter und neuer Zeit“ vor.

Lit.: Schwerin, C. Frhr. v., Nachruf, ZRG GA 59 (1939), 662

Stand (1417) ist die Stellung oder Würde innerhalb einer Gemeinschaft. Von dem Altertum bis in das 19. Jahrhundert gliedert sich die Gesellschaft in verschiedene Stände. In Rom werden dabei anfangs Patrizier, Plebejer und Sklaven (lat. (M.Pl.( servi) unterschieden. Später entsteht aus landflüchtenden Kleinbauern ein Proletariat. In klassischer römischer Zeit treten Amtsadel und Geldadel einander gegenüber, in spätantiker Zeit (lat. (M.Pl.() honestiores (Ehrbarere) und humiliores (Niederere). Für die Germanen ist das Bestehen von Ständen streitig. In dem Frühmittelalter werden →Freie (lat. (M.Pl.( liberi) und Unfreie sowie spätestens in karolingischer Zeit auch →Adlige (lat. (M.Pl.( nobiles) sichtbar. In dem Hochmittelalter wird diese geburtsständische Gliederung durch die berufsständische Einteilung in →Ritter (lat. (M.Pl.( milites), →Bürger (lat. (M.Pl.( cives, burgenses, urbani) und →Bauern (lat. (M.Pl.( rustici) überlagert. Der S. wirkt sich besonders auf Eheschließung (→Ebenbürtigkeit), →Wergeld und Gerichtsbarkeit (Pairsgericht) aus. Seit der französischen Revolution (1789) setzt sich der von dem dritten Stand (Bürger) vertretene, aufgeklärte Grundsatz der →Gleichheit durch (1918). Hinsichtlich der Herrschaft in dem Land oder Reich gibt es daneben vom 13. bis 19. Jahrhundert →Landstände und →Reichsstände.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 17, 120, 132, 135, 140, 148, 160; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 155; Brunner, H., Ständerechtliche Probleme, ZRG GA 23 (1902), 193; Lintzel, M., Die Stände der deutschen Volksrechte, 1933; Gwinner, H., Der Einfluss des Standes im gemeinen Strafrecht, 1934; Heck, P., Blut und Stand im altsächsischen Recht, 1935; Heck, P., Untersuchungen zur altsächsischen Standesgliederung, 1936; Uffenorde, H., Über die ständischen Ideen bei Freiherrn vom Stein und Bismarck, 1938; Heck, P., Drei Studien zur Ständegeschichte (Hofleute, Häuptlinge, fränkische Gemeinfreiheit), 1939; Jantke, C., Der vierte Stand, 1955; Truffer, H., Der Einfluss des Standes im allgemeinen und zürcherischen Strafrecht, 1960; Quellen zur Geschichte des deutschen Bauernstandes im Mittelalter, hg. v. Franz, G., 1967; Frank, K. v., Standeserhebungen und Gnadenakte, Bd. 1ff. 1967ff.; Köbler, G., Zur Lehre von den Ständen in fränkischer Zeit, ZRG 89 (1972), 171; Herrschaftsstruktur und Ständebildung, 1973; Reuter, H., Die Lehre vom Ritterstand, 2. A. 1974; Herrschaft und Stand, hg. v. Fleckenstein, J., 2. A. 1979; Lutz, G., Wer war der gemeine Mann?, 1979; Duby, G., Die drei Ordnungen, 1981; Blickle, P., Studien zur geschichtlichen Bedeutung des deutschen Bauernstandes, 1989; Sozialer Wandel im Mittelalter, hg. v. Miethke, J. u. a., 1994; Stände und Landesherrschaft in Ostmitteleuropa, hg. v. Weczerka, H., 1995; Meyer, T., Stand und Klasse, 1997; Herrschaft und Stände in ausgewählten Territorien Norddeutschlands, hg. v. Opitz, E., 2001; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Standarte →Fahne

Standesbeamter ist der gemeindliche Beamte, der vor allem die staatlichen Aufgaben der →Eheschließung und Führung der Personenstandsbücher ausführt. Nach französischem Vorbild (officier civil 1787/1792) wird ein S. 1809 in Baden und 1875 in dem Deutschen Reich geschaffen.

Lit.: Köbler, DRG 209

Standeserhöhung ist die Erteilung des →Adels durch Urkunde (seit 1346, →Briefadel).

Standesherr ist in dem 19. Jahrhundert der Angehörige eines der etwa 80 1803/1806 mediatisierten, ehemals reichsunmittelbaren Adelshäuser. Ihm werden 1815 geringe Vorrechte gesichert, die zwischen 1848 und 1918 aber weitgehend verschwinden.

Lit.: Gollwitzer, H., Die Standesherren, 1957, 2. A. 1964; Neth, U., Standesherren und liberale Bewegung, 1970; Schier, R., Standesherren, 1977; Eltz, E., Die Modernisierung einer Standesherrschaft, 1980; Furtwängler, M., Die Standesherren in Baden, 1996; Pezold, U. v., Adelige Standesherrschaft im Vormärz, 2003

Ständestaat ist der durch die Teilhabe von Ständen an der Herrschaft gekennzeichnete Staat des 13. bis 19. Jahrhunderts. Zwischen 1934 und 1938 versteht sich →Österreich nochmals als S. →Landstand, →Reichsstand

Lit.: Christern, H., Deutscher Ständestaat und englischer Parlamentarismus, 1939; Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Gerhard, D., 1969; Helbig, H., Der wettinische Ständestaat, 2. A. 1980; Städte und Ständestaat, hg. v. Töpfer, B., 1980; Kluge, U., Der österreichische Ständestaat, 1934-1938, 1984; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel und Vogtei, 1985

Standgericht ist das stehend bzw. sofort abgehaltene Gericht in dem Heereswesen. Es findet sich bereits in dem römischen Altertum. In der frühen Neuzeit ist es sehr verbreitet. Das S. urteilt meistens nach dem besonderen Standrecht.

Lit.: Molitor, I. v., Die Kriegsrechte, 1855; Bothe, F., Der preußische Militärprozess, 1874; Bonin, B. v., Grundzüge der Rechtsverfassung in den deutschen Heeren, 1904

Ständiger internationaler Gerichtshof ist der 1919 in der Satzung des Völkerbunds vorgesehene, 1922 in Den Haag in den Niederlanden eingerichtete völkerrechtliche Gerichtshof, der 1945 in dem Internationalen Gerichtshof aufgeht

Standrecht →Standgericht

Stang, Friedrich (1867-1941), Ministerssohn, wird nach dem Rechtsstudium 1890 Anwalt und 1897 Universitätsprofessor. Nach einem Aufenthalt in Deutschland versucht er eine Darstellung des gesamten norwegischen Privatrechts. In der Rechtspolitik setzt er sich erfolgreich für den Erlass verschiedener Einzelgesetze (1907 Kaufgesetz, 1918 Abzahlungsgesetz, 1930 Versicherungsabzahlungsgesetz) ein.

Lit.: Solem, E., Frederik Stang, Tidsskrift for Rettsvidenskap, 1942, 1

Stapelholm (östlich von Friedrichstadt) ist der seit 1232 zu Schleswig gehörende Ort der an dem 27. 1. 1623 unter Herzog Friedrich III. von Schleswig-Gottorp geschaffenen Stapelholmer Konstitution (Landesordnung) der durch weitgehende Selbstverwaltung unter einem Landvogt gekennzeichneten Landschaft zwischen unterer Eider, Treene und Alten Schleswig.

Lit.: Stegmann, D., Die Stapelholmer Konstitution von 1623, Diss. jur. Kiel 1967; Polizei- und Landesordnungen, hg. v. Kunkel, W. u. a., 1968

Stapelrecht ist seit dem Hochmittelalter das Recht eines Ortes, von Kaufleuten zu verlangen, ihre Waren an dem Ort zu dem Verkauf aufzustellen (zu stapeln).

Lit.: Hafemann, M., Das Stapelrecht, 1910, Neudruck 2013; Gönnenwein, O., Das Stapel- und Niederlagsrecht, 1939

Stasi (F.) Staatssicherheitsdienst der →Deutschen Demokratischen Republik mit schätzungsweise (189000 bis) 109000 informellen Mitarbeitern und zuletzt 91015 hauptamtlichen Mitarbeitern

Lit.: Kühn, D., Das gesamtdeutsche Institut im Visier der Staatssicherheit, 2001; Krämer, J. u. a., Leben hinter Mauern – Arbeitsalltag und Privatleben hauptamtlicher Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, 2014

Statistik ist die zahlenmäßige Erfassung häufiger oder massenhafter Gegebenheiten. Sie erfolgt in wissenschaftlicher Weise erst seit dem 19. Jahrhundert (Preußen statistisches Büro 1805/1810, führender Direktor Ernst Engel 1860-1882)

Lit.: Bevölkerungsstatistik an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, hg. v. Andermann, K. u. a., 1990; Grundlagen der historischen Statistik von Deutschland, hg. v. Fischer, W., 1991; Melchers, A., Kriminalstatistik im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Frankfurt 1992; Reinke, H., Die Liaison des Strafrechts mit der Statistik, ZNR 1992, 169; Pfister, C., Bevölkerungsgeschichte und historische Demographie 1500-1800, 1994; Rothenbacher, F., Historische Haushalts- und Familienstatistik, 1997; Weber, D., Die sächsische Statistik im 19. Jahrhundert, 2003; Schneider, M., Wissensproduktion im Staat, 2013; Behrisch, L., Die Berechnung der Glückseligkeit, 2015; Kleinschmidt, H., Klimatheorie, Statistik, Revolutionsbegriff, HZ 308 (2019), 593

Stat pro ratione voluntas (lat.). Der Wille steht für die Begründung.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Juvenal, um 67-um 140, Satiren 6, 223)

Statthalter ist der Vertreter eines Herrschers (z. B. 1490 in Tirol in den →Maximilianischen Verwaltungsreformen, 1849-1918 in Österreich die Leiter der zentralstaatlichen Behörden auf Landesebene in Gegensatz zu der autonomen Landesverwaltung durch Landesausschüsse unter Leitung von Landeshauptmännern.

Lit.: Köbler, DRG 151; Baltl/Kocher; Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Jördens, A., Statthalterliche Verwaltung in der römischen Kaiserzeit - Studien zum praefectus Aegypti, 2009

status (lat. (M.() →Stand, Zustand (z. B. status libertatis [Freiheit], status civitatis [Stellung als Bürger] und status familiae [Stellung in der Familie]

Lit.: Kaser § 13 I; Breuer, S., Stand und status, 1996

Statut ist das gesetzte Recht bzw. die in dem internationalen Privatrecht anwendbare Rechtsordnung. Statuten finden sich um 1140 in Oberitalien (Piacenza, Pisa, Como), wo sie seit der Mitte des 13. Jahrhunderts ausführliche Zusammenfassungen erfahren. In dem Verhältnis zu dem →gemeinen Recht gewähren die Juristen des 14. Jahrhunderts den besonderen Statuten Vorrang. Weil die Statuten aber eng auszulegen sind (lat. statuta (N.Pl.( sunt stricte interpretanda), gewinnt in der frühen Neuzeit das gemeine Recht tatsächlich die Vermutung der Geltung für sich. Nach Boosfeld ist die von den Kommentatoren zu der Klärung des verhältnises von (römischem) gemeinem Recht und Statuten entickelte Lehre nicht zu einer Grundlage des modernen internationalen Privatrechts geworden, weil dessen Wurzeln zwar auf die Lehren der kommentatoren zurückgehen, aber nicht auf die Lehren zu dem Verhältnis von ius commune und ius proprium, sondern auf die Lehren zu dem Verhältnis meherer örtlicher Statuten zueinander, so dass (mit Wolfgang Wiegand und gegen Franz Wieacker) Statutentheorie nur die Gesamtheit der für das Zustandekommen, die Geltung und die Interpretation des nicht-gemeinen örtlichen Rechtes aufgestellten Regeln ist.

Lit.: Köbler, DRG 104, 107, 137; Kamptz, K. v., Die Provinzial- und statutarischen Rechte der preußischen Monarchie, Bd. 1ff. 1826ff.; Neumeyer, K., Statutenkollision und persönliche Rechte, ZRG GA 39 (1918), 314; Bahmann, O., Die Statuten der Stadt Ölsnitz im Vogtland aus den Jahren 1604 und 1687, 1938; Thieme, H., Statutarrecht und Rezeption, FS G. Kisch, 1955, 69; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Herrmann, G., Johann Nikolaus Hert und die deutsche Statutenlehre, 1963; Lorenz, E., Das Dotalstatut, 1965; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Nörr, K., Zur Stellung des Richters, 1967; Ebel, F., Statutum und ius fori, ZRG GA 93 (1976), 100; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre, 1977; Nüwe Stattrechten und Statuten der loblichen Statt Fryburg, hg. v. Köbler, G., 1986; Keller, H., Oberitalienische Statuten, Frühmittelalterliche Studien 22 (1988), 286; Statuten, Städte und Territorien, 1992; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Driever, R., Obrigkeitliche Normierung sozialer Wirklichkeit, 2000; Von der Norm zur Ordnung - Statuten, hg. v. Drossbach, G., 2009; Boosfeld, K. Die beiden Statutenlehren – Geschichte eines rechtshistorischen Missverständnisses, ZRG GA 136 (2019), 111

Statuta sunt stricte interpretanda (lat.). →Statuten sind eng auszulegen.

Lit.: Trusen, W., Römisches und partikuläres Recht, FS H. Lange, 1970, 97; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Hochmittelalter); Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977

Statutarstadt ist in Österreich die durch eigenes Stadtrecht (Statut) ausgezeichnete, keiner Bezirkshauptmannschaft unterstehende Stadt ([16. Jahrhundert Eisenstadt, Rust,] 1850 Wien, Klagenfurt, insgesamt 15).

Statute law ist das von dem König und dem Parlament vor allem in dem 13., 16./17. und 19. Jahrhundert gesetzte Recht in England in Gegensatz zu dem common law (Richterrecht).

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002

Statutum (N.) in favorem principum (lat.) ist die wissenschaftliche Bezeichnung des 19. Jahrhunderts für das bestätigende Privileg Kaiser Friedrichs II. von dem Mai 1232 (in sechs Ausfertigungen überliefert) bzw./und das Privileg König Heinrichs (VII.) von dem 1. 5. 1231 (in vier Ausfertigungen erhalten), in dem den Fürsten die rechtstatsächlich inzwischen erlangten Rechte zugesichert werden (z. B. Gewährleistung der Nichtanlage neuer Reichsstädte und Reichsburgen, Gewährleistung der landesherrlichen Gerichtsbarkeit, Gewährleistung von Abgaben).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984; Engels, O., Die Staufer, 6. A. 1994, 8. A. 2005

Staub, Samuel (bzw. ab etwa 1882) Hermann (Nikolai/Oberschlesien 21. 3. 1856-Berlin 2. 9. 1904), Sohn eines jüdischen Kaufmanns, wird nach dem Rechtsstudium in Breslau, Leipzig (Windscheid, Wächter, Binding, Wach), Berlin (Goldschmidt) Rechtsanwalt. Er tritt danach vor allem als Kommentator des Handelsrechts (seit 1893) und als „Entdecker“ der sog. →positiven Forderungsverletzung oder positiven Vertragsverletzung (1902) hervor.

Lit.: Köbler, DRG 241; Deutsche Juristen jüdischer Abstammung, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 385; Anwalt - Kommentator - Entdecker - Festschrift für Hermann Staub, hg. v. Henne, T. u. a., 2006

Staufer ist der Angehörige des in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts erkennbaren schwäbischen Geschlechts, das 1079 das Herzogtum Schwaben und 1138 (wegen der 1079 erfolgten Heiratsverbindung mit den →Saliern) (bis 1254) das deutsche Königtum (Konrad III. 1138-1152, Friedrich I. Barbarossa 1152-1190, Heinrich VI. 1169-1197, Philipp von Schwaben 1198-1208, Friedrich II. 1212-1250, Konrad IV. 1237-1254) hält und 1268 in dem Mannesstamm ausstirbt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 93; Cohn, W., Das Zeitalter der Hohenstaufen in Sizilien, 1925; Franzel, E., König Heinrich VII. von Hohenstaufen, 1929; Sthamer, E., Bruchstücke mittelalterlicher Enquêten aus Unteritalien, 1933 (SB preußische Akademie); Mitteis, H., Zur staufischen Verfassungsgeschichte, ZRG GA 65 (1947), 316; Bosl, K., Die Reichsministerialen, Bd. 1f. 1950f., Neudruck 1968f.; Kirchner, G., Die Steuerliste von 1241, ZRG GA 70 (1953), 64; Metz, W., Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer in Italien, Bd. 1f. 1970f.; Appelt, H., Privilegium minus, 2. A. 1976; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982; Engels, O., Stauferstudien, 1988 (Aufsätze); Hauser, S., Staufische Lehnspolitik, 1998; Engels, O., Die Staufer, 8. A. 2005, 9. A. 2010; Von Schwaben bis Jerusalem, hg. v. Lorenz, S. u. a., 1995; Die Staufer im Süden, hg. v. Kölzer, T., 1996; Hechberger, W., Staufer und Welfen, 1996; Die Staufer, 2000; Stauferreich im Wandel, hg. v. Weinfurter, S., 2002; Meyer, B., Kastilien, die Staufer und das Imperium, 2002; Schütte, B., König Philipp von Schwaben. Itinerar – Urkundenvergabe – Hof, 2002; Haverkamp, A., Zwölftes Jahrhundert 1125-1198, 2003; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Busch, J., Administratio in der frühen Stauferzeit, ZRG GA 122 (2005), 42; Grafen, Herzöge, Könige, hg. v. Seibert, H. u. a., 2005; Bedürftig, F., Die Staufer, 2006; Görich, K., Die Staufer, 2006; Staufer & Welfen, hg. v. Hechberger, W. u. a., 2009; Verwandlungen des Stauferreichs, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2009; Die Staufer und Italien, hg. v. Wieczorek, A. u. a., 2010; Akermann, M., Die Staufer, 2010; Kaiser- und Königsurkunden der Staufer (1138-1268), hg. v. Koch, W. u. a., 2010; Staufisches Kaisertum im 12. Jahrhundert, hg. v. Burkhardt, S. u. a., 2010; Konrad IV., red. v. Ruess, K., 2012; Die Urkunden Manfreds, bearb. v. Friedl, C., 2013; Die Staufer und Byzanz, red. v. Ruess, K., 2013; Keupp, J./Gramsch, R., Die Staufer, 2015; Eom 1312 – Die Kaiserkrönung Heinrichs VII., hg. v. Penth, S. u. a., 2015; Stürner, W., Die Staufer, 2019

Staupenschlag

Lit.: Breithaupt, W., Die Strafe des Staupenschlags, 1938

Steckbrief ist das in der frühen Neuzeit erscheinende, schriftlich an alle Behörden ergehende Ersuchen, eine flüchtige oder sich verbergende Person festzunehmen und sie der nach ihr fahndenden Behörde zu übergeben.

Lit.: Biedermann, Über Steckbriefe, Archiv f. Criminalrecht 3 (1800), 274; Blauert, A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001; Groebner, V., Der Schein der Person, 2004

Steiermark ist das in dem 8. Jahrhundert von Bayern besiedelte, in dem 12. Jahrhundert unter den seit 1122 herrschenden Traungauern von Kärnten gelöste, 1180 zu dem Herzogtum (zu Steyr als dem in Oberösterreich gelegenen Hauptort des Traungaus) erhobene und 1186/1192 durch die →Georgenberger Handfeste an die Babenberger bzw. den Herzog von →Österreich gelangte südöstliche Grenzgebiet (karantanische →Mark, Gebiet an der mittleren Mur) des deutschen Reiches. 1919 fällt die südliche Untersteiermark mit Marburg/Maribor an Jugoslawien. Das Bundesland S. Österreichs wird von 1939 bis 1945 mit dem südlichen Burgenland zu dem Reichsgau S. und steht nach Wiederherstellung bis 1955 unter Besatzung Großbritanniens.

Lit.: Köbler, DRG 94, 95, 220; Siegenfeld, A. v., Das Landeswappen der Steiermark, 1900; Steirischer Wortschatz, hg. v. Unger, T. u. a., 1903, Neudruck 2009; Die landesfürstlichen Gesamturbare der Steiermark, hg. v. Dopsch, A., 1910; Rauch, K., Die Erwerbung des Herzogtums Steiermark durch die Babenberger, ZRG GA 38 (1917), 269; Mensi, F. Frhr. v., Geschichte der direkten Steuern in Steiermark, 1921; Mell, A., Das steirische Weinbergrecht und dessen Kodifikation im Jahre 1543, 1928 (SB Wien); Mell, A., Grundriss der Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1929; Seuffert, B., Drei Register aus den Jahren 1478 bis 1519, 1934; Rauch, K., Die Übertragung der steirischen Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht der Babenberger, ZRG GA 58 (1938), 448; Lang, A., Die Salzburger Lehen in Steiermark, 1937; Baltl, H., Die ländliche Gerichtsverfassung Steiermarks, 1951; Die ältesten steirischen Landtagsakten 1396-1519, Teil 1 f. bearb. v. Seuffert, B. u. a., 1953ff.; Baltl, H., Rechtsarchäologie des Landes Steiermark, 1957; Ebner, H., Beiträge zur Burgen- und Herrschaftsgeschichte sowie zur Genealogie obersteirischer Adelsfamilien, 1974; Regesten des Herzogtums Steiermark, hg. v. Härtel, R., Bd. 1f. 1976ff.; Brauneder, W., Die Anfänge der Gesetzgebung, Z. d. hist. Ver. d. Steiermark 68 (1977), 165; Woisetschläger, K., Steiermark, 1982; Karner, S., Die Steiermark im Dritten Reich (1938-1945), 1985; Österreichisches Städtebuch. Die Städte der Steiermark, Bd. 1 1990; 800 Jahre Steiermark und Österreich, hg. v. Pickl, O., 1992; Breitegger, H., Die großen Kriminalfälle der Steiermark, 2000; Karner, S., Die Steiermark im 20. Jahrhundert, 2000; Binder, D./Ableitinger, A., Steiermark, 2001; Baltl, H., Die Steiermark im Frühmittelalter, 2004; Wesener, G., Eine steirische Erbrechtsordnung, Zs. d. hist. Vereins für Steiermark 95 (2004), 235; Heppner, H. u. a., Steiermark, 2006; NS-Herrschaft in der Steiermark, hg. v. Halbrainer, H. u. a., 2012; Moll, M., Die Steiermark im ersten Weltkrieg, 2014; Halbrainer, H., Sei nicht böse dass ich im Kerker sterben muss, 2014; Urgeschichte und Römerzeit in der Steiermark, hg. v. Hebert, B., 2015; Halbrainer, H. u. a., Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015; Bundesland und Reichsgau, hg. v. Ableitinger, A., 2016; Die Steiermark im Spätmittelalter, hg. v. Pferschy, G., 2018

Stein ist der harte, nichtmetallische Bestandteil der Materie, der in dem einzelnen Stück als Rechtssymbol verwendet werden kann (z. B. Grenzstein, Kreuzstein).

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Stein, Karl Freiherr vom und zum (Nassau 22. 10. 1757-Cappenberg 24. 6. 1831), Geheimratssohn, wird nach dem Studium des Rechtes und der Staatswissenschaft in Göttingen preußischer Beamter. 1807/1808 reformiert er nach der Niederlage gegen Frankreich die Verwaltung →Preußens (Bauernbefreiung, Fachressorts, Selbstverwaltung, Gewerbefreiheit, Wehrpflicht).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 167, 174, 192, 211; Lappe, J., Freiherr vom Stein als Gutsherr auf Kappenberg, 1920; Botzenhart, E., Die Staats- und Reformidee des Freiherrn vom Stein, 1927; Raumer, K. v., Was bedeutet uns Stein heute?, 1958; Gembruch, W., Freiherr vom Stein im Zeitalter der Restauration, 1960; Schwab, D., Die „Selbstverwaltungsidee“ des Freiherrn vom Stein, 1971; Hubatsch, W., Stein-Studien, 1975; Hubatsch, W., Die Stein-Hardenbergschen Reformen, 1977; Duchhardt, H., Stein, 2007; Fenske, H., Freiherr vom Stein, 2012

Stein, Lorenz (Borby bei Eckernförde 15. 11. 1815 (unehelicher Sohn der Anna Juliana Elisabeth Stein geb. Helms und des Offiziers Lorenz Jacob von Wasmer)-Weidlingau bei Wien 23. 9. 1890) wird nach dem Rechtsstudium in Kiel 1845 außerordentlicher Professor der Staatswissenschaften und nach Amtsenthebung (1852) in Wien 1855 Professor für politische Ökonomie. In weitgespannten Schriften fördert er die Entwicklung der Verwaltungslehre (1865ff.). Dem über den Klassen stehenden König stellt er die Aufgabe, durch staatliche Leistung die in dem Liberalismus eingetretenen gesellschaftlichen Missstände zu beseitigen.

Lit.: Schmidt, W., Lorenz von Stein, 1956; Staat und Gesellschaft, hg. v. Schnur, R., 1978; Heilmann, M., Lorenz von Stein, 1984; Wissenschaft und Recht der Verwaltung seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E., 1984; Lorenz von Stein, hg. v. Mutius, A. v., 1991; Koslowski, S., Zur Philosophie von Wirtschaft und Recht, 2005; Blasius, D., Lorenz vom Stein, 2007; Lorenz von Stein und die rechtliche Regelung der Wirklichkeit, hg. v. Brüning, C. u. a., 2015

Stein-Hardenbergsche Reformen →Stein, Hardenberg

Steinigung ist die in dem Altertum (Judentum) und später in dem Islam (z. B. Iran, Afghanistan, Nigeria, Indonesien) verbreitete Tötung eines Menschen (meist Frauen z. B. wegen Ehebruchs) durch Bewerfen mit Steinen.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Quanter, R., Die Leibes- und Lebensstrafen, 2. A. 1906

Steinkreuz ist das aus Stein geschaffene Kreuz. Es erscheint in dem Mittelalter als sichtbares Zeugnis eines einzelnen rechtlich bedeutsamen Geschehens, dessen Entschlüsselung nicht immer sicher möglich erscheint.

Lit.: Kuhfahl, G., Die alten Steinkreuze in Sachsen, 1936; Dreyhausen, W. v., Die alten Steinkreuze in Böhmen und im Sudetengau, 1940; Losch, B., Steinkreuze in Südwestdeutschland, 1968; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988Altensleben, S., Das Radkreuz von Untereuerheim und seine Verwandtschaft, Frankenland 1 (2019), 3

Steinzeit (Lithikum) (Bezeichnung 1836 von Christian Jürgensen Thomsen eingeführt) ist die Zeit in der Geschichte des Menschen, in der dieser hauptsächlich Werkzeuge aus Stein verwendet. Sie beginnt mit dem Frühmenschen und ältesten gefundenen Werkzeugen in Afrika vor etwa 2,6 Millionen Jahren (Altsteinzeit bzw. Paläolithikum). In ihrem letzten Abschnitt (Jungsteinzeit bzw. Neolithikum) erfolgt evolutionär (nicht revolutionär) der Übergang zu einer sesshaften Lebensweise mittels Ackerbau und Viehzucht sowie vielleicht der Gefäßherstellung. Die S. wird durch die Erfindung und Benutzung von Metallwerkzeugen beendet (Kupferzeit, in Mitteleuropa um etwa 2200 v. Chr., Bronzezeit, Eisenzeit). Rechtsgeschichtliche Erkenntnisse aus der S. sind wegen der Unkörperlichkeit des Rechtes gering und unsicher.

Lit.: Schulz, W., Vor- und Frühgeschichte Mitteldeutschlands, 1939; Eckhardt, K., Altsteinzeitliche Justizpflege, ZRG GA 60 (1940), 252; Müller-Beck, H., Die Steinzeit, 1998; Hoffmann, E., Lexikon der Steinzeit, 1999; Altsteinzeit von A-Z, hg. v. Fiedler, L., 2010; Revolution Jungsteinzeit, hg. v. Otten, T. u. a., 2015

Stellionatus (lat. [M.] Bereicherung durch falschen Eid) ist in dem klassischen römischen Recht der Straftatbestand, der als Vorläufer des →Betrugs bis in das 19. Jahrhundert fortwirkt.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Hupe, E., Falsum, fraus und stellionatus, Diss. jur. Marburg 1967; Schaffstein, F., Das Delikt des stellionatus, FS F. Wieacker, hg. v. Behrends, O., 1978, 281

Stellvertretung (Wort 1799, Stellvertreter 1695, Vertretung) ist das rechtsgeschäftliche Handeln einer Person (Vertreter) für eine andere (Vertretenen). Die S. kann mittelbar oder unmittelbar erfolgen. Das römische Recht schließt die S. aus, kennt aber in der Rechtswirklichkeit andere Wege, um die Ziele der S. zu erreichen (z. B. →peculium des Sklaven). In dem Mittelalter entwickelt sich die S. aus der Vertretung vor Gericht, nach der in dem Spätmittelalter die Bevollmächtigung von Angestellten bedeutender Kaufleute üblich wird.

Lit.: Kaser §§ 1 II 3, 11; Söllner § 18; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 208; Buchka, H., Die Lehre von der Stellvertretung, 1852; Fränkel, R., Die Grundsätze der Stellvertretung, Z. f. vergleich. Rechtswiss. 27 (1912), 289; Würdinger, H., Geschichte der Stellvertretung (agency) in England, 1933; Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971; Luig, K., Savignys Lehre von der Stellvertretung, Ius commune 8 (1979), 60; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 423; Hölzl, F., Savignys Lehre, (in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 211; Schmoeckel, M., Von der Vertragsfreiheit zu typisierten Rechtspflichten, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 77; Hölzl, F., Friedrich Carl von Savignys Lehre von der Stellvertretung, 2002; Heckmann, M., Stellvertreter, 2002; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Signori, G., Der Stellvertreter, ZRG GA 132 (2015), 1; Ellsperger, R., Zum Verhältnis von unmittelbarer und mittelbarer Stellvertretung, 2016

Stempel ist das bereits dem Altertum bekannte, dem Abdruck von Zeichen auf Überlieferungsträgern dienende Gerät. Der S. entsteht vielleicht durch die Verallgemeinerung des →Siegels. Seit 1624 (Niederlande) erhebt der Staat für die Stempelung von öffentlichem Schriftgut eine Steuer (Stempelsteuer), die in Deutschland später wieder aufgegeben wird.

Lit.: Baltl/Kocher; Müller, G., Stempelrecht, 1778

Stendal in der Altmark ist die um 1160 von Albrecht dem Bären gegründete Stadt. In S. entsteht in dem 15. Jahrhundert unter Verwendung zahlreicher Schriften die (altmärkische oder) →Stendaler Glosse des Sachsenspiegels.

Lit.: Ein Stendaler Urteilsbuch, hg. v. Behrendt, J., 1868; Sachs, H., Stendal, 1967; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 74

Stendaler Glosse (altmärkische Glosse) ist eine in dem 15. Jahrhundert (vor 1410) in →Stendal teils deutsch und teils lateinisch verfasste Glosse interlinearer und marginaler Glossatur zu dem lateinischen und mittelniederdeutschen Text des →Sachsenspiegels (1221-1224), zu der petrinischen Glosse, zu dem Magdeburger Weichbild in 6 Büchern und ansatzweise zu dem Richtsteig Lehnrechts unter Benutzung der Glossa ordinaria zu dem römischen Recht, zahlreicher Juristenschriften, der Lombarda, der Bibel, der Kirchenväter, klassisch lateinischer Autoren, der buchschen Glosse, Magdeburger Schöffensprüche und märkischer Gewohnheiten.

Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 74

Stephanskrone (Krone Stephans I. von →Ungarn [997-1038], Länder der S. sind die jenseits der Leitha liegenden Länder Habsburgs)

Stephanus ist ein vermutlich in Beirut in dem 6. Jahrhundert wirkender Rechtskundiger.

Lit.: De Jong, H., Stephanus en zijn digestenonderwijs, 2008

Stephanus Tornacensis (Stephan von Tournai) (Orléans 18. 2. 1128-Tournai 11. 9. 1203) wird nach dem Theologiestudium in Paris und dem Rechtsstudium in Bologna (Rufinus, Bulgarus) Lehrer in Chartres, 1167 Abt in Orléans und 1192 Bischof von Tournai. Zwischen 1166 und 1169 verfasst er seine (lat.) Summa (F.) decreti (Dekretsumme). Sie überragt ihre zugrundeliegenden Vorläufer durch tiefere Durchdringung des Stoffes.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Kalb, H., Studien zur Summa, 1983; Weigand, R., Studien zum kanonistischen Werk Stephans von Tournai, ZRG KA 72 (1986), 349

Sterbefall ist der Tod eines Menschen. An ihn knüpfen sich seit dem Mittelalter grundherrschaftliche Abgaben (z. B. →Besthaupt). Diese werden spätestens in dem 19. Jahrhundert beseitigt.→Erbschaftsteuer

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2

Sterilisation (F.) Unfruchtbarmachung, Keimfreimachung (zwischen 1933 und 1945 etwa 360000 Menschen in dem Deutschen Reich)

Lit.: Tümmers, H., Anerkennungskämpfe - Die Nachgeschichte, 2011Ruckert, F., Zwangssterilisationen im Dritten Reich 1933-1945, 2012

Steuer ist die einmalige oder laufende Geldleistung, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellt und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zu der Erzielung von Einkünften allen auferlegt wird, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Sie ist als Grundsteuer (lat. (N.( stipendium), personale Vermögensteuer (lat. tributum (N.( capitis, Kopfsteuer) oder Gewerbesteuer bereits dem klassischen römischen Recht bekannt, das ihre Eintreibung durch Steuerpächter durchführt. In dem Mittelalter lebt der Herrscher grundsätzlich zunächst von den Einkünften aus seinen Gütern, doch entsteht die S. in Land und Stadt mit der Herrschaftsverdichtung und dem Übergang zu der Geldwirtschaft seit dem 13. Jahrhundert (in Frankreich z. B. in dem 15. Jahrhundert durchgesetzt). In der Neuzeit weitet sich die Besteuerung in den Ländern durch →Steuerrecht stetig aus. In der Mitte des 19. Jahrhunderts überholen die Steuereinnahmen die sonstigen Staatseinkünfte. Insbesondere für die Leistungsverwaltung werden zusätzliche Einnahmen durch die Entscheidungsträger (Parlamente) zu Lasten der Betroffenen (steuerpflichtigen Bürger) festgesetzt. In dem Deutschen Reich beläuft sich 1913 der Steueraufwand auf 2100000000 Mark (2,1 Milliarden für das Reich, 2,7 Milliarden für die Einzelstaaten). In dem 20. Jahrhundert gelangt die Besteuerung mit Umverteilungszielen an die zeitweise mittels Neuverschuldung zeitlich versetzten Grenzen der Belastbarkeit der Steuerpflichtigen (Lohnsteuer, Einkommensteuer, Umsatzsteuer).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 32, 55, 83, 110, 111, 113, 149, 150, 152, 191, 196, 198, 233, 234, 259, 260; Köbler, WAS; Zeumer, K., Die deutschen Städtesteuern, 1878; Lohmann, K., Das Reichssteuergesetz von 1654, Diss. Bonn 1892/1893; Kogler, F., Das landesfürstliche Steuerwesen in Tirol, Tel 1 1901; Bittner, L., Die Geschichte der direkten Staatssteuern im Erzstifte Salzburg, 1903; Dopsch, A., Steuerpflicht und Immunität im Herzogtum Österreich, ZRG GA 26 (1905), 1; Schnettler, O., Ein Steuerstreit, 1932; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Schräder, B., Die Besteuerung des Bauerntums in der Reichsgrafschaft Bentheim, 1941; Partsch, G., Die Steuern des Habsburger Urbars (1303-1308), 1946; Mitchell, S., Taxation in Medieval England, 1951; Kirchner, G., Die Steuerliste von 1241, ZRG GA 70 (1953), 64; Gerhard, H., Das Steuerwesen der Grafschaft Saarbrücken, 1960; Lunt, W., Papal Revenues, 2. A. 1965; Wachenhausen, M., Staatsausgabe und öffentliches Interesse in den Steuerrechtfertigungslehren des naturrechtlichen Rationalismus, 1972; Merzbacher, F., Das Wesen der Steuer, FS H. Paulick, 1973, 255; Schulze, W., Reichstage und Reichssteuern im späten 16. Jahrhundert, ZHF 2 (1975), 43; Steitz, W., Die Realbesteuerung der Landwirtschaft, 1976; Jenetzky, J., System und Entwicklung des materiellen Steuerrechts, 1978; Schuler, P., Reichssteuern und Landstände, Schauinsland 97 (1978), 39; Hartmann, P., Das Steuersystem der europäischen Staaten, 1979; Isenmann, E., Reichsfinanzen und Reichssteuern im 15. Jahrhundert, ZHF 7 (1980), 1; Franke, S., Entwicklung und Begründung der Einkommensbesteuerung, 1981; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983; Linzbach, P., Der Werdegang der preußischen Einkommensteuer, 1984; Wild, W., Steuern und Reichsstandschaft, 1983; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 1986, 3. A. 1992; Pausch, A./Pausch, J., Kleine Weltgeschichte der Steuerobrigkeit, 1989; Brown, A., The Governance of Late Medieval England, 1989; Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992; Lieb, R., Direkte Steuerprogression, 1992; Mußgnug, D., Die Reichsfluchtsteuer 1931-1953, 1993; Steuern, Abgaben und Dienste, hg. v. Schremmer, E., 1994; Schremmer, E., Steuern und Staatsfinanzen, 1994; Voß, R., Steuern im Dritten Reich, 1995; Schwennicke, A., „Ohne Steuer kein Staat“, 1996; Kumpf, J., 5000 Jahre Steuern und Zölle, 1996; Amend, A., Von der Kunst, eine Steuerfrage aus einer Parteifrage in eine Finanzfrage zu verwandeln, 1997; Thier, A., Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999; Hackl, B., Die theresianische Steuerrektifikation, 1999; Mathiak, W., Zwischen Kopfsteuer und Einkommensteuer, 1999; Hackenberg, M., Die Verpachtung von Zöllen und Steuern, 2002; Schremmer, E., Warum die württembergischen Ertragsteuern von 1821 und die sächsische Einkommensteuer von 1874/78 so interessant sind, 2002; Schauer, R., Die Steuergesetzgebung des Nationalsozialismus, 2003; Ernst, A., Die Einführung des napoleonischen Steuer- und Verwaltungssystems in Lüneburg, 2004; Ullmann, H., Der deutsche Steuerstaat. Geschichte der öffentlichen Finanzen, 2005; Johann, U., Die Steuergesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland von 1983 bis 1998, 2006; Kersting, G., Steuerwiderstand und Steuerkultur. Der Kampf gegen das Umgeld im Königreich Württemberg (1819-1871), 2006; Günther, S., Vectigalia nervos esse rei publicae, 2008; Baßler, J., Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2012; Sahm, R., Von der Aufruhrsteuer bis zum Zehnten, 2014; Steuern im historischen Kontext, hg. v. Seer, R., 2014; Steueroasen im Visier, hg. v. Macho, R., 2015; Meinzer, M., Steueroase Deutschland, 2015; France, J., Finances publiques, interêts privés dans le monde romain, 2017; 100 Jahre Steuerrechtsprechung in Deutschland 1918-2018, hg. v. Drüen, K. u. a., 2018 (Sammelband); Osterloh-Konrad, C., Die Steuerumgehung, 2019

Steuerbewilligung ist die notwendige Zustimmung der →Landstände zu der Steuererhebung durch den Landesherrn.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3

Steuerrecht ist die Gesamtheit der die →Steuer betreffenden Rechtssätze.

Lit.: Högemann, W., Das deutsche Steuerrecht unter dem Einfluss des Nationalsozialismus, Diss. jur. Münster 1993; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Bräunig, C., Herbert Dorn 1887-1957) – Pionier und Wegbereiter im internationalen Steuerrecht, 2016; 100 Jahre Steuerrechtsprechung in Deutschland 1918-2018, hg. v. Drüen, K. u. a., 2018 (Sammelband)

Steuerstrafrecht ist die Gesamtheit der Straftatbestände betreffenden Rechtssätze des →Steuerrechts. Das S. gewinnt mit der Vermehrung der Steuerlast zunehmende Bedeutung.

Lit.: Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Lammerding, J. u. a., Steuerstrafrecht, 6. A. 1993; Poggemann, M., Schuld und Strafe, 1997; Otte, L., Schwarzgeld, 2015

Steward →Stuart

Steyr →Landlauf von Steyr

Stiernhöök, Johann Olafson (1596-1675) wird nach dem Rechtsstudium in Uppsala, Leipzig, Jena, Wittenberg und Rostock 1630 Hofgerichtsassessor und 1640 Professor in Turku. 1674 veröffentlicht er eine Darstellung des schwedischen, nicht von der Rezeption erfassten Rechtes (De iure Sveonum et Gothorum, Von dem Recht der Schweden und Göten).

Lit.: Stiernhöök, J., De iure Sveonum et Gothorum vetusto, 1672, Neudruck 1962; Jägerskiöld, Johann Stiernhöök, Rättshistorisk Studien 4 (1974), 117; Johan Olofsson Stiernhöök, hg. v. Modéer, K., 1996

Stift ist das Kollegium kanonisch lebender Kleriker in einer Kirche. Es entsteht in dem Frühmittelalter. Seit dem Hochmittelalter ist es Verbandsperson.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schäfer, K., Pfarrkirche und Stift, 1903; Heckel, J., Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter Preußens, 1924, Neudruck 1964; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Schieffer, R., Die Entstehung von Domkapiteln, 1976; Lill, R., Stifts- und Abteikirchen, 1987; Studien zum weltlichen Kollegiatstift, hg. v. Crusius, I., 1995; Hankel, H., Die reichsunmittelbaren evangelischen Damenstifte, 1996; Wagner, W., Universitätsstift und Kollegium, 1999; Studien zum Kanonissenstift, hg. v. Crusius, I., 2001; Die Stiftskirche in Südwestdeutschland, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003; Dom- und Kollegiatstifte in der Region Tirol – Südtirol – Trentino in Mittelalter und Neuzeit, hg. v. Obermair, H. u. a., 2006; Stift und Wirtschaft, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2007; Adelige Damenstifte Oberschwabens in der frühen Neuzeit, hg. v. Schiersner, D. u. a., 2011; Schiersner, D., Räume und Identitäten, 2014

Stiftung (Wort um 950 belegt) ist die Widmung von Vermögen zu einem bestimmten Zweck durch Rechtsgeschäft. Als ein zu der Verfügung gestelltes, in seinen Erträgen die Verfolgung bestimmter Zwecke wie Götterkult oder Ahnenverehrung auf Dauer ermöglichendes Kapital geht die S. vielleicht bis etwa 3000 v. Chr. (Mesopotamien, Ägypten) zurück. Sie ist jedenfalls bereits dem römischen Recht ansatzweise bekannt. In dem Mittelalter fördert die Kirche die mildtätige S. Aufklärung und Säkularisation stehen der S. feindlich gegenüber. Als juristische Person wird die bis dahin meist nur als unselbständiger Anhang einer Körperschaft (z. B. Kirche, Gemeinde) angesehene S. in dem 19. Jahrhundert anerkannt (Heise, G. A., Grundriss eines Systems des gemeinen Civilrechts, 2. A. 1816, 23). In das Bürgerliche Gesetzbuch von 1896/1900 findet sie nur zögernd Eingang. (1881 eine Vorschrift, 1900 neun). In dem ausgehenden 20 Jahrhundert bietet die S. nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika eine Möglichkeit der Milderung der Härten hoher Erbschaftsteuern auf große Vermögen (z. B. dürfen seit 2006 in der Schweiz 20 Prozent des Einkommens bzw. Gewinns als Spenden steuersparend geltend gemacht werden). Als älteste noch bestehende deutsche Stiftung gilt der in Lüneburg 1127 errichtete Hospitalfonds Sankt Bendikt (evangelisches Stift in Sankt Goar zwar vielleicht in einem Vorläufer 765 errichtet, aber um 1525 aufgelöst, Hospitalstiftung in Wemding nicht 917, sondern erst 1371 gegründet). 1990 bestanden in der bisherigen Bundesrepublik 4011 Stiftungen, 2015 in der erweiterten Bundesrepublik 18820 Stiftungen mit einem Gesamtbudget von 12,5 Milliarden Euro, mit denen Gymnasien, Universitäten, Sozialeinrichtungen, Museen und Forschungsinstitutionen unerstützt wurden

Lit.: Kaser § 17 III; Köbler, DRG 58, 121; Heimberger, H., Die Veränderung des Stiftungszwecks, 1913; Reicke, S., Stiftungsbegriff und Stiftungsrecht im Mittelalter, ZRG GA 53 (1933), 247; Pleimes, D., Die Rechtsproblematik des Stiftungswesens, Diss. jur. Leipzig 1938; Pleimes, D., Weltliches Stiftungsrecht, 1938; Pleimes, D., Irrwege der Dogmatik im Stiftungsrecht, 1954; Ebersbach, H., Die Stiftung des öffentlichen Rechts, 1961; Scheyhing, R., Zur Geschichte des Gymnasiums in Ellwangen, ZRG GA 79 (1962), 264; Liermann, H., Geschichte des Stiftungsrechts (Handbuch des Stiftungsrechts 1), 1963; Stiftungen aus Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 1f., hg. v. Berndl, H. u. a. 1970f.; Ebersbach, H., Handbuch des deutschen Stiftungsrechts, 1972; Deutsches Stiftungswesen, hg. v. Hauer, R. u. a., 1977; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Eichler, H., Die Verfassung der Körperschaft und Stiftung, 1986; Scheyhing, R., Die Gremp’sche Stiftung 1584-1984, ZRG GA 103 (1986), 254; Borgolte, M., Die Stiftungen des Mittelalters, ZRG KA 105 (1988), 71; Mäzenatentum in Vergangenheit und Gegenwart, hg. v. Becker, J., 1988; Deutsches Stiftungswesen, hg. v. Hauer, R., 1989; Rexroth, F., Deutsche Universitätsstiftungen von Prag bis Köln, 1992; Borgolte, M., Totale Geschichte des Mittelalters?, 1993; Siems, H., Von den piae causae zu den Xenodochien, (in) Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 1998, 57; Lusiardi, R., Stiftung und religiöse Gesellschaft, 1999; Wagner, W., Universitätsstift und Kollegium in Prag, Wien und Heidelberg, 1999; Stiftungen und Stiftungswirklichkeiten, hg. v. Borgolte, M., Bd. 1 2000; Lusiardi, R., Stiftung und städtische Gesellschaft, 2000; Theisen, F., Mittelalterliches Stiftungsrecht, 2002; Liermann, H., Geschichte des Stiftungsrechts, 2. A. 2002; Alexander, L., Anstalten und Stiftungen. Verselbständigte Vermögensmassen im römischen Recht, 2003; Klostermann, G., Das niederländische privatrechtliche Stiftungsrecht, 2003; Schewe, M., Die Errichtung der rechtsfähigen Stiftung von Todes wegen, 2004; Scheller, B., Memoria an der Zeitenwende. Die Stiftungen Jakob Fuggers, 2004; Stiftungen in Christentum, Judentum und Islam vor der Moderne, hg. v. Borgolte, M., 2005; Schwarz, R., Das Stiftungswesen in der sowjetischen Besatzungszone und in der Deutschen Demokratischen Republik, 2008; Kästner, K./Couzinet, D., Der Rechtsstatus kirchlicher Stiftungen staatlichen Rechts des 19. Jahrhunderts, 2008; Steiner, M., Die Klöster und ihr Wirken, 2009; Islamische Stiftungen zwischen juristischer Norm und sozialer Praxis, hg. v. Meier, A. u. a., 2009; Borgolte, M., Stiftungen, (in) Stiftungen 3 (2009), 9; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Hahn, P., Die Stiftungssatzung, 2010; Lohse, T., Die Dauer der Stiftung, 2011; Werner, M., Stiftungsstadt und Bürgertum, 2011; Impekoven, H., Die Alexander von Humboldt-Stiftung, 2011; Borgolte, M., Stiftung und Memoria. 2012 (Aufsätze); Moddelmog, C., Königliche Stiftungen des Mittelalters im historischen Wandel, 2012; Bach, C., Bürgersinn und Unternehmergeist, 2014; Enzyklopädie des Stiftungswesens in mittelalterlichen Gesellschaften, Bd. 1 Grundlagen, hg. v. Borgolte, M. 2014, Bd. 2 Das soziale System, 2014, Bd. 3 Stiftung und Gesellschaft, 2017; Borgolte, M., Fünftausend Jahre Stiftungen, HZ 301 (2015) 593; Borgolte, M., Weltgeschichte als Stiftungsgeschichte, 2017; Adam, T., Zivilgesellschaft oder starker Staat? Das Stiftungswesen in Deutscland (1815-1989), 2018; Johannsen, I., Stifter und Stiftungen im frühneuzeitlichen Hamburg, 2019

Stille Gesellschaft ist die Beteiligung an einem Geschäft ohne tätige Mitwirkung. Die s. G. ist eine nach außen nicht erkennbare Innengesellschaft. Sie findet sich bereits in dem Hochmittelalter. In dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (1861) wird die s. G. von der →Kommanditgesellschaft geschieden.

Lit.: Köbler, DRG 127, 217; Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Engler, C., Die Kommanditgesellschaft (KG) und die stille Gesellschaft im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 1999

stillschweigend (Adj.) ohne ausdrückliche Willenserklärung erfolgend, gesetzlich oder gewohnheitsrechtlich geltend (z. B. Pfandrecht des Vermieters oder Verpächters)

stilus (M.) curiae (lat.) Schreibart eines Gerichts, Gerichtsgebrauch

Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Berger, H., Die Entwicklung der zivilrechtlichen Relation, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976

Stimmrecht ist das Recht, an einer Abstimmung einer Personenmehrheit teilzunehmen. Es gewinnt insbesondere in dem 19. Jahrhundert allgemeine Bedeutung.

Lit.: Vogel, B. u. a., Wahlen in Deutschland, 1971

Stintzing, Roderich von (Altona 8. 2. 1825-Südtirol 13. 9. 1883), Arztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Jena, Heidelberg, Kiel und Berlin 1848 Rechtsanwalt und 1854 ordentlicher Professor in Basel, Erlangen (1857) und Bonn (1870). Nach langjährigen Vorbereitungen veröffentlicht er 1880 die Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft.

Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Müllenbach, B., Zum 100. Todestag von Roderich von Stintzing, ZRG GA 101 (1984), 312

stipendium (lat. (N.() Steuer, Grundsteuer, Unterstützung

Lit.: Köbler, DRG 32; Adam, T., Stipendienstiftungen und der Zugang zu höherer Bildung in Deutschland von 1800 bis 1960, 2008 (in Preußen 1885 für 21 Prozent der Studierenden Zuwendungen verfügbar); Stipendienstiftungen und Stipendiaten, hg. v. Merkel, G., 2008

Stipulatio (lat. (F.() ist bereits in dem altrömischen Recht das Versprechen. Es stellt eines der wichtigsten Geschäfte überhaupt dar. Bei der Stipulation macht der eine ein (mündliches, formgebundenes) Angebot (lat. centum mihi dari spondesne [versprichst du, dass mir hundert gegeben werden?]), dem der andere zustimmt (lat. spondeo [ich verspreche]). Die vielseitig (z. B. für ein Schenkungsversprechen, die Haftung bei Verkauf oder eine Zinsabrede) verwendbare, einseitig verpflichtende S. ist in dem klassischen römischen Recht →Verbalkontrakt (mit der actio ex stipulatu einklagbar). Zu Gunsten eines Dritten ist die S. ausgeschlossen (lat. alteri stipulari nemo potest, für einen Dritten kann niemand versprechen). Bei der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter wird der besondere Wortformalismus nicht übernommen (usus modernus pandectarum, moderner Gebrauch der Pandekten).

Lit.: Kaser §§ 6 III, 7 III, 8 I, 32 II, 33 I, IV, 38 II, 40 I, 41 VI, 58 III, 59 II; Söllner §§ 8, 9, 18, 24; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 19, 22, 27, 45, 164; Seuffert, L., Materialien zur Deutung von stipulatio in mittelalterlichen Urkunden, ZRG GA 2 (1881), 115; Wolf, J., Causa stipulationis, 1970; Simon, D., Studien zur Praxis der Stipulationsklausel, 1964; Wesener, G., Zum Weiterleben römischen Rechtes im Frühmittelalter (in) Cinquante anni della Corte costituzionale della Repubblica italiana, 2006, 1751; Finkenauer, T., Stipulation und Geschäftsgrundlage, ZRG RA 127 (2010), 305; Finkenauer, T., Vererblichkeit und Drittwirkung der Stipulation im klassischen römischen Recht, 2010; Berg, S., Die Stipulation in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2009

Stipulatio (F.) Aquiliana (lat.) ist die von Gaius Aquilius Gallus (66 v. Chr.) geschaffene, den Geldwert aller gegenwärtig oder künftig gerichtlich durchsetzbaren Rechte des Stipulanten in einer einzigen Stipulation zusammenfassende Stipulation (Ausgleichsquittung).

Lit.: Kaser § 54 I 5; Köbler, DRG 29, 44; Sturm, F., Stipulatio Aquiliana, 1972

stipulatio (F.) duplae (lat.) Strafstipulation auf das Doppelte (des Kaufpreises), falls die verkaufte und dem Käufer übergebene Sache von einem besser Berechtigten herausverlangt wird (teilweise fingiert)

Lit.: Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 46

Stipulation (Versprechen) →stipulatio

Stobbe, Johann Ernst Otto (Königsberg 28. 6. 1831-Leipzig 19. 5. 1887) wird nach dem Studium von Philosophie und Rechtswissenschaft in Königsberg, Leipzig und Göttingen (Merkel, Albrecht, Waitz) 1856 in Königsberg außerordentlicher Professor und dann ordentlicher Professor, 1859 in Breslau, 1872 in Leipzig. Er veröffentlicht 1860 die Geschichte der deutschen Rechtsquellen (Neudruck 1965) und 1871 ein Handbuch des deutschen Privatrechts.

Lit.: Friedberg, E., Otto Stobbe, 1887; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Scholze, B., Otto Stobbe, 2002

Stock (M.) Gefängnis, Pranger

Stockholm an dem Mälarsee erscheint 1252. In dem 17. Jahrhundert wird es Hauptstadt Schwedens. In dem 19. Jahrhundert erhält es eine 1960 verfestigte Universität.

Lit.: Dahlbäck, G., I medeltidens Stockholm, 1988; Ullrich, S., Untersuchungen zum Einfluss des lübischen Rechts, 2008

Stockwerkseigentum ist das besondere Eigentum an einem Teil eines Hauses. In Gegensatz zu dem römischen Recht erscheint es in dem Mittelalter vor allem in Süddeutschland seit dem 12. Jahrhundert, in Tirol seit dem 15. Jahrhundert Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wird S, zurückgedrängt. An dem Ende des 19. Jahrhunderts wird seine Neubildung als rechtlich unmöglich (lat. superficies solo cedit, der obere Teil weicht dem Grund) ausgeschlossen (Österreich 1879, deutsches Reich 1900, Schweiz 1907/1911). In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts tritt das Wohnungseigentum an seine Stelle.

Lit.: Kaser § 26 III 3; Hübner; Ackermann, F., Über Stockwerkseigentum, Diss. jur. Göttingen 1891; Novak, F., Das Stockwerkseigentum im Wiener Rechte des Mittelalters, ZRG GA 54 (1934), 89; Putzer, P., Zur Rechtsgeschichte des Stockwerkseigentums, FS E. Hellbling, 1971, 581; Thümmel, H., Stockwerkseigentum in Baden, Z. f. d. Notariat in Baden-Württemberg 50 (1984), 5; Rainer, J., Superficies und Stockwerkseigentum, ZRG RA 106 (1989), 327; Freundling, G., Echtes altes Stockwerkseigentum in Bayern, ZRG 116 (1999), 384; Kohl, G., Stockwerkseigentum 2007

Stolgebühr ist die nach dem Amtsgewand des Geistlichen (Stola) bezeichnete Gebühr für eine kirchliche Handlung (z. B. Taufe, Trauung, Begräbnis).

Lit.: Freudenberger, T., Der Kampf um die radikale Abschaffung, Münchner Theol. Z. 1 (1950), 40; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972

Stölzel, Adolf (Gotha 28. 6. 1831-Berlin 19. 4. 1919), Stadtsekretärs- und Amtsadvokatensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg und Heidelberg 1860 Richter und 1887 Honorarprofessor. 1872 legt er eine Untersuchung über die Entwicklung des gelehrten Richtertums in deutschen Territorien vor, 1901 eine Untersuchung über die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung.

Lit.: Stutz, U., Germanistische Chronik, ZRG GA 40 (1919), 393

Störer (Wort 1312, Störung 1190) ist der durch ein Verhalten oder einen Zustand andere Störende oder in ihren Rechten Beeinträchtigende.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Wollin, S., Störerhaftung im Immaterialgüter- und Persönlichkeitsrecht, 2018

Stracca, Benvenuto (Ancona 1509-1578), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna Jurist in Ancona. Er veröffentlicht 1553 den (lat.) Tractatus (M.) de mercatura seu mercatore (Abhandlung von dem Handel oder Kaufmann), der mit der Behandlung des Kaufmanns und seiner Geschäfte die erste wissenschaftliche Darstellung des →Handelsrechts ist.

Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2, 1, 1977

Strafaussetzung zu der Bewährung ist die in dem 20. Jahrhundert nach englischen Vorläufern (1778 Strafkolonien in Australien) nach amerikanischem Vorbild (Massachusetts 1869, England 1887, Belgien 1888, Frankreich 1891, bedingte Begnadigung Sachsen 1895) eingeführte Aussetzung der Vollstreckung einer →Freiheitsstrafe unter der Bedingung, dass der Täter während einer Bewährungszeit nicht erneut straffällig wird (Deutschland Reichsjugendgerichtsgesetz 1923, allgemein Bundesrepublik Deutschland 1953).

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Köbler, DRG 236

Strafbefehl (Wort zuerst in Hannover) ist die Entscheidung des Gerichts in dem besonderen Strafbefehlsverfahren der Strafprozessordnung (§§ 407-412 StPO). Dem Strafbefehlsverfahren fehlen die in Preußen 1846 eingeführten Grundsätze der Mündlichkeit, der Öffentlichkeit und des rechtlichen Gehörs weitgehend, so dass es insofern den älteren Inquisitionsprozess fortführt. Seine Bedeutung ist seit 1846 vor allem auch unter Kostengesichtspunkten stetig gewachsen.

Lit.: Elobied, T., Die Entwicklung des Strafbefehlsverfahrens von 1846 bis in die Gegenwart, 2010

Strafe ist das dem Täter einer Straftat von der Allgemeinheit zuzufügende, das Opfer nicht entschädigende Übel. In dem altrömischen Recht werden Unrechtstaten überwiegend mit den Mitteln der Hauszucht, des Kriegsrechts, der allgemeinen magistratischen Zuchtgewalt und des Zivilverfahrens verfolgt und nur in einigen seltenen Fällen (Landesverrat, Magistratsverletzung) mit einer öffentlichen Strafe (Enthauptung und Vermögenseinziehung, später auch Geldstrafe) belegt. Demgegenüber dringt seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. die öffentliche Unrechtsverfolgung allgemein durch. Strafen sind danach Todesstrafe, Verbannung, Ausprügelung, Zwangsarbeit und Geldstrafe. Justinian vereinigt alle Regelungen in den Büchern 47 und 48 der →Digesten. Inwieweit die Germanen S. kennen, ist zweifelhaft (Aufhängen bei Volksverrat, in dem Moor Versenken bei Unzucht). In dem Frühmittelalter überwiegt das →Kompositionensystem. Erst seit dem 11. Jahrhundert erscheint die S. (wieder allgemeiner) in →Landfrieden, setzt sich dann aber rasch durch. Sie ist anscheinend bis in das 17. Jahrhundert meist in Geld ablösbar. Bereits vor dem 12. Jahrhundert sind auch Ansätze eines kirchlichen Strafrechts erkennbar, die aber erst durch die an das den Gegenstand noch an verschiedenen Stellen behandelnde Decretum Gratians (um 1140) anschließende Kanonistik (Bernhard von Pavia [† 1213], Compilatio prima Buch 5 de criminibus et poenis, Liber Extra Gregors IX. [um 1167-1241] - de poenis) systematisch ausgebaut werden, so dass etwa ab 1150 allmählich kirchliche Buße und kirchliche Strafe getrennt werden. Thomas von Aquin legt in seiner auf Aristoteles aufbauenden Straftheorie die Strafe auf die Sündenstrafe fest und trennt damit die eigentliche Strafe von strafenden Maßnahmen mit anderen Zielen, wobei ihm die eigentliche Strafe ein Ausgleichen einer freiwilligen Sünde durch ein unfreiwilliges Leiden ist. Eine allgemeinere ausführliche Regelung bringt die →Constitutio Criminalis Carolina (1532). Danach stehen Todesstrafen und Leibesstrafen in dem Mittelpunkt, doch tritt auch die →Freiheitsstrafe schon auf. Für sie entwickelt sich seit dem 16. Jahrhundert der Erziehungsgedanke (→Zuchthaus). Wohl aus der spanischen Inquisition und der spanischen Spätscholastik (Alfonso de Castro 1495-1558) stammt die einschränkende Vorstellung des an den Straftäter gerichteten sittlichen Vorwurfs, die auch zu der Folge hat, dass schuldunabhängige Zwangsmaßnahmen unter Berufung auf ihre Unverzichtbarkeit für das Wohl der Allgemeinheit zu einem neuartigen Präventionsrecht neben dem eigentlichen Strafrecht zusammengefasst werden (Zweigleisigkeit). Das Strafgesetzbuch Josephs II. für Österreich (Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und deren Bestrafung, 1787, Josephina) verbietet dem Richter Auslegung und Analogie (lat. nulla poena sine lege, keine Strafe ohne Gesetz). In dem 19. Jahrhundert wird die Resozialisierung des Straftäters in den Vordergrund gerückt (→Liszt 1882). Die Todesstrafen und Leibesstrafen werden überdacht und in dem 20. Jahrhundert beseitigt. Die kurzzeitige Freiheitsstrafe wird in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die ökonomischer zu verwendende →Geldstrafe ersetzt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 14, 20, 34, 56, 87, 91, 118, 119, 158, 204, 236, 264; Köbler, WAS; Kohler, J., Das Strafrecht der italienischen Statuten, 1897; Allmann, I., Außerordentliche Strafe und Instanzentbindung, Diss. jur. Göttingen 1903; Binding, K., Die Entstehung der öffentlichen Strafe im germanisch-deutschen Recht, 1908 (Rede), e-book 2013Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967; Levy, E., Die römische Kapitalstrafe, 1931; Schindler, G., Verbrechen und Strafen im Recht der Stadt Freiburg, 1937; Achter, V., Geburt der Strafe, 1951; Bianchi, H., Ethik des Strafens, 1966; Holzhauer, H., Willensfreiheit und Strafe, 1970; Polley, R., Die Lehre vom gerechten Strafmaß, 1972; Abdulmegid Kara, M., The Philosophy of Punishment in Islamic Law, 1977; Gudian, G., Geldstrafrecht und peinliche Strafe, FS A. Erler, 1977, 273; Nehlsen, H., Entstehung des öffentlichen Strafrechts, FS H. Thieme, 1983, 3; Hattenhauer, H., Über Buße und Strafe im Mittelalter, ZRG GA 100 (1983), 53; La Peine, 1989; Rees, W., Die Strafgewalt der Kirche 1993; Holzhauer, H., Zum Strafgedanken im frühen Mittelalter, (in) Überlieferung, Bewahrung, 1993, 179; Weitzel, J., Strafe und Strafverfahren in der Merowingerzeit, ZRG GA 111 (1994), 66; Bader, K., Zum Unrechtsausgleich und zur Strafe im Frühmittelalter, ZRG GA 112 (1995), 1; Klementowski, M., Die Entstehung der Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit und der öffentlichen Strafe im deutschen Reich bis zum 14. Jahrhundert, ZRG GA 113 (1996), 217; Wadle, E., Die peinliche Strafe, (in) Träger und Instrumente des Friedens, 1996, 229; Martin, H., Verbrechen und Strafe in der spätmittelalterlichen Chronistik Nürnbergs, 1996; Schnabel-Schüle, H., Überwachen und Strafen im Territorialstaat, 1997; Reuß, E., Berliner Justizgeschichte, 2000; Peters, J., Die Entwicklung von Sanktionspraxis und Strafrechtsreform 1871 bis 1933, 2000; Gellinek, C., Was heißt strafen?, ZRG GA 118 (2001), 385; Herrschaftliches Strafen seit dem Hochmittelalter, hg. v. Schlosser, H. u. a., 2002; Henselmeyer, U., Ratsherren und andere Delinquenten, 2002; Maihold, H., Strafe für fremde Schuld?, 2003; Börsch, M., Damit Übeltaten nicht ungestraft bleiben, 2003; Thiel, S., Strafe und Strafverfahren in der freien Reichsstadt Memmingen, Diss. jur. Würzburg 2003; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122 (2005), 113; Maihold, H., Strafe für fremde Schuld?, 2005; Kéry, L., Gottesfurcht und irdische Strafe, 2006; Europäische Strafkolonien im 19. Jahrhundert, hg. v. Da Passano, M., 2006; Der Strafgedanke in seiner historischen Entwicklung, hg. v. Hilgendorf, E. u. a., 2007; Emsley, C., Crime, Police and Penal Policy, 2007; Schauz, D., Strafen als moralische Besserung, 2008; Rosenblum, W., Beyond the Prison Gates - Punishment and welfare in Germany 1850-1933, 2008; Strafe und Strafrecht in den antiken Welten, hg. v. Rollinger, R. u. a., 2012; Maiholde, H., Die Bildnis- und Leichnamsstrafen im Kontext der Lehre von den crimina excerpta, ZRG GA 130 (2013), 78; Boes, M., Crime and Punishment in Early Modern Germany, 2013 (Frankfurt am Main); Capital and Corporal Punishment in Anglo-Saxon England, hg. v. Gates, J. u. a., 2014; Shame between punishment and penance. The social usages of shame in the middle ages and early modern times, hg. v. Sère, B. u. a., 2013; Isernhinke, K., Das Strafgefangenlager Oberems, 2015; Maetschke, M., „Verdammung der Missethäter zur Bergarbeit“, 2016; Fischer, T., Über das Strafen, 2018 (nichts wirklich neu); Bauer, K., Buße und Strafe im Frühmittelalter, 2017

Strafgesetz ist das Strafe betreffende Gesetz (z. B. [Constitutio criminalis Bambergensis 1507, Constitutio criminalis Carolina 1532, Constitutio criminalis Theresiana 1768, Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und deren Bestrafung Josephs II. für die habsburgischen Erbländer 1787,] S. über Verbrechen und schwere Polizeiübertretungen Österreichs von dem 3. 9. 1803, Anlage zu dem kaiserlichen Patent von dem 3. 9. 1803, JGS 626, S. über Verbrechen, Vergehen und Übertretungen Österreichs von 1852, Anlage zu dem kaiserlichen Patent von dem 27. 5. 1852).

Lit.: ; Kertai, B., Sicherheit, Risiko und Opferschutz – Anlässe der Strafgesetzgebung, 2014

Strafgesetzbuch ist das (älteren Gesetzen und Verordnungen über Strafrecht und Strafverfahren wie z. B. (den Halsgerichtsordnungen,) der Constitutio Criminalis Carolina von 1532, der Ordonnance sur le fait de la justice von Villers-Cotterêts von 1539 in Frankreich oder den Strafrechtsverordnungen von dem 5. und 6. Juli 1570 in den spanischen Niederlanden folgende,) das →Strafrecht kodifizierende Gesetzbuch (z. B. bayerischer Codex iuris criminalis 1751, Constitutio Criminalis Theresiana 1768, Constitutio Criminalis Josephina = Josefinisches Strafgesetzbuch 1787, Frankreich Code pénal 1791, 1795, preußisches Allgemeines Landrecht 1794, Westgalizisches S. 1796, Österreich 1803, Allgemeines Kriminalrecht für die preußischen Staaten 1805, Code pénal 1810, Bayern 1813, Oldenburg 1814, Sachsen Criminalgesetzbuch 1838, Württemberg 1839, Sachsen-Weimar 1839, Hannover 1840, Braunschweig 1840, Sachsen-Altenburg 1841, Hessen 1841, Lippe-Detmold 1843, Sachsen-Meiningen 1844, Schwarzburg-Sondershausen 1845, Baden 1845, Nassau 1849, Preußen 1851 [, Österreich 1852 Neuherausgabe], Sachsen 1855, 1868 revidiert, Deutsches Reich 1871 unter maßgeblichem Einfluss Preußens und geringem Einfluss Sachsens). Das Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches (liberales Reichsstrafgesetz mit eher antiliberaler Novelle von 1876) wird nach zahlreichen Reformvorschlägen (u. a. Entwurf Gustav Radbruchs von 1922) 1969 in seinem allgemeinen Teil verändert (Einheitsstrafe, viele Geldstrafen nach Tagessätzen). Die Übertretungen werden überwiegend zu Ordnungswidrigkeiten. 1973/1974 werden die Sexualdelikte liberalisiert, 1976 wird die Wirtschaftskriminalität erfasst, 1980 die Umweltkriminalität, 1986 die Computerkriminalität. In Österreich wird das Strafgesetzbuch über Verbrechen und schwere Polizeiübertretungen von dem 3. September 1803, neue Ausgabe zu dem 1. 9. 1852, durch das Bundesgesetz von dem 23. 1. 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch) ersetzt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 182, 229; Stenglein, M., Sammlung der deutschen Strafgesetzbücher, Bd. 1ff. 1858; Berner, A., Die Strafgesetzgebung in Deutschland, 1867, Neudruck 1978; Würtenberger, T., Das System der Rechtsgüterordnung, 1933, Neudruck 1973; Maes, L., Die drei großen europäischen Strafgesetzbücher, ZRG 94 (1977), 207; Schubert, G., Feuerbachs Entwurf zu einem Strafgesetzbuch, 1978; Schubert, W., Der Ausbau der Rechtseinheit unter dem Norddeutschen Bund, FS R. Gmür, 1983, 149; Protokolle der Kommission für die Reform des Strafgesetzbuches (1911-1913), hg. v. Schubert, W., 1990; Entwürfe der Strafrechtskommission zu einem deutschen Strafgesetzbuch und zu einem Einführungsgesetz (1911-1914), hg. v. Schubert, W., 1990; Das Strafgesetzbuch, Sammlung der Änderungsgesetze und Neubekanntmachungen, hg. v. Vormbaum, T. u. a., Bd. 1f. 1999; Brandt, C., Die Entstehung des Code pénal von 1810 und sein Einfluss, 2002; Goltsche, F., Der Entwurf eines allgemeinen deutschen Strafgesetzbuches von 1922 (Entwurf Radbruch), 2010; StGB Historisch-synoptische Edition. 1871-2009, Bd. 1ff. 2010; Feuerbachs Bayerisches Strafgesetzbuch, hg. v. Koch, A. u. a., 2013; Bargon, V., Die Strafrechtsnovelle vom 26. Februar 1876, 2015; Timm, A., Der Entwurf eines Strafgesetzbuches von 1962, 2016; Strohkendl, D., Das Strafgesetzbuch für die preußischen Staaten vom 14. April 1851, 2019

Strafklage ist die auf Verurteilung zu einer Strafe gerichtete Klage.

Lit.: Guthke, T., Die Herausbildung der Strafklage, 2009

Strafmündigkeit ist die altersbedingte Strafbarkeit. Sie wird in dem Deutschen Reich 1923 von 12 auf 14 Jahre heraufgesetzt. In Großbritannien liegt sie noch bei 10 Jahren.

Lit.: Köbler, DRG 236; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Dräger, W., Die Strafmündigkeitsgrenzen, Diss. jur. Kiel 1992

Strafprozess ist das gerichtliche Verfahren, in dem über das Vorliegen einer Straftat und die dafür zu verhängende Strafe verhandelt wird. Es unterscheidet sich bereits in dem altrömischen Recht von dem Zivilverfahren, wobei in Rom ohne weiteres von dem privaten Prozess in den Strafprozess gewechselt wird. In dem Hochmittelalter wird diese Unterscheidung in dem 12. Jahrhundert erneut aufgegriffen, wobei Frankreich auf kirchlichen Wurzeln dem Heiligen römischen Reich voranzugehen scheint und beispielsweise Johann von Buch (um 1290-nach 1356) die Teilung der Klagen in peinliche, bürgerliche und gemischte aufgreift. Dabei stehen →Akkusationsprozess und →Inquisitionsprozess nebeneinander. Der von der nichtöffentlichen Untersuchung samt →Folter gekennzeichnete, mehr und mehr vorherrschende Inquisitionsprozess mit seinem →endlichen Rechtstag wird von der Aufklärung bekämpft und zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch ein öffentliches rechtsstaatliches Verfahren ersetzt (Frankreich 1808 Code d’instruction criminelle), in dem Untersuchung (→Staatsanwalt) und Entscheidung (Richter) getrennt sind. In Österreich wird dieser S. 1850 (bis 1853) und 1873 aufgenommen (Reform 2008).

Lit.: Söllner §§ 10, 17; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 20, 34, 56, 117, 138, 156, 181, 202, 235, 263; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, 1879, Neudruck 1973; Esmein, A., Histoire de la procédure criminelle en France, 1882; Schoetensack, A., Der Strafprozess der Carolina, Diss. jur. Heidelberg 1904; Bauchond, M., La justice criminelle du magistrat de Valenciennes, 1904; Müller, K., Zur Geschichte des peinlichen Prozesses in Schwaben im späteren Mittelalter, 1910; Schröder, R., Eine strafprozessualische Verordnung des Königs Ruprecht, ZRG GA 34 (1913), 433; Schmidt, E., Fiskalat und Strafprozess, 1921; Fels, H., Der Strafprozess der preußischen Criminalordnung von 1805, Diss. jur. Bonn 1932; Schmidt, E., Inquisitionsprozess und Rezeption, 1944; Amrhein, F., Die Entwicklung des hessischen Strafprozessrechts im 18. und 19. Jahrhundert, Diss. jur. Würzburg 1955 (masch. schr.); Schmidt, E., Deutsches Strafprozessrecht, 1967; Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a., 1984; Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1988f.; Hornhardt, G., Die Stunde der Justiz, ZRG GA 106 (1989), 239; Protokolle der Kommission für die Reform des Strafprozesses (1903-1905), hg. v. Reichsjustizamt 1905, neu hg. v. Schubert, W., 1991; Sellert, W., Borgerlike, pinlike und misschede klage, (in) Überlieferung, Bewahrung, 1993, 321; Dülmen, R. van, Theater des Schreckens, 4. A. 1995; Blusch, C., Das bayerische Strafverfahrensrecht von 1813, 1997; Friedländer, H., Interessante Kriminal-Prozesse, 1999 (CD-ROM); Ermann, J., Strafprozess, öffentliches Interesse und private Strafverfolgung, 2000; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000; Nobis, F., Die Strafprozessgesetzgebung der späten Weimarer Republik, 2000; Rudolph, H., Eine gelinde Regierungsart, 2001; Ignor, A., Geschichte des Strafprozesses in Deutschland 1532-1846, 2002; Langbein, J., The Origins of Adversary Criminal Trial, 2003; Reuber, S., Der Kölner Mordfall Fonk von 1816, 2002; Die Quellen sprechen lassen, hg. v. Emberger, G. u. a., 2009; Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik 4 (2009), 466ff. (Strafprozessrecht - 130 Jahre Strafprozessordnung); Savigny, F., Die Prinzipienfragen in Beziehung auf eine neue Strafprozeß-Ordnung, hg. v. Schubert, W., 2011; Ortmann, A., Machtvolle Verhandlungen – Zur Kulturgeschichte der deutschen Strafjustiz 1879-1914, 2014; Rieks, D., Live-Berichterstattung aus der strafrechtlichen Hauptverhandlung, 2019

Strafprozessordnung ist das das Strafverfahren bzw. den Strafprozess ordnende Gesetz. Eine solche S. stellt bereits die →Constitutio Criminalis Carolina von 1532 dar, die auch Strafrecht enthält. Auf den Strafprozess beschränkt sind aber die Strafprozessordnungen der späteren Zeit (Code d’instruction criminelle Frankreich 1808, Baden 1844, Preußen 1849, Österreich 1850/1853/23. 5. 1873 [RGBl. 1873, 119], Strafprozessordnung des Deutschen Reiches 1877/1879).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 263, 264; Entwürfe einer Strafprozessordnung, 1908, neu hg. v. Schubert, W., 1991; Protokolle der Reichstagsverhandlungen, Bericht der 7. Kommission des Reichstags (1910-1911) zur Beratung der Entwürfe einer Strafprozessordnung, 1910f., neu hg. v. Schubert, W., 1991; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965; Kleinheyer, H., Die Regensburger peinliche Gerichtsordnung, FS H. Krause, 1975, 110; Entstehung und Quellen der Strafprozessordnung von 1877, hg. v. Schubert, W./Regge, J., 1989; Bottenberg, F., Die hamburgische Strafprozessordnung von 1869, 1998

Strafprozessrecht →Strafprozess, Strafprozessordnung

Lit.: Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1988ff.

Strafrecht ist die Gesamtheit der Straftatbestände mit →Strafe bzw. Strafandrohungen verknüpfenden Rechtssätze. Öffentliches S. entwickelt sich erst mit der Festigung öffentlicher Herrschaft. Die ersten Regeln entstehen wohl gewohnheitsrechtlich. Vermutlich früh werden aber auch Bestimmungen bewusst gesetzt (z. B. Digesten, Landfriede). Eine erste Zusammenfassung bieten die Bücher 47 und 48 der →Digesten, in dem Spätmittelalter in Italien der Tractatus (M.) de maleficiis de Albertus Gandinus (1299) sowie ab 1499 die Halsgerichtsordnungen, vor allem die →Constitutio Criminalis Carolina (1532). Inhaltlich beginnt, ausgehend von der allmählichen Unterscheidung von Buße und Strafe (Ansätze eines kirchlichen Strafrechts vielleicht schon vor dem 12. Jahrhundert, systematischer Ausbau seit dem Decretum Gratians [um 1140]) und der kirchlichen Beichte, die spanische Spätscholastik und Naturrechtslehre des 16. Jahrhunderts mit zunächst moraltheologischen Begriffen die Individualisierung, Subjektivierung und Psychologisierung des Strafrechts, welche nach praktischen Werken des 17. Jahrhunderts (Carpzow, Benedikt, Practica nova imperialis Saxonica rerum criminalium 1635) und 18. Jahrhunderts (Böhmer, Johann Samuel, Friedrich von, 1770) die Kriminalpsychologie seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert mit säkularisierten Begriffen und empirischer Methode weiterführt. Etwa seit dieser Zeit werden unter Abtrennung des Strafprozessrechts besondere Strafgesetzbücher geschaffen (z. B. Frankreich Code pénal 1810, Bayern 1813 Feuerbach, Sachsen 1838 Criminalgesetzbuch, 1855 Strafgesetzbuch, 1868 revidiert), in denen teilweise harte Strafen abgeschafft, präventive Strafzwecke anerkannt und psychologische Befragung und richterliche Ermessensspielräume eröffnet werden. Zu dieser Zeit wird bereits ein allgemeiner Teil des Strafrechts entwickelt, der die allgemeinen Bestandteile einer Straftat festlegt. Aufklärung und Liberalismus bemühen sich weiter um ein rechtsstaatliches S. (1871 Reichsstrafgesetzbuch). Die rechtstatsächliche Bedeutung des Strafrechts ist trotz aller seit dem späten 19. Jahrhundert einsetzenden Bemühungen um die Resozialisierung des Straftäters groß.

Lit.: Kaser § 2 II 1b; Söllner §§ 10, 17; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 8, 138, 140, 158, 159; Wielant, F. (1441-1520), Corte instructie in materie criminele, 1510, hg. v. Monballyu, J., 1995 (erste umfassende Darstellung des Strafrechts und Strafprozessrechts nördlich der Alpen); Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842, Neudruck 1960; Liszt, F., Das deutsche Reichsstrafrecht, 1881, Lehrbuch des deutschen Strafrechts 1884, 26. A. 1932 (Schmidt, E.); Günther, L., Die Idee der Wiedervergeltung, 1889; Stephen, J., A history of the criminal law of England, Bd. 1ff. 1883, Neudruck 1964; Friese, V., Das Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898, Neudruck 1970; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Kantorowicz, H., Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik, Bd. 1f. 1907ff.; Döring, W., Feuerbachs Straftheorie, Neudruck 1958; Stahm, G., Das Strafrecht der Stadt Dortmund, 1910; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Rau, F., Beiträge zum Kriminalrecht der freien Reichsstadt Frankfurt am Main im Mittelalter, 1916; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Dahm, H., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Skeil, J., Den norske strafferett, Bd. 1 1937; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Schubert, G., Der Einfluss des kirchlichen Rechtes auf das weltliche Strafrecht der Frankenzeit, 1937; Koch, J., Die Strafrechtsbelehrung des Volkes von der Rezeption bis zur Aufklärung, 1939; Maes, L., Vijf eeuwen stedelijk strafrecht, 1947; Belling, D., Das Strafrecht des Schwabenspiegels, Diss. jur. Tübingen 1949; Oehler, D., Wurzel, Wandel und Wert der strafrechtlichen Legalordnung, 1950; Schaffstein, F., Die europäische Strafrechtswissenschaft im Zeitalter des Humanismus, 1954; Caenegem, R., Geschiedenis van het strafrecht in Vlaanderen, 1954; Korsch, H., Das materielle Strafrecht der Stadt Köln, 1958; Brahmst, C., Das hamburgische Strafrecht, 1958; Kunkel, W., Untersuchungen zur Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens, 1962; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 2. A. 1951, 3. A. 1965; Hentig, H. v. Studien zur Kriminalgeschichte, 1962; Mehrle, P., Die Strafrechtspflege in der Herrschaft Kißlegg, 1961; Guggenheim, T., Die Anfänge des strafrechtlichen Unterrichts in Zürich, 1965; Lohse, E., Johann Michael Franz Birnbaum (1792-1877) als Strafrechtslehrer, Diss. jur. Freiburg im Breisgau (um 1966); Neusel, Höchstrichterliche Strafgerichtsbarkeit, 1972; Langbein, J., Prosecuting crime in the Renaissance, 1974; Texte zur Theorie des politischen Strafrechts, hg. v. Schroeder, F., 1974; Roldán Verdejo, R., Los delitos contra la vida, 1978; Laingui, A./Lebigre, A., Histoire du droit pénal, Bd. 1f. 1979f.; Crime and Law, hg. v. Gatrell, V., u. a., 1980; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 1981; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Litewski, W., Landrecht des Herzogtums Preußen von 1620, Bd. 1 1982; Schroeder, F., Das Strafrecht des sozialen Realismus, 1983; Alkaly, M., Das materielle Strafrecht der französischen Revolution, 1984; Schaffstein, F., Studien zur Entwicklung der Deliktstatbestände, 1985; Rüping, H., Bibliographie zum Strafrecht im Nationalsozialismus, 1985; Gouron, A., Zu den Ursprüngen des gelehrten Strafrechts, FS H. Thieme, 1986, 43; Lüken, E., Der Nationalsozialismus und das materielle Strafrecht, Diss. jur. Göttingen, 1987; Brauneder, E., Das Strafrecht in den österreichischen Polizeiordnungen, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 1; Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1988ff.; Werle, G., Das Strafrecht als Waffe, JuS 1989, 952; Cesare Beccaria, hg. v. Deimling, G., 1989; Sellert, W./Rüping, H., Studien- und Quellenbuch zur Geschichte des deutschen Strafrechts, Bd. 1f. 1989ff.; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Carbasse, J., Introduction historique au droit pénal, 1990; Gauvard, C., De grace especial, 1991; Herzog, F., Gesellschaftliche Unsicherheit und strafrechtliche Daseinsvorsorge. Studien zur Vorverlegung des Strafrechtsschutzes in den Gefährdungsbereich, 1991; Volk, K., Napoleon und das deutsche Strafrecht, JuS 1991, 281; Histoire et criminalité, hg. v. Garnot, 1992; Rees, W., Die Strafgewalt der Kirche, 1993; Limbach, A., Das Strafrecht der Paulskirchenverfassung 1848/49, 1995; Cheng, Y., Die Ausnahme bestimmt die Regel, 1995; Decker, C., Katalog der rechtsphilosophischen und strafrechtlichen Literatur vor 1900, 1995; Bauman, R., Crime and Punishment in Ancient Rome, 1996; Robinson, O., The criminal law, 1996; Klementowski, M., Die Entstehung der Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, ZRG GA 113 (1996), 217; Hellbling, E., Grundlegende Strafrechtsquellen der österreichischen Erbländer, hg. v. Reiter, I., 1996; Perspektiven der Strafrechtsentwicklung, 1996; Hettinger, M., Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht, 1996; Caenegem, R. van, Notes on twelfth-century English criminal law, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Hamm, R., 50 Jahre NJW: Das Strafrecht, NJW 1997, 2636; Glöckner, H., Quellen zur neueren Strafrechtsgeschichte, Ius commune 34 (1997), 249; Schmidhäuser, E., Verbrechen und Strafe, 2. A. 1998; Buschmann, A., Textbuch zur Strafrechtsgeschichte der Neuzeit, 1998; Ermann, J., Strafprozess, öffentliches Interesse und private Strafverfolgung, Diss. jur. Saarbrücken 1998; Strafrechtsdenker der Neuzeit, hg. v. Vormbaum, T., 1998; Gschwend, L., Nietzsche und die Kriminalwissenschaften, 1999; Die Entstehung des öffentlichen Strafrechts, hg. v. Willoweit, D., 1999; Weber, R., Die Entwicklung des Nebenstrafrechts, 1999; Neue Wege strafrechtsgeschichtlicher Forschung, hg. v. Schlosser, H. u. a., 1999; Riggsby, A., Crime and Community in Ciceronian Rome, 1999; Hein, O., Vom Rohen zum Hohen, 2000; Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende, hg. v. Eser, A. u. a., 2000; Radbruch, G., Strafrechtsgeschichte, hg. v. Neumann, U., 2000; Schorer, R., Die Strafgerichtsbarkeit in der Reichsstadt Augsburg, 2000; Overdijk, D., De gewoonte is de beste uitleg van de wet, 2000; Naucke, W., Über die Zerbrechlichkeit des rechtsstaatlichen Strafrechts, 2000; Thulfaut, G., Kriminalpolitik und Strafrechtslehre bei Edmund Mezger (1883-1962), 2000; Reuß, E., Berliner Justizgeschichte, 2000; Richstein, C., Das belagerte Strafrecht – Kriegsstrafrecht, 2000; Radbruch, G., Strafrechtsgeschichte, hg. v. Neumann, u., 2001; Dean, T., Crime in Medieval Europe 1200-1550, 2001; Geus, E., Mörder, Diebe, Räuber, 2002; Mahlmann, C., Die Strafrechtswissenschaft der DDR, 2002; Die Durchsetzung des öffentlichen Strafrechts, hg. v. Lüderssen, K., 2002; Brandt, C., Die Entstehung des Code pénal von 1810 und sein Einfluss, 2002; Silva Sánchez, J., Die Expansion des Strafrechts, 2002; Wagner, K., NS-Ideologie im heutigen Strafrecht, 2002; Hoheitliches Strafen in der Spätantike und im frühen Mittelalter, hg. v. Weitzel, J., 2002; Karitzky, H., Eduard Kohlrausch, 2002; Nedden, C. zur, Die Strafrechtspflege im Königreich Westphalen, 2003; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und Sanktion in deutschen Städten vor 1300, 2003; Müller, C., Verbrechensbekämpfung im Anstaltsstaat, 2004; Röthlin, N., Die Verbesserung des Strafrechts nach Montesquieu und Beccaria, ZRG GA 121 (2004), 238; O’Sullivan, C., Die Ahndung von Rechtsbrüchen der Seeleute, 2005; Kéry, L., Gottesfurcht und irdische Strafe, 2006; Monballyu, J., Zes eeuwen strafrecht, 2006; Landau, P., Lehrbuch contra Fälschung, DA 62 (2006), 505; Reulecke, M., Gleichheit und Strafrecht im deutschen Naturrecht des 18. und 19. Jahrhunderts, 2007; Der Strafrechtsgedanke in seiner historischen Entwicklung, hg. v. Hilgendorf, E. u. a., 2007; Asholt, M., Straßenverkehrsstrafrecht, 2007; Ludwig, U., Das Herz der Justitia, 2008; Stübinger, S., Das idealisierte Strafrecht, 2008; Buchholz, E., Strafrecht im Osten, 2008; Vormbaum, T., Einführung in die moderne Strafrechtsgeschichte, 2009, 2. A. 2011, 3. A. 2016; Käfer, M., Widerspiegelungen des Strafrechts im Leben und Werk des Richters und Poeten E. T. A. Hoffmann, 2010; Kesper-Biermann, S., Einheit und Recht - Strafgesetzgebung, 2009; Weber, J., Das sächsische Strafrecht im 19. Jahrhundert, 2009; Weckner, F., Strafrecht und Strafrechtspflege für Afrikaner, 2010; Hat Strafrecht ein Geschlecht?, hg. v. Temme, G. u. a., 2010; Balogh, E., Die ungarische Strafrechtskodifikation im 19. Jahrhundert, 2010; Grimm, A., Zwischen Gottes Gericht und irdischem Strafrecht – Strafe und Buße in Lebensbeschreibungen ottonisch-salicher Reichsbischöfe, 2011; Die vom 27. 05. 1989 bis zum 01. 01. 2002 ergangenen Strafurteile, 2012; Steinke, R., The Politics of Internatioal Criminal Law, 2012; Crime and Punishment in the Middle Ages and Early modern Age, 2012 (e-book); Hagan, J., Who are the Criminals?, 2012; Heller, K., The Nurenberg Military Tribunals and the Origins of International Criminal Law. 2012; Franke, E., Von Schelmen, Schlägern, Schimpf und Schande, 2012; Bitter, A. v., Das Strafrecht des preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, 2013; Tat ohne Täter, hg. v. Stiegler, B., 2013; Appel, K., Der Strafrechtler und Strafrechtsreformer Wilhelm Kahl (1849-1932), 2014; Strafrecht und juristische Zeitgeschichte, hg. v. Asholt, M., 2014; Strafrecht im Präventionsstaat, hg. v. Brunhöber, B., 2014; Ruderich, D., Führungsaufsicht, 2014; Monballyu, J., Six Centuries of Criminal Law – History of Criminal Law in the Southern Netherlands and Belgium (1400-2000), 2014; Pieth, M., Strafrechtsgeschichte, 2015 (Schweiz); Vormbaum, M., Das Strafrecht der Deutschen Demokratischen Republik, 2015; Holtzendorff, L. v., Franz von Holtzendorff, 2015; Di Renzo Villata, G., Beccaria und die Anderen – Zur Strafrechtswissenschaft der frühen Neuzeit, 2016; Knaudt, S., Das Strafrecht des Großherzogtums Hessen im 19. Jahrhundert bis zum Reichsstrafgesetzbuch, 2017; Härter, K., Strafrechts- und Kriminalitätsgeschichte der frühen Neuzeit, 2017; Strafrechtsphilosophie in der Aufklärung, hg. v. Hilgendorf, E. u. a., 2018; Tyrichter, J., Die Formierung transnationaler Strafrechtsregime, 2018; Ambos, K., Nationalsozialistisches Strafrecht, 2019; The Transnationalisation of Criminal Law in the Nineteenth and Twentieth Century, 2019; Wadle, E./Gergen, T., Die hochmittelalterlichen Gottes- und Landfrieden als Wegbereiter des Strafrechts, ZRG GA 136 (2019), 130

Straftheorie ist die Überlegung über den →Strafzweck.

Lit.: Döring, W., Feuerbachs Straftheorie, 1907, Neudruck 1958

Strafurteil

Lit.: Hülle, W., Das rechtsgeschichtliche Erscheinungsbild des preußischen Strafurteils, 1965

Strafvereitelung ist die Verhinderung der Bestrafung eines Straftäters.

Lit.: Ebert, U., Die Strafvereitelung, ZRG GA 110 (1993), 1; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002

Strafverfahren →Strafprozess

Lit.: Köbler, DRG 20, 34, 56, 117, 138, 156, 181, 202, 235, 263; Kleinheyer, G., Untersuchungsrecht und Entschädigungspflicht in der Geschichte des Strafverfahrens, ZRG GA 108 (1991), 61; Weitzel, Strafe und Strafverfahren in der Merowingerzeit, ZRG GA 111 (1994), 66; Schulz, L., Normiertes Misstrauen, 2001; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und Sanktion in deutschen Städten vor 1300, 2003; Hirte, M., Papst Innozenz III., das IV. Lateranum und die Strafverfahren gegen Kleriker, 2005; Burchard, C., Die Konstituttionlisierung der gegenseitigen Anerkennung – Die strafjustizielle Zusammenarbeit in Europa, 2019

Strafverteidiger ist der Rechtsanwalt in dem Strafprozess. →Verteidiger

Lit.: Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905; Henschel, F., Die Strafverteidigung im Inquisitionsprozess, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1972; Hettinger, M., Das Fragerecht der Verteidigung, 1985; König, S., Vom Dienst am Recht, 1987; Geschichte des Deutsche Strafverteidiger e. V. hg. v. Michalke, R., 2014

Strafvollzug ist die Vollstreckung der →Strafe. Der S. erfolgt seit dem Hochmittelalter durch den Richter und den →Henker oder →Scharfrichter als seinen Vollstreckungsgehilfen. Seit dem 16. Jahrhundert wird das besondere →Zuchthaus eingerichtet. In dem 19. Jahrhundert werden zunächst zwecks Verwaltungsvereinfachung besondere Strafanstalten für Frauen errichtet, wobei Frauen insgesamt nur etwa 5 Prozent der Straftäter ausmachen. In dem 20. Jahrhundert wird der S., ausgenommen die nationalsozialistische Zeit, in der die Zahl der Inhaftierten (von 1928 rund 50000) bis 1944 auf rund 200000 steigt, mehr und mehr verrechtlicht (Deutschland 16. 3. 1976).

Lit.: Köbler, DRG 203, 265; Deutsches Gefangenenwesen, hg. v. Bumke, E., 1928; Gernhuber, J., Strafvollzug und Unehrlichkeit, ZRG GA 74 (1957), 119; Appenzeller, G., Strafvollzug und Gefängniswesen im Kanton Solothurn, 1957; Gernhuber, J., Strafvollzug und Unehrlichkeit, ZRG GA 74 (1957), 119; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965; Hänsel-Hohenhausen, M., Strafvollzug im Jahre 1848, ZRG GA 104 (1987), 283; Strafvollzug und Schuldproblematik, 1988; Strafvollzug im Dritten Reich, hg. v. Jung, H. u. a., 1996; Walz, K., Soziale Strafrechtspflege in Baden, 1999; Humaner Strafvollzug und politischer Missbrauch, hg. v. Fricke, K., 1999; Krause, T., Geschichte des Strafvollzugs, 1999; Schenk, C., Bestrebungen zur einheitlichen Regelung des Strafvollzugs in Deutschland, 2001; Brennpunkt Strafvollzug, hg. v. Baechtold, A., 2002; Strafvollzug und Straffälligenhilfe in Europa, 2003; Riemer, L., Das Netzwerk der Gefängnisfreunde, 2005; Beiträge zur Geschichte des Strafvollzuges und der politischen Strafjustiz in Mecklenburg-Vorpommern, hg. v. Politische Memoriale e. V., 2006; Vormbaum, T., Kriminologie- und Strafvollzugsgeschichte, Juristische Zeitgeschichte 8 (2006/2007), 221ff.; Leukel, S., Strafanstalt und Geschlecht, 2010; Krüger, J., Systeme und Konzepte des progressiven Strafvollzugs, 2011; Thiesen, S., Strafvollzug in Köln 1933-1945, 2011; Friederich, M., John Howard und die Strafvollzugsreformen in Süddeutschland, 2013; Schreiter, F., Strafanstalt Waldheim, 2014

Strafzweck ist der von der →Strafe verfolgte Zweck. In dem Mittelalter scheinen Vergeltung und Unschädlichmachung die hauptsächlichen Strafzwecke zu sein. Noch für →Kant in dem 18. Jahrhundert (1797) und →Binding in dem 19. Jahrhundert bildet allein die Straftat, deren Unrecht durch Vergeltung ausgeglichen werden muss, den Grund der Strafe (absolute Straftheorie). Demgegenüber stellen die relativen Straftheorien das Interesse der Allgemeinheit in den Vordergrund. Nach einer Ansicht geht es dabei um die Abschreckung des Straftäters (→Spezialprävention, v. →Grolman 1775-1829), nach anderer Ansicht auch um die Abschreckung Dritter (→Generalprävention, →Feuerbach 1775-1833). Nach Franz von →Liszt (1851-1919, Marburger Programm 1882) ist der Täter für sein sozialschädliches Verhalten zu bestrafen, weshalb die Spezialprävention nach Tätertypen unterschieden werden soll. Augenblickstäter sollen einen Denkzettel für die Zukunft erhalten, verbesserliche Zustandstäter sollen durch Resozialisierung wieder in die Gesellschaft eingegliedert, unverbesserliche Zustandstäter sicher verwahrt werden. Hiervon dringt der Resozialisierungsgedanke in dem 20. Jahrhundert weiter vor.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 158, 204, 264; Döring, W., Feuerbachs Straftheorie, 1907, Neudruck 1958; Henrici, A., Die Begründung des Strafrechts in der neueren deutschen Rechtsphilosophie, Diss. jur. Zürich 1960; Seelmann, K., Zum Verhältnis von Strafzweck und Sanktionen, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 1989, 355; Telp, J., Ausmerzung und Verrat, 1999; Bastelberger, M., Die Legitimität des Strafrechts und der moralische Staat, 2006; Stübinger, S., Das idealisierte Strafrecht, 2008; Strafzweck und Strafform, hg. v. Schulze, R. u. a., 2008; Smirra, N., Die Entwicklung der Strafzwecklehre in Frankreich, 2014

Stralsund ist die der Insel Rügen südlich gegenüberliegende Hansestadt →lübischen Rechtes (1234), die ein bedeutsames Stadtbuch überliefert.

Lit.: Ebeling, R., Das älteste Stralsunder Bürgerbuch (1319 bis 1348), 1926; Rehme, P., Neues über Stralsunder Stadtbücher, ZRG GA 58 (1938), 674; Koeppen, H., Führende Stralsunder Ratsfamilien, 1938; Der Stralsunder Liber memorialis, bearb. v. Schroeder, H., Bd. 1ff. 1964ff.; Langer, H., Stralsund 1600-1630, 1970; Ewe, H., Geschichte der Stadt Stralsund, 2. A. 1985; Schubel, C., Die Rechtsfähigkeit korporativer Verbände, ZRG 116 (1999); Berwinkel, R., Weltliche Macht und geistlicher Anspruch, 2008; Brunner, D., Stralsund, 2010

Strandrecht ist das Recht, sich das an dem Strand angeschwemmte Gut anzueignen. Es wird in dem Laufe der Zeit eingeschränkt (u. a. 1874 Strandungsordnung).

Lit.: Kalthoff, H., Die rechtliche Behandlung des Strandgutes im römischen Recht, Diss. jur. Rostock 1910; Ebeling, H., Die Entwicklung des Strandrechts, Diss. jur. Frankfurt am Main 1931; Niitemaa, V., Das Strandrecht in Nordeuropa, 1955

Straßburg an dem Rhein, um 12 v. oder 16 n. Chr. als römisches Argentorate gegründet, ist seit dem 4. Jahrhundert Sitz eines Bischofs, der 1146/1147 ein Stadtrecht gewährt, und die seit 1621 Sitz einer Universität (1792/1793 vorübergehend aufgelöst). 1681 wird die Reichsstadt S. von Frankreich besetzt. Mit dem Elsass ist sie von 1871 bis 1918 Teil des Deutschen Reiches und wird auch während des zweiten Weltkriegs von dem Deutschen Reich besetzt und verwaltet (1941 Reichsuniversität mit Dulckeit, Dahm, Ernst Rudolf Huber, Schaffstein, Nikisch, Adalbert Erler, Rufablehnung Wieackers).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Urkundenbuch der Stadt Straßburg, hg. v. Wiegand, W., Bd. 1 1879; Winter, G., Geschichte des Rates in Straßburg, 1878; Kiener, F., Studien zur Verfassung des Territoriums der Bischöfe von Straßburg, 1912; Meyer, O., La régence épiscopale de Saverne, 1935; Festschrift für die Reichsuniversität Straßburg, hg. v. Schmidt, R., 1941; Wittmer, C., Le livre de bourgeoisie, Bd. 1ff. 1948ff.; Streitberger, I., Der königliche Prätor von Straßburg, 1685 bis 1789, 1961; Wunder, G., Das Straßburger Gebiet, 1965; Wunder, G., Das Straßburger Landgebiet, 1967; Histoire de Strassbourg, hg. v. Livet, G. u. a., 1980ff.; Cornelissen, C. u. a., Grenzstadt Straßburg, 1997; Schäfer, H., Juristische Lehre und Forschung, 1999; Egawa, Y., Stadtherrschaft und Gemeinde, 2007; Schlüter, B., Reichswissenschaft, 2004; Roscher, S., Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 1872-1902, 2006; Lutterbeck, K., Politische Ideengeschichte als Geschichte administrativer Praxis, 2011; Sauerbrey, A., Die Straßburger Klöster im 16. Jahrhundert, 2012; Walther, T., Zwischen Polemik und Rekonziliation – Die Bischöfe von Straßburg im Investiturstreit bis 1100 und ihre Gegner, 2017; Möhler, R., Die Reichsuniversität Straßburg 1940-1944, 2020

Straße ist der planmäßig angelegte, für Fahrzeuge geeignete Verkehrsweg. In dem römischen Altertum besteht ein vielfach mittels großer Steinblöcke gepflastertes, natürliche Geländehindernisse überwindendes hervorragendes Straßensystem mit einer Länge von rund 85000 Kilometern (z. B. Via Appia, Via Claudia, Via Nova Traiana, Via Domitia). Nach dem Untergang Westroms (476 n. Chr. bzw. dem Tode Theoderichs des Großen 526 n. Chr.) verfällt es mangels ausreichender Pflege. Natürliche Hindernisse werden danach eher umgangen. In dem Mittelalter erscheinen einzelne rechtliche Bestimmungen für Straßen erst in dem 13./14. Jahrhundert Als Bezeichnung einzelner Straßen in Orten setzt sich oberdeutsch gasse, niederdeutsch strate durch, doch wird seit dem 19. Jahrhundert Gasse weitgehend durch Straße ersetzt. In dem absolutistischen Frankreich beginnt der Bau geplanter Chausseen, dem in dem Heiligen römischen Reich nach 1712 gefolgt wird. Seit dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts geht man zu dem systematischen Straßenbau mit Überwachung und Reparatur über. Eine Verdichtung erfährt das Straßenrecht seit dem 19. Jahrhundert Seit 1840 leitet die Verwendung von Asphalt, Bitumen und Beton den modernen Straßenbau ein. Ab 1870 wird das Fahrrad (Niederrad 1877-1884), ab 1885 das Automobil zu einem wichtigen Fortbewegungsmittel, dessen Gefahren gesetzliche Regelungen erfordern (Frankreich Radfahrrecht 1896, preußische Radfahrordnung 1899, Allgemeine [deutsche] Straßenverkehrsordnung 1926). In Deutschland gibt es (2001) 396345 verschiedene Staßennamen, wobei von 1,2 Millionen Straßen 7630 Hauptstraße, 6988 Dorfstraße, 4979 Bahnhofstraße, 2248 Schillerstraße und 2172 Goethestraße heißen.

Lit.: Köbler, DRG 176; Kroeschell, DRG 1; Gasner, E., Zum deutschen Straßenwesen, 1889; Zeumer, K., Straßenzwang und Straßenregal, ZRG GA 23 (1902), 101; Schrod, K., Reichsstraßen und Reichsverwaltung im Königreich Italien (754-1197), 1931; Leguay, J., La rue, 1984; Szabó, T., Die Entdeckung der Straße im 12. Jahrhundert, Studi in onore di C. Violante, 1994, 913; Lay, M., Die Geschichte der Straße, 1994; Auf den Römerstraßen ins Mittelalter, hg. v. Burgard, F. u. a., 1997; Müller, U., Infrastrukturpolitik in der Industrialisierung, 2000; Die Straße, hg. v. Jaritz, G., 2001; Rathmann, M., Untersuchungen zu den Reichsstraßen in den westlichen Provinzen des Imperium Romanum, 2003; Siedlung und Verkehr im römischen Reich, hg. v. Frei-Stolba, R., 2004; Schubert, W., Die Anfänge eines modernen Verkehrsrechts im Radfahrrecht um 1900, ZRG GA 122 (2005), 195; Asholt, M., Straßenverkehrsstrafrecht, 2007; Straßen- und Verkehrswesen im hohen und späten Mittelalter, hg. v. Schwinges, R., 2007; Heuser, R., Namen der Mainzer Straßen und Örtlichkeiten, 2008; Die Welt der europäischen Straßen, hg. v. Szabo, T., 2009; Riedi, B., Die Porten der Unteren Straße, 2009; Klee, M., Lebensadern des Imperiums, 2010; Die moderne Straße, hg. v. Dienel, H u. a., 2010; Esch, A., Zwischen Antike und Mittelalter. Der Verfall des römischen Straßensystems in Mittelitalien, 2011; Die Vielschichtigkeit der Straße, hg.v. Holzner-Tobisch, K., 2012; Instandhaltung und Renovierung von Straßen und Wasserleitungen von der Zeit der römischen Republik bis zur Spätatike, hg. v. Ronin, M. u. a., 2019

Straubing

Lit.: Fraundorfer, W., Straubing, 1974; Forster, M., Die Gerichtsverfassung und Zivilgerichtsbarkeit in Straubing, 1999; Retzer, M., Das Patriziergeschlecht der Zeller von Straubing, 2007

Streik ist die gemeinsam und planmäßig durchgeführte, auf ein bestimmtes Ziel gerichtete Arbeitseinstellung einer verhältnismäßig großen Zahl von Arbeitnehmern. Der S. erscheint nach älteren Vorläufern in dem 18. Jahrhundert (z. B. in Nürnberg zwischen 1790 und 1800, Bayreuth 1800) in England 1810 (Wort um 1850) und dringt von dort aus in dem 19. Jahrhundert vor. Er verliert seine Bedeutung, sobald die Arbeitsbedingungen (Lohnhöhen) unter Kostengesichtspunkten nicht mehr verbessert werden können.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Kalbitz, R., Die Arbeitskämpfe in der Bundesrepublik Deutschland, Diss. jur. Bochum 1972; Theorie und Geschichte des Streikrechts, hg. v. Germelmann, C., 1980; Streik, hg. v. Tenfelde, K. u. a., 1981; Schulz, K., Handwerksgesellen und Lohnarbeiter, 1985; Reith, R. u. a., Streikbewegungen deutscher Handwerksgesellen im 18. Jahrhundert, 1992; Clasen, C., Streiks und Aufstände, 1993; Althaus, H., Rechtsnormen und Rechtswirklichkeit, 1997; Kittner, M., Arbeitskampf, 2005

Streitbefestigung →litis contestatio

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 117, 202

Streitgenossenschaft ist das Auftreten mehrerer Parteien oder Beteiligter auf einer Seite eines Rechtsstreits. Eine S. kennt bereits das römische Recht. Von dort aus wird sie auch in dem gelehrten Prozessrecht behandelt.

Lit.: Kisch, W., Begriff und Wirkungen der besonderen Streitgenossenschaft, 1899; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973

stricti iuris (lat.) strengrechtlich, ohne Entscheidungsspielraum für den Richter

Lit.: Köbler, DRG 42, 62

Stromregal ist in dem Hochmittelalter das Recht des Königs an dem schiffbaren Fluss (Roncaglia 1158). Es geht rasch auf die Landesherren über.

Lit.: Hübner 297; Kroeschell, DRG 1; Gothein, E., Die Schiffahrt der deutschen Ströme, 1903; Rörig, F., Zur Rechtsgeschichte der Territorialgewässer, Abh. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1949

strudis (lat.-afrk. [F.]) Zwangsvollstreckung

Lit.: Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912

Struve, Georg Adam (Magdeburg 27. 12. 1619-Jena 16. 12. 1692), Gutseigentümerssohn, wird nach dem Studium von Philosophie, Politik, Geschichte und Recht in Jena und Helmstedt (Conring) 1645 Gerichtsbeisitzer in Halle und 1646 Professor in Jena (1667 Hofrat in Weimar, 1674 Professor des kanonischen Rechtes in Jena und Präsident des Jenenser Juristenkollegiums). 1670 veröffentlicht er (lat.) →Iurisprudentia (F.) romano-germanica forensis (Römisch-deutsche Gerichtsrechtswissenschaft, mit unverkennbaren Parallelen zu Hugo Grotius’ Inleydinge tot de Hollandsche Rechts-Geleerdheyd [1621]) (31. A. 1771, [als eine gründlich neubearbeitete Auflage des lateinischen Vorbilds] Jurisprudenz oder Verfassung der landüblichen Rechte, 1689, 8. A. 1737, weiter Syntagma iurisprudentiae secundum ordinem pandectarum concinnatum, 1655ff.). Darin gibt er auf der Grundlage der Institutionen die für längere Zeit erfolgreichste Zusammenfassung des bei den einheimischen Gerichten angewendeten römischen Rechtes in vier Büchern (Personenrecht, Sachenrecht, Schuldrecht, Prozessrecht).

Lit.: Köbler, DRG 114; Struve, B., Pii manes Struviani, 1705; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Finzel, J., Georg Adam Struve (1619-1692) als Zivilrechtler, 2003

Stryk, Samuel (Lentzen/Prignitz 22. 11. 1640-Halle 23. 7. 1710), Amtmannssohn, wird nach dem Studium von Theologie, Philosophie und Recht in Wittenberg (Ziegler) und Frankfurt an der Oder (Brunnemann) 1666 außerordentlicher Professor in Frankfurt an der Oder, 1668 ordentlicher Professor in Frankfurt an der Oder, 1690 in Wittenberg und 1692 in Halle. Seit 1690 veröffentlicht er einen Pandektenkommentar mit dem die zeitgenössische Haltung (als usus modernus pandectarum) kennzeichnenden Titel (lat.) Specimen (N.) usus moderni pandectarum (Beispiel des modernen Gebrauchs der Pandekten). Darin verbindet er das römische Recht mit teils ergänzenden, teils ausschließenden einheimischen Rechtssätzen.

Lit.: Köbler, DRG 137, 144; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wiegand, W., Plus petitio, 1974, 95; Luig, K., Samuel Stryk, FS S. Gagnér, 1991

Stuart ist das aus der Bretagne kommende, in dem 11. Jahrhundert erscheinende schottische Geschlecht (Steward, →Seneschall), das 1371 das Königtum in →Schottland erlangt und 1603 den Tudors in →England nachfolgt. Die 1688/9 gestürzte Familie scheidet 1714 endgültig aus der englischen Königsherrschaft aus, besteht aber in Nebenlinien fort.

Lit.: The Kingdom of the Scots, 1973; Schreiber, H., Die Stuarts, 1999; Eßer, R., Die Tudors und die Stuarts, 2004; Duchein, M., Les dernier Stuarts, 2006

Stück (Wort bereits für das Germanische zu erschließen) ist der einzelne abgegrenzte Gegenstand einer Gattung.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Stückschuld (Speziesschuld) ist die auf ein einzelnes Stück bezogene Schuld (im Gegensatz zu der Gattungsschuld bzw. Genusschuld), bei welcher der Schuldner bei durch Zufall verursachter Unmöglichkeit von seiner Verpflichtung frei wird.

Student ist der junge Mensch während des →Studiums.

Lit.: Brunck, H., Die Deutsche Burschenschaft, 1999

Studium ist die durch wissenschaftliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten erfolgende Ausbildung der Studenten an →Universitäten, deren Dauer bereits an den spätantiken Rechtsschulen 3 bis 5 Jahre beträgt. In dem Mittelalter beginnt das Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten meist tatsächlich nach einem Studium der freien Künste (mit etwa 20 Jahren). Ein eigentliches Berufsbild des Juristen gibt es bis in das 15. Jahrhundert nicht und bei der Besetzung führender Stellen sind persönliche und ständische Beziehungen noch wichtiger als ein Studium, doch verbessert das Rechtsstudium für Studierende aus einfacheren Verhältnissen bereits die Wahrscheinlichkeit des späteren Erwerbs einer Pfründe oder einer Anstellung. In dem 16. Jahrhundert kann nach einem Grundstudium (in Deutschland und Frankreich) das Bakkalaureat erworben werden, während die eigentliche Abschlussprüfung in dem Lizentiat besteht, dem der kostspielige Formalakt der Promotion (nach durchschnittlich zehn Studienjahren) folgen kann. Wegen der Mängel der universitären Prüfungen treten ihnen in dem 18. Jahrhundert staatliche Aufnahmeprüfungen (seit 1846 mit Professoren und Praktikern als Prüfern) für eine praktische Ausbildung in dem Staatsdienst zu der Seite (in Preußen 1849/1851 erstmals eine einheitliche Regelung für die – dreiphasige - Ausbildung von Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten, 1869 Justizausbildungsgesetz), die allmählich die Universitätsprüfungen (Promotionen) für die berufliche Tätigkeit bedeutungslos werden lassen. In dem ausgehenden 20. Jahrhundert wird in Deutschland an einzelnen Universitäten ohne größeren Erfolg eine einstufige Juristenausbildung versucht. Nach deren Einstellung wird ein Teil der (ersten) Staatsprüfung in die Universität verlagert und dort deutlich besser bewertet. →Jurist

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 186; Köbler, G., Zur Geschichte der juristischen Ausbildung in Deutschland, JZ 1971, 768; Burmeister, K., Das Studium der Rechte im Zeitalter des Humanismus, 1974; Dokumente zur Studiengesetzgebung in Bayern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, bearb. v. Dickerhof, H., 1975; Humanismus im Bildungswesen, hg. v. Reinhard, W., 1984; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Titze, H., Datenbuch zur deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 1f. 1987ff.; Geschichte der Universitäten in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Frassek, R., Weltanschaulich begründete Reformbestrebungen für das juristische Studium in den 30er und 40er Jahren, ZRG GA 111 (1994), 564; Ebert, I., Die Normierung der juristischen Staatsexamina, 1995; Wieling, H., Rechtsstudium in der Spätantike, JuS 2000, 10; Schmutz, J., Juristen für das Reich, 2000; Kühn, U., Die Reform des Rechtsstudiums zwischen 1848 und 1933 in Bayern und Preußen, 2000; Bäumer, M., Die Privatrechtskodifikation im juristischen Universitätsstudium, 2008; Siebe, D., Germania docet, 2009 (16566 Studierende aus 5 Universitäten einbezogen); Feistl, M., Eigentumsverhältnisse an Corpshäusern, 2010; Die akademische Verbindung Austria Innsbruck, hg. v. Verein zur Erforschung der Geschichte des österreichischen Studententums, 2014

Stuhl ist die künstlich geschaffene Sitzgelegenheit. Sie ist vielfach ein Kennzeichen des Richters.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994

Stuhlweißenburg (Székesfehervar) ist eine in dem 11. Jahrhundert erstmals erwähnte, in dem 18. Jahrhundert überwiegend deutschsprachige Stadt in Ungarn, deren Recht insbesondere in dem sog. Diploma Leopoldinum von dem 23. 10. 1703 greifbar ist.

Lit.: Pavlakovich-Mosonyi, M., Das Stadtrecht von Stuhlweißenburg, Diss. jur. Mannheim 2000

Stundung ist die bereits dem römischen Recht bekannte zeitliche Hinausschiebung der →Fälligkeit einer →Forderung.

Lit.: Kaser § 38 III 1

stuprum (lat. (N.() Unzucht

Lit.: Köbler, DRG 35

Sturmabteilung (SA) ist die 1920 als Versammlungsschutz der →Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei gegründete uniformierte Kampftruppe mit 1933 etwa 700000 Mitgliedern.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Bürgerkriegsarmee, hg. v. Müller, Y./Zilkenat, R., 2013

Stuttgart in Württemberg ist von 1781 bis 1794 Sitz einer Universität.

Lit.: Uhland, R., Geschichte der hohen Karlsschule in Stuttgart, 1953

Stutz, Ulrich (Zürich 5. 5. 1868-Berlin 6. 7. 1938) wird nach dem Rechtsstudium in Zürich und Berlin (Gierke, Hinschius) (ohne Habilitation) 1895 außerordentlicher Professor in Basel, 1896 ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau, 1904 in Bonn und 1917 in Berlin. Bereits in seiner Dissertation entwickelt er die Eigenkirche als Element des mittelalterlich-germanischen Kirchenrechts (1895). Auf dieser Grundlage setzt er sich für eine besondere kirchliche Rechtsgeschichte ein.

Lit.: Schultze, A., Ulrich Stutz, ZRG GA 59 (1939), XVII

Stüve, Johann Carl Bertram

Lit.: Stüve, J., Briefe, hg. v. Vogel, W., 1959

Suárez, Francisco de (1548-Lissabon 1617) wird nach dem Rechtsstudium in Salamanca Jesuit und seit 1570 Lehrer der Philosophie und Theologie. In einzelnen Abhandlungen befasst er sich spätscholastisch mit Rechtsfragen, wobei er Gott als Gesetzgeber betrachtet. Seine Unterscheidung von (lat.) ius (N.) naturae (Naturrecht) und ius gentium (Völkerrecht) beeinflusst Hugo →Grotius.

Lit.: Köbler, DRG 140; Rommen, H., Die Staatslehre des Francisco de Suárez, 1927; Sóla, F. de P., Suárez y las ediciones de sus obras, 1948; Giers, J., Die Gerechtigkeitslehre des jungen Suárez, 1962; Alexandrino Fernandes, J., Die Theorie der Interpretation des Gesetzes, 2005; Suárez, F., De Pace, hg. v. Kremer, M. u. a., 2013; Auctoritas omnium legum, Francisco Suárez De legibus, hg. v. Bach, O. u. a., 2013

Subinfeudation (F.) Unterbelehnung

Subjektives Recht ist das Recht des Einzelnen (z. B. Eigentum). Es steht in Gegensatz zu dem objektiven →Recht und zu dem bloßen Rechtsreflex. Gedanklich erkannt wird es an dem Ende des 18. Jahrhunderts (→Glück). Von dem Nationalsozialismus wird es bekämpft. Das subjektive öffentliche Recht ist das (einklagbare) subjektive Recht innerhalb des öffentlichen Rechtes, das Carl Friedrich Gerber (Über öffentliche Rechte, 1852) herausarbeitet.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 208, 238; Das subjektive Recht, hg. v. Coing, H. u. a., 1962, 29; Thoss, P., Das subjektive Recht in der gliedschaftlichen Bindung, 1968; Nörr, K., Zur Frage des subjektiven Rechts in der mittelalterlichen Rechtswissenschaft, FS H. Lange, 1992, 193

subpignus (lat. (N.() Unterpfand

Lit.: Kaser § 31 III 2a

subreptio (lat. (F.() Erschleichung durch Verschweigung

subsidium (lat. [N.]) Unterstützung, Hilfsleistung

Lit.: Das Mainzer Subsidienregister für Thüringen von 1506, bearb. v. Bünz, E., 2004

Subsidiarität ist die Nachrangigkeit. Nach der neueren katholischen Soziallehre (1931) besteht bei einem Nebeneinander mehrerer Aufgabenträger S. des umfassenderen (höheren) Aufgabenträgers gegenüber dem kleineren (sachnäheren) Aufgabenträger. Die S. ist in dem Grundsatz aufgenommen in dem Grundgesetz Deutschlands (Art. 23 GG) und in der Europäischen Union.

Lit.: Das Subsidiaritätsprinzip, hg. v. Utz, A., 1953; Schmitt, R., Die Subsidiarität der Bereicherungsansprüche, 1969; Subsidiarität, hg. v. Nörr, K. u. a., 1997; Subsidiarität als rechtliches und politisches Ordnungsprinzip in Kirche, Staat und Gesellschaft, hg. v. Blickle, P. u. a., 2002

Substanz (F.) selbständig Seiendes, Stoff

Substitution (F.) Ersatzberufung (z. B. zu dem Ersatzerben, vgl. die §§ 604ff. ABGB)

Subsumtion (Darunternahme) ist die durch Vergleichung und Bejahung der Gleichheit (oder Ablehnung der Gleichheit) erfolgende Zuordnung bzw. Zurechnung eines einzelnen besonderen Sachverhalts zu einem einzelnen allgemeinen Tatbestand eines Rechtssatzes (z. B. die Tötung John F. Kennedys ist [nach deutschem Recht] ein einzelner Fall des Mordes). Sie wird in dem ausgehenden 18. Jahrhundert als solche in dem Recht gedanklich erfasst. Sie steht wegen der von ihr abhängigen logischen Zuordnung der allgemeinen Rechtsfolge des Rechtssatzes zu dem Sachverhalt in dem Mittelpunkt der Rechtsanwendung.

Lit.: Köbler, DRG 117; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986; Subsumtion, hg. v. Gabriel, G. u. a., 2012

Suchmaschine ist die maschinell arbeitende Einrichtung zu der Suche nach digital gespeichertem Wissen in dem Internet. In dem Jahre 2016 waren die weltweit bedeutendsten Suchmaschinen Google, Youtube, Facebook, Baidu (China) und Wikipedia (mit mehr als 40 Millionen Artikeln, davon mehr als 2 Millionen in deutscher Sprache, in 290 Sprachen).

Sudetenland ist seit 1912 die Bezeichnung für das Siedlungsgebiet der überwiegend deutschsprachigen Bewohner Deutsch-Mährens, Deutsch-Böhmens und Österreichisch-Schlesiens. In dem Oktober 1918 rufen die Bewohner der nördlichen Gebiete die deutsch-österreichische Provinz S. aus und treten in dem November 1918 der Republik Deutschösterreich bei, doch erklärt der Friedensvertrag von Saint Germain den Beitritt als unwirksam und gliedert das Gebiet der Tschechoslowakei ein. An dem 29. 9. 1938 wird das S. in dem Münchener Abkommen von der →Tschechoslowakei an das Deutsche Reich abgetreten (29000 Quadratkilometer, 3,4 Millionen Einwohner). 1945 kommt es unter Vertreibung der Deutschen an die →Tschechoslowakei zurück. Das Wort sudetendeutsch wird anscheinend erstmals 1903 von dem Politiker Franz Jesser (1869-1954) verwendet.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schreiber, R., Der Elbogener Kreis, 1935; Hoensch, J., Geschichte Böhmens, 1987, 3. A. 1997; Sudetendeutsches Wörterbuch, bearb. v. Englisch, E. u. a., Bd. 1ff. 1988ff.; Franzel, E., Sudetendeutsche Geschichte, 1990; Gebel, R., Heim ins Reich, 1998; Zimmermann, V., Die Sudetendeutschen im NS-Staat, 1999; Odsun. Die Vertreibung der Sudetendeutschen, hg. v. Hoffmann, R, u. a., Bd. 1f. 2000ff.; Hundert Jahre sudetendeutsche Geschichte. Eine völkische Bewegung in drei Staaten, hg.v. Hahn, H., 2007; Brandes, D., Die Sudetendeutschen im Krisenjahr 1938, 2008; Anders, F., Strafjustiz im Sudetengau 1938-1945, 2008; Helden der Hoffnung, hg. v. Wagnerová, A., 2008; Brandes, D. Die Sudetendeutschen im Krisenjahr 1938, 2. A. 2010; Oberkofler, G., Ludwig Spiegel und Kleo Pleyer, 2012

Südosteuropa ist der südöstliche Teil Europas. →Albanien, Balkan, Bosnien, Bulgarien, Griechenland, Jugoslawien, Mazedonien, Osmanen, Rumänien, Serbien, Siebenbürgen, Türkei, Zypern

Lit.: Klebel, E., Siedlungsgeschichte des deutschen Südostens, 1940; Kaser, K., Südosteuropäische Geschichte und Geschichtswissenschaft, 2. A. 2002; Südosteuropa, hg. v. Hatschikjan, M. u. a., 1999; Umstrittene Identitäten, hg. v. Brunnbauer, U., 2002; Lexikon zur Geschichte Südosteuropas, hg. v. Hösch, E. u. a., 2004; Kaser, K., Südosteuropäische Geschichte und Geschichtswissenschaft, 2004; Politische Kultur in Südosteuropa, hg. v. Mosser, A., 2006; Lexikon zur Geschichte Südosteuropas, hg. v. Sundhaussen, H. u. a., 2. A.2015; Calic, M., Südosteuropa, 2016

Südtirol ist der südlich des Alpenhauptkamms gelegene Teil →Tirols, den durch den Vertrag von Saint Germain (10. 9. 1919) 1919 der frühere, sich wegen unerfüllter Gebietsansprüche an dem 31. Juli 1914 für neutral erklärende Dreibundpartner (von 1882) →Italien als Lohn für seinen an dem 23. Mai 1915 (Pfingstsonntag um halb vier, Mitteilung des Kaisers Österreichs an seine Untertanen „Der König von Italien hat Mir den Krieg erklärt. Ein Treubruch, dessen die Geschichte nicht kennt“) erfolgten Eintritt in den ersten Weltkrieg auf Seiten der alliierten Siegermächte (Zusage Englands 1912, Londoner Geheimabkommen von dem 26. 4. 1915) erhält (1918 3 Prozent der Bevölkerung italienischsprachig, 93 Prozent deutschsprachig, 4 Prozent Ladiner). S. wird nach der Machtübernahme der Faschisten in Italien an dem 28. 10. 1922 intensiv italienisiert (Italienisch als einzige Amtssprache, Übersetzung der Namen, Verbot deutschsprachigen Unterrichts, Auflösung von Verbänden und Vereinen, Ansiedlung von Italienern vor allem aus Süditalien, von Adolf Hitler gebilligt, 90 Prozent der staatlichen Stellen mit Italienischsprachlern besetzt). 1930 bekräftigt Österreich (BGBl. Nr. 201/1930) in einem Vertrag mit Italien die Ansicht, dass die Südtirolfrage eine innere Angelegenheit Italiens sei. An dem 23. 6. 1939 wird zwischen dem Deutschen Reich und Italien ein Optionsabkommen unterzeichnet, nach dem die für das Deutsche Reich optierenden Bewohner in das Deutsche Reich (geschlossen) ausgesiedelt werden sollen. Danach entscheiden sich von 246036 Abstimmungsberechtigten 211799 für die deutsche Staatsbürgerschaft. Etwa 75000 Südtiroler werden tatsächlich ausgesiedelt, wovon etwa 21000-22000 bis 1952 wieder zurückkehren (rund 156000 Optanten wandern nie ab). 1943 wird Benito Mussolini in Italien gestürzt. An dem 11. 9. 1945 beschließt die alliierte Außenministerkonferenz in London, dass die Grenze zwischen dem in dem zweiten Weltkrieg unterlegenen Italien und Österreich grundsätzlich nicht geändert werden soll. Nach 1945 erhält S. auf internationalen Druck (Gruber-Degasperi-Abkommen bzw. Pariser ABkommen 5. 9. 1946, Pariser Friedensvertrag der Alliierten mit Italien von dem 5. 9. 1946, 16. 9. 1947 in Kraft) beschränkte Autonomie (Autonomiestatut von dem 29. bzw. 31. 1. bzw. 26. 2. 1948 [italienische Mehrheit durch Zusammenfügung mit der Provinz Trient zu der Region Trentino-Alto Adige], nach Kundgebungen, Resolutionen der Vereinten Nationen von 1960 und 1961,sowie Attentaten [11./12. 6. 1961] verbessertes Südtirolpaket [Paketabschluss 22. 11. 1969] 1971, 20. 1. 1972 zweites Autonomiestatut in Kraft, autonome Region Trentino-Südtirol, Provinz Bozen, 1972 67,99 Prozent Deutsche, 27,65 Prozent Italiener, 4,36 Prozent Ladiner in der Provinz Bozen, trotz amtlicher Zweisprachigkeit finden nur etwa 25 Prozent der Gerichtsverfahren in deutscher Sprache statt, 11. 6. 1992 Streitbeilegungserklärung vor den Vereinten Nationen, 2000 sprechen sich bei einer Stichprobenbefragung der nichtitalienischsprachigen Bevölkerung die meisten für Selbständigkeit, 39 Prozent für eine Rückkehr zu Österreich und 7 Prozent für einen Verbleib bei Italien aus, 2001 69,15 deutschsprachig, 26,47 italienischsprachig, 4,37 ladinischsprachig, verschiedentlich wird eine zusätzliche österreichische Staatsbürgerschaft für deutsche Südtiroler gefordert).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 173, 220, 223; Voltelini, H. v., Immunität, grundherrliche und leibherrliche Gerichtsbarkeit in Südtirol, Archiv f. österreichische Geschichte 94 (1907), 311; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 1983, 3. A. 2001; Steininger, R., Los von Rom?, 1987; Südtirol und der Pariser Vertrag, 1988; Corsini, U./Lill, R., Südtirol, 1988; Zeller, K., Volkszählung und Sprachgruppenzugehörigkeit, 1991; Egen, A. v., Die Südtirol-Frage, 1997; Grigolli, S., Sprachliche Minderheiten, 1997; Steininger, R., Südtirol im 20. Jahrhundert, 1999; Steininger, R., Südtirol 1918-1999, 1999; Steininger, R., Südtirol, 2000; Südtirol Chronik, koord. v. Thaler, B., 2000; Gruber, A., Geschichte Südtirols, 2000; Durnwalder, M., Die Reform des Südtiroler Autonomiestatuts, 2005; Mahlknecht, B., Von großen und kleinen Übeltätern, 2005; Akten zur Südtirolpolitik 1959-1969, hg. v. Steininger, R., Bd. 1-7 2005-2013; Gehler, M., Eduard Reut-Nicolussi und die Südtirolfrage 1918-1958, 2006; Brunner, V./Ladurner, T./Zeller, K., Volkszählung in Südtirol, 2007; Fontana, J., Unbehagen - Südtirol unter der Militärverwaltung 4. November 1918-31. Juli 1919, 2009; Golowitsch, H., Für die Heimat kein Opfer zu schwer, 2009; Fontana, J., Südtirol unter der Zivilverwaltung 1. August 1919-28. Oktober 1922, 2010; Kofler, A. u. a., Bauernleben in Südtirol, 2. A. 2010; Molling, H., So planten wir die Feuernacht, 2011; Akten zur Südtirol-Politik 1945-1958, hg. v. Gehler, M., Bd. 1ff. 2012; Krieg in den Alpen, hg. v. Labanca, N. u. a. 2015; EU-Mitgliedschaft und Südtirols Autonomie, hg. v. Obwexer, W., 2015

Suebe ist der Angehörige des elbgermanischen, in der Völkerwanderung nach Nordwestspanien gelangten Volkes.

Lit.: Hamann, S., Vorgeschichte und Geschichte der Sueben in Spanien, 1971; Suevos – Schwaben. Das Königreich der Sueben auf der iberischen Halbinsel (411-585), hg. v. Koller, E./Laitenberger, H.,1998

Suffraganbischof (M.) Hilfsbischof (seit 779)

Sühne ist ein Ausgleich (Versöhnung) für ein rechtswidriges Verhalten. Auf S. beruht auch das →Kompositionensystem, das seit dem Hochmittelalter in einem bis zu dem 17. Jahrhundert reichenden Vorgang von der Strafe verdrängt wird. An einzelnen Stellen sehen Rechtsregeln einen erfolglosen außergerichtlichen Sühneversuch als Voraussetzung für ein Gerichtsverfahren vor.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 26, 117; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Jörg, P., Der Heidingsfelder Sühnebildstock, 1948; Wesener, G., Das innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963; Crößmann, K., Sühneverträge der Stadt Frankfurt am Main, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122 (2005), 113

Sui heredes (M.Pl. [seine Erben]) sind seit dem altrömischen Recht die Hauserben. Das sind alle Menschen, die durch den Tod des Hausvaters gewaltfrei werden.

Lit.: Kaser §§ 65 II, III, 66 I, 71 I; Köbler, DRG 23

sui iuris (lat.) selbstmächtig, frei von väterlicher Hausgewalt(, aber gegebenenfalls unter Vormundschaft z. B. Minderjährige, Frauen)

Lit.: Kaser § 12 I 3; Köbler, DRG 23

Sukzession (1555, F.) Nachfolge

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Summa (lat. (F.() ist in dem juristischen Schrifttum die bereits für →Irnerius (1060?-1125?) bezeugte, aus einleitenden Schriften zu einzelnen Titeln der justinianischen Kompilation erwachsende, zusammenfassende Betrachtung (Summe) des Inhalts eines Textes wie z. B. die s. codicis Azos (um 1210), die s. codicis des Placentinus, die s. des Odofredus oder des Huguccio.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 107; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Weimar, P., Zur Entstehung der azoschen Digestensumme, (in) Satura R. Feenstra, 1985, 371; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 402; La Summa Trium Librorum di Rolando da Lucca (1195-1234), hg. v. Conte, E. u. a., 2012;

Summa (F.) legum brevis levis et utilis →Raymund von Wiener Neustadt

Summa (F.) Perusina ist das (in Perugia) zwischen dem 7. und 9. Jahrhundert entstandene Werk zu dem →Codex.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

summarisch (zusammenfassend und dadurch beschleunigend)

Summarischer Prozess ist seit dem Spätmittelalter der durch Vereinfachung beschleunigte gelehrte Prozess. Der unbestimmte summarische Prozess ist durch Fristabkürzungen und Verringerung der Schriftwechsel gekennzeichnet (z. B. Besitzprozess, Rechnungslegungsprozess, Bauprozess), der bestimmte summarische Prozess durch die vorläufige Einengung der Verteidigungsmöglichkeit des Beklagten (z. B. Mandatsprozess, Arrestprozess, Wechselprozess, Exekutivprozess). Der summarische Prozess wirkt noch in dem 20. Jahrhundert nach.

Lit.: Schmidt, E., Theorie der summarischen Prozesse, 1791; Bayer, H., Theorie der summarischen Prozesse, 7. A. 1859; Wach, A., Der italienische Arrestprozess, 1868; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914

summarisches Verfahren →summarischer Prozess

Summe →summa

Summepiskopat ist das landesherrliche Kirchenregiment des evangelischen Kirchenrechts bis 1918.

Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Summum ius summa iniuria (lat.). Größtes Recht größtes Unrecht.

Lit.: Schmidt, G., Die Richterregeln des Olavus Petri, 1966, 128; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Cicero, 106-43, De officiis 1 § 33)

Sünde ist die Verletzung eines christlichen Gebots oder Verbots.

Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Neumann, F., Öffentliche Sünder in der Kirche des Spätmittelalters, 2007

Sunnis (lat.-afrk. [F.]) ist (das auf) Wahrheit (beruhende Hindernis für das Erscheinen vor Gericht).

supan (slaw. [M.]) Führer, Dorfmeister

Lit.: Vilfan, S., Rechtsgeschichte der Slowenen, 1968; Hardt, M., Der Supan, ZOF 39 (1990), 161

superficies (lat. [F.]) Erbbaurecht (zuerst auf öffentlichen, später auch auf privaten Grundstücken eingeräumtes, vererbliches und veräußerliches entgeltliches beschränktes dingliches Recht an fremden Grundstücken)

Superficies solo cedit ist die bereits bei Gaius (um 160 n. Chr.) belegte römische Rechtsregel, nach der das Recht an dem Grundstück die Rechtsverhältnisse an den auf ihm errichteten Dingen (superficies, Überbau, Oberfläche, Bauwerke, Pflanzen) bestimmt, so dass dem Grundstückseigentümer auch der etwa von dem Erbbauberechtigten errichtete Überbau gehört, wobei allerdings das Eigentum des Grundeigentümers durch das beschränkte dingliche Recht des Erbbauberechtigten sehr eingeschränkt ist und der Erbbauberechtigte durch Interdikte und eine (lat.) actio (F.) in rem geschützt wird. Der Rechtsregel widersprechen das →Stockwerkseigentum und das →Wohnungseigentum.

Lit.: Kaser §§ 26 III 3, 30 II 2; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Gaius, um 120-180, Institutionen 2 § 73); Biermann, J., Superficies solo cedit, Ih. Jb. f. d. Dogm. 34 (1895), 169; Meincke, J., Superficies solo cedit, ZRG RA 88 (1971), 136; Rainer, J., Superficies und Stockwerkseigentum, ZRG RA 106 (1989), 327; Kohl, G., Stockwerkseigentum, 2007

Superflua non nocent (lat.). Überflüssige Worte schaden nicht.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Augustinus, 354-430, De civitate Dei 4, 27)

Supplik (F.) Bittschrift

Lit.: Hülle, W., Das Supplikenwesen in Rechtssachen, ZRG GA 90 (1973), 194; Suppliche e . Politica, amministrazione, giustizia in Europa (secoli XIV-XVIII) a cura di Nubola, C. u. a., 2002; Bittschriften und Gravamina, hg. v. Nubola, C. u. a., 2005; Modus supplicandi, hg. v. Lackner, C. u. a., 2019

Supplikation ist die Einreichung einer Bittschrift. In dem spätantiken römischen Recht ist die formfreie (lat. (F.() supplicatio ad principem (Bittschrift an den Kaiser) ein Rechtsmittel gegen Urteile des Appellationsgerichts. Mit der Aufnahme des gelehrten Prozessrechts wird die S. seit dem Spätmittelalter in dem Heiligen römischen Reich als Rechtsmittel eingeführt (z. B. 1600 gegen Endurteile der Obergerichte). Seit dem 18. Jahrhundert übernimmt die S. teilweise die Aufgaben der →Revision. In dem 19. Jahrhundert verdrängt die Revision die S.

Lit.: Köbler, DRG 56, 155; Hülle, W., Das Supplikationswesen in Rechtssachen, ZRG GA 90 (1973), 194; Suppliche e , hg. v. Nubola, C. u. a., 2002; Rehse, B., Die Supplikations- und Gnadenpraxis in Brandenburg-Preußen, 2008; Supplications from England and Wales in the Registers of the Apostolic Penitentiary 1410-1503, hg. v. Clarke, P. u. a., Bd. 1ff. 2012ff.; Beiträge zur Rechtsgeschichte Österreichs 2-2015 FrühneuzeitlicheSupplikationspraxis, 2016

Supplikationsausschuss ist der für Bittschriften zuständige Ausschuss eines Gremiums (z. B. des Reichstags des Heiligen römischen Reiches von 1521 bis zu dem frühen 17. Jahrhundert).

Lit.: Neuhaus, H., Reichstag und Supplikationsausschuss, 1977

Surrogation (F.) Ersetzung

Lit.: Welle, A., In universalibus pretium succedit in locum rei, res in locum pretii. Eine Untersuchung zur Entwicklungsgeschichte der dinglichen Surrogation bei Sondervermögen, 1987; Hawellek, J., Die persönliche Surrogation, 2010

Suspension (F.) Aufhebung (z. B. eines Grundrechts gemäß dem Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, Gesetz von dem 5. 5. 1869)

suspensiv (Adj.) verzögernd, aufschiebend (z. B. Veto)

Suum cuique (lat.). Jedem das Seine.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Gellius, um 120-um 180, Noctes Atticae 13, 24, 1, zu Cato, 234-149 v. Chr.); Macke, P., Jedem das Seine, 2012

Suzeränität (F.) Herrschaft des Lehnsherrn über Lehnsmannen in Gegensatz zu der →Souveränität des Landesherrn über Untertanen.

Svarez (Schwartz), Carl Gottlieb (Schweidnitz 27. 2. 1746-Berlin 14. 5. 1798), Advokatensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Frankfurt an der Oder (Johann Samuel Friedrich Böhmer, Wolffschüler Joachim Geog Darjes) 1765 Auskultator und 1771 Oberamtsregierungsrat. 1780 wechselt er mit dem Großkanzler Carmer nach Berlin. Dort bereitet er unter steter Berücksichtigung des heimischen Rechtes das →Allgemeine Landrecht (1794) Preußens vor.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140; Stölzel, A., Carl Gottlieb Svarez, 1885; Kleinheyer, G., Staat und Bürger im Recht, 1959; Svarez, C., Vorträge über Recht und Staat, hg. v. Conrad, H. u. a., 1960; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 3. A. 1981; Schwennicke, A., Die Entstehung des preußischen Allgemeinen Landrechts, 1993; Carl Gottlieb Svarez: Gesammelte Schriften, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Kern, B., Carl Gottlieb Svarez, JuS 1998, 1085; Karst, T., Der Einfluss von Carl Gottlieb Svarez auf die preußische Gesetzgebung, ZRG GA 120 (2003), 180; Kuhli, M., Carl Gottlieb Svarez und das Verhältnis von Herrschaft und Recht im aufgeklärten Absolutismus, 2012

Svod zakonov ist die in →Russland 1832 durch Michail Michailovic →Speranskij erreichte Zusammenfassung aller geltenden Gesetze.

Lit.: Schultz, L., Russische Rechtsgeschichte, 1951; Raeff, M., Michail Speranskij, 1957

Symbol (N.) Sinnbild, Zeichen

Lit.: Handbuch der Symbolforschung, hg. v. Herrmann, K., 1941; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Becker, U., Lexikon der Symbole, 1992; Althoff, G., Die Macht der Rituale, 2003, 2. A. 2012; Wetzel, C., Das große Buch der Symbole, 2008; Schürmann, M., Iurisprudentia Symbolica, 2011; Reichel, P., Glanz und Elend deutscher Selbstdarstellung, 2012; Bansbach, M., Nationale und aristokratische Symbolik und Denkmalpolitik im 19. Jahrhundert, 2014

Symon Vicentius ist der 1222 in Padua nachweisbare Jurist, der Glossen, Kommentare, Repetitiones, Quaestiones und die Schrift De iudiciali missione in possessione (Von der richterlichen Einweisung in den Besitz) verfasst.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 310

Synallagma (N.) Übereinkunft, gegenseitige Abhängigkeit von Vertragsleistungen, wechselseitige Verpflichtungen, bei den der Gläubiger zugleich Schuldner einer Verpflichtung ist und der Schuldner zugleich Gläubiger

Lit.: Kaser § 38 IV 3; Benöhr, H., Das sogenannte Synallagma, 1965; Rückert, J., Vom casus zur Unmöglichkeit, ZNR 1984, 40; Ernst, W., Die Einrede des nichterfüllten Vertrags, 2000

Syndikat (N.) Kartell

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Syndikatsklage ist in dem gelehrten Recht die Klage gegen den unrichtig urteilenden →Richter (→Rechtsbeugung).

Syndikatsprozess ist in Italien in dem Spätmittelalter das Amtshaftungsverfahren zu der Überprüfung der Amtsführung eines podestà nach Ablauf seiner Amtsperiode.

Lit.: Isenmann, M., Legalität und Herrschaftskontrolle (1200-1660), 2010

Syndikus (M.) Geschäftsführer, Rechtsberater

Synodalstatut (N.) ist das in einer →Synode geschaffenes→Statut

Synode (zu lat. synodus) ist die kirchliche Versammlung (Konzil), die auch Rechtsfragen entscheidet.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 115; Richter, L., Geschichte evangelischer Kirchenverfassung, 1851, Neudruck 1970; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Närger, N., Das Synodalwahlsystem in den deutschen evangelischen Landeskirchen, 1988; Sieben, H., Die Partikularsynoden, 1990; Fischer, J./Lumpe, A., Die Synoden, 1997; Gresser, G., Die Synoden und Konzilien der Zeit des Reformpapsttums in Deutschland, 2004; Limmer, J., Konzilien und Synoden im spätantiken Gallien, 2004; Synod and Synodality, hg. v. Melloni, A. u. a., 2005; Partikularsynoden im späten Mittelalter, hg. v. Kruppa, N. u. a., 2006; Die Synoden im trinitarischen Streit, hg. v. Heil, U. u. a., 2017

Syrien

Lit.: Le Caisne, G., Codename Caesar – Im Herzen der syrischen Todesmaschine, 2016; Helberg, K., Verzerrrte Sichtweisen – Syrer bei uns, 2016; Di Giovanni, J., Der Morgen, als sie uns holten – Berichte aus Syrien, 2016; Sommer, M., Syria – Geschichte einer zerstörten Welt, 2016 (Issos, Jerusalem, Hatra, Emesa, Palmyra, Antiochia); Pfoh, E., Syria-Palestine in the Late Bronze Age, 2016 (problematisch); Seland, E., Ships oft he Desert and Ships oft he Se – Palmyra in the World Trade oft he First Three Ceturies DE, 2016; Lüders, M., Die den Sturm ernten – Wie der Westen Syrien ins Chaos stürzte, 2017; Sommer, M., Palmyra, 2017; Die Beduinen, hg. v. Wilhelm, G., 2018

Syrisch-römisches Rechtsbuch ist der spätantike oströmische Rechtstext wohl des 5. Jahrhunderts, der nur in syrischen, arabischen, armenischen und koptischen Bearbeitungen erhalten ist.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53; Selb, W., Zur Bedeutung des syrisch-römischen Rechtsbuchs, 1964; Selb, W./Kaufhold, H., Das syrisch-römische Rechtsbuch, 2002

Syssel ist die norwegisch-dänische Bezeichnung für Landschaften (z. B. Vendsyssel).

Lit.: Rietschel, S., Untersuchungen zur Geschichte der germanischen Hundertschaft, ZRG GA 28 (1907), 342; Helle, K., Norge blir en stat, 1974

System ist das wissenschaftlich-rationale Gedankengefüge. Die systematische Betrachtung des Rechtes erfolgt in der frühen Neuzeit (seit dem 16. Jahrhundert bzw. seit Leibniz [1646-1716] und Wolff [1679-1754]). Sie versteht die Geometrie als (unerreichbares) Vorbild.→Rechtssystem

Lit.: Kaser § 2 III; Köbler, DRG 6, 159, 184, 187, 188; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 285; Savigny, F., System des heutigen römischen Rechtes, Bd. 1ff. 1840ff.; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Seiler, H., Die Systematik der einzelnen Schuldverhältnisse, Diss. jur. Münster 1957 masch.schr.; Troje, H., Wissenschaftlichkeit und System in der Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts, (in) Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 63; Canaris, C., Systemdenken und Systembegriff, 1969; Dießelhorst, M., Ursprünge des modernen Systemdenkens bei Hobbes, 1968; Dießelhorst, M., Zum Vermögensrechtssystem Samuel Pufendorfs, 1976; Björne, L., Deutsche Rechtssysteme im 18. und 19. Jahrhundert, 1984; Björne, L., Nordische Rechtssysteme, 1987; Dießelhorst, M., Naturzustand und Sozialvertrag bei Hobbes und Kant, 1988; Schröder, J., Die ersten juristischen „Systematiker“, FS S. Gagnér, 1996, 111; Lewinski, K. v., Deutschrechtliche Systembildung im 19. Jahrhundert, 2001; Bauer, J., Zellen, Wellen, Systeme, 2016; Dietz, B., Das System der Natur – Die kollaborative Wissenskultur der Botanik im 18. Jahrhundert, 2017

Szeged an der Mündung der Maros in die Theiß ist die auf antike Grundlagen zurückgehende, 1498 königliche Freistadt Ungarns werdende, 1542 an die Osmanen (Türken) und 1686 an Habsburg fallende Stadt. S. ist Sitz einer 1921 neugegründeten Universität.

Szepter →Zepter

T

Tabak

Lit.: Tabak und Gesellschaft, hg. v. Jacob, F. u. a., 2016

Tablettes Albertini (45 in dem Jahr 1928 an der algerisch-tunesischen Grenze etwa 100 Kilometer von Tebessa) aufgefundene, unter vandalischer Herrschaft mit Tinte auf Holz aufgezeichnete, in dem Museum Algiers aufgewahrte, von Eugène Albertini zuerst bearbeitete, 1952 veröffentliche Privaturkunden der Jahre 493-496 n. Chr.)

Lit.: Tablettes Albertini, hg. v. Saumagne, C. u. a., 1952; Weßel, H., Das Recht der Tablettes Albertini, 2003

Tacitus, Gaius (?) Publius (?) Cornelius (um 55/56-116/120 n. Chr.), aus wahrscheinlich ritterlichem, südgallisch-norditalienischem Haus, wird 88 Prätor und 97 Konsul. Er gilt als letzter lateinischer Klassiker ([lat.] Historiae [Geschichten], Annales [Annalen], Agricola, Dialogus de oratoribus [Dialog über die Redner]). Seine Schrift (lat.) De origine et situ Germaniae (Über den Ursprung und die Lage Germaniens, um 98 n. Chr.) bietet relativ ausführliche, aber wohl tendenziös gefärbte Nachrichten über die →Germanen.

Lit.: Die Germania des Tacitus, hg. v. Much, R. u. a., 3. A. 1967; Syme, R., Tacitus, 2. A. 1979; Tacitus, hg. v. Pöschl, V., 2. A. 1986; Vielberg, M., Pflichten, Werte, Ideale, 1987; Beiträge zum Verständnis der Germania des Tacitus, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1989; Schmal, S., Tacitus, 2005; Dialogus de oratoribus, hg. v. Flach, D., 2005; Tacitus, Annalen - lateinisch-deutsch, 2010; Tacitus, Germanis - lateinisch-deutsch, 4. A. 2011; Petersen, J., Recht bei Tacitus, 2018

Tafelgut ist das der Versorgung des reisenden deutschen Königs in dem Mittelalter dienende →Königsgut. Ein in einer Abschrift von 1165/74 überliefertes Tafelgüterverzeichnis lässt sich vielleicht zeitlich auf 1138, 1152/1153 oder um 1165 (Aachen) bestimmen.

Lit.: Das Tafelgüterverzeichnis des römischen Königs, hg. v. Brühl, C. u. a., 1979; Göldel, C., Servitium regis, 1997

Tagebuch ist das mehr oder weniger tägliche Aufzeichnungen von Geschehnissen enthaltende Buch.

Lit.: Die Diarien und Tagezettel des Kardinals Ernst Adalbert von Harrach (1598-1667), hg. v. Keller, K. u. a., 2010

Tagelöhner ist der freie, gegen Tagelohn tätige Landarbeiter. Er ist insbesondere von dem Spätmittelalter bis ins 19. Jahrhundert von Bedeutung. Seine Rechtsstellung ist schwach.

Lit.: Knapp, T., Die Bauernbefreiung, 1887; Firnberg, H., Lohnarbeiter und freie Lohnarbeiter, 1935, Neudruck 1978; Simon, S., Die Tagelöhner und ihr Recht im 18. Jahrhundert, 1995

Tagessatzsystem ist das nach skandinavischem Vorbild unterschiedliche Vermögensverhältnisse berücksichtigende System zu der Bestimmung der Höhe einer Geldstrafe in dem späteren 20. Jahrhundert

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert

Tagsatzung ist von dem 14. Jahrhundert bis 1848 das gemeinsame Organ der schweizerischen →Eidgenossen.

Lit.: Joos, R., Die Entstehung und rechtliche Ausgestaltung der eidgenössischen Tagsatzung, Diss. Zürich 1925; Müller, R., Die eidgenössische Tagsatzung, Diss. Zürich 1948; Hunziker, G., Das Archiv der Tagsatzungsperiode 1814-1848, 1980; Jucker, M., Gesandte, Schreiber, Akten, 2004

Tagung „Das Judentum in der Rechtswissenschaft“ in Berlin von dem 3./4. Oktober 1936 ist eine nationalsozialistische Aktion von Juristen gegen das Judentum. Vor mehr als 100 Teilnehmern sprechen Hans Frank, Carl Schmitt, Johann von Leers, (M. Mikorey,) K. Klee, Karl Siegert, Edgar Tatarin-Tarnheyden, Norbert Gürke, Theodor Maunz, Erich Jung, Otto Rilk, Hans Würdinger, Horst Bartholomeyczik und Horst Müller (sowie Wilhelm Rath). Nach einem Vorschlag Prof. Naendrups geloben die Teilnehmer unter Leitung Carl Schmitts alles zu tun, was Hans Frank von ihnen gefordert hatte. Die meisten Vorträge sind zwischen November 1936 und dem Ende des Jahres 1937 in dem Deutschen Rechts-Verlag in Berlin erschienen.

Lit.: Göppinger, H., Juristen jüdischer Abstammung im „Dritten Reich“, 2. A. 1990, 153

Taiding ([N.] aus tageding) ist in Süddeutschland in dem Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit die Gerichtsversammlung. In dem T. wird das →Weistum ermittelt und vorgetragen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Die salzburgischen Taidinge, hg. v. Siegel, H., 1870

Talar →Robe

Taler ist die nach dem durch Silberbergbau berühmten Ort Joachimsthal (Joachimstal) benannte deutsche →Münze der frühen Neuzeit (1518/25). 1908 wird der T. zu Gunsten der Mark außer Kraft gesetzt. Er lebt in dem Dollar fort.

Lit.: Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995

Talion (griech. [N.] Gleiches) ist die Vergeltung eines Übels mit (ursprünglich höchstens) dem gleichen Übel (Auge um Auge, 2. Mos. 21,23). Das Talionsprinzip ist dem jüdischen und dem römischen Recht bekannt. Von dort her dringt es seit dem Spätmittelalter vereinzelt in dem Heiligen römischen Reich ein. Es berührt sich mit der →spiegelnden Strafe.

Lit.: Kaser §§ 32 II 2a, 51 III 1a; Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 119; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Hermesdorf, B., Poena talionis, 1965; Ebert, U., Talion und spiegelnde Strafe, FS K. Lackner, 1987, 399; Söllner, A., Der zweite Merseburger Zauberspruch, ZRG GA 125 (2008), 1

Talmud (Lehre) ist der Kommentar zu der um 220 (endredigierten) →Mischna (Lehre, Wiederholung) der Juden. Von seinen beiden Strömungen setzt sich der babylonische T. (nach 700) gegenüber dem palästinensischen T. (vor Mitte 5. Jahrhundert) durch. Der T. besteht nur zu seinem kleineren Teil aus Rechtstexten. →Maimonides (1135-1204) bearbeitet die rechtlichen Aussagen des T. in seiner →Mischne Tora.

Lit.: Gans, E., Die Grundzüge des mosaisch-talmudischen Erbrechts, Z. f. d. Wissensch. d. Judentums 1 (1823), 419; Goldschmidt, L., Der babylonische Talmud, Bd. 1ff. 1929ff.; The Principles of Jewish Law, hg. v. Eton, M., 1975; Stemberger, G., Einleitung in Talmud und Midrasch, 8. A. 1993; Wesel, U., Hebräisches Recht, JuS 1997, 686; Schäfer, P., Jesus im Talmud, 2007

Tancredus (Bologna um 1185-Bologna um 1236) ist der mittelalterliche Jurist (Dekretalist), der um 1216 einen wichtigen (lat.) ordo (M.) iudiciorum (Gerichtsordnung) verfasst. Bis 1220 erstellt er die (lat.) glossa (F.) ordinaria (ordentliche Glosse) zu den ersten drei (lat.) compilationes (F.Pl.) antiquae (alten Sammlungen).

Lit.: Köbler, DRG 107; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Fowler-Magerl, L., Ordines iudiciarii, 1994; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 293

tanganare (mlat.-afrk.) bedrängen (zu einer förmlichen Antwort auf eine gerichtliche Ansprache)

Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex Salica, 1867, Neudruck 1971, 143

Tangermünde

Lit.: Tangermünde, die Altmark und das Reichsrecht, hg. v. Lück, H., 2008

Tarif ist der einheitliche Preis.

Tarifvertrag ist der Vertrag zwischen einem Arbeitgeber oder einem Arbeitgeberverband und einer Gewerkschaft in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten (z. B. Lohn). Er erscheint in Ansätzen nach der Mitte des 19. Jahrhunderts (z. B. Buchdruckertarifvertrag 1873), häufiger seit 1890. Erst 1918 setzt er sich aber allgemein durch (Verordnung über Tarifverträge von dem 23. 12. 1918, Tarifvertragsgesetz von dem 9. 4. 1949, 11. 1. 1952, 25. 8. 1969), wobei anfangs der Anteil der freien Vereinbarungen an den Tarifabschlüssen höchstens ein Drittel beträgt. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wird ohne wirklichen Erfolg mit Hilfe der Öffnung von Flächentarifverträgen eine Verringerung der Arbeitslosigkeit angestrebt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 215, 241, 242, 273; Tschirbs, R., Tarifpolitik im Ruhrbergbau 1918-1933, 1986; Hainke, S., Vorgeschichte und Entstehung der Tarifvertragsverordnung, Diss. jur. Kiel 1987; Bähr, J., Staatliche Schlichtung in der Weimarer Republik, 1989; Brauchitsch, I. v., Staatliche Zwangsschlichtung, 1990; Englberger, J., Tarifautonomie im Deutschen Reich, 1995; Brandner, T., Die tarifrechtliche Reformdiskussion in der Weimarer Zeit, Diss. jur. Jena 1999; Bender, G., Richtungskämpfe, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 561; Blanke, S., Soziales Recht oder kollektive Privatautonomie, 2005; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Rudischhauser, S., Geregelte Verhältnisse. Eine Geschichte des Tarifvertragsrechts in Deutschland und Frankreich (1890-1918/1919), 2016

Tartagnus, Alexander ist der in Imola 1423 oder 1424 geborene, in Bologna ausgebildete, in Pavia, Bologna, Ferrara, Bologna, Padua und Bologna lehrende, an dem 3. 9. 1477 verstorbene Jurist (commentaria zu den Digesten, interpretationes, consilia).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 831

Tat ist die als abgeschlossen angesehene menschliche Verhaltenseinheit. An sie knüpft das Recht von seinen Anfängen an vielfältige Rechtsfolgen.Dabei ist →Die Tat tötet den Mann ein deutsches (, seit dem 19. Jahrhundert bezeugtes) Rechtssprichwort, das die möglicherweise in den ältesten Zeiten geltende →Erfolgshaftung zu dem Ausdruck bringen soll.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 315 (Simrock 1846); Schild, B., Die Tat tötet den Mann, ZRG GA 114 (1997), 380

Tatbestand ist die Summe der Voraussetzungen für eine Rechtsfolge bzw. in dem Verfahrensrecht in dem Urteil die Darstellung des Sachverhalts. Tatbestände gibt es seit der Entwicklung von Recht. Als für die Rechtsanwendung grundlegende Besonderheit erkannt sind sie seit Anfang des 19. Jahrhunderts (Stübel 1805 Zurechnung der Tat [Tatbestand] in Gegensatz zu Zurechnung der Tat zu der Strafe, Anton Bauer 1833 trennt subjektive Merkmale von objektiven Merkmalen).

Lit.: Seiler, H., Der Tatbestand der negotiorum gestio, 1968; Burian, B., Der Einfluss der deutschen Naturrechtslehre auf die Entwicklung der Tatbestandsdefinition im Strafgesetz, 1970; Weißen-Micus, M., Tatbestandsmerkmale des Gesellschaftsvertrags im 19. Jahrhundert, 1985; Schaffstein, F., Studien zur Entwicklung der Deliktstatbestände, 1985; Ebrahim-Nesbat, S., Die Herausbildung der strafrechtlichen Teilnahmeformen im 19. Jahrhundert, 2006

Täter-Opfer-Ausgleich ist der kriminalpolitische Ansatz des späteren 20. Jahrhunderts, bei dem dann, wenn Täter und Opfer sich auf eine Schadenswiedergutmachung einigen, ein Strafverfahren eingeschränkt oder unter Strafminderung abgeschlossen werden kann (Deutschland 1990 in dem Jugendstrafrecht, 1994 in dem Erwachsenenstrafrecht, 1998 in rund 9000 Fällen praktiziert).

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert

Taufe ist die die kirchliche Mitgliedschaft in der christlichen Kirche begründende Handlung. Sie erscheint vor Christus bei Johannes dem Täufer. Sie steht zunächst dem Bischof, später dem Taufkirchenpriester zu.

Lit.: Heggelbach, O., Die christliche Taufe, 1953; Stenzel, A., Die Taufe, 1958; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Tauner (M.) Häusler in der Schweiz

Lit.: Eichholzer, E., Über die Stellung der Tauner nach den Rechtsquellen des Kantons Zürich, ZRG GA 38 (1917), 115

Tausch (Wort 1181 belegt, lat. [F.] permutatio) ist der gegenseitige Vertrag, in dem sich beide Seiten zu der Hingabe eines bestimmten, nicht in Geld bestehenden Gegenstands verpflichten. Der Tausch erscheint schon früh. Er wird teilweise als Kauf angesehen und zeitweise als Realvertrag eingeordnet, zeitweise als durch Hingabe der Sache entstehender Innominatkontrakt. In seiner tatsächlichen Bedeutung wird er mit Entstehung der →Geldwirtschaft von dem →Kauf rasch zurückgedrängt.

Lit.: Kaser § 45 I 1; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 74, 91; Gelke, W., Kauf und Tausch in Babenhausen, Diss. jur. Mainz 1981; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Tauschgeschäft und Tauschurkunde vom 8. bis zum 12. Jahrhundert, hg. v. Fees, I. u. a., 2013

Tausendschaft ist eine zweifelhafte Untergliederung des Heeres germanischer Völker (Goten, Vandalen) in dem frühen Mittelalter. Ihre Herkunft ist unklar.

Lit.: Rietschel, S., Die germanische Tausendschaft, ZRG GA 27 (1906), 234; Claude, D., Millenarius und thiuphadus, ZRG GA 88 (1971), 181

Taxis →Thurn und Taxis

Technik

Lit.: Europäische Technik im Mittelalter, hg. v. Lindgren, U., 1996; Technik in der frühen Neuzeit, hg. v. Engel, G. u. a., 2004; Metz, K., Ursprünge der Zukunft, 2005; Vom Feld, I., Staatsentlastung im Technikrecht, 2007; Gleitsmann, R. u. a., Technikgeschichte, 2009; König, W., Technikgeschichte, 2009; Technikgeschichte, hg. v. König, W., 2009; Cech, B., Technik der Antike, 2010; Ambrosius, G. u. a., Integration von Infrastruktur in Europa im historischen Vergleich, Bd. 1 2013; Bayerl, G., Technik in Mittelalter und früher Neuzeit, 2013; Kapp, E., Grundlinien einer Philosophie der Technik, hg. v. Maye, H. u. a., 2015

Tecklenburg (Grafschaft)

Lit.: Lebkücher, F., Die Grafschaft Tecklenburg und die Justizreform von 1613, 2018

Teeren und Federn ist die durch Bestreichen mit Teer und anschließendes Wälzen in Federn gekennzeichnete Form amerikanischer Lynchjustiz, für die es in Europa kaum gesicherte Zeugnisse gibt.

Lit.: Hentig, H. v., Die Strafe, Bd. 1 1954, 152

Teilgläubigerschaft

Lit.: Riedler, A., Gesamt- und Teilgläubigerschaft, 1998

Teilnahme ist die Beteiligung an einer fremden Handlung (z. B. Anstiftung, Beihilfe). Sie erscheint tatsächlich schon sehr früh, wird als allgemeine Rechtsfigur aber erst an dem Ende des 18. Jahrhunderts erfasst. Noch Feuerbach (1801) kennt nur (lat. [M.]) auctor (Urheber) und (lat. [M.]) socius (Gehilfen). IN Österreich gilt die Einheitstäterschaft.

Lit.: Köbler, DRG 204; Heimberger, J., Die Teilnahme, 1896; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Roth, A., Kollektive Gewalt und Strafrecht, 1989; Ebrahim-Nesbat, S., Die Herausbildung der strafrechtlichen Teilnahmeformen im 19. Jahrhundert, 2006

Teilnovellen sind in Österreich die das →Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811/1812) nach dem deutschen →Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) modernisierenden Novellen von 1914, 1915 und 1916.

Lit.: Baltl/Kocher; Dölemeyer, B., Die Revision des ABGB, Ius commune 6 (1977), 274

Teilpacht ist die einen bestimmten Teil (Bruchteil, z. B. Hälfte, Drittel) des Ertrags als Pachtzins festlegende Form der →Pacht. Sie ist auf Grund provinzieller Praxis bereits dem römischen Recht bekannt. In dem Hochmittelalter breitet sie sich seit dem 12. Jahrhundert in vielen Ländern aus, tritt seit dem 14. Jahrhundert aber wieder zurück.

Lit.: Kaser § 42 II 1; Spieß, K., Teilpacht und Teilbauverträge, Z. f. Agrargesch. 36 (1988), 228

Teilrecht ist in dem Ehegüterrecht seit dem Hochmittelalter das Recht des wiederverheirateten Ehegatten, eine Teilung mit den Kindern der ersten Ehe zu vollziehen, um die zugunsten der Kinder aus der ersten Ehe bestehende Verfangenschaft der Güter aus der ersten Ehe aufzuheben und einen Teil der Güter unbelastet in die zweite Ehe einzubringen.

Lit.: Hübner § 95; Schröder, R., Das eheliche Güterrecht, 1868, Neudruck 1967

Teilungsanordnung ist die Anordnung des Erblassers über die Teilung des Erbes.

Lit.: Rudolf, I., Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis, 1966

Teilungsklage ist die auf Teilung von Miteigentum gerichtete Klage des römischen Rechtes (z. B. [lat.] →actio [F.] familiae erciscundae, →actio communi dividundo).

Lit.: Kaser § 23 IV 2

Teilzeitarbeit ist die mit der Verknappung der Arbeit in den Industriestaaten des ausgehenden 20. Jahrhunderts hervortretende Form der →Arbeit.

Lit.: Oertzen, C. v., Teilzeitarbeit, 1999

Teixeira de Freitas, Augusto (1816-1883) wird nach dem Rechtsstudium in Olinda und Sao Paulo Rechtsanwalt und kaiserlicher Rechtsberater. 1857 verfasst er die erste umfassende systematische Sammlung des Privatrechts Brasiliens (Consolidaçao das leis civis), 1860ff. einen von dem römischen Recht wie von mehreren europäischen Rechten ausgehenden Entwurf eines Privatrechtsgesetzbuchs (Esboco de Código civil). Er wirkt sich in dem Código civil Argentiniens (1869) aus.

Lit.: Meira, S., Teixeira de Freitas, 1979; Augusto Teixeira de Freitas e il diritto Latinoamericano, 1938

Telegraphie ist die vor allem mit Hilfe des 1837 von Samuel Morse gebauten und 1844 verbesserten Schreibtelegraphen seit etwa 1850 allgemein mögliche Übermittlung von Texten über beliebige Entfernungen mit Hilfe der Eigenschaften des elektrischen Stroms.

Lit.: Scherner, K., Innovation und Recht, ZNR 16 (1994), 39; Wobring, M., Die Globalisierung der Telekommunikation im 19. Jahrhundert, 2005; Wenzlhuemer, R., Connecting the Nineteenth-Century World, 2013 (Zentren London, Berlin, Wien, Paris), Wenzlhuemer, W., Verbrechen, Verbrechensbekämpfung und Telegrafie, HZ 301 (2015) 347

Telephon

Lit.: Meili, F., Das Telephonrecht, 1885, Neudruck 2013

Telgte

L.: Die Ratsprotokolle der Stadt Telgte 1624 bis 199, hg. v. Heschichtsverein Beckum-Warendorf, Bd. 1-13 2019ff.

Templerorden ist der 1119 von Hugo von Payens gegründete, nach dem Tempelberg in Jerusalem benannte, 1291 nach Zypern verlegte, 1312 von dem Papst aufgehobene geistliche Ritterorden.

Lit.: Demurger, A., Die Templer, 1991; Dinzelbacher, P., Die Templer, 2002; Frale, B., Il papato e il processo ai Templari, 2003; Demurger, A., Der letzte Templer, 2004; Sarnowski, J., Die Templer, 2009; Burzyński, E., Zakon rycerski temlariuszy, 2010; Napp, A., Templer Mythen, 2010; Jabonde, J., Die Templer in Deutschland, 2010; Nicolotti, A., I Templari e la Sindone, 2011; Schenk, J., Templar Families, 2012; Bergeron, D., Les Templiers et leur procès, 2011; La fin de l’ordre du Temple, hg. v. Chevalier, M., 2012

temporalis (lat. [Adj.]) zeitlich, weltlich

Temporalien sind seit 1122 (Wormser Konkordat) die besonderen weltlichen Rechte der Kirche in Gegensatz zu den Spiritualien (geistlichen Angelegenheiten oder Rechten).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 93; Lindner, D., Die Lehre von der Inkorporation, 1951

Tengler, Ulrich (Rottenacker bei Ehingen an der Donau um 1447-Höchstädt 1511?) wird nach Ausbildung in Stadtschule Ehingen und Stiftsschule Blaubeuren (1469) 1467/1469 Gerichtsschreiber in Heidenheim an der Brenz, 1475-1479 Kastenschreiber in Heidenheim, 1479-1483 Stadtschreiber in Nördlingen, 1485-1496 Kastner in Heidenheim, dann Landvogt von Graisbach und 1500 pfalz-bayerischer Landvogt in Höchstädt an der Donau. 1509 gibt Sebastian Brant den →von Tengler verfassten Laienspiegel heraus. Tenglers Sohn Christoph wird Professor des kanonischen Rechtes in Ingolstadt.

Lit.: Köbler, DRG 143; Stintzing, R. v., Geschichte der populären Literatur, 1867, Neudruck 1959, 411; Burret, G., Der Inquisitionsprozess im Laienspiegel des Ulrich Tengler, 2010

tenure (mengl.) Lehen, Rechtsstellung aus Belehnung

Lit.: Hudson, Land, Law and Lordship, 1994

Termin (1317) Zeitpunkt

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

terra (lat. [F.]) Land, Erde

Lit.: Köbler, G., Land und Landrecht, ZRG GA 86 (1969), 1; Schubert, E., Fürstliche Herrschaft und Territorium, 1996

terra (F.) salica (lat.-afrk. [F.]) Herrenland

Territorialitätsprinzip ist der Grundsatz der gebietsmäßigen Abgrenzung. Das T. bildet einen Gegensatz zu dem Personalitätsprinzip. Es gewinnt vor allem seit dem 12. Jahrhundert (privilegium minus 1156) allgemeine Bedeutung.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hochmittelalterliche Territorialstrukturen in Deutschland und Italien, hg. v. Chittolini, G. u. a., 1996

Territorialstaat ist der auf ein festes Gebiet (Territorium) bezogene →Staat. Der T. ist ein Gegensatz zu dem Personenverbandsstaat. Er setzt sich seit dem 12. Jahrhundert durch ([lat.] privilegium minus 1156, Reichstag von →Gelnhausen 1180).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler DRG 111, 149; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1972; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, hg. v. Patze, H., 1970ff., Neudruck 1986; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Bader, K., Der deutsche Südwesten in seiner territorialstaatlichen Entwicklung, 2. A. 1978; Müller, H., Oberhof und neuzeitlicher Territorialstaat, 1978; Territorialstaat und Calvinismus, hg. v. Schaab, M., 1993; Köbler, G., Historisches Lexikon der deutschen Territorien, 1988, 6. A. 1999, 7. A. 2007

territorium (lat. [N.] ) Stadtgebiet, Herrschaftsgebiet

Territorium ist das Herrschaftsgebiet. In der frühen Neuzeit gilt in dem Heiligen römischen Reich in geschlossenen Territorien die Vermutung, dass jeder Ort der Territorialgewalt des Landesherrn unterworfen ist. In dem 19. Jahrhundert tritt das Staatsgebiet an die Stelle des Territoriums.

Lit.: Below, G., Territorium und Stadt, 2. A. 1923; Dannenbauer, H., Die Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg, 1928; Hamel, W., Das Wesen des Staatsgebietes, 1933; Moraw, P., König, Reich und Territorium im späten Mittelalter, 1971; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Die Territorien des Reichs, hg. v. Schindling, A., Bd. 1ff. 1989ff.; Statuten, Städte und Territorien, 1992; Hochmittelalterliche Territorialstrukturen in Deutschland und Italien, hg. v. Chittolini, G. u. a., 1996; Schubert, E., Fürstliche Herrschaft und Territorium, 1996; Identità territoriali e cultura politica, hg. v. Bellabarba, M. u. a., 2000

Terrorismus ist die (menschliche) Gedankenhaltung, die andere Menschen durch Gewalt zwecks Erregung von Schrecken zu beeinflussen und schädigen versucht. Sie entsteht nach der französischen Revolution und der Revolutionsbewegung des Jahres 1848 mit der Entwicklung von Öffentlichkeit und Massenmedien (Felice Orsini 1858, John Brown 1859, Oskar Becker, Wilkes Booth, Dimitrij Karakozov).

Lit.: Jensen, R., The Battle against Anarchist Terrorism, 2013; Dietze, C., Die Erfindung des Terrorismus in Europa, Russland und den USA 1858-1866, 2016

tertia manus (lat. [F.]) dritte Hand →intertiatio

Tertiogenitur (Drittgeburt) →Primogenitur

Tertullian, Quintus Septimius Florens (Karthago um 160 n. Chr.-Karthago nach 220 n. Chr.), Anwalt in Rom, erster Lateiner unter den frühchristlichen Apologeten (Apologeticum um 197 n. Chr.)

Lit.: Zilling, H., Tertullian, 2004

Tessel (F.) Kerbholz

Tessin ist das von dem gleichnamigen Fluss durchzogene Alpengebiet, das über Räter, Römer, Ostgoten und Langobarden an die Franken kommt. Bis 1335 fällt es an das Herzogtum →Mailand, dem es zwischen 1403 und 1516 die Eidgenossen der →Schweiz abgewinnen. 1798 wird das bis 1755 ziemlich lose Untertanenverhältnis in ein Kantonatsverhältnis (Lugano, Bellinzona, 1801 T.) umgewandelt. 1803 und 1814 entstehen aufgezwungene Verfassungen, an dem 4. Juli 1830 wird eine noch vor Ausbruch der Revolution in Frankreich erlassene, als Ausfluss der Volkssouveränität angesehene Verfassung geschaffen.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Patocchi, G., Gli influssi delle legislazioni straniere, 1961; Sauter, B., Herkunft und Entstehung der Tessiner Kantonsverfassung von 1830, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,458, 3,2,1915; Regesti di Leventina, a cura di Raschèr, V. u. a., 1975; Le fonti del diritto del Cantone Ticino, Bd. 1 C, Formulari notarili, hg. v. Mango-Tomei, E., 1991

Testament (Wort 1282 belegt) ist die einseitige, nicht empfangsbedürftige, jederzeit frei widerrufliche Willenserklärung, mit der ein →Erblasser eine Regelung für den Fall seines Todes trifft und dadurch meist die an sich bestehende Rechtslage abändert. Das T. ist bereits dem altrömischen Recht in verschiedenen Formen bekannt (lat. [N.] testamentum). Es muss eine Erbeinsetzung enthalten. In der Nachklassik anerkannt wird das vor sieben Zeugen mündlich erklärte T. 446 lässt Kaiser Valentinian III. das eigenhändige T. in dem weströmischen Reichsteil zu. Von der Kirche gefördert, wird zusätzlich wohl zu einheimischen Entwicklungen erbrechtlicher Vergabungen das T. in dem 13. Jahrhundert in dem deutschen Reich (z. B. Wien 1289) zunächst von der Geistlichkeit in der Form der Verfügungen („Kodizille“) über einzelne Gegenstände (fälschlich so genanntes Verteilungstestament) aufgenommen und verbreitet sich in dem 14. Jahrhundert allgemein (z. B. in Lübeck in dem 13. und 14. Jahrhundert mehr als 2700 überlieferte Testamente, von 1400 bis 1449 1619 von 1397 Verfassern). Es bedarf einer gewissen Form (z. B. vor Rat, vor Notar). Möglich ist ein gemeinschaftliches T. In der frühen Neuzeit wird verstärkt auf das römische Recht zurückgegriffen, ohne dass alle seine Einzelheiten aufgenommen werden. Öffentliches T. (z. B. vor Gericht, Rat oder Notar) und privates T. finden sich nebeneinander. In der Gegenwart steht das eigenhändige T. in dem Vordergrund, doch sind auch andere Formen möglich. In Österreich wird 2004 das mündliche T. abgeschafft. In dem Zweifelsfall soll der Wille des Erblassers verwirklicht und das T. aufrechterhalten werden. Als politisches T. wird auch die Zusammenfassung der politischen Ansichten eines Herrschers an dem Lebensende bezeichnet.

Lit.: Kaser §§ 8 I 2b, 65 II 1c, 67, 68; Söllner §§ 5, 8, 11, 12, 14; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 23, 38, 54, 60, 73, 89, 114, 123, 140, 162, 211, 239, 268; Köbler, LAW; Loening, O., Das Testament im Gebiet des Magdeburger Stadtrechtes, 1906; Schreiber, O., Das Testament des Fürsten Wolfgang von Anhalt vom 25. August 1565, 1913; Bergman, C., Testamentet i 1600-talents rättsbildning, 1918; Heymann, E., Das Testament Friedrich Wilhelms III., 1925 (SB Berlin); Aders, G., Das Testamentsrecht der Stadt Köln, 1932; Lentze, H., Das Wiener Testamentsrecht, ZRG GA 69 (1952), 98, 70 (1953), 159; Florilegium testamentorum, hg. v. Wolf, H., 1956; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957; Piper, H., Testament und Vergabung von Todes wegen im braunschweigischen Stadtrecht, 1960; Simnacher, G., Die Fuggertestamente, 1960; Besta, E., Le successioni, 1961; Sheehan, M., The Will in Medieval England, 1963; Regesten der Lübecker Bürgertestamente, hg. v. Brandt, A. v., Bd. 1ff. 1964ff.; Immel, G., Öffentliches Testament und procurator, Ius commune 1 (1967), 223; Hamburger Testamente 1351-1400, bearb. v. Loose, H., 1970; Nonn, U., Merowingische Testamente, Archiv f. Diplomatik 18 (1972), 1; Wieling, H., Testamentsauslegung im römischen Privatrecht, 1972; Schulz, G., Testamente des späten Mittelalters aus dem Mittelrheingebiet, 1976; Spreckelmeyer, G., Zur rechtlichen Funktion frühmittelalterlicher Testamente, (in) Vorträge und Forschungen 23 (1977), 91; Ariès, P., L’homme devant la mort, 1977; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Testamente der Stadt Braunschweig, hg. v. Mack, D., 1988ff.; Baur, P., Testament und Bürgerschaft, 1989 (Konstanz); Kolmer, L., Spätmittelalterliche Testamente, Z. f. bay. LG. 52 (1989), 475; Kasten, B., Erbrechtliche Verfügungen des 8./9. Jahrhunderts, ZRG GA 107 (1990), 236; Beutgen, M., Die Geschichte der Form des eigenhändigen Testaments, 1992; Zenhäusern, G., Zeitliches Wohl und ewiges Heil, 1992; Paulus, C., Die Idee der postmortalen Persönlichkeit im römischen Testamentsrecht, 1992; Actes à cause de mort, Recueils Société Jean Bodin, 1993; Bauer-Gerland, F., Das Erbrecht der Lex Romana Burgundionum, 1995; Reinhardt, U., Lüneburger Testamente, 1996; Färber, M., Das gemeinschaftliche Testament, 1997; Rappert, K., Die Regensburger Testamentsordnung, 1997; Baaken, G., Das Testament Heinrichs VI., ZRG GA 116 (1999), 23; Umstätter, A., Das Testament im ägyptischen Erbrecht, 2000; Noodt, B., Religion und Familie in der Hansestadt Lübeck, 2000; Kasten, B., Zur Dichotomie von privat und öffentlich in fränkischen Herrschertestamenten, ZRG GA 121 (2004), 158; Seif, U., Römisch-kanonisches Erbrecht in mittelalterlichen deutschen Rechtsaufzeichnungen, ZRG GA 122 (2005), 88; Hollberg, C., Deutsche in Venedig im späten Mittelalter, 2005; Vallaro, A., Considerans fragilitatem humanae naturae, 2005; Seelenheil und irdischer Besitz, hg. v. Herzog, M. u. a., 2007; Herrscher- und Fürstentestamente im westeuropäischen Mittelalter, hg. v. Kasten, B., 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Litschel, A., Ordnung, Kooperation und Konflikt in spätmittelalterlichen Testamenten, ZHF 37 (2010), 375; Testamente aus der Habsburgermonarchie Alltagskultur, Recht, Überlieferung (in) Beiträge zur Rechtsgeschichte Österreichs 1 (2011), 1ff.; Klein, G., Über den Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit der Testamentserrichtung, 2012; Kröll, P., Das Städelsche Testament, 2013; Schweyen, I., Luthers rechtswidriges Tesament, 2017; Zimmermann, W., Testamente und Erbstreitigkeiten von Kriemhild bis Cornelius Gurlitt, 2018; Planning vor Death, hg. v. Korpiola, M. u. a., 2018; Letzte Worte, letzter Wille, hg. v. Gruber, M. u. a., 2018

Testamentsgesetz ist das deutsche Gesetz über die Errichtung von →Testamenten und →Erbverträgen von dem 31. 7. 1938, das diesen Rechtsbereich vorübergehend aus dem →Bürgerlichen Gesetzbuch herauslöst und seine Formvorschriften mildert.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Köbler, DRG 239; ; Gruchmann, L., Die Entstehung des Testamentsgesetzes, ZNR 7 (1985), 53; Schliepkorte, J., Entwicklungen des Erbrechts, 1989

Testamentsvollstrecker (1852) ist der von dem →Erblasser zu der Ausführung seiner →letztwilligen Anordnungen durch letztwillige Verfügung berufene Mensch. Das römische Recht kennt keine Testamentsvollstreckung. In dem deutschen Recht entwickelt sie sich unter Förderung durch die Kirche bereits früh und wird in das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen.

Lit.: Kaser § 67 V; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 211; Schultze, A., Die langobardische Treuhand, 1895; Schönfeld, W., Die Vollstreckung von Verfügungen von Todes wegen im Mittelalter nach sächsischen Quellen, ZRG GA 42 (1921), 240; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971; Offergeld, A., Die Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers, 1995; Scherner, K., Fiducia Germanorum, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Kunz, L., Postmortale Privatautonomie und Willensvollstreckung, 2015

Testamentum (lat. [N.]) ist seit dem altrömischen Recht der Zeugenakt, durch den der →Erblasser willkürlich bestimmte Personen zu Erben vielleicht anfangs nur von Einzelgegenständen machen kann. Das t. ist lange durch bestimmte Förmlichkeiten gekennzeichnet. →Testament

Lit.: Kaser §§ 8 I 2b, 65 II 1c, 67, 68; Köbler, DRG 23; Wieling, H., Testamentsauslegung im römischen Recht, 1972

Testamentum (N.) apud acta conditum (lat.) ist das spätantike, bei der Behörde begründete (öffentliche) →Testament.

Lit.: Kaser § 67 III 4; Köbler, DRG 60

Testamentum (N.) calatis comitiis (lat.) ist das altrömische, vor den zweimal jährlich zusammengerufenen Kuriatkomitien vielleicht ursprünglich zwecks einer Art Kindesannahme errichtete Testament.

Lit.: Kaser §§ 60 III 2b, 65 II 1b, 67 I 2a; Söllner §§ 5, 8; Köbler, DRG 23

Testamentum (N.) inofficiosum (lat.) ist das die nächsten Verwandten entgegen der Pietätspflicht nicht ausreichend bedenkende →Testament.

Lit.: Kaser § 70 I 1

Testamentum (N.) in procinctu (lat.) ist in dem altrömischen Recht das →Testament vor dem aufgestellten Heer.

Lit.: Kaser §§ 67 I 2b, 69 III 2c; Söllner § 5; Köbler, DRG 23

Testamentum (N.) per aes et libram (lat.) ist das durch Erz und Waage als Libralgeschäft vorgenommene, wohl anfangs nur der Übertragung einzelner Gegenstände dienende →Testament des altrömischen Rechtes.

Lit.: Kaser §§ 65 II 1b, 67 I 2b; Köbler, DRG 23

Testamentum (N.) per holographam scripturam ist in dem spätantiken weströmischen Recht das von Kaiser Valentinian III. 446 n. Chr. eingeführte eigenhändige →Testament.

Lit.: Kaser § 67 III 2; Köbler, DRG 60

Testamentum (N.) ruptum (lat.) zerrissenes und damit ungültig gemachtes Testament

Testatio (lat. [F.]) ist in dem klassischen römischen Recht die Zeugenurkunde.

Lit.: Kaser § 7 IV 2a; Köbler, DRG 43

Testierfreiheit (1894, Testierfähigkeit 1883, testieren 1544) ist die grundsätzlich von Beginn des Testaments an bestehende, nur ausnahmsweise eingeschränkte Freiheit, ein →Testament zu errichten und über sein Vermögen von Todes wegen zu verfügen. Dem römischen Recht schon früh bekannt, setzt sie sich in dem deutschen Mittelalter seit dem 13. Jahrhundert allmählich durch. Bereits in dem 16. Jahrhundert hat das römische Recht das einheimische Erbrecht erheblich umgestaltet und an dem Ende des 19. Jahrhunderts ist die T. selbverständlich.

Lit.: Kaser § 65 II 2; Hübner; Kroeschell, 20. Jahrhundert; Prochnow, J., Das Spolienrecht, 1919, Neudruck 1965; Wesener, G., Beschränkungen der Testierfreiheit, FG U. v. Lübtow 1970, 569; Stoll, F., Das Hagestolzenrecht, 1970; Tschappeler, H., Die Testierfreiheit, 1983, Klippel, D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Landau, P., La libertà di testare, Rivista internazionale di diritto comune 6 (1995), 29; Landau, P., Die Testierfreiheit, ZRG GA 114 (1997), 56; Goebel, J., Testierfreiheit als Persönlichkeitsrecht, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

testis (lat. [M.]) Dritter, Zeuge

Testis in uno falsus in nullo fidem meretur (lat.). Ein Zeuge, der in einem Punkt gelogen hat, verdient in nichts Glauben.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Teufel

Lit.: Fehr, H., Tod und Teufel im alten Recht, ZRG GA 67 (1950), 50; Flasch, K., Der Teufel und seine neuen Engel – Die neue Biographie, 2015; Löhdefink, J., Zeiten des Teufels, 2016

Teufelsvertrag ist der in Märchen, Sage, Schwank und Legende angeblich mit dem Teufel geschlossene Vertrag.

Lit.: Zelger, R., Teufelsverträge, 1996; Link, L., Der Teufel, 1997; Schwaiger, G., Teufelsglaube und Hexenprozesse, 4. A. 1999

Teutone ist der Angehörige des 102 v. Chr. von den Römern bei Aquae Sextiae geschlagenen germanischen Volkes.

Lit.: Köbler, DRG 28, 66

teutonicus (lat.-ahd.) deutsch

texaca (lat.-afrk.) Diebstahl, Diebstahlsbuße

Lit.: Beyerle, F., Die Malberg-Glossen der Lex Salica, ZRG GA 89 (1972), 12; Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz, 1973

Textkritik

Lit.: Buchner, R., Grundsätzliches zur Textkritik, ZRG GA 66 (1948), 342

Thaleleios (6. Jahrhundert) ist der byzantinische Rechtslehrer in Konstantinopel, dessen aus einem Codexkommentar stammende Werkreste in Scholien zu den Basiliken erkennbar sind.

Lit.: Simon, D., Aus dem Kodexunterricht des Thalelaios, ZRG RA 86 (1969), 334, 87 (1970), 315

Theoderich der Große (451?-30. 8. 526) ist der bekannteste König der Ostgoten (um 470, 474?). Aus eher unbedeutender Familie stammend kommt er als Geisel mit dem römischen Reich in Berührung und erobert danach Italien, so dass ihm Kaiser Anastasius die Insignien eines Kaisers verleiht. Ihm wird das →Edictum Theoderici zugeschrieben.

Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 80; Ennslin, W., Theoderich der Große, 2. A. 1959; Kohlhas-Müller, D., Untersuchungen zur Rechtsstellung Theoderichs des Großen, 1995; Ausbüttel, F., Theoderich der Große, 2003; Goltz, A., Barbar - König - Tyrann, 2008

Theodosius II. (Konstantinopel 30. 8. 401-28. 7. 450), Sohn des oströmischen Kaisers Arcadius ist seit 408 oströmischer Kaiser. Unter dem Einfluss seiner gelehrten Ehefrau Athenais veranlasst er die Zusammenfassung der seit Konstantin erlassenen kaiserlichen Konstitutionen (Gesetze) in einem nach ihm benannten Gesetzbuch. →Codex Theodosianus.

Lit.: Williams, S./Friell, G., Theodosius, 1994; Ernesti, J., Princeps christianus, 1998; Leppin, H., Theodosius der Große, 2003; Theodosius II., hg. v. Kelly, C., 2013

Theologie (F.) Gotteskunde

Lit.: Geschichte der christlichen Theologie, hg. v. Pauly, W., 2008; Van Nieuwenhove, R., An Introduction to Medieval Theology, 2012

Theophilos (6. Jahrhundert) ist der byzantinische Rechtslehrer in Konstantinopel, welcher der Kommission für den ersten →Codex Justinians und für die →Digesten angehört und gemeinsam mit Dorotheos die →Institutionen abfasst. Überliefert ist eine vielleicht von ihm stammende kommentierende griechische Institutionenparaphrase. Sie wird als systematische, lateinische Fachwörter weitgehend übernehmende Einführung in das römische Recht verwendet.

Lit.: Söllner § 22; Lokin, J., Theophilos, TRG 44 (1976), 337; Wal, N. van der/Lokin, J., Historiae iuris Graeco-Romani delineatio, 1985, 40

Theresiana →Constitutio (F.) Criminalis Theresiana (Strafgesetz Maria Theresias von 1768)

Thesaurus (lat. [M.]) ist in dem römischen Recht der nach Hadrian (117-138 n. Chr.) je zu der Hälfte an den Finder und den Grundstückseigentümer fallende →Schatz.

Lit.: Kaser § 26 I 3; Köbler, DRG 40

thesei dikaion (griech. [N.]) das gesetzte Recht

Lit.: Köbler, DRG 31

Thessalien ist das Gebirgsland in dem mittleren →Griechenland, das 148 v. Chr. an die Römer gelangt und über Byzanz (, Bulgaren und Franken) 1393 an die Osmanen fällt. Von der jeweiligen Herrschaft wird auch das Recht unterschiedlich beeinflusst.

Lit.: Magdalino, P., Between Romaniae, Mediterranean Historical Review 4 (1989), 87

Thessaloniki (Saloniki) in →Griechenland wird wohl 316/315 v. Chr. gegründet und ist seit 1925 Sitz einer Universität.

Lit.: Vakalopoulos, A., History of Thessaloniki, 1963

Thibaut, Anton Friedrich Justus (Hameln 4. 1. 1772-Heidelberg 28. 3. 1840), Hugenotte, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen, Königsberg und Kiel 1798 außerordentlicher Professor in Kiel, 1801 ordentlicher Professor in Kiel, Jena (1802) und Heidelberg (1806). 1803 veröffentlicht er unter Abgehen von der römischen Legalordnung ein zweibändiges System des Pandektenrechts. 1814 setzt er sich wegen des praktischen Bedürfnisses aus Vaterlandsliebe für ein allgemeines bürgerliches Recht (Gesetzbuch) in Deutschland ein, unterliegt in dem sog. →Kodifikationsstreit aber (→Savigny und) der Reaktion.

Lit.: Köbler, DRG 180, 211; Baumstark, E., Anton Friedrich Justus Thibaut, 1841; Thibaut und Savigny, hg. v. Stern, J., 1914; Kiefner, H., Anton Friedrich Justus Thibaut, ZRG GA 77 (1960), 304; Thibaut und Savigny, hg. v. Hattenhauer, H., 1973, 2. A. 2002; Polley, R., Anton Friedrich Justus Thibaut, 1982; Kitzler, A., Die Auslegungslehre des Anton Friedrich Justus Thibaut, 1986; Heidelberg im säkularen Umbruch, hg. v. Strack, F., 1987; Kaufmann, D., Anton Friedrich Justus Thibaut (1772-1040), 2014

Thing →Ding

thiuphadus (lat.-got. [M.]) Knechtsherr (str.)

Lit.: Claude, D., Millenarius und thiuphadus, ZRG GA 88 (1971), 181

Thöl, Johann Heinrich (Lübeck 6. 6. 1807-Göttingen 16. 5. 1884), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Heidelberg (Thibaut, Mittermaier) 1837 außerordentlicher Professor in Göttingen, 1842 ordentlicher Professor in Rostock und (1849) in Göttingen. 1841 veröffentlicht er den ersten Band seines romanistisch-systematisch vorgehenden, ein Sonderrecht der Kaufleute anstrebenden →Handelsrechts. Mit ihm begründet er eine durch →Puchta (1798-1846) beeinflusste, streng begrifflich ausgeführte, kritische Handelsrechtswissenschaft.

Lit.: Gercke, F., Heinrich Thöl, 1931; Raisch, P., Die Abgrenzung des Handelsrechts, 1962; Landwehr, G., Rechtspraxis und Rechtswissenschaft im lübischen Recht, Z. d. Ver. f. lübeck. Gesch. 60 (1980), 21; Kern, B., Georg Beseler, 1982; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986

Thomas von Aquin (Roccasecca bei Neapel 1224/1225-Fossanova bei Terracina 7. 3. 1274), aus dem Geschlecht der Grafen von Aquino, wird nach dem Eintritt ins Kloster Monte Cassino (1230) und dem Studium in Neapel, dem Eintritt in den Dominikanerorden (1244) und weiteren Studien in Paris und Köln (1248-1252 Schüler des Albertus Magnus) 1252 Lehrer der Theologie in Paris sowie danach (1259-1269) in Italien und in Paris (1269-72) tätig. Sein scholastisches, selbständigem wissenschaftlichem Denken Bahn brechendes Hauptwerk ist die zu globaler Synthese von Glauben und Wissen strebende (lat.) Summa (F.) theologica (Theologische Summe) bzw. Summa theologiae (Summe der Theologie) (1266-1273). Für das Recht bejaht T. v. A. ein auf natürliche Vernunft gegründetes und durch praktische Vernunft zu verwirklichendes →Naturrecht und unterscheidet zwischen lex aeterna als Ausfluss der göttlichen Vernunft, lex naturalis als Gesetz der Natur und der menschlichen Vernunft und lex humana als menschlichem bestimmtem Gesetz. Leben, Freiheit und Eigentum sieht er als allgemeine Grundwerte. 1323 wird er heilig gesprochen.

Lit.: Köbler, DRG 99, 191; Stupp, H., Mos geometricus, Diss. jur. Köln 1970; Pieper, T., Thomas von Aquin, 1981; Müller, K., Thomas von Aquin, 1983; Torrelli, P., Initiation à Saint Thomas, 1993; Schönberger, R., Thomas von Aquin zur Einführung, 1998; Thomas-Handbuch, hg. v. Leppin, V., 2016; Fernandes, J., Thomas von Aquin über die Tugend der Gerechtigkeit, 2016

Thomasius, Christian (Leipzig 1. 1. 1655-Halle 23. 9. 1728), Eloquenzprofessorensohn, wird nach dem Studium der Philosophie (1669) und des Rechtes (1672) in Leipzig und Frankfurt an der Oder (Stryk) 1682 Rechtslehrer in Leipzig. 1685 hält er in seiner Schrift (lat.) De crimine bigamiae (Das Verbrechen der Bigamie) die Bigamie für naturrechtlich erlaubt. 1687 kündigt er als erster eine Vorlesung in deutscher Sprache an. 1688 begründet er die deutschen „Monatsgespräche“ als Verbreitungsmittel seiner an der Freiheit in dem Denken, Lehren und Schreiben ausgerichteten Vorstellungen (erste deutschsprachige Monatsschrift). Nach einem Lehrverbot in dem Jahre 1690 wird er an die brandenburgische Ritterakademie in →Halle (1694 Universität) berufen, an der er einen dreijährigen juristischen Kurs einführt. 1701 erklärt er, obwohl er sich von der Wirklichkeit des Teufels, der Zauberer und Hexen überzeugt zeigt, in (lat.) De crimine magiae (Das Verbrechen der Hexerei) Hexerei als fleischliche Verbindung mit dem Teufel wegen der Geistigkeit des Teufels für unmöglich. 1705 sieht unter seinem Vorsitz der Promovend Martin Bernhardt die Folter als unchristlich an, doch lehnt Thomasius selbst Reformvorschläge in dieser Hinsicht ab. Sein Hauptwerk sind seine aufgeklärten (lat.) Fundamenta (N.Pl.) iuris naturae et gentium (Grundlagen des Natur- und Völkerrechts), in denen er das Recht von der Moral bzw. von Ewlifion und Moraltheologie ablöst, das Recht als positiv von dem jeweiligen Herrscher gesetzt versteht und das Völkerrecht als nicht erzwingbar aus dem Recht ausschließt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 136, 144, 145, 157, 158, 160, 186, 205; Summarischer Entwurf der Grundlehren, die einem Studioso Juris zu wissen, 1699, Neudruck 2005; Fleischmann, M., Christian Thomasius und die akademischen Vorlesungen in deutscher Sprache, ZRG GA 30 (1909), 315; Wolf, E., Grotius, Pufendorf, Thomasius, 1927; Christian Thomasius, hg. v. Fleischmann, M., 1931; Battaglia, F., Christiano Thomasio, 1936; Bloch, E., Christian Thomasius, 1953; Schubart-Fikentscher, G., Unbekannter Thomasius, 1954; Lieberwirth, R., Christian Thomasius, 1955; Thomasius, C., Über die Folter, hg. v. Lieberwirth, R., 1960; Thomasius, C., Über die Hexenprozesse, hg. v. Lieberwirth, R., 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian Thomasius, 1968; Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Ebner, W., Christian Thomasius und die Abschaffung der Folter, Ius Commune 4 (1972), 73; Cattaneo, M., Delitto e pena, 1976; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987, 3. A. 1995; Schwerhoff, G., Aufgeklärter Traditionalismus, ZRG GA 104 (1987), 247; Christian Thomasius, hg. v. Schneiders, W., 1989; Thomasius, Christian, Ausgewählte Werke, hg. v. Schneiders, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Christian Thomasius (1655-1728), 1997; Kühnel, M., Das politische Denken von Christian Thomasius, 2001; Steinberg, C., Christian Thomasius als Naturrechtslehrer, 2005 (S. 201ff. Übersicht über die 219 zwischen 1680 und 1728 gehaltenen Lehrveranstaltungen); Tomasoni, F., Christian Thomasius, 2005; Christian Thomasius (1655-1728) – Wegbereiter moderner Rechtskultur und Juristenausbildung, hg. v. Lück, H., 2006; Christian Thomasius (1655-1728) - Gelehrter Bürger, hg. v. Lück, H., 2009; Christian Thomasius, Briefwechsel, Bd. 1 1679-1682, hg. v. Grunert, F. u. a., 2017

Thora →Tora

Thorn an der unteren Weichsel entsteht um die 1233/1234 von dem Hochmeister des →Deutschen Ordens errichtete Burg. 1233 erhält die Altstadt die Kulmer Handfeste, 1264 die Neustadt Stadtrecht. Sein Schöffenstuhl urteilt nach Magdeburger Recht. Von 1400 bis 1402 verfasst der Stadtschreiber Walther Ekhardi →Neun Bücher magdeburgischen Rechtes. Von 1793 bis 1920 ist T. bei Preußen. 1945 wird in Polen eine Universität in T. eingerichtet.

Lit.: Steffenhagen, E., Die neun Bücher Magdeburger Rechts, 1865; Salmonowicz, S., Krystian Bogumil Steiner (1746 bis 1814), 1962; Biskup, M., Historia Torunia, Bd. 1 1992; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 51; Thomsen, M., Zwischen Hauptwache und Stockhaus, 2005

Thraker ist der Angehörige des thrakisch sprechenden, vor allem in dem Gebiet des heutigen Bulgarien siedelnden indogermanischen Volkes, das bedeutende Prunkstücke der Goldschmiedkunst z. B. aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. hinterlassen hat.

Lit.: Boshnakov, K., Die Thraker südlich vom Balkan in den Geographika von Strabo, 2003

Thron ist der Stuhl des Herrschers (mit hoher, gerade endender Rückenlehne), der als Rechtssymbol der Herrschaft Verwendung findet. In diesem Sinne verbünden sich spätestens in der frühen Neuzeit T. und Altar. Eine Trennung erfolgt erst 1918.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989; Instinsky, H., Bischofsstuhl und Kaiserthron, 1955; Gussone, N., Thron und Inthronisation des Papstes, 1978; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Thronverzicht, hg. v. Richter, S./Dirbach, D., 2010

Thronfolge ist die Nachfolge in dem Herrscheramt, die teils nach Erbrecht (z. B. westfränkisches Reich, England), teils nach Wahlrecht (z. B. ostfränkisches Reich, seit 1438 aber fast gänzlich auf die Habsburger eingeschränkt) erfolgt. Die T. einer Frau wird erst in der Neuzeit bedeutsam (z. B. Maria Theresia in Österreich 1740).

Lit.: Pflugk-Harttung, J. v., Zur Thronfolge in den germanischen Stammesstaaten, ZRG GA 11 (1890), 177; Sickel, W., Das Thronfolgerecht der unehelichen Karolinger, ZRG GA 24 (1903), 110; Turba, G., Geschichte des Thronfolgerechts, 1903; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938, 2. unv. A. 1944, Neudruck 1981; Real, W., Über persönliche und faktische Hindernisse bei der Thronfolge, ZRG GA 94 (1977), 226; Schneider, R., Königswahl und Thronfolge, 1987; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982; Schmidt, U., Königswahl und Thronfolge, 1987; Hlawitschka, E., Untersuchungen zu den Thronwechseln, 1987; Faußner, H., Die Thronerhebung des deutschen Königs im Hochmittelalter und die Entstehung des Kurfürstenkollegiums, ZRG GA 108 (1991), 1; Wolf, A., Warum konnte Rudolf von Habsburg König werden? ZRG GA 109 (1992), 48; Wolf, G., Die Königssöhne Karl und Karlmann und ihr Thronfolgerecht nach Pippins Königserhebung 750/51, ZRG GA 108 (1991), 282; Die mittelalterliche Thronfolge im europäischen Vergleich, hg. v. Becher, M., 2017

Thüngen

Lit.: Thüngen, R. Frhr. v., Aus der Familiengeschichte derer von Thüngen, ZRG GA 45 (1925), 367

thunginus (lat.-afrk. [M.]) Dingmann, Leiter der Versammlung auf dem Malberg, in dem 8. Jahrhundert von dem Grafen verdrängt

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 85, 86; Sohm, R., Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871, Neudruck 1971; Guttenberg, E. Frhr. v., Iudex hoc est comes aut grafio, FS E. Stengel, 1952, 100; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985

Thurgau ist das zwischen Reuß, Aare, Rhein und Bodensee gelegene, über Räter und Römer in dem 5. Jahrhundert an die Alemannen (und damit an die →Franken) gelangte, seit 741 als T. bezeichnete Gebiet. 1264 kommt es an die Grafen von Habsburg. 1460/1461 erobern die Eidgenossen der →Schweiz den T. und verwalten ihn als gemeine Herrschaft, die 1792 unabhängig wird und sich 1798 der helvetischen Republik bzw. 1803 der Schweiz eingliedert.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Blumer, P., Das Landgericht und die gräfliche Hochgerichtsbarkeit der Landgrafschaft im Thurgau, Diss. jur. Leipzig 1908; Brüschweiler, P., Die landfriedlichen Simultanverhältnisse im Thurgau, 1932; Herdi, E., Geschichte des Thurgaus, 1943; Kundert, W., Die Zivilgesetzgebung des Kantons Thurgau, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2460; Giger, B., Gerichtsherren, Gerichtsherrschaften, Gerichtsherrenstand im Thurgau, Thurgauische Beiträge zur Geschichte 130 (1993), 5

Thüringen ist das von den Thüringern (um 400 Toringi [Vegetius], verwandt mit den gotischen Terwingern?) besiedelte Gebiet. Seit dem Spätmittelalter (1485, 1572) zersplittert T. unter den →Wettinern territorial, wird aber 1920 in ein Land des Deutschen Reiches zusammengefasst.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 75; Köbler, Historisches Lexikon; Patze, H., Recht und Verfassung thüringischer Städte, 1955; Günther, G., Die Anfänge der Rezeption des mittelalterlichen römischen Zivilrechts in Thüringen, Diss. jur. Jena 1957 (masch.schr.); Eberhard, H., Die Gerichtsorganisation der Landgrafschaft Thüringen, ZRG GA 75 (1958), 108; Forschungen zur thüringischen Landesgeschichte, hg. v. Eberhardt, H., 1958ff.; Übersicht über die Bestände des thüringischen Landeshauptarchivs Weimar, hg. v. Eberhardt, H., 1959 (und weitere Bände für Landesarchive); Heiss, U., Geheimer Rat und Kabinett, 1962; Patze, H., Die Entstehung der Landesherrschaft in Thüringen, 1962; Hess, U., Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, 1962; Patze, H., Bibliographie zur thüringischen Geschichte, 1965; Schlesinger, W., Geschichte Thüringens, 1967; Klein, T., Thüringen, 1983; Hessen und Thüringen, 1992; Heil, T., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Thüringen, 1996; Post, B., Thüringen-Handbuch, 1999; Weber, P., Justiz und Diktatur, 2000; Westphal, S., Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung, 2002; Heinrich Raspe, hg. v. Werner, M., 2002; Wittmann, H., Im Schatten der Landgrafen, 2005; Günther, G., Römisches Recht in Thüringen, 2006; Grahn-Hoek, H., Stamm und Reich der frühen Thüringer, Zs. d. Ver. f. thür. Geschichte 56 (2002), 7; Herntrich, T., Thüringen - von den thüringischen Kleinstaaten nach Zerfall des Alten Reiches bis zum Freistaat Thüringen, 2010; Lilla, J., Die Vertreter der thüringischen Staaten und Thüringens, 2010; Fleischhauer, M., Der NS-Gau Thüringen 1939-1945, 2010; 100 Jahre thüringisches Oberverwaltungsgericht, hg. v. Schwan, H., 2012; Lubini, J., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern der SBZ/DDR 1945-1952, 2015; Kotulla, M., Thüringische Verfassungsurkunden, 2015; Schuster, F., Thüringens Weg in die soziale Marktwirtschaft, 2015; Welsing, M., Die Vorgaben des Art. 57 WSA und die konstitutionellen Verfassungen der thüringischen Staaten, 2016; Boeger, P. u. a., Stasi in Thüringen, 2018; Ganzenmüller, J./Wentker, H., Die thüringer CDU in der SBZ/DDR, 2019

Thüringer ist der Angehörige des germanischen, um 400 mit einem Königreich zwischen Donau und Harz nachweisbaren Volkes der Thüringer, die noch in dem deutschen Bundesland Thüringen nachwirken. Für die T. wird 802 die →Lex Thuringorum aufgezeichnet.

Lit.: Die Frühzeit der Thüringer, hg. v. Castritius, H. u. a., 2009; The Baiuvarii and Thuringi, hg. v. Fries-Knoblach, J. u. a., 2014

Thurn und Taxis ist die in dem 13. Jahrhundert in Oberitalien nachweisbare Familie, die seit der Neuzeit (1490) allmählich das Postwesen des Heiligen römischen Reichs erlangt (1595 Reichsgeneralpostmeister). 1792 erlässt die Familie in ihrem Reichsfürstentum Friedberg-Scheer ein Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch. 1793 wird ein Strafgesetzbuchentwurf erstellt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Waitz, H., Die Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur. Frankfurt am Main 1939; Nordmann, J., Kodifikationsbestrebungen in der Grafschaft Friedberg-Scheer, Z. f. württemberg. LG. 28 (1969), 265; Piendl, M., Das fürstliche Haus Thurn und Taxis, 1980; Behringer, W., Thurn und Taxis, 1990; Ruhnau, R., Die fürstlich thurn und taxissche Privatgerichtsbarkeit in Regensburg, 1998; Doll, E., Handlungsstrukturen – Die Standesherrschaft Thurn und Taxis, 2017; Fiederer, F., … an allen alten Traditionenen festhalten, 2018; Stöckl, A., Der Principalkommissar, 2018

Tiara ist die außerliturgische Kopfbedeckung des Papstes in konischer, von drei Kronreifen umringter Form. Sie geht vielleicht auf eine persisch-phrygische Mütze zurück. Seit dem 8. Jahrhundert lässt sie sich für den Papst nachweisen. Seit 13. 11. 1964 wird sie nicht mehr verwendet.

Lit.: Sachsse, (o. VN). Tiara und Mitra der Päpste, ZKG 35 (1914), 481; Sirch, B., Der Ursprung der bischöflichen Mitra und päpstlichen Tiara, 1975

Tie ist seit dem Mittelalter der dörfliche Versammlungsplatz in Norddeutschland (vor allem zwischen Hannover, Kassel und Magdeburg).

Lit.: Bischoff, K., Der Tie, Abh. d. Akad. d. Wiss. Mainz 1971, 1972; Bischoff, K., Nachträge zum Tie, Jb. d. Vereins f. niederdt. Sprachforschung 101 (1978), 158; Brednich, R., Tie und Anger, 2007

Tier (Wort bereits für das Indogermanische zu erschließen) ist das Lebewesen, das sich von dem Menschen durch das Fehlen von Vernunft und Sprache und von der Pflanze durch Bewegungsfähigkeit und Empfindungsvermögen unterscheidet. Vor vielleicht 15000 wird der Wolf von Menschen zu dem Hund gezähmt, vor vielleicht 6000 Jahren Schaf, Ziege, Schwein und Pferd von Menschen domestiziert. Seit dem römischen Recht wird das Tier als →Sache behandelt. In dem Mittelalter in Frankreich und später auch in dem Heiligen römischen Reich sind Tierprozess und Tierstrafe möglich. Die fragwürdige Massentierhaltung des 20. Jahrhunderts führt zu gesetzlichem Tierschutz und zu der Einordnung des Tieres als ein von leblosen Sachen verschiedener, aber grundsätzlich wie eine Sache zu behandelnder Gegenstand (Österreich 1988, Deutschland 1990). Bei einem durch ein Tier verursachten Schaden gilt in dem römischen Recht die Noxalhaftung ([lat.] actio [F.] de pauperie und noxae datio [F.], Befreiung von Ansprüchen durch die Hingabe oder Preisgabe des schädigenden Tieres), in dem deutschen Recht die später als →Gefährdungshaftung verstandene Haftung des Herrn (Tierhalters). Später wird oft zwischen Nutztieren (Haftung nur bei Sorgfaltspflichtverletzung) und anderen Tieren (Gefährdungshaftung) unterschieden. Ein Schadensersatzanspruch entfällt meist, wenn der Geschädigte das T. hetzt oder reizt. In der Gegenwart werden in Deutschland etwa 15 Millionen Katzen, 9 Millionen Hunde, 38 Millionen Legehennen, 28 Millionen Schweine und 13 Millionen Rinder gehalten.

Lit.: Hübner 612; Köbler, DRG 65, 128, 166, 216, 269; Behrens, O., Die Haftung für Tierschäden, Diss. jur. Göttingen 1906; Evans, E., The criminal prosecution and capital punishment of animals, 1906; Berkenhoff, H., Tierstrafe, Tierbannung und rechtsrituelle Tötung, 1937; Thoma, H., Ein Gottesgericht an Tieren, ZRG GA 70 (1953), 325; Sellert, W., Das Tier in der abendländischen Rechtsauffassung, (in) Studium generale. Vorträge zum Thema Mensch und Tier der tierärztlichen Hochschule Hannover, 1984, 66; Laufs, A., Das Tier im alten deutschen Recht, Forschungen zur Rechtsarchäologie 7 (1985), 109; Zerbel, M., Tierschutz im Kaiserreich, 1993; Eberstein, W., Das Tierschutzrecht, 1999; Cole, T., Wörterbuch der Tiernamen Latein-Deutsch-Englisch und Deutsch-Latein-Englisch, 2000; Schmalhorst, R., Die Tierhalterhaftung, 2002; Giebel, M., Tiere in der Antike, 2003; Paravicini, W., Tiere aus dem Norden, DA 59 (2003), 559; Pfeiffer, J., Das Tierschutzgesetz vom 24. Juli 1972, 2004; Köpernik, K., Die Rechtsprechung zum Tierschutzrecht 1972-2008, 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Dirscherl, S., Tier- und Naturschutz im Nationalsozialismus, 2012; Han, Y., Gesetzlicher Tierschutz im Deutschen Reich, 2014; Tiere und Geschichte, hg. v. Krüger, G. u. a., 2014; Lampert, W., Unberührte Schönheit – Reisen zu den ursprünglichsten Kühen der Welt, 2015; Geimer, P., Fliegen, 2018

Tierepos ist das ein →Tier als Sinnbild eines Menschen verwendende Dichtwerk. Bekannte Beispiele des T. sind der Ysengrimus des Magisters Nivardus (um 1150) oder der Reinhart Fuchs des Elsässers Heinrich (1180/1191).

Lit.: Klibansky, E., Gerichtsszene und Prozessform, 1925; Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Knapp, F., Das lateinische Tierepos, 1979; Der Reinhart Fuchs, hg. v. Düwel, K., 1984; Ysengrimus, hg. v. Mann, J., 1987

Tierhalterhaftung →Tier

Tilgung (Wort um 1000, tiligen um 1000, aus lat. delere, V., zerstören) ist die Beseitigung einer Schuld durch Erfüllung oder Erfüllungssurrogat.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Tipoukeitos (griech. was wo steht) ist das repetierende byzantinische Rechtsbuch des M(ichael?) Patzes (12. Jahrhundert) zu den Basiliken.

Lit.: Wal, N. van der/Lokin, J., Historiae iuris Graeco-Romani delineatio, 1985, 102

Tiraqueau (Tiraquellus), André (Fontenay-le-Comte 1488-1558), adliger Herkunft, wird nach dem Rechtsstudium in Poitiers Richter. 1513 kommentiert er den eherechtlichen Teil der Coutume von Poitiers, 1543 das Gewohnheitsrecht von Poitou. 1560 veröffentlicht er eine Untersuchung über die Stiftung (De privilegiis piae causae).

Lit.: Brejon, J., Un jurisconsulte de la renaissance, 1937

Tirol in dem von Natur aus eindrucksvollen, aber unwirtlichen Herzen der Alpen, aus dem eine an dem Hauslabjoch in dem hinteren Ötztal an dem 19. 9. 1991 gefundene, rund 5300 Jahre alte Gletscherleiche erhalten ist, wird zuerst von Kelten, 15 v. Chr. von den Römern (Noricum, Raetia, Venetia et Istria) besetzt, die seit dem 5. Jahrhundert germanischen Völkern (Langobarden, Alemannen, Bayern, Franken) und in dem Osten auch Slawen weichen. 1004, 1027 und 1091 überträgt der deutsche König (im Rahmen des ottonisch-salischen Reichskirchensystems) zu der Sicherung des Weges nach Italien Grafschaften in dem Gebirge an die Bischöfe von →Trient und →Brixen, die diese an Grafen als Vögte weitergeben. Von den verschiedenen Grafengeschlechtern setzen sich die (seit 1141) nach der Burg T. (ältester erhaltener Balken von 1106) bei Meran benannten Grafen von T. in dem 13. Jahrhundert durch (Graf Albert 1190-1253, Vererbung an Graf Meinhard II. von Görz 1258-1295). 1312 wird unter den Grafen eine Regelung wider die landschädlichen Leute erlassen. Seit 1335 gilt T. als Reichslehen. 1363 geht das sich von →Bayern allmählich verselbständigende, von vielen Seiten begehrte T. durch Margarethe Maultasch (Beiname bisher nicht befriedigend erklärt) unter Unterstützung seitens jüdischer Geldgeber (aber ohne erkennbare Landstände) an (Herzog Rudolf IV. von Österreich/) →Habsburg über. Nicht unbedeutsam ist die spätmittelalterliche Verwaltungsreform König Maximilians, die Regiment und Raitkammer (1491) einführt. 1499 schafft König Maximilian (der letzte Ritter) für T. eine dem Mittelalter verpflichtete Halsgerichtsordnung (Malefizordnung). In den Jahren 1504/1506 werden als Gewinn Habsburgs aus dem bayerischen Erbfolgestreit Kufstein, Kitzbühel und Rattenberg T. hinzugefügt. 1511 erhalten die Landstände Tirols von Kaiser Maximilian ein zunehmend zu der Abwehr umfangreicherer Belastungen verwendetes Landlibell 1526 erreicht T. eine von Michael Gaismair geprägte Landesordnung (1532, 1573 abgeändert). In dem Absolutismus erfolgt eine verstärkte Einbeziehung in den Gesamtstaat Österreich und damit eine stärkere Vereinheitlichung des partikularen Rechtes. 1803 werden die Hochstifte →Trient und →Brixen eingegliedert. 1805 fällt T. an Bayern. In napoleonischer Zeit versucht Andreas →Hofer (1809) vergeblich die Befreiung von der Herrschaft Frankreichs bzw. Bayerns, doch kehrt T. nach der Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig (1813) 1814 zu Österreich zurück (1. 7. 1815 Inkraftsetzung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs). 1919 werden Deutschsüdtirol (Südtirol von dem Brenner bis zu der Salurner Klause) und das Trentino als Lohn für die bereits 1912 vorbereitete Haltung (Beitritt) Italiens in dem ersten Weltkrieg von den Alliierten an →Italien gegeben und danach in erheblichem Umfang italienisiert (1929 Codice civile von 1865 eingeführt, Grundbuch bleibt erhalten, ebenso Erbscheinsverfahren). Von 1939 bis 1945 wird aus dem bei Österreich verbliebenen T. und Vorarlberg der Reichsgau T. gebildet. Von 1945 bis 1955 steht T. unter der Besatzung Frankreichs.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 170, 220; Bidermann, H., Geschichte der landesfürstlichen Behörden, 1866; Tirolische Weistümer, Bd. 1ff. 1875ff.; Sartori-Montecroce, R. v., Über die Rezeption des römischen Rechtes in Tirol, 1895; Kogler, F., Das landesfürstliche Steuerwesen in Tirol, Teil 1 1901; Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols im Mittelalter, 1903; Beiträge zur Rechtsgeschichte Tirols, 1904; Wopfner, H., Das Tiroler Freistiftrecht, 1905; Kogler, F., Die älteren Stadtrechtsquellen von Kitzbühel, Zeitschrift des Ferdinandeums, 3. Folge 52 (1908); Stolz, O., Geschichte der Gerichte Deutschtirols, 1912; Heuberger, R., Die Kundschaft Bischof Konrads III. von Chur über das Landrecht Graf Meinhards II. von Tirol, 1915; Heuberger, R., Graf Meinhard II. von Tirol, Zeitschrift des Ferdinandeums, 3. Folge 59 (1916), 97; Stolz, O., Politisch-historische Landesbeschreibung von Tirol, 1923ff.; Wretschko, A., Über Eigenleute und Eigenleuteteilungen in Tirol, ZRG GA 46 (1926), 366; Huter, F., Die Quellen des Messgerichtsprivilegs der Erzherzogin Claudia für die Boznermärkte (1635), 1927; Stolz, O., Geschichte der Stadt Vils in Tirol, 1927; Stolz, O., Zur Geschichte der Landeshoheit im Unterengadin und in Tirol, ZRG GA 49 (1929), 439; Wretschko, A. v., Zur Rechts- und Verfassungsgeschichte einer einst bayerischen Innstadt (Rattenberg), ZRG GA 49 (1929), 449; Stolz, O., Die Landstandschaft der Bauern in Tirol, Historische Vierteljahrsschrift 28 (1933), 699, 29 (1934), 109; Tiroler Urkundenbuch, Bd. 1ff. bearb. v. Huter, F., 1937ff.; Marthaler, E., Untersuchungen zur Verfassungs- und Rechtsgeschichte der Grafschaft Vintschgau im Mittelalter, Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 70 (1940), 71 (1942); Schmidt, E., Die maximilianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Stolz, O., Geschichte des Landes Tirol, 1955; Stolz, O., Quellen zur Geschichte des Zollwesens und Handelsverkehrs in Tirol und Vorarlberg, 1955; Stolz, O., Der geschichtliche Inhalt der Rechnungsbücher der Tiroler Landesfürsten von 1288-1350, 1957; Linder, K., Beiträge zur Geschichte der Klosterherrschaft Stams, Schlernschriften 146 (1959), 1; Stolz, O., Wehrverfassung und Schützenwesen in Tirol, hg. v. Huter, F., 1960; Keul, M., Staatliche Gewerbepolitik in Tirol 1648-1740, 1960; Bundsmann, A., Die Entwicklung der politischen Verwaltung in Tirol und Vorarlberg, 1961; Das älteste Tiroler Kanzleiregister 1308-1315, bearb. v. Zauner, A., 1967; Neue Beiträge zur geschichtlichen Landeskunde Tirols (FS Franz Huter), hg. v. Troger, E. u. a., 1969; Grass-Cornet, M., Aus der Geschichte der Nordtiroler Bürgerkultur (Fuchs von Amras), 1970; Hye, F., Die Innsbrucker Familie Weinhart, 1970; 100 Jahre Bezirkshauptmannschaften in Tirol, hg. v. d. Tiroler Landesregierung, 1972; Hochenegg, H., Der Adel im Leben Tirols, 1971; Bitschnau, M., Burg und Adel in Tirol zwischen 1050 und 1300, 1983; Riedmann, J., Die Beziehungen der Grafen und Landesfürsten von Tirol zu Italien bis zum Jahre 1335, 1977; Inama-Sternegg, H., Geschichte aller Familien Inama, 1978; Fontana, J. u. a., Geschichte des Landes Tirol, Bd. 1ff. 2. A. 1990; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 1983, 3. A. 2001; Kathrein, I., Parlamentarismus in Tirol, 1988; Tirol und der Anschluss, hg. v. Albrich, T. u. a., 1988; Fornwagner, C., Geschichte der Herren von Freundsberg, 1992; Köbler, G., Vom Tiroler Recht, (in) Tiroler Recht 1919-1992, hg. v. Köbler, G., 1993, 3; Baum, W., Margarethe Maultasch, 1994; Wopfner, H., Tiroler Bergbauernbuch, hg. v. Grass, N., Bd. 1ff., 1995ff.; Tirol, hg. v. Gehler, M., 1999; König, Kirche, Adel – Herrschaftsstrukturen im mittleren Alpenraum, hg. v. Loose, R. u. a., 1999; Die Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein, hg. v. Schwob, A., Bd. 1ff. 1999ff.; Schennach, M., Tiroler Landesverteidigung 1600-1650, 2002; Albertoni, G., Die Herrschaft des Bischofs, 2003; Schober, R., Tirol zwischen den beiden Weltkriegen, Teil 1f. 2005ff: Freiheit und Wiederaufbau. Tirol in den Jahren um den Staatsvertrag, hg. v. Fornwagner, C. u. a., 2007; Margarete Maultasch, hg. v. Hörmann-Thurn und Taxis, J., 2007; Schreiber, H., Nationalsozialismus und Faschismus in Tirol und Südtirol, 2008; Feller, C., Das Rechnungsbuch Heinrichs von Rottenburg, 2009; Fasser, M., Ein Tirol - zwei Welten, 2009; Rebitsch, W., Tirol in Waffen, 2009; Oberhofer, A., Der andere Hofer, 2009; Schennach, M., Revolte in der Region, 2009; Abschied vom Freiheitskampf?, hg. v. Mazohl, B. u. a., 2009; Für Freiheit, Wahrheit und Recht!, hg. v. Hastaba, E. u. a., 2009; Tiroler Urkundenbuch, 2. Abt. Die Urkunden zur Geschichte des Inn-, Eisack- und Pustertals, Bd. 1 Bis zum Jahr 1140, bearb. v. Bitschnau, M. u. a., 2009; Die Wolkensteiner, hg. v. Pfeifer, G. u. a., 2009; Kern, F., Der Mythos Anno Neun, 2010; Schennach, M., Gesetz und Herrschaft, 2010 (917 Texte meist des 15. Jahrhunderts - bzw. von 1474 - bis 1665 ohne Finanzwesen und örtlich nur beschränkt geltende Texte); Schennach, M., Das Tiroler Landlibell von 1511, 2011; Tyrolis Latina. Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, hg. v. Korenjak, M. u. a., Bd. 1f. 2012; Keller, A., Schwarzbuch Tirol, 2012; Riedmann, J., Wohl ein Dokument von weltgeschichtlicher Wichtigkeit – die Urkunden der Tiroler Landesfürstin Margarete für die Herzöge von Österreich vom 26. Jänner 1363 (in) Tiroler Heimat 77 (2013) 5; Katastrophenjahre, hg. v. Kuprian, H. u. a., 2014; Albrich, T., Luftkrieg über der Alpenfestung 1943-1945, 2015; Dotter, M./Wedrac, S., Der hohe Preis des Friedens – Die Geschichte der Teilung Tirols 1918-1922, 2018; Forcher, M., Kaiser Max und sein Tirol, 2019

Tisch ist das aus einer auf Beinen ruhenden Platte bestehende Möbelstück, das als Rechtssymbol verwendet werden kann (z. B. Gerichtstisch, Trennung von Tisch und Bett).

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994

Titel ist die besondere Bezeichnung eines Menschen oder eines Werkes bzw. Werkteils. Die T. von Herrschern und Funktionen wechseln seit dem Altertum in kaum überschaubarer Vielfalt. Daneben ist T. (lat. [M.] titulus, z. B. Kauf, Schenkung) auch der Rechtsgrund eines Eigentumserwerbs.

Lit.: Wolfram, H., Intitulatio, Bd. 1 1967, Bd. 2 1973; Löhken, H., Ordines dignitatum, 1982; Intitulatio (Bd.) 3, hg. v. Wolfram, H. u. a., 1988; Schwarz, J., Herrscher- und Reichstitel bei Kaisertum und Papsttum im 12. und 13. Jahrhundert, 2003; Krabs, O., Von Erlaucht bis Spektabilis, 2004

Titelherzogtum ist das als bloßer →Titel verliehene Herzogtum.

Lit.: Werle, H., Titelherzogtum und Herzogsherrschaft, ZRG GA 73 (1956), 225

Titulus (lat. [M.]) ist in dem spätantiken römischen Recht der Rechtsgrund eines Eigentumserwerbs. Nach der späteren Lehre (Johannes →Apel 1485-1536) erfordert eine Eigentumsübertragung einen t. acquirendi (z. B. Kauf, Schenkung) und einen (lat.) modus (M.) acquirendi (z. B. Übergabe). Dies wird in Deutschland in dem 19. Jahrhundert durch →Savigny verändert, wobei Österreich bei der kausalen Tradition (Notwendigkeit von Titel und Erwerbungsart) verbleibt. →Einigung

Lit.: Kaser § 24 IV; Köbler, DRG 61, 163, 212; Felgentraeger, W., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927

Tobitschau in Mähren ist der Ort, nach dem ein 1481 von dem Hofrichter und Landeshauptmann Ctibor von Cimburk und Tovacovská (T.) (1437-1494) in tschechischer Sprache verfasstes, durch mehr als 70 bekannte Handschriften überliefertes, in 224 Kapitel geteiltes Rechtsbuch des spätmittelalterlichen mährischen Landesrechtes benannt ist (Tobitschauer Rechtsbuch bzw. Kniha Tovacovská). Es betrifft Verfassungsrecht, Prozessrecht, Erbrecht, Vormundschaftsrecht, Ehegüterrecht und anderes. Der Einfluss des deutschen Rechtes ist gering, ein Einfluss des römischen Rechtes fehlt. 1535 wird das Tobitschauer Rechtsbuch für die mährische Landesordnung verwertet.

Lit.: Tomaschek, J., Recht und Verfassung der Markgrafschaft Mähren, 1863; Brandl, V., Kniha Tovacovská, 1868; Raupach, H., Das eheliche Güterrecht der Kniha Tovacovská, 1931

Tocco →Karolus de Tocco, →Lombarda

Tocqueville, Alexis de (Verneuil-sur-Seine 29. Juli 1805-Cannes 16. 4. 1859), französischer Richter, der nach einer Reise in die Vereinigten Staaten von Amerika (1831/1832) das Buch De la démocratie en Amérique verfasst, mit dem er die moderne Massendemokratie theoretisch begründet (Freiheit, Gleichheit, Mehrheitsentscheidungen, Machtbeschränkungen).

Lit.: Jardin, A., Alexis de Tocqueville, 1991; Kahan, A., Tocqueville, Democracy and Religion, 2015; Bluhm, H., Alexis de Tocqueville – Analytiker der Demokratie, 2016

Tod (Wort bereits für das Germanische zu erschließen) ist das Erlöschen der Lebensäußerungen eines Lebewesens, insbesondere eines Menschen. Mit dem T., dessen feststellbare Kennzeichen in der Medizin auch in der Gegenwart noch nicht eindeutig festgelegt sind (Hirntod?), endet die →Rechtsfähigkeit des Betreffenden. Mit den daraus entstehenden Fragen befasst sich bereits früh vor allem das →Erbrecht. In dem Strafvollzug ist der T. die angestrebte Rechtsfolge der →Todesstrafe.

Lit.: Kaser §§ 13 II 2, 58 VII 1a; Hübner; Köbler, DRG 23 u.ö.; Fehr, H., Tod und Teufel im alten Recht, ZRG GA 67 (1950), 50; Ranke, E., Rosengarten, Recht und Totenkult, 1951; Harder, M., Zuwendungen unter Lebenden auf den Todesfall, 1968; Boase, T., Death in the Middle Ages, 1972; Latzel, K., Vom Sterben im Krieg, 1988; Ohler, N., Leben und Sterben im Mittelalter, 1990; Aries, P., Geschichte des Todes, 1990; Tod im Mittelalter, hg. v. Borst, A. u. a., 1993; Jones, C., Die letzte Reise, 1999; Babendererde, C., Sterben, Tod, Begräbnis und liturgisches Gedächtnis bei weltlichen Reichsfürsten des Spätmittelalters, 2006; Edwards, C., Death in Ancient Rome, 2007; Rüve, G., Scheintod, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Topographie des Jenseits, hg. v. Ameling, W., 2011; Death at Court, hg. v. Spiess, K. u. a., 2012; Bernstein, A., Hell and Its Rivals – Death and Retribution among Christians, Jews and Muslims in the Early Middle Ages, 2017; Caciola, N., Afterlives, 2017

Todeserklärung (1784/1794) ist die Feststellung des Todes eines Verschollenen auf Grund eines Aufgebotsverfahrens durch ein Gericht. Sie entwickelt sich aus der in dem Spätmittelalter sichtbaren Todesvermutung (ab 100 bzw. 70) in dem 18. Jahrhundert in Sachsen und Preußen (1763) und geht von dort in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) ein. An dem 4. 7. 1939 wird ein eigenes deutsches Verschollenheitsgesetz erlassen. Dem folgen die Tschechoslowakei, Italien und Spanien sowie Österreich (1950). Die Folge der T. gleicht der Folge des Todes (z. B. Erbrecht). Bei irrtümlicher T. erfolgt Wiedereinsetzung in die Vermögensrechte. Bei gleichzeitiger Verschollenheit mehrerer besteht eine Vermutung für gleichzeitigen Todeszeitpunkt (Kommorientenvermutung).

Lit.: Kaser, M., Das römische Privatrecht, Bd. 1 2. A. 1971, 273; Hübner; Riesenfeld, C., Verschollenheit und Todeserklärung, 1891; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Todesstrafe ist die in der Tötung eines Menschen bestehende →Strafe. Sie ist bereits dem Altertum bekannt. Inwieweit sie den Germanen als Strafe geläufig ist, ist streitig. Von dem ausgehenden 9. Jahrhundert bis zu dem 11. Jahrhundert bzw. in den frühmittelalterlichen Volksrechten findet sie sich kaum. Sie erscheint aber in den hochmittelalterlichen Landfrieden. Ihre Gestalt ist unterschiedlich (Hängen, Enthaupten, Ertränken, Vierteilen, Lebendigbegraben, Verbrennen, Vergiften, Pfählen, Spießen, Sieden, Einmauern, Rädern, Erschießen, Steinigen). Vollzogen wird sie meist von dem →Henker oder →Scharfrichter (im Spätmittelalter in Konstanz jährlich durchschnittlich 3-4 Hinrichtungen, meist an Fremden, die Hälfte der Todesurteile wird durch Stadtverweisung ersetzt). Seit dem 18. Jahrhundert lehnt die Aufklärung (Beccaria 1764) die T. ab (z. B. Toskana 1786-1790, Österreich 1787-1795, Joseph II. aber nur scheinbar fortschrittlich, Einschränkung in Frankreich 1832). 1919 (bis 1933) bzw. 1950 (im standgerichtlichen Verfahren an dem 7. 2. 1968) wird sie in Österreich abgeschafft, 1937 in der Schweiz, (im Deutschen Reich vor 1933 für 3 Tatbestände angedroht, 1944 für 40,) 1949 in der Bundesrepublik Deutschland, 1965 in England, 1987 in der Deutschen Demokratischen Republik, 1997 in Polen, Estland und Aserbeidschan, 1998 in Bulgarien, 1999 in der Ukraine. 1997 halten noch 91 Staaten an der Todesstrafe fest (rund 3700 Todesurteile [bekannt], rund 2300 Hinrichtungen, vor allem in China, im Iran, in Saudiarabien und in den Vereinigten Staaten von Amerika), während 61 Staaten sie nicht mehr kennen (bzw. 104 Staaten die T. [zu Friedenszeiten] verbieten oder nicht anwenden). Das zweite Fakultativprotokoll des internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und das sechste Zusatzprotokoll der europäischen Menschenrechtskonvention streben die Abschaffung der T. an. 2002 einigen sich 36 Mitgliedstaaten des Europarats auf Abschaffung der Todesstrafe auch in dem Kriegsfall.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 20, 35, 56, 71, 87, 117, 119, 158, 204, 236, 237, 265; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Goldschmit, H., Das Ertränken im Fass, Zeitschrift f. vergl. Rechtswiss. 41 (1925), 41 (1926); Rehfeldt, B., Todesstrafen und Bekehrungsgeschichte, 1942; Ström, F., On the sacral origin of the Germanic death penalties, 1942; Brunner, G., Die Todesstrafe in der Zeit der Aufklärung, Diss. jur. Halle 1955; Wettstein, E., Die Geschichte der Todesstrafe, Diss. jur. Zürich 1958; Strub, B., Der Einfluss der Aufklärung auf die Todesstrafe, 1973; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Fleckenstein, M., Die Todesstrafe im Werk Carl Joseph Anton Mittermaiers, 1992; Weitzel, J., Strafe und Strafverfahren, (in) Recht im frühmittelalterlichen Gallien, hg. v. Siems, H., 1995, 109; Evans, R., Rituals of retribution, 1996; Bergman, M., Dödsstraffet, 1996; Schabas, W., The abolition of the death penalty, 1997; Lott, A., Die Todesstrafen im Kurfürstentum Trier, 1998; Zur Aktualität der Todesstrafe, hg. v. Boulanger, C., 1998; Martschukat, J., Inszeniertes Töten, 2000; Luginbühl, B., Im Kampf gegen die Todesstrafe. Jean-Jacques Comte de Sellon (1782-1839), 2000; Overath, P., Tod und Gnade, 2001; Evans, R., Rituale der Vergeltung, 2001; Derrida, J./Roudinesco, E., De quoi demain, 2001; Martschukat, J., Die Geschichte der Todesstrafe in Nordamerika, 2002; Seitz, A., Die Todesstrafe ist keine Strafe, 2003; Wirth, I., Todesstrafen, 2004; Gegen Folter und Todesstrafe, hg. v. Jacobs, H., 2007; Ammerer, G., Das Ende für Schwert und Galgen?, 2010; Hötzel, Y., Debatten um die Todesstrafe, 2010; Hirte, M., Die Todesstrafe in der Entstehung des Reichsstrafgesetzbuches, 2013; Schuster, P., Verbrecher, Opfer, Heilige – eine Geschichte des Tötens 1200-1700, 2015; Taeger, A., Die Guillotine und die Erfindung der Humanität, 2016 (1792 erfunden, 1977 letztmals eingesetzt), Ammerer, G./Brandhuber, C., Schwert und Galgen – Geschichte der Todesstrafe in Salzburg, 2018

Todesurteil ist das auf die →Todesstrafe erkennende Urteil.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Todesurteile sowjetischer Militärtribunale gegen Deutsche (1944-1947), hg. v. Weigelt, A. u. a., 2015

Toleranz ist die geduldige Hinnahme (andersartiger) Anschauungen und Verhaltensweisen anderer. Sie ist vor allem in Fragen der Religion seit der frühen Neuzeit (Reformation von 1517) bedeutsam. 1615 anerkennt der zu dem Calvinismus übergetretene Kurfürst von Brandenburg den Fortbestand des Luthertums. 1685 öffnet das Potsdamer Edikt Preußen den Hugenotten. Ab 13. 10. 1781 gewährt Joseph II. in Österreich den Anhängern der (lutherischen) augsburgischen und helvetischen Konfession sowie den orthodoxen nicht unierten Griechen in jeweils eigenen Toleranzpatenten für jedes Erbland gewisse T. (nur stärkere Duldung ohne wirkliche Religionsfreiheit) Dieses gesamte Toleranzpatentbündel bleibt bis 1849 bzw. 1861 in Kraft.

Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 136, 142, 159; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 445; Zur Geschichte der Toleranz, hg. v. Lutz, H., 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Im Zeichen der Toleranz, hg. v. Horten, P., 1981; Landau, P., Zu den geistigen Grundlagen des Toleranzpatentes Kaiser Josephs II., Österreich. Archiv f. Kirchenrecht 32 (1981), 187; Religiöse Toleranz, hg. v. Gugglsberg, H., 1984; Toleranz im Mittelalter, hg. v. Patschovsky, A. u. a., 1998; Toleration in Enlightenment Europe, hg. v. Grell, O. u. a., 1999; Berghahn, K., Grenzen der Toleranz, 2000; Calvinism and Religious Toleration in the Dutch Golden Age, hg. v. Hsia, R. u. a., 2002; Ablehnung – Duldung – Anerkennung, hg. v. Lademacher, H. u. a., 2004; Angenendt, A., Toleranz und Gewalt, 2006; Das Manifest der Toleranz - Sebastian Castellio, Über Ketzer, hg. v. Stammler, W., 2013

Tomii, Masaakira (1858-1935) wird nach dem Rechtsstudium in Lyon von 1885 bis 1902 und von 1908 bis 1918 Professor in Tokio. Er wirkt maßgeblich bei dem nach deutschem Vorbild geschaffenen japanischen →Bürgerlichen Gesetzbuch mit. Sein unvollendet gebliebenes Hauptwerk ist ein systematisches Lehrbuch des bürgerlichen Rechtes (1903ff.).

Lit.: Tomii-danshaku tsuitô-shû, 1936; Hoshino, E., Minpô ronshû, Bd. 5 1986, 145

Tonti oder Tontine ist das nach dem neapolitanischen Arzt Lorenzo Tonti (1630-1695) benannte, in den romanischen Ländern verbreitete Gewinnverteilungssystem, bei dem Einzahlungen in besonderen Fonds angesammelt und nach einer bestimmten Zeit den noch Überlebenden der Einleger bzw. dem Policeninhaber als Kapital oder Rente ausgeschüttet werden.

Lit.: Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961; Braun, H., Geschichte der Lebensversicherung, 2. A. 1963

Topik ist die Lehre von den gängigen, allgemein anerkannten Begriffen, Sätzen und Argumenten. Sie ist bereits der griechischen Philosophie (Aristoteles) vertraut. In der Rechtswissenschaft gewinnt sie nur zeitweise eine gewisse Bedeutung (z. B. Cicero, Oldendorp, Vico, Viehweg [1907-1988]).

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Struck, G., Topische Jurisprudenz, 1971; Viehweg, T., Topik und Jurisprudenz, 1953, 5. A. 1974; Wieacker, F., Über strengere und unstrenge Verfahren der Rechtsfindung, FS W. Weber 1974, 421; Seibert, T., Juristische Topik, Z. f. Literaturwissenschaft und Linguistik 38/9 (1980), 169; Rehbock, K., Topik und Recht, 1988

Tora, Thora (hebräisch [F.] Lehre, Weisung, Gesetz) ist die jüdische Bezeichnung hauptsächlich für die fünf Bücher Moses, insbesondere das fünfte Buch. Die T. steht in dem Mittelpunkt des jüdischen Glaubens. Sie ist Gesetz des jüdischen Gottes.

Lit.: Majer, J., Geschichte der jüdischen Religion, 1992; Crüsemann, Die Tora, 1992; Die Tora, hg. v. Böckler, A., 2000; Weber, R., Das Gesetz im hellenistischen Judentum, 2000; Weber, F., Das „Gesetz“ bei Philon von Alexandrien und Flavius Josephus, 2001

Torgau

Lit.: Knabe, C., Geschichte der Stadt Torgau, 2. A. 1925; Schmidt, R., Die Torgauer Hochzeit als Beispiel für Rechtsform und Rechtsanschauung im 16. Jahrhundert, ZRG GA 75 (1958), 372

Tortur (F.) Folter

Lit.: Helbing, F., Die Tortur, 1926, Neudruck 1983; Fiorelli, P., La tortura giudiziaria nel diritto comune, Bd. 1f. 1953f.; Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1976; Waider, H., Spees Auseinandersetzung mit der Tortur, Jb. d. Köln. Gesch.-Ver. 54 (1983), 1

Tory (M.) Konservativer in England (Schimpfname, angeblich von Tar a ry, komm o König, um 1680, →whig vielleicht von whig „dünnes Bier“ oder von whigman „Antreibestock“, um 1680)

Toskana (2. Jahrhundert n. Chr. Tuscia, vorher Etruria) ist die ursprünglich von Etruskern beherrschte, von 955 bis 1799 zu dem Heiligen römischen Reich zählende, zwischen Tiber, Mittelmeer und Apennin gelegene Landschaft in Italien (Florenz, Pisa, Siena). Seit 1765 ist sie mit Florenz als Mittelpunkt habsburgische Sekundogenitur unter Maria Theresias Sohn Leopold, in der bedeutsame aufgeklärte Gesetzesvorhaben entwickelt werden (Gemeindeordnung, 1782 bzw. 1787 auf 145 Artikel erweiterter Entwurf einer wohl von Amerika beeinflussten, konstitutionelle Monarchie anstrebenden →Verfassung, dessen Verwirklichung unterbleibt, als aus dynastischen Gründen die unmittelbare Zuordnung zu Österreich wahrscheinlich wird, 1786 Strafgesetzbuch „Leopoldina“ ohne Majestätsverbrechen, Folter, Todesstrafe und Schuldhaft). 1860 wird die T. mit dem Königreich Sardinien und damit mit →Italien (1861) vereinigt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Schneider, F., Die Reichsverwaltung Toskanas, Bd. 1 1914; Christoph, P., Großherzogtum Toskana, 1957; Wandruszka, A., Leopold II., 1963ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,154, 3,1,283, 3,2,2358, 3,3,3217; Codex diplomaticus Amiatinus, hg. v. Kurze, W., Bd. 1ff. 1974ff.; Pesendorfer, F., Die Habsburger in der Toskana, 1988; Etruria, Tuscia, Toscana, hg. v. Luzzati, M., 1992; Graf, G., Der Verfassungentwurf aus dem Jahre 1787, 1998; Kroll, T., Die Revolte des Patriziats, 1999; Schlosser, H., Die Leopoldina, 2010; Punta, I. del, Guerrieri, Crociati, Marcanti - I Toscani in Levante, 2010

Totalitarismus ist die in dem 20. Jahrhundert verwirklichte, auf vollständige Unterdrückung angelegte Herrschaftsform (z. B. Bolschewismus, Faschismus, Nationalsozialismus).

Lit.: Gleason, A., Totalitarianism, 1995; Totalitarismus und politische Religionen, hg. v. Maier, H. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.; Wippermann, W., Totalitarismustheorien, 1997; Totalitarismus, hg. v. Söllner, A. u. a., 1997; Totalitarismustheorien, hg. v. Siegel, A., 1998; Totalitarismus im 20. Jahrhundert, hg. v. Jesse, E., 2. A. 1999; Zwischen Politik und Religion, hg. v. Hildebrand, K., 2003

Tote Hand ist die Bezeichnung für kirchliche Einrichtungen, die das von ihnen erlangte Vermögen nicht veräußern dürfen. Hiergegen wenden sich rechtliche Bestimmungen schon in den mittelalterlichen Städten. In dem 19. Jahrhundert verschwindet die vermögensrechtliche Einschränkung der toten Hand.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Lea, H., The Dead Hand, 1900; Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie in Europa, 1990

Totenglaube

Lit.: His, R., Der Totenglaube in der Geschichte des germanischen Strafrechts, 1928; Tempelmann, M., Totenfurcht und Totenglauben bei den Germanen, ZRG GA 106 (1989), 274

Totenteil →Freiteil

Lit.: Rietschel, S., Der „Totenteil“ in germanischen Rechten, ZRG GA 32 (1911), 297; Bruck, E., Totenteil und Seelgerät im griechischen Recht, 1926

Toter ist der gestorbene Mensch.

Lit.: Fischer, P., Strafen und sichernde Maßnahmen gegen Tote, 1936

Tot gradus quot generationes (lat.). So viele Grade wie Zeugungen.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Pseudo-Paulus, E. 3. Jahrhundert n. Chr., Digesten 38, 10, 10 §9)

Totschlag ist die nicht als Mord qualifizierte vorsätzliche Tötung eines Menschen, früher vielfach auch die Tötung allgemein. Sie zieht in dem Frühmittelalter die Verpflichtung zu der Leistung von →Wergeld, später eine →Strafe nach sich. In Österreich ist Totschlag die Tötung eines (anderen) Menschen in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Bewer, R., Die Totschlagssühne in der Lex Frisionum, ZRG GA 13 (1892), 95; Roth, W., Totschlagsühne und Urfehde, ZRG GA 22 (1901), 357; Riggenbach, C., Die Tötung und ihre Folgen, ZRG GA 49 (1929), 57; Löning, G., Totschlag zu Kiel, hg. v. Sellert, W. 1992; Sonnen, W., Totschlagssühnen im Bereich des Herzogtums Berg, Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein 1938; Jänichen, H., Schwäbische Totschlagsühnen, Zs. f. württ. LG 19(1960), 128; Dilcher, G., Mord und Totschlag, FS E. Kaufmann, 1993, 91; Wittke, M., Mord und Totschlag? 2002; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122 (2005), 113; Linka, K., Mord und Totschlag, 2008; Phillips, D., Avengers of Blood, 2008

Totteilung ist in Mittelalter und Frühneuzeit die vollständige Aufteilung des Gutes einer →Gesamthand an ihre Mitglieder.

Lit.: Hübner 154; Schultze, A., Zur Rechtsgeschichte der germanischen Brüdergemeinschaft, ZRG GA 56 (1936), 264

Tötung ist die Verursachung des →Todes eines Lebewesens, insbesondere eines Menschen. Unterschiedliche Formen eines Tötungsdelikts sind insbesondere →Mord, →Totschlag, Kindestötung und fahrlässige T.

Lit.: Kaser § 36 II 2; Köbler, DRG 26, 71; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Riggenbach, C., Die Tötung und ihre Folgen, ZRG GA 49 (1929), 57; Justiz und NS-Verbrechen, red. v. Bauer, F. u. a., Bd. 1ff. 1968ff.; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung im frühen römischen Recht, 1984; Schnyder, S., Tötung und Diebstahl, 2010; Kollateralopfer. Die Tötung von Unschuldigen als rechtliches und moralisches Problerm, hg. v. Gillner, M. u. a., 2014

Toul an der Mosel, ursprünglich Hauptort der keltischen Leuker, wird in dem 4. Jahrhundert in dem römischen Reich Sitz eines Bischofs. 925 fällt es an das ostfränkische Reich, 1552/1648 trotz der in dem 13. Jahrhundert errungenen Reichsunmittelbarkeit (Reichsstadt) an Frankreich. 1306 und 1405 wird jeweils ein Stadtrecht aufgezeichnet.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schneider, J., Sur le droit urban de Toul, (in) Economies et sociétés au Moyen Age, 1973, 273; Bönnen, G., Die Bischofsstadt Toul, 1995; Petry, C., Faire des sujets du roi, 2006

Toulouse

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 143

Tourismus

Lit.: Türkis, B., Innsbrucker Tourismusgeschichte, 2010; Museum und Tourismus, hg. v. Neiß, H. u. a. 2017

Tours an der Loire, ursprünglich Hauptort der keltischen Turonen, ist seit dem 3. Jahrhundert Sitz eines Bischofs (z. B. Gregor von Tours). Aus fränkischer Zeit ist aus T. eine Formelsammlung bekannt.

Lit.: Grandmaison, C. de, Fragments de chartes, 1886; Gregor von Tours, Historiarum libri decem, 1959; Gregor von Tours, Zehn Bücher Geschichten, neu bearb. v. Buchner, R., Bd. 1 1955, Neudruck 1967; Histoire de Tours, hg. v. Chevalier, B., 1985

Tractatus (M.) de iuribus incorporalibus (lat.) ist der an dem 13. 3. 1679 von dem Landesfürsten selbständig erlassene Teil des österreichischen Landrechtsentwurfs von 1654 über das Verhältnis von Grundherren und abhängigen Bauern (Einschränkung der Robot und des Ehebewilligungsrechts des Grundherrn).

Tractatus (M.) de maleficiis (Traktat von Übeltaten) ist eine nach einer Vorform von 1286/1287 (libellus de maleficiis) in Siena 1299 von dem Richter Albertus -> Gandinus (um 1245-nach 1311?) veröffentlichte systematisierte Abhandlung über Strafrecht und Strafprozesrecht.

tractoria (lat.-afrk.) Reiseverpflegungsrecht

Lit.: Ganshof, F., La Tractoria, TRG 8 (1928), 69

Traditio (lat. [F.], zu lat. trans über und lat. dare geben) ist bereits in dem altrömischen Recht die formlose →Übergabe einer →Sache auf Grund einer Zweckabrede wie Erfüllung, Kauf oder Tausch. In dem Frühmittelalter wird der Wortgebrauch unscharf. Nach der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter ist t. meist der (lat.) →modus (M.) acquirendi (Erwerbsart). Bei der t. longa manu (langer Hand) liegt noch keine Ergreifungshandlung vor, sondern nur eine sichere Möglichkeit, bei der t. brevi manu (kurzer Hand) hat der Erwerber bereits Besitz, bildet nunmehr aber Besitzwillen, während der Veräußerer ihn aufgibt.

Lit.: Kaser § 24 IV, V 2a; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 25, 40, 61, 64, 90, 212; Köbler, LAW; Biermann, J., Traditio ficta, 1891; Fuchs, J., Iusta causa traditionis, 1952; Gordon, W., Studies in the transfer of property by traditio, 1970; Steinacker, H., Traditio cartae und traditio per cartam, Archiv f. Diplomatik 5/6 (1959/60), 1; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984

traditio (F.) cartae (lat.) Übertragung der Urkunde

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Recht und Schrift, hg. v. Classen, P., 1977

traditio (F.) per cartam (lat.) Übertragung durch (Übertragung einer) Urkunde

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Tradition ist das von Generation zu Generation übergebene Geistesgut bzw. in dem Frühmittelalter die Übergabe eines Gegenstands in körperlicher oder symbolischer Gestalt bzw. die sie verkörpernde →Urkunde. Einzelne Klöster und Hochstifte fassen die Traditionen in Traditionsbüchern zusammen.

Lit.: Söllner §§ 12, 16; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 4, 81, 105, 212, 254; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 607; Redlich, O., Über bairische Traditionsbücher und Traditionen, MIÖG 5 (1884), 1; Grüner, F., Schwäbische Urkunden und Traditionen, MIÖG 33 (1912), 1; Entstehung und Wandel rechtlicher Traditionen, hg. v. Fikentscher, W. u. a., 1980; Molitor, S., Das Traditionsbuch, Archiv f. Diplomatik 36 (1990), 61; Michaels, R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002; Die innovative Kraft der Tradition in der frühen Neuzeit, hg. v. Friedeburg, R. v. u. a., 2007

Traditionsbuch →Tradition

Träger

Lit.: Schott, C., Der Träger als Treuhandform, 1975

Traktat (M.) Abhandlung

Lit.: Baesecke, G., Ein Auszug aus dem „Traktat über romanisch-fränkisches Ämterwesen, ZRG GA 55 (1935), 230, Beyerle, F., Das frühmittelalterliche Schulheft vom Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1; 402

Transactio (lat. [F.]) ist in dem römischen Recht als formlose Abrede, einen Streit oder eine Ungewissheit über ein Recht durch gegenseitiges Nachgeben zu beenden (→Vergleich), nur ein Fall des vereinbarten →Erlasses.

Lit.: Kaser § 53 II 3c

Transcriptio (lat. [F.]), transscriptio, ist in dem klassischen römischen Recht der beim nur kurzzeitig üblichen →Litteralkontrakt die →Obligation begründende Schriftakt.

Lit.: Köbler, DRG 45

Translatio (F.) imperii (lat.) (Übertragung der Herrschaft) ist die Vorstellung von der Übertragung der von den Römern (und später oströmischen Griechen) innegehabten Weltherrschaft durch den Papst auf den fränkischen König (Karl den Großen 800). Sie lässt sich seit dem 11. Jahrhundert erkennen.

Lit.: Köbler, DRG 109; Goez, W., Translatio imperii, 1958; Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein, hg. v. Patze, H., 1987

Transleithanien ist (1867-1918, nichtamtlich) die jenseits der Leitha gelegene ungarische Reichshälfte Österreich-Ungarns (Länder der Stephanskrone, Ungarn, Siebenbürgen, Kroatien-Slawonien, Fiume) in Gegensatz zu Cisleithanien/Zisleithanien.

Transmissio (lat. [F.], Übersendung) ist in dem klassischen römischen Recht der Übergang der erbrechtlichen Befugnisse des den Erblasser überlebenden, aber vor dem Erbschaftserwerb versterbenden Berufenen auf seinen Erben, in dem spätantiken römischen Recht die Vererbung des Rechtes des Außenerben auf seine Erben.

Lit.: Kaser § 72 IV

Transport ist die Beförderung von Menschen oder Waren von einem Ort zu einem anderen Ort.

Transportvertrag ist der eine Beförderung betreffende →Werkvertrag.

Lit.: Basedow, J., Der Transportvertrag, 1987

Transsilvanien →Siebenbürgen

trans Tiberim vendere (lat.) über den Tiber verkaufen, d. h. in die Sklaverei geben

Lit.: Kaser § 15 II 3

Tratte ist der gezogene (den Bezogenen zu der Zahlung anweisende), seit etwa 1250 nachweisbare →Wechsel.

Trauung (1353) ist die Form der →Eheschließung. Sie entwickelt sich aus gebräuchlichen Geschehnissen. Nach der Entstehung des Christentums nimmt dieses auf die T. Einfluss. Seit dem Hochmittelalter setzt die Kirche sich auf der Grundlage des Satzes, dass die Willensübereinstimmung der Brautleute die →Ehe begründe (lat. consensus facit nuptias), für ein vorheriges Aufgebot (1215) und die Erfragung des Ja-Wortes durch den Priester ein. Seit 1875 erfolgt die weltliche Eheschließung in dem Deutschen Reich, für welche die Bezeichnung T. vermieden wird, vor dem →Standesbeamten (Zivilehe).

Lit.: Hübner; Friedberg, E., Das Recht der Eheschließung, 1865; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875; Friedberg, E., Verlobung und Trauung, 1876; Sohm, R., Trauung und Verlobung, 1876; Opet, O., Brauttradition und Konsensgespräch in mittelalterlichen Trauungsritualen, 1910; Wehrli, P., Verlobung und Trauung, 1933; Conrad, H., Die Grundlegung der modernen Zivilehe, ZRG GA 67 (1950), 336; Hemmer, R., Über das Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 76 (1959), 292; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Siffert, R., Verlobung und Trauung, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Trennung (1486, Trennungsgrund 1819) ist die Auflösung einer bisherigen Einheit durch Aufteilung.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Trennung von Justiz und Verwaltung →Gewaltenteilung

Trennung von Staat und Kirche ist die von der Aufklärung geforderte Lösung der seit 380 n. Chr. bestehenden Verbindung von Staat und Christentum. Die T. v. S. u. K. wird 1789 in den Vereinigten Staaten, 1795 in Frankreich, 1848, 1919 bzw. 1949 in Deutschland und 1995 in Schweden zumindest in dem Grundsatz (anders z. B. Kirchensteuer) verwirklicht.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Campenhausen, A. v., Staatskirchenrecht, 3. A. 1996

Trennung von Tisch und Bett (lat. separatio a toro et mensa) ist in dem Kirchenrecht die tatsächliche Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft unter Aufrechterhaltung der rechtlichen Bindung.

Tres conformes sententiae (lat. [F.Pl.]) sind drei gleichlautende Urteile, gegen dessen letztes nach römisch-kanonischem Recht keine →Appellation mehr erhoben werden kann.

Lit.: Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976, 169

Tres faciunt collegium (lat.). Drei bilden einen Verein.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Marcellus, um 115-um 175, Digesten 50, 16, 85, zu Neratius, um 58/9-nach 133)

trespass (engl. [N.]) Überschreitung, Friedensbruch, Angriff, Beschädigung

Treue ist die innere feste Bindung eines Menschen an einen Menschen oder einen Gedanken. Es ist streitig, inwieweit die T. eine besondere germanisch-deutsche Eigenheit ist. Erhebliche Bedeutung kommt der T. in dem Lehnsverhältnis zu. Auch der Beamte steht zu dem Staat in einem besonderen Treueverhältnis.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2, 3; Puntschart, P., Schuldvertrag und Treuegelöbnis, 1896; Schwerin, C. v., Die Treueklausel im Treugelöbnis, ZRG GA 25 (1904), 323; Puntschart, P., Treuklausel und Handtreue im altdeutschen Gelöbnisrecht, ZRG GA 26 (1905), 165; Gierke, O. v., Die Wurzeln des Treuedienstvertrags, 1914; Hueck, A., Der Treuegedanke im modernen Privatrecht, 1947; Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt, ZRG GA 66 (1948), 111; Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt in Frankreich und England, 1952; Graus, F., Über die sog. germanische Treue, 1959; Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue, 1973; Eckhardt, U., Untersuchungen zu Form und Funktion der Treueleistung, 1976; Fikentscher, W., De fide et perfidia, 1969; Halmen, R., Staatstreue und Interessenvertretung, 1988; Nörr, D., Die Fides im römischen Völkerrecht, 1991; Kroeschell, K., Studien zum frühen und mittelalterlichen deutschen Recht, 1995, 157, 183; Zwissler, T., Treuegebot – Treuepflicht – Treuebindung, 2002; Schneider, N., Uberrima fides, 2004

Treubruch ist der Bruch der zugesagten oder erwarteten Treue.

Lit.: Illmer, F., Treubruch, Verrat und Felonie im deutschen Strafrecht, 1937

Treuga (F.) Dei (mlat., Wort treuga vielleicht aus dem Burgundischen oder Westgotischen entlehnt) ist die durch die Gottesfriedensbewegung seit dem 10. Jahrhundert angestrebte Waffenruhe Gottes. →Gottesfriede

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 101

Treuga (F.) Heinrici (lat.) ist ein wohl in Würzburg in dem Juli 1224 durch König Heinrich (VII.) erreichter →Landfriede (für das Reich?).

Lit.: Gernhuber, J., Die Landfriedensbewegung, 1952

Treuhand (1663, Treuhänder 1350) ist das Rechtsverhältnis, bei dem ein Teil (Treuhänder) nach außen mindestens ein Vermögensrecht als eigenes Recht hat, dieses aber auf Grund einer schuldrechtlichen Abrede (Treuhandvertrag, Sicherungsvertrag) ganz oder teilweise in dem Interesse des anderen Teiles (Treugeber) ausüben soll. Die T. ist dem klassischen römischen Recht (als fiducia) bekannt (Vormund, Pfleger). Sie tritt in einzelnen Erscheinungsformen vielleicht auch in dem deutschen Recht (Affatomie, Testamentsvollstreckung, Lehnsträgerschaft) auf. Erst seit dem 19. Jahrhundert wird daraus aber eine allgemeine Einrichtung entwickelt, die von dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) noch nicht aufgenommen wird. Dabei wird der treuwidrig handelnde Treuhänder dem Treugeber schadensersatzpflichtig, doch sind seine gutgläubigen Dritten gegenüber durchgeführten Verfügungen wirksam. In dem englischen Recht ist der →trust bedeutsam.

Lit.: Kaser §§ 11 III, 52 I 3, 54 I; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 36, 213, 239; Schultze, A., Die langobardische Treuhand, 1895; Brünneck, W. v., Der Schlossglaube, ZRG GA 28 (1907), 1; Loening, O., Grunderwerb und Treuhand in Lübeck, 1907; Beyerle, F., Die Treuhand im Grundriss des deutschen Privatrechts, 1932; Otten, G., Die Entwicklung der Treuhand im 19. Jahrhundert, 1975; Schott, C., Der Träger als Treuhandform, 1975; Asmus, W., Dogmengeschichtliche Grundlagen der Treuhand, 1977; Scherner, K., Fiducia Germanorum, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G., 1997; Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 1998; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 2013

Treuhandanstalt ist die zu dem 1. 6. 1990 1990 nach dem Beitritt der →Deutschen Demokratischen Republik zu der Bundesrepublik Deutschland geschaffene, zu dem 31. 12. 1994 aufgelöste Anstalt zu der Überführung von Volkseigentum in Privateigentum (7984 volkseigene Betriebe, 53,8 Prozent Privatisierungen, 39,6 Prozent Stilllegungen, 13,1 Prozent Rückgaben an frühere Berechtigte).

Lit.: Köbler, DRG 249; Laabs D., Der deutsche Goldrausch

Treu und Glauben ist der Verhaltensmaßstab, der das Verhalten eines redlich und anständig denkenden Menschen zugrunde legt. Er ähnelt der (lat.) →bona fides (F.), die in dem römischen Recht für bestimmte Schuldverhältnisse zu beachten ist. T. u. G. lassen sich quellenmäßig seit dem Spätmittelalter belegen. Innerhalb des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (1900) entwickelt sich T. u. G. zu einem allgemeinen Rechtsgrundsatz.

Lit.: Söllner §§ 8, 9, 12, 18; Kroeschell, 20. Jahrhundert; Köbler, DRG 240, 270; Wendt, O., Die exceptio doli generalis, AcP 100 (1906), 1; Wieacker, F., Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242, 1956; Nesemann, K., Herkunft, Sinngehalt und Anwendungsbereich der Formel „Treu und Glauben“ in Gesetz und Rechtsprechung, Diss. jur. Göttingen 1959; Strätz, H., Treu und Glauben, 1974

Trialismus ist in Österreich in dem 19. Jahrhundert die erfolglose Bestrebung, neben Österreich und Ungarn (1867) einen dritten, aus Böhmen, Mähren und Südslawien bestehenden Staatsteil zu schaffen (z. B. 1871 Böhmische Fundamentalartikel).

Lit.: Baltl/Kocher

Trianon (bei Paris) ist der Ort des 1920 das Königreich Ungarn aufteilenden Friedensvertrags.

Tribonian (?-541/3?, oder um 545?) ist der aus Kleinasien (Pamphylien) stammende griechischsprachige, unter →Justinian zu hohen Ämtern (533-535 Kanzleileiter, 529-533 und 535-542 Justizminister bzw. quaestor sacri palatii) aufsteigende, oströmische Rechtskundige. Er ist 528/529 Mitglied der Kommission für den →Codex, seit 530 Mitglied einer Kommission für die →Digesten. Außerdem verfasst er mit zwei anderen Rechtslehrern die →Institutionen.

Lit.: Söllner § 22; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Köbler, DRG 53; Kübler, P., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Reichs, 2. A. 1912, 366; Honoré, A., Tribonian, 1978

tribunicia postestas (lat. [F.]) tribunizische Gewalt

tribunus (M.) plebis (lat.) Volkstribun

Lit.: Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

tribus (lat. [F.]) Abteilung der Bürgerschaft Roms (Volksversammlung)

tributum (N.) capitis (lat.) Kopfsteuer

Lit.: Köbler, DRG 32

Tridentinum (lat. [N.]) ist das in Trient zwischen 1545 und 1563 tagende 19. allgemeine Konzil der katholischen →Kirche. Es versteht sich als (Gegen-)Reformkonzil und stärkt die Stellung des Bischofs. Es bestätigt u. a. die Unauflöslichkeit der Ehe und schreibt eine bestimmte Eheschließungsform vor. Allgemein sieht es das Kirchenrecht normativ als Rechtsordnung mit dem Papst als alleinigem Gesetzgeber.

Lit.: Das Weltkonzil von Trient, hg. v. Schreiber, G., Bd. 1f. 1951; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Jedin, H., Geschichte des Konzils von Trient, Bd. 1ff. 1949ff.; Das Konzil von Trient und die Moderne, hg. v. Prodi, P. u. a., 2001

Trient an der Etsch, das 24 v. Chr. an die Römer übergeht, ist seit dem späten 4. Jahrhundert Sitz eines Bischofs, der 1004/1027 Grafenrechte erhält. 1185ff. findet sich dort →Bergrecht. 1803 fällt das Hochstift an →Tirol, 1919 mit Südtirol an →Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Voltelini, H. v., Die ältesten Statuten von Trient, Archiv für österreichische Geschichte 92 (1902), 83; Il Trentino, hg. v. Mozzarelli, C. u. a., 1985; Hägermann, D./Ludwig, K., Europäisches Montanwesen, 1986; Bellabarba, M., La giustizia ai confini, 1996; Das Konzil von Trient und die Moderne, hg. v. Prodi, P. u. a., 2001; Curzel, E., I canonici e il Capitolo della cattedrale di Trento, 2001; Bettoti, M., La nobilità trentina, 2002; Lorandini, C., Famiglia e impresa, 2006

Trier an der Mosel wird 16-13 v. Chr. von Augustus in dem Gebiet der Treverer gegründet und entwickelt sich in dem 4. Jahrhundert zu der größten römischen Stadt nördlich der Alpen (60000-70000 Einwohner). In dem 6. Jahrhundert bzw. kurz vor 800 wird der dortige Bischof Erzbischof, in dem 13. Jahrhundert Kurfürst. 1454/1473 erhält T. eine von 1797/1798 bis 1970 aufgelöste Universität. Nach älteren Gerichtsordnungen (1400, 1515, 1537) wird 1668 ein wohl von Johannes Holler und Matthias Franziskus von Troya unter Ausrichtung an dem einheimischen Recht geschaffenes, 1713 stärker romanistisch überarbeitetes Trierer Landrecht in 18 bzw. später 22 Titeln in Kraft gesetzt. 1815/1816 gelangen die meisten Güter an →Preußen.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J., Sammlung der Gesetze, Bd. 1ff. 1832; Rudolph, F., Die Entwicklung der Landeshoheit in Kurtrier, 1905; Rörig, F., Die Entstehung der Landeshoheit des Trierer Erzbischofs, 1906; Knetsch, G., Die landständische Verfassung, 1909; Kremer, J., Studien zur Geschichte der Trierer Wahlkapitulationen, 1911; Quellen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte – Trier, hg. v. Rudolph, F., 1915; Leners, W., Die Protokollregister über die Liegenschaften der Trier Bürgerschaft, Diss. jur. Bonn 1957; Eichler, H./Laufner, R., Hauptmarkt und Marktkreuz zu Trier, 1958; Dirks, M., Das Landrecht des Kurfürstentums Trier, 1965; Wendt, H., Die Anwendung des Trierer Landrechts, 1973; Langer, H./Meves, U., Die Geschichte der Stadt Trier, 1984; Anton, H., Trier im frühen Mittelalter, 1987; Hermann, H., Die Gehöferschaften im Bezirk Trier, 1989; Kerber, D., Herrschaftsmittelpunkte im Erzstift Trier, 1995; Trier im Mittelalter, hg. v. Anton, H. u. a., 1996; Pundt, M., Metz und Trier, 1998; Petzold, M., Das Pontifikat Erzbischofs Boemunds II. von Trier (1354-1362), 1999, 2. A. 2007; Müller, J., Vir religiosus ac strenuus Albero von Montreuil, 2006; Clemens, G., Geschichte der Stadt Trier, 2007; Brommer, P., Kurtrier am Ende des alten Reichs, 2008; Morscheiser-Niebergall, J., Die Anfänge Triers, 2008; Regesten der Bischöfe und Erzbischhöfe von Trier, hg. v. Anton, H. u. a., 2015ff., Unruh, F., Trier – Biographie einer röömischen Stadt, 2017

Triest an der oberen Adria (104 v. Chr. Tergeste, Marktort) ist seit dem 6. Jahrhundert Sitz eines Bischofs und gelangt 774 an das fränkische Reich, 1202/1203 an Venedig, 1382 freiwillig an Habsburg, (1809-1814 Herrschaft Napoleons, 1849/1850 reichsunmittelbare Stadt Österreichs,) 1867 zu dem Kronland Küstenland Österreichs und 1919 an Italien.

Trifels bei Annweiler ist eine 1081 erstmals genannte Reichsburg, in der zwischen 1125 und 1273 die →Reichskleinodien aufbewahrt werden.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Biundo, G., Der Trifels, 1937; Biundo, G., Zur Bibliographie der Reichsfeste Trifels, 1939; Sprater, F./Stein, G., Der Trifels, 9. A. 1971; Seebach, H., Kleine Geschichte des Trifels und der Stadt Annweiler, 2009

Trift

Lit.: Herold, H., Trift und Flößereien in Graubünden, 1982

Triftrecht →Trittrecht

trinoctium (lat. [N.]) Zeitraum von drei Nächten

Lit.: Kaser § 58 II; Köbler, DRG 22

Tripartitum opus (N.) iuris consuetudinarii enclyti regni Hungariae (lat., dreiteiliges Werk des Gewohnheitsrechts des berühmten Königreichs Ungarn) ist die Rechtsaufzeichnung des ungarischen Gewohnheitsrechts durch Istvan Werböczy von 1514, die bis zu dem Zivilgesetzbuch Ungarns von 1960 von Bedeutung bleibt.

Lit.: Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005

tripertitum (lat. [N.]) dreiteiliger Kommentar des Sextus Aelius Paetus Cato zu den zwölf Tafeln des römischen Rechtes

Lit.: Söllner § 12; Köbler, DRG 29

Trittrecht, Triftrecht ist das mittelalterliche Wegerecht für das Treiben von Vieh (Viehtriebsrecht).

Lit.: Hübner 281; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957

Trivium (lat. [N.] Dreiwegiges) sind Grammatik, Dialektik und Rhetorik innerhalb der sieben freien Künste (lat. artes liberales).

Trizone ist das an dem 8. 4. 1949 durch Anfügung der französischen Besatzungszone an die Bizone der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens entstehende Gebiet des →Deutschen Reichs.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Köbler, DRG 245

Trödelvertrag (lat. contractus [M.] aestimatorius, aestimatum) ist der bereits dem römischen Recht bekannte Vertrag (Innominatrealkontrakt), bei dem innerhalb einer bestimmten Zeit entweder ein Preis für eine übergebene Sache geliefert (Mehrerlös verbleibt dem Trödler) oder die übergebene Sache zurückgegeben werden soll.

Lit.: Kaser § 45 I 1; Hübner; Bucher, E., Der Trödelvertrag, (in) Innominatverträge, 1988, 95

Troja (Troia) ist der Schauplatz des von dem griechischen Dichter Homer geschilderten, trojanischen Kriegs zwischen Griechen und Trojanern, der seit 1870 (Heinrich Schliemann) auf dem 20 Meter hohen Ruinenhügel von Hissarlik (Westtürkei, ?) in zahlreichen Siedlungsschichten (ab 2900-2500 v. Chr.) mit reichen Goldfunden und Silberfunden (Schatz des Priamos) ergraben wird.

Lit.: Siebler, M., Troia, 1990; Korfmann, M./Mannsperger, D., Troia, 1998; Hertel, D., Die Mauern von Troja, 2003; Der neue Streit um Troia, hg. v. Ulf, C., 2003; Der Traum von Troia, hg. v. Zimmermann, M., 2006; Jahn, S., Der Troia-Mythos, 2007; Strauss, B., Der trojanische Krieg, 2008; Lag Troia in Kilikien?, hg. v. Ulf, C. u. a., 2010; Kolb, F., Tatort Troia, 2010

Tromsö in dem nördlichen Norwegen wird in dem 9. Jahrhundert angelegt, aber erst 1250 erstmals erwähnt. Nach Neubesiedlung in dem 18. Jahrhundert erhält es 1968 eine Universität.

Truchsess oder →Seneschall ist der mit der Verpflegung des fränkisch-deutschen Königshofs betraute Amtsträger. Dieses Amt hat seit dem Hochmittelalter (vor 1198) der Pfalzgraf bei Rhein inne. Später entwickelt sich an vielen landesherrlichen Höfen ein T.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main, 1970; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485

Trucksystem ist in dem 19. Jahrhundert von England kommend das System der Entlohnung eines Arbeiters mit von dem Arbeitgeber vertriebenen Waren. Es wird wegen der mit ihm verbundenen Missbrauchsmöglichkeiten noch in dem 19. Jahrhundert unzulässig.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Trunkenheit ist der durch reichlichen Alkoholgenuss verursachte Zustand eines Menschen. T. wird seit dem 13./14. Jahrhundert rechtlich erfasst. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird die T. in dem Straßenverkehr entschiedener bekämpft.

Lit.: Endemann, F., Die Entmündigung wegen Trunksucht, 1904; Gramsch, G., Der Tatbestand des Rauschmittelmissbrauchs, 1938, Neudruck 1977; Rausch und Realität, hg. v. Völger, G., 1981; Kaiser, R., Trunkenheit im Mittelalter, 2002; Kropik, C., Moralsatirische Selbstbespiegelung eines (pseudo-)anonymen Alkoholikers, 2015 (Helius Eobanus Hessus Erfurt 1515)

trust (M.) Treuhandverhältnis, →Treuhand

Lit.: Murach-Brand, L., Antitrust auf deutsch, 2004; Wolff, J., Trust, 2005; Schröder, P., Trust in Early Modern International Political Thought 1598-1713, 2017

trustis (lat.-afrk. [F.]) Schar, Anhang, Gefolge

Lit.: Grahn-Hoek, H., Die fränkische Oberschicht, 1976; Schmidt-Wiegand, R., Fränkisch druht und druhtin, Z. f. hist. Terminologie 1974, 534

Tryphoninus, Claudius, römischer Rechtskundiger Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr., in den Digesten überlieferte Fragmente wohl aus dem Rechtsunterricht (juristisch-pädagogische Anleitung)

Lit.: Fildhaut, K., Die libri disputationum des Claudius Tryphoninus, 2004

Tschechien ist der in dem Westen um Prag gelegene, tschechische Teil der 1993 aufgelösten Tschechoslowakei, der zu dem 1. 1. 2014 ein neues Bürgerliches Gesetzbuch und ein Gesetz über Körperschaften in Kraft setzt.

Lit.: Antologie české právní vědy (Anthologie der tschechischen Rechtswissenschaft), 1993; Krupar, M., Tschechische juristische Zeitschriften des 19. und 20. Jahrhunderts, 2011

Tschechoslowakei ist der an dem 28. 10. 1918 aus den österreichischen Gebieten →Böhmen und →Mähren sowie Schlesien und Oberungarn unter zwangsweisem Einschluss der dort lebenden Deutschen gebildete, sich an dem 29. 2. 1920 eine Verfassung gebende, 1938/1939 von Adolf Hitler nach dem Münchener Abkommen verkleinerte und danach annektierte (Protektorat Böhmen und Mähren), 1945 unter Aussiedlung und Vertreibung der Deutschen (ohne Karpathorussland) wiederhergestellte, 1948 dem Kommunismus sowjetischer Prägung zugeführte (Verfassung von dem 9. 5. 1948, 1968 Prager Frühling), 1990 demokratisierte und zu dem 1. 1. 1993 in Tschechien und die Slowakei aufgelöste Staat (mit 1938 43% Tschechen, 23% Deutschen und 22% Slowaken, 1920 Verfassungsgericht).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 220, 223, 246; Bretholz, B., Geschichte Böhmens und Mährens, Bd. 1ff. 1921ff.; Vaněček, V., (Das tschechische Rechtsleben im Zeitalter des Kapitalismus), 1953; Hoensch, J., Geschichte der Tschechoslowakischen Republik 1918-1965, 1966; Česká narodní rada, sněm českého lidu (Der tschechische Nationalrat, Landtag des tschechischen Volkes), veranstaltet v. Vaněček, V., 1970; Maly, K., Tschechoslowakische rechtshistorische Literatur, ZNR 1984; Schubert, W., Der tschechoslowakische Entwurf zu einem Bürgerlichen Gesetzbuch und das ABGB von 1937, ZRG GA 112 (1995), 271; Kudej, B., Legal history of Czechoslovakia, (in) Intern. Journal of legal information 24 (1996), 71; Lenk, R., La Tchéchoslovaquie 1996; Burgerstein, J., Tschechien, 1998; Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften, Bd. 4 hg. v. Mohnhaupt, H., 1998; Kren, J., Die Konfliktgemeinschaft, 1999; Erzwungene Trennung. Vertreibungen und Aussiedlungen in und aus der Tschechoslowakei 1938-1947 im Vergleich mit Polen, Ungarn und Jugoslawien, hg. v. Brandes D. u. a., 2000; Boleslav II., hg. v. Sommer, P., 2001; Šmahel, F., Husitské Čechy, 2001; Beyer, B., Die Beneš-Dekrete, 2002; Coudenhove-Kalergi, B./Rathkolb, O, Die Beneš-Dekrete, 2002; Payrleitner, A., Österreicher und Tschechen, 2003; Köbler, G., Rechtstschechisch, 2003; Koralka, J., Frantisek Palacky, 2007; Osterkamp, J., Verfassungsgerichtsbarkeit in der Tschechoslowakei, 2009; Schelle, K. u. a., Grundriss der tschechoslowakischen Rechtsgeschichte, 2009; Rechtswissenschaft in Osteuropa, hg. v. Pokrovac, Z., 2010; Haslinger, P., Nation und Territorium im tschechischen politischen Diskurs 1880-1938, 2010; Zukunftsvorstellungen und staatliche Planung im Sozialismus, hg. v. Schulze Wessel, M. u. a., 2010; Capkova, C. u. a., Unsichere Zuflucht, 2012; Klápště, J., The Czech Lands in Medieval Transformation, 2012; Edvard Beneš Vorbild und Feindbild, hg. v. Konrád, O. u. a., 2013; Tauchen, J./Kazda, J., Bibliografie vybraných právnických časopisů a sborníků 1918-1989. Bibliographie ausgewählter tschechoslowakischer juristischer Zeitschriften, Festschriften und Sammelbände 1918-1989. Masarykova univerzita, 2013. CD; Žantovský, M., Václav Havel, 2014; Lachmann, H., Die „ungarische Revolution“ und der „Prager Frühling, 2017

Tübingen an dem Neckar erscheint in dem 7. Jahrhundert als Dorf, 1078 als Burg. 1342 fällt es durch Kauf an Württemberg, das 1476/1477 eine Universität gründet (von dem Landesherrn erteiltes Stadtrecht von 1493 teils aus Nürnberg - 1479/1484 -, teils aus Stuttgart - 1492 übernommen).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schöttle, G., Verfassung - und Verwaltung der Stadt Tübingen, Tübinger Blätter 8 (1905), 1; Hermelink, H., Matrikeln der Universität Tübingen, Bd. 1 1906; Haller, J., Die Anfänge der Universität Tübingen 1477-1537, Bd. 1f. 1927ff.; Schanz, W., Das Tübinger Stadtrecht von 1493, Diss. jur. Tübingen 1958; Seigel, R., Gericht und Rat in Tübingen, 1960; Conrad, E., Die Lehrstühle der Universität Tübingen und ihre Inhaber 1477-1972, 1960 (ungedruckt); Schanz, W., Das Tübinger Stadtrecht von 1493, 1963; Die Tübinger Stadtrechte von 1388 und 1493, hg. v. Rau, R./Sydow, J., 1964; Richter, G., Die Insignien der Universität Tübingen 1964; Jänichen, H., Herrschafts- und Territorialverhältnisse um Tübingen und Rottenburg im 11. und 12. Jahrhundert, 1964; Die Tübinger Stadtrechte von 1388 und 1493, hg. v. Rau, R. u. a., 1964; Geipel, J., Die Konsiliarpraxis der Eberhard-Karls-Universität, 1965; Die ältesten Tübinger Steuerlisten, hg. v. Rau, R., 1970; Kuhn, W., Die Studenten der Universität Tübingen zwischen 1477 und 1534, 1971; Finke, K., Die Tübinger Juristenfakultät 1477-1534, 1972; Sydow, J., Geschichte der Stadt Tübingen, 1974; Thümmel, H., Die Tübinger Universitätsverfassung im Zeitalter des Absolutismus, 1975; Sieber, E., Stadt und Universität Tübingen in der Revolution von 1848/1849, 1975; Festschrift 500 Jahre Eberhard-Karls-Universität Tübingen, hg. v. Decker-Hauff, H., Bd. 1ff. 1977ff.; Lebensbilder zur Geschichte der Tübinger Juristenfakultät, hg. v. Elsener, F., 1977; Adam, U., Hochschule und Nationalsozialismus, 1977; Cellius, E., Imagines professorum Tubingensium 1596, hg. v. Decker-Hauff, H. u. a., 1981; Schwarz, H., Die Universitätspflege Feuerbach, 1981; Die Pfalzgrafen von Tübingen, hg. v. Decker-Hauff, H. u. a., 1981; Pill-Rademacher, I., . zu nutz, 1993; Das älteste Tübinger Ehebuch (1553-1614), hg. v. Schieck, S. u. a., 2000; Paletscheck, S., Die permanente Erfindung einer Tradition, 2001; Hauer, W., Lokale Schulentwicklung und städtische Lebenswelt, 2003; Jordan, S., Leben und Werk des Tübinger Rechtsprofessors Wilhelm Gottlieb Tafinger 1670-1813, 2003; 200 Jahre Wirtschafts- und Staatswissenschaften an der Eberhard-Karls-Univeristät Tübingen, Leben und Werk der Professoren, hg. v. Marcon, M., Bd. 1f. 2004; Tübinger Professorenkatalog, hg. v. Lorenz, S., Bd. 1, 1 Die Matrikel der Magister und Bakkalare der Artistenfakultät 1477-1535, 2006; Daniels, M., Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert, 2009; 175 Jahre wirtschaftswissenschaftliche Promotionen, 2009; Die Universität Tübingen im Nationalsozialismus, hg. v. Wiesing, U. u. a., 2010; Über 400 Semester – Wirtschaftswissenschaftliche Vorlesungen, bearb. v. Randecker, G., 2013; Die Universität Tübingen zwischen Orthodoxie, Pietismus und Aufklärung, hg. v. Köpf, U., 2014

Tübinger Rechtsbuch ist der in acht Handschriften überlieferte, 135 Auszüge aus dem Gesetzgebungswerk →Justinians enthaltende, vielleicht um 1160 im Dauphiné entstandene Rechtstext.

Lit.: Weimar, P., Zur Renaissance der Rechtswissenschaft, 1977, 1; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Tudor ist das seit 1232 nachweisbare walisische Geschlecht, das von 1485 bis 1603 den Königsthron →Englands erlangt (Heinrich VIII. 1509-47, Elisabeth I. 1558-1603).

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990;4. A. 2002; Eßer, R., Die Tudors und die Stuarts, 2004; Berg, D., Die Tudors, 2016

Tugend

Lit.: Bejczy, I., The Cardinal Virtues in the Middle Ages, 2011

Tuhr, Andreas von (St. Petersburg 1864-Zürich 1925), Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (Bekker), Leipzig (Windscheid) und Straßburg Rechtslehrer in Basel (1891), Straßburg (1898) und Zürich (1918). Sein Hauptwerk ist „Der allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts“ (1910ff.).

Lit.: Heck, P., Andreas von Tuhr, AcP 125 (1925), 257; Schwarz, A., Andreas von Tuhr, 1938

Tulln

Lit.: Profile einer landesfürstlichen Stadt, hg. v. Ramharter, J., 2012

Tür ist der bewegliche Verschluss des Eingangs in ein Gebäude oder einen Raum. Die T. kann als Rechtssymbol verwendet werden.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994

Turin in der Poebene ist Hauptort der Turiner, der unter Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) (lat. [F.]) colonia wird. In dem 5. Jahrhundert wird ein Bistum eingerichtet. Über Langobarden und Franken kommt T. 1048 an →Savoyen. Seit 1136 entwickelt sich städtische Selbstverwaltung. 1280 fällt T. wieder an Savoyen. 1404 wird eine Universität eingerichtet. Von 1861 bis 1865 ist T. Hauptstadt Italiens.

Lit.: Torino, hg. v. Comba, R. u. a., 1993

Türke ist der Angehörige des (nach den Scharen der Hunnen und Awaren schon früh) aus Ostasien (Mongolei) in den Westen kommenden, seit dem Ende des 8. Jahrhunderts zu dem →Islam übertretenden, in dem 11. Jahrhundert unter den →Seldschuken nach Kleinasien (1071 Sieg über Byzanz) eindringenden Turkvolks. In dem 13. Jahrhundert wird das von den Seldschuken gebildete Reich von den Mongolen zerschlagen, doch werden die Türken in dem 14. Jahrhundert unter den →Osmanen (Osman I. 1288?-1326) von Nordwestanatolien aus geeint. An dem 29. 5. 1453 wird Konstantinopel erobert und danach in Istanbul (Est in Polis) umbenannt. 1529 stehen die Türken vor Wien. Unter dem Vorderasien, Nordafrika, den Balkan und die Südukraine beherrschenden Sultan Suleiman, dem Gesetzgebenden oder Prächtigen (1520-1566), erhalten sie ein Gesetz über Landesverwaltung und Finanzverwaltung. Zu der Abwehr der Türken versucht das Heilige römische Reich mehrfach erfolglos, Steuern zu erheben. Seit 1683 (zweite Belagerung Wiens) werden die Türken allmählich aus Europa wieder zurückgedrängt (→Griechenland, Bulgarien, Walachai, Moldawien, Serbien, Bosnien, Herzegowina, 1683-1699 Rückeroberung Ungarns durch Habsburg). 1718 anerkennt der Kaiser des Heiligen römischen Reiches den seit 1453 beanspruchten kaiserlichen Rang. An dem 3. 11. 1839 verspricht der Sultan in dem Erlass von Gülhane (eine Art Verfassung) in freiwilliger Begrenzung seiner Gewalt die Vorbereitung neuer, den Bedürfnissen des Landes entsprechender Bestimmungen (Handelsgesetz 1850 nach dem Vorbild des Code de commerce, Strafgesetz 1858, Handelsprozessordnung 1860, Seehandelsgesetz 1864, Strafprozessordnung 1880, Zivilprozessordnung 1881). In dem ersten Weltkrieg verbündet sich die Türkei mit dem deutschen Reich und Österreich-Ungarn. 1916 ruft sich der Emir von Mekka mit Unterstützung Großbritanniens zu dem König Arabiens aus. 1917 verselbständigt sich der Irak, 1918 lösen sich auch Palästina und Syrien ab. Die Türkei wird teilweise von den Alliierten besetzt. Eine Befreiungsbewegung unter dem General Mustafa Kemal Pascha (Atatürk, Präsident 1923-1938) verlegt die Hauptstadt nach Angora. 1922 wird der Sultan abgesetzt. An dem 23. 10. 1923 wird Angora in Ankara umbenannt. An dem 29. 10. 1923 wird in der Türkei die →Republik ausgerufen. Schrift (Lateinschrift), Maßsystem, Kalender, Wochensystem, Kopfbedeckung und Stellung des Islam in dem Staat werden verwestlicht, das Privatrecht (Einehe) unter Verwendung des Schweizer Zivilgesetzbuchs (1925) völlig neu geregelt. Seit 1964 bemüht sich die 1952 der Nordatlantischen Verteidigungsorganisation beitretende Türkei um den Zugang zu der Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union (2005 Beitrittsverhandlungen begonnen).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 95, 129, 131; Baltl/Kocher; Schulze, W., Reich und Türkengefahr, 1978; Scharlipp, W., Die frühen Türken, 1992; Europa und die Türken in der Renaissance, hg. v. Guthmüller, B. u. a., 2000; Hacisalihoglu, M., Die Jungtürken und die mazedonische Frage, 2003; Höfert, A., Den Feind beschreiben. „Türkengefahr“, 2003; Vásáry, I., Turks, Tatars and Russians, 2007; Kaurmann, T., Türckenbüchlein, 2008; Türkenangst und Festungsbau, hg. v. Heppner, H., 2009; Bürger, C., Türkei ante portas, 2009; Ottomanus, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 2009; Friedrich, M., ‚Türken’ im alten Reich, HZ 294 (2012), 329; Hanioglu, S. Atatürk, 2015; Die Türkenkriege des 18. Jahrhunderts, hg. v. Zimmermann, W. u. a., 2017; Anooshahr, A., Turkestan and the Rise of Eurasian Empires, 2018

Türkei →Türke

Lit.: Velidedeoglu, H., Das Problem der Rezeption in der Türkei im Vergleich mit Rezeptionen in Europa, ZRG GA 75 (1958), 382; Schulze, W., Reich und Türkengefahr, 1978; Hirsch, E., Rezeption als sozialer Prozess, 1984; Türkische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Motika, R. u. a., 1995; Westliches Recht in der Republik Türkei, hg. v. Scholler, H., 1996; Tibi, B., Aufbruch am Bosporus, 1998; Steinbach, U., Geschichte der Türkei, 2000; Hütteroth, W./Höhfeld, V., Türkei, 2. A. 2002; Seufert, G./Kubaseck, C., Die Türkei, 2004; Kieser, H., Vorkämpfer der neuen Türkei, 2005; Carnevale, R. u. a., Europa am Bosperus (er)finden?, 2005; Matschke, K., Das Kreuz und der Halbmond, 2004; Das osmanische Reich und die Habsburgermonarchie, hg. v. Kurz, M., 2005; Krieger, E., Die Europakandidatur der Türkei, 2006; Revolution islamischen Rechts - 80 Jahre schweizerisches ZGB in der Türkei, hg. v. Kieser, H. u. a., 2008; Zick, M., Türkei - Wiege der Zivilisation, 2008; Kramer, H. u. a., Die Türkei und Europa, 2008; Günay, C., Geschichte der Türkei, 2009; Plagemann, G., Von Allahs Gesetz zur Modernisierung per Gesetz, 2009; The Cambridge History of Turkey, hg. v. Fleet, H., Bd. 1 2009; Marek, C., Geschichte Kleinasiens in der Antike, 2010; Günay, C., Die Geschichte der Türkei, 2012; The Oxford Handbook of Ancient Anatolia (10000-323 B. C. E), hg. v. Steadman, S. u. a., 2011; Tröndle, D., Mustafa Kemal Atatürk, 2012; Plaggenborg, S., Ordnung und Gewalt, 2012; Günay, C., Die Geschichte der Türkei, 2012; Mangold-Will, S., Begrenzte Freundschaft – Deutschland und die Türkei 1918-1933, 2013; Ihrig, S., Atatürk in the Nazi Imagination, 3014 (als Vorbild betrachtet); Palabiyik, M., Understanding the Turkish-Armenian controversy over 1915, 2015; Sürek, T., Die Verfassungsbestrebungen der Tanzimât-Periode, 2015; Döring, K., Sultansbrif, 2017

Turku (Abo) in →Finnland wird 1154 erstmals erwähnt. 1276 wird es Sitz eines Bischofs. Danach wird es Hauptstadt (bis 1812). 1640 wird eine 1828 geschlossene, 1920 wiederbegründete Universität (Akademie) eingerichtet, an der seit 1773 auch der bekannteste finnische Rechtswissenschaftler Matthias Calonius (1773-1817) als einziger ordentlicher Professor der juristischen Fakultät lehrt.

Lit.: Wrede, R., Matthias Calonius, 1917

Turnier (N.) ritterliches Kampfspiel in dem Mittelalter

Lit.: Das ritterliche Turnier im Mittelalter, hg. v. Fleckenstein, J., 1985; Barber, R./Barker, J., Tournaments, 1989

turpitudo (lat. [F.]) Schändlichkeit

Lit.: Kaser §§ 9 II 2, 70 I 2

Tutela (lat. [F.]) ist in dem römischen Recht die →Vormundschaft (tutela mulierum, Geschlechtsvormundschaft über Frauen, seit der jüngeren Republik zurückgedrängt).

Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 11 II 1b, 16 I 2a, 20 I 1, 58 IV 6a, 62, 63, 64; Söllner §§ 8, 9, 10; Köbler, DRG 57; Köbler, LAW; Rosa, A. dalla, Cura et tutela, 2014

Tutor (lat. [M.]) ist schon in dem altrömischen Recht der →Vormund. Ihn erhalten der nicht einer Hausgewalt unterworfene gewaltfreie Unmündige (lat. impubes, Knaben bis 14, Mädchen bis 12) und die gewaltfreie Frau. Der t. hat eine treuhänderische Gewalt über Person und Vermögen des Mündels. Dessen Geschäfte bedürfen zu der Wirksamkeit der Bekräftigung (lat. [F.] →auctoritas) des t. Tutor (tutor legitimus) ist der gradnächste Agnat (Bruder, Vatersbruder, Bruderssohn), hilfsweise der nächste Gentile, bei Freigelassenen der Freilasser. Der Hausvater kann in dem Testament einen vorgehenden t. (tutor testamentarius) bestimmen, der die Übernahme ablehnen kann. Fehlt ein gesetzlicher t. und eines testamentarischer t., wird nach der lex Atilia (210 v. Chr.) ein t. bestimmt.

Lit.: Kaser §§ 62, 63; Köbler, DRG 22, 33, 36, 43, 57

Twing →Bann, Zwang

Typenzwang ist die Bindung an bestimmte vorgegebene Rechtsverhältnisse. In dem klassischen römischen Recht besteht bei den Verbindlichkeiten Typengebundenheit, die in dem spätantiken, weströmischen Recht (Vulgarrecht) aufgegeben wird (Typenfreiheit). In der frühen Neuzeit wird die Typengebundenheit des römischen Rechtes nicht übernommen. Dagegen geht das Sachenrecht auch in der Gegenwart von einer geschlossenen Zahl von möglichen Rechtsverhältnissen aus, ebenso das Familienrecht.

Lit.: Kaser § 3 I; Köbler, DRG 42, 62, 164; Dilcher, H., Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Wiegand, W., Numerus clausus der dinglichen Rechte, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 623

Tyrann ist der in Griechenland seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. bekannte gewaltsame Herrscher.

Lit.: Schönstedt, F., Der Tyrannenmord im Spätmittelalter, 1938; Riklin, A., Giannotti, Michelangelo und der Tyrannenmord, 1996; Große Verschwörungen, hg. v. Schultz, U., 1998; Turchetti, M., Tyrannie et tyrannicide, 2001; Jendorff, A., Der Tod des Tyrannen, 2012; Teegarden, D., Death to Tyrants, 2014; Snyder, T., Über Tyrannei, 2017

Tyrnau (in der Westslowakei)

Lit.: Mestská kniha príjmov trnavskej farnosti, hg. v. Rábik, V., 2006; Juristenausbildung in Osteuropa bis zu dem ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Švecová. A., Deutsch-slowakische interlinguale Parallelen in der Erbrechtsrrerminologie am Beispiel der Tyrnauer Bürgertestamente des 18. und de ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 136 (2019), 229

U

Überbau ist die Errichtung eines Gebäudes über die Grenze eines →Grundstücks. Der Ü. muss in dem römischen Recht in engen Grenzen geduldet werden. Ansonsten hat der Eigentümer des überbauten Grundücks einen Beseitigungsanspruch wegen der Verletzung seines Eigentums. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) schützt weitergehend jeden rechtmäßigen Ü., gewährt aber auch einen Beseitigungsanspruch gegenüber dem rechtswidrigen Ü.

Lit.: Kaser § 23 III 4; Hübner; Kroeschell, DRG 3; Wolff, M., Der Bau auf fremden Boden, 1900; Ebel, W., Überbau und Eigentum, AcP 141 (1935), 183

Übereignung (1663) ist die Übertragung des →Eigentums an einer →Sache. Sie erfolgt in dem altrömischen Recht bei einer (lat.) res (F.) mancipi (handgreifbaren Sache) durch (lat. [F.]) →mancipatio, sonst durch (lat. [F.]) traditio (Übergabe). Für das Frühmittelalter sind ahd. →sala (Gabe) und giwerida (→Gewere) bedeutsam, ohne dass deren Verhältnis zueinander völlig eindeutig ist. Von Köln aus dringt seit dem 12. Jahrhundert die Eintragung in →Schreinskarten für Grundstücksübereignungen vor. Der Sachsenspiegel (1221-1224) erfordert für die Ü. von Eigen und Leuten →Erbenlaub und Vornahme vor Gericht. Nach →Accursius († vor 1263) wird wohl Eigentum übertragen, wenn ein rechtmäßiger Grund für die Übertragung (iusta causa traditionis) und ein Übereignungswille vorliegen. In der frühen Neuzeit setzt sich die Lehre von dem (lat.) →modus (M.) acquirendi (Erwerbsart) durch, doch entscheidet sich beispielsweise Frankreich 1804 (Portalis) für die Eigentumsübertragung durch bloßen Vertrag (Kaufvertrag, Konsens). →Savigny entwickelt demgegenüber den besonderen sachenrechtlichen Vertrag der →Einigung (abstrakte Einigung und Übergabe oder Übergabeersatz). Er findet Eingang in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900), so dass zu der Ü. ein dinglicher Vertrag und eine Übergabe erforderlich sind, die gegenüber einem schuldrechtlichen Grundgeschäft (z. B. Kauf, Schenkung) abstrakt sind. Bei Grundstücken wird die →Eintragung in das Grundbuch unabdingbar (Einigung und Eintragung). →Abstraktion

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 124, 163, 174, 211, 269; Felgentraeger, W., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927; Richter, G., Die Grundstücksübereignung im ostfälischen Sachsen, 1934; Conrad, H., Liegenschaftsübertragung und Grundbucheintragung, 1935; Mayer-Edenhauser, T., Das Recht der Liegenschaftsübereignung, 1937; Voser, P., Die altdeutsche Liegenschaftsübereignung, Diss. jur. Zürich 1952; Oeckinghaus, A., Kaufvertrag und Übereignung, 1973; Ranieri, F., Die Lehre der abstrakten Übereignung, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 90; Wesener, G., Zur naturrechtlichen Lehre vom Eigentumserwerb, 1977, 90, FS N. Grass, 1986, 433; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübereignung, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schindler, K., Kausale oder abstrakte Übereignung, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Schrage, E., Traditionibus et usucapionibus, non nudis pactis dominia rerum transferuntur. Die Wahl zwischen dem Konsens- und dem Traditionsprinzip in der Geschichte, (in) Ins Wasser geworfen, hg. v. Ascheri, M. u. a., 2003, 913; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Überfall ist in dem Sachenrecht die von einem Baum oder Strauch auf ein Nachbargrundstück hinüberfallende →Frucht. Nach altrömischem Recht darf der Eigentümer den Ü. jeden zweiten Tag von dem fremden Grundstück holen. Nach der Sachsenspiegelglosse (14. Jahrhundert) gehört der Ü. dem fremden Grundstückseigentümer. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) lässt dem fremden Grundstückseigentümer den Ü.

Lit.: Kaser § 23 III 2; Hübner; Grimm, J., Etwas über den Überfall, Z. f. gesch. Rechtswiss. 3 (1816), 350; Schmidt, A., Das Recht des Überhangs und des Überfalls, 1886; Luig, K., Die sozialethischen Werte, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 281

Übergabe (Nürnberg 1479/1484) ist die Verschaffung des unmittelbaren →Besitzes (oder der bloßen Herrschaftsgewalt bei Fehlen eines Besitzwillens) an einer Sache durch Übertragung der tatsächlichen Herrschaftsgewalt. Als (lat. [F.]) traditio, die →Eigentum verschaffen kann, erscheint die Ü. bereits in dem altrömischen Recht. Sie hat für die Verschaffung von Besitz oder Eigentum bis in die Gegenwart Bedeutung. Bei formloser Ü. einer Manzipiumssache (lat. [F.] res mancipi] erlangt der Erwerber nur bonitarisches, nicht ziviles Eigentum. Nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird das Eigentum an beweglichen Sachen durch Einigung (dinglicher Vertrag) und Ü. oder Übergabesurrogat (z. B. Besitzkonstitut, Übergabe kurzer Hand) verschafft.

Lit.: Kaser § 24; Hübner; Köbler, DRG 25, 125; Kocher, G., Richter und Stabübergabe, 1971; Wacke, A., Das Besitzkonstitut als Übergabesurrogat, 1974; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Übergang (um 765 belegt) ist das Überschreiten einer bisherigen Grenze und der dafür vorgesehene Weg.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Überhang ist der von einem Nachbargrundstück herüberragende Zweig oder die von dort eingedrungene Wurzel. Nach altrömischem Recht kann der beeinträchtigte Nachbar von dem Eigentümer Abhilfe verlangen und bei deren Ausbleiben selbst handeln. Nach dem Sachsenspiegel (1221-1224) darf kein Ast zu dem Schaden des Nachbarn über die Grenze ragen. Nach unterschiedlichen partikularen Regelungen gewährt das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) dem beeinträchtigten Nachbarn einen Beseitigungsanspruch, der durch →Selbsthilfe verwirklicht werden kann.

Lit.: Kaser § 23 III 1; Hübner; Schmidt, A., Das Recht des Überhangs und Überfalls, 1886; Luig, K., Die sozialethischen Werte, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 281

Überküren (afries. urkera) sind 7 neue →Küren des friesischen Rechtes, die u. a. die Verfassung des Bundes von →Upstallsbom enthalten.

Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840; His, R., Die Überlieferung der friesischen Küren und Landrechte, ZRG GA 57 (1937), 58; Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981

Übermaßverbot ist das den Staat betreffende Verbot, seine Rechte stärker zu Lasten der Bürger zu nutzen, als dies zu der Erreichung des angestrebten Zweckes notwendig ist.

Lit.: Remmert, B., Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen des Übermaßverbotes, 1995

Übersetzungsproblem ist das Problem des zutreffenden Verständnisses eines fremdsprachigen Textes. Dieses Ü. verstärkt sich in dem Frühmittelalter dadurch, dass die in einer Volkssprache (z. B. Althochdeutsch) verlaufende Rechtswirklichkeit überhaupt fast ausschließlich in einer Fremdsprache (Latein) aufgezeichnet wird und aus dieser erschlossen werden muss. Das Verständnis des frühmittelalterlichen lateinischen Wortes (z. B. frühmal. lat. civis) kann dabei dadurch erleichtert werden, dass man die Wiedergabe lateinischer Wörter in Texten des Altertums (z. B. lat. civis) durch Übersetzungen in frühmittelalterliche Volkssprachen (sog. Übersetzungsgleichungen) berücksichtigt (z. B. ahd. gibur).

Lit.: Köbler, DRG 79; Köbler, WAS; Heck, P., Übersetzungsprobleme im frühen Mittelalter, 1931; Hattenhauer, H., Zum Übersetzungsproblem, ZRG 81 (1964), 341; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984; Olberg, G. v., Übersetzungsprobleme, ZRG GA 110 (1993), 406; Köbler, G., Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1993; Köbler, G., Lateinisch-althochdeutsches Wörterbuch, 1996

Übersiebnen ist den Angeklagten durch Kläger und sechs Eidhelfer Überführen in dem Mittelalter. Die Siebenzahl könnte auf den Reinigungseid des Beklagten mit 6 Eidhelfern zurückgehen. Das Ü. findet bei →handhafter Tat und →landschädlichen Leuten statt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Knapp, H., Das Übersiebnen der schädlichen Leute, 1910; Wakasone, K., Zur Entstehung des Übersiebnungsverfahrens, FS L. Carlen, 1989, 211

Übertragung (1486) ist der gewillkürte Übergang eines Rechtes oder einer Rechtsstellung auf einen anderen Menschen oder auch eine andere Person. →Übereignung, →Abtretung, →Einigung, →Übergabe

Lit.: Köbler, DRG 90, 124, 212; Dyckerhoff, E., Die Entstehung des Grundeigentums, 1909; Merk, W., Die Grundstücksübertragung, ZRG GA 56 (1936), 1; Fehr, H., Übertragungssymbole, ZRG GA 64 (1944), 276; Hagemann, H., Übertragungen mit Nutzungsvorbehalt, Archiv d. hist. Ver. d. Kantons Bern 44 (1960), 339; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Übertretung ist zeitweise die einfachste Form einer Straftat (z. B. Ruhestörung). Die Ü. wird in dem 18. Jahrhundert mit der ein vereinfachtes Verfahren ermöglichenden Strafverfügung des Polizeirechts verfolgt. Sie wird als bloßes Delikt in formellem Sinn von der präventiv handelnden Polizei bekämpft. Nach französischem Vorbild steht sie als (franz. [F.]) contravention neben →Verbrechen und →Vergehen. Nach →Binding (1872) ist die Ü. Ungehorsamsdelikt. 1952/1975 wird die Ü. wegen ihrer großen Zahl aus dem Strafrecht ausgeschieden und in ein eigenes Recht der →Ordnungswidrigkeit überführt.

Lit.: Köbler, DRG 204; Binding, K., Die Normen, Bd. 1f. 1872ff.; Mattes, H., Untersuchungen zur Lehre von den Ordnungswidrigkeiten, Bd. 1ff. 1977ff.; Frommel, M., Präventionsmodelle, 1987

Überweisung

Lit. Djazayeri, A., Die Geschichte der Giroüberweisung, 2011

Überzeugungstäter ist der aus innerer Überzeugung sich zu einer Straftat verpflichtet oder berechtigt fühlende Täter. Je nach der Wertigkeit seiner Überzeugung kann er milder bestraft werden.

Lit.: Ebert, U., Der Überzeugungstäter, 1975

Ubi cessat ratio legis, cessat (ipsa) lex (lat.). Wo der Sinn eines Gesetzes nicht eingreift, verliert das Gesetz seine Gültigkeit.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Ubi rem meam invenio, ibi eam vindico (lat.). Wo ich meine Sache finde, dort verlange ich sie heraus.

Lit.: Liebs D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Ubi societas ibi ius (lat.). Wo (immer) es eine Gesellschaft gibt, da gibt es (auch) Recht.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Cocceji, H. v., 1644-1719)

Uelzen

Lit.: Urkundenbuch der Stadt Uelzen, bearb. v. Vogtherr, T., 1988; Vogtherr, T., Uelzen, 1997; Vogtherr, H., Tile Hagemanns Uelzen, 2009

Ukraine ist das 1667 mit dem Dnjepr als Grenze zwischen →Polen und →Russland geteilte, an dem Ende des 18. Jahrhundert um Teile Polens erweiterte Gebiet, in dem an dem 19. 11. 1917 die Ukrainische Volksrepublik ausgerufen wird. Danach wird innerhalb der Sowjetunion das sozialistische Recht eingeführt. 1996 erhält die aus der →Sowjetunion als flächenmäßig zweitgrößter Staat (bevölkerungsmäßig sechstgrößter Staat) Europas wieder verselbständigte U. eine demokratische Verfassung.

Lit.: Jakowliw, A., Das deutsche Recht in der Ukraine, 1942; Allen, W., The Ukraine, 1963; Kappeler, A., Kleine Geschichte der Ukraine, 1994, 2. A. 2000; Ukraine, hg. v. Jordan, P. u. a. 2001; Die neue Ukraine, hg. v. Simon, G., 2002; Milow, C., Die ukrainische Frage 1917-1923, 2002; Kappeler, A., Der schwierige Weg zur Nation, 2003; Die Ukraine in Europa, hg. v. Besters-Dilger, J., 2003; Ukraine at a Crossroads, hg. v. Hayoz, N., 2005; Investitionsführer Ukraine, 2006; Dietsch, J., Making Sense of Suffering, 2006; Hülshörster, S., Recht im Umbruch, 2008; Golczewski, F., Deutsche und Ukrainer 1914-1939, 2009; Snyder, T., Der König der Ukraine, 2009; Rechtswissenschaft in Osteuropa, hg. v. Pokrovac, Z., 2010; Die Ukraine auf dem Weg nach Europa, hg. v. Besters-Dilger, J., 2011; Schnell, F., Räume des Schreckens. Gewalt und Gruppenmilitanz in der Ukraine 1905-1933, 2012; Schaller, H., Ukrainistik in Europa, 2013; Struve, K., Deutsche Herrschaft, ukrainischer Nationalismus, antijüdische Gewalt, 2015; Kappeler, A., Ungleiche Brüder – Russen und Ukrainer, 2017; Krüger, K./Rothe, H., Ukrainisch-deutsches Wörterbuch, 2019

Ulm an der Donau erscheint 854 als Pfalz des Königs und wird in dem 13. Jahrhundert (1258?, 1274?) →Reichsstadt. Sein 1376 in dem Roten Buch aufgezeichnetes Stadtrecht wird an viele Tochterstädte verliehen. 1810 fällt U. an →Württemberg.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das rote Buch der Stadt Ulm, hg. v. Mollwo, C., 1905; Hellmann, F., Zur Geschichte des Konkursrechtes der Reichsstadt Ulm, 1909; Lübke, K., Die Verfassung der freien Reichsstadt Ulm, Diss. jur. Tübingen 1935; Ernst, M., Zur älteren Geschichte Ulms, Mitteilungen des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben 30 (1937), 1; Lübke, K., Die Verfassung, Diss. jur. Tübingen 1956; Gänßlen, G., Die Ratsadvokaten und Ratskonsulenten, Diss. jur. Tübingen 1956; Hannesschläger, K., Die freie Reichsstadt Ulm. Diss. jur. Tübingen 1956; Kleinbub, M., Das Recht der Übertragung und Verpfändung von Liegenschaften in der Reichsstadt Ulm, 1961; Neusser, G., Das Territorium der Reichsstadt Ulm im 18. Jahrhundert, 1964; Gänßlen, G., Die Ratsadvokaten und Ratskonsulenten der Reichsstadt Ulm, 1966; Schmitt, U., Villa regalis Ulm, 1974; Specker, H., Ulm, 1977; Göggelmann, H., Das Strafrecht der Reichsstadt Ulm, 1984; Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit, Bd. 8, hg. v. Kremmer, S. u. a., 2007; Scholl, C., Die Ulmer Judengemeinde im späten Mittelalter, 2013 (im 15. Jahrhundert vielleicht 100 Menschen); Herkle, S., Reichsstädtisches Zunfthandwerk, 2014; Armer, S., Friedenswahrung, Krisenmanagement und Konfessionalisierung, 2015 (Ulm 1554-16299

Ulpian (Ulpianus), Domitius (Tyros in Phönizien 170?-Rom 223 [ermordet]) ist Schüler und wie →Paulus vielleicht seit 203/205 Assessor des Gardepräfekten →Papinian(us), danach Leiter der kaiserlichen Kanzlei für Privateingaben und 222 Getreidepräfekt. Die →Digesten, die zu fast einem Drittel aus (mehr als 2400) Ulpianfragmenten bestehen, lassen 26 Werke mit rund 240 Büchern erkennen, in denen U. den unübersichtlich gewordenen Rechtsstoff in Gesamtdarstellungen wiederzugeben und dabei aus mehreren Lösungen die ihm die beste erscheinende auszuwählen versucht. 83 Bücher betreffen das prätorische und ädilizische Edikt, 51 Bücher die (lat.) iuris civilis libri (M.Pl.) III (3 Zivilrechtsbücher) des Sabinus, 29 Bücher die augusteische Gesetzgebung, 22 Bücher (lat.) pandectae (F.Pl., Pandekten), 7 Bücher (lat.) regulae (F.Pl., Regeln) und 2 Bücher (lat.) institutiones (F.Pl., Institutionen). U. ist einer der sog. Zitierjuristen von 426. Von U. stammt (vielleicht) u. a. die Wendung (lat.) →iustitia est constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuendi. Iuris praecepta sunt haec - honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere (Gerechtigkeit ist der ständige Wille, jedem sein Recht zu gewähren. Die Vorschriften des Rechtes sind: ehrbar leben, den anderen nicht verletzen, jedem das Seine geben). Außerdem wird auf ihn eine Unterscheidung von (lat.) ius (N.) publicum (öffentlichem Recht) und ius privatum (privatem Recht) zurückgeführt. 223 wird U. bei einem Aufstand der Prätorianergarde wohl wegen seiner strengen Verfolgung von Rechtsverletzungen ermordet. Verschiedene mit seinem Namen verbundene Werke (z. B. [lat.] tituli [M.Pl.] ex corpore Ulpiani, Titel aus dem Werk Ulpians) stammen nicht von ihm.

Lit.: Söllner §§ 16, 19, 22; Köbler, DRG 30, 52, 53; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 245; Honoré, T., Ulpian, 1982; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987

Ultra posse nemo obligatur (lat.). Über sein Können hinaus wird niemand verpflichtet.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Umbrien ist die mittelitalienische Binnengebirgslandschaft, die in der Völkerwanderung von den Römern an die Langobarden (Herzogtum Spoleto) übergeht. 1549 gelangt U. an den →Kirchenstaat. 1860 geht es in →Italien auf.

Lit.: Conti, P., Il ducato di Spoleto, 1982; Italien-Lexikon, hg. v. Brütting, R., 1995, 2. A: 2015

Umdeutung ist die Ersetzung eines gewollten, aber nichtigen Rechtsgeschäfts durch ein anderes, nicht gewolltes, aber in seinen Voraussetzungen gegebenes zulässiges Rechtsgeschäft. Die U. erscheint verschiedentlich bereits in dem römischen Recht.

Lit.: Kaser § 9 I 3

Ume, Kenjirô (1860-1910), Arztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tokio, Lyon (1886-1889) und Berlin (Eck, Kohler, Brunner) 1890 Professor in Tokio. Er verfasst mit Hozumi und Tomii das Bürgerliche Gesetzbuch →Japans von 1896/1898 und mit anderen das Handelsgesetzbuch von 1899. Von ihm stammt ein wichtiger Handkommentar zu dem Bürgerlichen Gesetzbuch (Minpô Yôgi, Bd. 1ff. 1896ff., Neudruck 1984). Er gilt als bedeutendster Jurist Japans.

Lit.: Higashikawa, T., Hakushi Ume Kenjiro, 1917; Waga-minpô no chichi Ume Kenjiro, 1992

Umfahrt ist die Fahrt des Herrschers durch sein Reich nach Herrschaftsbeginn in dem fränkischen Frühmittelalter (z. B. 533). →Umritt

Lit.: Schücking, W., Der Regierungsantritt, 1899; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Holenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991

Umgehungsgeschäft ist das Geschäft, durch das die Beteiligten einen Zweck erreichen wollen, den sie wegen des Verbots oder der Folgen eines anderen Geschäfts mit diesem nicht oder nicht in dieser Weise erreichen können. Das U. ist bereits früh erkennbar. In bekannten Beispielen wird etwa das →kanonische Zinsverbot umgangen. In einem weiten Sinn sind auch Scheinverfahren Umgehungsgeschäfte (z. B. lat. [F.] →in iure cessio). Das U. ist grundsätzlich unzulässig, setzt sich aber in manchen Fällen durch.

Lit.: Köbler, DRG 21, 25, 40; Schröder, J., Gesetzesauslegung und Gesetzesumgehung, 1985; Benecke, M., Gesetzesumgehung im Zivilrecht, 2004

Umritt ist der Ritt des Herrschers durch sein Reich nach Herrschaftsbeginn in dem Mittelalter (z. B. 508, 1024). →Umfahrt

Lit.: Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938, 2. unv. A. 1944, Neudruck 1965, 1981, 48; Schmidt, R., Königsritt und Huldigung, (in) Vorträge und Forschung 6, 2. A. 1981; Holenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991

Umsatzsteuer ist die Steuer von dem zu versteuernden und steuerpflichtigen Umsatz von Lieferungen und sonstigen Leistungen eines Unternehmers. Sie ist eine auf den Verbraucher überwälzte →Verbrauchsteuer. In Bremen wird sie 1862 als Ersatz der Akzise zu dem 1. 1. 1863 eingeführt (bis 30. 6. 1884). Mit Gesetz von dem 30. 6. 1864 erheben die Vereinigten Staaten von Amerika nach ersten Vorläufern von 1862 (3 Prozent) eine allgemeine U. zu der Beseitigung der durch den Sezessionskrieg ausgelösten Finanznot (Produktionssteuer, 5 Prozent, bis 1870 weitgehend aufgehoben). In dem Deutschen Reich wird durch das Gesetz über einen Warenumsatzstempel von dem 26. 6. 1916 (u. a. Johannes Popitz) ein Vorläufer der U. geschaffen. Dem folgen nach einer Verordnung des Bundesrats von dem 2. 5. 1918 das wegen der Finanznot des Deutschen Reiches geschaffene Umsatzsteuergesetz von dem 26. 7. 1918 und das Umsatzsteuergesetz von dem 24. 12. 1919 (Frankreich 1917, Italien 1919, Belgien 1921). An dem Ende des 20. Jahrhunderts gewinnt die U. (seit 1. 1. 1968 als Mehrwertsteuer bzw. Allphasennettoumsatzsteuer mit Vorsteuerabzug) an Bedeutung, weil sie nicht unmittelbar in dem Preis erkennbar ist. →Akzise, →Ungeld

Lit.: Köbler, DRG 233, 251; Grabower, R., Die Geschichte der Umsatzsteuer, 1925; Franke, H., Die Geschichte der Reichs-Umsatzsteuer, Diss. jur. Köln 1941; Grabower, R., Die Umsatzsteuer, 2. A. 1962; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Gehm, M., Die Entstehung der Reichsumsatzsteuer, ZRG GA 126 (2009), 235

Umstand ist in dem Verfahrensrecht die um Richter und Urteiler (Schöffen) stehende Gesamtheit der Menschen in dem Frühmittelalter. Das →Urteil bedarf der auch durch Schweigen möglichen Genehmigung durch den U. Schon in dem Frühmittelalter und in dem Hochmittelalter (Sachsenspiegel, Landrecht II, 12, 10, 14) scheidet der U. aber als bloße →Öffentlichkeit aus der Urteilsbildungstätigkeit allmählich aus.

Lit.: Köbler, DRG 70, 75; Sohm, R., Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871, 372; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines, 1981; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985

Umwelt ist die Gesamtheit der die natürlichen Lebensbedingungen der Menschen bildenden Gegenstände. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (genauer seit etwa 1970 bzw. 1969-1975) wird erkannt, dass die große Zahl der auf der Erde lebenden Menschen durch ihre industrialisierte Lebensweise die U. (Luft, Wasser, Boden) insgesamt gefährdet. Zu der Steuerung dieser Gefährdung werden nach Einzelgesetzen (z. B. Wassergesetz Preußens [bereits] von dem 1. Mai 1914) ein Umweltstrafrecht (Deutschland seit 1975), ein Umwelthaftungsrecht (1991) und ein Umweltschadensrecht (2007) entwickelt. An Einzelbereichen sind dabei für Deutschland bedeutend Abfallbeseitigungsgesetz 1972, Chemikalienrecht 1972/1980, Luftreinhaltung 1974, Gewässerschutzrecht 1975/1976, Waldschutz- und Naturschutzrecht 1975/1976, Stagnation 1977-1986/1989, Integration in das Verfassungsrecht 1990-1997, Umweltverträglichkeitsprüfung 1990, Gentechnikgesetz 1990, Tiere sind keine Sachen 1990, Umwelthaftung 1990, Öko-Audit 1993/1995, Verbandsklage, Kreislaufwirtschaft 1991/1994, ökologischer Landbau 1991, Beschleunigungsgesetze 1991/1996, Umweltinformationsgesetz 1994, nachhaltigkeitsorientierte Reform in dem Raumordnungs- und Baurecht 1997, Bundesbodenschutzgesetz 1998, nachhaltigkeitsorientierte Reform des Energierechts 1998-2002 sowie unvollendetes Kodifikationsprojekt, für Österreich Immissionsschutzrecht ab 1973, Forst- und Naturschutzrecht 1975/1976, Atomsperrgesetz 1978, Umwelt-Verfassungsrecht 1984, Abfallwirtschaftsgesetz 1990, Gewässerschutzrecht 1990, als Mitglied der Europäischen Union 1995 Übernahme des europäischen Umweltrechts, Problem des alpenquerenden Verkehrs, Nachhaltigkeit und Schutz der Erdatmosphäre und für die Schweiz Natur- und Heimatschutzgesetz 1966, Umweltschutz als Staatsziel 1971, Gewässerschutzgesetz 1971, Raumplanungsgesetz 1979, Umweltschutzgesetz 1983, Waldgesetz 1991, Alpenschutzartikel 1994, Revision des Umweltschutzgesetzes 1995, Landwirtschaftsgesetz 1998, Bundesverfassung von dem 18. April 1999, Kohledioxidgesetz 1999 sowie Annäherungen an eine nachhaltigkeitsorientierte Reform des Energierechts. Aktuell wird geschätzt, dass in der global (z. B. durch Straßenbeleuchtung) verschwendeten Lichtenergie 750 Millionen Tonnen des Treibhausgases CO2 stecken, wobei etwa Licht mit einem hohen Blauanteil (z. B. an dem Bildschirm) die Ausschüttung des Ruhehormons Melatonin verhindert.

Lit.: Köbler, DRG 249, 250, 265; Tiedemann, K., Die Neuordnung des Umweltstrafrechts, 1980; Besiegte Natur, hg. v. Brüggemeier, F. u. a., 1987; Umwelt in der Geschichte, hg. v. Herrmann, B., 1989; Hager, G., Das neue Umwelthaftungsgesetz, NJW 1991, 134; Brüggemeier, F./Rommelspacher, T., Blauer Himmel über der Ruhr, 1992; Umweltgeschichte, hg. v. Abelshauser, W., 1994; Kloepfer, M., Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, 1994; Umweltgeschichte, hg. v. Abelshauser, W., 1994; Fischer, R., Umweltschützende Bestimmungen im römischen Recht, Diss. jur. Augsburg 1995; Büschenfeld, J., Flüsse und Kloaken, 1999; Sporn, T., Pfister gegen Krickerode, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bloy, R., Umweltstrafrecht, JuS 1997, 577; Radkau, J., Natur und Macht, 2000; Büker, D., Mensch – Kultur – Abwasser, 2000; Glaser, R., Klimageschichte Mitteleuropas, 2001, 2. A: 2008, 3. A. 2013; Lies-Benachib, G., Immissionsschutz im 19. Jahrhundert, 2002; Marquardt, B., Umwelt und Recht in Mitteleuropa, 2003; Winiwarter, V., Umweltgeschichte, 2004; Hünemörder, K., Die Frühgeschichte der globalen Umweltkrise und die Formierung der deutschen Umweltpolitik (1950-1973), 2004; How Green Were the Nazis, hg. v. Brüggemeier, F. u. a., 2005; Freytag, N., Deutsche Umweltgeschichte, HZ 283 (2006), 383; Behringer, W., Kulturgeschichte des Klimas, 2007; Winiwarter, V. u. a., Umweltgeschichte, 2007; Rohr, C., Extreme Naturereignisse im Ostalpenraum, 2007; Mildenberger, F., Umwelt als Vision, 2007; Landnutzung und Landschaftzsentwicklung im deutschen Südwesten, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2009; Manuelshagen, F., Klimageschichte der Neuzeit 1500-1900, 2010; Reith, R., Umweltgeschichte der frühen Neuzeit, 2011; Umweltgeschichte(n) - Ostmitteleuropa von der Industrialisierung bis zum Postsozialismus, hg. v. Herzberg, J. u. a., 2013; Schulz-Walden, T., Anfänge globaler Umweltpolitik, 2013; Knoll, M., Die Natur der menschlichen Welt, 2013; Aberth, J., An Environmental History of the Middle Ages – The Crucible of Nature, 2013; Fäßler, P., Umweltgeschichte, 2014; Brüggemeier, F., Schranken der Natut, 2014; Brooke, J., Climate Change and the Course of Global History, 2014; Uekötter, F., Deutschland in Grün, 2015; Wirtschaft und Umwelt, hg. v. Schulz, G. u. a., 2015; Schellnhuber, H., Selbstverbrennung, 2015; Huff, T., Natur und Industrie im Sozialismus, 2015; Kliimaschutzrecht zwischenn Wunsch und Wirklichkeit, hg. v. Kirchengast, G. u. a., 2017; Pollution and the Environment in Ancient Life and Thought, hg. v. Cordovana, O. u. a., 2017; 2017; Ross, C., Ecology and Power in the Age of Empire, 2017

UN-Kaufrecht ist das an dem Ende des 20. Jahrhunderts von den →Vereinten Nationen zu der Erleichterung des Handelsverkehrs entwickelte Kaufrecht.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Reinhart, UN-Kaufrecht, 1991; Karollus, M., Der Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, JuS 1993, 378

Unabhängigkeit ist das Fehlen einer Abhängigkeit (z. B. zugunsten einer bisherigen Kolonie von dem Mutterland oder der Rechtsprechung von der ausführenden Gewalt). Die U. des Richters wird in dem 18. Jahrhundert als Notwendigkeit erkannt (England 1701). Sie setzt sich in dem 19. Jahrhundert (1848, Preußen 1850) durch.

Lit.: Köbler, DRG 200; Kroeschell, DRG 3; Klüber, J., Die Selbständigkeit des Richteramtes, 1832; Aubin, G., Die Entwicklung der richterlichen Unabhängigkeit, 1906; Plathner, G., Der Kampf um die richterliche Unabhängigkeit, 1935; Eichenberger, K., Die richterliche Unabhängigkeit, 1960; Die Unabhängigkeit des Richters, hg. v. Simon, D., 1975; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986; Immisch, L., Der sozialistische Richter in der DDR, 1997; Baer, A., Die Unabhängigkeit der Richter in der Bundesrepublik und in der DDR, 1999

Unabhängiger Verwaltungssenat (UVS) ist in Österreich der das fehlende Verwaltungsgericht vertretende Entscheidungsträger über die Rechtmäßigkeit verfahrensfreier (nicht an die Form eines Bescheids gebundener) Verwaltungsakte. Gegen seine Bescheide ist die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof möglich.

unbeerbt (nicht mit einem [Abkömmling als] Erben versehen)

unbeweglich (Adj., lat. immobilis) ohne Zerstörung nicht bewegbar

Unehelich (1275) ist die durch das Fehlen einer Ehe gekennzeichnete Bestimmung. Insbesondere kann ein Kind u. sein. In dem römischen Recht ist zunächst das uneheliche Kind wenig bedeutsam und gilt als (lat.) persona (F.) sui iuris (Person eigenen Rechtes). Seit der Zeitenwende wird das uneheliche Kind zugunsten der Ehe benachteiligt. Danach bekämpft die →Kirche die Unehelichkeit. Sie erreicht, dass das uneheliche Kind als nicht mit dem Vater verwandt gilt und deshalb kein Erbrecht nach ihm hat, wobei aber verschiedene Arten von unehelichen Kindern unterschieden werden können. (z. B. Hurenkinder, Brautkinder). Erst seit der Aufklärung ändert sich die Benachteiligung des unehelichen Kindes allmählich. In Norwegen erfolgt die Gleichstellung 1915, in Dänemark 1937. In Deutschland scheitern Reformbestrebungen 1925-1929 und 1940. 1969 wird das Wort u. durch →nichtehelich ersetzt und die Rechtsstellung inhaltlich verbessert (ab 1970 auch mit dem nichtehelichen Vater verwandt), doch erfolgt erst zu dem 1. 4. 1998 die sachliche Beseitigung der Unterschiede (Österreich 1989).

Lit.: Kaser §§ 13 II 1b, 61 II; Kroeschell, 20. Jahrhundert; Köbler, DRG 88, 120, 160, 210, 267; Brunner, H., Die uneheliche Vaterschaft, ZRG GA 17 (1896), 1; Bückling, G., Die Rechtsstellung der unehelichen Kinder, 1920; Weitnauer, A., Die Legitimation, 1940; Schubart-Fikentscher, G., Die Unehelichen-Frage, 1967; Winterer, H., Die Stellung der unehelichen Kinder, ZRG GA 87 (1970), 32; Herrmann, H., Die Stellung unehelicher Kinder, 1971; Leineweber, A., Die rechtliche Beziehung des nichtehelichen Kindes zu seinem Erzeuger, 1978; Köbler, G., Das Familienrecht in der spätmittelalterlichen Stadt, (in) Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ellrichshausen, E., Die uneheliche Mutterschaft im altösterreichischen Polizeirecht, 1988; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Illegitimität im Spätmittelalter, hg. v. Schmugge, L. u. a., 1994; Schmugge, L., Kirche, Kinder, Karrieren, 1995; Bors, M., Bescholtene Frauen vor Gericht, 1998; Buske, S., Fräulein Mutter und ihr Bastard, 2004; Lochner, D., Das uneheliche Kind im rheinischen Recht, 2006; Berg, T., Die Entwicklung des Sorgerechts der Mütter nichtehelicher Kinder in Deutschland vom Inkrafttreten des BGB bis heute, 2012; McDougall, S., Royal Bastards – The Birth of Illegitimacy 800-1230, 2017

Unehrlich ist die durch Fehlen der Ehrlichkeit gekennzeichnete Bestimmung. In dem römischen Recht ist der (lat.) infamis von Prozesshandlungen und Ämtern ausgeschlossen. In Hochmittelalter und Frühneuzeit sind verschiedene Tätigkeiten u. (z. B. Henker, Totengräber, Bader, Prostituierte). Wer u. ist, kann bestimmte Tätigkeiten nicht ausüben. Als Folge der Aufklärung verschwindet die äußerliche Unehrlichkeit (Frankreich 1789).

Lit.: Kaser § 13 III; Hübner; Gernhuber, J., Strafvollzug und Unehrlichkeit, ZRG GA 74 (1957), 119; Oppelt, W., Über die Unehrlichkeit des Scharfrichters, 1976; Danckert, W., Unehrliche Leute, 2. A. 1979; Deutsch, A., Die Henker, 2001

unerlaubt (1433) von dem Recht oder von dem Berechtigten nicht erlaubt

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Unerlaubte Handlung (1789 Hugo, Delikt) ist die von dem Recht nicht erlaubte Handlung, die bei einem →Schaden eines anderen einen Schadensersatzanspruch begründen kann. Die u. H. ist seit den Anfängen des Rechtes bekannt. Zu den verletzbaren Rechtsgütern gehören vor allem der Körper und das Eigentum des Menschen (Tötung, Körperverletzung, Diebstahl, Sachbeschädigung). Eine bedeutsame Regelung des Rechtsbereichs bringt die (lat.) →lex (F.) Aquilia de damno (286 v. Chr., aquilisches Gesetz über den Schaden). Die frühmittelalterlichen Volksrechte sehen jeweils →Wergeld und Buße vor, bis sich an dem Beginn des Hochmittelalters (11. Jahrhundert) →Strafe und Schadensersatz trennen. In dem 19. Jahrhundert werden für die u. H. Handlung, Rechtswidrigkeit und Schuld gefordert. Die gesetzliche Regelung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (1900) findet sich in den §§ 823ff. Sie geht von einzelnen, geschützten Rechten und Rechtsgütern aus. Über die Haftung für eigenes Verhalten hinaus wird auch die Haftung für andere (Verrichtungsgehilfen), für Tiere und für Sachen in bestimmten Gestaltungen (z. B. Bauwerk) erfasst.

Lit.: Kaser §§ 50, 51; Hübner 608; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 140, 216, 217, 271; Jentsch, H., Die Entwicklung von den Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur Generalnorm, 1939; Lange, H., Schadensersatz und Privatstrafe, 1955; Caemmerer, E. v., Wandlungen des Deliktsrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1964, 49; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe, 1970; Becker, W., Das Recht der unerlaubten Handlung, 1976; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Comparative Studies in the Development of the Law of Torts in Europe, hg. v. Bell, J., Bd. 1ff. 2012

Unfall ist das ungewollte, vielfach Schaden verursachende Ereignis.

Lit.: Eckhardt, M., Technischer Wandel und Rechtsevolution, 2001

Unfallflucht (Verkehrsunfallflucht, unerlaubtes Entfernen von dem Unfallort) ist das mit Strafe bedrohte, rechtspolitisch und verfassungsrechtlich umstrittene Verlassen des Ortes eines Straßenverkehrsunfalls durch einen Beteiligten ohne Zustimmung der Verletzten. Vorläufer sind eine Verordnung über das Verhalten von Schiffen nach einem Zusammenstoß auf See von 1876 und eine Verordnung des Großherzogtums Hessen von 1899. 1909 wird eine entsprechende Bestimmung über Fahrerflucht als § 22 in das Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen aufgenommen, die 1940 als § 139a in das Strafgesetzbuch einbezogen wird (1953 § 142 StGB, 1975 unerlaubtes Entfernen von dem Unfallort).

Lit.: Meurer, G., Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, 2014 (Diss. jur. Hagen 2013)

Unfallversicherung ist die von Berufsgenossenschaften verwaltete →Sozialversicherung gegen Arbeitsunfälle (Deutsches Reich 6. 7. 1884). Sie vertritt aus politischen Überlegungen eine an sich sinnvolle →Gefährdungshaftung des Unternehmers. Seit 1925 erfasst sie auch die Berufskrankheit und den Wegeunfall. An dem Ende des 20. Jahrhunderts sichert sie rund 38 Millionen Menschen in Deutschland.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 183; Gitter, W., Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, 1969; Köbler, G., Mittlere Fahrlässigkeit und dogmatische Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP 169 (1969), 404; Wickenhagen, Die Geschichte der gesetzlichen Unfallversicherung, 1980; Bracher, H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht, ZNR 8 (1986), 157; Lengwiler, M., Risikopolitik im Sozialstaat. Die schweizerische Unfallversicherung, 2006; Balthasar, S., Der Schutz der Privatsphäre im Zivilrecht, 2006; Fluch, F., Schwarzbuch Versicherung – Wenn Unrecht zu Recht wird, 2015

Unfreier ist der die Freiheit entbehrende Mensch in Mittelalter und Frühneuzeit. Er ist dem →Sklaven des römischen Rechtes vergleichbar, wenn auch wohl nicht gleich. Tacitus bezeugt ihn bereits für die Germanen, wobei er ihm eine eigene Behausung und einen selbständigen Wirtschaftsbereich mit Ablieferungspflichten zuspricht. Der Unfreie ist in der Personalgewalt (ahd. munt) seines Herrn. Wie weit in dem Frühmittelalter der Unfreie (ahd. skalk) als Sache behandelt wird, ist zweifelhaft. Immerhin regeln manche Volksrechte seine Tötung neben der Tötung der Freien. Die christliche Kirche bekämpft seit dem 6. Jahrhundert ein Tötungsrecht des Herrn und erkennt in dem 10. Jahrhundert Ehen unter Unfreien ohne weiteres an. Wirtschaftlich ist der in dem Einzelnen unterschiedlich gestellte Unfreie allgemein in die →Grundherrschaft eingebunden. Seit dem Hochmittelalter wird die geburtsständische Gliederung nach der (Freilassung ermöglichenden) Unfreiheit bzw. Freiheit durch die berufsständische Gliederung nach Rittern, Bürgern und →Bauern überlagert. Die Aufklärung beseitigt die Unfreiheit (Frankreich 1789, Preußen 1807). In England entschärft sich die Unfreiheit bereits seit dem Bauernaufstand von 1381.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 68, 71, 78, 87, 89; Meyer, G., Die Gerichtsbarkeit über Unfreie und Hintersassen, ZRG GA 2 (1881), 83, 3 (1882), 102; Koehne, K., Die Geschlechtsverbindungen der Unfreien, 1888; Zycha, A., Über den Anteil der Unfreiheit am Aufbau von Wirtschaft und Recht, 1915; Rörig, F., Luft macht eigen, (in) Festgabe Gerhard Seeliger, 1920; Landau, P., Hadrians IV. Dekretale „Dignum est“, Studia Gratiana 12 (1967), 511; Merzbacher, F., Die Bedeutung von Freiheit und Unfreiheit, Hist. Jb. 90 (1970), 257; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Kolb, H., Über den Ursprung der Unfreiheit, Z. f. d. A. 103 (1974), 289; Rösener, W., Grundherrschaft im Wandel, 1991; Die abendländische Freiheit, hg. v. Fried, J., 1991; Freedman, P., The Origins of Peasant Servitude, 1991; Grieser, H., Sklaverei im spätantiken und frühmittelalterlichen Gallien, 1997; Forms of Servitude in Northern and Central Europe, hg. v. Freedman, P. u. a., 2005

Ungar (Magyar) ist der Angehörige des um 895 (862 bzw. 894-900) aus Asien östlich des Urals in das Donaubecken (Karpatenbecken) gelangenden, finno-ugrisch sprechenden Volkes (Reitervolks), das nach der Niederlage in der Schlacht auf dem Lechfeld (10. 8. 955) sesshaft wird. Vielleicht 1001 erfolgt die Krönung eines christlichen Königs der Ungarn (Stephan I.). 1290 stirbt das Bulgarien, Dalmatien, Galizien, Kroatien und Siebenbürgen erobernde Königsgeschlecht der Arpaden aus. In dem Streit mit Habsburg setzt sich Anjou-Sizilien durch (1301/1310-1382/1386). (Vor) 1514 erstellt Stephanus →Werböczy eine erstmalige Sammlung des Gewohnheitsrechts des Königreichs Ungarn, die sich in der Gerichtspraxis durchsetzt, während an den Universitäten (Pécs bzw. Fünfkirchen 1367, aber bald wieder geschlossen) eine Ausbildung in dem römischen Recht erfolgt. 1526 fällt das inzwischen entstandene Land Ungarn durch Erbrecht an →Habsburg, doch gelangen 1529/1541 große Teile an die Türken/Osmanen und wird Siebenbürgen weitgehend selbständig 1683-1699 erobert Habsburg die von Türken beherrschten Gebiete. Zentrale Verwaltungsbehörde ist die ungarische Hofkanzlei (bis 17. 3. 1848, ab 20. 10. 1860 bis 17. 2. 1867). 1840 wird ein Handelsgesetzbuch geschaffen. Ein Aufstand gegen die Herrschaft Österreichs wird 1849 mit Hilfe Russlands unterdrückt. Nach Ansicht Österreichs verwirkt Ungarn durch den Parlamentscbeschluss von dem 14. 4. 1849 über die Entthronung der Habsburger und durch die Unabhängigkeitserklärung von dem 19. 4. 1849 seine Verfassung (Verwirkungstheorie), während nach Ansicht Ungarns die Beschlüsse zwecks Abwehr der Märzverfassung 1849 gerechtfertigt sind (Rechtskontinuitätstheorie). Von 1853 bis 1861 gilt in Ungarn das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs. 1867 muss →Österreich in dem sog. →Ausgleich seine Herrschaft über Ungarn lockern (Dualismus, 1873 Hauptstadt Budapest, zuvor Pest-Buda). 1878 werden (nach von deutschen Vorbildern geprägten Entwürfen von 1790, 1830 und 1843) ein Strafgesetzbuch (, 1879 ein Strafgesetzbuch über die →Übertretungen) und 1896 eine 1900 verbesserte Strafprozessordnung geschaffen. 1895 wird die staatliche Zivilehe eingeführt, womit die Umgehung des Ehescheidungsverbots Österreichs durch so genannte siebenbürgische bzw. ungarische Ehen entbehrlich wird. 1918 verselbständigt sich unter Ausrufung der Republik (Volksregierung unter Graf Mihály Károlyi) das Land als Königreich ohne König, das nach dem Ende der Fremdbestimmung durch die Sowjetunion (1945-1989, Bürgerliches Gesetzbuch 1959 mit Geltung ab 1. 5. 1960) den Anschluss an die Europäische Gemeinschaft bzw. Europäische Union (1993) sucht und 2004 findet.

Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 194, 220; Baltl/Kocher; Timon, A. v., Ungarische Verfassungs- und Rechtsgeschichte, 2. A. (1904 bzw.) 1909; Schulte, A., Die Kaiser- und Königskrönungen zu Aachen 813-1531, 1924; Karpat, J., Corona regni Hungariae, 1937; Müller, G., Die mittelalterlichen Verfassungs- und Rechtseinrichtungen der Rumänen des ehemaligen Ungarn, Siebenbürgische Vierteljahrschrift 61 (1938); Miskolczy, J., Ungarn in der Habsburger Monarchie, 1959; Madl, F., Das erste ungarische ZGB, (in) Das ungarische ZGB, 1963; Karpat, J., Die Rechtsgeschichte Ungarns, FS H. Lentze, 1969, 339; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,561, 3,2,2141,2819, 3,3,3512,3629,3716,4056,4202; Bogyay, T. v., Grundzüge der Geschichte Ungarns, 4. A. 1990; Sugar, P./Hanal, P., History of Hungary, 1990; Diplomata Hungariae Antiquissima, hg. v. Györffy, G., Bd. 1 1992; Haslinger, P., Hundert Jahre Nachbarschaft, 1996; Zlinszky, J., Wissenschaft und Gerichtsbarkeit, Quellen und Literatur der Privatrechtsgeschichte Ungarns, 1996; Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften, Bd. 2, hg. v. Gündel, A., 1997; Kellner, M., Die Ungarneinfälle, 1997; Pribersky, A. u. a., Ungarn, 1999; Molnár, N., Geschichte Ungarns, 1999; Les Hongrois et l’Europe, hg. v. Csernus, S. u. a., 1999; Kristó, G., Die Geburt der ungarischen Nation, 2000; Lendvai, P., Die Ungarn, 1999; Fata, M., Ungarn, 2000; Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten der österreichisch-ungarischen Monarchie, 2000; The Hungarian State 1000-2000, hg. v. Gergely, A. u. a., 2000; Molnár, M., A Concise History of Hungary, 2001; Ungarn und Europa, hg. v. Brunner, G. 2001; Krauss, K., Deutsche Auswanderer in Ungarn, 2003; Pajkossy, G., Magyarország története a 19. században (Die Geschichte Ungarns im 19. Jahrhundert), 2003; Kajtár, I., A 19. századi magyar állam- és jogrendszer alapjai. Európa – haladás – Magyarország (Die Grundlagen des modernen ungarischen Verfassungs- und Rechtssystems des 19. Jahrhunderts. Europa – Fortschritt – Ungarn), 2003; Adriányi, G., Die Geschichte der katholischen Kirche in Ungarn, 2004; Das Ungarnbild der deutschen Historiographie, hg. v. Fata, M., 2004; Peregrinatio Hungarica, hg. v. Fata, M. u. a., 2006; Radek, T., Das Ungarnbild der deutschsprachigen Historiographie des Mittelalters, 2008

Ungarn →Ungar

Lit.: Mayer, T., Verwaltungsreform in Ungarn nach der Türkenzeit, 1911 Neudruck bzw. 2. A. 1980; Zehntbauer, R., Einführung in die neuere Geschichte des ungarischen Privatrechts, 1916; Heymann, E., Das ungarische Privatrecht und der Rechtsausgleich mit Ungarn, 1917; Tagányi, K., Lebende Rechtsgewohnheiten und ihre Sammlung in Ungarn, 1922; Both, Ö., Kampf um die Einführung der Geschworenengerichte, Acta universitatis Szegediensis, Iur. et polit. 7, 1 (1960), 1; Deér, J., Die heilige Krone Ungarns, 1966; Horváth, P., A kelet- és közép-európai népek, 1968; Die juristische Bildung in der Slowakei und Ungarn bis zum Jahre 1848, 1968; Tripartitum opus iuris consuetudinarii inclyti regni Hungarie per Stephanum de Werbewcz editum Wien 1517, Neudruck 1969; Tanulmányok a magyar helyi önkormányzat múltjábol (Studien zur Geschichte der örtlichen Selbstverwaltung in Ungarn), hg. v. Bónis, G./Degré, A., 1971; Bónis, G., Középkori jogunk elemei, 1972; Bak, J., Königtum und Stände in Ungarn im 14.-16. Jahrhundert, 1973; Csizmadia, A., Adam Franz Kollár und die ungarische rechtshistorische Forschung, 1982; Kovács, K., Zur Geschichte des ungarischen Strafrechts und Strafprozessrechts 1000-1918, 1982; Mertanová, S., Ius tavernicale, 1985, Jobbágyi, G., Die Rechtsfähigkeit und das Lebensrecht des Embryos im ungarischen Recht, ZRG GA 110 (1993), 513; Neschwara, C., Die Geltung des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches in Ungarn, ZRG GA 113 (1996), 362; Gönczi, K., Ungarisches Stadtrecht aus europäischer Sicht, 1997; Recht ohne Grenzen. Grenzen des Rechts, hg. v. Polaschek, M., 1997; Die Elemente der ungarischen Verfassungsentwicklung, hg. v. Máthé, G./Mezey, B., 2000; The Hungarian State, hg. v. Gergely, A. u. a., 2000; Gönczi, K./Henne, T., Leipziger Verlage, liaisonmen und die Anfänge der modernen Rechtswissenschaft in Ungarn, ZRG GA 118 (2001), 247; Kajtár, I., (Die Grundlagen des modernen ungarischen Verfassungs- und Rechtssystems des 19. Jahrhunderts), 2003; Németh, I., Ungarische Geschichte, 2003; Varga, G., Ungarn und das Reich, 2003; Dalos, G., Ungarn, 2004; Das Ungarnbild der deutschen Historiographie, hg. v. Fata, M., 2004; Nationalstaat – Monarchie – Mitteleuropa, hg. v. Máthé, G. u. a., 2004; Voigt, K., Der Schutz nationaler ungarischer Minderheiten, 2005; Bahlcke, J., Ungarischer Episkopat und österreichische Monarchie, 2005; Steinberg, G., Aufklärerische Tendenzen im ungarischen Strafrecht, 2006; Dalos, G., 1956. Der Aufstand in Ungarn, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 978; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Ruszoly, J., Institutionelle Grundlagen der Legislation in Ungarn (1920-1944/45), 2007; Schmidt-Schweizer, A., Politische Geschichte Ungarns von 1985 bis 2002, 2007; Historische Demographie Ungarns (896-1996), hg. v. Kristó, G., 2007; Gönczi, K., Die europäischen Fundamente der ungarischen Rechtskultur, 2008; Pálffy, G., The Kindom of Hungary and the Habsburg Monarchy, 2009; Rechtswissenschaft in Osteuropa, hg. v. Pokrovac, Z., 2010; Die Ansiedlung der Deutschen in Ungarn, hg. v. Seewann, G. u. a., 2010; Koller, M., Eine Gesellschaft im Wandel, 2010; Kastner, G., Ungarn 1956 vor der UNO, 2010; Balogh, E., Die ungarische Strafrechtskodifikation im 19. Jahrhundert, 2010; Hamza, G., Das römische Recht und die Privatrechtsentwicklung in Ungarn im Mittelalter (in) Journal on European History of Law 1 (2010), 16; Das Wesen der Rechtsgeschichte, hg. v. Máthé, G., 2010; Hamza, G., Développement et codification du droit privé et tradition du droit romain en Hongrie gabor.hamza@ajk.elte,hu ; Tóth, A., Rückkehr nach Ungarn 1946-1950, 2012; The Laws of the Medieval Kingdom of Hungary, hf. v. Döryed, F. u. a., 2012; Carls, W./Gönczi, K., Sächsisch-magdeburgisches Recht in Ungarn und Rumänien, 2013; Markus, A., Die Geschichte des ungarischen Nationalismus, 2013; Arpád Göncz – Ungarischer Freiheitskämpfer und Staatspräsident, 2013; Borhy, L., Die Römer in Ungarn, 2014; Normsetzung und Normverletzung, hg. v. Krauss, K., 2014; Krauss, K., Quellen zu den Lebenswelten deutscher Migranten im Königreich Ungarn im 18. und frühen 19. Jahrhundert, 2015; Lachmann, H., Die „ungarische Revolution“ und der „Prager Frühling, 2017; Krauss, K., Mord an der Donau, 2018

ungeboten (ohne besonderes Gebot auf Grund allgemeiner Regeln erfolgend) z. B. ungebotenes →Ding

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Ungefährwerk ist die wissenschaftliche Bezeichnung für den ungewollten Unrechtserfolg in dem älteren deutschen Recht (z. B. fehlgehender Pfeil führt zu dem Tod eines Menschen). →Fahrlässigkeit

Lit.: Köbler, DRG 91; Behrend, R., Das Ungefährwerk in der Geschichte des Seerechts, ZRG GA 19 (1898), 52; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964

Ungehorsam →Widerstand

Ungeld ist seit dem Hochmittelalter bis ins 19. Jahrhundert die (vielfach städtische) →Verbrauchsteuer (z. B. Weinungeld). →Akzise

Lit.: Zeumer, K., Die deutschen Städtesteuern, 1878; Weisbrod, R., Das Weinungeld als Rechtsinstitut der freien Reichsstadt Speyer 1952; Habich, W., Das Weinungeld, Diss. jur. Frankfurt am Main 1966; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Knapp, N., Die Ungehorsamsstrafe in der Strafprozesspraxis des frühen 19. Jahrhunderts, 2011

ungemessen (nicht durch ein Maß bestimmt)

Unger, Joseph (Wien 2. 7. 1828-Wien 2. 5. 1913) Kaufmannssohn, wird nach dem Studium von Philosophie und Recht (Wien) und dem Übertritt zum Katholizismus Bibliothekar und 1853 außerordentlicher Professor in Prag und 1856 in Wien (1857 ordentlicher Professor). Er vertritt die Ansichten der historischen Rechtsschule. Seit 1870 wendet er sich der Politik zu (bereits 1867 Mitglied des Herrenhauses auf Lebenszeit). 1869 wird er Mitglied, 1881 Präsident des Reichsgerichts in →Österreich. Von 1871 bis 1879 ist er Minister ohne Geschäftsbereich. Er beteiligt sich maßgeblich an der Errichtung des Verwaltungsgerichtshofs (1876). Sein ursprüngliches Eintreten für ein Bürgerliches Gesetzbuch des Deutschen Bundes (1855) wandelt sich später in einen Aufruf zu der Revision des österreichischen →Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs durch einzelne Teilnovellen (1914, 1915, 1916 verwirklicht). Seit 1859 veröffentlicht er mit Julius Glaser die zivilrechtlichen Urteile des Obersten Gerichtshofs. Sein System des österreichischen allgemeinen Privatrechts wird mehrfach aufgelegt.

Lit.: Strohal, E., Josef Unger, 1914; Lentze, H., Josef Unger, FS H. Arnold, 1963, 219; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 1938, 2. A. 1953, 83; Ogris, W., Die historische Schule der österreichischen Zivilistik, FS H. Lentze, 1969, 449; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 177; Olechowski, T., Die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, 1999

ungerechtfertigt (1784/1794) nicht durch einen Grund gerechtfertigt

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Ungerechtfertigte Bereicherung (1866) ist die nicht durch einen rechtlichen Grund gerechtfertigte →Bereicherung einer Person (z. B. Leistung auf eine Nichtschuld). Die u. B. ist nach dem Vorbild des römischen, sie als Quasikontrakt behandelnden Rechtes (lat. [F.] →condictio) grundsätzlich in dem Umfang des Empfangenen herauszugeben. Die Beschränkung der Haftung auf die noch vorhandene Bereicherung erfolgt durch →Duarenus (1509-1559), dem →Glück (1755-1831) folgt. Später wird zwischen Leistungskondiktion und Eingriffskondiktion (ohne Leistung) unterschieden, doch werden beide grundsätzlich gleich behandelt.

Lit.: Apathy, P., Der Verwendungsanspruch, 1988; Unjust Enrichment, ed. by Schrage, E., 1995; Schäfer, F., Das Bereicherungsrecht in Europa, 2001; Flume, W., Studien zur Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, hg. v. Ernst, W., 2003; Cases, Materials and Texts on Unjustified Enrichment, hg. v. Beatson, J. u. a., 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Ungericht (N.) Unrecht

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Friese, V., Das Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898

Uniform ist die einheitliche Kleidung vor allem des Soldaten bzw. Amtsträgers der frühen Neuzeit.

Lit:: Die zivile Uniform als symbolische Kommunikation, hg. v. Hackspiel-Mikosch, E. u. a., 2007; Staat Macht Uniform hg. v. Wiggerich, S. u. a., 2011

uniert (Adj.) vereint (z. B. Kirche)

Union (F.) Vereinigung, →Europäische Union, →Personalunion, →Realunion, Sowjetunion

unio (F.) prolium (lat.) Vereinigung der Nachkommen, →Einkindschaft

universal (1510, Adj.) allseitig

Universalienstreit ist der philosophische, seit Platon bekannte, nicht entschiedene Streit darüber, ob Allgemeinbegriffe (Universalien wie z. B. Mensch, Klasse) wirklich (Realismus) oder nur begrifflich (Nominalismus) sind.

Lit.: Der Universalienstreit, hg. v. Stegmüller, W., 1978, Libera, A. de, Der Universalienstreit, 2005

Universalfideikommiss (lat. fideicommissum hereditatis) ist in dem römischen Recht das zu der Herausgabe des Nachlasses (oder dessen Teile) verpflichtende und damit die Umgehung des Verbots der Nacherbschaft ermöglichende Fideikommiss.

Lit.: Manthe, U., Das Senatusconsultum Pegasianum, 1989

Universalismus ist die Vorstellung der allseitigen Offenheit. In ihren Rahmen gehört die Überzeugung, dass jedermanns Interessen so zu berücksichtigen sind, als wären es die eigenen. Sie tritt für ein unbeschränktes weltweites Niederlassungsrecht einer Wiillkommenskultur ein.

Lit.: Fritze, L., Kritik des moralischen Universalismus – Über das Recht auf Selbstbehauptung in der Flüchtlingskrise, 2017

Universalsukzession (F., Wort 1814 belegt) ist die Gesamtrechtsnachfolge (z. B. bei einem Erbfall). Nach römischem Recht folgt der Erbe in das gesamte Recht des Verstorbenen (lat. successio in universum ius quod defunctus habuerit), so dass mehrere Erben den Nachlass zu rechnerischen Bruchteilen erben. Demgegenüber gibt es in dem deutschen Recht (auch) Sondererbfolgen (z. B. in Hergewäte, Morgengabe, Familienfideikommiss, Anerbenrecht). In dem Laufe der Neuzeit setzt sich die U. auch auf Grund des Gleichheitsgrundsatzes mehr und mehr durch und verdrängt die Sondererbfolgen.

Lit.: Kaser § 65 I 1; Köbler, DRG 210; Schwerin, C. Frhr. v., Über den Begriff der Rechtsnachfolge, 1905; Tuor, P., Der Grundsatz der Universalsukzession, 1922; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

universitas (lat. [F.]) Einheit, Personenverband mit gemeinsamer Willensbildung, von dem Mitgliedervermögen getrenntem Vermögen, handelnden Organen und Rechtsträgerschaft der Gesamtheit der jeweiligen Mitglieder als Vorstufe der juristischen Person ist bereits dem römischen Recht bekannt (z. B. Staat, Stadt municipium, Verein collegium)

Lit.: Kaser § 17 I; Köbler, DRG 57; Krämer, W., Konsens und Rezeption, 1980; Ralf, M., Societas und universitas, 2008; Groten, A., Corpus und universitas, 2015

universitas (F.) rerum (lat.) Sachgesamtheit (z. B. Herde, Warenlager)

Universität ist die aus der Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden seit dem 12. Jahrhundert erwachsende, die gesamte Breite der Wissenschaften erfassende Lehranstalt. Die erste juristische U. entsteht auf scholastischer Grundlage um die Glossatoren (→Irnerius, Bulgarus, Hugo, Jacobus, Martinus) in Bologna (als offizielles Gründungsjahr 1088 angesehen, um 1200 ca. 1000 juristische Studenten, Statuten von 1252). Spätere Universitäten umfassen meist neben der einführenden artistischen (philosophischen) Fakultät (der artes liberales) die drei höheren Fakultäten Theologie, Jurisprudenz und Medizin. Leiter der U. ist der Rektor, Leiter der Fakultät ist der Dekan. Als Schutzherren treten anfangs vor allem Papst und Kaiser auf, später auch Landesherren und Städte. Frühe bekannte europäische Universitäten entwickeln sich in →Paris (Statuten von 1215), →Oxford (nach 1139), →Cambridge (seit 1209), →Montpellier (seit etwa 1170), →Salerno (995-1087?, Medizin), Perugia (1208), Salamanca 1218/1219, →Padua (1222) oder →Neapel (1224), Lissabon (1290), Pisa (1343), Florenz (1349), Siena (1357) oder Pavia (1361). Eine erste deutsche U. entsteht in →Prag 1348 (, Beginn humanistischen Einflusses). Es folgen mit bescheidenen Anfängen →Wien (1365), (ab 1378 Verringerung des päpstlichen Einflusses infolge des Schismas,) →Heidelberg (1386), →Köln (1388), →Erfurt (1392), (um 1400 europaweit rund 30 Universitäten, Aufkommen territorialer Universitäten,) →Leipzig (1409), →Rostock (1419), →Freiburg im Breisgau (1425), →Greifswald (1456), →Löwen (1425 bzw. 1457), →Basel (1460), →Ingolstadt (1472), →Trier (1472), Kopenhagen (1475), Uppsala (1477), →Tübingen (1477) und →Mainz (1477) (zwischen 1348 und 1510 18 erfolgreiche Universitätsgründungen in dem deutschsprachigen Raum, bis 1550 mehr als 300000 Immatrikulierte, 30-50 Prozent mit Prüfung). Die Zahl der Studierenden nimmt beständig zu (im ausgehenden 14. Jahrhundert in Deutschland vielleicht jährlich 600, in dem ausgehenden 15. Jahrhundert in Deutschland jährlich etwa 3000 Studienanfänger, von 1385 bis 1505 in Deutschland insgesamt rund 200000 Studerende, davon 164000 an den 12 Universitäten Wien, Löwen, Basel, Heidelberg, Köln, Erfurt, Leipzig, Rostock, Greifswald, Freiburg im Breisgau, Ingolstadt und Tübingen – deren Matrikel in Gegensatz zu Prag, Trier und Mainz nicht verloren ist -, bis zu der Reformation in dem Heiligen römischen Reich rund, - in Köln zu vier Fünfteln aus Städten stammende - 300000 Studierende, davon 250000 der artistischen Fakultät, 13 % (rund 39000) der juristischen Fakultät, 2,6 % der theologischen Fakultät und 0,4 % der medizinischen Fakultät). Angestrebte, aber vielfach nicht erreichte Grade sind Bakkalaureus, Lizentiat, Magister und Doktor. Die Reformation (1527 erste lutherische Universität in Marburg, 1559 erste reformierte Universität in Genf) fördert die Differenzierung der Lehre, die Professionalisierung der Universitätslehrer und die Vorstellung der Freiheit der Studierenden, aber auch Gegenbewegungen (1538 höheres Studium der Dominikaner auf Haiti, ab 1550 jesuitische Hochschulen) und europäische Ausbreitung (1575 Leiden, 1724 Sankt Petersburg) wie außereuropäische Ausdehnung (1650 Stiftungshochschule John Harvards in Nordamerika, 1701 Yale, 1785 New Brunswick, 1829 Cape Town, 1850 Sidney, 1857 Bombay, 1877 Tokio, 1883 Istanbul, 1898 Peking). Juristische Reformuniversitäten werden →Halle (1694), →Göttingen (1734) und →Berlin (1810, Humboldtsches Bildungsideal) (um 1800 190 Universitäten weltweit). In dem 19. Jahrhundert werden naturwissenschaftliche Fächer eröffnet. In dem Verlauf des Jahrhunderts öffnet sich die U. allmählich den Frauen. In der Wertschätzung stehen in Deutschland Berlin, München, Leipzig, Bonn, Heidelberg und Göttingen vor den anderen Universitäten. Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts führt zu vielen Massenuniversitäten (1985 86500 deutsche Studenten der Rechtswissenschaft, um 1990 rund 750 Universitäten und 6500 weitere Hochschulen weltweit, 2020 426 Hochschulen in Deutschland, davon 106 Universitäten, 6 pädagogische Hochschulen, 16 theologische Hochschulen, 52 Kunsthochschulen, 216 Fachhochschulen, 30 Verwaltungshochschulen). Der Anteil der Akademiker an der Gesamtbevölkerung wird zum Vergleichsmaßstab unter den verschiedenen Staaten. Allmählich steigt der Anteil der Frauen an den Studierenden auf die Hälfte und mehr. Dem folgt mit deutlicher Verzögerung auch der Anteil der Frauen an der Professorenschaft.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 99, 106, 143, 151, 154, 180, 254; Denifle, H., Die Entstehung der Universitäten, 1885; Denifle, H., Die Universitäten des Mittelalters bis 1400, 1885; Kaufmann, G., Die Geschichte der deutschen Universitäten, Bd. 2 1896, Neudruck 1958; Eulenburg, F., Die Frequenz der deutschen Universitäten, 1904; Paulsen, F., Geschichte des gelehrten Unterrichts, Bd. 1f. 1919; Rashdall, H., The Universities, 1936; Grundmann, Herbert, Vom Ursprung der Universität im Mittelalter, 1957 (SB Leipzig); Ebel, W., Zur Geschichte des Rechtsstudiums, 1961; Köbler, G., Zur Geschichte der juristischen Ausbildung, JZ 1961, 768; Nationalsozialismus und die deutsche Universität, 1966; Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Cobban, A., The Medieval Universities, 1975; Beiträge zu Problemen deutscher Universitätsgründungen der frühen Neuzeit, hg. v. Baumgart, P., 1978; Università, Academie e Società scientifiche in Italia e in Germania del cinquecento al settecento, hg. v. Böhm, L. u. a., 1981; Universitäten und Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, hg. v. Böhm, L. u. a., 1983; Esch, A., Die Anfänge der Universität, 1985; Histoire des universités en France, hg. v. Verger, J., 1986; Schwinges, R., Deutsche Universitätsbesucher, 1986; Baumgarten, M., Vom Gelehrten zum Wissenschaftler, 1988; Cobban, A., The Medieval English Universities, 1988; Müller, R., Geschichte der Universität, Bd. 1f. 1990; Heiber, H., Universität unterm Hakenkreuz, 1991; Rexroth, F., Deutsche Universitätsstiftungen von Prag bis Köln, 1992; Geschichte der Universität in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Hammerstein, N., Universitäten und Reformation, HZ 258 (1994), 339; Università, hg. v. Porciani, I., 1994; Die Universität in Alteuropa, hg. v. Patschovsky, A. u. a., 1994; Guide to Legal Studies in Europe, hg. v. The European Law Students’ Association, 1995; Titze, H., Wachstum und Differenzierung der deutschen Universitäten 1830-1945, 1995; Verger, J., Les universités françaises, 1995; Schlange-Schöningen, H., Kaisertum und Bildungswesen im spätantiken Konstantinopel, 1995; Universitäten der Aufklärung, hg. v. Hammerstein, N., 1996; Baumgarten, M., Professoren und Universitäten im neunzehnten Jahrhundert, 1997; Pedersen, O., The first universities, 1997; Boockmann, H., Wissen und Widerstand, 1999; Stätten des Geistes, hg. v. Demandt, A., 1999; Jessen, R., Akademische Elite und kommunistische Diktatur, 1999; Attempto – oder wie stiftet man eine Universität, hg. v. Lorenz, S., 1999; Ferz, S., Ewige Universitätsreform, 2000; Weber, W., Geschichte der europäischen Universität, 2001; Zwischen Autonomie und Anpassung, hg. v. Connelly, J./Grüttner, M. 2002; Weber, W., Geschichte der europäischen Universität, 2002; Gredler, P., The Universities of the Italian Renaissance, 2002; Zwischen Autonomie und Anpassung – Universitäten in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts, hg. v. Connelly, J. u. a., 2003; Kahl, W., Hochschule und Staat, 2004; Woelk, W. u. a., Universitäten und Hochschulen im Nationalsozialismus, 2004; Gerber, S., Universitätsverwaltung und Wissenschaftsorganisation im 19. Jahrhundert, 2004; Universitäten und Wissenschaften im mitteldeutschen Raum in der frühen Neuzeit, hg. v. Blaschke, K., 2004; Anderson, R., European Universities from the Enlightenment to 1914, 2004; Clark, W., Academic Charisma and the Origins of the Research University, 2006; Howard, T., Protestant Theology and the Making of the Modern German University, 2006; Universitäten im östlichen Mitteleuropa, hg. v. Wörster, P., 2008; Orte der Gelahrtheit, hg. v. Siebe, D., 2008; Der Aristotelismus an den europäischen Universitäten der frühen Neuzeit, hg. v. Darge, R. u. a., 2009; Koch, H., Die Universität, 2008; Rohstock, A., Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale?, 2010; Wolbring, B., Trümmerfeld der bürgerlichen Welt, 2013; Freytag-Loringhoven, K. v., Erziehung im Kollegienhause, 2014; Universität, Wissenschaft und Öffentlichkeit in Westdeutschland (1945 bis ca. 1970), hg. v. Brandt, S. u. a., 2014; Walter, P., Universität und Landtag (1500-1700), 2017; Kinas, S., Akademischer Exodus – Die Vertreibung von Ochschullehrern aus den Universitäten Berlin, Frankfurt am Main, Greifswald und Halle 1933-1945, 2018;

Universitätsgerichtsbarkeit (akademische Gerichtsbarkeit) ist die besondere Gerichtsbarkeit der Universität (bzw. des Rektors) über die Universitätsmitglieder (Studenten, Professoren, deren Ehefrauen und Kinder, Universitätsbedienstete, Universitätshandwerker, Dienstpersonal), die neben der kirchlichen Gerichtsbarkeit und der weltlichen Gerichtsbarkeit besteht. Sie findet sich nach älteren Ansätzen (Bologna [1158 Konstitution Habita König Friedrichs I. Barbarossa] zu Gunsten der einzelnen Studenten, Paris) zumindest zeitweise in Prag, Wien, Heidelberg, Leipzig, Rostock, Freiburg im Breisgau, Basel und Ingolstadt. Vielfach sind die besonders schweren Verbrechen ausgenommen, doch sind auch Todesstrafen bezeugt. In dem Deutschen Bund (1815-1866) wird die U. durch die Karlsbader Beschlüsse verstaatlicht. Endgültig abgeschafft wird die U. in dem Deutschen Reich 1877/1879 (§ 15 GVG). Ihr folgt teilweise eine besondere Disziplinargerichtsbarkeit, 1935 durch Erlass die Strafordnung für Studenten, nach 1949 ein an dem Verwaltungsrecht ausgerichtetes Ordnungsrecht bei Störungen des Hochschulbetriebs und Behinderungen von Hochschulorganen.

Lit.: Stein, F., Die akademische Gerichtsbarkeit, 1891; Toll, H., Akademische Gerichtsbarkeit, 1979; Woeste, P., Akademische Väter als Richter, 1987; Brüdermann, S., Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, 1990; Alenfelder, K., Akademische Gerichtsbarkeit 2002; Bubach, R., Richten, Strafen und Vertragen, 2004

Universum (N.) ist die Gesamtheit oder das bisher weitgehend von dem Recht des Menschen freie Weltall, wobei alle irdischen, durch die Relativitätstheorie erfassten Naturgesetze auch in dem Universum gelten.

Lit.: Blome, H., Die Entdeckung des Urknalls, 2016

unkörperlich (Adj., lat incorporalis) keine Raumausdehnung habend (z. B. Forderung in Gegensatz zu Haus)

Unlauterer Wettbewerb ist der gegen die Redlichkeit verstoßende Wettbewerb (in der Wirtschaft). Als eigenständiger, von dem Strafrecht gelöster Fragenbereich wird der unlautere Wettbewerb in dem 19. Jahrhundert erkannt. In Frankreich finden die Art. 1382, 1383 →Code civil Anwendung, in England die →equity. Das Deutsche Reich schützt an dem 12. 5. 1894 die Warenbezeichnung gesetzlich und an dem 7. 6. 1909 den Wettbewerb allgemein gegen Unlauterkeit. An dem 8. 7. 2004 tritt eine Neufassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in Kraft, die das Sonderveranstaltungsverbot aufhebt, Telefonwerbung von Einwilligung abhängig macht und einen Gewinnabschöpfungsanspruch für Verbände einführt.

Lit.: Kohler, J., Der unlautere Wettbewerb, 1914, 33; Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Wadle, E., Das Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, JuS 1996, 1064; Köhler, H., Das neue UWG, NJW 2004, 2121

Unlust (F.) Nichtzuhören in dem →Ding

Unmittelbarkeit (F.) Verbindung zweier Momente ohne ein drittes vermittelndes Glied (z. B. Reichsunmittelbarkeit zwischen Herrscher und reichsunmittelbaren Gliedern des Heiligen römischen Reiches)

Lit.: Kaser § 87 II 6; Köbler, DRG 201, 202; Stüber, M., Die Entwicklung des Prinzips der Unmittelbarkeit im deutschen Strafverfahren, 2005

Unmöglichkeit (Wort 1323 belegt, lat. [F.] impossibilitas) ist die Unbewirkbarkeit einer Leistung. Sie ist bereits dem römischen Recht bekannt. Den anfangs nur sehr begrenzt bedeutsamen lateinischen Satz impossibilium nulla est obligatio (zu Unmöglichem besteht keine Verpflichtung) dehnt →Donellus in der frühen Neuzeit ausdrücklich auf alle Verträge aus. →Pufendorf erweitert die zunächst nur für die besonderen →Innominatkontrakte anerkannten Regeln über das Freiwerden bei unverschuldeter nachträglicher U. auf alle Verträge. In dem 19. Jahrhundert baut Friedrich Mommsen (1853) unter unzutreffender Auslegung der römischen Quellen ein System der anfänglichen bzw. nachträglichen und subjektiven oder objektiven U. auf, das über →Windscheid in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) Eingang findet. Bei anfänglicher objektiver U. kommt kein Vertrag zustande. Bei nachträglicher, von dem Schuldner zu vertretender U. hat der Gläubiger Anspruch auf das Erfüllungsinteresse, während bei zufälliger U. grundsätzlich keine Erfüllungsansprüche bestehen.

Lit.: Kaser § 37 I 2; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 165, 214; Jakobs, H., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969; Wollschläger, C., Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970; Rückert, J., Vom casus zur Unmöglichkeit, ZNR 1984, 40; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Unmündigkeit (unmündig 1221-1224 Sachsenspiegel) ist das Fehlen der →Mündigkeit.

Lit.: Kaser §§ 14 II 2, 62 I 1; Hübner; Köbler, DRG 21, 57, 87, 121; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Unna

Lit.: Unna, bearb. v. Lüdicke, R., 1930

Unrecht ist das Fehlen von Recht. U. gibt es seit der Entstehung von Recht. Aufgabe der Allgemeinheit ist es, U. zu verhindern und Recht herzustellen. Notfalls muss geschehenes U. nachträglich ausgeglichen werden (z. B. Schadenersatz).

Lit.: Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts, hg. v. Schwarz, W. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Das Recht des Unrechtsstaates, hg. v. Reifner, U., 1981; Der Unrechtsstaat, hg. v. d. Redaktion der kritischen Justiz, Bd. 1f. 2 A. 1983; Recht und Unrecht im Nationalsozialismus, hg. v. Salje, P., 1985; Rüthers, B., Recht als Waffe des Unrechts, NJW 1988, 2825ff.; Laage, C., Gesetzliche Unrecht, 2014; Rückert, J., Abschiede vom Unrecht, 2015 (19 Studien); Hansack, R., Unrechtsstaat DDR, 2015; Mikyska, C., Aufarbeitung von Systemunrecht in Europa, 2016

Unrecht Gut gedeiht nicht.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 151

Unschuldseid →Reinigungseid

Unschuldsvermutung ist die bis zu einem Nachweis einer Schuld für jedermann bestehende Vermutung der Unschuld.

Lit.: Schulz, L., Die praesumptio innocentiae, ZRG GA 119 (2002), 193

Unteilbarkeit ist das Fehlen der Teilbarkeit. Die U. von Herzogtümern und Grafschaften streben schon die Reichstagsbeschlüsse von Roncaglia (1158) an. Dennoch werden die Fürstentümer vielfach bis über das 16. Jahrhundert hinaus tatsächlich geteilt. Seit dem 14. Jahrhundert legen die Goldene Bulle (1356) für die Kurfürstentümer und andere Regelungen für einzelne Fürstentümer (Österreich 1358/1359 Fälschung, Braunschweig-Lüneburg, Hessen, Brandenburg 1473, Württemberg 1495) die U. fest.

Lit.: Köbler, DRG 111; Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851; Ficker, J., Vom Reichsfürstenstand, Bd. 1 1861, 240; Werminghoff, A., Der Rechtsgedanke von der Unteilbarkeit, 1915; Härtel, R., Über Landesteilungen, FS F. Hausmann, 1977, 179; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982

Unterbringung

Lit.: Bartelheimer, H., Die Entwicklung des Unterbringungsrechts, 2003; Gimm, T., Die Entwicklung der zivilrechtlichen Unterbringung volljähriger psychisch Kranker, 2019

Untereigentum ist der untere und insofern nachrangige Teil des geteilten →Eigentums (z. B. des Lehnsmanns). Es wird in dem Rahmen des geteilten Eigentums seit dem Hochmittelalter entwickelt und in dem 19. Jahrhundert beseitigt.

Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985

Unterhalt (1507, Unterhaltsanspruch 1895, Unterhaltsbeitrag 1863, unterhaltsberechtigt 1896, Unterhaltspflicht 1863) ist die Gesamtheit der für den Lebensbedarf eines Menschen erforderlichen Aufwendungen. In einfachen Gesellschaften ist die gemeinsame Lebensführung Nahestehender so selbverständlich, dass der U. rechtlich nicht erfasst wird. Bereits das römische Recht anerkennt seit Augustus (63 v.-14 n. Chr.) aber in der (lat.) extraordinaria cognitio (F.) durchsetzbare Unterhaltsansprüche zwischen Kindern und Eltern und Großeltern. Seit Antoninus Pius (?) besteht eine gegenseitige Unterhaltspflicht zwischen allen ehelichen Aszendenten und Deszendenten sowie unter Geschwistern. Bei einem unehelichen K. betrifft dies nur die Mutter und ihre Verwandten. Das römische Dotalrecht löst die Folgen der Auflösung der Ehe über Ehescheidungsfolgen bzw. Ehescheidungsstrafen. Eine Rechtspflicht zu U. unter Ehegatten kennt in Ausnahmefällen Justinian (527-565). Das Decretum Gratians gewährt der Ehefrau einen Unterhaltsamspruch nur bei Krankheit und einem darin begründeten Unvermögen zu der Erfüllung der (sexuelle) ehelichen Pflichten. In dem Mittelalter fördert die Kirche die Unterhaltspflicht von Eltern und Kindern, bejaht aber die Schlechterstellung unehelicher Kinder. Dem folgen in dem Spätmittelalter städtische Satzungen. Die gelehrte Literatur befasst sich seit dem 16. Jahrhundert vertieft mit diesen Fragen. In der Aufklärung wird neben dem Vater die Mutter zu U. verpflichtet und eine Unterhaltsverpflichtung weiterer Verwandter zunehmend abgelehnt. Dem schließen sich die großen Zivilrechtsgesetzbücher, von denen übrigens der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (1756) und das Allgemeine Landrechts Preußens der schuldlos geschiedenen Ehefrau entweder eine Abfindung oder einen lebenslangen standesgemäßen Unterhaltsanspruch gewähren, überwiegend an. Nach dem Code civil und dem Landrecht Badens hat der unschuldig Geschiedene gegen den anderen Ehegatten einen Unterhaltsanspruch bis zu einem Drittel des Einkommens des Schuldigen (ähnlich Sachsen 1863), während das Reichsgericht 1883 und 1885 einen nachehlichen Unterhaltsanspruch für das gemeine Recht ablehnt. Das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) kennt einen Unterhaltsanspruch für den unschuldig geschiedenen Ehegatten in den §§ 1578ff. BGB (1938 §§ 66ff. EheG). Die grundsätzliche Benachteiligung nichtehelicher Kinder wird in Deutschland erst 1998 (Österreich 1989, andere Änderungen des Unterhalts seit 1975) aufgegeben.

Lit.: Kaser §§ 12 III, 58 VI, 61; Hübner 717; Jankowiak, K., Die Rechtsstellung der Kinder, Diss. jur. Marburg 1923 masch.schr.; Laplanche, J. de, La soutenance ou pourvéance dans le droit coutumier, 1952; Wiesner, J., Über die Rechtsstellung des ehelichen Kindes, Diss. jur. Kiel 1972; Wesener, G., Pflichtteilsrecht und Unterhaltsanspruch des überlebenden Ehegatten, FS Rechtswissenschaftliche Fakultät Graz 1979, 95; Krause, E., Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche, 1982; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 254; Koch, E., Unterhaltspflichten in rechtshistorischer Sicht, (in) Familiäre Solidarität, 1997, 9; Schmitz, U., Der Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes gegen seinen Erzeuger, 2000; Großekathöfer, D., Es ist ja jetzt Gleichberechtigung, 2003; Laubach, B., Lateinische Spruchregeln zum Unterhaltsrecht, 2004; Metz, B., Rechtsethische Prinzipien des nachehelichen Unterhalts, 2005; Meyer, C., Le système doctrinal des aliments, 2006; Lutze, N., Der Verwandtenunterhalt in den §§ 1601 bis 1603 und §§ 1610 bis 1612 BGB in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2007; Mehnert, S., Entwicklungen im gesetzlichen Güterrecht, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Breithaupt, M., 50 Jahre Düsseldorfer Tabelle, 2012; Schüler, K., Der Betreuungsunterhalt, 2012; Maier, A., Der Geschiedenenunterhalt in Deutschland im 19. Jahrhundert, 2013; Oldenburger, M., Kindesunterhalt in England, 2013; Schulz, M., Alementa consanguineorum – Das Unterhaltsrecht unter Verwandten in der Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts, 2017

Unterhaus →House of Commons

Unterkauf ist der in dem Spätmittelalter und in der Frühneuzeit in Städten verbotene Zwischenhandel.

Lit.: Hübner § 83; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961

Unterlassene Hilfeleistung ist die trotz Rechtspflicht zu dem Tätigwerden nicht erbrachte Hilfeleistung.

Lit.: Gieseler, K., Unterlassene Hilfeleistung, 1999

Unterlassung (1541) ist die Nichtvornahme einer gebotenen Handlung. Die U. wird erst allmählich der Handlung angenähert.

Lit.: Kaser §§ 36 I 2, 51 II 1; Köbler DRG 242; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Unternehmen ist in dem Privatrecht eine organisatorische Einheit aus Sachen, Rechten und sonstigen Werten, innerhalb deren ein Unternehmer entferntere Ziele verfolgt. Gegenüber dem einzelnen Unternehmer gewinnt das U. seit dem Spätmittelalter ein Eigengewicht. Seit dem 20. Jahrhundert gibt es Bestrebungen, das U. - statt des Kaufmanns - in den Mittelpunkt des Handelsrechts zu stellen. Sie werden in Österreich 2007 verwirklicht.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 707; Geller, L., Das Unternehmen, 1913, 2. A. 2013Oppikofer, H., Das Unternehmensrecht, 1927; Bauer, C., Unternehmen und Unternehmensformen, 1936; Recht und Entwicklung von Großunternehmen, hg. v. Horn, N. u. a., 1979; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1982; Treue, W., Unternehmens- und Unternehmergeschichte, 1989; Conradi, J., Das Unternehmen, 1993; Riechers, A., Das „Unternehmen an sich“, 1996; Unternehmen im Nationalsozialismus, hg. v. Gall, L./Pohl, M., 1998; Pierenkemper, T., Unternehmensgeschichte, 2000; Förster, C., Die Dimension des Unternehmens, 2003; Dienel, H., Die Linde AG, 2004; Berghoff, H., Moderne Unternehmensgeschichte, 2004; Thiessen, J., Unternehmenskauf und Bürgerliches Gesetzbuch, 2005; Ciriacy-Wantrup, K. v., Familien- und erbrechtliche Gestaltungen von Unternehmen der Renaissance, 2007; James, H., Krupp, 2011; Lutz, M., Carl von Siemens 1829-1906, 2013; Bähr, J. u. a., Bosch, 2013; Junggeburth, T., Stollwerck 1839-1932, 2014; Unternehmer in der Weimarer Republik, hg. v. Bormann, P. u. a., 2016; Bähr, J., Werner von Siemens 1816-1892, 2016; Spoerer, M., C & A, 2016; Meck, G., Auto, Macht, Feld – Die Geschichte der Familie Porsche Piëch, 2016; Baums, T., Recht der Unternehmensfinazierung, 2017; Theiner, P., Robert Bosch, 2017; Biss, A., Die Internationalisierung der Bayerischen Motoren Werke AG, 2017; Klingebiel, T., Curt Mast, 2017; Pyta, W. u. a., Porsche, 2017; Bleidick, D., Die Ruhrgas 1926 bis 2013, 2017; Reckendrees, A., Beiersdorf, 2018; Plumpe, W., Unternehmensgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert, 2018; Feyer, S., Die MAN im Dritten Reich, 2018; Burhop, C. u. a., Merck, 2018; Streb, J., Trumpf, 2019; Scholtyseck, J., Otto Beisheim – Jugend, Soldatenzeit und Entwicklung zum Handelspionier, 2020 1924 geboren, 1964 geschäftsführender Gesellschafter Metros)

Unterpfand (meist gleichbedeutend wie) Pfand

Lit.: Meibom, V., Das deutsche Pfandrecht, 1867, 37

Unterschlagung ist die rechtswidrige Zueignung einer fremden beweglichen Sache, die der Täter in Besitz oder Gewahrsam hat (z. B. Verkauf einer entliehenen Sache). Die systematische Abgrenzung der U. von dem →Diebstahl erfolgt erst seit dem Ende des 18 Jahrhunderts (Kleinschrod, Sachsen 1838).

Lit.: Köbler, DRG 158; Meister, E., Fahrnisverfolgung und Unterschlagung im deutschen Recht, FS Adolf Wach, 1913; His, R., Das Strafrecht im deutschen Mittelalter, Bd. 2 1935, 217; Wrede, H., Die Untreue, 1939; Reiß, H., Die strafrechtliche Behandlung der Eigentums- und Vermögensdelikte, 1973

Unterschrift ist der zu dem Zwecke der Anerkennung des Inhalts unter den Text einer Urkunde gesetzte, eigenhändig geschriebene →Name eines Menschen. Das römische Altertum kennt, wenn auch spät, bereits die U. Die merowingische Königsurkunde weist vielfach eine eigenhändige U. des Königs auf, an deren Stelle später das Monogramm oder das →Siegel (11 Jahrhundert) tritt. Seit der frühen Neuzeit verdrängt die eigenhändige U. das Siegel wieder. Mit zunehmender Selbstverständlichkeit der Schreibfähigkeit wird die U. immer bedeutsamer. 1901 gestattet das deutsche Reichsgericht die Unterschrift des Vertreters mit dem Namen des Vertretenen.

Lit.: Erben, W., Die Kaiser- und Königsurkunde, 1907, Neudruck 1967; Holzhauer, H., Die eigenhändige Unterschrift, 1973; Schlögl, W., Die Unterfertigung deutscher Könige, Saupe, L, Die Unterfertigung der lateinischen Urkunden, 1983

Untersuchungsgrundsatz ist der Grundsatz, dass das Gericht von Amts wegen Tatsachen erforscht, sie in die Verhandlung einführt und ihre Wahrheit feststellt. Der U. beherrscht den Inquisitionsprozess. In dem Zivilprozess ist er selten (Preußen 1793 Allgemeine Gerichtsordnung).

Lit.: Köbler, DRG 203; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Bomsdorf, F., Prozessmaximen und Rechtswirklichkeit, 1971; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Richter, M., Die Untersuchungsmaxime im älteren Verwaltungsprozess, 1999

Untertan ist der der Herrschaft einer (absoluten) Obrigkeit unterstehende Mensch in der frühen Neuzeit. An seine Stelle tritt mit der Aufklärung der Staatsbürger oder Staatsangehörige (1789, 1848, 1918).

Lit.: Moser, J., Von der Landeshoheit in Ansehung der Untertanen Personen und Vermögens, 1773; Wiesmann, R., Treueid und Treupflicht der Untertanen, 1911; Buchda, G., Untertanenpflicht, ZRG GA 57 (1937), 468; Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt, ZRG GA 66 (1948), 111; Feller, H., Die Bedeutung des Reiches, 1953; Spies, K., Gutsherr und Untertan, 1972; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 295; Lutz, R., Wer war der gemeine Mann?, 1979; Bürger und Bürgerlichkeit im Zeitalter der Aufklärung, hg. v. Vierhaus, R., 1981; Blickle, P., Deutsche Untertanen, 1981; Hohenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991; Sailer, R., Untertanenprozesse vor dem Reichskammergericht, 1999; Fetzer, R., Untertanenkonflikte im Ritterstift Odenheim, 2002; Xenias, S., Untertanenprozesse an Reichsgerichten, 2018

Unterwalden ist das Gebiet nid dem Wald, das 1240 ein Bündnis mit →Luzern und 1291 ein Bündnis mit Uri und →Schwyz gegen die Grafen von →Habsburg schließt und 1309/1324 die Reichsunmittelbarkeit gewinnt. Es ist einer der Urkantone der →Schweiz.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973, 2,2,461; 500 Jahre Stanser Vorkommnis, 1981; Das Protokoll des Fünfzehnergerichts Obwalden 1529-1549, hg. v. Küchler, R., (1994) (Separatabdruck); Garovi, A., Obwaldner Geschichte, 2000

Untreue ist das durch Mangel an zu erwartender Treue gekennzeichnete Vermögensdelikt. Die U. wird lange durch den Diebstahl miterfasst. Seit dem 19. Jahrhundert wird sie verselbständigt (Bayern 1813).

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935; Mayer, H., Die Untreue, 1926; Wrede, H., Die Untreue, 1939; Ritter. J., Verrat und Untreue an Volk, Reich und Staat, 1942; Kiefner, H., Zur zivilrechtlichen Genealogie des Missbrauchstatbestands (§ 266 StGB), (in) Beiträge zur Rechtswissenschaft, 1993, 1205

unverheiratet (Wort 15. Jahrhundert), nicht verheiratet

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

unvollkommen zweiseitig verpflichtend (Adj.) grundsätzlich nicht beide Beteiligte verpflichtend, aber in besonderen Fällen doch (z. B. Leihe, Auftrag)

Unvordenklichkeit ist die Unerinnerlichkeit der Entstehung eines Zustands. U. begründet in dem römischen Recht und in der frühen Neuzeit die Vermutung, dass ein Zustand einmal rechtmäßig entstanden ist.

Lit.: Hübner; Kaser § 28 II 1b; Bulker, H., Der unvordenkliche Besitz, 1841; Unterholzner, K., Verjährungslehre, 2. A. 1958

Unwedersatt

Lit.: Minnigerode, H. v., Unwedersatt und wirdrisittolo, ZRG GA 59 (1939), 249

unwirksam (1766, Unwirksamkeit 1704) nicht wirksam

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Unzucht ist seit dem 18. Jahrhundert die allgemeine Bezeichnung für eine Straftat gegen die Sittlichkeit, die 1973 von dem deutschen Gesetzgeber aufgegeben wird.

Lit.: Köbler, DRG 35; Kroeschell, DRG; Beutin, W., Sexualität und Obszönität, 1990; Gleixner, U., Das Mensch und der Kerl, 1994; Kraft, S., Zucht und Unzucht, 1996; Künzel, C., Unzucht – Notzucht – Vergewaltigung, 2003; Klammer, P., In Unehren beschlaffen, 2004; Dohmen, L., Die Ursache allen Übels, 2017 (Vorwürfe gegen 5 Gemahlinnen von Karolingern); Frimmel, J., Das Geschäft mit der Unzucht, 2019

Unzurechnungsfähigkeit ist das Fehlen der Fähigkeit, überzeugend zuzurechnen bzw. das Fehlen der Voraussetzungen der Verantwortlichkeit eines Handelnden. Die U. wird tatsächlich schon früh beachtet, allgemein aber erst mit der Aufklärung erfasst. U. besteht insbesondere bei Kindern (Bayern 1813 bis 8, Österreich 1804 bis 10, Deutsches Reich 1871 bis 12 Jahre). →Zurechnungsfähigkeit

Lit.: Engelmann, W., Die Schuldlehre der Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965; Hippel, R. v., Zur Begriffsbestimmung der Zurechnungsfähigkeit, Z. f. d. ges. Strafrechtswiss. 32 (1911), 99; Schaffstein, F., Die allgemeine Lehre vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Holzschuh, K., Geschichte des Jugendstrafrechts, 1957; Unzurechnungsfähigkeiten, hg. v. Niehaus, M. u. a., 1998

Uplandslagh, Upplandslagh ist das bis 2. 1. 1296 geschaffene, durch fünf fast vollständige und zahlreiche bruchstückweise erhaltene Handschriften des früheren 14. Jahrhunderts überlieferte schwedische Gesetzbuch für Uppland (Tiundaland, Attundaland, Fiärdrundaland), Roslagen und Gästrikland. Auf Beschwerden der Bauern wird das bisherige Recht von einem wohl mit in Bologna rechtsgelehrten Beratern zusammenarbeitenden Ausschuss gesammelt, nach Überprüfung dem Ding zu der Annahme vorgelegt und nach Annahme von König Birger Magnusson bestätigt. Das U. ist in 8 Abschnitte gegliedert (22 Kapitel Kirchenrecht, 12 Kapitel Königsrecht, 25 Kapitel Erbrecht, 54 Kapitel Strafrecht, 83 Kapitel Grundstücksrecht, 11 Kapitel Kaufrecht, 29 Kapitel Dorfschaftsrecht und 14 Kapitel Dingrecht). Es ist christlich beeinflusst und enthält manche Neuerung. Es beeinflusst Dalalagen, Södermannalagen, Västmannalagen, Hälsingelagen und Magnus Erikssons Landrecht, durch das es 1351/1353 weitgehend abgelöst wird. 1734 beendet das Reichsgesetzbuch Schwedens die Geltung auch ansonsten.

Lit.: Samling af Sweriges Gamla Lagar, hg. v. Schlyter, C., Bd. 3 1834; Schwedische Rechte, hg. v., Schwerin, C. Frhr. v., 1935; Corpus Codicum Sueciorum, hg. v. Strömbäck, D., Bd. 15 1960; Wallén, P., Kanoniska och germanska element, 1958; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Hafström, G., De svenska rätskällornas historia, 1978; Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im mittelalterlichen Schweden, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Sjöholm, E., Sveriges Medeltidslagar, 1988

Uppsala entsteht in dem 12. Jahrhundert als Östra Aros (östliche Flussmündung). Nach 1130 wird es Sitz des Bistums Sigtuna, 1164 eines Erzbischofs. 1314 erhält es Stadtrecht. 1477 wird eine spätestens 1530 erloschene, 1609 wiederbelebte Universität eingerichtet. Zeitweise ist U. Residenz des Königs von Schweden, 1707 wird es durch Brand weitgehend zerstört.

Lit.: Annerstedt, C., Upsala universitets histora, Bd. 1f. 1877ff.; Lindroth, S., Svensk lärdomshistoria, 1975; Lindroth, S., Uppsala universitet 1477-1977, 1976; Malmström, Å., Juridiska fakulteten i Uppsala, 1985

Upstallsbom ist der bei Aurich gelegene Ort, nach dem der spätmittelalterliche Zusammenschluss friesischer Gaue zwischen Weser und Zuiderzee benannt ist. Hier beraten geschworene Abgesandte der einzelnen Landschaften auf Landtagen über allgemeine Angelegenheiten. 1323 schaffen sie in den (lat.) Leges (F.Pl.) Upstallsbomicae eine neue Verfassung des wenig später verfallenden Bundes.

Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840; Meijering, H., De willekeuren van de Opstallsbom (1323), 1974; Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981

Uradel (1862) ist der besonders alte und (deswegen) zu besonders hohem Rang gelangte →Adel in Gegensatz vor allem zu dem →Briefadel.

Urbach

Lit.: Regesten zur Geschichte der Herren von Urbach, bearb. v. Uhland, R., 1958

Urbar ist das mittelalterliche und frühneuzeitliche Güterverzeichnis (z. B. Heberegister, Salbuch, Zinsrödel) eines Grundherrn (z. B. Abtei Prüm 893, Weißenburg, Lorsch, Fulda, Werden, in dem Herzogtum Württemberg rund 2150 Urbare des 15.-18. Jahrhunderts).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 81, 105; Das habsburgische Urbar, hg. v. Maag, R., Bd. 1f. 1894ff.; Die landesfürstlichen Urbare Nieder- und Oberösterreichs, hg. v. Dopsch, A., 1904; Die Urbare der Abtei Werden, hg. v. Kötzschke, R., Bd. 1ff. 1906ff.; Die Urbare des Benediktinerstiftes Göttweig von 1302-1536, bearb. v. Fuchs, A., 1906; Die landesfürstlichen Gesamturbare der Steiermark, hg. v. Dopsch, A., 1910; Gmür, M., Urbare und Rödel des Klosters Pfäfers, 1910; Die mittelalterlichen Stiftsurbare des Erzherzogtums Österreich ob der Enns, hg. v. Schiffmann, K., 1912f.; Zösmair, J., Das Urbar des Reichsguts in Churrätien aus der Zeit König Ottos I., Archiv für Geschichte und Landeskunde Vorarlbergs 10 (1914), 61; Jecklin, F., Urbar des Hospizes St. Peter auf dem Septimer, 1915; Brosch, F., Siedlungsgeschichte des waxenbergischen Amtes Leonfelden, mit einem Anhang Das Leonfeldener Urbar, hg. v. Trinks, E., Jahrbuch des oberösterreichischen Musealvereines 84 (1932); Altwürttembergische Urbare, hg. v. Müller, K., 1934; Das Elbogener Urbar, hg. v. Schreiber, G., 1934; Baumgartner, R., Das bernisch-solothurnische Urbar, 1938; Das Füssener hochstiftische Urbar von 1398, bearb. v. Dertsch, E., 1940; Urbare von Allerheiligen in Schaffhausen und von Beromünster, bearb. v. Kläui, P., 1941; Das Bickelspergsche Lagerbuch der Grafschaft Zollern von 1435, hg. v. Herberhold, F., 1941; Feger, O., Das älteste Urbar des Bistums Konstanz, 1943; Gurker Urbare, hg. v. Wießner, H., 1951; Clavadetscher, O., Das churrätische Reichsgutsurbar, ZRG GA 70 (1953), 1; Das Urbar des Hochstifts Augsburg von 1366, hg. v. Dertsch, R., 1954; Seckau, Pettau, hg. v. Roth, B. u. a., 1955; Das Urbar der vorderen Grafschaft Görz aus dem Jahre 1299, hg. v. Klos-Bužek, F., 1956; Altwürttembergische Lagerbücher aus der österreichischen Zeit 1520-1534, bearb. v. Schwarz, P. u. a., Bd. 1ff. 1958ff.; Metz, W., Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Raisch, H., Das Esslinger Urbar von 1304, 1966; Das Hohentwiel-Lagerbuch von 1562, bearb. v. Miller, M., 1968; Das Rattenberger Salbuch von 1416, hg. v. Bachmann, H., 1970; Salbücher der Grafschaft Lippe von 1614 bis etwa 1620, bearb. v. Stöwe, H. u. a., 1969; Das Prümer Urbar, hg. v. Schwab, I., 1983; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960; Richter, G., Lagerbücher- und Urbarlehre, 1979; Das älteste bayerische Herzogsurbar, hg. v. Heeg-Engelhart, I., 1990; Mayer, U. u. a., Die spätmittelalterlichen Urbare des Heiliggeist-Spitals in Mainz, 1992; Fränkische Urbare, hg. v. Bünz, E. u. a., 1998; Das älteste Urbar des Priorats Reichenbach von 1427, bearb. v. Keyler, R., 1999; Das Urbar der Abtei Sankt Maximin vor Trier, bearb. v. Nolden, R., 1999; Das Urbar des Grafen Burkhard III. von Maidburg-Hardegg, hg. v. Zehetmayer, R., 2001; Das Urbar des niederösterreichischen Zisterzienserklosters Zwettl, hg. v. Schneider, G., 2002; Klose, J., Die Urbare Abt Hermanns von Niederaltaich, 2003; Das Urbar des Heilig-Geist-Spitals zu Bozen von 1420, bearb. v. Schneider, W., 2003; Feigl, H./Stockinger, T., Die Urbare der Herrschaften Maissau und Sonnberg, 2008; Urbare des Fürstentums Jägerndorf, hg. v. Hanke, S. u. a., 2010

Urbino in den Marken geht auf das antike Urbinum Metaurense zurück. In dem 6. Jahrhundert wird es Sitz eines Bischofs. Durch die pippinische Schenkung (754) fällt es an den Papst. In dem 1443/1474 errichteten Herzogtum wird 1506 eine Universität geschaffen.

Lit.: Le città nella storia d’Italia, 1986

Urfehde ist das seit dem 14. Jahrhundert sichtbare und von dem 15. Jahrhundert bis zu dem 17. Jahrhundert verbreitete Versprechen (z. B. in Freiburg im Breisgau zwischen 1331 und 1750 rund 1100 Urfehden) der Beendigung der Feindschaft, mit dem die →Fehde endet. Vielfach üblich ist auch eine U. nach Entlassung aus einer Haft. Davon wird in Preußen 1796 Abstand genommen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Utsch, F., Peinliche Urfehden, 1903; Asmus, W., Das Urfehdewesen Freiburgs im Breisgau, Diss. jur. Freiburg im Breisgau, 1923; Ebel, W., Die Rostocker Urfehden, 1938; Ullrich, G., Ein Entwurf eines Zeitzer Urfehdebriefs, ZRG GA 59 (1939), 270; Boockmann, A., Urfehde, 1980; Blauert, A., Das Urfehdewesen im deutschen Südwesten, 2000

Urgicht (F.) Geständnis

Urheber (Wort 1432) ist der Veranlasser oder Hersteller eines Ergebnisses, insbesondere eines geistigen Werkes. Seit der frühen Neuzeit entwickelt sich zu seinem Schutz das (im römischen Recht trotz Anerkennung der Urheberpersönlichkeit noch unbekannte) →Urheberrecht.

Lit.: Gillis, F., Gewährschaftszug und Laudatio auctoris, 1913; Eggert, A., Der Rechtsschutz der Urheber, UFITA 138 (1999), 183; Schickert, K., Der Schutz literarischer Urheberschaft in Rom, 2004; Köbler, G., Vom Urheber und Patent zum Urheberrecht und Patentrecht, FS E. Wadle, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Urheberrecht (1855) ist die Gesamtheit der den →Urheber schützenden Rechtssätze. In dem Altertum genießt der Verfasser eines Werkes zwar bereits Ruhm und wird auch der Plagiator eines Werkes gesellschaftlich geschmäht, doch gibt es Recht (Eigentum, Besitz) nur an dem einzelnen Werkstück und ist die Abschrift eines Textes nicht rechtswidrig. Das U. gewinnt kurz nach Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern (um 1440-1454), der die preiswerte Vervielfältigung von Gedanken auf dem seit dem 13. Jahrhundert verwendeten billigeren Papier ermöglicht, seine erste größere Bedeutung. Es beginnt mit der Erteilung von privilegierenden Patenten zugunsten (der Verwerter) einzelner Erfindungen (England um 1350), denen in Venedig 1474 eine erste allgemeine Regelung folgt. Insbesondere Drucker (darunter auch rechtswidrige Nachdrucker) werden gegen billiger mögliche Nachdrucke durch örtlich begrenzte, Strafen vorsehende Privilegien von Landesherren geschützt. Zahlungen an den Urheber sind zunächst nur Ehrengeschenke. In dem Gefolge der Aufklärung entsteht über die aus vielen Privilegien des 16. und 17. Jahrhunderts gegen den Nachdruck erwachsende Lehre von einem Verlagseigentum (17. Jahrhundert) seit dem Ende des 18. Jahrhunderts (in Naturrecht und Rechtsphilosophie) die Lehre von dem →geistigen Eigentum („Person-Eigentum an Leistungen als Auswirkung des Rechtes der Persönlichkeit), die sich in dem 19. Jahrhundert nach englisch-französischem Vorbild (Eigentumstheorie John Lockes, 1710 Statute of Anne (), Frankreich 1791, 1793, intellectual property, propriété intellectuelle) für einige Zeit durchsetzt (Württemberg Gewerbeordnung 1828, Preußen Gesetz zu dem Schutz des Eigentums an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen Nachdruck 11. 6. 1837, gemeinsame Grundsätze der Bundesversammlung des Deutschen Bunds von dem 7. 11. 1837, Norddeutscher Bund 1870, Urheberrechtsgesetz des Deutschen Reiches von dem 11. Juni 1870, Gesetze betreffend den Schutz von Werken der Kunst und Photographie 1876, Patentgesetz 25. 5. 1877, Literatururhebergesetz von dem 19. Juni 1901 [Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst], Kunsturhebergesetz 1907, Schweiz 1883, Österreich 1895), bis sie in Deutschland durch den pandektistischen, auf körperliche Gegenstände beschränkten Eigentumsbegriff (des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1900) und die Vorstellung von Immatgerialgüterrechten wieder verdrängt wird. Mit der Herausbildung eines freien Schriftstellertums entsteht die Vorstellung eines Urhebervermögensrechts. International bedeutsam wird die Berner Übereinkunft (1866), nach der die beteiligten Staaten das inländische Recht des Leistungsschutzes auf die Angehörigen aller Teilnehmerstaaten erstrecken (1952 Welturheberrechtsakommen, E. 20. Jahrhunderts Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights). In dem 20. Jahrhundert wird der Schutz des Urhebers ausgedehnt (70 Jahre nach dem Tod). Allerdings bedarf der Urheber in der Regel zu der wirtschaftlichen Verwertung seiner Gedanken wirtschaftlich erfahrener, durch Vertrag viele der Rechte des Urhebers gegen Entgelt übernehmender Mittelsmänner (z. B. Verlag, der nach dem Verlagsvertrag die wirtschaftlichen Rechte des Autors durch ein Honorar von 5-10 Prozent des Ladenpreises des einzelnen verkauften Buches entgilt). 2019 werden die Rechte der Verwerter und Urheber gegenüber den Interessen der Allgemeinheit in der Europäischen Union gestärkt.

Lit.: Köbler, DRG 184, 205, 218, 272; ; Goerlitz, T., Die rechtliche Behandlung der gewerblichen Bildzeichen in Deutschland seit dem 14. Jahrhundert, ZRG GA 55 (1935), 216; Zycha, A., Beitrag zur Frühgeschichte des deutschen Erfinderrechts, ZRG GA 59 (1939), 208; Gieseke, L., Vom Privileg zum Urheberrecht, 1956; Gieseke, L., Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, 1957; Bappert, W., Wege zum Urheberrecht, 1962; Seemann, H., Volkslied und Urheberrecht, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1965; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,737, 3,3,3955; Vogel, M., Deutsche Urheber- und Verlagsrechtsgeschichte, 1978; Klingenberg, E., Vom persönlichen Recht zum Persönlichkeitsrecht, ZRG GA 96 (1979), 183; Bosse, H., Autorschaft ist Werkherrschaft, 1981; Hundert Jahre Urheberrechtsgesetz, 1983; Wadle, E., Die Entfaltung des Urheberrechts als Antwort auf technische Neuerungen, (in( Technikgeschihte 1985, 233; Woher kommt das Urheberrecht und wohin geht es?, hg. v. Dittrich, R., 1988; Wadle, E., Der Bundesbeschluss vom 9. November 1837 gegen den Nachdruck, ZRG GA 106 (1989), 198; Bülow, M., Buchmarkt und Autoreneigentum, 1990; Wadle, E., Savignys Beiträge zum Urheberrecht, (in) Grundfragen des Privatrechts, 1990, 95; Wadle, E., Zur Geschichte des Urheberrechts in Europa, (in) Entwicklung des europäischen Urheberrechts, 1989; Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, hg. v. Beier, F., Bd. 1f. 1991; Kaller, P., Druckprivileg und Urheberrecht, 1992; Die Notwendigkeit des Urheberrechtsschutzes, hg. v. Dittrich, R., 1991; Historische Studien zum Urheberrecht, hg. v. Wadle, E., 1993; Schulze, E., Geschützte und ungeschützte Noten, 1995; Gieseke, L., Vom Privileg zum Urheberrecht, 1995; Wadle, E., Geistiges Eigentum, Bd. 1f. 1996ff.; Püschel, H., Die Parsifal-Frage, ein rechtshistorisches Phänomen, ZRG GA 113 (1996), 307; Ellins, J., Copyright Law, Urheberrecht, 1997; Materialien zum Urheberrechtsgesetz, hg. v. Schulze, M, Bd. 1f. 2. A. 1997; Kurz, P., Die Geschichte des Arbeitnehmererfinderrechts, 1997; Wadle, E., Preußische Privilegien, (in) Musik und Recht, 1998, 85; Schack, H., Die ersten Urheberrechtsgesetze in den Vereinigten Staaten von Amerika 1783-1786, UFITA 136 (1998), 219; Seville, C., Literary Copyright Reform in Early Victorian England, 1999; Sherman, B./Bently, L., The Making of Modern Intellectual Property Law, 1999; Wadle, E., Das Scheitern des Frankfurter Urheberrechtsentwurfes von 1819, UFITA 138 (1999), 153; Kurz, P., Weltgeschichte des Erfindungsschutzs, 2000; Nomine, R., Der königlich preußische literarische Sachverständigen-Verein, 2001; Kawohl, F., Urheberrecht der Musik in Preußen, 2002; Maracke, C., Die Entstehung des Urheberrechtsgesetzes von 1965, 2003; Schriks, C., Het kopijrecht, 2004; Schickert, K., Der Schutz literarischer Urheberschaft im Rom der klassischen Antike, 2004; Meyer, S., Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den Büchernachdruck, 2004; Dulken, S. van, Ideen, die Geschichte machten, 2004; Müller, L., Das Urheberpersönlichkeitsrecht, 2004, Vogt, R., Die urheberrechtliche Reformdiskussion in Deutschland während der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus, 2004; Vogel, F., Urheber- und Erfinderrechte im Rechtsverkehr, 2004; Bandilla, K., Urheberrecht im Kaiserreich, 2005; Balogh, E., Der Einfluss des deutschen Rechtes auf den ersten ungarischen Gesetzentwurf zum Urheberrecht, ZRG GA 123 (2006), 305; Gergen, T., Das württembergische Privilegiensystem gegen den Büchernachdruck, UFITA 2006, 189; Feld, A., Das bayerische Gesetz zum Schutz des Eigentums an Erzeugnissen der Literatur und Kunst gegen Nachdruck vom 15. 04. 1840, 2007; Wadle, E., Urheberrecht zwischen Gestern und Morgen, 2007; Gergen, T., Die Nachdruckprivilegienpraxis Württembergs im 19. Jahrhundert, 2007; Löhnig, M., Vom Schrifteigentum - das erste deutsche Urheberrecht in Art. 577da-dh des badischen Landrechts, UFITA 1997, 783ff.; Gergen, T., Zum Urheberrecht Hannovers im 18. und 19. Jahrhundert, ZRG GA 125 (2008), 181; Köbler, G., Vom Urheber und Patent zum Urheberrecht und Patentrecht, FS E. Wadle, 2008; Mohnhaupt, H., Zur Entstehung der Rechtsdisziplin Urheberrecht im 19. Jahrhundert (in) Grundlagen und Grundfragen des geistigen Eigentums, hg. v. Pahlow, L. u. a., 2008, 131; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Löhr, I., Die Globalisierung geistiger Eigentumsrechte, 2010; Flechsig, N., Der englische Bach aus Leipzig und das erste Urheberrechtsgesetz der Welt, UFITA 2010, 445; Reuß, R., Naturrecht oder positivistisches Konzept. Die Entstehung des Urheberrechts im 18. Jahrhundert in England und den Vereinigten Staaten von Amerika, 2010; Höffner, E., Geschichte und Wesen des Urheberrechts, 2010, 2. A. 2011; Wadle, E., Beiträge zur Geschichte des Urheberrechts, 2012; Birnhack, M., Colonial Copyright, 2012; Dressel, F., Neue Strukturen für den Schutz geistigen Eigentums im 19. Jahrhundert, 2013; Neurauter, S., Das Bauhaus und die Verwertungsrechte, 2013; Fitzgerald, B. u. a., A Short History of Copyright, 2013; Seifert, F., Kleine Geschichte(n) des Urheberrechts, 2014; Dommann, M., Autoren und Apparate – Die Geschichte des Copyrights im Medienwandel, 2014; Wolf, J., Aspekte des Urheberrechts bei Carl Maria von Weber, Albert Lortzing und Otto Nicolai, 2015; Pfaffendorf, R., Die Strafbarkeit grenzüberschreitender Verletzungen von Rechten am geistigen Eigentum innerhalb der Europäischen Union, 2018; Geschichte und Zukunft des Urheberrechts, hg. v. Meder, S., 2018; Reinhold, N., Die Entwicklung des Urheberrechts unter besonderer Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung von 1870 bis 1910, 2018; Urheberrecht im Wandel der Zeit – Symposium Norbert P. Flechsig, hg. v. Verwertungsgesellschaft, 2018; Sohns, C., Lizenzen in der Urheberkette, 2018; Jacobsen, J., Die urheberrechtlich relevante Parodie, 2020

Uri ist der Ort an dem Vierwaldstättersee, der 732 erstmals erwähnt wird und dem König Heinrich (VII.) die Reichsunmittelbarkeit bestätigt. 1291 schließt sich U. mit →Schwyz und Unterwalden gegen →Habsburg zusammen. U. ist ein Urkanton der →Schweiz, in dem die Landsgemeinde 1928 durch Urwahlen ersetzt wird.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das Schlachtjahrzeit von Uri, hg. v. Wymann, E., 1916; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Arnold, G., Die Korporation Ursern, 1990; Stadler-Planzer, H., Geschichte des Landes Uri, Teil 1 1993

Urkunde (Wort um 790 belegt) ist die verkörperte Gedankenerklärung, die allgemein oder für Eingeweihte verständlich ist, den Aussteller erkennen lässt und zu dem Beweis einer rechtlich erheblichen Tatsache geeignet und bestimmt ist bzw. das unter Beobachtung bestimmter Formen ausgefertigte und beglaubigte Schriftstück über Vorgänge rechtserheblicher Natur (Ahasver von Brandt). Da die U. die Schriftlichkeit voraussetzt, fehlt sie den Germanen in Gegensatz (zu altorientalischen Kulturen und) zu den Römern, bei denen sie (lat. [N.] instrumentum) als Zeugenurkunde (lat. [F.] testatio) auf Wachsdoppeltäfelchen in objektiver d. h. dritter Person gehaltener Fassung oder seit dem 2./1. Jahrhundert v. Chr. nach griechischem Vorbild als zeugenloses, eigenhändiges, subjektiv gefasstes Handschreiben (lat. [N.] chirographum) vielfach errichtet und durch Verdoppeln oder Zusammenfalten (Diplom) vor Beschädigung oder Verfälschung geschützt wird. Später erscheinen in Rom auch Anfänge gewerbsmäßiger Ausstellung und öffentlicher Beurkundung. Fortgeführt ins Mittelalter wird die U. durch die Kirche. Die Zahl der erhaltenen merowingischen Urkunden beträgt etwa 700, die der karolingischen etwa 10000, die der ottonisch-salischen etwa 3000, wobei die Königsurkunde (ca. 4000 in dem Frühmittelalter) gegenüber der Privaturkunde (fast 10000) zeitweise gänzlich vorherrscht. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts entsteht auch in dem Adel ein Interesse an der Schriftlichkeit von Rechtsgeschäften. Gegliedert ist jede U. grundsätzlich in Protokoll (Invokation [Gottes], Intitulation [des Ausstellers], Inskription [Nennung des Empfängers], Salutation [Gruß]), Kontext (Arenga [allgemeine Begründung der Ausstellung], Promulgation [Verkündung}, Ereignisbericht [lat. narratio], Bitte um Urkundenausstellung, Dispositio [eigentliches Rechtsgeschäft, Verfügung], Confirmatio und/oder Pönformel, Beglaubigungsmittel [lat. corroboratio]) und Eschatakoll (Actum, Schlussdatierung, Ausstellerunterschrift, Zeugenunterschriften und die Schreiberformel [Rekognition], evtl. Gebetsformel). In dem 13. Jahrhundert nimmt die Zahl der Urkunden unübersehbar zu, zumal die Schreibfähigkeit immer mehr verbreitet wird. Gegen das Ende des 13. Jahrhunderts wird auf Invokation, Arenga und Zeugen verzichtet, setzt sich die Volkssprache gegenüber dem Lateinischen durch und dringen Sicherungsklauseln und Gewährleistungsklauseln vor. In dem Druck veröffentlicht sind seit dem 17. Jahrhundert vor allem die älteren Urkunden in Urkundenbüchern. Der Bestrafung der Urkundenfälschung dienen später besondere Strafvorschriften.

Lit.: Köbler, DRG 6; Köbler, WAS; Urkundenbuch der Abtei St. Gallen, hg. v. Wartmann, H., Bd. 1ff. 1863ff.; Brunner, H., Zur Rechtsgeschichte der römischen und germanischen Urkunde, Bd. 1 1880; Zeumer, K., Über den Ersatz verlorener Urkunden im fränkischen Reich, ZRG GA 1 (1880), 89; Posse, O., Die Lehre von den Privaturkunden, 1887; Hübner, R., Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit, 1891; Vancsa, F., Das erste Auftreten der deutschen Sprache, 1895, Neudruck 1963; Erben, W./Schmitz-Kallenberg, L./Redlich, O., Urkundenlehre, 1907ff.; Redlich, O., Die Privaturkunden des Mittelalters, 1911; Mitis, O. Frhr. v., Studien zum älteren österreichischen Urkundenwesen, 1912; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1f. 2. A. 1912, 4. A. 1968ff. (unv. Neudruck); Redlich, O., Die Privaturkunden des Mittelalters, 1911, Neudruck 1967; Urkunden zur Geschichte der Territorialverfassung, hg. v. Sander, P./Spangenberg, H., 1922f.; Steinacker, H., Die antiken Grundlagen der frühmittelalterlichen Privaturkunde, 1927; Corpus der altdeutschen Originalurkunden, begr. v. Wilhelm, F., Bd. 1ff. 1929ff.; Ketner, F., De oudste oorkonden van het klooster Bethlehem bij Doetinchem, 1932; Santifaller, L., Urkundenforschung, 1937; Honselmann, K., Von der carta zur Siegelurkunde, 1939; Vienken, T., Die Geltungsdauer rechtlicher Dokumente, 1941; Meisner, H., Urkunden- und Aktenlehre der Neuzeit, 2. A. 1952; Oppermann, O., Rheinische Urkundenstudien, 1951; Chartae latinae antiquiores, hg. v. Bruckner, A., Bd. 1ff. 1954ff., Neuere Editionen mittelalterlicher Königs- und Papsturkunden, (bearb.) v. Santifaller, L., 1958; Tessier, G., Diplomatique royale française, 1962; Hofmann, S., Urkundenwesen, Kanzlei und Regierungssystem der Herzoge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214 bis 1255/1294, 1967; Zinsmaier, P., Die Urkunden Philipps von Schwaben und Ottos IV. (1198-212), 1969; Hlaváček, I., Das Urkunden- und Kanzleiwesen des böhmischen und römischen Königs Wenzel (IV.) 1376-1419, 1970; Chaplais, P., English royal documents, 1971; Fichtenau, H., Das Urkundenwesen in Österreich vom 8. bis zum frühen 13. Jahrhundert, 1971; Matzinger-Pfister, R., Paarformel, Synonymik und zweisprachiges Wortpaar, 1972; Classen, P., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977; Traditiones Wizenburgenses, hg. v. Doll, A., 1979; Zimmermann, H., Papsturkunden, Bd. 1ff. 1984ff.; Silagi, G., Landesherrliche Kanzleien im Spätmittelalter, 1984; Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden bis 1250, hg. v. Rück, P., 1985 (rund 11000 Urkunden); Frenz, T., Papsturkunden, 1986, 2. A. 2000; Fotografische Sammlungen mittelalterlicher Urkunden in Europa, hg. v. Rück, P., 1989; Die Urkunden des Reichsstiftes Ottobeuren, bearb. v. Hoffmann, H., 1991; Keynes, S., A Handlist of Anglo-Saxon Charters, 1991; Tropper. P., Urkundenlehre in Österreich, 1994; Kortüm, H., Zur päpstlichen Urkundensprache, 1995; Die Urkunden der Kaiserin Konstanze, hg. v. Kölzer, T., 1990; Habscheid, S., Die Kölner Urkundensprache des 13. Jahrhunderts, 1997; Weiß, P., Frühe Siegelurkunden in Schwaben (10.-12. Jahrhundert), 1997; Gröschler, P., Die tabellae-Urkunden aus den pompejanischen und herkulanensischen Urkundenfunden, 1997; Chartae latinae antiquiores, Serie 2 (ab 800), hg. v. Cavallo, G. u. s., Bd. 51ff. 1997ff.; Kölzer T., Merowingerstudien, Bd. 1f. 1998f.; Typologie der Königsurkunden, hg. v. Bistricky, J., 1998; Papsturkunde und europäisches Urkundenwesen, hg. v. Herde, P. u. a., 1999; Urkunden und Urkundenformulare im klassischen Altertum und in den orientalischen Kulturen, hg. v. Khoury, R., 1999; Hellmann, M., Tironische Noten in der Karolingerzeit, 1999; Schuler, P., Die spätmittelalterliche Vertragsurkunde, 2000; Die Urkunden der Merowinger, hg. v. Kölzer, T., 2001; Heinz, K., - Auf dem Weg zu einem europäischen Urkundenportal (in) Regionale Urkundenbücher hg. v. Kölzer, T. u. a., 2010; Scharfenberg, S., Die Entstehungsgeschichte des Beurkundungsgesetzes vom 28. August 1969, 2003; La diplomatica dei documenti giudiziari, hg. v. Nicolaj, G., 2004; Schulze, H., Die Heiratsurkunde der Kaiserin Theophanu, 2006; Vogtherr, T., Urkundenlehre, 2008; Zehetmayer, R., Urkunde und Adel, 2009; Krafft, O., Bene valete, 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Schulze, U., Studien zur Erforschung der deutschsprachigen Urkunden des 13. Jahrhunderts, 2011; Schieffer, R., Die älteste Originalurkunde auf deutschem Boden (in) Hess. Jb. für LG 61 (2011), 1 (Pippin 760 für Fulda); Küsters, U., Marken der Gewissheit, 2012; Mersiowski, M., Die Urkunde in der Karolingerzeit, 2012; Weileder, M., Spätmittelalterliche Notarsurkunden, 2018

Urkundenbeweis ist der Beweis einer Behauptung durch eine (echte) →Urkunde. Die Urkunde ist bereits in dem römischen Recht Beweismittel in dem Rechtsstreit und nimmt diese Stellung auch seit dem Frühmittelalter ein. Dabei gilt die Königsurkunde als unscheltbar. Mit der Zunahme der Urkunden wächst deren Bedeutung im Verfahren weiter. Besonderen Beweiswert erlangen dabei notarielle Urkunden oder später allgemein öffentliche Urkunden.

Lit.: Kaser § 84 I 2c; Kroeschell, DRG 1, 2; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Schultze, A., Zur Lehre vom Urkundenbeweise, Zs. f. d. Privat- und öffentliche Recht 22 (1894); Mayer-Homberg, E., Beweis und Wahrscheinlichkeit, 1921; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971

Urkundenbuch ist seit dem 19. Jahrhundert die moderne wissenschaftliche Ausgabe älterer →Urkunden eines bestimmten Bereiches (Stadt, Land, Verband u. s. w.) in einem Buch (z. B. der Königsurkunden [Diplomata] in den [lat.] Monumenta [N.Pl.] Germaniae Historica).

Lit.: Köbler, DRG 6; Urkundenbuch des Klosters Mariengarten, hg. v. Boetticher, M. v., 1987; Köbler, G., Einfache Bibliographie europäisch-deutscher Rechtsgeschichte, 1990, 16, 23, 24, 25; Urkundenbuch des Klosters Wülfinghausen, hg. v. Hager, U., Bd. 1f. 1990ff.; Stand, Aufgaben und Perspektiven territorialer Urkundenbücher im östlichen Mitteleuropa, hg. v. Irgang, W./Kersken, N., 1998; Urkundenbuch des Zisterzienserklosters Altzelle, Teil 1ff. 1162ff., bearb. v. Graber, T., 2006ff.; Urkundenbuch des Klosters Medingen, hg. v. Homeyer, J., 2006

Urkundenfälschung ist die Herstellung einer unechten Urkunde, die Verfälschung einer echten Urkunde oder der Gebrauch einer unechten oder verfälschten Urkunde in dem Rechtsverkehr. Etwa die Hälfte der merowingischen Urkunden ist ebenso unecht wie das bekannte →(lat.) privilegium (N.) maius (größeres Privileg) Rudolfs IV. von Habsburg für Österreich von 1358/1359. Seit 1198 wendet sich die Kirche entschieden gegen U. Später wird die U. ein Straftatbestand.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Hirsch, H., Urkundenfälschungen aus dem regnum Arelatense, 1937; Herde, P., Römisches und kanonisches Recht bei der Verfolgung des Fälschungsdelikts, Traditio 21 (1965), 291; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007: Rojas. L., Dogmengeschichte der Urkundenfälschung, (in) Grundlagen und Dogmatik des gesamten Strafrechtssystems FS Frisch, 2013, 925

Urkundenlehre (Diplomatik) →Urkunde

Lit.: Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1f. 2. A. 1912, Neudruck 1968

Urkundenschelte ist in dem Frühmittelalter die Behauptung, eine von einem anderen vorgelegte Urkunde (Privaturkunde) sei falsch. In dem Rechtsstreit kommt es dann zu der Eidesleistung oder zu dem Zweikampf. Unscheltbar, aber nicht zugleich unangreifbar, ist die Königsurkunde.

Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973

Urlaub ist ursprünglich allgemein die Erlaubnis, seit dem 19. Jahrhundert die (erlaubte,) meist bezahlte arbeitsfreie Arbeitszeit. Der Umfang von U. ist in besonderen Gesetzen, Tarifverträgen und Einzelverträgen geregelt und umfasst meist 4 bis 6 Wochen in dem Jahr.

Lit.: Köbler, DRG 273; Leinemann, W./Linck, R., Urlaubsrecht, 1995

Urschwabenspiegel →Schwabenspiegel

Lit.: Urschwabenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1975

Urschweiz →Schweiz

Lit.: Oechslin, M., Die Markgenossenschaften der Urschweiz, 1941

Urteil ist die gerichtliche, vor allem in neueren Zeiten einer besonderen Form bedürftige Entscheidung. Das U. fällt in dem altrömischen Zivilverfahren grundsätzlich der Richter (lat. (M.( iudex), bei den Germanen die Volksversammlung und in dem Mittelalter die Gesamtheit der Schöffen (nicht dagegen der Richter). In dem Frühmittelalter ist das U. dabei meist zweizüngig und deshalb in seinem Ergebnis von dem Verlauf eines außergerichtlichen Beweises abhängig. Seit der frühen Neuzeit verdrängt der gelehrte Richter den Laienschöffen aus der Urteilsfällung. Das U. wird schriftlich und immer stärker förmlich festgelegt. In dem 19. Jahrhundert setzt der Liberalismus eine eingeschränkte Wiederbelebung des Laien als Urteiler bzw. Laienrichter durch (Geschworenengericht, →Schwurgericht u. s. w.). Seit dem Spätmittelalter ist das U. regelmäßig durch Appellation, später durch Berufung und Revision überprüfbar (Österreich Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde.

Lit.: Kaser §§ 54 II, 84 II, 87 I 8; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 34, 56, 70, 86, 116, 118, 155, 201, 202, 203; Köbler, WAS; Seyler, R./Barth, C., Urteil und Beschaydt, Bd. 1ff. 1604ff.; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Boden, F., Das Urteil im altnorwegischen Recht, ZRG GA 24 (1903), 1; Lenel, P., Die Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG GA 34 (1913), 44; Das älteste Urteilsbuch des holsteinischen Vierstädtegerichts 1497-1574, hg. v. Gundlach, F., 1925; Sohm, C., Die unbestimmte Verurteilung in Preußen, 1939; Erler, A., Sich selbst das Urteil sprechen, Oberdeutsche Zeitschrift für Volkskunde 17 (1943), 143; Die älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A., Bd. 1ff. 1952ff.; Lübecker Ratsurteile, hg. v. Ebel, W., Bd. 1ff. 1958ff.; Ebel, W., Studie über ein Goslarer Ratsurteilsbuch, 1961; Hülle, W., Das rechtsgeschichtliche Erscheinungsbild des preußischen Strafurteils, 1965; Landwehr, G., „Urteil fragen“ und Urteil finden, ZRG 96 (1969), 1; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Sellert, W., Zur Geschichte der rationalen Urteilsbegründung, FS A. Erler, 1986, 97; Weitzel, J., Die Formel consilio et iudicio, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 573; Werkmüller, D., Et ita est altercatio finita, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 592; Maiwald, K., Die Herstellung von Recht, 1997; Meder, S., Urteilen, 1999; Urteilen/Entscheiden, hg. v. Vismann, C. u. a., 2005; Mangold, O., Iniuria iudicis, Diss. jur. Tübingen 2004; Schleif, T., Urteil – ungerecht. Ein Richter deckt auf, warum die Justiz versagt. 2019

Urteiler ist der von dem Richter verschiedene Verfasser eines Urteils in dem mittelalterlichen Recht (→Rachinburge, Schöffe).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86; Lenel, P., Die Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG GA 34 (1913), 440

Urteilsbegründung ist die Angabe von Gründen für den Inhalt eines Urteils. Die U. findet sich schon in dem römischen Altertum in etwa einem Drittel der von römischen Rechtskundigen überlieferten Fälle. In dem Mittelalter begegnet sie eher selten und wird von der Rechtslehre wegen der damit vergrößerten Gefahr der Angreifbarkeit eher abgelehnt. Seit der Neuzeit wird sie mehr und mehr (aus eigenem Interesse der Entscheidungsträger) selbverständlicher bzw. notwendiger Bestand des Urteils (Reichskammergericht 1555, Reichsabschied 1654, Sachsen 1715, Preußen 1748/1793, Bayern 1818, Württemberg 1848).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 155; Brinkmann, R., Über die richterlichen Urteilsgründe, 1826; Gudian, G., Die Begründung in Schöffensprüchen, 1960; Horak, F., Rationes decidendi, 1969, 290; Die Entscheidungsbegründung, hg. v. Sprung, R. u. a., 1974; Brüggemann, J., Die richterliche Begründungspflicht, 1971; Sellert, W., Zur Geschichte der rationalen Urteilsbegründung, FS A. Erler, 1986, 97; Harke, J., Argumenta Iuventiana- Entscheidungsbegründungen eines hochklassischen Juristen, 1999;, Kriechbaum, M., Urteilsbegründung in der mittelalterlichen Rechtslehre, Gedächtnisschrift Jörn Eckert, 2008, 505; Brom, C., Urteilsbegründungen im „Hoge Raad van Holland, Zeeland en West Friesland, 2008

Urteilsbestätigung ist die in der frühen Neuzeit in bestimmten Fällen notwendige Bestätigung eines Urteils durch den absoluten Landesherrn (z. B. hängt in Preußen in dem 18. Jahrhundert ein die Todesstrafe oder eine mindestens zehnjährige Gefängnisstrafe vorsehendes Urteil von der Bestätigung des Staatsoberhaupts ab). Das Urteil wird erst mit der Bestätigung voll wirksam. In dem 19. Jahrhundert wird die U. beseitigt (Württemberg 1819).

Lit.: Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965, 255

Urteilserfüllungsgelöbnis ist in dem Frühmittelalter das Versprechen der Prozesspartei, ein Urteil zu erfüllen. Bestand und Häufigkeit sind zweifelhaft.

Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985

Urteilssammlung ist die seit dem Hochmittelalter (Reichslandfriede von 1235) erkennbare Sammlung von Urteilen einzelner Gerichte (z. B. Lübeck, Ingelheim, Goslar, Halle). 1563 veröffentlicht Joachim →Mynsinger von Frundeck eine Sammlung von Urteilen des Reichskammergerichts (Gaill 1578, Carpzov für Leipzig und Dresden 1646, Mevius für Wismar). Dem folgen in dem 18. Jahrhundert Sammlungen der Urteile der meisten Obergerichte. In dem 19. Jahrhundert wird dies selbstverständlich (preußische Gerichtshöfe 1828, Reichsgericht 1879ff.).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 144; Mynsinger von Frundeck, J., Singularium observationum . centuriae quattuor, 1563; Franklin, O., Sententiae curiae regiae, 1870; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 427; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., Bd. 2 2 1976, 1343; Gehrke, H., Die privatrechtliche Entscheidungsliteratur, 1974; Gedruckte Quellen der Rechtsprechung in Europa (1800-1945), hg. v. Ranieri, F., 1992; Mohnhaupt, H., Sammlung und Veröffentlichung von Rechtsprechung, (in) Geschichte der Zentraljustiz, 1994, 403

Urteilsschelte ist die Behauptung der Rechtswidrigkeit des Urteils. Sie führt in dem Frühmittelalter vermutlich zu dem Zweikampf zwischen Urteilsverfasser und Urteilsschelter. Dies hält noch der Sachsenspiegel (1221-1224) für möglich, ohne dass die Rechtswirklichkeit entsprechende Fälle belegt. Vielmehr entscheidet in dem Hochmittelalter über die U. bereits das höhere Gericht bzw. in dem höchsten Gericht die Beratung unter allen Urteilern. In der frühen Neuzeit unterliegt die U. der Appellation und Läuterung bzw. später der Berufung und der Revision.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116, 155; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Gebauer, C., Studien zur Geschichte der Urteilsschelte, ZRG 17 (1896), 33; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Werkmüller, D., „Et ita est altercatio finita“, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 592; Kannowski, B., Zwischen Appellation und Urteilsschelte - Über das Rechtsdenken des Johann von Buch, ZRG 123 (2006), 110

USA (Vereinigte Staaten von Amerika)

Usucapio (lat. [F.]) ist in dem klassischen römischen Recht die →Ersitzung des Eigentums nach zivilem Recht, von der später Sachen des (lat. [M.]) fiscus ausgenommen werden. Sie erfordert Eigenbesitz, gültigen Erwerbsgrund (lat. iusta causa [F.]), Zeitablauf und guten Glauben ([lat.] bona fides [F.]) des Erwerbers bezüglich bestimmter Tatsachen. In spätantiker Zeit wird die u. in dem Westen durch eine Verjährung von 40, später 30 Jahren verdrängt, während Justinian von u. in drei Jahren bei beweglichen Sachen und von (lat.) longi temporis praescriptio (F.) von 10 bzw. 20 Jahren bei Grundstücken spricht.

Lit.: Kaser §§ 25 II, IV, 26 I 2, 27 I 3, 28 II 1b, 29 I 3b; Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 40, 61

usucapio (F.) pro herede (lat.) Erbschaftsersitzung (im altrömischen Recht)

Lit.: Köbler, DRG 23

usurae (lat. [F.l.] Zinsen

Usus (lat. [M.]) ist seit dem altrömischen Recht der Gebrauch z. B. des Ersitzenden. Lebt eine Frau ein Jahr mit einem Mann ununterbrochen in gültiger Ehe, so erlangt der Mann (durch u.) die Gewalt über sie (lat. uxor [F.] in manu). Verbringt sie vor Ablauf des Jahres drei Nächte außerhalb des Hauses, beginnt die Jahresfrist neu zu laufen. In dem klassischen römischen Recht wird u. zu einem beschränkten dinglichen Recht.

Lit.: Kaser §§ 19 II 1, 29 II, 58 V 2c; Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 22, 25, 41; Diestelkamp, B., Reichsweistümer als normative Quellen, (in) Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 281

Ususfructus (lat. [M.]) ist in dem römischen Recht seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. der →Nießbrauch als ein zunächst höchstpersönliches Nutzungsrecht zu der Versorgung abgeschichteter Familienmitglieder, später als beschränktes dingliches Recht.

Lit.: Kaser §§ 7 II 2, 22 II 3, 24 V 1, 27 II, 29 I, 59 II 7a, 60 II 4c; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 41; Heger, M., Der Nießbrauch in usus modernus und Naturrecht, 2004

Usus (M.) modernus pandectarum (lat.) ist der zeitgenössisch-moderne Gebrauch der Pandekten in Europa in dem 16.-18. Jahrhundert (1495 Reichskammergerichtsordnung- 1794-1812 ALR und Cc und ABGB oder -1831Christian Friedrich von Glück, -im engeren Sinn zwischen 1600 und 1750 oder seit 1650 [1643 Conring, H., De origine iuris Germanici, Von dem Ursprung des deutschen Rechtes], Frühphase 16. Jahrhundert, Kernphase 1600-1750, Spätphase 1750-1800). Er passt in zeitlicher Parallele zu der Verselbständigung der Territorien gegenüber Reich und Kaiser das römische Recht in bewusster Lösung von der älteren Tradition den Bedürfnissen der frühen Neuzeit durch Ausscheiden, Verändern und Ergänzen an (z. B. Anerkennung des Grundsatzes Kauf bricht nicht Miete oder des Erbvertrags). Anscheinend tritt in ihm auch ein neues Verständnis von Rechtsgeltung zu Tage. Namengebend für diesen Zeitabschnitt ist ein Werk Samuel Stryks ([Lentzen 22. 11. 1640-Halle 23. 7. 1710,] 1690-1712 Specimen usus moderni pandectarum ad libros V priores, Ausdruck erstmals anscheinend verwendet von Samuel Stryk 1667). Bedeutende Juristen dieser Zeit sind →Conring, →Schilter, →Struve, →Stryk, →Thomasius, →Böhmer, →Heineccius, →Leyser, →Kreittmayr und →Höpfner sowie für die Spätphase vielleicht auch Hellfeld, Koch, Hofacker, Weber und Winckler. Nicht wirklich erfasst wird die Kanonistik, die bruchlos mit dem mittelalterlichen Recht verbunden bleibt. Die Anerkennung heimischen Rechtes bewirkt eine gewisse Nationalisierung des Rechtes. Rechtsquellenlehre und Rechtsanwendungspraxis des U. m. p. sind (z. B. bei Conring, Schilter, Stryk, Struve, Heineccius und Höpfner) nicht einheitlich, wobei die Begründung der Geltung oder des Vorrangs des römisch-gemeinen Rechts auf verschiedenen Wegen erfolgt. Neben dem U. m. p. entsteht die Vernunftrechtsvorstellung.

Lit.: Kaser § 1 III 3; Kroeschell, DRG 3; Molitor, E., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 1949 (fortgesetzt v. Schlosser, H.); Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 2. A. 1975, 9. A. 2001, 10. A. 2005; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre, 1977; Schröder, J., Wissenschaftstheorie, 1979; Hermann Conring, hg. v. Stolleis, M., 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Usus modernus und Dogmengeschichte des Privatrechts, (in) Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, hg. v. Simon, D., 1987, 233, 279; Wesener, G., Die privatrechtlichen Normen des usus modernus, (in) Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, 1987, 279; Voppel, R., Der Einfluss des Naturrechts auf den usus modernus, 1996; Brauneder, W., Europäisches Privatrecht, 1997; Landau, P., Methoden des kanonischen Rechtes in der frühen Neuzeit, ZNR 21 (1999), 7; Willoweit, D., Der usus modernus oder die geschichtliche Begründung des Rechts. Zur rechtstheoretischen Bedeutung des Methodenwandels im späten 17. Jahrhundert, (in) Die Begründung des Rechts als historisches Problem, hg. v. Willoweit, D., 2000, 229; Wesener, G., Ius Romanico-Germanicum – zur Rechtsquellenlehre des usus modernus pandectarum (in) Meditationes de iure et historia, 2014, 1031; Wittmann, P., Der da sein Practic auß Teutschen Tractaten will lernen, 2015; Wesener, G. Zur Spätphase des usus modernus pandectarum (in) Legal Roots 4 (2015) 11ff.

Utilitarismus (M.) Nützlichkeitslehre (Benthams 1748-1832 und Mills)

Lit.: Kaser § 36 II 4; Köbler, DRG 63, 65, 166; Teubner, W., Kodifikation und Rechtsreform in England, 1974

utilitas (lat. [F.]) Nützlichkeit (des dienenden Grundstücks für das herrschende bei einer →Dienstbarkeit des römischen Rechtes)

Lit.: Kaser § 28 I 3

Utilitätsprinzip (N.) Nützlichkeitsgrundsatz (z. B. haftet die durch ein Rechtsverhältnis weniger begünstigte Partei nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit

utlagr (anord.) rechtlos

Utopie ([nirgendwo als Wirklichkeit bestehende] Wunschvorstellung) ist in dem Staatsrecht die Vorstellung eines alle Fragen menschlichen Zusammenlebens bestmöglich lösenden Gemeinwesens.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 733; Morus, T., De optimo statu rei publicae deque nova insula Utopia, 1516; Zippelius, R., Geschichte der Staatsideen, 9. A. 1994, 10. A. 2003; Seibt, F., Utopia, 1972; Ahrbeck, R., Morus, Campanella, Bacon, 1977; Literarische Utopien von Morus bis zur Gegenwart, hg. v. Berghahn, K. u. a., 2. A. 1986; Kreyssig, J., Die Utopien des Thomas Morus, 1988; Winiarczyk, M., Die hellenistischen Utopien, 2011; Schölderle, T., Geschichte der Utopie, 2012

Utrecht ist die an dem Ort der römischen Militärstation (lat.) (ultra) Traiectum (M.) ad Rhenum (Übergang an dem Rhein) entstehende Stadt, die in dem 8. Jahrhundert Sitz eines Bischofs wird. 1579/1648 löst sich U. mit der Union der Niederlande von dem Heiligen römischen Reich. 1636 wird eine Universität in U. errichtet.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Enklaar, T., Het landsheerlijk bestuur in het sticht Utrecht, 1922; Avis, J., De directe belastingen in het sticht Utrecht, 1930; Mulders, H., Das Archidiakonat im Bistum Utrecht, 1943; Immink, P., De wording van staat en souvereiniteit, 1942; Blijstra, R., 2000 jaar Utrecht, 1968; Doeleman, F., De Heerschappij van de Proost van Sint Jan, 1982; Große, R., Das Bistum Utrecht, 1986; Rechtsgeleerd Utrecht, hg. v. Bergh, G. van den, 1986; Ahsmann, M., Bibliographie van hoogleraren, 1993; Kuys, J., Kerkelijke organisatie in het middeleeuwse bisdom Utrecht, 2004; Dhondt, F., Balance of Power and Norm Hierarchy, 2015; La Diplomatie-monde, hg. v. Bely, L. u. a., 2019

UWG ist die Abkürzung für das 1896 geschaffene deutsche Gesetz gegen den →unlauteren Wettbewerb.

Lit.: Köbler, DRG 176, 218

uxor (lat. [F.]) Ehefrau

Lit.: Köbler, DRG 22; Eggenstein, A., Uxor und Feme Covert, 1995

V

Vacarius (Lombardei um 1120–England nach 1198) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Magister) um 1143 Rechtsberater des Erzbischofs von Canterbury bzw. um 1160 Rechtsberater des Erzbischofs von York. Er lehrt um 1170/1180 in Lincoln. In seinem (lat.) Liber (M.) pauperum (Buch der Armen) bietet er ergänzte Texte aus →Digesten und Codex.

Lit.: The Liber Pauperum of Vacarius, hg. v. Zulueta, F. de, 1927, Neudruck 1972; Stein, P., Vacarius and the Civil Law, (in) Church and Gouvernment in the Middle Ages, 1976, 119; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 246; Taliadoros, J., Law and Theology in Twelfth-Century England, 2006

vadimonium (lat. [N.]) Bürgschaft, Erscheinen vor Gericht, (mlat.) Wette

Lit.: Kaser § 82 I; Rodger, A., Vadimonium to Rome, ZRG RA 114 (1997), 160

vadium (lat. [N.]) Pfand, (mlat.) Wette

Valencia an dem Turia wird 138 v. Chr. von den Römern gegründet. Nach Einnahmen durch Westgoten (413) und Araber (714) wird es 1021 Vorort eines selbständigen Königreichs. Das 1102 wieder von den Mauren eroberte V. wird 1238 von →Aragonien gewonnen und 1309 mit ihm durch Personalunion verbunden. Seine Sonderrechte werden 1707 beseitigt. Die Stadt V. erhält 1502 eine Universität. →Furs de V.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff. 2,2,274; Guinot, E., Els limits del regne, 1995; Hinojosa Montalvo, J., Diccionario de historia medieval del Reino de Valencia, 2002

Valentinian I.

Lit.: Schmidt-Hofner, S., Reagieren und Gestalten. Der Regierungsstil des spätrömischen Kaisers am Beispiel der Gesetzgebung Valentinians I, 2008

Valentinian III. ist der römische Kaiser (425-455), unter dem 426 n. Chr. das sog. Zitiergesetz erlassen und 446 das eigenhändig geschriebene Testament zugelassen wird.

Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 52, 60; Demandt, A., Die Spätantike, 1988

Valerische (lat.) provocatio (F.) ist in dem altrömischen Recht die Anrufung der →Volksversammlung (Zenturiatkomitien) gegen ein Urteil in dem magistratischen Strafverfahren.

Lit.: Köbler, DRG 20; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

Valin, René-Josué (La Rochelle 1695-1765) ist der Verfasser des ersten ausführlichen commentaire sur l’Ordonnance de la marine.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2,1, 1977

Valois (1328-1498) →Kapetinger

valvassor (lat. (M.( ) Aftervassall, Grundeigentümer (A. 11. Jahrhundert), Ritter

Lit.: Guilhiermoz, P., Essai sur l’origine de la noblesse, 1902; Keller, H., Adelsherrschaft, 1979; Menant, F., Campagnes lombardes au Moyen Age, 1993

Vandale, Wandale ist der Angehörige des bei Plinius dem Älteren (um 23 v. Chr.-79 n. Chr.) erstmals erwähnten, in der Völkerwanderung wohl von der Ostsee 406/429 nach Nordafrika ziehenden, vielleicht 80000 Angehörige zählenden, 455 Rom plündernden, 533/534 von →Byzanz unterworfenen, germanischen Volkes, wegen dessen Plünderung Roms 1794 während der französischen Revolution Abbé Henri Grégoire in Bezug auf die kulturfeindlichen Jakobiner das Wort Vandalismus verwendet.

Lit.: Schmidt, L., Geschichte der Wandalen, 1901; Diesner, H., Das Vandalenreich, 1966; Francovich Onesti, N., I Vandali, 2002; Castritius, H., Die Vandalen, 2007; Howe, T., Vandalen, Barbaren und Arianer, 2007; Berndt, G., Konflikt und Anpassung, 2007; Vössing, K, Das Königreich der Vandalen, 2014; Steinacher, R., Die Vandalen, 2016; Vössing, K., Das Vandalenreich unter Hilderich und Gelimer (523-534 n. Chr.), 2019

Vare (mhd.) ist die in dem Hochmittelalter quellenmäßig bezeugte Gefahr, ein Verfahren durch Versprechen (z. B. Stottern, Husten) u. s. w. zu verlieren. Gegen diese v. wird der →Fürsprecher geschaffen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 116

Vasall (M.) Lehnsmann

Vasallität als (nach h. M.) personenrechtliche Wurzel des Lehnsverhältnis ist das ältere Verhältnis (zu kelt. gwas (M.( Knecht), bei dem nach einem Ergebungsakt der Herr Schutz und Unterhalt des Vasallen gegen Gehorsam und Dienste (Heerfahrt und Hoffahrt gewährt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 84; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 1961, 6. A. 1983; Krieger, K., Die Lehnshoheit, 1979; Kienast, W., Die fränkische Vasallität, 1990; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994; Deutinger, R., Seit wann gibt es Mehrfachvasallität?, ZRG GA 119 (2003), 78

vassus (lat. (M.( 6. Jahrhundert) Vasall, Mann

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, LAW

Vater (Wort bereits für das Indogermanische zu erschließen, Vaterschaft um 1150 belegt) ist der Erzeuger eines Kindes. In der patriarchalischen Gesellschaft steht der V. als Hausvater oder Familienvater in dem Mittelpunkt der Familie. In einem Zweifelsfall wird als V. vermutet (Vaterschaftsvermutung), wer der Mutter innerhalb der Empfängniszeit (300-180 Tage vor der Geburt) beiwohnt, doch kann die Vaterschaft mit der Vaterschaftsklage angegriffen werden. Beim unehelichen Kind gilt der Erzeuger zeitweise als nicht mit dem Kind verwandt (z. B. Bürgerliches Gesetzbuch § 1589 II, in dem Jahre 1969 aufgehoben). Umgekehrt kann die Stellung als V. durch Adoption erlangt werden. Der V. hat die väterliche Gewalt über das Kind. Sie wird in dem ausgehenden 20. Jahrhundert durch die elterliche Sorge bzw. Obsorge (Österreich 1989) ersetzt. →Familie

Lit.: Kaser § 60; Hübner 697ff.; Köbler, DRG 21; Salis, L., Beitrag zur Geschichte der väterlichen Gewalt nach altfranzösischem Recht, ZRG GA 7 (1886), 137; Engel, P., Die personenrechtliche Stellung des Vaters, 1939; Trier, J., Vater, Versuch einer Etymologie, ZRG GA 65 (1947), 232; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Ehlert, T., Haushalt und Familie, 1991; Lipp, M., Väterliche Gewalt, ZNR 1993, 129; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Hinz, M., Mutter- und Vaterbilder im Familienrecht des BGB, 2014; Milanich, N., Paternity – The Elusive Quest for the Father, 2019

väterliche Gewalt →Vater

Vatikan ist die nach dem Wohnsitz des →Papstes geprägte Kurzbezeichnung für die oberste Behörde der katholischen Kirche in Rom bzw. den Kirchenstaat (1929). In dem V. ist das weltweit größte und bedeutendste Archiv (vatikanisches Archiv), dessen ältere Bestände allerdings in der Zeit nach 1240 zugrundegegangen bzw. nach 1368 verteilt worden sein dürften.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,135, 3,1,245, 3,2,2355, 3,3,3229; Krautheimer, R., St. Peter’s and Medieval Rome, 1985; Reese, T., Im Inneren des Vatikan, 1998; Rossi, F., Der Vatikan, 2004; Denzler, G./Jöckle, C., Der Vatikan, 2006; Augias, C., Die Geheimnisse des Vatikan, 2011; Johrendt, J., Die Diener des Apostelfürsten. Das Kapitel von St. Peter im Vatikan (11.-13. Jahrhundert), 2011

vatikanisch (Adj.) den Vatikan betreffend (z. B. Konzilien [im Vatikan, 21. allgemeines Konzil 1869/1870, päpstlicher Primat, 22. allgemeines Konzil 1962-1965, Vorbereitung des Codex iuris canonici von 1983)

Vattel, Emer de (Couvet bei Neuenburg 25. 4. 1714-Neuenburg 28.12.1767), Pfarrerssohn, wird nach dem Studium von Theologie, Philosophie und Naturrecht in Basel und Genf 1747 Vertreter Sachsens in Bern. 1758 veröffentlicht er (franz.) Le droit des gens (Völkerrecht), in dem er das Vernunftrecht auf das Völkerrecht anwendet (Nation, Beziehung zu anderen Nationen, Krieg, Wiederherstellung des Friedens).

Lit.: Guggenheim, P., Emer de Vattel, 1956; Manz, J., Emer de Vattel, 1971; Grewe, W., Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 1984; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Good, C., Emer de Vattel (1714-1767), 2011

Vaud →Waadt

Vazquez de Menchaca, Fernando (1512-1569) wird nach dem Studium der Rechte in Valladolid und Salamanca 1551 Professor in Salamanca, 1552 Richter, 1553 Finanzbeamter und 1567 Domkapitular in Sevilla. Er ist Spätscholastiker mit humanistischen Zügen, der das moderne →Naturrecht vorbereitet. Er setzt sich für die Freiheit der Meere und für →subjektive Rechte ein.

Lit.: Köbler, DRG 146; Carpintero, B., Del derecho natural medieval al derecho natural moderno, 1977; Seelmann, K., Die Lehre des Fernando Vazquez de Menchaca vom dominium, 1979

vectigal (lat. (M.( ) Steuer, Abgabe

Lit.: Kaser § 30 I

Vélez Sársfield, Dalmacio (1800-1875) wird nach dem Rechtsstudium in Córdoba Anwalt in Buenos Aires, Abgeordneter und Professor. 1857 wirkt er an dem argentinischen Código de Commercio maßgeblich mit. 1864ff. entwirft er ein Zivilgesetzbuch nach dem Vorbild Teixeira de Freitas’.

Lit.: Chanetón, A., Historia de Vélez Sársfield, 1937; Levene, R., Manuel de Historia del Derecho Argentino, 5. A. 1985, 20

Veme →Feme

Lit.: Köbler, DRG 11, 117

Venedig entsteht innerhalb vorgelagerter Lagunen an dem Nordende der Adria wohl auf Grund schon römischer Anfänge seit dem Einbruch der Langobarden nach Oberitalien (568). Für den byzantinischen Exarchen von Ravenna übt ein 639 genannter (lat.) magister (M.) militum (Heermeister) die Herrschaft aus. Nach 751 verselbständigt sich V. trotz byzantinischer Oberhoheit unter einem gewählten Dogen (lat. (M.( dux, um 713-716) bis etwa 880. Seit dem 10. Jahrhundert ist ein besonderer (lat.) usus (M.) Venetorum (Brauch der Veneter) bezeugt. Zwischen 1130 und 1148 erscheint neben dem Dogen ein (lat.) consilium (N.) sapientium (Rat der Weisen), über das (bzw. den) der Doge bald von der tatsächlichen Entscheidungsgewalt ausgeschlossen wird. In dem 13. Jahrhundert wird V. Seehandelsgroßmacht. Ein großer Rat wählt auf Lebenszeit den Dogen und den die über die Signoria die wirkliche Herrschaft ausübenden kleinen Rat. Unter Ausschluss des Lehnswesens und unter Wahrung des Amtscharakters aller politischen Gewalt handelt eine adlige Oberschicht in den wesentlichen Fragen als Einheit. 1338 beträgt der Zahl der Einwohner Venedigs etwa 110000. In dem Spätmittelalter erwirbt V. ein Herrschaftsgebiet auch auf dem Festland (sog. terra ferma). Die Eroberung Byzanzs durch die Türken, die Entdeckung Westindiens (Amerikas) und die Öffnung des Seewegs nach Indien verringern die Bedeutung Venedigs. 1551 stellt Gasparo Contarini den politischen Zustand Venedigs ausführlich dar. Seit dem 18. Jahrhundert wird V. Protektorat →Österreichs, an das es von 1797 bis 1805 und von 1815 bis 1866 gelangt (Lombardo-Venezianisches Königreich). Danach fällt es an →Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gli statuti marittimi Veneziani fino al 1255, hg. v. Predelli, R. u. a., 1903; Battistella, A., La Republica di Venezia, 1921; Uhlirz, M., Die staatsrechtliche Stellung Venedigs zur Zeit Kaiser Ottos III., ZRG GA 76 (1959), 82; Eickhoff, E., Venedig, Wien und die Osmanen, 1970, 2. A. 1992, 3. A. 2008; Nehlsen-von Stryk, K., Die venezianische Seeversicherung, 1986; Fees, I., Reichtum und Macht im mittelalterlichen Venedig, 1988; Rösch, G., Venedig und das Reich, 1982; Hellmann, M., Geschichte Venedigs, 3. A. 1989; Rösch, G., Der venezianische Adel, 1989; Rösch, G., Venedig im Spätmittelalter, 1991; Herz, D./Neumann, D., Das Hohelied der venezianischen Verfassung, JuS 1997, 1146; Venedig und die Weltwirtschaft, hg. v. Stromer, W. v., 1999; Heller, K., Venedig, 1999; Rösch, G., Venedig, 2000; Venice Reconsidered, hg. v. Martin, J. u. a., 2000; Dumler, H., Venedig und die Dogen, 2001; Fees, I., Eine Stadt lernt schreiben, 2002; Huse, N., Venedig, 2005; Hollberg, C., Deutsche in Venedig im späten Mittelalter, 2005; Chauvard, J., La circulation des biens á Venise, 2005; Venezia, hg. v. Winter, S., 2006; Eickhoff, E., Venedig - spätes Feuerwerk, 2006, 2. A. 2007; Mathieu, C., Inselstadt Venedig, 2007; Landwehr, A., Die Erschaffung Venedigs, 2007; Judde de Larivière, C., Naviguer, commercer, gouverner, 2008; Bellavitis, A., Famille, genre, transmission à Vebise, 2008; Brandes, J., Mare Venetianum, 2008; Fröhlich, M., Mysterium Venedig, 2010; Crowley, R., Venedig erobert die Welt, 2011; Bergdolt, K., Deutsche in Venedig, 2011; Gillen, N., Nur Gott vor Augen – Die Strafgerichtsbarkeit des Patriarchen von Venedig (1451-1545), 2014; Rando, D., Venezia medievale nella Modernità, 2014; Neumann, C., Venedig und Aragon im Spätmittelalter (1280-1410) 2017; Chauvard, J., Lier et délier la propriété – Tutelle publique et administration des fidéicommis à Venise auc derniers siècles de la Republique, 2018

Venetien ist das an der oberen Adria gelegene, von den Venetern besiedelte Gebiet. Seit dem 3. Jahrhundert sind die Veneter mit den Römern verbunden. In dem 14./15. Jahrhundert gelangt V. an Venedig, 1815 mit der Lombardei zu dem österreichischen Königreich Lombardo-Venetien. 1866 fällt es an →Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,169, 3,2,2354, 3,3,3214; Gottsmann, A., Venetien 1859-1866, 2005 (mit Karte)

Venezia →Venedig

venia (F.) aetatis (lat.) Gunst des Alters (auf Wiederherstellung des früheren Zustands, lat. restitutio in integrum)

Venire contra factum proprium (nemini licet (lat.(. Sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten (zu) begeben, (ist keinem erlaubt).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Pseudoulpian, 3./4. Jahrhundert n. Chr., Digesten 1,7,25, pr., Azo, um 1150-um 1230, Brocardica sive generalia juris 10, 28)

Verarbeitung (1731, lat. [F.] specificatio, zu novam speciem facere) ist die Herstellung einer neuen beweglichen Sache durch Bearbeitung oder Umbildung eines oder mehrerer Stoffe (z. B. Backen von Brot aus Mehl, Salz, Wasser u. s. w.). In dem klassischen römischen Recht sprechen die Sabinianer das Ergebnis an der neuen Sache dem Eigentümer der alten Sache zu, die Prokulianer dem Verarbeiter, eine etwas jüngere vermittelnde Meinung dem Verarbeiter nur dann, wenn die Sache sich nicht mehr in den alten Zustand zurückführen lässt. Für den Rechtsverlust kann ein Wertausgleich verlangt werden. Die V. als Eigentumserwerbsgrund mit Ausgleichspflicht wird in der Neuzeit aufgenommen.

Lit.: Kaser § 26 III; Hübner; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schermaier, M., Materia, 1992; Behrends, O., Die Spezifikationslehre, ZRG RA 112 (1995), 195; Reitz, M., Der Tatbestand der Verarbeitung, 1996; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Veräußerung (1418) ist die Weggabe eines Gegenstands an einen anderen, bei der meist eine →Übereignung stattfindet. Sie erfolgt schon früh (z. B. Tausch). Zu beachten sind Veräußerungsverbote.

Lit.: Kaser §§ 5 I, 23 II 2, 59 II, III; Kroeschell, DRG 1; Walliser, P., Die Zustimmungserklärung geistlicher Gemeinschaften zu Veräußerungsgeschäften, FS 500 Jahre Solothurn, 1981; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Verbalinjurie (F.) Beleidigung durch Wörter (z. B. Esel, Idiot, Blödmann, Arschloch)

Verbalkontrakt (M.) →Verbalvertrag

Verbalvertrag (Verbalkontrakt) ist in dem römischen Recht der an die Verwendung bestimmter Wörter gebundene →Vertrag (z. B. Stipulation, Mitgiftzusage, Dienstversprechen des Freigelassenen).

Lit.: Kaser § 38 II 1b; Köbler, DRG 45

Verband ist die Vereinigung von Personen zu einem bestimmten Zweck. Da auch die Familie als V. angesehen wird, reicht der V. sehr weit zurück. Aus loseren Zusammenschlüssen entwickelt sich dabei allmählich die →juristische Person (19. Jahrhundert). Der V. muss aber nicht in jedem Fall juristische Person sein (z. B. Gewerkschaft).

Lit.: Köbler, DRG 121, 161; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Weber, A., Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 6. A. 1954; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Erdmann, M., Die verfassungspolitische Funktion der Wirtschaftsverbände in Deutschland 1815-1871, 1968; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schmidt, K., Einhundert Jahre Verbandstheorie im Privatrecht, 1987; Heuft. C., Spätantike Zwangsverbände zur Versorgung der römischen Bevölkerung, 2013

Verbannung ist die in dem älteren römischen und mittelalterlichen Recht mögliche Bestrafung mit dem Ausschluss aus der Gemeinschaft durch Vertreibung aus dem von dieser Gemeinschaft beanspruchten Gebiet.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1; Schuster, P., Der gelobte Frieden, 1995

Verbindlichkeit (1390) Obligation

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Verbindung (lat. [F.] accessio) ist die schon in dem altrömischen Recht mögliche tatsächliche Vereinigung mehrerer Sachen verschiedener Eigentümer zu einer Einheit außerhalb eines Rechtsgeschäfts (z. B. Verwertung eines fremden Balkens bei einem Hausbau, Sonderfall, für den die actio de tigno iuncto gilt), bei der Eigentum durch den Eigentümer der Hauptsache erworben wird und der Eigentumsverlust des anderen (z. B. durch den doppelten Wert) auszugleichen ist. Bei Schaffung einer bloß zusammengesetzten Sache (z. B. Schiff), kann jeder Eigentümer Lostrennung der in seinem Eigentum verbleibenden Sache verlangen. Bei V. einer beweglichen Sache mit einem Grundstück (z. B. Einpflanzen, Hausbau auf Grundstück, Anschwemmen) gilt der Grundsatz (lat.) superficies solo cedit (das Oberirdische folgt dem Grund). Die V. wird mit dem römischen Recht später aufgenommen.

Lit.: Kaser § 26 III; Köbler, DRG 25; Die akademische Verbindung Austria Innsbruck, hg. v. Verein zur Erforschung der Geschichte des österreichischen Studententums, 2014

Verbot ist die Anordnung, ein Verhalten zu unterlassen. Es findet sich schon früh (z. B. in dem →Bann des Königs). Erhebliche Bedeutung gewinnt das V. auch in den frühneuzeitlichen →Polizeiordnungen. Der Verstoß gegen ein V. kann mit →Strafe oder anderen Folgen bedroht werden.

Lit.: Köbler, DRG 139; Willoweit, D., Gebot und Verbot im Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94

Verbotsirrtum ist der Irrtum über die Rechtswidrigkeit bzw. das Verbotensein einer Tat. Der V. wird in dem deutschen Strafrecht in dem 20. Jahrhundert entwickelt. Der unvermeidbare V. schließt Strafe aus, der vermeidbare V. ermöglicht die Strafmilderung.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 264

verbrauchbar (aufbrauchbar)

Lit.: Köbler, DRG 39

Verbraucher oder Konsument ist, wer ein verbrauchbares Erzeugnis eines Herstellers erwirbt. Der V. wird in dem 20. Jahrhundert als schutzbedürftige Vielzahl von Rechtsunterworfenen entdeckt und z. B. in Deutschland durch das Wohnraumkündigungsschutzgesetz (1971), das Gesetz zu der Regelung des Rechtes der allgemeinen Geschäftsbedingungen (1976), das Reisevertragsgesetz (1979), das Haustürgeschäftswiderrufsgesetz (1986) oder durch das Verbraucherkreditgesetz (1991) geschützt. § 13 BGB bestimmt an dem Ende des 20. Jahrhunderts den V. als natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. 2002 werden die meisten der Sondergesetze in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt.

Lit.: Köbler, DRG 266; Geyer, R., Der Gedanke des Verbraucherschutzes im Reichsrecht, 2001; Xu, H., Zur Geschichte und zum Wesen des modernen Verbraucherschutzrechts, 2003; Stolte, S., Versandhandel und Verbraucherschutz, 2005; Delafontaine, R., Historians as Expert Judicial Witnesses in Tobacco Litigation, 2015; Rick, K., Die Gründung der Stiftung Warentest als „zweitbeste Lösung“?, HZ 303 (2016), 426

Verbrauchsteuer ist die auf den Verbrauch eines Gutes (z. B. Tabak, Alkohol, Mineralöl) gelegte Steuer. Allgemeine wichtige V. in dem 20. Jahrhundert ist die Umsatzsteuer.

Lit.: Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992

Verbrechen ist die rechtswidrige Tat, die mit einer bestimmten höheren Strafe (z. B. Freiheitsstrafe von einem Jahr und darüber) bedroht ist. Die wichtigsten V. sind Mord, Totschlag, Raub, Diebstahl, V. gegen den Staat, V. gegen die Menschlichkeit u. s. w. Die Absonderung der V. aus der Gesamtheit der Straftaten in dem Zuge des 18. Jahrhunderts hat praktisch-systematische Gründe. Der Versuch eines Verbrechens ist in Deutschland strafbar.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 65, 119, 204, 264; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935; Byloff, F., Das Verbrechen der Zauberei, 1902; Quanter, W., Die Sittlichkeitsverbrechen, 8. A. 1925, Neudruck 1970; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Weber, H. v., Der Dekalog als Grundlage der Verbrechenssystematik, FS W. Sauer 1949, 44; Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951; Recktenwald, W., Verbrechen gegen die öffentliche Ordnung, 1956; Moos, R., Der Verbrechensbegriff in Österreich im 18. und 19. Jahrhundert, 1968; Wächtershauser, W., Das Verbrechen des Kindesmordes, 1973; Hagemann, H., Vom Verbrechenskatalog des altdeutschen Strafrechts, ZRG GA 91 (1974), 1; Maier-Weigt, B., Der materiale Rechts- und Verbrechensbegriff, 1987; Rückerl, A., NS-Verbrechen vor Gericht, 1982; Just-Dahlmann, B./Just, H., Die Gehilfen, 1988; Schüßler, M., Verbrechen im spätmittelalterlichen Olmütz, ZRG GA 111 (1994), 148; Bader, K., Zum Unrechtsausgleich und zur Strafe, ZRG GA 112 (1995), 1; Schmidhäuser, E., Verbrechen und Strafe, 2. A. 1996; Martin, H., Verbrechen und Strafe in der spätmittelalterlichen Chronistik Nürnbergs, 1997; Evans, R., Tales from the German Underworld, 1998; Ludi, R., Die Fabrikation des Verbrechens, 1999; Crimes, pouvoirs et sociétés (1400-1800), hg. v. Dupont-Bouchat, M. u. a. 2003; Orte des Grauens, hg. v. Ueberschär, G., 2003; Greve, Y., Verbrechen und Krankheit, 2004; Müller, C., Verbrechensbekämpfung im Anstaltsstaat, 2004; Siebenpfeiffer, H., Böse Lust, 2005; Baumann, I., Dem Verbrechen auf der Spur, 2006; Verbrecher im Visier der Experten, hg. v. Schauz, D. u. a., 2007; Schubert, E., Räuber, Henker, arme Sünder, 2007; Sprecher, T., Literatur und Verbrechen, 2011; Kailer, T., Die Vermessung des Verbrechers, 2011; Leone, F., Von der Lehre des „geborenenen“ Verbrechers zur modernen Hirnforschung, 2013; Revolten und politische Verbrechen zwischen dem 12. und 19. Jahrhudert, hg. v. Benedictis, A. de u. a., 2013; Kailer, T., Vermessung des Verbrechers – Die kriminalbiologische Untersuchung in Bayern – 1923-1945, 2014 e-book; Saatz, J., Vergiftungsfälle in Wissenschaft, Justiz und Öffentlichkeit, 2018

Verbrechenskonkurrenz →Konkurrenz

Verbrennen ist die durch Feuer vollzogene Todesstrafe. Sie ist bereits dem römischen Recht bekannt. Verbrannt werden z. B. Zauberer, Hexen oder Sittlichkeitsverbrecher.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Behringer, W., Mit dem Feuer vom Leben zum Tode, 1988

verbum (N.) regis (lat.) Wort des Königs, Huld, Schutz

Verdächtigung ist die Bildung eines Verdachts z. B. der Durchführung einer Straftat durch einen Menschen. Die →Äußerung einer wahrheitswidrigen V. ist in Deutschland seit 1870 strafbar. Seit 1933 genügte für Strafbarkeit Leichtfertigkeit, seit 1969 ist wieder Vorsatz erforderlich.

Lit.: Bernhard, L., Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165 StGB) und Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB), 2003

Verdachtsstrafe ist die bei bloßem Verdacht einer Straftat verhängte, wegen des fehlenden sicheren Tatnachweises milder ausfallende Strafe. Nach gewissen älteren Ansätzen (Gaill, Berlich) wird die V. bei Carpzov (1595-1666) als Übernahme aus dem italienischen Recht sichtbar (in München genugsamer Verdacht 1615 erwähnt). Sie wird als eine Art außerordentlicher Strafe etwa bei dem Widerruf eines Geständnisses verhängt. Die Aufklärung bekämpft die in dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts verschwindende V. (lat. →in dubio pro reo).

Lit.: Carpzov, B., Practica nova, 1652; Holtappels, P., Die Entwicklung der Geschichte des Grundsatzes „in dubio pro reo“, 1965; Schaffstein, F., Verdachtsstrafe, außerordentliche Strafe und Sicherungsmittel, Z. f. d. ges. Strafrechtswiss. 1989, 493; Balogh, E., Die Verdachtsstrafe, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1993; Thäle, B., Die Verdachtsstrafe, 1993; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000; Schulz, L., Normiertes Misstrauen, 2001; Schulz, L., Die praesumtio innocentiae, ZRG 119 (2002), 193; Balogh, E., Die Verdachtsstrafe in Deutschland in dem 19. Jahrhundert, 2009

Verden an der Aller, 810 erstmals als Ferdi (Furt) erwähnt, ist vielleicht seit etwa 785 Sitz eines von König Karl dem Großen gegründeten Bistums. Es schließt sich 1566 der Reformation an. Sein kleines weltliches Herrschaftsgebiet fällt von 1648 bis 1712/1719 an Schweden. Über Hannover gelangt es an Preußen (1866), das Deutsche Reich (1871) und 1946 bei der Aufteilung Preußens zu Niedersachsen.

Lit.: Urkundenbuch der Bischöfe und des Domkapitels von Verden, Bd. 1ff. bearb. v. Mindermann, A., 2001ff.; Immunität und Landesherrschaft, hg. v. Kappelhoff, B. u. a., 2002

Verdroß, Alfred (Innsbruck 22. 2. 1890-27. 4. 1980) wird 1924 Professor für Völkerrecht, Rechtsphilosophie und internationales Privatrecht in Wien. Er setzt sich dabei für eine universale Sicht des Rechtes ein. Deshalb anerkennt er in seinem Völkerrecht (1937) auch die von den Kulturvölkern übereinstimmend anerkannten Rechtsgrundsätze als Quelle des Völkerrechts (Universelles Völkerrecht 1976).

Lit.: Österreichische Rechts- und Staatswissenschaften in Selbstdarstellungen, hg. v. Grass, N., 1952, 200; Ius humanitatis. FS Alfred Verdroß, hg. v. Miehsler, H., 1980; Köck, H., Alfred Verdroß, 1991

Verdun an der Maas wird von Kelten gegründet (Virodunum). Um 359 wird es Sitz eines Bischofs. 843 einigen sich in V. die Söhne Ludwigs des Frommen auf die Dreiteilung des fränkischen Reiches. 879 kommt V. aus dem Mittelreich Lothars zu dem östlichen (deutschen) Teil des fränkischen Reiches, wo es in dem 13. Jahrhundert Reichsstadt wird, 1552/1648 aber an Frankreich fällt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ettighoffer, P., Verdun, 5. A. 1985; Hirschmann, F., Verdun im hohen Mittelalter, 1995; Petry, C., Faire des sujets du roi, 2006

Verein (Wort Straßburg 1519, Vereinsrecht 1849) ist die Vereinigung mehrerer Personen zu einem bestimmten Zweck. In dem Privatrecht ist der V. die auf eine gewisse Dauer berechnete Personenvereinigung mit körperschaftlicher Verfassung, die in dem Bestand von dem Wechsel der Mitglieder unabhängig ist. Vereine gibt es bereits in dem altrömischen Recht (lat. collegium (N.(, sodalitas (F.(, sodalicium (N.(, corpus (N.(), ohne dass sich die Rechtskundigen damit näher befassen. Eine allgemeine Einrichtung des Vereins entwickelt sich auf der Grundlage älterer unterschiedlicher Verbände und einzelner vereinsähnlicher Vereinigungen (z. B. Weimar 1617 Fruchtbringende Gesellschaft) erst seit dem 18. Jahrhundert Seit desssen Mitte finden sich zunehmend politische Vereine als Vorläufer der Parteien, die aber von 1832 bis 1848 verboten werden (z. B. patriotische Gesellschaften, Lesegesellschaften, Geheimbünde wie die Illuminaten, Freimaurer, Goldkreuzer, Rosenkreuzer, politische Diskussionskreise wie die Berliner Mittwochsgesellschaft von 1783, oder studentische Reformbewegungen) Ab etwa 1860 werden die politischen Vereine als Partei bezeichnet. Innerhalb der Vereine ist der rechtsfähige V. als juristische Person von der nichtrechtsfähigen, teilweise dem Gesellschaftsrecht unterworfenen Personenvereinigung zu unterscheiden. Das Recht des rechtsfähigen Vereins ist auf der Grundlage des Systems der Normativbestimmungen ausführlich in dem →allgemeinen Teil des deutschen →Bürgerlichen Gesetzbuchs (1900) geordnet.

Lit.: Kaser § 17; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 207, 266; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 789; Menger, C., Zur Geschichte der Vereinskonzession, Diss. jur. Göttingen 1940; Boldt, W., Die Anfänge des deutschen Parteiwesens, 1971; Schraysler, E., Handwerkerbünde und Arbeitervereine, 1972; Schultze, W., Öffentliches Vereinigungsrecht im Kaiserreich, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1757; Kögler, P., Arbeiterbewegung und Vereinsrecht, 1974; Vormbaum, T., Die Rechtsfähigkeit der Vereine, 1976; Foerster, C., Der Preß- und Vaterlandsverein von 1832/3, 1982; Siemann, W., Der „Polizeiverein“, 1983; Vereinswesen und bürgerliche Gesellschaft, hg. v. Dann, O., 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Wadle, E., Der Zollverein, ZRG GA 102 (1985), 99; Schwentker, W., Konservative Vereine, 1988; Brashear, W., Vereine im griechisch-römischen Ägypten, 1993; Bär, F., Die Schranken der inneren Vereinsautonomie, 1996; Hardtwig, W., Genossenschaft, Sekte, Verein, 1997; Aneziri, S., Die Vereine der dionysischen Techniten, 2003; Politische Vereine, Gesellschaften und Parteien in Zentraleuropa 1815-1848/49, hg. v. Reinalter, H., 2005; Nathaus, K., Organisierte Geselligkeit, 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Associations in the Greco-Roman World, hg. v. Ascough, R. u. a., 2012; Handbuch der Berliner Vereine und Gesellschaften, hg. v. Motschmann, U., 2015; Watermann, D., Bürgerliche Netzwerke – Städtisches Vereinswesen, 2017 (Halle)

Vereinigter Landtag ist in Preußen der aus sämtlichen Mitgliedern der acht preußischen Provinziallandtage gebildete, an dem 11. 4. 1847 erstmals und an dem 2. 4. 1848 letztmals zusammengetretene Landtag.

Lit.: Eickenboom, P., Der preußische erste vereinigte Landtag, Diss. phil. Bonn 1961

Vereinigte Staaten von Amerika (USA, erste Bezeichnung des neuen Kontinents nach dem die Verschiedenheit von Indien erkennenden Amerigo Vespucci [1451-1512] als Amerika in der Weltkarte Martin Waldseemüllers aus Freiburg im Breisgau 1507) ist der in dem 18. Jahrhundert aus Kolonien Englands (, Frankreichs und Spaniens) erwachsende Staat auf dem südlichen Teil des nordamerikanischen Halbkontinents. Zwischen 1775 und 1783 lösen sich die bisherigen Kolonien Großbritanniens kriegerisch bzw. revolutionär von der bisherigen Kolonialmacht (Unabhängigkeitserklärung dreizehner Kolonien Großbritannniens von dem 4. Juli 1776 mit dem Ziel der Gründung eines Staatenbunds). In dem Teilstaat Virginia entsteht an dem 12. 6. 1776 (22 Tage vor der Unabhängigkeitserklärung dreizehner Kolonien Großbritanniens von dem 4. Juli 1776) mit der Virginia Bill of Rights (Menschenrechtserklärung) die erste formelle Verfassung. An dem 7. 9. 1787 wird eine Verfassung geschaffen, zu deren Erläuterung 1787/1788 in Zeitungsartikeln Federalist Papers zu Gunsten repräsentativer Demokratie, Gewaltenteilung und Grundrechten veröffentlicht werden. 1789 errichtet der Judiciary Act die Grundlage für den Supreme Court. In dem 19. Jahrhundert setzt sich das englische Rechtssystem durch. In dem Sezessionskrieg (1861-1865) verhindern die nördlichen Staaten die Abspaltung der an afrikanischen Sklaven festhaltenden südlichen Staaten. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beeinflusst das amerikanische Recht auf Grund politischer, wirtschaftlicher und technischer Überlegenheit der Vereinigten Staaten von Amerika alle Rechte in vielfacher Weise.

Lit.:Warren, C., A Hisatory of the American Bar, 1912, Neudruck 2013; Seagle, W., The Quest for Law 1941, (deutsch) Weltgeschichte des Rechts, 1. A. 1951, 2. A. 1958, 3. A. 1967; Schwartz, B., American Constitutional Law, 1955, Neudruck 2013; Jacobs, R., Die Quit-Rents in den USA und ihre Wurzeln in der Geschichte des englisch-amerikanischen Real-Property-Law, 1971; Blumenwitz, D., Einführung in das angloamerikanische Recht, 1971, 7. A. 2003; Eichler, H., Verfassungsbewegungen in Amerika und Europa, 1985; Friedmann, L., History of American Law, 2. A. 1985; David, R./Grasmann, G., Einführung in die großen Rechtssysteme der Gegenwart, 2. A. 1988; Bitterli, U., Die Entdeckung Amerikas, 4. A. 1992; Cushman, C., The Supreme Court Justices, 1993, 2. A. 1995, 3. A. 2012; Dokumente zur Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, hg. v. Schambeck, H., 1993, 2. A. 2007; Dippel, H., Die amerikanische Verfassung in Deutschland, 1994; Heideking, J., Geschichte der USA, 1996; Hall, K., American legal history, 2. A. 1996; Köbler, G., Rechtsenglisch, 1996, 7. A. 2007, 8. A. 2011; Die amerikanischen Präsidenten, hg. v. Heideking, J., 3. A. 2002; Sautter, U., Lexikon der amerikanischen Geschichte, 1997; Heideking, J./Nünning, V., Einführung in die amerikanische Geschichte, 1998; Reimann, M., Neuere Rechtsgeschichte in den Vereinigten Staaten, ZNR 20 (1998); Oxford Guide to United States Supreme Court Decisions, hg. v. Hall, K., 1999; Finzsch, N./Horteon, J./Horton, L., Von Benin nach Baltimore, 1999; Franklin, J./Moss, R., Von der Sklaverei zur Freiheit, 1999; Naether, S., Deutsche Juristen als Emigranten in den USA, (in) Beiträge zum amerikanischen Verfassungsrecht, 1999, 131; Sautter, U., Die Vereinigten Staaten, 2000; Wellenreuther, H., Geschichte Nordamerikas, Bd. 1ff. 2000ff.; Adams, W., Die USA vor 1900, 2000; Adams, W., Die USA im 20. Jahrhundert, 2000, 3. A. 2012; Guggisberg, H., Geschichte der USA, 4. A. 2001; Waibel, D., Junges Volk mit alter Verfassung, JuS 2001, 1048; Dippel, H., Geschichte der USA, 6. A. 2004; Schmidt, G., Geschichte der USA, 2003; Surrency, E., History of the federal courts, 2. A. 2002; Oberg, M., Uncas, 2003; Wellenreuther, H., Von Chaos und Krieg zu Ordnung und Frieden, 2006; Dokumente zur Geschichte der Vereinigten Staaten, hg. v. Schambeck, H., 2. A. 2007; Klemke, U., Die deutsche politische Emigration nach Amerika 1815-1848, 2007; Gassert, P. u. a., Kleine Geschichte der USA, 2007; Gerste, R., Duell ums Weiße Haus, 2008; Meissner, J. u. a., Schwarzes Amerika 1861-1865, 2008; Herring G., From Colony to Superpower, 2008; Sautter, U., Der amerikanische Bürgerkrieg, 2009; Truninger, S., Die Amerikanisierung Amerikas, 2010; Grazia, V. de, Das unwiderstehliche Imperium, 2010; Welskopp, T., Amerikas große Ernüchterung, 2010; Goebel, J. jr., Antecedents and Beginnings to 1801, 2010 (betrifft Supreme Court, Vorauflage 1971); Parker, K., Common Law, History and Democracy in America 1790-1900, 2011; Loving v. Virginia, hg. v. Maillard, K. u. a., 2012; Stöver, B., United States of America, 2012; Weiner, T., FBI, 2012; Becker, R., Nordamerika aus süddeutscher Perspektive, 2012; Spillane, J. u. a., A History of Modern American Criminal Justice, 2013; Lawson, G. u. a., The Origins of the Necessary and Proper Clause, 2013; Tinkle, M., The Maine State Constitution, 2013; Rabban, D., Law’s History. American Legal Thought and the Transatlantic Turn to History, 2013; Darrow, C., In the Clutches of the Law - Clarence Darrow’s Letters, 2013; Berg, M., Geschichte der USA, 2013; Leshy, J., The Arizona State Constitution, 2013; Orth, J./Newby, P., The North Carolina State Constitution, 2013, Utter, R./Spitzer, H., The Washington State Constitution, 2013; A Companion to American Legal History, hg. v. Hadden, S. u. a., 2013; Lurie, J., The Supreme Court and Military Justice, 2013; The Oxford Handbook of the Americqn Revolution, hg. v. Gray, E. u. a., 2013; Superfine, B., Equality in Education Law and Policy, 2013; Martschukat, J., Die Ordnung des Sozialen, 2014; Palmer, A., A Rule of Law 2014 (South Carolina 1763-1776); Langran, R., The Supreme Court – A Concise History, 2014; Emmerich, A. u. a., Amerikas Kriege, 2014; Die „Hessians”“im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1776-1783), hg. v. Gräf, H. u. a., 2014; Haunert, L., Einsatz in der Fremde?, 2014; Voß, K., Washingtons Söldner, 2014; Retzlaff, C., Won’t the law give me my freedom?, 2014; Herken, G., The Georgetown Set – Friends and Rivals in Cold War, 2014; Schweitzer, E., Amerikas Schattenkrieger, 2015; Paul, H., The Myths that made America, 2014; Andreas, P., Smuggler Nation, 2014; A Companion to Ronald Reagan, hg. v. Johns, A., 2014; Waldschmidt-Nelson, B., Malcolm X, 2015; Rosenhagen, U., Brudermord, Freiheitsdrang, Weltenrichter, 2015; Amerika stellt die Weichen – Die Supermacht im Umbruch, hg. v. Burgard, J. u. a., 2016; Grandin, G., Kissingers langer Schatten, 2016; Hochgeschwender, M., Die amerikanische Revolution, 2016; Ferguson, N., Kissinger 1923-1968, 2016; Dietl, R., Beyond Parity – Europe and the SALT Process in the Carter Era 1977-1981, 2016; Johnston, D., Die Akte Trump, 2016; Wanner, T., Heilige Alllianz?, 2016; Fruchtman, J., American constitutinal history, 2016; Depkat, V., Geschichte der USA, 2016; Schild, G., Gettysburg 1863, 2017; Berg, M., Woodrow Wilson – Amerika und die Neuordnung der Welt, 2017; Ellis, J., George Washington, 2017; Snyder, C. u. a., Great Crossings, 2017; Snyder, B., The House of Truth, 2017; Nathans, E., Peter von Zahn‘s Cold War Broadcasts to West Germany, 2017; Johann, C., Anreiz, Moral, Verdienst – Die Mittelklasse im Wohlfahrtsstaat der USA von Großer Depression bis 1972, 2017; Kachun, M., First Martyr of Liberty – Crispus Attucks in American Memory, 2017; Die USA – eine scheiternde Demokratie?, hg. v. Horst, P. u. a., 2018; Heinemann, I., Wert der Familie, 2018; Maxeiner, J., Failures of American Methods of Lawmaking in Historical and Comparative Perspectives, 2018; McRae. E., Mothers of Massive Resistance, 2018 (Frauen nicht grundsätzlich auf der Seite des Fortschritts und der Gerechtigkeit); Lepore, J., Diese Wahrheiten – Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, 2019

Vereinigungsfreiheit ist die Freiheit, Vereinigungen zu bilden. Sie entwickelt sich in dem 19. Jahrhundert als Grundrecht.

Lit.: Müller, F., Korporation und Assoziation, 1965; Tillmann, H., Staat und Vereinigungsfreiheit, Diss. jur. Gießen 1976; Voß, W., Vereinigungsfreiheit und Staatsräson, (in) Libertas 1991, 301; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004

Vereinte Nationen (United Nations) sind der Zusammenschluss der Staaten zu dem Zweck der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit durch Kollektivmaßnahmen. Die Vereinten Nationen entstehen als Nachfolger des Völkerbunds 1945 (1. 1. 1942 Deklaration der Vereinten Nationen, 30. 110. 1943 Moskauer Deklaration der vier Mächte, 1945 auf der Konferenz von Jalta Charta fertiggestellt, 26. Juni1945 Konferenz von San Francisco Unterzeichnung durch 50 Staaten, 24. 10. 1945). Grundlage ist die Charta der Vereinten Nationen. Die wichtigsten Organe sind Vollversammlung, Sicherheitsrat und Generalsekretär.

Lit.: Köbler, DRG 246, 248; Charta der Vereinten Nationen, hg. v. Simma, B. u. a., 1991; Knipping, F. u. a., Das System der Vereinten Nationen und seine Vorläufer, Bd. 1f. 1995; Rittberger, V. u. a., Vereinte Nationen und Weltordnung, 1997; Volger, H., Lexikon der Vereinten Nationen, 2000; Die Vereinten Nationen sechs Jahrzehnte nach ihrer Gründung, hg. v. Münk, H. 2008; Dinkel, J., Die Bewegung bündnisfreier Staaten, 2015

Verfachbuch ist ursprünglich in Tirol und Vorarlberg das seit dem späteren 15. Jahrhundert geführte Gerichtsbuch über Geschäfte und Verfahren. Seit dem 17. Jahrhundert engt es sich hauptsächlich auf in zeitlicher Reihenfolge eingetragene Geschäfte über Grund und Boden ein. Spätestens in dem 20. Jahrhundert wird es durch das moderne →Grundbuch abgelöst.

Lit.: Das älteste Tiroler Verfachbuch (Landgericht Meran 1468-1471), hg. v. Moeser, K. u. a., 1990

Verfahren ist die Art oder Weise des Vorgehens bei der Bewältigung einer Aufgabe oder eines Vorhabens, insbesondere durch eine Entscheidung einer Behörde (Verwaltungsverfahren) oder eines Gerichts über einen Antrag oder einen Rechtsstreit (Gerichtsverfahren, Prozess). V. entwickeln sich vermutlich schon früh als Verallgemeinerung einzelner Geschehensabläufe. Bereits die römischen Zwölftafelgesetze behandeln den Zivilprozess und bestimmen, wie der Beklagte in das Gericht (lat. ius (N.(, forum (N.() gebracht werden kann. Neben den →Zivilprozess tritt bald der besondere →Strafprozess. Aus dem Legisaktionenverfahren (→legisactio) wird das →Formularverfahren. Das Formularverfahren wird durch das Kognitionsverfahren (→cognitio) abgelöst. Bei den Germanen finden Entscheidungsverfahren vermutlich zunächst in der →Volksversammlung statt, in dem Frühmittelalter vor (lat.-afrk. (M.() thunginus und Rachinburgen bzw. Graf und Schöffen. Seit dem Hochmittelalter spaltet sich das Verfahren in Zivilprozess und Strafprozess auf. In dem Zivilprozess dringt oberitalienisch-kanonisches Recht ein. In dem Strafprozess drängt der Inquisitionsprozess den Akkusationsprozess zurück. In dem 19. Jahrhundert wird das V. liberalisiert und modernisiert und die →Gerichtsverfassung vereinheitlicht. Es entstehen neben den V. der ordentlichen Gerichtsbarkeit V. anderer Gerichtsbarkeiten (z. B. Verwaltungsgericht). Neben allgemeinen Verfahrensgrundsätzen werden detaillierte Einzelregelungen entwickelt.

Lit.: Kaser §§ 80 II 3, 82, 84; Köbler, DRG 14, 18, 31, 55, 70, 86, 91, 114, 153, 200, 234, 261; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Bartmann, J., Das Gerichtsverfahren, 1908; Bader, K., Das Schiedsverfahren, 1929; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Landes, D., Achtverfahren, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 2. A. 1996; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess, Diss. jur. Göttingen 1972; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Conflict in medieval Europe, hg. v. Brown, W. u. a., 2003; Herstellung und Darstellung von Entscheidungen, hg. v. Stollberg-Rilinger u. a., 2010; Medieval Legal Process, hg. v. Mostert, M., 2011

Verfahrensverweigerung ist die Verweigerung der Durchführung eines →Verfahrens seitens einer daran zu beteiligenden Person oder Einrichtung. In dem Frühmittelalter verfällt der Beklagte, der eine Ladung missachtet, dem →Königsbann. In dem Deutschen Bund kann bei Verweigerung einer gerichtlichen Entscheidung durch die Gerichtsbarkeit die Bundesversammlung (Bundestag) angerufen werden.

Lit.: Köbler, DRG 92, 200

Verfall

Lit.: Arnold, M., Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung (§§ 73 bis 76a StGB), 2013

Verfallspfand ist das in dem altrömischen Recht verbreitete, später zurückgedrängte, bei Pfandreife und Unterbleiben der Schuldtilgung in das Eigentum des Pfandgläubigers übergehende →Pfand. Da es dem Pfandgläubiger oft weit mehr als die Schuldtilgung einbringt, ist es in entwickelteren Rechtsordnungen wegen des angemessenen Schutzes des Schuldners selten.

Lit.: Kaser § 31 II 2

Verfangenschaft ist die Beschlaglegung eines Gegenstands zugunsten eines Rechtssubjekts. In dem süddeutschen hochmittelalterlichen Ehegüterrecht tritt in der Errungenschafts- und Fahrnisgemeinschaft beim Tod eines Ehegatten V. der Liegenschaften zugunsten der ehelichen Kinder ein. Das verfangene Gut darf der überlebende Ehegatte nutzen und verwalten, aber nur bei echter Not oder Zustimmung der Kinder veräußern. Bei seinem Tod fällt es an die Kinder. Möglich sind aber rechtsgeschäftliche Teilung oder →Einkindschaft. Seit dem 15. Jahrhundert verliert die V. ihre Bedeutung.

Lit.: Hübner 679; Mayer-Homberg, E., Zur Entstehung des fränkischen Verfangenschaftsrechtes, 1913; Gudian, G., Ingelheimer Recht, 1968, 188

Verfasser ist der Urheber einer Gegebenheit, insbesondere eines Sprachwerks.

Lit.: Verfasser-Datenbank - die Autoren der deutschsprachigen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart, 2012 (elektronische Ressource De Gruyter Berlin); Compendium auctorum latinorum medii aevi 500-1500 (CALMA, 2012 bis ba erschienen); Biographisches Archiv des Mittelalters (BAMA), bearb. v. Wispelwey, V., 2004ff. mit fast 130000 biographischen Artikeln aus 56 Quellenwerken

Verfassung (zu Fass, fassen, seit dem 14. Jahrhundert belegt) ist (materiell) der grundlegende Zustand (vor allem des Staates) und (formell) den diese in seinen Grundzügen beschreibende oder ordnende Urkunde. Insofern hat jede Gemeinschaft eine V. (im materiellen Sinn). Bereits die griechische Philosophie unterscheidet etwa als unterschiedliche Formen Monarchie, Aristokratie, Politeia, Tyrannis, Oligarchie oder Demokratie (Aristoteles). Vereinzelt halten seit dem Hochmittelalter Schriftstücke besondere tatsächlich geschaffene Grundzüge der angestrebten V. fest (z. B. Magna Charta England 1215, Mainzer Reichslandfriede 1235, Goldene Bulle 1356, ewiger Reichslandfriede von 1495 oder Wahlkapitulation Karls V. von 1519, Augsburger Religionsfriede 1555, Westfälischer Friede 1648, England 1628 Petition of Rights, 1679 Habeas-Corpus-Akte). In England wird in dem 17. Jahrhundert constitution zu der Bezeichnung des Zustands (der materiellen V.) eines Staates (bodie politique), in dem 18. Jahrhundert zu der Bezeichnung der Bestimmungen, die diesen Zustand herstellen oder festlegen (formelle V.). An dem 12. 6. 1776 wird mit der →Virginia Bill of Rights in Amerika die erste formelle V. (→Verfassungsurkunde) geschaffen (17. 9. 1787 Constitution of the United States), die bald anderen Gesetzen übergeordnet ist (1803) und bei Kollision Verfassungswidrigkeit (voidness) eines der V. widersprechenden Gesetzes bewirkt. Dem folgen (→Toskana Entwurf 1782, 1787 erweitert auf 145 Artikel) →Polen (3. 5. 1791, Warschau 22. 7. 1807), →Frankreich (3. 9. 1791), Genf (5. 2. 1794), Bologna (4. 12. 1796), die cispadanische Republik 27. 3. 1797), die cisalpinische Republik (30. 6. 1797), die ligurische Republik (2. 12. 1797), die batavische Republik (17. 3. 1798), die römische Republik (20. 3. 1798), die helvetische Republik (12. 4. 1798), die →Niederlande (1. 5. 1798 Staatsregelung für das batavische Volk, März 1814 Grundgesetz für die Vereinigten Niederlande), Lucca (4. 2. 1799), die parthenopäische Republik (20. 3. 1799), die italienische Republik (26. 12. 1801), Wallis (30. 8. 1802), (Russland Entwurf 1804), Holland (7. 8. 1806) (, Spanien 6. 7. 1808, Neapel 6. 6. 1809, Schweden 6. 6. 1809, Sizilien 18. 6. 1812, Norwegen 17. 5. 1814, Nassau 1./2. 9. 1814, Schwarzburg-Rudolstadt, Schaumburg-Lippe, Waldeck, Sachsen-Weimar 1816, Bayern 26. 5. 1818, Baden 22. 8. 1818, Sachsen-Hildburghausen 1818/1819, Württemberg 25. 9. 1819, Hannover 1819, Braunschweig 1820, Hessen-Darmstadt 1820, Sachsen-Coburg 1821, Griechenland 4. 11. 1821, Portugal 23. 9. 1822, Sachsen-Meiningen 1824, Belgien 7. 2. 1831, Kurhessen 1831, Braunschweig 1832, Hannover 1833, Italien 4. 3. 1848, Ungarn 11. 4. 1848, Dänemark 5. 6. 1849 bzw. 26. 7. 1854, Liechtenstein 26. 9. 1862, Rumänien 1. 7. 1866, Serbien 29. 6. 1869, Island 5. 1. 1874, Schweiz 29. 5. 1874, Türkei 23. 12. 1876, Bulgarien 16. 4. 1879) sowie in dem Gebiet des früheren Heiligen römischen Reiches Frankfurt (10. 10. 1806), Westphalen (15. 11. 1807), Bayern (1. 5. 1808), Anhalt-Köthen (28. 12. 1810)→Nassau (3. bzw. 2. 9. 1814), →Waldeck (28. 1. 1814), Schwarzburg-Rudolstadt (8. 1. 1816), →Schaumburg-Lippe (15. 1. 1816), Sachsen-Weimar (5. 5. 1816), Sachsen-Meiningen-Hildburghausen (19. 3. 1818), →Bayern (26. 5. 1818), →Baden (22. 8. 1818), →Württemberg (25. 9. 1819), Hessen-Darmstadt (17. 12. 1820) sowie später z. B. Hohenzollern-Sigmaringen 1833, Österreich (1848 bzw. 1867) und Preußen (1848). Ihre Verfassungen enthalten meist eine Teilhabe des Volkes an der Macht in einem zu Gesetzgebung berufenen Parlament sowie die Sicherung von Grundrechten des Einzelnen gegen den Staat. Die von der Frankfurter Paulskirchenversammlung beschlossene V. (1848/1849) tritt nicht in Wirksamkeit. Ihr folgen die Verfassung des zweiten Deutschen Reiches (1871, ohne Grundrechte), der Weimarer Nationalversammlung (14. 8. 1919) und der Bundesrepublik Deutschland (23. 5. 1949) sowie in Österreich das Bundesverfassungsgesetz von 1920. Die Staatslehre der Aufklärung schafft dabei ein umfassendes Bewusstsein öffentlicher Ordnung. In Abkehr von dem abstrakt-ahistorischen Staatsdenken der Aufklärung wenden sich die Staatsdenker nun den historisch gewordenen Vorgegebenheiten zu. Spätestens seit dem Ende des 18. Jahrhunderts wird die V. als den Gesetzgeber bindendes Recht verstanden (Alexander Hamilton 1788, Sieyès 1795, Supreme Court der Vereinigten Staaten von Amerika 1803). In den Staaten des Deutschen Bundes berufen sich nach 1830 Bürger mit unterschiedlichem Erfolg gegenüber staatlichen Eingriffen (meist Zensurmaßnahmen) auf in Verfassungen verankerte Rechte und findet eine Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit einzelner Normen bereits statt. Eine seit 2002 als Mikrofiche veröffentlichte Sammlung der Verfassungen bzw. Verfassungsdokumente Europas von 1850 bis zu der Gegenwart umfasst etwa 1300 Texte. In Österreich besteht die (formelle) V. aus dem Bundesverfassungsgesetz und mehr als 1300 Verfassungsgesetzen bzw. einzelnen Verfassungsbestimmungen.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 831 (Mohnhaupt/Grimm); Köbler, DRG 6, 14, 18, 32, 55, 69, 82, 101, 109, 138, 147, 149, 152, 171, 182, 190, 191, 195, 221, 222, 227, 232, 245, 248, 256, 257, 258; Bisinger, J., Staatsverfassung des österreichischen Kaisertums, 1809; Hugo, G. W., Chronologische Verzeichnis der Verfassungsurkunden älterer und neuerer Zeit, 1827; Die Grundgesetze und Verfassungsurkunden, hg. v. Hugo, G. W., 1836; Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. 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Mainz 1955; Pfeffer, W., Die Verfassungen der Rheinbundstaaten, 1960; Schmidt-Aßmann, E., Der Verfassungsbegriff in der deutschen Staatslehre der Aufklärung und des Historismus, 1967; Birtsch, G., Die landständische Verfassung, (in) Ständische Vertretungen in Europa, 1967, 32; Floßmann, U., Landrechte als Verfassung, 1976; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Eichler, H., Verfassungsbewegungen in Amerika und Europa, 1985; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, Bd. 1 4. A. 2004; Bleicken, J., Die Verfassung der römischen Republik, 7. A. 1995; Grziwotz, H., Der moderne Verfassungsbegriff, 1986; Gizewski, C., Zur Normativität und Struktur der Verfassungsverhältnisse, 1988; Stourzh, G., Wege zur Grundrechtsdemokratie, 1989; Die Frankfurter Reichsverfassung, hg. v. Neumann, F., 1989; Die deutschen Verfassungen des 19. und 20. Jahrhunderts, 14. A. 1992; Dippel, H., Die amerikanische Verfassung in Deutschland, 1994; 1789 et l’invention de la constitution, hg. v. Troper, M. u. a., 1994; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, 4. A. 2004; Caenegem, R. van, An historical introduction to Western constitutional law, 1995; Mohnhaupt, H./Grimm, D., Verfassung, 1995; Die Verfassungen der EG-Mitgliedstaaten, hg. v. Kimmel, A., 4. A. 1996; Blänkner, R., Die Idee der Verfassung, (in) Bürgerreligion und Bürgertugend, 1996; Krüger, P., Einflüsse der Verfassung der Vereinigten Staaten, ZNR 18 (1996); Weber-Fas, R., Deutschlands Verfassung, 1997; Verfassung als Verantwortung, hg. v. bayerischen Verfassungsgerichtshof, 1997; Graf, G., Der Verfassungsentwurf aus dem Jahr 1787 des Granduca Pietro Leopoldo di Toscana, 1998; Ebel, F., Der papierene Wisch, 1998; Mohnhaupt, H., Von den leges fundamentales, Ius commune 25 (1998), 121; Verfassungen in Hessen, hg. v. Franz, E., 1998; Burgdorf, W., Reichskonstitution und Nation, 1998; Die deutschen Verfassungen, hg. v. Limbach, J. u. a., 1999; Die Verfassungen Mittel- und Osteuropas, hg. v. Roggemann, H., 1999; Fenske, H., Der moderne Verfassungsstaat, 2001; Schmidt, C., Vorrang der Verfassung und konstitutionelle Monarchie, 2000; Verfassungswandel um 1848, hg. v. Kirsch, M. u. a., 2001; Waibel, D., Junges Volk mit alter Verfassung, JuS 2001, 1048; Weber-Fas, R., Deutschlands Verfassung, 2. A. 2001; Otto, P., Die Entwicklung der Verfassungslehre in der Weimarer Republik, 2002; Lechler, F., Parlamentsherrschaft und Regierungsstabilität, 2002; Die Verfassungen der Welt. 1850 bis zur Gegenwart (Mikrofiche), Bd. 1 Europa, Bd. 2 Nord- und Südamerika, hg. v. Dippel, H., 2002ff.; Verfassung und Verfassungswandel, hg. v. Kroll, F., u. a., 2003; Krüger, K., Die landständische Verfassung, 2003; Kotulla, M., Das konstitutionelle Verfassungswerk Preußens, 2003; Eine Verfassung für Europa, hg. v. Hufeld, U. u. a., 2004; Parlamento e Costituzione nei sistemi costituzionali europei ottocenteschi – Parlament und Verfassung in den konstitutionellen Verfassungssystemen Europas, hg. v. Manca, A. u. a., 2004; Vorländer, H., Die Verfassung – Idee und Geschichte, 2. A. 2004; Eine Verfassung für Europa, hg. v. Beckmann, K. u. a., 2004; Weimarer Landesverfassungen, hg. v. Wittreck, F., 2004; Buschfort, W., Geheime Hüter der Verfassung, 2004; Deutsches Verfassungsrecht 1806-1918, hg. v. Kotulla, M., Bd. 1ff. 2006ff.; Bock, D., Der Eid auf die Verfassung im deutschen Konstitutionalismus, ZRG GA 123 (2006), 166; Kraus, H., Englische Verfassung und politisches Denken im ancien régime 1689-1789, 2006; Winterhoff, C., Verfassung, 2006; Constitutions of the World, Europe, Bd. 3 Deutsche Verfassungsdokumente, Teil 1ff. 2006ff.; Hollstein, T., Die Verfassung als „allgemeiner Teil“, 2007; Rheinbündischer Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; Handbuch Ius Publicum Europaeum, hg. v. Bogdandy, A. v. u. a., Bd. 1ff. 2007ff.; Dressel, C. v. Die Entwicklung von Verfassung und Verwaltung in Sachsen-Coburg 1800-1826, 2007; Baum, D., Johann Friedrich Benzenberg (1777-1846) Doktor der Weltweisheit und Professor der Konstitutionen, 2007; Köbler, G., Von der Geschichte der Verfassung zur Verfassungsgeschichte, FS Wilhelm Brauneder, 2008, 207; Müßig, U., Die europäische Verfassungsdiskussion des 18. Jahrhunderts, 2008; Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation, hg. v. Wahl, R., 2008; Reform an Haupt und Gliedern, hg. v. Durner, W. u. a., 2009; Weber, A., Europäische Verfassungsvergleichung, 2010; Deutsche Verfassungen 1849-1949, hg. v. Ipsen, J., 2012; Neu, T., Die Erschaffung der landständischen Verfassung, 2013 (Hessen 1509-1655); Verfassungsvoraussetzungen - Gedächtnisschrift für Winfried Brugger, hg. v. Anderheiden, M. u. a., 2013; Schutz der Verfassung, hg. v. Simon, T., 2014; Ooyen, R., Rezensierte Verfassungspolitologie I, 4. A. 2014; Europäische Verfassungen 1789-1990, hg. v. Wißmann, H., 2015, 2. A. 2019; Müßig, U., Reconsidering constitutional formation I national sovereignty (!), 2016; Lacchè, L., History & Constitution, 2016; Verfassunghsdenker – Deutschland und Östereich 1870-1970, hg. v. Lehnert, D., 2017; Des chartes aux constitutions, hg. v. Foronda, F. u. a. 2019

Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ist das Bonner Grundgesetz von dem 23. 5. 1949. Seine Grundrechte wollen nicht nur Programmsätze sein, sondern grundsätzlich verbindliche Kraft entfalten und Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht binden. Eine Änderung der wichtigsten Grundsätze ist nach Art. 79 III unzulässig. Inhaltlich stellt der Katalog einen pluralistischen Kompromiss auf traditioneller Grundlage dar, wobei die Gewährleistung von Eigentum und Erbrecht ebenso wie die Möglichkeit der Vergesellschaftung von Boden und Produktionsmitteln festgelegt wird. An der Spitze des Organisationsteiles steht die Entscheidung für den demokratischen und sozialen Bundesstaat, in dem alle Gewalt von dem Volk ausgeht, durch besondere Organe der Gesetzgebung, Vollzugsgewalt und Rechtsprechung ausgeübt wird und Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Die wichtigsten Organe sind Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident, Bundeskanzler und Bundesverfassungsgericht.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 256; Robbers, G., Die Änderung des Grundgesetzes, NJW 1989, 1124; Hesse, K., Grundzüge des Verfassungsrechts, 20. A. 1995; Weber-Fas, R., Deutschlands Verfassung, 1997

Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik ist die an dem 7. 10. 1949 geschaffene, äußerlich ziemlich konservative, aber weder Gewaltenteilung, noch Opposition noch eine gesellschaftspolitische Wahlentscheidung zulassende Verfassung. Sie wird durch die Beseitigung der Länder (13. 7. 1952/8. 12. 1958) und der Selbstverwaltung der Gemeinden sowie die Ersetzung des Präsidenten durch einen kollegialen Staatsrat (12. 9. 1960) verändert. Die zweite V. von dem 9. 4. 1968 will die inzwischen erreichten sozialen Errungenschaften absichern und gibt in der Neufassung von dem 7. 10. 1974 die Vorstellung einer deutschen Nation auf.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 258; Roggemann, H., Die DDR-Verfassungen, 4. A. 1989

Verfassungsbeschwerde ist nach der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland die verfassungsrechtliche Möglichkeit, das Bundesverfassungsgericht zu dem Schutz eines dem Beschwerdeführer nach seiner Ansicht zustehenden Rechtes anzurufen (1951-2001 rund 127000 Verfassungsbeschwerden). Sie begegnet bereits 1818 in Bayern (an den Staatsrat, selten, einmal erfolgreich) und Baden.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Köbler, DRG 257; Zuck, R., Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 2. A. 1988; Müller, O., Die Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818, 2000

Verfassunggebende Nationalversammlung ist die Abgeordnetenversammlung, die zu der Verabschiedung einer Verfassung einberufen ist (z. B. Frankfurt am Main 1848, Weimar 1919).

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert

Verfassungsgerichtsbarkeit ist nach älteren einzelnen Ansätzen (z. B. England 1610, Pennsylvania 1776, Vermont 1777, Vereinigte Staaten von Amerika 1803) seit dem 19. Jahrhundert (1818, 1834) die die Übereinstimmung staatlichen Handelns mit der →Verfassung (z. B. durch Normenkontrolle, Grundrechtsverletzungsprüfung, Wahlprüfung, Amtsenthebungsverfahren) überprüfende, in einzelnen Staaten aus der allgemeinen Gerichtsbarkeit ausgesonderte Gerichtsbarkeit (Österreich Anfang 1919 Verfassungsgerichtshof in Anknüpfung an Aufgaben des Reichsgerichts mit Aufgabenerweiterung 1920, Tschechoslowakei 1920 [konnte grundsätzlich jedes verfassungwidrige Gesetz für nichtig erklären, geriet aber in Vergessenheit], Liechtenstein, Spanien, Italien,), Deutsches Reich [→Staatsgerichtshof] 1921, Frankreich, Türkei, Jugoslawien, Spanien, Portugal, Belgien, Bundesrepublik Deutschland 1951, Italien 1956, Frankreich 1958, Spanien 1980). In den Vereinigten Staaten von Amerika kann jedes Gericht selbständig (deklaratorisch) die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes feststellen (ebenso Skandinavien, Irland), in anderen Staaten ist dazu nur das besondere Verfassungsgericht (Schweiz, Griechenland, Estland) befugt. Keine Einrichtung für Verfassungsgerichtsfragen besteht bisher in Großbritannien und den Niederlanden.

Lit.: Stolzmann, H., Zur geschichtlichen Entwicklung des Rechts der Verfassungsstreitigkeiten, Archiv f. öffentliches Recht N. F. 16 (1929), 355; Wahl, R./Rottmann, F., Die Bedeutung der Verfassung, (in) Sozialgeschichte der Bundesrepublik, 1983, 339; Landesverfassungsgerichtsbarkeit, hg. v. Starck, C. u. a., Bd. 1 1983; Verfassungsgerichtsbarkeit in Westeuropa, hg. v. Starck, C. u. a., Bd. 1 1986; Robbers, G., Die historische Entwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit, JuS 1990, 257; Brünneck, A. v., Verfassungsgerichtsbarkeit in den westlichen Demokratien, 1992; Eisenhardt, U., Zu den historischen Wurzeln der Verfassungsgerichtsbarkeit, FS B. Diestelkamp, 1994, 17; 50 Jahre Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit in Rheinland-Pfalz, 1997; Böckenförde, E., Verfassungsgerichtsbarkeit, NJW 1999, 9; Kluge, H./Wolnicki, B., Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, 2. A. 1999; Björner, U., Die Verfassungsgerichtsbarkeit im Norddeutschen Bund und im Deutschen Reich, 2000; Müller, O., Die Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818, 2000; Heimann, H., Die Entstehung der Verfassungsgerichtsbarkeit in den neuen Ländern und in Berlin, 2002; Osterkamp, J., Verfassungsgerichtsbarkeit in der Tschechoslowakei, 2009; Haase, G. u. a., Verfassungsgerichtsbarkeit in Europa, 2009; Verfassungsrechtsprechung, hg. v. Menzel, J. u. a., 2011; Die Kooperation der Verfassungsgerichte in Europa, hg. v. Verfassungsgerichtshof, 2015; Verfassungsgerichtsbarkeit in der Bonner Republik, hg. v. Meinel, F., 2019

Verfassungsgerichtshof ist das (obere) Verfassungsgericht (z. B. Österreich [nach dem Reichsgericht Cisleithaniens von 1869-1918] Gesetz von dem 25. 1. 1919, 3. 4. 1919 und durch Bundesverfassungsgesetz 1920 Zuständigkeit (auf Normenkontrolle und Wahlprüfung) sowie 1925 auf Kompetenzprüfung erweitert, Mai/Juni 1933 durch die Bundesregierung beschlussunfähig gemacht, durch die Maiverfassung 1934 aufgelöst, 12. 10. 1945 wiedererrichtet, Prüfung von Verwaltungsakten an Hand der Verfassung).

Lit.: Köbler, DRG 257, 262; Baltl/Kocher; Zavadil, T., Die Ausschaltung des Verfassungsgerichtshofs 1933, 1997 (Diplomarbeit Univ. Wien); Heller, K., Der Verfassungsgerichtshof, 2010; Neschwara, C., Verfassungsgerichtsbarkeit im Spannungsfeld von Regierung und Parlament, ZRG GA 130 (2013), 435

Verfassungsgeschichte ist der die Geschichte der (formellen oder materiellen) →Verfassung betreffende Teil der (die V. einschließenden) Rechtsgeschichte (Wort seit 1825 [Müller, Alexander] belegt). Grundlegend für Deutschland ist die V. von Georg →Waitz. Weitere bekannte Verfassungsgeschichtler sind (die Historiker) Otto Hintze [1902 erstes persönliches Ordinariat für Verfassungsgeschichte an der Univerisität Berlin], Fritz Hartung, Otto Brunner oder (der Jurist) Ernst Rudolf Huber.

Lit.: Waitz, G., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1ff. 1844ff., Neudruck 1953ff.; Winkelmanns, E., Allgemeine Verfassungsgeschichte, hg. v. Winkelmanns, A., 1901; Heusler, A., Deutsche Verfassungsgeschichte, 1905; Hintze, O., Allgemeine Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, hg. v. Di Costanzo, G. u. a., 1998; Mayer, E., Bemerkungen zur frühmittelalterlichen, insbesondere italienischen Verfassungsgeschichte, 1912; Bornhak, C., Deutsche Verfassungsgeschichte vom westfälischen Frieden an, 1934; Hartung, F., Zur Entwicklung der Verfassungsgeschichtsschreibung in Deutschland, 1956 (SB Berlin); Schlesinger, W., Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters, 1961; Böckenförde, E., Die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert, 1961; Schlesinger, W., Beiträge zur Verfassungsgeschichte des Mittelalters, 1962; Graus, F., Deutsche und slawische Verfassungsgeschichte?, HZ 197 (1963), 265; Huber, E., Bewahrung und Wandlung, 1975; Brauneder, W., Österreichische Verfassungsgeschichte, 1976, 8. A. 2001, 10. A. 2005; Gegenstand und Begriffe der Verfassungsgeschichtsschreibung, 1983; Quellen zur Verfassungsgeschichte des römisch-deutschen Reiches im Spätmittelalter, hg. v. Weinrich, L., 1983; Willoweit, D., Aufgaben und Probleme einer europäischen Verfassungsgeschichtsschreibung, 1990; Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1991; Kölz, A., Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte, 1992; Caenegem, R. van, An Historical Introduction to Western Constitutional Law, 1995; Menger, C., Deutsche Verfassungsgeschichte, 8. A. 1993; Böckenförde, E., Die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert, 2. A. 1995; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 1990, 2. A. 1992, 3. A. 1997, 4. A. 2001, 5. A. 2005, 6. A., 2009, 7. A. 2013; Willoweit, D./Schlinker, S., Deutsche Verfassungsgeschichte, 8. A. 2019; Frotscher, W./Pieroth, B., Verfassungsgeschichte, 1997, 2. A. 1999, 3. A. 2002, 4. A. 2003, 5. A. 2005, 6. A. 2007; 8. A. 2010, 9. A. 2010, 10. A. 2011, 11. A. 2012, 12. A. 2013, 13. A. 2014, 14. A. 2015, 15. A. 2016, 16. A. 2017, 17. A. 2018, 18. A. 2019; Zuleeg, M., Ansätze zu einer Verfassungsgeschichte der Europäischen Union, ZNR 1997; Zippelius, R., Kleine deutsche Verfassungsgeschichte, 6. A. 2002, 7. A. 2006; Brandt, H., Der lange Weg in die demokratische Moderne, 1998; Neugebauer, W., Die wissenschaftlichen Anfänge Otto Hintzes, ZRG GA 115 (1998), 540: Oestreich, G., Verfassungsgeschichte, 8. A. 1999; Fenske, H., Der moderne Verfassungsstaat, 2000; Kippels, K., Grundzüge deutscher Staats- und Verfassungsgeschichte, 2001; Europäische Verfassungsgeschichte, hg. v. Willoweit, D. u. a., 2003 (47 Texte); Wahl, R., Verfassungsstaat, Europäisierung, Internationalisierung, 2003 (Aufsätze); Kley, A., Verfassungsgeschichte der Neuzeit, 2004; Pitz, E., Verfassungslehre und Einführung in die deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters, 2006; Quellen zur europäischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, hg. v. Brandt, P., 2004 (CD-ROM); Grothe, E., Zwischen Geschichte und Recht, 2004; Handbuch der europäischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, hg. v. Brandt, P. u. a., Bd. 1f. 2006ff.; Steiger, H., Verfassungsgeschichte im Spiegel verfassungsgeschichtlicher Studienbücher und Überblicke, ZNR 2007, 287ff.; Köbler, G., Von der Geschichte der Verfassung zur Verfassungsgeschichte, FS Wilhelm Brauneder, 2008, 207; Kotulla, M., Deutsche Verfassungsgeschichte, 2008; Ipsen, J., Der Staat der Mitte, 2009; Verfassungsgeschichte in Europa, hg. v. Neuhaus, H., 2010; Verfassungsgeschichte aus internationaler und diachroner Perspektive, hg. v. Arlinghaus, F., 2010; La giustizia costituzionale in prospettiva storica, hg. v. Orrù, R. u. a., 2012; Willoweit, D., Reich und Staat. Eine kleine deutsche Verfassungsgeschichte, 2013; Verfassungsgeschichte Europas, hg. v. Prettenthaler-Ziegerhofer, A. u. a., 2013; Verfassungsgeschichte des Alten Reiches - Basistexte, hg. v. Haug-Moritz, G., 2014; Schnelle, E., „Dann bricht der Freiheit Morgen an“, 2014; Stolleis, M., Verfassungs(ge)schichten, 2017; Stolleis, M., Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte – Materialien, Methoden, Fragestellungen, 2017; Handbuch der europäischen Verfassungsgeschichte im 20. Jahrhundert, Bd. 5 seit 1989, hg. v. Benz, A. u. a., 2019

Verfassungskonflikt ist der Streit um eine grundsätzliche Verfassungsfrage (z. B. Kurhessen 1831, Hannover 1833, Preußen 1862-1866).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Real, W., Der hannoversche Verfassungskonflikt, 1972; Becker, W., Die angebliche Lücke der Gesetzgebung, Hist. Jb. 100 (1980), 257

Verfassungsrecht ist die Gesamtheit der die →Verfassung betreffenden Rechtssätze.

Lit.: Köbler, DRG 7; Huber, E., Verfassungsrecht des großdeutschen Reiches, 1939; Mampel, S., Das Recht in Mitteldeutschland, 1966; Klecatsky, H./Morscher, S., Das österreichische Bundesverfassungsrecht, 3. A. 1982; Ridder, H., Verfassungsrecht oder Staatsrecht?, Bll. f. dt. u. internat. Politik 1988, 660; Roggemann, H., Die DDR-Verfassungen, 4. A. 1989; Entstehen und Wandel verfassungsrechtlichen Denkens, hg. v. Mussgnug, R., 1996; Deutsches Verfassungsrecht 1806 bis 1918, hg. v. Kotulla, M., Bd. 1ff. 2006ff.

Verfassungsschutz

Lit.: Buschfort, W., Geheime Hüter der Verfassung, 2004; Goschler, C. u. a., Keine neue Gestapo, 2015 (1969 hatten noch zwei Drittel des Führungspersonals des Bundeskriminalamts frühere Ränge der SS); Grumke, T. u. a., Der Verfassungsschutz, 2016

Verfassungsurkunde ist die eine →Verfassung schriftlich verkörpernde Urkunde (formelle Verfassung). Verfassungsurkunden gibt es (nach wissenschaftlicher Konvention) seit 12. 6. 1776 (→Virginia Bill of Rights).

Lit.: Usee, K., Der Einfluss der französischen Verfassungen, Diss. jur. Greifswald 1911; Ingelmann, A., Ständische Elemente in der Volksvertretung, 1914; Goldschmitt, R., Geschichte der badischen Verfassungsurkunde, 1918

Verfassungswirklichkeit ist der tatsächliche Verfassungszustand eines Staates in Gegensatz zu dem von der Verfassungsurkunde angestrebten Verfassungszustand.

Lit.: Huber, E., Verfassungswirklichkeit und Verfassungswert, FS G. Schmelzeisen, 1980, 126

Verfestung ist seit dem Hochmittelalter in Norddeutschland eine Rechtsfolge bei Ladungsungehorsam, die der →Acht ähnelt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Francke, O., Das Verfestungsbuch der Stadt Stralsund, 1875; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973, 291; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 433, Neudruck 1964; Feuring, A., Die Verfestung nach dem Sachsenspiegel, Diss. jur. Bonn 1995

Verfügung (1560) ist in dem Privatrecht das Rechtsgeschäft, durch das ein Recht unmittelbar geändert, aufgehoben, übertragen oder belastet wird (z. B. Übereignung). Zu einer V. ist beispielsweise der Eigentümer befugt, doch kann er die Verfügungsbefugnis auch anderen einräumen. Verfügungsbefugt sind ebenfalls Vormund (lat. tutor) und Pfleger (lat. curator). Bereits das römische Recht unterscheidet die V. von der →Verpflichtung. Ob das germanische Recht die V. kennt, ist streitig. In dem 19. Jahrhundert wird die V. von der Verpflichtung abstrahiert. Letztwillige V. ist die für den Fall des Todes über den Nachlass getroffene V. In dem öffentlichen Recht ist V. ein →Verwaltungsakt.

Lit.: Kaser §§ 5 I, 11 IV, 15 I 4b, 60 II 3c, 62 II 2; Köbler, DRG 123; Demuth, E., Die wechselseitigen Verfügungen von Todes wegen nach alamannisch-zürcherischem Recht, 1901; Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach deutschem Stadtrecht des Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 210; Schönfeld, W., Die Vollstreckung von Verfügungen von Todes wegen im Mittelalter nach sächsischen Quellen, ZRG GA 42 (1921), 240; Kilchmann, A., Die Verfügungen von Todes wegen nach den aargauischen Rechtsquellen, 1928; Buss, H., Letztwillige Verfügungen nach ostfriesischem Recht, Diss. jur. Göttingen 1966; Hattenhauer, H., Die Entdeckung der Verfügungsmacht, 1969; Wilhelm, W., Begriff und Theorie der Verfügung, Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 213; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985 § 30, Bd. 2 1989 § 64; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Schmidt-Recla, A., Kalte oder warme Hand?, 2011

Verfügungsgeschäft ist das eine →Verfügung anstrebende bzw. bewirkende →Rechtsgeschäft. Es bedarf in dem römischen Recht eines rechtlichen Grundes (lat. iusta caua). In dem 19. Jahrhundert wird das V. von dem Verpflichtungsgeschäft abstrahiert, so dass es auch ohne dieses wirksam ist. Dann kann aber die Verfügung auf dem Weg über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung rückgängig gemacht werden.

Vergabung ist das Übertragen eines Gegenstands an eine andere Person. →Schenkung

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Vergehen ist die rechtswidrige Tat, die in dem Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder mit einer Geldstrafe bedroht ist. Als allgemeine Erscheinungsform wird das V. nach französischem Vorbild zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfasst (Bayern 1813). Der Versuch eines Vergehens ist nur bei besonderer gesetzlicher Bestimmung strafbar.

Lit.: Köbler, DRG 119, 204, 264; Hannamann, O., Über die Grenzlinie zwischen Verbrechen und Vergehen, 1805; Cucumus, K. v., Über die Einteilung der Verbrechen, Vergehen und Übertretungen, 1823; Daimer, H., Die Unterscheidung der strafbaren Handlungen, Diss. jur. Erlangen 1915

Vergeltung ist der in Zufügung des gleichen oder eines (als mindestens gleichwertig angesehenen) anderen Nachteils bestehende →Strafzweck.

Vergewaltigung ist die Nötigung einer Frau mit Gewalt oder Drohung zu dem Beischlaf mit dem Nötigenden oder einem Dritten (→Notzucht). An dem Ende des 20. Jahrhunderts wird auch die V. in der→Ehe strafbar (Österreich 1989, Schweiz 1992, Deutschland 1997). In Deutschland wird 1997 die V. als eigenständiger Tatbestand aufgegeben und als besonders schwerer Fall der sexuellen Nötigung eingeordnet.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Thornhill, R./Palmer, C., A Natural History of Rape, 2000; Balthasar, S., Die Tatbestände der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001; Künzel, C., Unzucht – Notzucht – Vergewaltigung, 2003; Shaw, Y., Entwicklung und Reform zur Vergewaltigung in der Ehe gemäß § 177 StGB, 2005; Münch, I. v., Frau komm!, 2009; Gebhardt, M., Als die Soldaten kamen. Die Vergewaltigung deutscher Frauen, 2015; Gebhardt, M., Wir Kinder der Gewalt, 2019

Vergleich (1468, lat. (F.( transactio) ist der gegenseitige Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit von Parteien über ein Rechtsverhältnis in dem Wege gegenseitigen Nachgebens beendet wird. Der V. ist in dem klassischen römischen Recht ein →Erlass, wird aber von →Justinian (527-565) hiervon abgelöst. Der V. ist auch in dem deutschen Recht zulässig. Seit dem Spätmittelalter wird das justinianische Recht aufgenommen.

Lit.: Kaser §§ 50 II 6, 53 II 3; Oertmann, P., Der Vergleich im gemeinen Zivilrecht, 1895; Steinwenter, A., Die Streitbeendigung, 2. A. 1971; Ebel, F., Berichtung, Transactio und Vergleich, 1978; Bork, R., Der Vergleich, 1988; Ausschüsse für Vergleichs- und Konkursrecht, hg. v. Schubert, W., 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Eisenhardt, M., Sanierung statt Liquidation, 2011; Thomsch, A., David Mevius und der (Prozess-)Vergleich, 2014

Verhaftung ist seit der frühen Neuzeit die amtliche Festnahme eines einer Straftat Verdächtigen. Für sie verdichten sich seit der Aufklärung die gesetzlich festzulegenden Voraussetzungen.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Baltl/Kocher; Ollinger, T., Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhaftungsrecht, 1997

Verhältnismäßigkeit ist der Grundsatz des Verwaltungsrechts, dass die Verwaltung unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen nur die wählen darf, die den Betroffenen und die Allgemeinheit besonders wenig beeinträchtigt. Der Grundsatz der V. ist an sich naheliegend, wird aber erst in dem 20. Jahrhundert artikuliert.

Lit.: Avoine, M. d’, Die Entwicklung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, Diss. jur. Trier 1994

Verhältniswahlrecht (Proportionalwahlrecht, engl. block voting system) ist die Art des Wahlrechts, bei der die Gesamtzahl der Parlamentssitze auf die Parteien in dem Verhältnis der Gesamtstimmenzahl zu der auf die einzelne Partei bzw. ihre Kandidatenliste in dem gesamten Wahlgebiet abgegebenen Zahl der Stimmen verteilt wird (z. B. Belgien 1899, Österreich 18. 12. 1918 [1992 reformiert, mindestens ein Grundmandat oder bundesweit 4 Prozent der Stimmen], Deutsches Reich 1919, pro 60000 Stimmen in dem ganzen Reich ein Abgeordneter). Das V. bildet einen Gegensatz zu dem Mehrheitswahlrecht. Es kann klare politische Entscheidungen erschweren, entspricht aber den politischen Verhältnissen in dem gesamten Wahlvolk besser.

Lit.: Köbler, DRG 230, 257; Smend, R., Die Verschiebung der konstitutionellen Ordnung durch das Verhältniswahlrecht, (in) Smend, R., Staatsrechtliche Abhandlungen, 2. A. 1968, 60

Verhandlung ist die Erörterung eines Gegenstands durch Beteiligte, insbesondere die Erörterung vor einem Gericht. Bei der hiervon abgeleiteten Verhandlungsmaxime des Zivilprozesses steht es bei den Parteien, welchen Streitstoff sie dem Gericht unterbreiten, so dass nicht notwendigerweise über die Wahrheit entschieden wird. Ein Gegensatz zu dem Verhandlungsgrundsatz (Verhandlungsmaxime [Gönner]) ist der Grundsatz der Untersuchung durch das Gericht (z. B. in dem Inquisitionsprozess).

Lit.: Köbler, DRG 155, 201; Tiegelkamp, K., Geschichte und Stellung der Verhandlungsmaxime, 1940; Bomsdorf, F., Prozessmaximen und Rechtswirklichkeit, 1971

Verhör ist die eindringliche Befragung eines Menschen durch einen anderen Menschen zu der Ermittlung von Umständen, insbesondere die Befragung von Verdächtigen durch einen Ermittler.

Lit.: Eibach, J., Frankfurter Verhöre, 2003; Niehaus, M., Das Verhör, 2003

Verjährung (1555, verjähren 1221-1224 Sachsenspiegel, Verjährungsfrist 1784/1794) ist der durch Zeitablauf eintretende Rechtsverlust. In fester Form wird die V. als (lat.) praescriptio (F.) temporis aller Klagen von den römischen Kaisern Honorius (393-423) und Arcadius bzw. Theodosius II. (424) mit einer Frist von grundsätzlich 30 (in bestimmten Fällen auch 40, 20, 10 Jahren oder einem Jahr) eingeführt. Danach strahlt die V. bereits auf das Frühmittelalter aus und wird später allgemein aus dem römischen Recht aufgenommen. Mit ihr verschmilzt die →Verschweigung. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) kennt neben der regelmäßigen Verjährung binnen 30 Jahren verschiedene kürzere Verjährungsfristen. Seit 2002 ist in Deutschland die regelmäßige Verjährungsfrist auf 3 Jahre festgelegt. V. gibt es auch für die Strafverfolgung und die Strafvollstreckung.

Lit.: Kaser § 4 III; Köbler, DRG 61; Kroeschell, 20. Jahrhundert; Unterholzner, K., Ausführliche Entwicklung der gesamten Verjährungslehre, 2. A. 1858; Schwarz, F., Bemerkungen zur Lehre von der Verjährung, 1866; Reich, O., Die Entwicklung der kanonistischen Verjährungslehre, 1908; Iterson, W. van, Immemoriale possessie en prescriptie, Themis 1962, 427; Schmachtenberg, H., Die Verschweigung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ebihara, A., Savigny und die gemeinrechtliche Verjährungslehre, ZRG RA 110 (1993), 602; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Jansen, J., Bezit te kwader trouw, verkrijgende en bevrijdende verjaring, 2011; Pichonnaz, P., Ursprung und Begründung der Verjährung in historischer Sicht (in) ZRG RA 2015 511; Asholt, M., Verjährung im Strafrecht, 2016

Verkauf →Kauf

Verkaufspfand ist das bereits dem klassischen römischen Recht bekannte, bei Pfandreife durch Verkauf der Pfandsache an einen Dritten zu verwertende Pfand. Das V. erscheint in dem Mittelalter in den Städten seit dem 13. Jahrhundert, auf dem Land seit dem 14. Jahrhundert In der frühen Neuzeit erfolgt der Verkauf durch das Gericht oder eine andere hierzu bestellte Einrichtung. Nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird der verpfändete Gegenstand meist durch öffentliche Versteigerung bzw. bei Grundstücken durch Zwangsversteigerung verwertet.

Lit.: Kaser § 31; Hübner; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1912; Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971; Klink, R., Die Behandlung des Pfandrechts, 1976; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Verkehr ist ausgehend von dem Vertrieb von Waren die Bewegung oder Beförderung von Menschen oder Gegenständen auf dafür vorgesehenen Wegen. Das Verkehrswesen ist in dem römischen Reich bereits hoch entwickelt. Dieser Zustand wird erst in der Neuzeit wieder erreicht. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts und vor allem seit dem 19. Jahrhundert verdichtet sich der V. immer mehr. Besondere Bedeutung kommt dem Schienenverkehr (Eisenbahn, Straßenbahn), dem Straßenverkehr (Straße, Chaussee, Autobahn, Fahrrad, Motorrad, Automobil, Lastkraftwagen), dem Wasserverkehr (Kanal, Hafen, Schiff, Containerschiff) und dem Luftverkehr (Ballon, Luftschiff, Flugzeug, Flughafen, Raumfahrt) zu. Die Modernisierung der Mobilität wirkt sich auf Urbanisierung, Mobilisierung und Globalisierung aus (schneller, öfter, weiter, mehr, billiger, bequemer, sicherer). Für die unterschiedlichen Verkehrswege Land, Wasser, Luft und Raum werden vor allem in dem 20. Jahrhundert jeweils besondere Verkehrsregeln entwickelt.

Lit.: Köbler, DRG 113, 176, 225, 251; Untersuchungen zu Handel und Verkehr, hg. v. Düwel, K. u. a., Bd. 1ff. 1985ff.; Helmedach, A., Das Verkehrssystem als Modernisierungsfaktor, 2000; Gadow, O. v., Die Zähmung des Automobils durch die Gefährdungshaftung, 2002; Schubert, W., Die Anfänge eines modernen Verkehrsrechts im Radfahrrecht um 1900, ZRG GA 122 (2005), 194; Bethkenhagen, K., Die Entwicklung des Luftrechts, 2004; Merki, C., Verkehrsgeschichte und Mobilität, 2008; Ammoser, H., Das Buch vom Verkehr, 2014

Verkehrssicherungspflicht ist die in dem 20. Jahrhundert von der deutschen Rechtsprechung entwickelte Pflicht des Eröffners eines Verkehrs, die Benützer vor hieraus erwachsenden Gefahren zu sichern. Bei schuldhafter Verletzung der V. ist Schadensersatz aus unerlaubter Handlung zu leisten.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Voss, L., Die Verkehrspflichten, 2007; Bohrer, M., Der morsche Baum. Verkehrssicherheit und Fahrlässigkeit in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2010

Verkehrssitte (um 1860?) ist das übliche Verhalten in dem Rechtsverkehr. Die V. kann bei der Auslegung eines Rechtsgeschäfts herangezogen werden. Bei unvollständigen Vereinbarungen kann sie der Lückenschließung dienen.

Lit.: Al-Shamari, N., Die Verkehrssitte im § 242 BGB, 2006

Verklarung ist in dem Seerecht die Einreichung eines Berichts des Kapitäns eines Schiffes über den Hergang eines Unfalls beim zuständigen Gericht. Die V. ist nach bereits römischrechtlichen Ansätzen in dem Spätmittelalter in vielen Seerechten erkennbar. Ihr Zusammenhang mit der allgemeinen Verschweigung ist ungewiss.

Lit.: Wöhler, A., Die Verklarung, Diss. jur. Erlangen 1913

Verknechtung ist der Verlust der Freiheit durch Überführung in Knechtschaft. Sie erfolgt in unterschiedlichen Zeiten auf Grund verschiedener Voraussetzungen.

Lit.: Kaser; Hübner; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Mayer-Maly, T., Das Notverkaufsrecht des Hausvaters, ZRG RA 75 (1958), 116

Verkündung ist die Kundgabe eines Gedankens. Recht bedarf zu seiner Wirksamkeit vielfach der V. Zu der Sicherung der V. werden bereits in dem römischen Altertum die Zwölf-Tafel-Gesetze in Bronze auf dem Forum (Markt) aufgestellt. In Ermangelung einer Schriftform erfolgt die V. zumindest zunächst mündlich. Seit dem Spätmittelalter wird das geltende Recht an vielen Orten zu bestimmten Zeiten verlesen. Seit dem 18. Jahrhundert wird die Veröffentlichung in Schriftform zu einer Voraussetzung für die Geltung eines neuen Rechtssatzes.

Lit.: Feigl, H., Von der mündlichen Rechtsweisung zur Aufzeichnung, (in) Recht und Schrift im Mittelalter 1977, 425; Willoweit, D., Gebot und Verbot, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94

Verlag (1548) ist der gewerbsmäßige Vertrieb von Erzeugnissen, insbesondere von Werken der Tonkunst und Literatur. Der V. (z. B. von Webwaren) erscheint seit dem Spätmittelalter (Flandern 13. Jahrhundert), wobei der Verleger oft auch einen Teil der Geräte und Stoffe liefert und Art und Umfang der Erzeugung der von ihm vertriebenen Gegenstände bestimmt. In der frühen Neuzeit erfasst der V. sachlich vor allem das Textilgewerbe und das Metallgewerbe und räumlich neben der Stadt auch das Land. Seit dem 19. Jahrhundert geht der V. überwiegend in der Industrie auf. In seinen Resten außerhalb des Vertriebes von Werken der Tonkunst und Literatur (deutsches Verlagsgesetz 1901) wird er vielfach als Heimarbeit bezeichnet. Der älteste weltweit noch bestehende Verlag ist der 1488 gegründete Schwabe Verlag in Basel

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 97, 134, 175, 184; Furger, F., Zum Verlagssystem, 1927; Festschrift zum zweihundertjährigen Bestehen des Verlages C. H. Beck, 1963; Marwinski, K., Von der Hofbuchdruckerei zum Verlag Böhlau, 1974; Scherner, K., Handwerker und Verleger, (in) Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Scherner, K. u. a., 1982, 7; Verlag C. H. Beck, 1988; Juristen im Portrait, 1988; Holbach, R., Frühformen von Verlag und Großbetrieb, 1994; Breil, M., Die Augsburger Allgemeine Zeitung, 1996; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Wesel, U., 250 Jahre rechtswissenschaftlicher Verlag C. H. Beck, 2013; Recht im Wandel europäischer und deutscher Rechtspolitik – Festschrift 200 Jahre Carl Heymanns Verlag, hg. v. Limperg, B. u. a., 2015; Henschel, U., Vermittler des Rechts. Juristische Verlage von der Spätaufklärung bis in die frühe Nachkriegszeit, 2015; Königseder, A., Walter de Gruyter, 2016; Seemann, A., Parallelverlage im geteilten Deutschland, 2017 (mehr als 35)

Verlagsrecht (1784/1794) ist objektiv die Gesamtheit der den →Verlag betreffenden Rechtssätze und subjektiv das dem Verleger von dem Verlaggeber eingeräumte Nutzungsrecht. Seinen Ausgangspunkt nimmt das V. auf dem Gebiet der Tonkunst und Literatur in den als Folge des Buchdrucks an dem Ende des Mittelalters zunächst in Italien aufkommenden Druckerprivilegien gegen Nachdruck. Nach einem englischen Gesetz des Jahres 1709 entwickelt sich die Lehre von dem →geistigen Eigentum, das aber zeitlich beschränkt wird. In dem preußischen →Allgemeinen Landrecht (1794) und in weiteren Einzelstaatsgesetzen (Preußen 1837) des Deutschen Bundes wird das V. gesetzlich geregelt. Dem folgt auf der Grundlage der Berner Übereinkunft zu dem Schutz von Werken der Literatur und Kunst (1886) 1901 das deutsche Verlagsgesetz.

Lit.: Waechter, O., Das Verlagsrecht, 1857f.; Ortloff, H., Das Autor- und Verlagsrecht, Jahrhundert Jb. f. d. Dogmatik 5 (1861), 263; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3955; Vogel, M., Deutsche Urheber- und Verlagsrechtsgeschichte, 1978; Hubmann, H./Rehbinder, M., Urheber- und Verlagsrecht, 8. A. 1995; Wadle, E., Neuere Forschungen zur Geschichte des Urheber- und Verlagsrechts, ZNR 1990, 51; Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland, hg. v. Beier, F. u. a., Bd. 1 1991; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Wesel, U., 250 Jahre rechtswissenschaftlicher Verlag C. H. Beck, 2013

Verlassenschaft ist die Hinterlassenschaft bzw. der Nachlass eines Menschen. In Österreich bildet sich unter dem Einfluss der Rezeption des römischen Rechtes seit dem 16. Jahrhundert ein besonderes Verlassenschaftsverfahren aus, nach dem das Erbe mit dem Erbfall nicht unmittelbar dem Erben anfällt, sondern der ruhende Nachlass selbst zeitweiliger Rechtsträger ist. Das Gericht oder der von ihm beauftragte Notar muss in einem nichtstreitigen Verfahren (Außerstreitgesetz von dem 9. 8. 1854, reformiert an dem 13. 11. 2003) grundsätzlich den Todesfall aufnehmen, einen letzten Willen veröffentlichen, die Erbansprüche feststellen und die Einantwortung der Erben vornehmen.

Lit.: Wesener, G., Geschichte des Erbrechtes in Österreich, 1957

Verlassungsbuch ist ein mittelalterliches →Grundbuch.

Lit.: Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hans. Gesch.bll. N.F. 26 (1971), 1

Verletzung →Körperverletzung

Verleumdung ist die wider besseres Wissen erfolgende Behauptung oder Verbreitung einer unwahren Tatsache in Beziehung auf einen anderen, die geeignet ist, denselben verächtlich zu machen, in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden. Die V. wird an dem Beginn des 19. Jahrhunderts aus der allgemeineren Beleidigung zu einem besonderen Straftatbestand verselbständigt. Zwischen V. und übler Nachrede unterscheidet 1843 ein Entwurf eines preußischen Strafgesetzbuchs mit Hilfe des Merkmals „wider besseres Wissen“.

Lit.: Hirsch, J., Ehre und Beleidigung, 1967; Sørensen, P., The unmanly man, 1983; Müller, M., Verletzende Worte – Beleidigung du Verleumdung in Rechtstexten aus demMittelalter und aus dem 16. Jahrhundert, 2017

Verliegenschaftung (F.) Veränderung einer beweglichen Sache zu einer Liegenschaft

Verlöbnis (1450) ist der Vertrag, durch den sich zwei Menschen verschiedenen Geschlechts gegenseitig versprechen, die Ehe miteinander einzugehen sowie das durch diesen Vertrag begründete Gemeinschaftsverhältnis. Das V. ist bereits dem altrömischen Recht als ein zunächst zwischen Gewalthaber der Braut und Bräutigam abgeschlossenes Rechtsgeschäft (lat. (F.( sponsio →(N.Pl.( sponsalia) bekannt, das später von der Stipulationsform gelöst wird (und seine vielleicht anfangs vorhandene Klagbarkeit verliert). In dem spätantiken römischen Recht wird eine aus dem semitischen Brautkauf übernommene Verlöbnisgabe (lat. arrha (F.( sponsalicia) des Bräutigams an die Braut üblich und kann das V. nur noch unter vermögensrechtlichen Nachteilen aufgelöst werden. In dem germanischen Recht einigen sich vielleicht ursprünglich auch Brautvater und Bräutigam über die Braut. In der Folge finden die von der Kirche entwickelten Regeln Anwendung. Hier entsteht seit dem 11. Jahrhundert die Unterscheidung zwischen den (lat.) sponsalia (N.Pl.) de futuro (Verlöbnis) und den (lat.) sponsalia (N.Pl.) de praesenti (Eheschließung). Die darauf gegründete Klagbarkeit des Eheversprechens wird in dem 18./19. Jahrhundert (Österreich 30. 8. 1782 Verlöbnispatent) wieder beseitigt. 1875 wird in Deutschland das Eherecht verweltlicht. In dem 20. Jahrhundert verliert das V. seine rechtliche Bedeutsamkeit (Deutsche Demokratische Republik, Bundesrepublik Deutschland 1996).

Lit.: Kaser § 58 III; Köbler, DRG 22, 58, 88; Friedberg, E., Verlobung und Trauung, 1876; Sohm, R., Trauung und Verlobung, 1876; Lehmann, K., Verlobung und Hochzeit nach den nordgermanischen Rechten, 1882; Ciccaglione, F., Gli sponsali, 1888; Bächtold, H., Die Verlobung im Volks- und Rechtsbrauch, 1913; Wehrli, P., Verlobung und Trauung, 1933; Kristein, R., Die Entwicklung der Sponsalienlehre, 1966; Schwab, D., Zum gerichtlichen Verhältnis von Verlobung und Eheschließung, FamRZ 1968, 637; Strätz, H., Der Verlobungskuss, 1979; Siffert, R., Verlobung und Trauung, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Verlobung (1550) s. Verlöbnis

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Vermächtnis (1614) ist die (letztwillige) Verfügung von Todes wegen, durch die der Erblasser einem anderen (im Gegensatz zu einem Teil der Erbschaft) einen einzelnen Vermögensvorteil zuwendet, ohne ihn als Erben einzusetzen. Das V. ist bereits dem altrömischen Recht in verschiedenen Formen bekannt (formbedürftig lat. (N.( →legatum nach ius civile bzw. formfrei →fideicommissum nach Kaiserrecht). Das Legat kann in einem Testatment oder in einem bestätigten Kodizill bestellt werden. Mit dem römischen Recht wird seit dem Spätmittelalter auch das V. aufgenommen. In dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist es (nicht dinglich wirkendes Vindikationslegat, sondern nur schuldrechtlich wirkendes) Damnationslegat und begründet deshalb nur einen Anspruch des Vermächtnisnehmers gegen den Erben.

Lit.: Kaser §§ 76, 77; Söllner §§ 14, 17; Hübner § 111; Köbler, DRG 23, 38, 60, 211; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Eßmann, A., Vom Eigennutz zum Gemeinnutz, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Vermählung →Eheschließung

vermehrter Sachsenspiegel →Meißener Rechtsbuch

Vermengung (lat. [F.] commixtio) ist die Zusammenfügung gleichartiger fester Stoffe unterschiedlicher Eigentümer zu einem ununterscheidbaren Ganzen (z. B. Getreide). Nach römischem Recht bleibt bei nicht einvernehmlicher V. das Eigentum an dem entsprechenden Anteil bestehen, während bei einvernehmlicher V. Miteigentum entsteht. Bei V. von Geld wird ursprünglich (originär) Eigentum erworben.

Vermischung (1524, lat. [F.] commixtio) ist der Zusammenfluss gleichartiger Flüssigkeiten oder geschmolzener Metalle verschiedener Eigentümer. Bei Einverständnis entsteht Miteigentum, bei fehlendem Einverständnis bleibt das Eigentum an dem jeweiligen Anteil bestehen.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Vermittlungsausschuss ist der der Vermittlung zwischen unterschiedlichen Vorstellungen zweier Gremien dienende Ausschuss. Nach amerikanischem Vorbild kennt Deutschland seit 1949 einen V. zwischen Bundestag und Bundesrat.

Vermögen (Wort um 1300 belegt) ist die Gesamtheit der einer Person zustehenden Gegenstände von wirtschaftlichem Wert einschließlich von Erwerbschancen. Für das V. gilt das jeweilige Sachenrecht, Schuldrecht und Erbrecht. In das V. wird bei Bedarf vollstreckt. Die Einziehung des Vermögens kann eine Strafe sein. Das V. kann mit Vermögensteuer besteuert werden. In dem römischen Recht ist Träger (Eigentümer) des Vermögens der Vater (lat. [M.] pater familias). Später werden daneben Söldner vermögensfähig hinsichtlich des (lat. [N.]) peculium castrense, seit der Nachklassik Hauskinder hinsichtlich ihres Sondervermögens.

Lit.: Kaser §§ 12 I, 15 I, 18 I 1, 58 II, 60 II, 85 II; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Laband, P., Die vermögensrechtlichen Klagen, 1869; Brauweiler, H., Der Vermögensbegriff, Diss. jur. Erlangen 1910; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Hirschberg, R., Der Vermögensbegriff im Strafrecht, 1934; Dießelhorst, M., Das Vermögensrechtssystem Samuel Pufendorfs, 1976; Mempel, H., Die Vermögenssäkularisation, 1979; Knothe, H., Das gemeine Kindesvermögensrecht, ZRG GA 98 (1981), 255; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Schroeder, K., Deutsches Recht und Bürgerliches Gesetzbuch, ZRG GA 109 (1992), 159; Hubig, S., Die historische Entwicklung des § 23 ZPO, 2002; Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Reichtum im späten Mittelalter, hg. v. Schulte, P. u. a., 2015

Vermögensstrafe ist die auf den vollständigen oder teilweisen Verlust des Vermögens gerichtete, bereits den Römern bekannte, von der Aufklärung wegen der Auswirkungen auf die Familie des Betroffenen bekämpfte, durch Gesetz von dem 15. Juli 1992 in Deutschland (wieder) eingeführte, aber durch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Deutschlands von dem 20. 03. 2002 wegen mangelnder Bestimmtheit als verfassungswidrig beurteilte Strafe.

Lit.: Schnieders, R., Die Geschichte der Vermögensstrafe in Deutschland, 2002

Vermögensvollstreckung ist in dem römischen Recht die in dem 2./1. Jahrhundert v. Chr. neben die Personalvollstreckung tretende Vollstreckung des Gläubigers in das Vermögen des Schuldners, wenn dieser nicht den durch Urteil bestimmten Betrag leistet. Dabei wird der betreibende Gläubiger in den Besitz eingewiesen und danach das Vermögen durch Versteigerung an den Meistbietenden verwertet, wobei die Verteilung des Überschusses auf die anderen Gläubiger nach der Reihenfolge der Urteile erfolgt.

Vermutung ist der Satz, nach dem von dem Vorliegen eines bestimmten Umstands (grundsätzlich) auf einen bestimmten anderen Umstand geschlossen werden soll (z. B. von Besitz auf Eigentum). Die aus der Erfahrung des Alltagslebens erwachsende V. ist (als [lat.] praesumptio (F.() bereits dem römischen Recht bekannt. Sie wird mit diesem später aufgenommen.

Lit.: Köbler, DRG 29; Hamza, G., Réflexions sur les présomptions relatives aux comourants (commorientes) (in) Status familiae, 2001, 131

Vernehmung ist die Befragung eines Menschen durch eine Behörde in einem Verfahren.

Lit.: Schumann, A., Verhör, Vernehmung, Befragung, 2016

Vernunft ist die Fähigkeit, nachvollziehbare, verständige Entscheidungen zu treffen. Auf die V. stellt die Aufklärung der frühen Neuzeit besonders ab. Namengebend wird die V. für das hierauf gegründete Vernunftrecht.

Lit.: Köbler, DRG 136, 146; Neusüß, W., Gesunde Vernunft und Natur der Sache, 1970; Pohl, M., Fliehen - Kämpfen - Kapitulieren, 2013

Vernunftrecht ist das allein durch die →Vernunft gerechtfertigte und begründete Recht. Es ist die in dem 17. und 18. Jahrhundert vorherrschende Art des Naturrechts. Das V. nimmt seinen Ausgang von spanischen Spätscholastikern (Francisco de →Vitoria 1483/1493-1546, Fernando →Vazquez 1512-1569), die zwecks Gewinnung einer verlässlichen Lösung für die an dem Beginn der Neuzeit entstehenden rechtlichen Fragen aus einem als allgemein behaupteten Naturrecht gewisse allgemeine Völkerrechtssätze ableiten. Auf dieser Grundlage entwickelt Hugo →Grotius 1625 ein Allgemeinrecht für alle Rechtsverhältnisse, das ausschließlich aus dem naturgegebenen Streben (lat. (M.( appetitus) des Einzelnen vernünftigerweise Verträge erfüllt, verursachte Schäden ausgleicht und das Eigentum anderer achtet. Seine Grundsätze würden auch dann gelten, wenn es keinen Gott gäbe oder dieser sich um die menschlichen Angelegenheiten nicht kümmerte. Damit ist einerseits das von dem Christentum auf Gott bezogene Naturrecht verweltlicht bzw. (bei Grotius) von der Moraltheologie emanzipiert und zu einer irdischen Sozialethik erhoben sowie andererseits die göttliche Offenbarung der Theologie zurückgegeben. Die menschliche Vernunft allein - nicht die geschichtliche Erfahrung - bildet den Maßstab für das Recht. Dem folgt neben David →Mevius etwa →Pufendorf (1672), der in geometrischer Art (lat. more geometrico) für das private Recht ein Gesamtsystem einleuchtender Vernunftsätze bilden will. Christian →Wolff (1679-1754) will überhaupt durch mathematisch-demonstrative, logisch-synthetische Deduktion mit Hilfe des Syllogismus als Erkenntnissmittel aus wenigen vernunftrechtlichen Obersätzen zu der Lösung jedes einzelnen Falles kommen. Allerdings werden dabei nur bereits als vernünftig anerkannte Sätze des geltenden Rechtes als Naturrecht behauptet und ist die davon ausgehende Ableitung meist logisch nicht einwandfrei. Unmittelbare Übernahmen von behaupteten Naturrechtssätzen in die Rechtswirklichkeit sind selten. Wenig später widerlegt Immanuel →Kant (1724-1804) die Vorstellung eines überpositiven Rechtes ohne geschichtliche Grundlage ganz. Dennoch erfahren preußisches →Allgemeines Landrecht (1794), →Code civil (1804) und österreichisches →Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (1811/1812) eine bedeutsame naturrechtlich-systematische Prägung. In dem Staatsrecht führt das V. zu der Lehre von dem Gesellschaftsvertrag (frz. contrat social), in dem Strafrecht zu der Humanisierung.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 139, 140, 144, 145, 159, 163, 166, 207; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant, 1932, Neudruck 1973; Thieme, H., Das Naturrecht und die europäische Privatrechtsgeschichte, 2. A. 1954; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian Thomasius, 1968; Bärmann, J., Zur Methode des Vernunftrechts, FS zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Zweibrücken, 1969, 3; Carpintero-Benitez, F., Del derecho natural medieval al derecho natural moderno, 1977; Krause, D., Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts, 1979; Luig, K., Der Einfluss des Naturrechts, ZRG GA 96 (1979), 38; Lipp, M., Die Bedeutung des Naturrechts, 1980; Christian Wolff 1679-1754, hg. v. Schneiders, W., 1983; Link, C., Hugo Grotius als Staatsdenker, 1983; Vernunftrecht und Rechtsreform, hg. v. Krause, P., 1988; Bühler, T., Die Naturrechtslehre und Christian Thomasius, 1989; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 9. A. 2001, 10. A. 2005

Verona an der unteren Etsch wird auf angeblich keltischer Grundlage 89 v. Chr. römische (lat. (F.() colonia. Seit dem 3. Jahrhundert ist es Sitz eines Bischofs, später Sitz Theoderichs des Großen (Dietrich von Bern) und des Langobardenkönigs Alboin. In dem 12. Jahrhundert wird es freie Kommune, die 1228 und 1276 Statuten aufzeichnet. Über Mailand (1387), Venedig (1405) und →Österreich (1797) gelangt es 1866 zu →Italien.

Lit.: Cipolla, C., Compendio della storia politica, 1976; Westhues, P., Die Kommunalstatuten von Verona im 13. Jahrhundert, 1995

Verordnung ist die behördliche Anordnung an eine unbestimmte Zahl von Personen für eine unbestimmte Zahl von Fällen. Sie erscheint sachlich mit dem Auftreten von Herrschaft, also etwa bereits in dem römischen Altertum oder in dem Frühmittelalter (z. B. →Kapitularien). Systematisch erfasst wird sie aber erst seit der frühen Neuzeit. Seitdem steht sie vor allem dem Gesetz gegenüber. →Notverordnung

Lit.: Köbler, DRG 227; Sammlung der churbaierischen Generalien und Landesverordnungen, 1771; Gerstlacher, C., Sammlung aller baden-durlachischen Anstalten und Verordnungen, Bd. 1ff. 1772f.; Handbuch aller unter der Regierung Josefs II. ergangenen Verordnungen und Gesetze, Bd. 1ff. 1785; Sammlung aller kaiserlich-königlichen Verordnungen und Gesetze, Bd. 1ff. 1786/7; Jellinek, G., Gesetz und Verordnung, 1887, Neudruck 1964; Seitz, J., Die landständische Verordnung in Bayern, 1999; Höner, M., Die Diskussion um das richterliche Prüfungsrecht und das monarchische Verordnungsrecht, 2001

verpachten →Pacht

Verpfählung

Lit.: Der Rechtsbrauch des Verpfählens, ZRG GA 42 (19219, 110; Müller, K., Der Rechtsbrauch des Verpfählens, ZRG GA 42 (1921), 110

verpfänden (als Pfand geben), durch Rechtsgeschäft ein Pfandrecht als beschränktes dingliches Recht an einer Sache eines anderen begründen

Lit.: Werminghoff, A., Die Verpfändungen der mittel- und niederrheinischen Reichsstädte, 1893; Kleinbub, M., Das Recht der Übertragung und Verpfändung von Liegenschaften in der Reichsstadt Ulm, 1960; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im Mittelalter, 1967

Verpflichtung (1307, F.) Obligation, Schuld, Verbindlichkeit

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Verpflichtungsgeschäft ist das bereits dem römischen Recht bekannte, eine →Verpflichtung begründende Rechtsgeschäft (z. B. Kauf) in Gegensatz zu dem diese Verpflichtung tilgenden Erfüllungsgeschäft (z. B. Übereignung), das →Verfügungsgeschäft ist. Das V. verändert die dingliche Rechtslage an der betroffenen Sache nicht, begründet aber relative Rechte und Pflichten des Gläubigers und Schuldners in Bezug auf das daraufhin vorzunehmende Verfügungsgeschäft.

Lit.: Kaser §§ 5 I, 11, 15 I, 60 II, 62 III 2; Köbler, DRG 46

Verrat ist die unbefugte, treuwidrige Offenbarung eines Geheimnisses. Bereits bei den Germanen folgt dem Volksverrat die Tötung durch Aufhängen. Ansonsten werden die verschiedenen Fälle von V. (Hochverrat, Landesverrat) unterschiedlich verfolgt.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Illmer, F., Treubruch, Verrat und Felonie, Diss. jur. Breslau 1937; Ritter, J., Verrat und Untreue an Volk, Reich und Staat, 1942

Verrichtungsgehilfe ist nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ein Mensch, dem von einer anderen Person, von deren Weisungen er mehr oder weniger abhängig ist, eine Tätigkeit übertragen worden ist. Der Geschäftsherr hat für vermutetes Verschulden bei Auswahl und Überwachung eines schädigenden Verrichtungsgehilfen einzustehen.

Lit.: Köbler, DRG 216, 271; Niethammer, G., Entwicklung der Haftung für Gehilfenhandeln, 1973; Wicke, H., Haftung für Verrichtungsgehilfen, (in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 165; Wicke, H., Respondeat superior, 2000; Bodenhausen, E. Frhr. v., Haftung des Geschäftsherrn für Verrichtungsgehilfen, 2000

Versailles ist der südwestlich von Paris gelegene, 1037 erstmals bezeugte und 1561 mit Marktrecht begabte Ort, an dem Ludwig XIV. in dem 17. Jahrhundert ein Schloss errichten lässt, das dem König von Frankreich als Residenz dient. An dem 18. 1. 1871 wird in V. der König von Preußen zu dem Kaiser von Deutschland ausgerufen. An dem 28. 6. 1919 wird in V. der in 15 Teile mit 440 Artikeln gegliederte, von vielen als Diktat betrachtete, aber auch den Wunsch Frankreichs nach Zerschlagung Deutschlands oder nach Gewinnung der Rheingrenze verhindernde, ohne Beteiligung des Deutschen Reiches entstehende, den Wiederaufstieg Deutschlands in wenigen Jahren zur potentiell stärksten Macht Europas ermöglichende Vertrag der alliierten Siegermächte des ersten Weltkriegs mit dem Deutschen Reich unterzeichnet (Verlust eines Zehntels des Staatsgebiets [Elsass, Lothringen, Westpreußen, Posen], Kriegsschuld, Reparationsverpflichtungen, Heereseinschränkung).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Keynes, J., Krieg und Frieden – Die wirtschaftlichen Folgen des Vertrages von Versailles, hg. v. Hauser, D., 2014; Berber, F., Das Diktat von Versailles, 1939; Haffner, S. u. a., Der Vertrag von Versailles, 1978; Versailles 1919, hg. v. Krumeich, G., 2001; Kolb, E., Der Friede von Versailles, 2005; Kraus, H., Versailles und die Folgen, 2013; Brandt, S., Das letzte Echo des Krieges – Der Versailler Vertrag, 2018; Peace through Law, hg. v. Erpelding, M. u. a., 2018; Schwabe, K., Versailles, 2019; Leonhard, J., Der überforderte Frieden, 2018

Versammlungsfreiheit ist das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die V. entwickelt sich in dem 19. Jahrhundert zu einem Grundrecht.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Maltzahn, R. Frhr. v., Das Versammlungsgesetz vom 24. Juli1953, 2017

Versäumnisverfahren ist das bei Säumnis einer Partei betreibbare Gerichtsverfahren. Es ist bereits dem römischen Recht bekannt (str.), wobei es dem Kläger nur begrenzt möglich ist, die Teilnahme des Beklagten außerhalb seines Wohnorts zu erzwingen. In der Gegenwart wird bei Säumnis des Beklagten nach dem Vorbild des sächsischen Prozesses auf der Grundlage des Vortrags des Klägers ein Versäumnisurteil erlassen, bei Säumnis des Klägers die Klage abgewiesen.

Lit.: Kaser §§ 84 II, 87; Köbler, DRG 34; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973, 268; Mitteis, H., Studien zur Geschichte des Versäumnisurteils, ZRG GA 42 (1921), 137; Kulessa, M., Ladungsungehorsam und prozessuale Säumnis, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1966; Reinschmidt, T., Die Einleitung des Rechtsganges, Diss. jur. Frankfurt am Main 1968, 123; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973; Steinhauer, T., Versäumnisurteile in Europa, 1996; Rüfner, T., Gerichtsstand und Ladungszwang, 2009

Verschollenheit (1809) ist das Fehlen von Nachrichten über das Leben oder Versterben eines Menschen, dessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt ist und an dessen Fortleben nach den Umständen ernstliche Zweifel bestehen. Die V. wird bereits in dem römischen Recht erfasst (Auflösung der Ehe, Kriegsverschollenheit (lat. ius postliminii(). In dem 18. Jahrhundert wird für die V. das Verfahren der →Todeserklärung eingerichtet. Dieses ist in der deutschen Gegenwart in dem besonderen Verschollenheitsgesetz (15. 1. 1951) geregelt. An dem 6. 4. 1950 wird die Konvention der Vereinten Nationen über die Todeserklärung Verschollener vereinbart.

Lit.: Kaser § 58 VII 1a; Köbler, DRG 120, 160, 206, 237, 266; Schmidt, R., Die Verschollenheit, 1938; Arnold, E., Verschollenheit, 1951; Strebel, H., Die Verschollenheit als Rechtsproblem, 1954; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 199; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Bertrand, A., Zur Entwicklung des Verschollenheitsrechts, 2013

Verschulden (Wort 1636 belegt) ist das objektiv pflichtwidrige und subjektiv vorwerfbare Verhalten (str.) eines schuldfähigen Menschen. Das V. ist bereits in dem römischen Recht ein bedeutsames Merkmal für Strafe und Schadensersatz (lat. (F.( culpa, (M.( dolus). Für das ältere deutsche Recht wird überwiegend von einer →Erfolgshaftung ausgegangen, ohne dass ausgeschlossen werden kann, dass nicht doch auch Verschuldensgesichtspunkte selbverständlich mitberücksichtigt werden. In dem 19. Jahrhundert setzt sich das dem Liberalismus entgegenkommende Verschuldensprinzip durch (Egid von Löhr 1806/1808, Hasse 1815, Ihering 1867), doch wird gleichzeitig eine Schadensersatzpflicht aus →Gefährdungshaftung (Preußen 1838 für Eisenbahnen u. s. w.) geschaffen. In der Folge wird in dem Strafrecht das V. subjektiv, in dem Privatrecht objektiv bestimmt. In dem Eherecht kann eine schuldhafte Verletzung einer ehelichen Pflicht in der Neuzeit einen Grund für die Ehescheidung darstellen. In Deutschland wird dieses (vorwerfbare) V. 1976 durch die (objektive) Zerrüttung ersetzt, in Österreich 1978 die einvernehmliche Ehescheidung ermöglicht und 1999 unter Aufgabe der absoluten Ehescheidungsgründe ein einziger relativer Verschuldensehescheidungstatbestand geschaffen.

Lit.: Kaser; Hübner; Kroeschell, 20. Jahrhundert; Köbler, DRG 128, 209, 214, 216; Luig, K., Überwiegendes Mitverschulden, Ius commune 2 (1969), 187; Benöhr, H., Die Entscheidung für das Verschuldensprinzip, TRG 46 (1978), 1; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Verschwägerung (F.) verwandtschaftsähnliche Verbindung durch Heirat (ein Mensch ist mit den Verwandten seines Ehegatten verschwägert, nicht verwandt)

Lit.: Gernhuber, J., Die Schwägerschaft als Quelle gesetzlicher Unterhaltspflichten, FamRZ 1955, 193

Verschweigung ist die Unterlassung der Geltendmachung eines Rechtes bzw. die Duldung eines fremden Eingriffes in ein Recht, die seit dem Mittelalter meist nach →Jahr und Tag zu dem Verlust des Rechtes führt. In der Neuzeit wird die V. vor allem von der →Verjährung und der →Ersitzung verdrängt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 125, 163; Immerwahr, W., Die Verschweigung, 1895; Schulte, H., Die Verschweigung, Diss. jur. Köln 1966; Schmachtenberg, H., Die Verschweigung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971

Verschwender (lat. (M.( prodigus) ist, wer länger unnütze und übermäßige Ausgaben tätigt. Der V. erhält schon nach altrömischem Recht einen treuhänderisch handelnden Pfleger (lat. (M.( curator). Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen. Der V. kann entmündigt werden, ohne dass dies rechtstatsächlich häufig erfolgt. Seit 1. 1. 1992 steht in Deutschland an der Stelle der →Entmündigung die →Betreuung.

Lit.: Kaser §§ 14 V, 64; Hübner; Köbler, DRG 22; Schwarz, A., Die Entmündigung des Verschwenders, 1891; Trompetter, J., Die Entmündigung wegen Verschwendungssucht, 1996; Griebl, L., Die Behandlung von Verschwendern und Geisteskranken, 2010

Versenken in dem Moor ist die Art der Tötung, die nach Tacitus bei den Germanen der Unzucht folgt. →Moorleiche

Lit.: Köbler, DRG 71; Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842, Neudruck 1960; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922

Versicherung (1490) ist die Schaffung von Sicherheit durch ein Verhalten, insbesondere der Erwerb eines Anspruchs auf eine Schadensausgleichsleistung eines Versicherers durch regelmäßige Vorleistungen eines Versicherten. Die V. entsteht vielleicht bereits in dem Frühmittelalter, spätestens jedoch in dem Hochmittelalter auf der Grundlage der Gegenseitigkeit der Schadenshilfe (Diebstahl, Brand, Beerdigungskosten, Lösegeldzahlung, Schiffsverlust (Italien 14. Jahrhundert(). Sie wird ein schuldrechtlicher Vertrag zwischen Versicherer (Versicherungsgemeinschaft) und (einzelnem) Versicherungsnehmer. Sie gewinnt seit der frühen Neuzeit an Bedeutung. Seit dem 17. Jahrhundert wird die →Lebensversicherung möglich. Neben die genossenschaftliche Gegenseitigkeit tritt dabei bald die unternehmerische Versicherungsaktiengesellschaft. Der absolute Staat führt zwecks allgemeiner Wohlfahrt die Zwangsversicherung für einzelne Schadensgefahren (Preußen 1718 Brandversicherung) ein. 1908 wird in dem Deutschen Reich ein Versicherungsvertragsgesetz für die zunehmenden Versicherungen geschaffen, über die der Staat (Preußen 1781) die Aufsicht führt. Dieses Gesetz wird in Deutschland zu dem 1. 1. 2008 neu gefasst. Neben der sich mit zunehmender Globalisierung stark internationalisierenden Privatversicherung steht die von Otto von Bismarck zu der Abwehr sozialistischer Gefahren für den Staat 1881/1884 aufgegriffene →Sozialversicherung (Zwangsversicherung gegen Arbeitsunfall als Arbeitnehmer, Krankheit als Arbeitnehmer, Invalidität als Arbeitnehmer, Alter als Arbeitnehmer u. s. w.), die auch einen entsprechend hohen Verwaltungsaufwand mit sich bringt.

Lit.: Köbler, DRG 128, 167, 184, 216, 243; Bensa, E., Il contratto di assicurazione, 1884; Helmer, G., Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, Bd. 1f. 1925/6; Ebel, W., Die Hamburger Feuerkontrakte, 1936; Schmitt-Lermann, H., Der Versicherungsgedanke im deutschen Geistesleben des Barock und der Aufklärung, 1954; Raynes, H., A History of British Insurance, 2. A. 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,848; Koch, P., Epochen der Versicherungsgeschichte, 1967; Schöpfer, G., Sozialer Schutz im 16.-18. Jahrhundert, 1976; Koch, P., Bilder zur Versicherungsgeschichte, 1978; Peters, H., Die Geschichte der sozialen Versicherung, 3. A. 1978; Ebel, F., Die Anfänge der rechtswissenschaftlichen Behandlung, Z. f. d. ges. VersWiss 34 (1980), 7; Nehlsen-von Stryk, K., Die venezianische Seeversicherung, 1986; Duvinage, A., Die Vorgeschichte und die Entstehung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag, 1987; Hofmann, E., Privatversicherungsrecht, 3. A. 1991; Neugebauer, R., Versicherungsrecht vor dem Versicherungsvertragsgesetz, 1990; Dreyer, T., Die Assekuranz- und Havereyordnung der freien und Hansestadt Hamburg von 1731, 1990; Ebel, W., Quellennachweis und Bibliographie zur Geschichte des Versicherungsrechts, hg. v. Ebel, F., 1993; Koch, P., Die Behandlung des Versicherungsvertrags im preußischen Allgemeinen Landrecht, Versicherungsrecht 1994, 629; Wandel, E., Banken und Versicherungen, 1997; Koch, P., Geschichte der Versicherungswissenschaft, 1998; Van Niekerk, J., The Development of the Principles of Insurance Law in the Netherlands, 1998; Schewe, D., Geschichte der sozialen und privaten Versicherung im Mittelalter in den Gilden, 2000; Feldman, G., Die Allianz und die deutsche Versicherungswirtschaft, 2001; Principles of European Insurance Contract Law, hg. v. Basedow, J. u. a., 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Röder, T., From Industrial to Legal Standardization 1871-1914, 2012; Koch, P., Geschichte der Versicherungswirtschaft in Deutschland, 2012; Hellwege, P., Die historische Rechtsvergleichung und das europäische Versicherungsrecht, ZRG 131 (2014), 226; Kilian, M., Das Gesetz über die privaten Versicherungsunternehmen von 1901, 2015; Fluch, F., Schwarzbuch Versicherungen, 2015; Bähr, J./Kopper, C., Munich Re – die Geschichte der Münchener Rück 1880-1980, 2015; Eggenkämper, B. u. a., Die Allianz, 2015; Studien zur vergleichenden Geschichte des Versicherungsrechts, Bd. 1ff., hg. v. Hellwege, P., 2018

Versicherung an Eides Statt

Lit.: Lex, P., Die Versicherung an Eides Statt, Diss. jur. Zürich 1967

versio (F.) in rem (lat.) Verwendung auf eine Sache

Lit.: Kaser §§ 11 II, 49 II

Versionsklage (lat. actio (F.( de in rem verso) ist in dem römischen Recht die Klage auf das zu einer Bereicherung des Vermögens des Geschäftsherrn seitens des Sklaven Verwendete, die Justinian (527-565) auf eine Haftung des Geschäftsherrn aus dem Handeln Gewaltfreier erweitert. In dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) geht die V. in den Bereicherungsansprüchen auf.

Lit.: Kaser § 49 II 1b; Kupisch, B., Die Versionsklage, 1965

Versitzung ist der Rechtsverlust des bisherigen Berechtigten beim Rechtserwerb durch →Ersitzung.

Versorgungsausgleich ist der Ausgleich der Ansprüche auf sozialversicherungsrechtliche Versorgung außerhalb eines aktiven Dienstverhältnisses zwischen zwei Ehegatten in dem Falle der Ehescheidung. Der V. wird in Deutschland 1976 eingeführt. Der Ehegatte mit geringeren Versorgungsansprüchen hat einen Anspruch auf Ausgleich aus den Versorgungsansprüchen des anderen Ehegatten.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Köbler, DRG 267; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 169

Versprechen (1632) ist die Zusage einer Leistung oder das fehlerhafte Sprechen.

Lit.: Die Ordnung des Versprechens, hg. v. Schneider, M., 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Verstaatlichung ist die Überführung von Privateigentum in Eigentum des Staates. Sie ist in dem Rechtsstaat als →Enteignung nur gegen Entschädigung zulässig. Sie ist in der Marktwirtschaft selten.

Lit.: Stiefel, D., Verstaatlichung und Privatisierung in Österreich, 2011

Versteigerung ist der öffentliche Verkauf eines Gegenstands an den Meistbietenden. Die V. ist bereits dem römischen Prozessrecht bekannt. Sie wird in den mittelalterlichen Städten erneut aufgegriffen. Sie kann privatrechtlich oder öffentlichrechtlich durchgeführt werden. Besonders bedeutsam ist sie in der →Zwangsvollstreckung (→Zwangsversteigerung).

Lit.: Kaser § 85 II 2b; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Dunkel, H., Öffentliche Versteigerung und gutgläubiger Erwerb, 1970; Mannheims, H./Oberem, P., Versteigerung, 2003

Verstümmelung ist die Entfernung oder Unbrauchbarmachung eines Teiles des menschlichen Körpers durch unmittelbare mechanische Einwirkung (z. B. Abhacken der Hand, Ausreißen der Zunge, Blenden, Brandmarken, Kastrieren, Lähmen). Die V. wird als Strafe bereits in dem römischen Altertum verwendet. Mit der peinlichen Strafe tritt sie in dem Mittelalter hervor. Von der Aufklärung der Neuzeit wird sie bekämpft und schließlich beseitigt. Als →Maßnahme der Sicherung und Besserung wird aber die Kastration zwischen 1933 und 1945 in dem Deutschen Reich wieder durchgeführt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Browe, P., Zur Geschichte der Entmannung, 1936; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Versuch ist in dem Strafrecht die Betätigung des Entschlusses zu der Begehung einer Straftat durch Handlungen, die zu der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands unmittelbar ansetzen, aber nicht zu der Vollendung führen. Der V. ist so alt wie die Straftat. Er wird anfangs aber nur als verselbständigte Tat bestimmter Fälle erfasst (z. B. Messerziehen als Vorstufe einer Körperverletzung). In Italien befassen sich jedoch bereits die Glossatoren verstärkt auch mit den die Anfänge einer Straftat betreffenden Textstellen. In der frühen Neuzeit wird der V. als solcher gesehen (Constitutio Criminalis Bambergensis 1507) und dann einschließlich des →Rücktritts als allgemeine Figur in den allgemeinen Teil des Strafrechts aufgenommen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 91, 119, 158, 204; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Hemmer, R., Warum war der Verbrechensversuch nach altgermanischem Recht straflos?, 1963 (9 S.); Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973, 157; Sellner, D., Der Durchbruch der Lehre vom Verbrechensversuch, 1961; Hellbling, E., Versuch, Notwehr und Mitschuld, FS H. Eichler, 1977, 241; Kracht, H., Die Entwicklung des strafrechtlichen Versuchsbegriffs, Diss. jur. Würzburg 1978; Glöckner, H., Cogitationis poenam non patitur (D. 48. 19. 18). Zu den Anfängen einer Versuchslehre in der Jurisprudenz der Glossatoren, 1989, 1989; Müller, M., Die geschichtliche Entwicklung des Rücktritts vom Versuch, 1995

Verteidiger ist der Beistand des Beschuldigten in dem Strafverfahren. Er ist bereits dem römischen Recht bekannt, gewinnt aber insbesondere erst als Folge des neuzeitlichen Inquisitionsverfahrens in dem Rechtsstaat des 19. Jahrhunderts an Gewicht. →Strafverteidiger

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 34, 203, 264; Henschel, J., Die Strafverteidigung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1972; Armbrüster, K., Die Entwicklung der Verteidigung in Strafsachen, 1980; Hettinger, M., Das Fragerecht der Verteidigung, 1985; Klein, H., Der Strafverteidiger, 1996; Falk, U., Zur Geschichte der Strafverteidigung, ZRG GA 117 (2000), 395; Garlati, L., Die Verteidigung hat das Wort, 2011; Mehlich, A., Der Verteidiger in den Strafprozessen gegen die Rote Armee Fraktion, 2012; Zwischen den Fronten – Verteidiger, Richter und Bundesanwälte im Spannungsfeld von Justiz, Politik, APO und RAF, hg. v. Diewald-Kerkmann, G. u. a., 2013

Vertrag (Wort 1287 belegt, Vertragsabschluss 1863, Vertragserbe 1896, Vertragsverhältnis 1863, vertragswidrig 1807) ist das grundsätzlich durch zwei einander wechselseitig entsprechende Willenserklärungen zustandekommende, zweiseitige →Rechtsgeschäft. Der V. erscheint mit den Anfängen des Rechtes (Tausch, Schenkung, Ehe). Die römische Jurisprudenz unterscheidet mehrere verschiedene Arten (→Realkontrakt, →Verbalkontrakt, →Litteralkontrakt, →Konsensualkontrakt). In der hochmittelalterlichen Kirche entwickelt sich entgegen dem römischrechtlichen Ausgangspunkt (lat. ex nudo pacto actio non oritur, aus einem bloßen Vertrag entsteht kein Klaganspruch) die Vorstellung von der Verbindlichkeit jeglichen Vertrags. Vielleicht geht der Durchbruch der Vorstellung von der Klagbarkeit aller Verträge auch in dem weltlichen Recht auf Matthaeus Wesenbeck (Antwerpen 1531-Wittenberg 1586) zurück (1582). Als allgemeine Grundfigur wird der V. in der frühen Neuzeit (16.-18. Jahrhundert) erfasst. Die einzelnen Vertragsarten werden unter Aufgabe geschichtlich bedingter Einzelheiten weitgehend aus dem römischen Recht übernommen. In dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist der V. in dem allgemeinen Teil geordnet. Die Regeln über den privatrechtlichen V. gelten grundsätzlich auch für den V. zwischen Völkerrechtssubjekten geschlossenen sowie für den wohl erst in dem 19. Jahrhundert anerkannten öffentlichrechtlichen V. →Gesellschaftsvertrag

Lit.: Kaser §§ 5 II, 8 I, II; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 42, 125, 127, 140, 164, 181, 208, 249, 259; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 901; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts, 1855; Karsten, C., Die Lehre vom Vertrag, 1882; Puntschart, P., Schuldvertrag und Treuegelöbnis, 1896; Charmatz, H., Zur Geschichte und Konstruktion der Vertragstypen, 1937; Mitteis, H., Politische Verträge im Mittelalter, ZRG GA 67 (1950), 76; Trusen, W., Wiener Vertragslehren des 14. Jahrhunderts, Diss. jur. Mainz 1957; Söllner, A., Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 182; Dilcher, H., Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Politische Verträge des frühen Mittelalters, hg. v. Classen, P., 1966; Stoljar, S., A History of Contract at Common Law, 1975; Kiefner, H., Der abstrakte obligatorische Vertrag, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 74; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Nanz, K., Die Entstehung des allgemeinen Vertragsbegriffs, 1985; Landau, P., Hegels Begründung des Vertragsrechts, Archiv f. Rechts- und Sozialphilosophie 59 (1973), 117; Würthwein, S., Zur Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990; Towards a general law of contract, ed. by Barton, J., 1990; Gordley, J., The Philosophical Origins of Modern Contract Doctrine, 1991; Bühler, D., Die Entstehung der allgemeinen Vertragsschluss-Vorschriften, 1991; Lambrecht, P., Die Lehre vom faktischen Vertragsverhältnis, 1994; Deyerling, A., Die Vertragslehre, 1996; Oechsler, J., Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, 1997; Volante, R., Il sistema contrattuale del diritto comune classico, 2001; Reiter, C., Vertrag und Geschäftsgrundlage im deutschen und italienischen Recht, 2002; Ikadatsu, Y., Der Paradigmawechsel der Privatrechtstheorie und die Rekonstruktion der Vertragstheorie, 2002; Immenhauser, M., Das Dogma von Vertrag und Delikt, 2006; Meß, C., Das Vertragsrecht bei Adam Smith, 2007; Harth, C., Der Mythos von der Zerstörung des Vertrags, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Fichte, R., Die Begründung des Militärdienstverhältnisses, 2010; Decock, W., Theologians and Contract Law, 2013; Kleinschmidt, H., Diskriminierung durch Vertrag und Krieg, 2013; Astorri, P., Lutheran Theology and Contract Law in Early Modern Germany (ca. 1520-1720), 2019

Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte ist der von der deutschen Rechtsprechung in dem späten 20. Jahrhundert (um 1960) entwickelte Vertrag, der bestimmte schützenswerte Dritte in den Schutz eines von anderen abgeschlossenen Vertrags einbezieht, um den unzureichenden Schutz des Deliktsrechts auszugleichen (seit 2002 in Deutschland § 311 III BGB).

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Köbler, DRG 270; Krings, S., Die Vorgeschichte des Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter im Mietrecht, 2013; Lakenberg, T., Kinder, Kranke, Küchenhilfen - Wie das Reichsgericht nach 1900 die Schutzwirkung von Verträgen zugunsten Dritter erweiterte, 2014

Vertrag zugunsten Dritter (1845) ist der einen Dritten begünstigende Vertrag (z. B. Lebensversicherung zugunsten der Hinterbliebenen). Er wird nach älteren vernunftrechtlichen Ansätzen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausgebildet. In dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist er knapp geregelt.

Lit.: Kaser §§ 34 I 2e, 53 I 3; Söllner §§ 18, 23; Hübner 548; Köbler, DRG 165, 208, 214; Busch, F., Doktrin und Praxis über die Gültigkeit von Verträgen zugunsten Dritter, 1860; Tartufari, L., Dei contratti a favore di terzi, 1889; Wesenberg, G., Verträge zugunsten Dritter, 1949; Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Lakenberg, T., Kinder, Kranke, Küchenhilfen - Wie das Reichsgericht nach 1900 die Schutzwirkung von Verträgen zugunsten Dritter erweiterte, 2014

Vertragsaufhebung ist die überall und jederzeit mögliche Beseitigung eines Vertrags durch einen zweiten Vertrag der Beteiligten.

Lit.: Knütel, R., Contrarius consensus, 1968

Vertragsfreiheit (Wort 1860 belegt, Privatautonomie) ist die Freiheit in Abschluss, Form und Inhalt eines Vertrags. Sie ist als Grundsatz an dem Beginn des Rechtes vorauszusetzen, wird aber geschichtlich verschiedentlich eingeschränkt (z. B. durch Typenzwang, Höchstpreise, Zwangswirtschaft u. s. w.). In dem römischen Recht bestehen demgegenüber viele Einschränkungen (z. B. Typenzwang). In der Kirche wird schon in dem Hochmittelalter die Verbindlichkeit aller Versprechen gefordert. Das Naturrecht (Hugo Grotius) fördert die V. Der Liberalismus des 19. Jahrhunderts setzt sich erfolgreich für die V. ein (z. B. Art. 1134 Cc Frankreichs von 1804). Der Sozialismus schränkt andererseits aus gesellschaftspolitischen Überlegungen die V. verschiedentlich ein. Auch Verbraucherschutz seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert bedeutet Beschränkung der V.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 214, 240; Scherrer, W., Die geschichtliche Entwicklung des Prinzips der Vertragsfreiheit, 1948; Kaiser, A., Zum Verhältnis von Vertragsfreiheit und Gesellschaftsordnung, 1962; Wolter, U., Ius canonicum in iure civile, 1975; Atiyah, P., The Rise and Fall of Freedom of Contract, 1979; Höfling, W., Vertragsfreiheit, 1991; Hofer, S., Vertragsfreiheit am Scheideweg, 2006; Keiser, T., Vertragszwang und Vertragsfreiheit im Recht der Arbeit von der frühen Neuzeit bis in die Moderne, 2013

Vertragsrecht ist die Gesamtheit der einen →Vertrag betreffenden Rechtssätze.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts, 1855; Dilcher, H., Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Landau, P., Hegels Begründung des Vertragsrechts, Archiv f. Rechts- und Sozialphilosophie 59 (1973), 117; Hausmaninger, H., Casebook zum römischen Vertragsrecht, 5. A. 1995; Mattiangeli, D., Vorteile der Romanistas im römischen Recht, 2009; Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, hg. v. Arnold, S., 2014

Vertragsstrafe (Wort 1897, lat. (F.( poena) ist die meist in Geld bestehende Leistung, die der Schuldner für den Fall der Nichterfüllung oder nicht gehörigen Erfüllung einer Verbindlichkeit verspricht. Die V. ist bereits dem römischen Recht als eine Art der →Stipulation bekannt. In dem Frühmittelalter sichert sie die Erfüllung. Seit dem Spätmittelalter wird die V., gefördert von der Kirche, aus dem römischen Recht aufgenommen und allgemein anerkannt. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) bejaht sie unter Wahrung der von dem Naturrecht begünstigten richterlichen Ermäßigungsmöglichkeit.

Lit.: Kaser §§ 40 I 4b, 58 III 2; Hübner 552; Kroeschell, DRG 2; Loening, R., Der Vertragsbruch, 1876; Sjögren, W., Über die römische Konventionalstrafe und die Strafklauseln der fränkischen Urkunden, 1896; Boye, F., Über die Poenformeln, AUF 6 (1918), 77; Flineaux, A., L’evolution du concept du clause pénale, (in) Mélanges Fournier, 1929; Lang, H., Schadensersatz und Privatstrafe, 1955; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe, 1970; Knütel, R., Stipulatio poenae, 1976; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Sossna, R., Die Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, 1993; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Vertragsverletzung →Leistungsstörung, positive Forderungsverletzung

Lit.: Harting, F., Die positive Vertragsverletzung, Diss. jur. Hamburg 1967

Vertrauen

Lit.: Timmer, J., Vertrauen – Eine Ressource im politischen System der römischen Republik, 2017

Vertrauenshaftung ist die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geforderte Haftung für die Verletzung eines Vertrauens. →Treu und Glauben

Lit.: Canaris, C., Die Vertrauenshaftung, 1971; Vertrauen, hg. v. Frebert, U., 2003

Vertrauensschaden ist der Schaden der darin besteht, dass ein Rechtsgeschäftspartner auf die Gültigkeit des (mangelhaften) Rechtsgeschäfts vertraut.

Vertreibung ist die durch Gewalt oder Drohung erreichte Entfernung von Menschen von einem von ihnen besessenen Ort (z. B. Entdeutschung in Mitteleuropa nach dem zweiten Weltkrieg in dem Umfang von vielleicht 12,5 oder 15 Millionen Menschen). Sie ist völkerrechtswidrig. Unrecht kann durch zuvor begangenes Unrecht nicht zu Recht werden und kein Opfer rechtfertigt ein anderes.

Lit.: Dokumente der Vertreibung der Deutschen aus Ostmitteleuropa, hg. v. Bundesministerium für Vertriebene, Bd. 1ff. 1958ff.; Wenninger, M., Man bedarf keiner Juden mehr, 1980; Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten, hg. v. Benz, W., 1985; Nawratil, H., Schwarzbuch der Vertreibung, 4. A. 1999; Unsere Heimat ist uns fremd geworden, hg. v. Borodziej, W. u. a., Bd. 1ff. 2000ff.; Vertriebene in Deutschland, hg. v. Hoffmann, D. u. a., 2000; Erzwungene Trennung. Vertreibungen und Aussiedlungen in und aus der Tschechoslowakei 1938-1947 im Vergleich mit Polen, Ungarn und Jugoslawien, hg. v. Brandes D. u. a., 2000; Brandes, D. Der Weg zur Vertreibung 1938-1945, 2001; Nitschke, B., Vertreibung und Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus Polen 1945 bis 1949, 2003; Glotz, P., Die Vertreibung, 2003; Vertreibung europäisch erinnern, hg. v. Bingen, D. u. a., 2003; Urban, T., Der Verlust, 2004; Stickler, M., Ostdeutsch heißt gesamtdeutsch, 2004; Schwarz, M., Vertriebene und Umsiedlerpolitik, 2004; Definitionsmacht, Utopie, Vergeltung, hg. v. Brunnbauer, U. u. a., 2006; Illustrierte Geschichte der Flucht und Vertreibung. Mittel- und Osteuropa 1939-1959, hg. v. Sienkiewicz, W. u. a., 2009; Lexikon der Vertreibungen, hg. v. Brandes, D. u. a., 2010; Beer, M., Flucht und Vertreibung der Deutschen, 2011; Steinbach, E., Die Macht der Erinnerung, 2. A. 2011; Kacprzak, P., Die Zwangsaussiedlung der Deutschen aus Polen 1945-1949, 2011; Douglas, R., Ordnungsgemäße Überführung, 2012; Demshuk, A., The Lost German East,l, 2012; Schwartz, M., Ethnische „Säuberungen“ in der Moderne, 2013; Piskorski, J., Die Verjagten, 2013; War die Vertreibung Unrecht?, hg. v. Koch, C., 2015

Vertreter (Wort 1390) s. Stellvertreter

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

vertretbar (wegen der Bestimmung nach Zahl, Maß oder Gewicht ersetzbar, annehmbar)

Lit.: Köbler, DRG 39; Rüfner, T., Vertretbare Sachen?, 1999

Vertretung (Wort um 1500) →Stellvertretung

Lit.: Köbler, DRG 43, 44, 87, 116, 165, 208, 214; Gottwald, F., Die Vertretung des kleinen nichtadeligen Grundbesitzes, Diss. jur. Greifswald 1915; Henze, G., Das Handeln für andere vor Gericht im lübischen Recht, Diss. jur. Göttingen 1959; Ständische Vertretungen in Europa, hg. v. Gerhard, D., 1969; Müller, U., Die ständische Vertretung, 1984; Kunstreich, T., Gesamtvertretung, 1992; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Vertriebener

Lit.: Kossert, A., Kalte Heimat. Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945, 2008; Integrationen, hg. v. Krauss, M., 2008; Fischer, W., Heimat-Politiker?, 2010; Amos, H., Vertriebenenverbände im Fadenkreuz, 2011; Burk, H., Fremde Heimat – Das Schicksal der Vertriebenen nach 1945, 2011; Schwartz, M., Funktionäre mit Vergangenheit, 2012; Müller, M., Die SPD und die Vertriebenenverbände 1949-1977, 2012; Böhm, J./Popa, K., Vom NS-Volkstum- zumVertriebenenfunktionär, 2014

Verwahrung (Wort um 1495, lat. (N.( depositum, Verwahrungsvertrag 1784/1794) ist der entweder gegenseitige oder unvollkommen zweiseitig verpflichtende Vertrag, durch den sich der Verwahrer verpflichtet, eine ihm von dem Hinterleger übergebene bewegliche Sache aufzubewahren. Die V. ist dem römischen Recht als zunächst unentgeltlicher →Realvertrag bekannt (bei Entgeltlichkeit locatio conductio operis, Werkvertrag). Auch in dem Mittelalter findet sie sich vielfach. Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen. Danach ist entgeltliche V. ein zweiseitig verpflichtender Vertrag, unentgeltliche V. ein unvollkommen zweiseitig verpflichtender Vertrag. Bei unregelmäßiger V. (lat. depositum [N.] irregulare) wird der Verwahrer Eigentümer der verwahrten Sache (z. B. Geld in der Bank), ist aber zu der Rückgabe gleichartiger Sachen (eventuell mit Zinsen) verpflichtet.

Lit.: Kaser § 39 III; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 45; Massetto, G., Ricerche sul deposito, SDHI 44 (1978), 219; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Bürge, A., Fiktion und Wirklichkeit, ZRG RA 104 (1987), 465; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Verwaltung ist die auf längere Dauer gerichtete Besorgung einer Angelegenheit, insbesondere die Ausführung staatlicher Aufgaben. V. gibt es bereits in dem altrömischen Recht. Sie nimmt mit der Ausdehnung des römischen Reiches trotz Bevorzugung aristokratischer Herrschaftstechnik gegenüber bürokratischen Apparaten stetig an Umfang zu. Seit dem Übergang zu dem Prinzipat entwickelt sie bürokratische und von Zwangsmaßnahmen gekennzeichnete Formen. Demgegenüber betrifft die V. bei den Germanen nur wenige allgemeine Bereiche. In dem Frühmittelalter erscheinen neben dem König, der seine Rechte in dem Reich in dem Umherziehen verwaltet (Reisekönigtum), die Träger von Hofämtern (Truchsess, Kämmerer, Marschall, Schenk, Kanzler) und die Grafen. Eine Verdichtung findet erst seit dem Hochmittelalter in den Ländern und Städten statt. An dem Beginn der Neuzeit wird die V. in besonderen Ordnungen geregelt und rationaler gestaltet (z. B. maximilianische Verwaltungsreformen). Der Absolutismus beruht dann bereits auch auf einer von dem Polizeigedanken geprägten vielgliederigen Verwaltungsorganisation mit zahlreichen Beamten, die mehr und mehr auf den Staat statt auf die Person des Fürsten ausgerichtet wird. Der Liberalismus des 19. Jahrhunderts will zwar die V. auf die Herstellung von Sicherheit und Ordnung beschränken, Eingriffe der V. (Eingriffsverwaltung) in die Freiheit des Einzelnen nur bei einer gesetzlichen Grundlage zulassen und eher →Selbstverwaltung fördern, doch fordert die Gesamtheit der Staatsbürger umfangreiche Leistungen der Allgemeinheit (→Leistungsverwaltung z. B. Versorgung, Entsorgung, Verkehr, Bildung, soziale Sicherung). Aus diesem Grund werden immer mehr hierarchisch-bürokratisch strukturierte Behörden geschaffen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzt sich die Vorstellung von der Überprüfung des Verwaltungshandelns durch ein Gericht (→Verwaltungsgericht) in Deutschland durch. Der Umfang der V. (um 1870 in Österreich etwa 80000 öffentlich Bedienstete, um 1910 400000) und damit auch ihre Kosten wachsen (bis in das Ende des 20. Jahrhunderts) unvermindert oder kaum vermindert weiter.

Lit.: Kaser § 62 II 3; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 14, 18, 31, 55, 20, 83, 112, 150, 196, 225, 232, 251, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Marquardt, J., Römische Staatsverwaltung, Bd. 1ff. 2./3. A. 1884ff., Neudruck 1952; Below, G., Die städtische Verwaltung des Mittelalters, HZ 75 (1895), 396; Beidtel, J., Geschichte der österreichischen Staatsverwaltung, Bd. 1f. 1898; Cam, H., Local government in Francia and England, 1912; Köttgen, A., Deutsche Verwaltung, 3. A. 1944; Forsthoff, E., Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938; Samse, H., Die Zentralverwaltung in den südwelfischen Landen, 1940; Hausherr, H., Verwaltungseinheit und Ressorttrennung, 1953; Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 1967; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Knemeyer, F., Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, 1970; Damkowski, W., Die Entstehung des Verwaltungsbegriffs, 1969; Der deutsche Terrritorialstaat im 14. Jahrhundert, hg. v. Patze, W., Bd. 1f. 1970f.; Janssen, W., Landesherrliche Verwaltung und landständische Vertretung in den niederrheinischen Territorien 1250-1350, 1971; Engelhaupt, H., Die Einführung hessen-darmstädtischer Verwaltung im nördlichen Teil des Departements Donnersberg, 1971; Schwab, D., Die Selbstverwaltungsidee des Freiherrn vom Stein, 1971; Entwicklungsfragen der Verwaltung in Mitteleuropa, 1972; Verwaltungshistorische Studien, Bd. 1f. 1972; Grundriss der deutschen Verwaltungsgeschichte, hg. v. Hubatsch, W., Bd. 1ff. 1975ff.; Anderhub, A., Verwaltung im Regierungsbezirk Wiesbaden 1866-1885, 1977; Entwicklung der städtischen und regionalen Verwaltung in den letzten 100 Jahren in Mittel- und Osteuropa, hg. v. d. Eötvös Lórand-Universität Budapest, 1978; Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Histoire comparée de l’administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980; Hattenhauer, H., Geschichte des Beamtentums, 1980; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Wissenschaft und Recht der Verwaltung seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E., 1984; Asch, R., Verwaltung und Beamtentum, 1986; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1ff. 1988ff.; Süle, T., Preußische Bürokratietradition, 1988; Die Verwaltung und ihre Ressourcen, ( red. v. Dilcher, G.), 1991; Schulz, A., Herrschaft durch Verwaltung, 1991; Verfassung und Verwaltung. Festschrift für Kurt G. A. Jeserich zum 90. Geburtstag, 1994; Bürsch, M., Die Modernisierung der deutschen Landesverwaltungen, 1996; Willoweit, D., Begriff und Wege verwaltungsgeschichtlicher Forschung, Zs f. bay. LG. 61 (1998), 7; Ausbüttel, F., Die Verwaltung des römischen Kaiserreiches, 1998; Die öffentliche Verwaltung im totalitären System, hg. v. Heyen, E., 1998; Die deutsche Verwaltung unter 50 Jahren Grundgesetz, hg. v. König, K. u. a., 2000; Raphael, L., Recht und Ordnung. Herrschaft durch Verwaltung, 2000; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003; Verwaltungslehre in Hamburg 1962-2002, hg. v. Bull, H., 2003; Grau, U., Historische Entwicklung und Perspektiven des Rechts der öffentlichen Aufträge, 2004; Ernst, A., Die Einführung des napoleonischen Steuer- und Verwaltungssystems in Lüneburg, 2004; Cancik, P., Verwaltung und Öffentlichkeit in Preußen, 2007; Kramer, S., Vom lästigen Publikum zum mündigen Darsteller, 2008; Herstellung und Darstellung von Entscheidungen, hg. v. Stollberg-Rilinger u. a., 2010; Graumann, S., Preußische Verwaltung im Kreis Bergheim um 1840, 2014; Doerfert, C., Die Fürst Leopold-Akademie für Verwaltungswissenschaft, 2016; Die transparente Verwaltung in Österreich und Italien, hg. v. Bertel, M. u. a., 2019

Verwaltungsakt ist die formlos mögliche Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zu der Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechtes trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (z. B. Bauerlaubnis, Steuerbescheid). Der urteilsähnliche V. entsteht mit der →Verwaltung. Das Wort V. tritt anscheinend erstmals 1821 bei dem bayerischen Regierungsrat Anton Kurz auf. Als allgemeine Erscheinung wird der V. nach älteren Vorarbeiten 1895 von Otto →Mayer nach französischem Vorbild (acte administratif) erfasst. Gesetzlich geregelt wird er in Verwaltungsverfahrensgesetzen (Österreich 1925, Deutschland 1976)

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 199, 259; Schmitthenner, F., Grundlinien des allgemeinen oder idealen Staatsrechts, 1845; Mayer, F., Grundsätze des Verwaltungsrechts, 1862; Loening, E., Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts, 1884; Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht, 1895/1896; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Erichsen, H., Verfassungs- und verwaltungsgeschichtliche Grundlagen der Lehre vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt, 1971; Hueber, A., Otto Mayer, 1981; Schmidt de Caluwe, R., Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, 1998; Engert, M., Die historische Entwicklung des Rechtsinstituts Verwaltungsakt, 2002; Lieb, T., Privileg und Verwaltungsakt, 2004

Verwaltungsgemeinschaft ist der Güterstand des Ehegüterrechts, bei dem ein Ehegatte (Ehemann) die Güter der Ehegatten (allein) gemeinschaftlich verwaltet. Die V. findet sich bereits sehr früh. Die V. mit Widerrufsmöglichkeit der Ehefrau ist von 1812 bis 1978 der ordentliche Ehegüterstand des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs Österreichs (verschämte V.), die V. ohne Widerrufsmöglichkeit der ordentliche gesetzliche Ehegüterstand in Deutschland von 1900 bis 1953 (Nutznießung und Verwaltung). Die V. entfällt mit der Gleichstellung der Frau in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Deutschland 1953 Gütertrennung. 1957 Zugewinngemeinschaft, Österreich 1978).

Lit.: Hübner 669ff.; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts, Bd. 1f. 1863ff., Neudruck 1967; Offen, J., Von der Verwaltungsgemeinschaft des BGB von 1896 zur Zugewinngemeinschaft, 1994

Verwaltungsgericht ist das verwaltungsrechtliche Streitigkeiten (vor allem zwischen Staat und Bürger) entscheidende Gericht. Bereits in dem 18. Jahrhundert kann sich der Untertan mit dem Verlangen nach Rechtsschutz gegenüber dem Landesherrn an ein Gericht wenden, wenn er sich auf ein wohlerworbenes Recht oder ein Privileg berufen kann. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird die gerichtliche Überprüfbarkeit des Verwaltungshandelns zu einer politischen Forderung, weil die Verwaltungstätigkeit während der gesamten frühen Neuzeit zunimmt und der Rechtsstaatsgedanke die gerichtliche Überprüfbarkeit allen Handelns nahelegt. Die von manchen angestrebte verwaltungsinterne Überprüfung wird bereits in der Entwurf gebliebenen Verfassung des Deutschen Reichs von 1849 als unzureichend abgelehnt. In dem Streit um eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte (Otto →Bähr 1864) oder die Einrichtung besonderer Verwaltungsgerichte (Robert von Mohl, Johann Kaspar Bluntschli, Rudolf von →Gneist 1857, 1872, Vorbild Frankreich) werden die unterschiedlichen Vorschläge, vermehrt um das süddeutsche Modell des Verwaltungsrechtsschutzes zu einem neuen Gericht verbunden. Dementsprechend entsteht das besondere V. (Baden 1863 [Gesetz die Organisation der inneren Verwaltung betreffend von dem 5. 10. 1863 mit Wirkung von dem 1. 10. 1864] Enumerationsprinzip, Bezirksräte unter einem letztinstanzlichen, aber auch erstinstanzlich zuständigen Verwaltungsgerichtshof, Preußen 1872, Oberverwaltungsgericht, §§ 140-165 Kreisordnung, 1875 VVG, Hessen 1874 (1875/1879), Österreich [Verwaltungsgerichtshof] 1875, Württemberg 1876, Bayern 1878, Anhalt 1888, Braunschweig 1895, Sachsen-Meiningen 1897, Lippe 1898, Sachsen 1900, Oldenburg 1906, (Thüringen 1910, Reuß 1911, ) Lübeck 1916, anders bis nach 1918 noch Hamburg, Mecklenburg-Schwerin (1922), Mecklenburg-Strelitz (1922), Bremen, Waldeck-Pyrmont, Schaumburg-Lippe) (weiter bedingt Wallis 1877, Basel-Stadt 1905, eigenständig Bern 1909 und danach andere Kantone, 2007 Bundesverwaltungsgericht, Griechenland 1911 Staatsrat, Spanien 1888 Staatsrat, Schweden 1695 erster Verwaltungsgerichtshof und 1909 oberstes Verwaltungsgericht, Finnland 1918 oberstes Verwaltungsgericht, Estland 1920 innerhalb des obersten Gerichts, Lettland 1918 Abteilung des obersten Gerichtssenats, Litauen 1999/2001 5 Bezirksverwaltungsgerichte oberstes Verwaltungsgericht, Georgien 1995 innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit, Armenien 2008 Verwaltungsgericht und Kassationsgericht für Kassationsbeschwerden, Aserbeidschan 2011 Verwaltungs- und Wirtschaftsgerichte, Verwaltungssenate der Appellationsgerichte, Verwaltungs- und Wirtschaftssenat des obersten Gerichts). Die dabei eintretende Zersplitterung wird erst durch die deutsche Verwaltungsgerichtsordnung (21. 1. 1960) beseitigt, die an die Spitze der Verwaltungsgerichtsbarkeit das 1952 geschaffene Bundesverwaltungsgericht stellt. Österreich kennt bis 2013 keine unabhängigen Verwaltungsgerichte, sondern nur (sog. unabhängige Verwaltungssenate und seit 1875/1876) einen einzigen Verwaltungsgerichtshof (1934 Bundesgerichtshof, 1945 wiedererrichtet, Prüfung von Verwaltungsakten auf Gesetzmäßigkeit, nicht auf Verfassungsmäßigkeit), doch werden unter grundsätzlicher Überführung von Bediensteten und anhängigen Sachen zu dem 1. 1. 2014 ein Bundesverwaltungsgericht, ein Bundesfinanzgericht (mit 9 Außenstellen) und 9 Landesverwaltungsgerichte eingerichtet.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 200, 234, 261; Bähr, O., Der Rechtsstaat, 1864; Gneist, R. v., Der Rechtsstaat, 1872, Neudruck 1968; Poppitz, J., Die Anfänge der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Archiv f. öff. Recht N. F. 33 (1943), 158; Eyermann, E., Verwaltungsgerichtsgesetz für Bayern, 1950; Sellmann, M., Entwicklung und Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Oldenburg, 1957; Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz in Preußen, 1962; Neunzig Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, hg. v. Verwaltungsgerichtshof, 1966; Die Entwicklung der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, hg. v. Lehne, F. u. a., 1976; Stump, U., Preußische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1980; Stolleis, M., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Nationalsozialismus, FS C. Menger, 1985, 57; Kimminich, O., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Weimarer Republik, Vwbll. f. Baden-Württemberg, 1988, 10; Ule, C., Zu den Anfängen der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Verwaltungsarchiv 1989, 303; Kohl, W., Das Reichsverwaltungsgericht, 1991; Das sächsische Oberverwaltungsgericht, 1994; Hudemann-Simon, C., L’Ètat et la santé, 1995; Liessem, P., Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996; Bauer, I., Von der Administrativjustiz bis zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996; 50 Jahre bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach, 1996; Heil, T., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Thüringen, 1996; 50 Jahre schleswig-holsteinisches Verwaltungsgericht, 1996; Emmert, R., Die Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern, Bay. VwBll. 1997, 8; Verwaltungsgericht Karlsruhe, 1997; Recht ohne Grenzen. Grenzen des Rechts, hg. v. Polaschek, M. u. a., 1997; Mandahbileg, B., Rechtsschutz durch richterliche Reichsbehörden, Diss. jur. Heidelberg 1998; Dorfverwaltungsgerichtsbarkeit im Wandel, hg. v. Thiemel, R., 1999; Olechowski, T., Die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, 1999; Sydow, G., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, 2000; Nowatius, N., Die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Preußen, Diss. jur. Bonn 2000; Müller, O., Die Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818, 2000; Montag, M., Die Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Baden und Württemberg von 1945 bis 1960, 2001; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003; Hackel, F., Die Entstehung einer eigenständigen bayerischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2011; Hien, E., 150 Jahre deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2013 (Vortrag); Pagenkopf, M., 150 Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland, 2014; Festschrift 150 Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit, hg. v. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 2014; Dokumentation 19. Deutscher Verwaltungsgerichtstag Darmstadt 2019, hg. v. Verein deutscher Verwaltungsgerichtstag e. V., 2020

Verwaltungsgerichtshof ist in Deutschland ein Obergericht (Oberverwaltungsgericht) der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in Österreich das bis 2014 einzige Verwaltungsgericht (ab 2. 7. 1876, 1934 mit dem Verfassungsgerichtshof zu dem Bundesgerichtshof verschmolzen, 1945 wiedererrichtet).

Lit.: Olechowski, T., Der österreichische Verwaltungsgerichtshof, 2001

Verwaltungsrecht ist die Gesamtheit der die öffentliche Verwaltung betreffenden Rechtssätze. V. entsteht in ersten Ansätzen wohl bereits mit der Ausbildung von →Verwaltung. Als Einheit innerhalb der älteren Polizeiwissenschaft erfasst wird es erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Eine gesetzliche Festlegung des Verwaltungsverfahrens erfolgt in dem 20. Jahrhundert (Österreich 1925, Deutschland 1976). Kernstück des Verwaltungshandelns ist der →Verwaltungsakt. Zu gliedern ist das V. in einen allgemeinen Teil und zahlreiche besondere Gebiete (Beamtenrecht, Gemeinderecht, Baurecht, Polizeirecht, Gewerberecht, Gesundheitsrecht, Schulrecht, Straßenrecht, Steuerrecht, Sozialrecht u. s. w.).

Lit.: Köbler, DRG 8, 199; Mohl, R. v., Staatsrecht des Königreichs Württemberg, 1831; Mohl, R. v., Polizeiwissenschaft, 1832/1833; Gerber, C., Über öffentliche Rechte, 1852; Mayer, F., Grundsätze des Verwaltungsrechts, 1862; Bornhak, C., Geschichte des preußischen Verwaltungsrechts, Bd. 1ff. 1884ff.; Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht, 1895/6; Tezner, F., Verwaltungsrechtspflege in Österreich, 1897ff.; Linder, O., Die Entstehung der Verwaltungsrechtspflege des geheimen Rats in Württemberg, 1940; Bülck, H., Zur Dogmengeschichte des europäischen Verwaltungsrechts, FS Hermann Krause, 1964, 29; Magerl, H., Verwaltungsrechtsschutz in Württemberg in der Zeit von 1760-1950, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1966; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Feist, H., Die Entstehung des Verwaltungsrechts als Rechtsdisziplin, 1968; Heyen, E., Otto Mayer, 1981; Hueber, A., Otto Mayer, 1982; Geschichte der Verwaltungsrechtswissenschaft in Europa, hg. v. Heyen, E., 1982; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Wissenschaft und Recht der Verwaltung seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E., 1984; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1f. 1988; Schwarz, J., Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 1f. 1988; Ishikawa, T., Friedrich Franz von Mayer, 1992; Lepsius, O., Verwaltungsrecht unter dem Common Law, 1997; Mannori, L./Sordi, B., Storia del diritto administrativo, 2001; Weidenfeld, K., Les origines médiévales du contentieux administratif, 2002; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003; Müller, R., Verwaltungsrecht als Wissenschaft. Fritz Fleiner 1867-1937, 2006; Jellinghaus, L., Zwischen Daseinsvorsorge und Infrastruktur, 2006; Schütte, C., Progressive Verwaltungswissenschaft auf konservativer Grundlage, 2006; Schröder, R., Verwaltungsrechtsdogmatik im Wandel, 2007; Grundlagen des Verwaltungsrechts, hg. v. Hoffmann-Riem, W. u. a., Bd. 1ff. 2007; Cancik, P., Verwaltung und Öffentlichkeit in Preußen, 2007; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Schaeffer, J., Die Umgestaltung des Verwaltungsrechts, 2016

Verwaltungsreform ist die bewusste Umgestaltung einer bestehenden →Verwaltung, wie sie sich bereits in dem römischen Altertum und dann spätestens wieder seit Beginn der Neuzeit findet (u. a. Maximilian 1497, 2. H. 20. Jahrhundert Bundesrepublik Deutschland).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Ohnsorge, W., Die Verwaltungsreform, Neues Archiv f. sächs. Gesch. 63 (1943), 26; Knemeyer, F., Regierungs- und Verwaltungsreformen, 1970

Verwaltungsverfahren ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsakts oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags gerichtet ist. Das V. wird seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von der Rechtswissenschaft erfasst und in Österreich 1925 (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, in Kraft 1926) infolge internationalen Druckes zwecks Verwaltungsvereinfachung als Voraussetzung einer Völkerbundanleihe sowie in (Thüringen 1926 Landesverwaltungsordnung, Württemberg 1931 Entwurf einer Verwaltungsrechtsordnung, Bremen 1943 Verwaltungsgesetz und allgemein in) Deutschland 1976 gesetzlich geordnet.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 259; Baltl/Kocher; Pakeruut, W., Die Entwicklung der Dogmatik des verwaltungsrechtlichen Vertrags, 2000

Verwandter ist der Mensch, der zu einem anderen Menschen oder zu einem gemeinsamen dritten Menschen in einem Abstammungsverhältnis steht (z. B. Vater, Sohn, Tante, Nichte). Die Verwandtschaft (Wort 1493 belegt) ist von dem Beginn des Rechtes an von Bedeutung. Die väterliche Gewalt erfasst grundsätzlich nur Verwandte. Das →Erbrecht ist zunächst Verwandtenerbrecht. Darüber hinaus kann sich ein Verhältnis als Verwandter auch anderweitig auswirken (z. B. Ehehindernis, Zeugnisverweigerungsrecht, Blutschande). Künstliche Verwandtschaft kann beispielsweise durch →Adoption hergestellt werden. Unterschieden werden kann innerhalb der Verwandten zwischen →Agnaten (über Männer Blutsverwandte einschließlich der Adoptierten, aber ausschließlich der Emanzipierten) und →Kognaten (Blutsverwandte).

Lit.: Kaser §§ 12 I, 15 I, 61 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 89, 162, 210, 267; Stutz, U., Das Verwandtschaftsbild des Sachsenspiegels, 1890; Heymann, E., Die Grundzüge des gesetzlichen Verwandtenerbrechts, 1896; Pappenheim, M., Über künstliche Verwandtschaft im germanischen Rechte, ZRG GA 29 (1908), 304; Murray, A., Germanic Kinship Structure, 1983; Althoff, G., Verwandte, Freunde, Getreue, 1990; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 176; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters, 1993; Peters, U., Dynastengeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999; Leurs, E., Die Rechtsstellung der Großeltern gegenüber den Enkelkindern, 2003; Harders. A., Suavissima Soror, 2008; Verwandtschaft, Freundschaft, Brüderschaft, hg. v. Krieger, G., 2009; Vogt, H., The Function of Kinship in Medieval Nordic Legislation, 1010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Mitterauer, M., Historische Verwandtschaftsforschung, 2013; Hummer, H., Visions of Kinship in Medieval Europe, 2018 (provozierend); Braun, C. v., Blutsbande – Verwandtschaft als Kulturgeschichte, 2018

Verwendung (Wort 1477) ist die bereits dem römischen Recht bekannte Vermögensaufwendung, die einen Erstattungsanspruch begründen kann.

Lit.: Kaser § 49 II 1b; Köbler, DRG 61; Verse, D., Verwendungen im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, 1999; Greiner, D., Die Haftung auf Verwendungsersatz, 2000; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Verwertung ist die Umsetzung eines Gegenstands in einen anderen Wert (z. B. Geld).

Lit.: Schulze, E., Geschätzte und geschützte Noten. Zur Geschichte der Verwertungsgesellschaften, 1995

Verwirkung ist der in dem 20. Jahrhundert (1905) neben der Verjährung anerkannte, aus Treu und Glauben folgende Verlust eines Rechtes infolge unterlassener oder verspäteter Geltendmachung.

Lit.: Köbler, DRG 240; Siebert, W., Verwirkung und Unzulässigkeit der Rechtsausübung, 1934

Verzicht ist die rechtsgeschäftliche Aufgabe eines Rechtes oder eines rechtlichen Vorteils. Der V. ist bereits dem römischen Rechtes bekannt. Vermutlich unabhängig hiervon tritt er auch in dem Frühmittelalter auf. Auffällig sind die Verzichte (Renuntiationen) auf römische Einreden in hochmittelalterlichen und spätmittelalterlichen Urkunden. Eine allgemeine Regelung ist nirgends erfolgt. Ein Sonderfall des Verzichts ist der Erbverzicht.

Lit.: Kaser §§ 28 II 2, 29; Hübner 790; Cohn, L., Erlass und Verzicht, Gruchots Beiträge 47 (1903), 221; Müller, U., Das Aufkommen der Rechtsverzichtsformeln, Diss. phil. München 1948; Schlosser, H., Die Rechts- und Einredeverzichtsformeln, 1963; Köbler, G., Verzicht und Renuntiation, ZRG GA 85 (1968), 211; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Verzug (Wort 1286, lat. (F.( mora) ist die rechtswidrige Verzögerung der fälligen und möglichen Leistung durch den Schuldner. Der V. ist bereits dem römischen Recht als Leistungsstörung bekannt, wobei ein Verschulden nicht erforderlich ist. Eine Mahnung verdeutlicht die Ursächlichkeit des Schuldners und ist bei Terminschulden nicht nötig. Der V. wird durch ein Leistungsangebot beendet. Seit dem Spätmittelalter wird der V. aufgenommen und mit deutschrechtlichen Einrichtungen (z. B. Geld auf Grund einer Vertragsabrede bei einem Dritten auf Schaden des Schuldners nehmen) verschmolzen. Folgen des Verzugs sind die Verpflichtung zu der Zahlung von Verzugszinsen und zu dem Ersatz des Verzugsschadens sowie die Schadenstragung bei zufälligem Untergang des Leistungsgegenstands. Das Naturrecht anerkennt ein Rücktrittsrecht.

Lit.: Kaser §§ 34 IV, 37 II; Hübner 552; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 44, 214; Mitteis, H., Die Rechtsfolgen des Leistungsverzugs beim Kaufvertrag nach niederländischen Quellen des Mittelalters, 1913; Heymann, E., Das Verschulden beim Erfüllungsverzug, 1913; Dilcher, H., Die Theorie der Leistungsstörungen, 1960; Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung, 1965; Hoffmann-Burchardi, H., Die geschichtlichen Grundlagen der Vorschriften des BGB bei Leistungsstörungen, Diss. jur. Münster 1974; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Würthwein, S., Zur Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990; Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004; Harke, J., Mora debitoris und mora creditoris im klassischen römischen Recht, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Veßra ist das in dem frühen 12. Jahrhundert von den Grafen von Henneberg in Ostfranken gegründete Hauskloster.

Lit.: Das Prämonstratenserkloster Veßra - Urkundenregesten 1130-1873, hg. v. Wölfing, G., 2009

vestigii minatio (F.) (mlat.) Spurfolge

vestitura (lat./mlat. (F.() Kleidung, Bekleidung, Einkleidung, Gewere

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Köbler, G., Die Herkunft der Gewere, TRG 1975, 195

Veto (lat. ich verbiete) ist der Einspruch gegen ein Verhalten, insbesondere gegen einen Beschluss oder eine Maßnahme. Das aus einem Recht (Interzessionsrecht) römischer Magistrate (z. B. Volkstribune) gegen Maßnahmen (z. B. Senatsbeschlüsse) erwachsene V. erscheint an unterschiedlichen Stellen (z. B. V. des englischen Königs gegen ein von dem Parlament beschlossenes Gesetz in dem 16. und 17. Jahrhundert, suspensives V. des Kaisers Österreichs nach dem Kremsierer Entwurf von 1849, suspensives V. des Reichsoberhauptes nach der Entwurf gebliebenen deutschen Verfassung von 1849, absolutes Veto des Kaisers Österreichs nach der Dezemberverfassung von 1867, suspensives V. des Präsidenten der Vereinigten Staaten gegen Gesetzgebungsbeschlüsse, V. der ständigen Mitglieder in dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen).

Lit.: Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1 3. A. 1887, Neudruck 1963; Schade, H., Das Vetorecht, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1929; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972

vi (lat.) durch Gewalt

Lit.: Kaser § 21 I

via (lat. (F.() Weg, Wegerecht (als Vorform der (lat. F.( servitus)

Lit.: Kaser § 28 I 2a; Köbler, DRG 26

via (F.) lacina (mlat.-afrk.) Wegsperre

Vicarius (lat. (M.() ist in dem spätrömischen Recht der Stellvertreter des Kaisers in der Reichsdiözese. In dem fränkisch-deutschen Reich erscheint in ähnlicher Weise verschiedentlich ein Reichsvikar. Daneben gibt es (lat.) vicarii (M.Pl.) auch für weniger bedeutende Aufgaben und Vikare als Berechtigte auf Dauer eingerichteter Pfründen.

Lit.: Kaser § 87 II, 2, 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 55, 84; Köbler, LAW; Prange, W., Vikarien und Vikare in Lübeck bis zur Reformation, 2003; Arnswaldt, A. v., De vicariatus controversia, 2004

vicinus (lat. (M.() Nachbar

vicus (lat. (M.() Viertel, Gasse, Dorf, Siedlung

Lit.: Köbler, LAW; Köbler, G., Vicus und thorf, (in) Das Dorf der Eisenzeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1977, 136

Vidal de Canellas, nach Studium des Rechtes in Bologna (um 1221) Bischof von Huesca (1236-1252) und Kanzler König Jaimes I. von Aragón, erstellt eine erweiterte Fassung (lat. maior compilatio) des Fuero von Aragón von 1247.

Lit.: Vidal Mayor, hg. v. Tilander, G., 1956

Vidalín, Pall Jónsson (1667-1727) wird nach dem Studium in Kopenhagen Lehrer an der Domschule in Skálholt/Island, Amtmann und Richter. Nach 1719 verfasst er einen Entwurf für ein isländisches Gesetzbuch.

Lit.: Danske og Norske Lov i 300 ar, hg. v. Tamm, D., 1987, 350

Videant consules ne quid detrimenti res publica capiat (lat.). Die Konsuln mögen achthaben (bzw. zusehen), dass der Staat keinen Schaden nimmt.

Lit.: Mendner, S., Videant consules, Philologies 109 (1965), 258; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Cicero 106-43 v. Chr., Erste Rede gegen Catilina § 4)

vidimus (lat.) wir haben gesehen (Beglaubigungsvermerk für Abschriften in dem Mittelalter)

Lit.: Brandt, A. v., Werkzeug des Historikers, 17. A. 2007

Vieh ist die Gesamtbezeichnung für die unmittelbar nutzbaren Haustiere, die in den älteren Zeiten der wichtigste Vermögensbestandteil sind. Dementsprechend besteht die ältere Wirtschaftsform außer in Ackerbau vor allem in Viehzucht. In dem römischen Recht zählen Rinder, Pferde, Esel und Maultiere zu den (lat.) →res (F.Pl.) mancipi (handgreifbaren Sachen). In dem mittelalterlich-neuzeitlichen Recht werden entgegen der deutschrechtlichen Regel „Augen auf, Kauf ist Kauf“ bestimmte Mängel (Hauptmängel) gewisser Haustiere innerhalb kurzer Fristen doch als Sachmangel anerkannt. Viehverstellung ist Einstellung von Vieh auf Zeit bei einem anderen.

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 13, 24, 67, 78, 166; Wackernagel, J., Die Viehverstellung, 1923; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.

Vierteilen ist die durch Zerreißen des lebenden Menschen in vier Teile vollzogene →Todesstrafe.

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Vikar →vicarius

villa (lat. (F.() Hof, Dorf

Lit.: Köbler, LAW; Grazianskij, N., Zur Auslegung des terminus „villa“ in der Lex Salica, ZRG GA 55 (1948), 368; Köbler, G., Vicus und thorf, (in) Das Dorf der Eisenzeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1977, 136: Villa, curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u. a., 1983

villicus (lat. (M.() Verwalter, Meier, Dorfvorsteher

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Villikation (F.) Fronhof mit abhängigen Höfen in der →Grundherrschaft

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 96; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., Bd. 1f. 1983; Rösener, W., Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittelalter, 1989

Villingen

Lit.: Fischer, T., Der Prozess vor dem Villinger Stadtgericht im 17. Jahrhundert, 2006

Vilsbiburg

Lit.: Schwarz, G., Vilsbiburg, 1976

vinculum (lat. [N.]) Band

Vindex (lat. (M.( Gewaltsager) ist in dem altrömischen Verfahren jemand, der für einen als Schuldknecht Ergriffenen (Schuldner) auftreten und die an diesen gelegte Hand wegschlagen kann, wodurch es zu dem Streit zwischen dem Verfolger (Gläubiger) und dem Dritten (v.) kommt, bei dessen Verlust durch den Dritten sich die Summe, gegen die der Ergriffene (Schuldner) ausgelöst werden kann, verdoppelt.

Lit.: Kaser §§ 32 II, 81 III, 82 I; Söllner § 8; Köbler, DRG 20; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

vindicatio (lat. (F.() Gewaltandrohung, Herausgabeverlangen (z. B. in libertatem [in die Freiheit], in servitutem [in die Sklaverei], pignoris [des Pfandes], rei servitutis [der Sache der Servitut], ususfructus [des Nießbrauchs], pro parte [auf den Anteil])

Lit.: Kaser §§ 15 I, 16 I 28 III, 29 I, 31 III; Söllner § 9

vindicta (lat. (F.() Stab (bei der Vindikation), Rache, Strafe

Lit.: Kaser §§ 27 I 2, 81 II 1a; Köbler, DRG 29

Vindikation (1756, lat. (F.( vindicatio) ist seit dem altrömischen Recht das Herausgabeverlangen. Zu der Zeit der Zwölftafelgesetze (451/50 v. Chr.) fasst der Kläger in Gegenwart des Beklagten vor dem Gerichtsmagistrat den tatsächlich oder symbolisch vorhandenen streitigen Gegenstand an, berührt ihn mit einem Stab (lat. (F.( vindicta, festuca) und erklärt in einer festen Formel, dass der Gegenstand ihm gehöre. Der Beklagte, der den Gegenstand verteidigen will, muss dieses Vorgehen auf ihn bezogen wiederholen. In der Folge wird dann eine Summe gesetzt und die (lat.) →legisactio (F.) sacramento durchgeführt. Nach Aufgabe der geschichtlich entstandenen Besonderheiten entwickelt sich hieraus der Herausgabeanspruch des Eigentümers gegen den nichtbesitzberechtigten Besitzer.

Lit.: Köbler, DRG 24, 212; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Vindikationslegat (N.) ist das auf unmittelbaren Rechtserwerb (und deshalb mögliche →Vindikation) des Vermächtnisnehmers gerichtete →Vermächtnis in Gegensatz zu dem (nur) schuldrechtlich wirkenden →Damnationslegat.

Lit.: Köbler, DRG 23

Vinding Kruse, Frederik (1880-1963) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Kopenhagen. Er wirkt maßgeblich bei der 1927 erfolgten Einführung eines neuen Grundbuchsystems in Dänemark mit. Sein wichtigstes Werk befasst sich mit dem Eigentum (Ejendomsretten, Bd. 1ff. 1929ff.).

Lit.: Tamm. D., Retsvidenskaben in Danmark, 1992, 184

Vinnius, Arnold (Monster bei Den Haag 4. 1. 1588-Leiden 1. 9. 1657) wird nach dem Rechtsstudium in Leiden (1603 Gerard Tuningius [Schüler Hugo Doneaus]) 1612 oder 1613 promoviert und nach langer Wartezeit als Rektor der Lateinschule in Leiden 1633 außerordentlicher und 1636 ordentlicher Professor in Leiden. Unter dem durch seinen Lehrer vermittelten Einfluss Hugo →Doneaus (Donellus) veröffentlicht er 1618 einen Institutionenkommentar seines Lehrers Tuningius, 1624 bzw. 1631 Iurisprudentiae contractae … libri III (drei Bücher zusammengezogener Rechtswissenschaft), 1642 einen Kommentar zu den Institutionen und 1646 eine Ausgabe der Institutionen mit Anmerkungen. In seinem Kommentar bietet er mit großem Erfolg eine philologisch-historische Erklärung des Textes mit vielen Angaben zu dem einheimischen geltenden Recht, so dass er als erster eleganter Jurist angesehen wird.

Lit.: Feenstra, R./Waal, C., Seventeenth-century Leyden law Professors, 1975, 24, 52; Ahsmann, M., Collegia en colleges, Diss. jur. Leiden 1990, 18; Vinnius, A., Institutionenkommentar Schuldrecht, übers. v. Wille, K., 2005

Virginia Bill of Rights ist die von George Mason (1725-1792) entworfene und an dem 12. 6. 1776 von dem Konvent der nach Unabhängigkeit strebenden englischen Kolonie Virginia verabschiedete Menschenrechtserklärung, die als älteste formelle →Verfassung der Welt angesehen wird.

Lit.: Köbler, DRG 191

Virilstimme ist die Einzelstimme eines Mitglieds in dem Heiligen römischen Reich bzw. in dem Deutschen Bund in Gegensatz zu der mehrere Mitglieder vereinenden →Kuriatstimme.

Lit.: Köbler, DRG 148; Köbler, Historisches Lexikon; Domke, W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat, 1882; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 24 II 2

Vir (M.) inluster (lat.) ist ein spätantik-frühmittelalterlicher hervorhebender Titel.

Lit.: Wolfram, H., Intitulatio I, 1967

virtus (M.) Mannhaftigkeit, Tugend

L.: McDonnell, M. u. a., Virtus and the Roman Republic, 2006; Schwandt, S., Virtus, 2014

vis (lat. (F.() Gewalt →vi

Lit.: Köbler, DRG 42, 43

Visby auf Gotland ist die Hansestadt (1280), die sich in dem Hochmittelalter zu dem Mittelpunkt des Handels in der Ostsee entwickelt. V. überliefert in mittelniederdeutscher Sprache ein in den Jahren 1341-1344 aufgezeichnetes Stadtrecht. Dieses gliedert sich in vier Bücher mit 60, 52, 52 und 38 Kapiteln (Verfassung-Verfahren-Strafe, Verfahren, Grundstücke-Zins-Schiffe, Ehe-Vormundschaft-Erbe). Es ist von Lübeck, Schleswig, Hamburg, Soest, dem Sachsenspiegel und schwedischen Rechten beeinflusst und wirkt seinerseits auf das Recht von Riga und Nowgorod. Zwei Bruchstücke des Stadtrechts von V. könnten von etwa 1270 stammen. 1361 fällt V. an Dänemark, 1645 an Schweden. Das Seerecht von V. (15. Jahrhundert) ist eine Verbindung von niederländischen und hansischen Rechtsgrundsätzen ohne Zusammenhang mit dem Stadtrecht.

Lit.: Codices iuris Visbyensis, hg. v. Schlyter, C., 1853, 1; Schlüter, W., Zwei Bruchstücke einer mittelniederdeutschen Fassung des Wisbyschen Stadtrechts, Mitt. aus d. Gebiet d. gesch. Livlands 18 (1903-8), 487; Frensdorff, F., Das Stadtrecht von Wisby, Hans. Geschbll. 22 (1916), 1; Hasselberg, G., Studier rörande Visby Stadslag, 1953; Ebel, W., Lübisches Recht, 1971; Sjöholm, E., Gesetze als Quellen mittelalterlicher Geschichte, 1976; Ullrich, S., Untersuchungen zum Einfluss des lübischen Rechts, 2008

Visitation ist die in der Kirche schon früh entwickelte aufsichtliche Überprüfung der Pfarreien durch den Bischof oder später den Archidiakon. In der Neuzeit finden zwischen 1507 und 1776 mit geringer Regelmäßigkeit Visitationen auch an dem →Reichskammergericht statt.

Lit.: Lingg, M., Geschichte des Instituts der Pfarrvisitationen, 1888; Winkler, A., Über die Visitation des Reichskammergerichts, 1907; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Cheney, C., Episcopal Visitation, 2. A. 1983; Mencke, K., Die Visitationen am Reichskammergericht, 1984; Frieb, K., Kirchenvisitation und Kommunikation, 2006; Denzler, A., Sie haben sich totgearbeitet – Die Visitation des Reichskammergerichts von 1767 bis 1776, 2014; Baumann, A., Visitationen am Reichskammergericht - Speyer als politischer und juristischer Aktionsraum des Reiches (1529-1588), 2018

Vis (F.) maior (lat.) ist schon in dem römischen Recht die (größere bzw.) höhere Gewalt (z. B. Feuer, Überschwemmung, Erdbeben), die den Schuldner von einer Haftung befreien kann.

Lit.: Kaser §§ 36, 39 III 1; Doll, A., Von der vis maior zur höheren Gewalt, 1989

Vita (lat. [F.]) Lebensbeschreibung

Lit.: Haarländer, S., Vitae episcoporum, 2000; Scripturus vitam, hg. v. Walz, D., 2001; Nahmer, D. v. d., Bibelbenutzung in Heiligenviten des frühen Mittelalters, 2016

Vitoria, Francisco de (Burgos? 1483/1493-12. 8. 1546) wird nach dem Studium von Philosophie und Theologie in Paris spätscholastischer Theologielehrer in Paris (1512), Valladolid (1523) und Salamanca (1526). Unter Verwendung der (lat.) Summa (F.) theologiae des →Thomas von Aquin gründet der Dominikaner die Schule von →Salamanca. Angeregt durch die Entdeckung der Neuen Welt versteht er das Völkerrecht als Recht zwischen den Völkern. Eine Verletzung des Völkerrechts (z. B. Behinderung der kirchlichen Mission, Verfolgung von Christen) berechtigt nach Naturrecht zu dem Krieg. Die Indianer stuft er als schutzbedürftige Minderjährige ein.

Lit.: Vitoria, F. de, Relectio de Indis, hg. v. Pereña, L. u. a. 1967; Brown Scott, J., The Spanish Origin of International Law, 1934; Beltran de Heredia, V., Francisco de Vitoria, 1939; Otte, G., Das Privatrecht bei Francisco de Vitoria, 1964; Molinero, R., La doctrina colonial de Francisco de Vitoria, 1993; Francico de Vitoria, De iustitia, hg. v. Stüben, J., 2013; Francisco de Vitoria, De actibus humanis, hg. v. Sarmiento, A., 2015; Spindler, A., Die Theorie des natürlichen Gesetzes bei Francisco de Vitoria, 2015

Viztum, Vitztum, Vizedom (lat. (M.( vicedominus) ist verschiedentlich ein Vertreter eines Herrn (z. B. Leiter der Finanzverwaltung in den Ländern Österreichs bis 1749).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2

Vladimirskij-Budanov, Michail Flegontovic (1838-1916) wird 1868 Professor für Rechtsgeschichte an dem Lyzeum in Jaroslawl und 1875 an der Universität Kiew. Seit 1872 veröffentlicht er eine dreibändige Quellensammlung zu der russischen Rechtsgeschichte des 10.-17. Jahrhunderts (Chrestomatij po istorii russkago prava), 1886 einen rechtsgeschichtlichen Grundriss (Obzor istorii russkago pravo).

Lit.: Taranovskij, F., Pamjati M. F. Vladimirskago-Budanova, (in) Jurisdiceskij Vestnik 2 (1916), 84

Vöcklabruck

Lit.: Zauner, A., Vöcklabruck und der Attergau 1, 1971

Voet, Johannes (Utrecht 1647-Leiden 1713), Rechtsprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Utrecht 1670 Professor in Herborn, 1674 in Utrecht und 1680 in Leiden. Seit 1687 erfasst er auch das zeitgenössische Recht. Sein Hauptwerk ist ein Naturrecht und Partikularrecht aufnehmender (lat.) Commentarius (M.) ad pandectas (Pandektenkommentar), der den modernen Gebrauch der Pandekten erfolgreich darstellt. 1682 bzw. 1700 veröffentlicht er Grundrisse zu den Pandekten bzw. Institutionen.

Lit.: Feenstra, R./Waal, C., Seventeenth-century Leiden law Professors, 1974, 35, 69; Van den Bergh, R., The selective Paulus Voet, 2007

Vogel

Lit.: Lederer, R. u. a., Latein für Vogelbeobachter, 2015; Richarz, K., Vogelzug, 2019 (schätzungsweise 50 Milliarden Zugvögel jährlich)

vogelfrei (frei wie ein Vogel, preisgegeben)

Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Vogelfrei, ZRG GA 58 (1938), 525; Schmidt-Wiegand, R., Frei wie ein Vogel, Jb. d. Brüder-Grimm-Ges. 2 (1992), 189

Vogt (zu lat. (M.( advocatus) ist in Fortführung antiker Entwicklungen seit dem Frühmittelalter der schützende weltliche Sachwalter eines Menschen oder einer Kirche, der vielfach frei gewählt werden darf. Seit 782/786 wird der V. für die Kirche vorgeschrieben. In der →Immunität nimmt er die Aufgaben des Immunitätsberechtigten wahr. Verschiedentlich gelingt ihm der Aufstieg zu dem Landesherrn (z. B. Tirol). Seit dem 13. Jahrhundert ist V. ein Amtsträger weltlicher Herren (z. B. Reichslandvogt), in dem Spätmittelalter auch der Vormund. In der frühen Neuzeit wird die Kirchenvogtei als bloßes Schutzrecht verstanden und die niedere Vogtei als Grundlage einer neben der Landesherrschaft stehenden beschränkten Herrschaftsgewalt schwächerer Reichsglieder. Teilweise gelingt der Kirche die Umwandlung der Vogtei in ein bloßes Patronat. Mit dem Heiligen römischen Reich verschwindet 1806 auch der V.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 86, 111, 113; Pischek, A., Die Vogtgerichtsbarkeit süddeutscher Klöster, 1907; Glitsch, H., Untersuchungen zur mittelalterlichen Vogtgerichtsbarkeit, 1912; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-Württemberg, hg. v. Landkreistag, Bd. 1f. 1975; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 63, 213; Dohrmann, W., Die Vögte des Klosters St. Gallen, 1985

Vogtei ist die Stellung als →Vogt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Heilmann, A., Die Klostervogtei im rechtsrheinischen Teil der Diözese Konstanz, 1908; Waas, A., Vogtei und Bede, Bd. 1f. 1919ff.; Otto, E., Die Entstehung der deutschen Kirchenvogtei, 1933; Grube, W., Vogteien, Ämter, Landkreise, 1960; Endemann, T., Vogtei und Herrschaft, 1967; Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Hofacker, H., Die schwäbischen Reichslandvogteien, 1980; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel und Vogtei, 1985; Simon, T., Grundherrschaft und Vogtei, 1995; Clauss, M., Die Untervogtei, 2002

Vohenstrauß

Lit.: Bernd, D., Vohenstrauß, 1977

Vokabular ist das Wörterbuch, das es seit dem 12. Jahrhundert auch für den Bereich des Rechtes gibt (Ulrich von Albeck, Promptuarium iuris, um 1420, Jodocus Verbarius, Vocabularius utriusque iuris, Wörterbuch beider Rechte, um 1452). Bei alphabetischer Anlage kann es auch →Abecedarium heißen. Zu dem →Sachsenspiegel sind zwei nichtalphabetische lateinisch-deutsche Vokabulare bekannt, die in einem Druck von 1474 und einer Handschrift von 1475 überliefert sind.

Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur, 1867; Kisch, G., Zwei Sachsenspiegel-Vokabularien, ZRG GA 44, (1924), 307; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 258, 352; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 80, 305; Landau, P., Der Traktat Lex est commune praeceptum von Altzelle (in) Römische Jurisprudenz, 2011, 379

Volenti non fit iniuria (lat.). Dem Wollenden geschieht kein Unrecht.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Ulpian, um 170-um 230, Digesten 47, 10, 1 § 5)

Volk ist die durch gemeinschaftliche geistige, kulturelle oder politische Entwicklung verbundene umfassende Menschenmehrheit. V. sind z. B. Griechen, Römer, Germanen, Franken u. s. w. In dem Frühmittelalter zeichnen viele Völker oder Stämme ihr Recht als →Volksrecht auf. Wenig später entwickelt sich aus mehreren Stämmen das deutsche V., dessen Herrschaftsgebiet gegen Ende des Mittelalters als Heiliges römisches Reich verstanden wird. In der frühen Neuzeit tritt das V. dem absoluten Herrscher als eine politisch weitgehend rechtlose Gesamtheit von Untertanen gegenüber. Demgegenüber versteht die Aufklärung (→Rousseau) das V. als den eigentlichen Träger der Souveränität. Diese Vorstellung gewinnt in dem Laufe des 19. Jahrhunderts an Gewicht und wird 1918 vielerorts verwirklicht. Gegenüber anderen Völkern werden vielfach eine geschlossene Nation und ein Nationalstaat angestrebt. In dem Nationalsozialismus ist der Einzelne nichts, die völkische Gemeinschaft dagegen alles. In der multikulturellen Gesellschaft des ausgehenden 20. Jahrhunderts wird die Bedeutung des Volkes geringer.

Lit.: Köbler, DRG 18, 110, 111, 148, 149, 191, 202, 223, 230, 256; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 141; Mommsen, T., Die Grundrechte des deutschen Volkes, 1849, Neudruck 1969; Schmitt, C., Staat, Bewegung, Volk, 1933; Meyer, H., Recht und Volkstum, 1933; Herold, G., Der Volksbegriff, 1941; Franz, G., Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk, 3. A. 1961; Nack, R., Germanen, 1965; Joachimsen, P., Vom deutschen Volk zum deutschen Staat, 4. A. 1967; Mosse, E., Ein Volk, ein Reich, ein Führer, 1979; Kershaw, I., „Widerstand ohne Volk?“, 1986; Stadler-Planzer, H., Die Souveränität beruht im Volk, 1988; Petri, M., Die Urvolkhypothese, 1990; Volk und Nation, hg. v. Herrmann, U., 1994; Elsner, B., Die Bedeutung des Volkes im Völkerrecht, 2000; Pan, C. u. a., Die Volksgrupppen in Europa, 2002, 2. A: 2016; Geary, P., Europäische Völker im frühen Mittelalter, 2002; Regna and Gentes, hg. v. Goetz, H., 2002; Fuhrmann, M., Volksvermehrung als Staatsaufgabe 2002; Plassmann, A., Origo gentis, 2006; Coumert, M., Origines des peuples, 2007; Köck, J., Die Geschichte hat immer Recht. Die völkische Bewegung im Spiegel ihrer Geschichtsbilder, 2015; Der Ort der „Volksgemeinschaft“ in der deutschen Gesellschaftsgeschichte, hg. v. Schmiechen-Ackermann, D. u. a., 2017; Handbuch der völkischen Wissenschaften, hg. v. Fahlbusch, M. u. a., 2008, 2. A. 2017

Volkach an dem Main kommt 899 von dem fränkischen König Arnulf von Kärnten an das Kloster Fulda, wird 1258 als Stadt erwähnt und gelangt 1328 in Teilen an das Hochstift Würzburg (1520 ganz). Der Stadtschreiber Niklas Brobst von Effelt verfasst 1504 in dem Volkacher Salbuch eine Sammlung des örtlichen Rechtes mit vielen Abbildungen. 1814 fällt V. an Bayern.

Lit.: Das Volkacher Salbuch, hg. v. Arnold, K./Feuerbach, U., 2009

Völkerbund ist der von den Siegermächten des ersten Weltkriegs (insbesondere Woodrow Wilson) angeregte, an dem 28. 6. 1919 gegründete, von 1920 bis 1946 bestehende, anfangs ganz von Frankreich beherrschte Bund von zunächst 45 Staaten mit einer Satzung (Völkerbundakte) von dem 28. 4. 1919 und einer Bundesversammlung in Genf, einem Völkerbundrat mit den Hauptweltmächten als ständigen und weiteren nichtständigen Mitgliedern sowie einem Sekretariat als Organen. Die Vereinigten Staaten von Amerika treten nicht bei, Brasilien (1928), das 1926 aufgenommene Deutsche Reich (1933), Japan (1933) sowie Italien (1937) treten aus, die Sowjetunion wird 1939 ausgeschlossen. Nach Gründung der Vereinten Nationen löst sich der V. an dem 18. 4. 1946 auf.

Lit.: Schoch, O., Der Völkerbundsgedanke zur Zeit des deutschen Idealismus, 1960; Pfeil, A., Der Völkerbund, 1976; Sharma, S., Der Völkerbund, 1978; The League of Nations in retrospect, 1983; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Fellner, F., Vom Dreibund zum Völkerbund, 1994; Knipping, F. u. a., Das System der Vereinten Nationen und seine Vorläufer, Bd. 1f. 1995; Wintzer, J., Deutschland und der Völkerbund 1918-1926, 2006; Das Vertragswerk von Locarno, hg. v. Breuer, M. u. a., 2007

Völkermord (Genozid) ist die Tötung einer erheblichen Anzahl der Angehörigen eines Volkes wegen der Zugehörigkeit zu diesem Volk (z. B. Armenier, Juden, Deutsche, Tschetschenen-Inguschen, Krim-Tataren). In Europa sind in dem 20. Jahrhundert in vier Perioden mindestens 30 Millionen Menschen Opfer ethnischer Säuberungen geworden.

Lit.: Heinsohn, G., Lexikon der Völkermorde, 1998; Blumenwitz, D., Rechtsgutachten über die Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944-1948, 2002; Genocide of the ethnic Germans in Yugoslavia 1944-1948, hg. v. Documentation Project Committee, 2003; Naimark, N., Flammender Hass. Ethnische Säuberungen im 20. Jahrhundert, 2004; Ther, P., Ethnische Säuberungen im modernen Europa, 2011

Völkerrecht ist die Gesamtheit der die Rechte und Pflichten der Staaten und anderen Völkerrechtssubjekte enthaltenden Rechtssätze. Das V. reicht in seinen einfachsten Anfängen (Krieg, Frieden, Bündnisse, Gesandte) Jahrtausende vor die Zeitenwende zurück. Es ist von dem römischen (lat.) →ius (N.) gentium (bei allen Völkern – für alle Rechtssubjekte - geltendes Recht) wegen dessen Erstreckung auf den Rechtsverkehr mit und unter Nichtrömern zu unterscheiden. In seiner modernen Gestalt entwickelt es sich mit der Ausbildung des Staates in dem ausgehenden Mittelalter. Hier leiten die spanischen Spätscholastiker (Francisco de →Vitoria 1483/1493-1546, Fernando →Vazquez 1512-1569, Francisco Suarez 1548-1617) aus einem als allgemein geltend behaupteten Naturrecht gewisse allgemeine Völkerrechtssätze ab. Hugo →Grotius (1583-1645) begründet in Systematisierung dieser Vorstellungen 1605-1608 mit (lat. De iure praedae (Von dem Recht der Beute) bzw. 1625 mit (lat.) De iure belli ac pacis libri tres (Drei Bücher Recht des Krieges und Friedens) überhaupt ein allgemeines Recht für alle Rechtsverhältnisse. Von 1648 bis 1815 reicht das sog. französische Zeitalter des Völkerrechts, von 1815 bis 1914 das sog. englische Zeitalter. Nach 1750 wird auf der Grundlage von Überlegungen Thomas Hobbes’ der Herrscher als Subjekt des Völkerrechts durch den Staat oder das Volk als Bezugspunkt ersetzt. 1758 wendet Emer de →Vattel in einem bedeutsamen Werk das Vernunftrecht auf das V. an. 1785 versucht Georg Friedrich von →Martens in seinen (lat.) Primae lineae (F.Pl.) iuris gentium Europaearum practici (Grundlinien des praktischen Völkerrechts Europas) eine neuartige Gliederung und legt 1797 eine Sammlung der wichtigsten völkerrechtlichen Verträge vor. Bis zu dem 19. Jahrhundert bezieht das V. nur die christlichen (zivilisierten) Staaten Europas (und Amerikas) ein, bis 1856 das osmanische Reich (Türkei) aufgenommen wird. Die Verhältnisse zwischen den Staaten des europäischen Völkerrechts und politischen Gemeinwesen in Übersee, die keine zivilisierten Nationen bilden, werden durch das überseeische Völkerrecht geregelt, das nur sehr schwach entwickelt ist. Seit dem 20. Jahrhundert gewinnt das V. infolge der Tätigkeit der Vereinten Nationen größeres Gewicht und entwickelt sich von einem reinen Zwischenstaatsrecht zu einem Schutzrecht für Opfer bzw. einem Verantwortungsrecht für Täter (Nürnberger Militärtribunal 1945ff., internationale Strafgerichtshöfe für Jugoslawien und Ruanda, Entscheidung des britischen House of Lords in dem Fall Pinochet 1999). Kennzeichnend hierfür ist auch, dass nicht mehr nur die Interessen von Staaten, sondern auch der Staatengemeinschaft als ganzer (Gemeinwohl) geschützt werden, wobei die Einhaltung (z. B. des Genozidverbots) von jedem Staat verlangt werden kann. Quellen des Völkerrechts sind (mangels der Souveränität eines [Völkerrechts-]Gesetzgebers) hauptsächlich Verträge und Völkergewohnheitsrecht.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 97; The Consolidated Treaty Series, hg. v. Parry, C., 1648ff.; Walker, T., A History of the Law of Nations, 1899; Wegner, A., Geschichte des Völkerrechts, 1936; Reibstein E., Die Anfänge des neueren Völkerrechts, 1949; Histoire des relations internationales, hg. v. Renouvin, P., Bd. 1 1953; Rie, R., Der Wiener Kongress und das Völkerrecht, 1957; Nussbaum, A., Geschichte des Völkerrechts in gedrängter Darstellung, 1960 (dt. Übersetzung der 2. amerikanischen A.); Reibstein, E., Völkerrecht – Eine Geschichte seiner Ideen, Bd. 1f. 1957ff.; Preiser, W., Die Völkerrechtsgeschichte, 1964; Reibstein, E., Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen römischen Reiches, 1967; Mössner, J., Die Völkerrechtspersönlichkeit und die Völkerrechtspraxis der Barbareskenstaaten (Algier, Tripolis, Tunis 1518-1830), 1968; Muldoon, J., Popes, Lawyers and Infidels, 1979; Kunisch, J., Staatsverfassung und Mächtepolitik, 1979; Verdroß, A./Simma, B., Universelles Völkerrecht, 3. A. 1984; The Consolidation. Treaty Series, hg. v. Parry, C., Bd. 1ff. 1969ff.; Grewe, W., Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 1984; Fontes historiae iuris gentium, hg. v. Grewe, W., Bd. 1ff. 1988ff.; Nörr, D., Aspekte des römischen Völkerrechts, 1989; Gordley, J., The Philosophical Origins of Modern Contract Doctrine, 1991; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007, 2. A. 2007; Eick, C., Indianerverträge in Nouvelle-France, 1994; Kleinschmidt, H., Geschichte der internationalen Beziehungen, 1998; Schröder, J., Die Entstehung des modernen Völkerrechtsbegriffs im Naturrecht der frühen Neuzeit, (in) Die Entstehung und Entwicklung der Moralwissenschaften, hg. v. Byrd B. u. a., 2000; Ziegler, K., Biblische Grundlagen des europäischen Völkerrechts, ZRG KA 86 (2000), 1; Paulus, A., Die internationale Gemeinschaft im Völkerrecht, 2001; Koskenniemi, M., The Gentle Civilizer of Nations. The Rise and Fall of International Law 1870-1960, 2001; Bederman, D., International Law in Antiquity, 2001; Auswärtige Politik und internationale Beziehungen im Mittelalter, hg. v. Berg, D. u. a., 2002; König, K., Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, 2003; Materialien zum Völkerstrafgesetzbuch, hg. v. Lüder, S. u. a., 2003; Werle, G., Völkerstrafrecht, 2003; Steck, P., Zwischen Volk und Staat, 2003; Röben, B., Johann Caspar Bluntschli, Francis Lieber und das moderne Völkerrecht 1861-1881, 2003; Gierhake, K., Begründung des Völkerstrafrechts auf der Grundlage der kantischen Rechtslehre, 2006; Werle, G., Völkerstrafrecht, 2. A. 2007; Schmidt, F., Praktisches Naturrrecht zwischen Thomasius und Wolff - Der Völkerrechtler Adam Friedrich Glafey, 2007; Swatek-Evenstein, M., Geschichte der humanitären Intervention, 2008; Denfeld, C., Hans Wehberg (1885-1962), 2008; Degenhardt, F., Zwischen Machtstaat und Völkerbund - Erich Kaufmann, 2008; Ziegler, K., Fata iuris gentium, 2008; Toppe, A., Militär und Kriegsvölkerrecht, 2008; Steiger, H., Von der Staatengesellschaft zur Weltrepublik? – Aufsätze zur Geschichte des Völkerrechts aus vierzig Jahren, 2009; Steiger, H., Die Ordnung der Welt, 2010; König, S., Der Einfluss des Privatfürstenrechts auf das Völkerrecht, ZRG GA 127 (2010), 293; Weeber, U., Hugo Grotius’ Völkerrechtskonzeption, ZRG GA 127 (2010), 301; Kempe, M., Fluch der Weltmeere, 2010; Grotkamp, N., Völkerrecht im Prinzipat, 2009; Les conflits entre peuples, hg. v. Dauchy, S. u. a., 2011; Toyoda, T., Theory and Politics of the Law of Nations, 2011; Schmelz, C., Der Völkerrechtler Gustav Adolf Walz, 2011; Klump, R. u. a., Völkerrecht und Weltwirtschaft, 2012; Jung, H., Rechtserkenntnis und Rechtsfortbildung im Völkergewohnheitsrecht, 2012; Pauka, M., Kultur, Fortschritt und Reziprozität _ Die Begriffsgeschichte des zivilisierten Staates im Völkerrecht, 2012; Geneuss, J., Völkerrechtsverbrechen und Verfolgungsermessen, 2013; Lovric-Pernak, K., Morale internationale und Humanité im Völkerrecht des späten 19. Jahrhunderts, 2013; Nippold, O., Die Fortbildung des Verfahrens in völkerrechtlichen Streitigkeiten, 2013; Kleinschmidt, H., Geschichte des Völkerrechts in Krieg und Frieden, 2013; Steiger, H., Universalität und Partikularität des Völkerrechts in geschichtlicher Perspektive, 2015 (Aufsätze); Hull, I., A Scrap of Paper – Breaking and Making International Law, 2014; Lowe, C., Zum ewigen Frieden – Die Theorie des Völkerrechts bei Kant und Rawls, 2015; Weinke, A., Gewalt, Geschichte, Gerechtigkeit, 2016; Durst, B., Archive des Völkerrechts – Gedruckte Sammlungen europäischer Mächteverträge in der frühen Neuzeit, 2016; Wiederhold, S., Die Lehren vom Monismus mit Primat staatlichen Rechts, 2018; Payk, M., Frieden durch Recht?, 2018

Völkerwanderung ist allgemein die dauerhafte Veränderung des ständigen Aufenthaltsorts eines mehr oder weniger vollständigen Volks (z. B. Kimbern, Teutonen, Helvetier) und besonders die durch einen Vorstoß der Hunnen (→Türke) aus Asien 375 n. Chr. ausgelöste Wanderung germanischer Völker in die Gebiete des weströmischen Reiches (z. B. Ostgoten, Westgoten, Burgunder, Vandalen, Sueben, Alemannen, →Franken, Angeln, Jüten, Sachsen und Langobarden). Die V. endet 568 n. Chr. mit dem Vorstoß der Langobarden nach Italien. In dem Ergebnis entstehen mehrere neue Reiche. Umstritten ist die Frage der Fortdauer antiker Einrichtungen. In keinem Fall darf aber die Bedeutung des von der Kirche vermittelten Wissens über das Altertum unterschätzt werden. Umfangreiche Wanderungsbewegungen finden darüber hinaus bis in die Gegenwart ebenso statt wie Versuche ihrer Abwehr oder Lenkung.

Lit.: Köbler, DRG 67; Dahn, F., Die Könige der Germanen, Bd. 1ff. 1861ff.; Lot, F., Les invasions germaniques, 1935; Zöllner, E., Geschichte der Franken, 1970; Diesner, H., Die Völkerwanderung, 1976ff.; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001; Maczynska, M., Die Völkerwanderung, 1993; Anderson, M., The Rise of Modern Diplomacy, 1993; Martin, J., Spätantike und Völkerwanderung, 3. A. 1995; Baldus, C., Regelhafte Vertragsauslegung, 1998; Bade, K., Europa in Bewegung, 2000; Pohl, W., Die Völkerwanderung, 2002, 2. A. 2005; Arens, P., Sturm über Europa, 2002; Rosen, K., Die Völkerwanderung, 2002; Regna und gentes, hg. v. Goetz, H. u. a., 2002; Halsall, G., Barbarian Migration and the Roman West, 2007; Völker, Reiche und Namen im frühen Mittelalter, hg. v. Becher, M., 2010; Rummel, P. u. a., Die Völkerwanderung, 2011; Meier, M., Geschichte der Völkerwanderung, 2019

Volksabstimmung ist die Abstimmung der stimmberechtigten Staatsbürger über eine einzelne Sachfrage. In kleinen einfachen Gesellschaften finden Volksabstimmungen in der →Volksversammlung statt. In größeren, komplexen Gesellschaften geht diese Einrichtung verloren. Seit der Aufklärung wird sie in unterschiedlicher Weise wiederbelebt (Massachusetts 1780, Frankreich 1793, helvetische Republik 1798, Deutsches Reich 1919ff.).

Lit.: Schmitt, C., Volksentscheid und Volksbegehren, 1927; Tipke, K., Das Recht des Volksentscheids, Diss. jur. Hamburg 1952 masch.schr.; Schiffers, R., Elemente direkter Demokratie, 1971; Schefold, D., Volkssouveränität und repräsentative Demokratie, 1966; Bugiel, K., Volkswille und repräsentative Entscheidung, 1991; Jung, O., Plebiszität und Diktatur, 1995

Volksanwaltschaft ist die in Österreich mit Gesetz von dem 24. 2. 1977 nach schwedischem Vorbild (Ombudsman) (zunächst nur versuchsweise) geschaffene außergerichtliche Einrichtung, bei der sich jeder Betroffene wegen eines behaupteten Missstands in der Verwaltung des Bundes bei Fehlen eines Rechtsmittels beschweren kann. Die V. muss die Beschwerde prüfen und kann gegenüber Missständen Empfehlungen aussprechen, aber nicht gerichtlich vorgehen.

Volksbegehren ist das Begehren einer bestimmten Zahl von Bürgern eines Staates, Gesetzesentwürfe vorzulegen und darüber eine Volksabstimmung zu verlangen. Das V. findet sich seit der Aufklärung an unterschiedlichen Orten (Georgia 1777, Schweiz 1830ff., Deutsches Reich 1919ff.)

Lit.: Schambeck, H., Das Volksbegehren, 1971; Hartmann, D., Volksinitiativen, 1976; Jung, O., Direkte Demokratie in der Weimarer Republik, 1989; Mester, G., Die Volksinitiative in Sachsen, 2003

Volksdemokratie ist in dem sozialistischen Verfassungsrecht des 20. Jahrhunderts die der bürgerlichen Demokratie bewusst entgegengesetzte Staatsform, in der die politische Macht in den Händen der kommunistischen Arbeiterpartei als Vertreterin des Volkes liegt. Nach 1945 werden zahlreiche Volksdemokratien geschaffen (z. B. Deutsche Demokratische Republik). Um 1990 tritt die V. als erfolglos zurück.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Volkseigen (dem Volk (und damit keinem Einzelnen( gehörig)

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Krause, W., Die Entstehung des Volkseigentums in der Industrie, 1958; Hoffmann, M., Das Volkseigentum an Grund und Boden in der DDR, 1978

Volksempfinden

Lit.: Rückert, J., Das „gesunde Volksempfinden“ – eine Erbschaft Savignys?, ZRG GA 103 (1986), 199

Volksgeist ist vielleicht in Wiedergabe des möglicherweise auf der bereits bei Aristoteles und dann bei Jean Bodin (1566, 1576) betonten Verschiedenheit der Völker gründenden französischen l’esprit de la nation die Gesamtheit der einem jeweiligen Volk innewohnenden teilweise unbewusst wirkenden schöpferischen Kräfte. Auf diese nationalen Kräfte greift in der deutschen Romantik Herder (1744-1803) mit Volkssprache und Volkslied zurück. →Savigny übernimmt diese Vorstellung für die Rechtsquellenlehre der →historischen Rechtsschule. Allerdings geht er dabei schon seit 1808/1809 davon aus, dass die Wanderungen und Revolutionen der germanischen Stämme verhindert hätten, dass das ursprüngliche germanische Recht einen festen Bezugspunkt und einzigen Mittelpunkt gefunden habe, weshalb die Deutschen gar kein eigenes ursprüngliches Recht besäßen, so dass auch für sie das römische Recht das eigentümliche, von dem V. zu bearbeitende Recht sei. 1828 verwendet →Puchta den V. als eine von mehreren Tätigkeiten des Volkes, die eine einheitliche Rechtsauffassung auf der Grundlage gemeinschaftlich geteilter Überzeugung schafft. 1840 gebraucht auch Savigny das Wort.

Lit.: Köbler, DRG 178, 188; Möller, E. v., Die Entstehung des Dogmas von dem Ursprung des Rechtes aus dem Volksgeist, MIÖG 30 (1909), 1; Kantorowicz, H., Volksgeist und historische Rechtsschule, HZ 108 (1912), 295; Zahradnik, K., Nationalgeist, Diss. phil. Wien 1938 masch.schr.; Schröder, J., Zur Vorgeschichte der Volksgeistlehre, ZRG GA 109 (1992), 1; Lahusen, B., Alles Recht geht vom Volksgeist aus, 2013 (gut zu lesen, aber je mehr, desto kritischer)

Volksgerichtshof ist das an dem 24. 4. 1934 geschaffene Gericht der nationalsozialistischen Regierung des Deutschen Reiches vor allem für Hochverrat und →Landesverrat (12 Berufsrichter, wovon nur einer vor 1933 der NSDAP angehörte, seit 1942 auf Lebenszeit ernannt), das in Senaten mit 2 Berufsrichtern und drei Volksrichtern (Funktionären, Offizieren, Beamten) entscheidet (insgesamt rund 570 Richter und Staatsanwälte). Der V. sichert (auch durch „verfahrensmäßige Normalität“) die nationalsozialistische Herrschaft. Unter seinem Präsidenten (Roland Freisler August 1942-3. 2. 1945) werden bis 1945 bei 16342 Angeklagten (mindestens 15729 Abgeurteilten) 5243 Todesurteile verhängt (davon rund 2600 durch den ersten, von Roland Freisler geführten Senat). Rechtsmittel fehlen. An dem 25. 1. 1985 erklärt der deutsche Bundestag alle Entscheidungen des Volksgerichtshofs als nichtig. Durch Gesetz von dem 25. 8. 1998 werden alle Urteile als nationalsozialistisches Unrecht aufgehoben.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235; Buchheit, G., Richter in roter Robe, 1968; Wagner, W., Der Volksgerichtshof, 1974, 2. A. 2011; Im Namen des deutschen Volkes, hg. v. Hillermeier, H., 2. A. 1982; Koch, H., Der Volksgerichtshof, 1988; Marxen, K., Der Volksgerichtshof, Anwaltsbl. 1989, 17; Marxen, K., Das Volk und sein Gerichtshof, 1994; Schlüter, H., Die Urteilspraxis des nationalsozialistischen Volksgerichtshofs, 1995; Die Angeklagten des 20. Juli vor dem Volksgerichtshof, hg. v. Mühlen, B. v. zu, 2001; Eder, W., Das italienische Tribunale speciale per la difesa dello stato und der deutsche Volksgerichtshof, 2002; Breuning, S., Roland Freisler, 2002; Terror und Normalität, v. Marxen, K. u. a., 2004; Ramm, A., Der 20. Juli vor dem Volksgerichtshof, 2007

Volksgesetzbuch ist das schon im 18. Jahrhundert angestrebte volkstümliche, das gesamte Recht eines →Volkes verständlich zusammenfassende Gesetzbuch. Seit (11. 3.) 1938 (Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich) befasst sich die →Akademie für deutsches Recht mit einem Projekt eines in 8 Bücher (Volksgenosse, Familie, Erbe, Vertrag und Haftung, Eigentum, Arbeit, Unternehmen, Vereinigung) gegliederten Volksgesetzbuchs. Dieses teils reaktionäre, teils fortschrittliche Vorhaben einer gemäßigten Reform des Bürgerlichen Gesetzbuchs (1900) wird in dem August 1944 eingestellt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 237; Hedemann, J., Das Volksgesetzbuch der Deutschen, 1941; Krause, H., Wirtschaftsrecht und Volksgesetzbuch, Deutsche Rechtswissenschaft 1941, 204; Hedemann, J./Lehmann, H./Siebert, W., Volksgesetzbuch, 1942; Hattenhauer, H., Das NS-Volksgesetzbuch, FS R. Gmür 1983, 255; Volksgesetzbuch, hg. v. Schubert, W., 1988

Volkshaus ist die Bezeichnung für das Parlament in der nicht verwirklichten deutschen Verfassung von 1849. Seine Abgeordneten sollen durch geheime, direkte, allgemeine und gleiche Wahlen bestimmt werden.

Lit.: Köbler, DRG 194; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005

Volksheer ist das von dem gesamten Volk gebildete Heer, wie es bei allen Völkern an dem Anfang stehen dürfte. In dem fränkischen Reich tritt das V. gegenüber dem von Lehnsmannen gebildeten Reiterheer zurück. Das moderne V. erscheint in den Befreiungskriegen gegen Napoleon (Österreich 1808, Preußen 1808/1813) und setzt die der Volkssouveränität entsprechende allgemeine →Wehrpflicht voraus. In dem späten 20. Jahrhundert dringt die Vorstellung einer Berufsarmee wieder vor. 2011 wird in Deutschland die Wehrpflicht ausgesetzt.

Lit.: Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, 1939; Frauenholz, E. v., Das deutsche Wehrwesen, 1941; Hermann, H., Deutsche Militärgeschichte, 1966

Volkskammer ist das Parlament der →Deutschen Demokratischen Republik.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Köbler, DRG 258; Lapp, P., Die Volkskammer der DDR, 1975; Lapp, P., Wahlen in der DDR, 1982

Volkskunde ist die Lehre von den Wesenszügen eines →Volkes. Die rechtliche V. bezieht sich dabei vornehmlich auf das Recht. Ihre Ansätze gehen in das 18. Jahrhundert zurück. 1886/1887 erscheint in Frankreich eine folklore juridique (Rolland), 1925 in Deutschland die rechtliche V. (Künßberg). Ihre Quellen sind Sprachgut (z. B. Namen), Sachgut (z. B. Rathaus), Brauchgut (z. B. Umritt), Glaubensgut (z. B. Eid) und anderes. In der Gegenwart versteht sich die V. zunehmend als Teil der allgemeinen Ethnologie.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Künßberg, E. v. Rechtliche Volkskunde, 1936; Künßberg, E. Frhr. v., Lesestücke zur rechtlichen Volkskunde, 1936; Boehm, M., Volkskunde, 1937; Mackensen, L., Volkskunde der deutschen Frühzeit, 1937; Wohlhaupter, E., Beiträge zur rechtlichen Volkskunde Schleswig-Holsteins, Nordelbingen 16 (1940), 74, 17/18 (1942), 51; Bader, K., Die zimmerische Chronik als Quelle rechtlicher Volkskunde, 1942; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Walker, M., Das volkstümliche Leben im 15. und 16. Jahrhundert, Diss. phil. Tübingen 1954; Wackernagel, H., Altes Volkstum der Schweiz, 1956; Kramer, K., Bauer und Bürger im nachmittelalterlichen Unterfranken, 1957; Volkskunde, hg. v. Lutz, G., 1958; Strübin, E., Grundfragen des Volkslebens bei Jeremias Gotthelf, 1959; Kramer, K., Volksleben im Fürstentum Ansbach, 1961; Jacobeit, W., Schafhaltung und Schäfer, 1961; Zur Geschichte von Volkskunde und Mundartforschung in Württemberg, 1964; Künßberg, E. Frhr. v., Rechtsgeschichte und Volkskunde, bearb. v. Tzermias, P., 1965; Das Ochsenfurter Kauzenbuch 1611-1802, 1967; Siebs, B., Weltbild, 1969; Duenninger, J. u. a., Bräuche und Feste im fränkischen Jahreslauf, 1971; Kramer, K., Grundriss einer rechtlichen Volkskunde, 1974; Das Recht der kleinen Leute, hg. v. Köstlin, K. u. a., 1976; Forschungen zur Rechtsarchäologie und rechtlichen Volkskunde, hg. v. Carlen, L., 1978ff.; Mohrmann, R., Volksleben in Wilster, 1977; Göttsch, S., Stapelholmer Volkskultur, 1981; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Volksrecht ist das Recht eines Volkes, insbesondere das Recht eines der frühmittelalterlichen Nachfolgevölker der Germanen (lat. (F.( lex, ahd. (F.( ewa). Die Aufzeichnungen der Volksrechte in lateinischer Sprache beginnen nach römischem und kirchlichem Vorbild noch an dem Ende des Altertums ((lat.( Codex (M.( Euricianus 475). Überliefert sind Volksrechte der Goten, Burgunder, Franken (ab 507-511?), Alemannen, Bayern, Langobarden, Sachsen, Thüringer, Friesen und (in der Volkssprache) der Angelsachsen (→lex, leges). Inhaltlich setzen sie sich aus Gewohnheitsrecht und Gesetzesrecht zusammen. Sachlich bedeutsam sind vor allem der Unrechtserfolgsausgleich durch →Wergeld und Buße (→Kompositionensystem) und das Verfahren. Die Aufzeichnung der durch →Kapitularien ergänzten Volksrechte endet in dem frühen 9. Jahrhundert (802), die Überlieferung in dem Hochmittelalter, in dem das V. durch das →Landrecht (z. B. Sachsenspiegel 1221-1224) abgelöst wird. Das V. ist bereits durch römisches Recht und kirchliches Recht beeinflusst.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 79, 80, 101; Thöl, H., Volksrecht, Juristenrecht, 1846; Mitteis, L., Volksrecht und Reichsrecht, 1891, Neudruck 1963; Halban, A. v., Das römische Recht in den germanischen Volksstaaten, 1899ff.; Mayer-Homberg, E., Die fränkischen Volksrechte im Mittelalter, Bd. 1 1912; Eckhardt, K., Gesetze der Merowinger und Karolinger, ZRG GA 55 (1935), 232; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Amira, K. v., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Stammesrecht und Volkssprache, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1991; Ubl, K., Gab es das Leges-Skriptorium Ludwigs des Frommen? DA 70 (2014) 42 (Tours war bedeutend, aber nicht entscheidend, 13 von mehr als 150 Handschriften)

Volksrichter ist der nicht durch eine rechtswissenschaftliche Ausbildung ausgewiesene, durch Volksvertretung oder Bürger gewählte Richter der sowjetischen Besatzungszone bzw. der →Deutschen Demokratischen Republik.

Lit.: Köbler, DRG 262; Pfannkuch, J., Volksrichterausbildung in Sachsen, 1993; Hattenhauer, H., Über Volksrichterkarrieren, 1995; Volksrichter in der SBZ/DDR, hg. v. Wentker, H., 1997; Backhaus, J., Volksrichterkarrieren in der DDR, 1998; Mathes, R., Volksrichter, Schöffen, Kollektive, 1999

Volksschädling ist nach einer besonderen nationalsozialistischen Verordnung des Deutschen Reiches (1935), wer den Interessen des deutschen Volkes schadet.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Köbler, DRG 237; Jansen, S. Schädling, 1999; Nüchterlein, J., Volksschädlinge vor Gericht, 2015

Volkssouveränität ist die Innehabung der Staatsgewalt durch das Volk als Souverän. Die V. entwickelt sich nach bereits antiken (→Cicero 106-43 v. Chr.) und mittelalterlichen (→Marsilius von Padua 1324) Ansätzen aus der Souveränitätsvorstellung der frühen Neuzeit (Bodin 1527). Nach Emer de Vattel (1758) und Jean-Jacques →Rousseau (1762) ist Inhaber der Souveränität das Volk. Dementsprechend erklärt die →Virginia Bill of Rights 1776, dass alle Gewalt von dem Volk ausgehe. Auch die französische Revolution behauptet die Verankerung jeglicher Souveränität in der Nation. Dem folgen deutsche Politiker seit etwa 1820, wenn sie die V. dem →monarchischen Prinzip, dem Gottesgnadentum und der Fürstensouveränität gegenüberstellen. Die Weimarer Reichsverfassung (1919) und die späteren deutschen Verfassungen führen dann uneingeschränkt alle Staatsgewalt auf das Volk zurück.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 191, 230, 248; Murhard, F., Die Volkssouveränität, 1832; Koch, G., Manegold von Lautenbach und die Lehre von der Volkssouveränität, 1902; Wolf, H., Volkssouveränität und Diktatur in den italienischen Stadtrepubliken, 1937; Schefold, D., Volkssouveränität und repräsentative Demokratie in der schweizerischen Regeneration, 1966; Schubert, F., Volkssouveränität und Heiliges römisches Reich, HZ 213 (1971), 91; Reibstein, E., Volkssouveränität und Freiheitsrechte, hg. v. Schott, C., Bd. 1f. 1972; Kielmannsegg, P., Volkssouveränität, 1977; David, M., La souveraineté du peuple, 1996; Lamprecht, O., Das Streben nach Demokratie, Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, 2001; Lee, D., Popular Sovereignty in early modern constitutional thought. 2016

Volkssprache ist die Sprache eines Volkes in Gegensatz zu der Sprache anderer Völker bzw. die Sprache des einfachen Volkes in Gegensatz zu einer Sprache der Gebildeten oder Gelehrten. In dem fränkischen Frühmittelalter ist die Grundlage der Volkssprachen in dem östlichen Reichsteil (z. B. althochdeutsch, altniederfränkisch, altsächsisch) germanistisch, die Überlieferungssprache dagegen lateinisch. Das führt zu einem →Übersetzungsproblem. Seit dem 13. Jahrhundert dringt die Volkssprache in der Überlieferung allgemein vor (Sachsenspiegel 1221-1224, Mühlhäuser Reichsrechtsbuch, rund vierzig Urbare [Urbar der Marschälle von Pappenheim 1214-1219?], rund 40 städtische Rechtsbücher, mehr als 4000 Originalurkunden vor allem ab 1250), in der Aufklärung setzt sie sich (im Heiligen römischen Reich unter Vereinheitlichung auf das Neuhochdeutsche) gegenüber fremden Sprachen durch. Dessenungeachtet bleiben Prägungen der V. durch die römische Jurisprudenz bestehen. In dem 20. Jahrhundert macht sich zunehmend angloamerikanischer Einfluss bemerkbar.

Lit.: Schulze, U., Lateinisch-deutsche Parallelurkunden, 1975; Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984; Hattenhauer, H., Zur Geschichte der deutschen Rechtes- und Gesetzessprache, 1987; Sprache, Recht, Geschichte, hg. v. Eckert, J. u. a., 1991; Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991; Sousa Costa, Studien zu volkssprachlichen Wörtern in karolingischen Kapitularien 1993; Bertelsmeier-Kierst, C., Zum volkssprachlichen Verschriftlichungsprozess des Rechts im 13. Jahrhundert, 2008; Brunner, T., Le passage aux langues vernaculaires dans les actes de la pratique en Occident, Le Moyen °Age 115 (2009), 29ff.

Volkstribun (lat. tribunus (M.( plebis) ist in dem altrömischen Recht das seit 494 v. Chr. anerkannte Sonderorgan der Plebejer. Der V. ist unverletzlich. Jeder der zehn auf je ein Jahr gewählten Volkstribune muss Plebejer sein. Er leitet die Versammlung der Plebejer und hat ein Einspruchsrecht (Interzessionsrecht) gegen Handlungen eines Magistrats (z. B. Konsuls) gegen einen Bürger sowie ein Vetorecht gegen Senatsbeschlüsse. In dem Prinzipat beansprucht der Prinzeps die von dem Amt gelöste Amtsgewalt (lat. tribunicia potestas [F.]).

Lit.: Köbler, DRG 18; Söllner §§ 6, 13, 14; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

Volksverhetzung

Lit.: Rohrßen, B., Von der Anreizung zum Klassenkampf zur Volksverhetzung (§ 130 StGB), 2009

Volksverrat ist der Verrat des eigenen Volkes an Fremde. Der V. wird bei den Germanen durch Aufhängen des Verräters verfolgt.

Lit.: Köbler, DRG 71

Volksversammlung ist die Versammlung der freien Angehörigen eines Volkes. Sie ist in frühen Zeiten das allgemeine Organ des Volkes. In dem altrömischen Recht finden sich etwa (lat.) comitia (N.Pl.) curiata (nach Kurien oder Geschlechtern gegliedert), comitia centuriata (nach Vermögensklassen in Zenturien gegliedert, Wahl der Konsuln und Prätoren), Tributkomitien (nach lokalen Bezirken, tribus gegliedert, Wahl der niederen Magistrate) und Versammlung der (lat. (F.() plebs. Die V. wird von Beamten einberufen und kann deren Anträge nur annehmen oder ablehnen. Mit dem Prinzipat des Augustus verschwindet die V. Die V. der Germanen und des Frühmittelalters entscheidet in allen allgemein wichtigen Angelegenheiten. Mit der Ausdehnung einer Herrschaft tritt sie notwendigerweise zurück. Überreste finden sich in der Landsgemeinde Schweizer Kantone (in Appenzell-Außerrhoden 1997 abgeschafft) und in Demonstrationsversammlungen.

Lit.: Söllner §§ 4, 5, 6, 10, 14; Köbler, DRG 18, 20, 69, 70, 83; Hahndorf, S., Die Volksversammlung, 1848; Liebermann, F., The national assembly in the Anglo-Saxon period, 1913

Volksvertretung →Parlament

Lit.: Die geschichtlichen Grundlagen der modernen Volksvertretung, hg. v. Rausch, H., Bd. 1f. 1974ff.

Volkswirtschaft (Nationalökonomie) ist die gesamte Wirtschaft eines Volkes oder Staates (im Gegensatz zu der Wirtschaft des einzelnen Betriebs, Betriebswirtschaftslehre, beginnend mit Gründung der ersten Handelshochschule 1898). Geschichtlich folgen an Schulen oder Strömungen wirtschaftlichen Denkens einzelnen Vorläufern des Altertums und des Mittelalters Merkantilismus, Physiokratismus, klassischer Liberalismus, Sozialismus, Historismus und Grenznutzenlehre. An dem Ende des 20. Jahrhunderts stehen Neoklassik, Institutionenökonomik, Keynesianismus, Neoliberalismus und evolutorische Wirtschaftstheorie nebeneinander.

Lit.: Sombart, W., Die deutsche Volkswirtschaft, 8. A. 1954; Schumacher, H., Die Wirtschaft in Leben und Lehre, 1943; Kolb, G., Geschichte der Volkswirtschaftslehre, 1998

Vollbort (F.) Zustimmung

Vollenhoven, Cornelis van (1874-1933) wird nach dem Studium von Sprachen, Philosophie und Recht Verwaltungsbeamter in dem niederländischen Kolonialministerium und 1901 Professor für Staatsrecht und Verwaltungsrecht der Kolonien. Er vertritt die Ansicht, dass die europäischen Rechtsvorstellungen nicht den niederländisch-ostindischen Gebieten gemäß seien. Sein Hauptwerk untersucht das Gewohnheitsrecht (Adat) Niederländisch-Ostindiens.

Lit.: Vollenhoven, C. van, Het adatrecht, Bd. 1ff. 1918ff.; Zestig juristen, 1987, 377; de Kanter-van Hettinga Tromp, B./Eyffinger, A., Cornelius van Vollenhoven, 1992

Volljährigkeit (Wort 1739, volljährig 1590, Volljährigkeitserklärung 1863,) ist das Lebensalter, mit dem die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit erreicht wird. Die V. ergänzt in dem römischen Recht um 200 v. Ch. (Lex Laetoria) die ältere Mündigkeit und verdrängt in der frühen Neuzeit die ältere →Mündigkeit weitgehend. Sie tritt nach römischem Recht meist mit 25 Jahren ein (in Deutschland zuerst in dem Deutschenspiegel von etwa 1275, dagegen Auctor vetus 24, Sachsenspiegel Lehnrecht 21). Dem folgt das gemeine Recht, während man in den altpreußischen Provinzen (1790, ALR 1794) und in Österreich (1753-1919) in dem 19. Jahrhundert mit 24 Jahren volljährig wird. Das französische Recht, das sächsische Recht, später Preußen (9. 12. 1876) (Deutsches Reich 17. 2. 1875) und das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) lassen sie mit 21 beginnen. Das 20. Jahrhundert setzt die V. weiter herab (Deutschland 1. 1. 1975 18, Deutsche Demokratische Republik 17. 5. 1950 18 Österreich 1. 7. 1971 19, 1. 7. 2001 18, Schweiz 20, 1. 1. 1996 18).

Lit.: Kaser § 14; Hübner; Köbler, DRG 160, 207, 266; Eckhardt, K., Die Volljährigkeitsgrenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 1; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Vollmacht (1372) ist die durch →Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht. Sie erscheint dort, wo →Stellvertretung zulässig ist. 1866 weist Paul Laband (1838-1919) die Notwendigkeit der Trennung von Innenverhältnis zwischen handelnder und betroffener Person (Mandat, Auftrag) und Außenverhältnis zwischen handelnder und dritter Person (V.) entsprechend dem Abstraktionsprinzip nach.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 208, 238, 266; Müller-Freienfels, W., Die Abstraktion der Vollmachterteilung, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 144; Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Albrecht, G., Vollmacht und Auftrag, 1970; Bader, P., Duldungs- und Anscheinsvollmacht, 1978; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Vollstreckung ist die zwangsweise Durchsetzung eines Anspruchs oder einer Anordnung. In dem altrömischen Recht geschieht die V. in dem Legisaktionenverfahren mit Hilfe der →Legisaktion durch Handanlegen (lat. (F.( →legis actio per manus iniectionem) und der Legisaktion durch Pfandergreifen (lat. →legis actio (F.( per pignoris capionem) bzw. bei den Klagansprüchen auf eine Sache meist durch den eigenmächtigen Zugriff auf die Sache. Das Strafurteil wird durch die Magistrate und ihre Hilfspersonen vollstreckt. In dem klassischen römischen Recht ersetzt die (lat.) →actio (F.) iudicati die Legisaktion durch Handanlegen, wobei hauptsächlich auf den Menschen zugegriffen wird (Schuldknechtschaft). In dem Kognitionsverfahren kann allmählich ein einzelner Gegenstand weggenommen und ausgehändigt oder versteigert werden. Vollstreckt wird in dem Amtsbetrieb. Möglich ist eine Gesamtvollstreckung (→Konkurs). Bei den Germanen muss die Partei zu der V. Selbsthilfe üben. Die Tötung von Volksverrätern und Unzüchtigen wird wohl von der Allgemeinheit ausgeführt. In dem Frühmittelalter wird die zuvor selbständig vorzunehmende Pfändung von der Genehmigung des Richters (Grafen) abhängig gemacht oder überhaupt Amtsträgern überlassen. In dem Hochmittelalter und Spätmittelalter erfolgt die V. durch Büttel oder Fronboten durch öffentliche →Pfändung von beweglichen Sachen und Grundstücken, die in dem Falle der Nichtauslösung meist veräußert werden. Hilfsweise ist →Schuldhaft möglich. Für die oberen Gesellschaftsschichten ist das Einlager bedeutsam. →Arrest und →Konkurs werden ausgebildet. Die Pfandnahme ohne Erlaubnis des Richters wird (im Mainzer Landfrieden von 1235) dem Raub gleichgestellt. Die peinliche →Strafe wird von dem Henker als berufsmäßigem Scharfrichter vollstreckt. In der frühen Neuzeit wird die V. reichskammergerichtlicher Urteile den Reichskreisen übertragen. Bereits die Landesordnung Bayerns von 1501 sieht eine ausschließliche Pfändung durch Amtsträger vor. Zu dem Regelfall der V. wird die V. in das Vermögen. Der Codex iuris Bavarici iudiciarii des Jahres 1753 trennt zwischen Einzelvollstreckung und Konkurs. Allmählich befasst sich die Wissenschaft mit der V. In dem 19. Jahrhundert wird das Vollstreckungsverfahren (Zwangsvollstreckung) besonders gesetzlich geregelt (→Zivilprozessordnung, →Strafprozessordnung). Vollstreckungsorgane in dem Zivilprozess sind Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht, Prozessgericht und Grundbuchamt. Die Schuldhaft wird beseitigt (1868). Die Strafvollstreckung (Strafvollzug) wird allmählich humanisiert und später durch die Resozialisierungsidee mitgeprägt und verrechtlicht.

Lit.: Kaser §§ 85, 87; Köbler, DRG 19, 33, 34, 56, 70, 86, 116, 117, 118, 119, 156, 202, 232; Briegleb, H., Geschichte des Exekutionsprozesses, 2. A. 1845; Amira, K. v., Das altnorwegische Vollstreckungsverfahren, 1874, Neudruck 1965; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973, 268; Planitz, H., Die Entwickelung der Vermögensvollstreckung im salfränkischen Rechte, 1909 (Habilitationsschrift); Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Haff, K., Vollstreckungsordnung für das fürstbischöflich augsburgische Pflegeamt Füssen vom Jahre 1585, ZRG GA 34 (1913), 435; Schönfeld, W., Die Vollstreckung der Verfügungen von Todes wegen, ZRG GA 42 (1921), 240; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, 1966; Elsener, F., Die Exkommunikation als prozessuales Vollstreckungsmittel, FS E. Kern 1968, 69; Lippross, O., Grundlagen und System des Vollstreckungsschutzes, 1983; Sellert, W., Vollstreckung und Vollstreckungspraxis, FS W. Henckel, 1995, 817; Hofmann, D., Die Entwicklung und Bedeutung der Vereitelung der Zwangsvollstreckung, Diss. jur. Mainz 1997; Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004

Vollstreckungsklausel (lat. clausula (F.( executorialis) ist der seit der frühen Neuzeit aus der Klausel, dass der Schuldner das Urteil binnen einer Frist vollziehen soll, entwickelte Vermerk des Urkundsbeamten auf der vollstreckbaren Ausfertigung eines Vollstreckungstitels, der die Vollstreckbarkeit bescheinigt.

Lit.: Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses, 1861, 3. A. 1878; Kohler, J., Zur Geschichte der exekutorischen Urkunde in Frankreich, ZRG GA 8 (1887), 120

volonté (F.) générale (frz.) Allgemeinwille

Voltaire (Arouet), F. (Paris 21. 11. 1694–30. 5. 1778), Notarssohn, wird nach Aufenthalten in England (1726-1729), Lothringen, Preußen und Genf durch die Gesamtheit seiner vielen Schriften einer der wichtigsten Vertreter der →Aufklärung.

Lit.: Voltaire, hg. v. Baader, H., 1980; Lange, J., Voltaire, JuS 1998, 491

Volumen (parvum) (lat. (N.( [kleiner] Band) sind die Bücher 10 bis 12 des →Codex Justinians, die glossierten Novellen und die Institutionen.

Vom Rechte

Lit.: Speicher, S., Vom Rechte, 1986

von Gottes Gnaden →Dei gratia

Lit.: Kern, F., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im frühen Mittelalter, 1912, 7. A. 1980

Vonnisse von Damme sind eine flämische Fassung der →Rôles d’Oléron.

Vorarlberg ist das zwischen Bodensee und Arlberg gelegene, alemannisch besiedelte Gebiet, das seit dem Spätmittelalter stückweise (1375 Feldkirch, 1523 Bregenz, 1814 Lustenau) an →Habsburg gelangt, dort meist gemeinsam mit Tirol von Innsbruck aus verwaltet wird und seit 1918 selbständiges Land Deutschösterreichs, seit 1920 Bundesland →Österreichs ist (1939-1945 Reichsgau Tirol, bis 1955 unter Besatzung Frankreichs).

Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler, Historisches Lexikon; Baltl/Kocher; Brunner, A., Die Vorarlberger Landstände, 1929; Welti, L., Geschichte der Reichsgrafschaft Hohenems und des Reichshofes Lustenau, 1930; Bundsmann, A., Die Entwicklung der politischen Verwaltung in Tirol und Vorarlberg, 1961; Das Vorarlberger Landesarchiv, hg. v. Burmeister, K. u. a., 1969; Burmeister, K., Die Vorarlberger Landsbräuche und ihr Standort in der Weistumsforschung, 1970; Bilgeri, B., Geschichte Vorarlbergs, Bd. 1ff. 1971ff., 2. A. 1972ff.; Vorarlberger Weistümer, Bd. 1, hg. v. Burmeister, K., 1973; Welti, L., Siedlungs- und Sozialgeschichte von Vorarlberg, hg. v. Grass, N., 1973; Witzig, D., Die Vorarlberger Frage, 2. A. 1974; Janotta, C., Das Privilegienbuch der Stadt Feldkirch, 1979; Quellen zur Geschichte der Stadt Bregenz, hg. v. Niederstätter, A., 1985; Burmeister, K., Geschichte Vorarlbergs, 4. A. 1998; Hoch- und Spätmittelalter zwischen Alpen und Bodensee, hg. v. Hartung, W. u. a., 1992; Nachbaur, U., Vorarlberger Territorialfragen 1945 bis 1948, 2007; Feurstein, C., Wirtschaftsgeschichte Vorarlbergs, 2009; Klausmann, H., Kleiner Sprachatlas von Vorarlberg und Liechtenstein, 2012 (8 und 3 Sprachlandschaften); Niederstätter, Alois, Vorarlberg im Mittelalter, 2014; Niederstätter, A., Vorarlberg 1523 bis 1861, 2015; Pichler, M., Das Land Vorarlberg 1861 bis 2015, 2015

Voraus ist der Anspruch des überlebenden Ehegatten auf die zu dem ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände und die Hochzeitsgeschenke. Der V. ist dem römischen Recht ansatzweise bekannt. Er findet sich auch in dem Spätmittelalter neben →Heergewäte und →Gerade. Der eheliche V. wird 1900 in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch und 1914 in das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (§ 758) Österreichs aufgenommen.

Lit.: Hübner; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Hirschhorn, M., Der Voraus und der Dreißigste, 1908; Wesener, G., Der Voraus des überlebenden Ehegatten, FamRZ 6 (1959), 84

Vorausvermächtnis (lat. (N.( praelegatum, legatum per praeceptionem) ist das bereits dem römischen Recht bekannte Vermächtnis einzelner Gegenstände an einen Erben, so dass dieser Erbe zugleich Vermächtnisnehmer wird.

Lit.: Kaser § 76 II 3b; Rudolf, I., Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis, 1966

Vorbehalt des Gesetzes ist in dem 19. Jahrhundert (z. B. § 5 VI des Grundgesetzes Sachsen-Weimars von 1816) der Grundsatz, dass ein Eingriff in ein Rechtsgut eines Einzelnen (z. B. Freiheit, Eigentum) von einer Gestattung durch ein →Gesetz abhängig ist.

Lit.: Köbler, DRG 199; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005; Schmidt-Bleker, R., Legislative Defizite im Schulrecht der preußischen konstitutionellen Monarchie, 2005

Vorbehaltsgut ist bei der ehelichen Gütergemeinschaft das besondere, aus dem Gesamtgut ausgeschlossene, der alleinigen Zuständigkeit und selbständigen Verwaltung durch den einzelnen Ehegatten vorbehaltene Gut. Es findet sich bereits in dem Mittelalter (z. B. bei →Morgengabe). Von den vernunftrechtlichen Gesetzbüchern (Allgemeines Landrecht 1794, Code civil 1804, Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch 1811) wird es anerkannt.

Lit.: Hübner 669; Schröder, R., Das eheliche Güterrecht, 1900, Neudruck 1967

Vorderösterreich ist die Gesamtheit der in dem deutschen Südwesten gelegenen Güter Habsburgs bzw. Österreichs seit dem Spätmittelalter (mit dem Hauptort Freiburg im Breisgau). Ein Teil hiervon bildet später →Vorarlberg, ein anderer geht zwischen 1799 und 1805 in Baden (Breisgau), Württemberg und Frankreich auf.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schwarzweber, J., Die Landstände Vorderösterreichs im 15. Jahrhundert, 1908; Vorderösterreich, hg. v. Metz, F., 1967, 3. A. 1978; Quarthal, F./Wieland, G., Die Behördenorganisation Vorderösterreichs, 1977; Seidel, K., Der Oberelsass, 1980; Vorderösterreich in der frühen Neuzeit, hg. v. Maier, H. u. a., 1989; Vorderösterreichische Regierung und Kammer 1753-1805, bearb. v. Haggenmüller, M. u. a., 1999ff.; Speck, D., Vorderösterreich, 2010; Vorderösterreichisches Appellationsgericht und vorderösterreichische Landrechte 1782-1805, 2013

Voreid ist der vor Abgabe einer Erklärung zu leistende Eid. Er erscheint bereits in dem Frühmittelalter. Ein möglicher Zusammenhang mit dem Kalumnieneid ist ungeklärt.

Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973

Vorerbe ist der Erbe, der in der Weise zunächst zu der Erbschaft berufen ist, dass nach ihm zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt (Nacherbfall) ein anderer Erbe (Nacherbe) wird. Eine Nacherbschaft ist in dem römischen Recht an sich ausgeschlossen, wird aber auf dem Weg über ein →Fideikommiss dennoch erreicht. Mit der Aufnahme des Testaments in dem Heiligen römischen Reich (13. Jahrhundert) wird auch die Vorerbschaft möglich (z. B. Friedberg Ende 14. Jahrhunderts). Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) schränkt die Vorerbschaft aus liberalen Überlegungen auf einen Zeitraum von 30 Jahren ein.

Lit.: Kaser §§ 65 II 4, 68 II 4, 78 I; Hübner; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Schartl, R., Das Privatrecht der Reichsstadt Friedberg, Diss. jur. Gießen 1987; Eckert, J., Der Kampf um die Familienfideikommisse, 1992; Straub, S., Zur Entstehung der Vor- und Nacherbfolge im Bürgerlichen Gesetzbuch, ZRG GA 120 (2003), 235

Vorkaufsrecht (1691) ist das einer Person zustehende Recht, einen Gegenstand von dem Verpflichteten zu erwerben, sobald dieser den betreffenden Gegenstand an einen Käufer verkauft. Das V. ist dem römischen Recht an sich zunächst unbekannt, erscheint in unterschiedlichen Einzelfällen aber dann doch. Ihm steht in Deutschland das →Näherrecht gegenüber. In der frühen Neuzeit wird beides miteinander vermischt. Die vernunftrechtlichen Gesetzbücher (1794ff.) nehmen das V. auf und teilen ihm teils nur schuldrechtliche, teils auch sachenrechtliche Wirkung zu.

Lit.: Kaser §§ 23 II 2, 30 I 2, 41 VII; Kroeschell, DRG 2; Frommhold, G., Über die Geschichte des Familienvorkaufsrechts, ZRG GA 32 (1911), 337; Wesener, G., Vorkaufs- und Einstandsrecht der „gesippten Freunde“, Gedächtnisschrift R. Schmidt, 1966, 535; Schurig, K., Das Vorkaufsrecht, 1975; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 383; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Vorlesung (lat. (F.( praelectio) ist die in dem Vorlesen und Erklären eines (geschriebenen) Textes (z. B. Digesten) durch einen in Gegensatz zu seinen nachschreibenden Hörern über den Text Verfügenden bestehende älteste Lehrveranstaltung der Universität. Gedruckte Verzeichnisse von Vorlesungen sind seit dem 16. Jahrhundert erhalten (Dillingen 1564-1614, Helmstedt unregelmäßig seit etwa 1585, beständig seit etwa 1600, Herborn vielleicht seit 1585, Jena seit 1591). Sie zeigen durch die allmähliche Aufnahme privater Vorlesungen den Wandel von dem schulischen Lehrplan zu der wirtschaftlich ausgerichteten Lehrfreiheit an den protestantischen Universitäten der Aufklärung.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 106; Schröder, K., Vorläufiges Verzeichnis der in Bibliotheken und Archiven vorhandenen Vorlesungsverzeichnisse, 1964; Köbler, G., Erlanger juristische Vorlesungen, Jb. f. fränk, Landesforschung 27 (1967), 241; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Schröder, J., Wissenschaftstheorie, 1979; Köbler, G., Gießener juristische Vorlesungen, 1982, 2. A. 2003 (elektronisch); Blanke, H., Bibliographie der in periodischer Literatur abgedruckten Vorlesungsverzeichnisse, (in) Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 6 (1983), 205, 10 (1987), 17, 11 (1988), 105; Schröder, J., Vorlesungsverzeichnisse als rechtsgeschichtliche Quelle, (in) Die Bedeutung der Wörter, 1991, 383; Vorlesungsverzeichnisse der Universität Königsberg, hg. v. Oberhausen, M. u. a., 1999; Apel, H., Die Vorlesung, 1999; Gelehrte Wissenschaft. Das Vorlesungsprogramm der Universität Jena um 1800, hg. v. Bach, T. u. a., 2008; Die Vorlesungen der Berliner Universität 1810-1834, hg. v. Virmond, W., 2010; Dusil, S. u. a., Ungedruckte Quellen zur Geschichte der Rechtswissenschaft des 19. und 20. Jahrhunderts, ZRG GA 131 (2014), 473

Vormärz ist die von fürstlicher Reaktion (Karlsruher Beschlüsse 1819) auf liberale Forderungen (Wartburgfest 1817, Hambacher Fest 1832) gekennzeichnete Zeit vor dem März 1848 in dem →Deutschen Bund. Bereits in dem V. werden verschiedene Verfassungen erlassen. Seit 1848 treten bedeutende allgemeine Veränderungen ein.

Lit.: Dunk, H. v. d., Der deutsche Vormärz, 1966; Brandt, H., Landständische Repräsentation im deutschen Vormärz, 1968; Conze, W., Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz, 2. A. 1970; Boldt, W., Deutsche Staatslehre im Vormärz, 1975; Wende, P., Radikalismus im Vormärz, 1975; Vormärz und Revolution, hg. v. Fenske, H., 1976; Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz, Teil 1f. 1979; Deutsche Juristen im Vormärz (Briefe), hg. v. Strauch, D., 1999; Zamoyski, A., Phantome des Terrors, 2016; Europa im Vormärz, hg. v. Ries, K-. 2016

Vormerkung (1713) ist die vorläufige Grundbucheintragung zu der Sicherung eines Anspruchs auf Eintragung einer Rechtsänderung. Sie wird in dem ersten Ansatz 1750 in Preußen sichtbar und übernimmt in dem 19. Jahrhundert die Aufgaben des (lat.) →ius (N.) ad rem (Recht zu der Sache). Sie soll ursprünglich die Aufgabe erfüllen, die später dem Widerspruch zukommt.

Lit.: Köbler, DRG 212; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Günther, P., Die historische Entwicklung der Vormerkung, Diss. jur Bielefeld 2000; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Vormund (Wort um 950 belegt) ist, wer durch Anordnung des Vormundschaftsgerichts zu der Führung einer amtlich verordneten, verwaltenden Fürsorgetätigkeit für Minderjährige (bzw. Frauen und entmündigte Volljährige) bestellt ist. Der V. (lat. (M.( tutor) ist dem römischen wie wohl auch dem germanischen Recht bekannt, doch erscheint ahd. foramundo erst vereinzelt in dem 10. Jahrhundert Meist ist der nächste männliche Verwandte (Bruder, Vatersbruder u. s. w.) V. Er hat eine treuhänderische Gewalt über Person und Vermögen des Mündels und damit vor allem Rechte, muss aber für den Unterhalt sorgen. Bereits seit dem Frühmittelalter unterfällt er wegen der Missbrauchsgefahr einer von der Kirche geförderten öffentlichen Aufsicht (Obervormundschaft). Hieraus entwickelt sich in der Neuzeit das Vormundschaftsgericht. Die Vormundschaft endet mit der Volljährigkeit. Der Codex Maximilianeus Bavaricus civilis verlegt die vormundschaftlichen Rechte der Familie teilweise auf den Staat, worin das Allgemeine Landrecht Preußens 1794 folgt., während der Code civil von 1804 den Familienrat entscheidend sein lässt. 1875 erlässt Preußen eine besondere bahnbrechende Vormundschaftsordnung, die den Vormund weitgehend selbständig ein Amt unter Aufsicht des Staats ausüben lässt. Das Bürgerliche Gesetzbuch von 1900 bringt die Zulassung der Amtsvormundschaft und der Anstaltsvormundschaft und die Anerkennung der elterlichen Gewalt der Mutter über ihr Kind. Weitere Änderungen schaffen das Jugenwohlfahrtsgesetz von 1922 (Verallgemeinerung der Amtsvormundschaft über uneheliche Kinder), das Gleichberechtigungsgesetz von 1947, das Familienrechtsänderungsgesetz von 1961, das Nichtehelichengesetz von 1969, das Gesetz zu der Neuregelung des Rechtes der elterlichen Sorge von 1979 und das Betreuungsgesetz von 1999, das die Entmündigung mit anschließender Vormundschaft abschafft. Seit 1. 1. 1992 gibt es in Deutschland statt der Vormundschaft über Volljährige die →Betreuung. Ein besonderer Familienrat wird 1979 gestrichen. Das besondere Vormundschaftsgericht endet mit dem FGG-Reformgesetz von 2008. In Österreich ist mit dem Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsänderungsgesetzes 2001 (BGBl. I 2000, 135) die 1970 auch für die Frau eröffnete Vormundschaft beseitigt und durch die Obsorge einer anderen geeigneten Person ersetzt, wobei Amtsobsorgeschaft des Jugendwohlfahrtsträgers nur für in dem Inland gefundene Kinder unbekannter Eltern vorgesehen ist.

Lit.: Kaser §§ 62, 63; Söllner §§ 8, 11; Hübner § 100; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 36, 88, 121, 160, 210, 268; Kraut, T., Die Vormundschaft, Bd. 1f. 1835ff. ; Rive, F., Geschichte der deutschen Vormundschaft, Bd. 1ff. 1862ff. ; Schlüter, R., Das Vormundschaftsrecht in den Kodifikationen, 1961; Tetzlaff, W., Der Kaiser als Obervormund, Diss. jur. Frankfurt am Main 1965; Pelz, F., Die Vormundschaft in den Stadt- und Landrechtsreformationen, 1966; Kranz, E., Die Vormundschaft im mittelalterlichen Lübeck, Diss. jur. Kiel 1967; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 357; Taupitz, J., Von der entrechtenden Bevormundung zur helfenden Betreuung, JuS 1992, 1; Signori, G., Geschlechtsvormundschaft und Gesellschaft, ZRG 116 (1999), 119; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Vormundschaft (Wort um 950 belegt)→Vormund, (lat. [F.] tutela)

L.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Heider, M., Die Geschichte der Vormundschaft seit der Aufklärung, 2011

Vorname ist in dem deutschen Bereich der ursprünglich alleinige →Name des Menschen, der seit dem Übergang von dem Frühmittelalter zu dem Hochmittelalter wegen der allgemeinen Verdichtung allmählich um den Familiennamen ergänzt wird (Venedig seit 9. Jahrhundert), der sich seit dem 18. Jahrhundert zunehmend in den Vordergrund schiebt und etwa in der Bibliographie Vorrang vor dem weniger Unterscheidungskraft aufweisenden Vornamen hat.

Vorparlament ist die Versammlung zu der Vorbereitung eines Parlaments (z. B. Frankfurt am Main 1848).

Lit.: Nipperdey, T., Deutsche Geschichte, 1983, 606

Vorrang des Gesetzes ist der Vorrang des formellen Gesetzes vor jeder anderen staatlichen Willenserkärung seit dem 19. Jahrhundert

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Köbler, DRG 199

Vorrecht (N.) Sonderrecht, Privileg

Vorsate →Vorsatz

Lit.: Löning, G., Vorsate und vorrat, ZRG GA 61 (1941), 266

Vorsatz (Wort um 1250 belegt, lat. (M.( dolus) ist in dem Strafrecht der Wille zu der Verwirklichung eines Straftatbestands in Kenntnis all seiner Tatumstände, in dem Privatrecht das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs in dem Bewusstsein der Rechtswidrigkeit. Der V. ist so alt wie das menschliche Verhalten. Als solcher erfasst wird er von der römischen und der neuzeitlichen Wissenschaft. Diese stellt dem V. die →Fahrlässigkeit gegenüber.

Lit.: Köbler, DRG 158, 204, 264; Löffler, A., Die Schuldformen des Strafrechts, Bd. 1 1895; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Vorsprecher →Fürsprech, Fürsprecher

Vortäuschen einer Straftat (Vortäuschung einer Straftat) ist der 1913 in die Diskussion eingebrachte, 1943 gesetzlich festgelegte Straftatbestand des deutschen Strafrechts, nach dem sich jemand dadurch strafbar macht, dass er eine nicht vorhandene Straftat vortäuscht.

Lit.: Bernhard, L., Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165 StGB) und Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB), 2003

Vorurteil ist das dem Urteil zeitlich vorausliegende Urteil und zwar auch in dem Sinne einer eine Meinung bestimmenden oder ein Urteil prägenden, oft nicht geäußerten Lebenserfahrung. In dem Recht ist die vorgefasste Meinung grundsätzlich rechtswidrig. Sie lässt sich allerdings selten nachweisen.

Lit.: Horaczek, N./Wiese, S., Handbuch gegen Vorurteile, 2011

Vorverfahren ist ein einem eigentlichen Verfahren zeitlich vorangehendes Verfahren (z. B. Inquisition in dem spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Inquisitionsprozess). Es dient der Vorbereitung oder Entlastung. In der Gegenwart muss es rechtsstaatliche Anforderungen erfüllen.

Lit.: Köbler, DRG 117, 263

Vorvertrag ist der auf Abschluss eines Vertrags gerichtete, vorbereitende →Vertrag. Er ist dem römischen Recht bereits bekannt. Er ist gegebenenfalls formbedürftig. Die Verletzung von vor Abschluss eines Vertrags bestehenden Aufklärungspflichten und Sorgfaltspflichten verpflichtet bei →culpa in contrahendo (Verschulden bei Vertragsschluss, Ihering 1861) zu Schadensersatz.

Lit.: Kaser § 39 I 2; Wabnitz, B., Der Vorvertrag, Diss. jur. Münster 1962

Vorzensur (F.) vorherige →Zensur

votum (N.) ad imperatorem (lat.) Vorlage bei dem Kaiser

Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973, 346

Vsehrdy, Viktorin Cornelius von (um 1460-1520), Bürgerssohn, wird nach dem artistischen Studium in Prag Artist, 1493 stellvertretender Schreiber des Königreichs →Böhmen. Seit 1495 verfasst er Neun Bücher über die Rechtsordnung des Landes Böhmen. Nach 1501 überarbeitet er dieses bedeutende Werk nochmals.

Lit.: Vsehrdy, V., O právích zeme ceské knihy devatery, hg. v. Jirecek, H., 1874

Vulgarrecht ist das spätantike weströmische Recht (3.-5. Jahrhundert). Es ist gekennzeichnet durch die durchaus nicht von dem Volk, sondern den führenden Schichten ausgehende teilweise propagandistisch bedingte, vulgare Haltung (str.). Sie zeigt sich in einfachem, unverhülltem Zweckstreben, in bildhafter Anschaulichkeit und in gefühlsbetonter rhetorisierter Moralität. Die klassische rechtswissenschaftliche Begrifflichkeit (z. B. dominium, possessio) verfällt (str.). Demgegenüber wird sie in dem Osten von →Justinian (527-565) restauriert. Vulgarrechtliche Quellen sind etwa die (lat.) →sententiae (F.Pl.) Pauli, die →regulae (F.Pl.) Ulpiani, die →res (F.Pl.) cottidianae, der →Gaius von Autun, die →Collatio (F.) legum Mosaicarum et Romanarum, die →Consultatio (F.) cuiusdam veteris iurisconsulti, die →interpretationes (F.Pl.) oder die romanistischen →Volksrechte der Westgoten, Burgunder und Ostgoten (str.).

Lit.: Kaser §§ 1 II, 2 II, 3 III; Söllner § 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 52, 62; Levy, E., West Roman Vulgar Law, 1951; Wieacker, F., Vulgarismus und Klassizismus im Recht der Spätantike, SB. d. Akad. d. Wiss. Heidelberg 1953; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956; Stühff, G., Vulgarrecht im Kaiserrecht, 1966; Schmidt, H., Die Vulgarrechtsdiskussion, (in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 1; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Vandendriessche, S., Possessio und dominium im postklassischen römischen Recht, 2006

Vulgarsubstitution ist in dem römischen Recht die Einsetzung eines Ersatzerben für den einfachen Fall, dass der an erster Stelle Eingesetzte nicht Erbe wird. Die regelmäßige V. steht in Gegensatz zu der Pupillarsubstitution, bei der einem unmündigen (lat. (M.() suus (pupillus) (Hauserben) für den Fall, dass er als Unmündiger sterben sollte, ein Ersatzerbe eingesetzt wird.

Lit.: Kaser § 68 II 5a; Söllner § 11

Vulgata →Vulgathandschrift

Vulgathandschrift (F.) Handschrift einer meistgebrauchten Fassung eines Textes (z. B. der →Digesten)

Lit.: Söllner § 22

W

Waadt (Vaud, „Wald“) ist das Gebiet zwischen Jura, Genfer See (nördlich des Genfer Sees), Alpen und Saarne, das über Römer, Burgunder und Burgund 1032 zu dem deutschen Reich gelangt. Nach 1218 gerät es unter den Einfluss der Grafen von Savoyen. 1536 fällt es an Bern. 1616 erhält die W. ein eigenes Landrecht. An dem 30. 3. 1798 wird die W. Kanton der Helvetischen Republik, 1803 der →Schweiz. Die Verfassung der W. stammt von 1885.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Champeaux, E., Le coutumier vaudois de Quisard, 1930; Chapuis, M., Recherches sur les institutions politiques, 1940; Ammann, H., Über das waadtländische Städtewesen, Schweizerische Zs. für Geschichte 4 (1954), 1; Poudret, J., La succession testamentaire dans le pays de Vaud, 1955 (Diss. Lausanne); Bercher, J., Approche systématique de l’ancien droit privé vaudois, 888-1250, 1963; Anex, D., Le servage au pays de Vaud, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,464, 3,2,1870; Walliser, P., Das Bürgschaftsrecht, 1974; Les sources du droit du canton de Vaud, Bd. 1ff. 1972ff.; Hubler, L., Histoire du Pays de Vaud, 1991

Waal (M., zu lat. aqualis, Adj. Wasser betreffend?) ist ein landwirtschaftlicher Bewässerungsgraben in dem Vintschgau in Südtirol. Möglicherweise wurden die Waale in dem 12. Jahrhundert angelegt. Ihre arbeitsaufwendige Verwaltung erfolgt genossenschaftlich unter Leitung eines Waalmeisters.

Lit.: Bodini, G., Südtiroler Waalwege, 1996

Wachszins (M.) Zins in Bienenwachs

Wächter, Carl Joseph Georg Sigismund (Marbach/Neckar 24. 12. 1797-Leipzig 15. 01. 1880), Beamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen und Heidelberg (Thibaut) Richter, außerordentlicher Professor (Tübingen 1817) und ordentlicher Professor (Tübingen 1822, Leipzig 1833, Tübingen 1836), 1851 Präsident des Oberappellationsgerichts in Lübeck und 1852 nochmals Professor in Leipzig. Neben einem Lehrbuch zu dem Strafrecht veröffentlicht er seit 1839 ein unvollendetes Handbuch des in dem Königreich →Württemberg geltenden Privatrechts und 1841 eine wichtige Abhandlung zu dem internationalen Privatrecht.

Lit.: Wächter, P. v., Carl Georg von Wächter, 1891; 500 Jahre Eberhard-Karls-Universität Tübingen, hg. v. Decker-Hauff, H. u. a., Bd. 1 1977; Sandemann, N., Grundlagen und Einfluss der internationalprivatrechtlichen Lehre, Diss. jur. Münster 1979; Laufs, A., Das wirklich geltende, durch den allgemeinen Willen gesetzte Recht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Jungemann, L., Carl Georg von Wächter, 1999; Zwischen Romanistik und Germanistik, hg. v. Kern, B., 2000; Mauntel, C., Carl Georg von Wächter (1797-1880), 2004

wadiare (lat.-afrk.) wetten, versprechen

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Wadiatio

Lit: Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1

wadium (lat.-afrk. (N.() Wette, Versprechen, Pfand

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Waffe ist jeder Gegenstand, der seiner Art nach dazu geeignet ist, Widerstand durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden. Die W. ist bedeutsam in dem Kampf. Sie erleichtert auch Unrechtserfolge. Deshalb wird der Waffengebrauch bereits seit dem Frühmittelalter allmählich eingeschränkt. Seit der Neuzeit bedarf er vielfach behördlicher Erlaubnis und kann strafschärfend wirken.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Fehr, H., Das Waffenrecht der Bauern, ZRG GA 35 (1914), 111, 38 (1917), 1; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Krogmann, W., Mit Wehr und Waffen, ZRG GA 83 (1966), 280; Feinstein, A., Waffenhandel, 2012; Pöhlmann, M., Der Panzer und die Mechanisierung des Krieges, 2015

Wagatsuma, Sakae (1897-1973) wird nach dem Rechtsstudium (Hatoyama) 1922 außerordentlicher Professor in Tokio und nach soziologischem Studium in Chicago und Berlin 1927 ordentlicher Professor. In zwei unvollendet gebliebenen Werken (Der Primat des Forderungsrechts, 1927ff., Minpô kôgi, 1933) versucht er eine vorbildliche Verbindung von Systematik und Soziologie. Bei der Abschaffung des japanischen Haussystems nach dem zweiten Weltkrieg wirkt er maßgeblich mit.

Lit.: Hôritsugaku to watashi, hg. v. Toshitani, N. u. a., 1967, 1; Wagatsuma, H./Bai, K., Wagatsuma Sakae-sensei no hito to sokuseki, 1993

Wahl ist die Berufung eines Menschen zu einer Aufgabe durch Abstimmung. Sie findet sich bereits in dem Altertum. In der Kirche werden Papst, Bischof, Abt und Pfarrer vielfach gewählt. In dem Mittelalter werden König, Bürgermeister, Ratsherren, Schöffen, Rektoren oder Dekane durch Wahlen bestimmt. Dabei wird anfangs meist von der Einstimmigkeit ausgegangen. Seit dem 12. Jahrhundert ist eine Entwicklung zur Aufwertung der Einzelstimme erkennbar, die letztlich zu der Anerkennung des Mehrheitsgrundsatzes führt. In dem 19. Jahrhundert (vor allem ab 1848) entsteht allmählich die geheime (nicht zuletzt dem Schutz von Arbeitnehmern dienende), gleiche, allgemeine und unmittelbare W. (mit Wahlprüfungsverfahren) (Frankreich, Griechenland, 1871 Deutsches Reich, 1890 Spanien, 1905 Finnland, 1907 Norwegen, 1909 Schweden, 1912 Italien), zu der später auch die Frau zugelassen wird (Frauenwahlrecht z. B. Australien 1902, Österreich 1918, Deutsches Reich 1919, England 1928, Frankreich 1944). Geregelt wird die W. in besonderen Wahlgesetzen oder Wahlordnungen. Unterschieden werden dabei hauptsächlich Mehrheitswahlrecht und Verhältniswahlrecht. Rechtstatsächlich werden Zwecks Erhöhung der Wahlbeteiligung wird in dem späteren 20. Jahrhundert die Briefwahl zugelassen (Deutschland Bundestagswahl 1957). Wahlen in der Gegenwart vorrangig in dem Fernsehen entschieden, weshalb die besten Aussichten hat, wer sich in dem Fernsehen besonders einnehmend darstellen kann und grundsätzlich niemand gegen die Mehrheit der vielfach verdeckt handelnden meinungsbildenden Medien bestimmenden Einfluss auf die Erörterung von Sachfragen zu gewinnen vermag. Über Rechtsstreitigkeiten bei Wahlen entscheiden letztlich meist Gerichte (Österreich Reichsgericht, 1920 Verfassungsgerichtshof, Wahlgerichtsbarkeit).

Lit.: Köbler, DRG 18, 83, 109, 194, 225, 230, 257; Köbler, WAS; Gerlach, H. v., Die Geschichte des preußischen Wahlrechts, 1908; Hoyer, E., Die Selbstwahl vor, in und nach der Goldenen Bulle, ZRG GA 42 (1921), 1; Vollrath, W., Der parlamentarische Kampf um das preußische Dreiklassenwahlrecht, Diss. jur. Jena 1931; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938, 2. unv. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Schlotterose, B., Die Ratswahlen, Diss. phil. München 1953 masch.schr.; Boyer, L., Wahlrecht in Österreich, Bd. 1 1961; Kurze, D., Pfarrerwahlen im Mittelalter, 1966; Milatz, A., Wähler und Wahlen in der Weimarer Republik, 2. A. 1968; Die Wahl der Parlamente und anderer Staatsorgane, Bd. 1 Europa, hg. v. Sternberger, D. u. a., 1969; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Reisinger, R., Die römisch-deutschen Könige und ihre Wähler 1198 bis 1273, 1977; Castorph, B., Die Ausbildung des römischen Königswahlrechtes, 1978; Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz, Bd. 1f. 1979; Gaudemet, J., Les elections dans l’église, 1979; Reuling, U., Die Kur in Deutschland und Frankreich, 1979; Mackie, T./Rose, R., The international Almanac of Electoral History, 2. A. 1982; Lapp, P., Wahlen in der DDR, 1982; Ritter, G./Niehus, M., Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland, 1987; Wahlen und Wähler im Mittelalter, hg. v. Schneider, R. u. a., 1990; Ritter, G./Niehus, M., Wahlen in Deutschland, 1991; Rohe, K., Wahlen und Wählertraditionen, 1992; Lässig, S., Wahlrechtskampf und Wahlreform in Sachsen, 1996; Wahlen und Wahlkämpfe in Deutschland, hg. v. Ritter, G., 1996; Nadig, W., Ardet ambitus, 1997; Rosenbusch, U., Der Weg zum Frauenwahlrecht in Deutschland, 1998; Yakobson, A., Elections and Electioneering in Rome, 1999; Strafjustiz und DDR-Unrecht. Dokumentation, hg. v. Marxen, K. u. a., Band 1 Wahlfälschung, 2000; Müller, J., Symbol 89 – Die DDR-Wahlfälschungen, 2001; Wahlen und Wahlrecht, 2001; Hartenstein, W., Dem Wähler auf der Spur, 2002; Arsenschenk, R., Der Kampf um die Wahlfreiheit im Kaiserreich, 2003; Nanninga, F., Wählen in der Reichsgründungsepoche, 2004; Funk, R., Die Wahlprüfung, 2005; Hägele, G./Pukelsheim, F., Die Wahlsysteme des Nicolaus Cusanus, SB. bay. Ak. d. Wiss. 2001-2003, 2004, 103; Wahl und Krönung in Zeiten des Umbruchs, hg. v. Pelizaeus, L., 2008; Technik und Symbolik vormoderner Wahlverfahren, hg. v. Dartmann, C. u. a., 2010; Hundert Jahre allgemeines und gleiches Wahlrecht in Österreich, hg. v. Simon, T., 2010; Mergel, T., Propaganda nach Hitler, 2010; Elections in Europe, hg. v. Nohlen, D. u. a., 2010; Voting for Hitler and Stalin - Elections under 20th Century Dictatorships, hg. v. Jesse, R. u. a., 2011; Magin, M., Wahlkampf in Deutschland und Österreich, 2012: Bader-Zaar, B., Einführung des Frauenwahlrechts – Großbritannien, Deutschland, Österreich und die USA im Vergleich, 2012; Richter, H., Moderne Wahlen, 2017; Wahlkorruption in der frühen Neuzeit, hg. v. Harivel, M. u. a. 2019

Wähler →Wahl

Wahlfeststellung ist die wahldeutige Verurteilung eines Täters aus zwei (oder mehr) Straftatbeständen, von denen zwar nur einer vorliegen kann, aber ungewiss ist, welcher von ihnen vorliegt. Die rechtsstaatlich fragwürdige W. wird in dem Deutschen Reich an dem 28. 6. 1935 zugelassen, nach 1945 aber grundsätzlich aufgegeben.

Lit.: Köbler, DRG 236

Wahlkapitulation ist seit dem Mittelalter die älteren Wahlversprechen folgende, in der Lage vor der Wahl naheliegende Zusage eines Bewerbers an die Wähler für den Fall der Wahl in ein Amt (z. B. Venedig 1192, Papstwahl 1352 [22. 9. 1695 verboten, allgemeines Verbot 20. Jahrhundert], Heiliges römisches Reich [deutscher Nation] 1292, vor allem seit 1519). Seit dem Westfälischen Frieden von 1648 vereinbaren die Kurfürsten in dem Namen der Reichsstände die 1711 (erfolglos) als ständige[, aber als solche von dem Kaiser nie bestätigte] W. gefasste W. (, die an dem Ende des 18. Jahrhunderts 314 Druckseiten umfasst).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 147; Musatti, E., Storia della promissione ducale, 1888; Siemsen, A., Kurbrandenburgs Anteil an den kaiserlichen Wahlkapitulationen von 1689 bis 1742, 1909; Iwand, Die Wahlkapitulationen, 1919; Haider, S., Die Wahlversprechen der römisch-deutschen Könige, 1968; Kleinheyer, G., Die kaiserlichen Wahlkapitulationen, 1968; Pick, E., Die Bemühungen der Stände um eine ständige Wahlkapitulation, 1969; Maier, K., Das Domkapitel von Konstanz, 1990; Empell, H., De eligendo regis vivente imperatore, ZNR 16 (1994), 11; Buschmann, A., Die Rechtsstellung des Kaisers, (in) Gedächtnisschrift H. Hofmeister, 1996, 89; Die Wahlkapitulationen der römisch-deutschen Kaiser 1519-1792, hg. v. Burgdorf, W., 2015 (17); Wahlkapitulationen in Europa, hg. v. Duchhardt, H., 2015; Burgdorf, W., Protokonstitutionalismus – Die Reichsverfassung in den Wahlkapitulationen, 2015

Wahlkindschaft (F.) Adoption

Wahlrecht ist objektiv die Gesamtheit der für eine →Wahl geltenden Rechtssätze und subjektiv das Recht zu wählen (aktives W.) oder gewählt zu werden (passives W.). In Rom werden die Magistrate der Republik gewählt, in dem deutschen Reich (grundsätzlich) die Könige, in der christlichen Kirche Bischöfe und Päpste. Anfangs soll der Grundsatz der Einstimmigkeit in dem Vordergrund gestanden haben. Vielleicht seit dem 13. Jahrhundert setzt sich von der Kirche her der Mehrheitsgrundsatz durch. In dem 19. Jahrhundert gilt in Preußen z. B. (bis 1918) das nach der Steuerleistung unterscheidende →Dreiklassenwahlrecht und sind in England nur etwa 5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung wahlberechtigt. Seit 1789, verstärkt seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wird in Frankreich (zunächst erfolglos) ein Familienwahlrecht gefordert. →Frauen erhalten das Wahlrecht in New Jersey 1776 (bis 1807), Pitcairn 1838, Wyoming 1869, Australien 1902, in Finnland 1906, in der Sowjetunion 1917, in dem Deutschen Reich 1919, in Großbritannien 1928, in Frankreich 1944, in Italien 1946, in der Schweiz 1971 und in Kuweit 2005. In Österreich setzt sich das allgemeine, gleiche, unmittelbare und geheime W. für Männer 1907 durch, für Frauen 1918.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Boyer, L., Wahlrecht in Österreich, Bd. 1 1961; Schenk, H., Die feministische Herausforderung, 3. A. 1983; Kritzer, P., Zur bayerischen Wahlrechtsreform von 1906, Z. f. bay. LG. 48 (1985), 719; Ruszoly, J., Zwischen ständischer Repräsentation und Volksvertretung, ZRG GA 107 (1990), 409; Weigand, R., Das kirchliche Wahlrecht im Dekret Gratians, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Spalinger, A., Die Proporzbewegung während der dritten Republik Frankreichs, 2003; Bavaj, R., Reform statt Revolution, HZ 278 (2004), 683; Simon-Holtorf, Geschichte des Familienwahlrechts in Frankreich (1871 bis 1945), 2004; Schmetterer, G., Das Wahlrecht der ersten Republik, 2009

Wahlschuld ist die bereits dem römischen Recht bekannte Art der Schuld, bei der mehrere Leistungen in der Weise geschuldet werden, dass (nach Wahl des Gläubigers oder in dem Zweifel des Schuldners nur die eine oder die andere zu bewirken ist (z. B. ein Schmuckstück oder der Wert in Geld). Geht einer Gegenstände der W. unter, schränkt sich die Wahl entsprechend ein.

Lit.: Kaser § 34 III 1; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Wahnsinn ist die laienhafte Benennung der Störung der Geistestätigkeit. →Geisteskranker

Wahrheit ist der mit Gründen einlösbare und insofern haltbare Geltungsausspruch über einen Sachverhalt. Die W. ist eine wichtige Grundlage der Freiheit und Gerechtigkeit (lat. in veritate libertas), die der Lügner und Betrüger bewusst zu dem eigenen Vorteil und zu dem fremden Schaden verlässt. In Untersuchungsverfahren ist die Findung der W. Ziel des Verfahrens. Zeugen sind zu der W. verpflichtet. In der Gegenwart nehmen (in Deutschland) die zeitsparenden einvernehmlichen Konfliktlösungen zu Lasten der zeitaufwenidgen Beweisaufnahmen zu.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Schwinge, E., Verfälschung und Wahrheit, 1988; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 1992, 2. A. 1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Hofbauer, H., Verordnete Wahrheit, bestrafte Gesinnung, 2012; Kieninger, M., Narkoanalyse, 2011; Autorität und Wahrheit, hg. v. Potestà, G., 2012; Die Wahrheit in den Wissenschaften, hg. v. Kautek, W. u. a., 2015; Recht auf Wahrheit – Zur Genese eines neuen Menschenrechts, hg. v. Brunner, J. u. a., 2016; Foucault, M., Subjektivität und Wahrheit, 2016; Revault d’Allonnes, M., Brüchige Wahrheit – Zur Auflösung von Gewissheiten in demokratischen Gesellschaften, 2019

Währschaftsbuch ist seit dem Spätmittelalter die landschaftlich verbreitete Art des →Grundbuchs.

Lit.: Strippel, K., Die Währschafts- und Hypothekenbücher Kurhessens, 1914

Wahrschaubrief ist das seit dem 14. Jahrhundert in Nordosteuropa erscheinende, an Dritte gerichtete, mit der Wegnahme von Schiff und Gut in dem Fall der Unterstützung eines Feindes drohende Handelsverbot.

Lit.: Böhringer, K., Das Recht der Prise, Diss. jur. Fankfurt am Main 1970

Währung ist das in der Gegenwart meist gesetzlich geregelte Zahlungsmittel eines Gemeinwesens. In der Zuständigkeit eines Staates steht es, seine Währung zu gestalten (z. B. durch Aufwertung oder Abwertung (Währungsreform Deutsches Reich 20./21. 6. 1948(). Möglich ist auch eine Währungsunion mehrerer Staaten durch Vertrag (z. B. Währungsunion zwischen Bundesrepublik Deutschland und Deutscher Demokratischer Republik 1990, Europäische Währungsunion).

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Köbler, DRG 50, 224, 249; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986; Die kulturelle Seite der Währung, hg. v. Löffler, B., 2009

Waiblingen

Lit.: Widder, E., Waiblingen, 2005

Waise ist das teilweise (Halbwaise) oder gänzlich (Vollwaise) elternlose →Kind. Es erhält einen →Vormund. In der frühen Neuzeit werden Waisen teilweise mit Armen, Irren und Siechen gemeinsam untergebracht, teilweise aber auch besondere Häuser für Waisen (Waisenhäuser) eingerichtet (Preußen 1885 396 Waisenhäuser mit 19000 Waisen).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Graetz, H., Beiträge zur Geschichte der Erziehung der Waisen, 1888; Meumann, M., Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord, 1995; Krause, J., Witwen und Waisen im römischen Reich, 1995; Crespo, M., Verwalten und Erziehen, 2001; Waisenhäuser in der frühen Neuzeit, hg. v. Sträter, U., 2003; Kinder, Krätze, Karitas, hg. v. Veltmann, C. u. a., 2009

Waitz, Georg (Flensburg 9. 10. 1813-Berlin 25. 5. 1886) wird nach dem Studium von Recht und Geschichte in Kiel und Berlin Professor in Kiel (1842), Göttingen (1849) und Berlin (1875). Er leitet die (lat.) Monumenta (N.Pl.) Germaniae Historica (1875-1886). Seit 1844 veröffentlicht er eine achtbändige deutsche Verfassungsgeschichte.

Walachai ist das Gebiet zwischen Karpaten und Donau, in dem 1330 ein von Ungarn gelöstes Fürstentum entsteht. Seit 1415 wird die W. von den →Osmanen (Türken) abhängig. 1862 geht sie in →Rumänien auf.

Wald ist die mit Forstpflanzen bestückte Grundfläche einschließlich der Lichtungen und Waldwiesen. Der W. wird von dem Menschen in dem Altertum nur an dem Mittelmeer intensiv genutzt und dabei an vielen Stellen beseitigt. In dem Mittelalter wird er auch sonst durch Landesausbau bzw. Binnenkolonisation zurückgedrängt. Er ist teilweise königlich (→Forst), teilweise grundherrschaftlich und teilweise genossenschaftlich bzw. gemeinschaftlich. In dem 18. Jahrhundert beginnt eine moderne Waldwirtschaft als bürgerliche Selbstbehauptung gegen aristokratische Jagdnutzung und Waldnutzung der Bauern. In dem 19. Jahrhundert wird der W. vielfach in Einzeleigentum aufgeteilt. Das Betreten des Waldes ist Gemeingebrauch.

Lit.: Hoops, J., Waldbäume und Kulturpflanzen, 1905, Neudruck 1965; Merz, W., Die Waldungen der Stadt Zofingen, 1922; Weiß, L., Studien zur Geschichte der Zürcher Stadtwaldungen, 1924; Graner, F., Geschichte der Waldgerechtigkeiten im Schönbuch, 1929; Deck, S., Étude sur la Forêt d’Eu, 1929; Faesch, J., Die Waldrechte der Hubengenossenschaft Schwamendingen, 1931; Westermann, H., Die Forstnutzungsrechte, 1942; Erler, A., Bäuerliche Waldgerechtsame an der Schwanne im Odenwald, ZRG GA 65 (1947), 348; Hopf, C., Waldnutzung und Waldwirtschaft, Diss. jur. Jena 1952; Frank, G., Die rechtshistorische Entwicklung der Forstrechte im Chiemgau, Diss. jur. München 1957; Kieß, R., Die Rolle der Forsten im Aufbau des württembergischen Territoriums, 1958; Mager, F., Der Wald in Altpreußen als Wirtschaftsraum, 1960; Egli, J., Der Erlosenwald, 1963; Kern, H., Das Kirchspiel Altensteig, 1966; Brandl, H., Der Stadtwald von Freiburg, 1970; Wobst, A., Der Markwald, 1971; Wörlen, R., Waldeigentümergemeinschaften, 1981; Hasel, K., Forstgeschichte, 1986; Knöppel, V., Forstnutzungsrechte, Diss. jur. Marburg 1988; Der Wald, hg. v. Semmler, J., 1991; Epperlein, S., Waldnutzung, 1993; Küster, H., Geschichte des Waldes, 1998; Below, S. v., Wald, 1998; Die Waldordnungen des Erzstiftes Salzburg, hg. v. Pallauf, S. u. a. 2001; Demandt, A., Über allen Wipfeln, 2002; Rohland, S./Noack, H., das holz all der dorfer gemeyne, 2004; Grewe, B., Der versperrte Wald, 2004; Sperber, J., Angenommene, vorgetäuschte und eigentliche Normenkonflikte bei der Waldnutzung im 19. Jahrhundert, HZ 290 (2010), 681; Hölzl, R., Umkämpfte Wälder, 2010; Feest, C./Kron, C., Regenwald, 2015; Zechner, J., Der deutsche Wald, 2016; Bischof, D., Geschichte der Wald- und Forstgesetzgebung im Bundesland Schleswig-Holstein, 2016

Waldeck

Lit.: Weigel, D., Fürst, Stände und Verfassung im frühen 19. Jahrhundert, 1968; Erste Hilfe im Fürstentum Waldeck, hg. v. Barz, D., 2014; Pieper, L., Einheit im Konflikt – Dynastiebildung in den Grafenhäusern Lippe und Waldeck in Spätmittelalter und früher Neuzeit, 2019

Waldenser

Lit.: Auffarth, C., Die Ketzer, Katharer, Waldenser und andere, 2005; Schätz, H., Die Aufnahmeprivilegien, 2010

Wales ist die westliche Halbinsel Britanniens, auf der sich nach dem Abzug der Römer in dem 5. Jahrhundert britische →Kelten zu halten vermögen. 1091 kommt der Süden unter die Herrschaft Englands. 1277/1282/1284 wird das Gebiet ganz in →England eingegliedert. 1999 erhält W. eine eigene Versammlung mit beschränkten eigenen Rechten (ohne eigenen finanziellen Spielraum).

Lit.: Seebohm, F., The tribal system in Wales, 1904; The Welsh Law of Women, hg. v. Jenkins, D. u. a., 1980; Sager, P., Wales, 1985; The Law of Hywel Dda, hg. v. Jenkins, D., 1986; Davies, W., Welsh History in the Early Middle Ages, 2009; Watkin, T., The Legal History of Wales, 2012

Walkenried

Lit.: Urkundenbuch des Klosters Walkenried, bearb. v. Dolle, J., Bd. 1f. 2002ff.

Wallfahrt

Lit.: Wallfahrt und Volkstum in Geschichte und Leben, hg. v. Schreiber, G., 1934; Wallfahrt und Recht im Abendland, 1987; Die Wilsnackfahrt, hg. v. Escher, F. u. a., 2006; Wallfahrten in der europäischen Kultur, hg. v. Dolezal, D. u. a., 2006; Pilgerreisen in Mittelalter und Renaissance, hg. v. Haupt, B. u. a., 2006; Wallfahrt und Reformation, hg. v. Hrdina, J. u. a., 2007; Schauta, M., Die ersten Jahrhunderte christlicher Pilgerreisen, 2008; Ikari, Y., Wallfahrtswesen in Köln, 2009; Brumme, C., Das spätmittelalterliche Wallfahrtswesen im Erzstift Magdeburg, im Fürstentum Anhalt und im sächsischen Kurkreis, 2010

Wallis ist der um das 1032 an das deutsche Reich gelangte oberste Tal der Rhone gebildete, in dem Südosten des Genfer See(e)s gelegene, zugewandte Ort (1475) bzw. Kanton (1814) der →Schweiz.

Lit.: Heusler, A., Rechtsquellen des Cantons Wallis, 1890; Stebler, F., Ob den Heidenreben, 1901; Stebler, F., Das Goms, 1903; Grenat, P., Histoire moderne du Valais, 1904; Liebeskind, W., Bischof Walters II. auf der Flüe Landrecht und Gerichtsordnung, 1930; Kämpfen, W., Ein Burgerrechtsstreit im Wallis, 1942; Werra, R. v., Die Vormundschaft über Unmündige nach dem Rechte der alten Landschaft Wallis, Blätter aus der Walliser Geschichte 2 (1953), 165; Niederer, A., Gemeinwerk im Wallis, 1956; Partsch, G., Das Mitwirkungsrecht der Familiengemeinschaft im älteren Walliser Recht, 1955; Carlen, L., Das Landrecht des Kardinals Schiner, 1955; Carlen, L., Rechtsaltertümer aus dem Wallis, 1967; Carlen, L., Gericht und Gemeinde im Goms, 1967; Carlen, L., Beiträge zur Walliser Rechtsgeschichte, 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,465, 3,2,1886; Sulser, M., Die Zivilgesetzgebung des Kantons Wallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1976; Julen, T., Das Bürgerrecht im Oberwallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1978; Carlen, L., Kultur des Wallis 1500-1800, 1984; Carlen, L., Näherrechte im Wallis, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 52; Troger, T., Geschichte der Verfassung des Kantons Wallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland, 1987; Carlen, L., Walliser Rechtsgeschichte, 1993 (Aufsätze); Carlen, L., Das Wallis vor 150 Jahren, Bll. aus der Walliser Geschichte 31 (1999), 77; Schnyder, C., Reformation und Demokratie im Wallis (1524-1613), 2002

Wallonien (französischsprachiges Gebiet Belgiens)

Walser ist der seit dem 13. Jahrhundert aus dem →Wallis ausgewanderte, in dem Süden, in Graubünden und in Vorarlberg (z. B. Kleines Walsertal) zu ziemlich freiem Recht angesiedelte, katholische Alemanne.

Lit.: Branger, E., Rechtsgeschichte der freien Walser in der Ostschweiz, 1905; Liver, P., Mittelalterliches Kolonistenrecht und freie Walser in Graubünden, 1943; Ilg, K., Die Walser in Vorarlberg, Bd. 1f. 1948ff.; Balmer, E., Die Walser im Piemont, 1949; Kreis, H., Die Walser, 1958; Zinsli, P., Walser Volkstum, 6. A. 1991; Rizzi, E., Geschichte der Walser, 1993; Bündner Urkundenbuch, Bd. 2 (neu) 1200-1272), 2004

Walter von Coutances ist der um 1170 in Paris wirkende, 1185 zu dem Erzbischof von Rouen und 1191 zu dem Regenten des angevinischen Großreichs aufgestiegene Kanonist englischer Herkunft. (Tractatum de iudiciis (Traktat von den Gerichten).

Lit.: Landau, P., Walter von Coutances und die Anfänge der anglo-normannischen Rechtswissenschaft, Panta rei, hg. v. Condorelli, O., 2004, 183

Walther ([Walter] zu Walthersweil), Bernhard (Leipzig 1516-Graz 5. 12. 1584), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig, Bologna (Alciat) und Pavia 1540 Professor in Wien, 1547 Rat in Niederösterreich und 1564 Kanzler in den innerösterreichischen Ländern. In seinen der Anleitung herrschaftlicher Tätigkeiten dienenden, 1716 gedruckten Traktaten (lat. [M.] Aurei tractatus iuris Austriae, goldene Traktate des Rechtes Österreichs 1552-1558) gibt er eine Darstellung der Verbindung von einheimischem und ergänzendem römischem Recht.

Lit.: Köbler, DRG 143; Baltl/Kocher; Bernhard Walthers privatrechtliche Traktate, hg. v. Rintelen, M., 1937; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 39, 369

Wandale →Vandale

Wandlung (Wort in allgemeinerer Bedeutung um 790 belegt) ist die Rückgängigmachung des Kaufes wegen eines Mangels der Kaufsache. Sie entstammt der Tätigkeit der kurulischen Ädile als Marktaufseher in Rom, die beim Kauf von Sklaven und später auch Zugtieren bei gewissen Mängeln innerhalb kurzer Fristen dem Käufer nach seiner Wahl entweder die Rückgewährung des Kaufpreises gegen Rückgabe der Kaufsache (lat. →actio (F.( redhibitoria) oder die Minderung (lat. →actio (F.( quanti minoris) des Kaufpreises verheißen. Seit dem Spätmittelalter wird die W. aus dem römischen Recht aufgenommen, in Deutschland aber 2002 durch den Rücktritt ersetzt.

Lit.: Kaser § 41 VI; Söllner § 9; Hübner; Köbler, DRG 46, 165, 215; Lederle, R., Mortuus redhibetur, Diss. jur. Mannheim 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Wannseekonferenz ist die in der Villa Marlier an dem Wannsee in Berlin an dem 20. 1. 1942 unter Reinhard Heydrich durchgeführte, ein Protokoll der Besprechung über die Endlösung der Judenfrage hinterlassende, in ihrer Bedeutung unterschiedlich eingeordnete Konferenz über die Organisation der beschlossenen Vernichtung der Juden mittels Deportation in den Osten, der zwei weitere Konferenzen in dem März und Oktober 1942 folgen.

Lit.: Roseman, M., Die Wannsee-Konferenz, 2002; Die Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942, hg. v. Kampe, N. u. a., 2013; Longerich, P., Wannseekonferenz, 2016

Wappen ist seit dem 16. Jahrhundert die Bezeichnung für das in dem 12. Jahrhundert entstehende, seit dem 13. Jahrhundert individualisierte farbige Erkennungszeichen des gerüsteten und damit unkenntlich gewordenen Ritters. →Adler, Heraldik

Lit.: Siebmacher, J., Großes und allgemeines Wappenbuch, neu hg. 1854ff., Neudruck 1970ff.; Seyler, G., Geschichte der Heraldik, 1885ff., Neudruck 1970; Hauptmann, F., Das Wappenrecht, 1896; Beck, E., Grundfragen der Wappenlehre, 1931; Demandt, K./Renkhoff, O., Hessisches Ortswappenbuch, 1956; Zier, H., Wappenbuch des Kreises Bühl. 1964; Wappenfibel, 15. A. 1967; Neubecker, O./Rentzmann, W., Wappen-Bilder-Lexikon, 1974; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Waldner, H., Die ältesten Wappenbilder, 1992; L’Armorial Bellenville, hg. v. Pastoureau, M. u. a., 2004; Jäckel, D., Der Herrscher als Löwe, 2005; Scheibelreiter, G., Wappenbild und Verwandtschaftsgeflecht, 2009; Scheibelreiter, G., Wappen im Mittelalter, 2014; Seibold, G., Der Wappenbrief – Ein Kompendium, 2019

Ware (Wort um 900 belegt) ist die bewegliche, von dem Kaufmann veräußerte Sache. →Kauf, →Handelsrecht

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Warenmarke ist die →Marke für eine →Ware. In dem 19. Jahrhundert wird das Recht der W. gesetzlich geregelt (Deutsches Reich 1874 Markenschutzgesetz, Gesetz über den Markenschutz). Eine europäisierende, das Warenzeichengesetz zu dem 31. 12. 1994 ablösende Neugestaltung (Marke) erfolgt zu dem 1. 1. 1995.

Lit.: Kohler, J., Das Recht des Markenschutzes, 1884; Müller, K., Ein Warenzeichenschutzprozess um 1500 (Schwäbisch Gmünd), ZRG GA 55 (1935), 244; Ilgenfritz, H., Das Warenzeichenrecht der Stadt Nürnberg, 1954; Deutsch, E., Sortenname und Warenzeichen, Diss. jur. Heidelberg 1953; Wadle, E., Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, Bd. 1f. 1977ff.; Henning-Bodewig, F./Kur, A., Marke und Verbraucher, Bd. 1f. 1988

Warenzeichen →Warenmarke

wargus (lat.-germ. [M.]) Würger, Wolf, Verbrecher

Lit.: Unruh, G. v., Wargus. Friedlosigkeit und magisch-kulturelle Vorstellungen bei den Germanen, ZRG GA 74 (1954), 1; Jacoby, M., wargus, 1974; Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991, 472

Warnkönig, Leopold August (1794-1866), Steuereinnehmerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (Heise, Thibaut, Zachariä) und Göttingen (Hugo) 1817 Professor in Lüttich, 1821 in Löwen, 1831 in Genf, 1836 in Freiburg im Breisgau und 1844 in Tübingen. 1835ff. legt er eine dreibändige flandrische Staats- und Rechtsgeschichte, 1845 eine dreibändige französische Staats- und Rechtsgeschichte vor. Er bringt damit das Gedankengut der historischen Rechtsschule nach Belgien.

Lit.: Wild, G., Leopold August Warnkönig, 1961

Warren, Earl (1891-1974), skandinavischer Herkunft, wird nach dem Rechtsstudium in Kalifornien 1914 Anwalt, 1919 Staatsanwalt, 1946 Gouverneur und 1953 Vorsitzender des amerikanischen Supreme Court. 1954 verfasst er das die Rassentrennung in öffentlichen Schulen für verfassungswidrig erklärende, einstimmig gefällte Urteil. Auch in anderen bedeutsamen Entscheidungen sichert er Freiheit und Gleichheit.

Lit.: Pollack, J., Earl Warren, 1979; White, G., Earl Warren, 1982

Warschau an der mittleren Weichsel wird 1241 als Siedlung erwähnt. Es erhält wohl vor 1339 Stadtrecht. Ab 1596 ist es Sitz des Königs von →Polen. 1815 erhält es in dem mit Russland in Personalunion vereinigten Königreich Polen (Kongresspolen) eine Universität. 1943/1944 wird W. weitgehend zerstört, danach aber wieder aufgebaut.

Lit.: ; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2 2107,2111, 3,3,3506,3508; Huber, W., Warschau, 2005; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007, Roth, M./Löw, A., Das Warschauer Getto, 2013; Popiołek-Roßkamp, M., Warschau – Ein Wiederaufbau, der vor dem Kreig begann, 2020

Wartburgfest ist das nationalliberal geprägte Treffen von etwa 500 Vertretern deutscher Universitäten (darunter viele Jenaer Studenten) an dem 18. 10. 1817 auf der Wartburg bei Eisenach, an dessen Ende konservative Schriften und der Code Napoléon verbrannt werden. Daraufhin verbietet Preußen studentische Verbindungen an den Universitäten.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Tümmler, H., Ein Haufen verwilderter Professoren, 1974; Badstübner, E., Die Wartburg, 1994; Das Wartburgfest, hg. v. Dedner, B., 1994; 200 Jahre Wartburgfest, hg. v. Lönnecker, H. u. a., 2019

Wartrecht →Erbenwartrecht, →Näherrecht

Was dem einen recht ist, das ist dem anderen billig.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 274 (Franck 1541)

Wasser ist die für das irdische Leben bedeutsamste Flüssigkeit. Schon früh werden große Gewässer der Allgemeinheit bzw. später dem Staat, kleine Gewässer mit dem angrenzenden Grundstück Einzelnen zugeordnet. Seit dem 19. Jahrhundert wird das W. nach mittelalterlich-städtischen Anfängen immer stärker rechtlich erfasst (Teil des deutschen Privatrechts), gesetzlich geregelt (preußisches Allgemeines Landrecht von 1794, Landeswassergesetze, Wasserverbandverordnung von dem 3. 9. 1937, Wasserhaushaltsgesetz 27. 7. 1959/1960, vgl. auch die Arbeiten des Ausschusses für Wasserrecht zwischen 1934 und 1941 in dem Rahmen der Akademie für deutsches Recht) und als schützenswertes Umweltgut angesehen. In dem Mittelalter ist die Wasserprobe eine Form des Gottesurteils. →Meer, →Mühle, →Stromregal

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 205; Ossig, A., Römisches Wasserrecht, 1885; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Geffcken, H., Zur Geschichte des deutschen Wasserrechts, ZRG GA 21 (1900), 173; Peterka, O., Das Wasserrecht der Weistümer, 1905; Aström, A., Über das Wasserrecht in Nord- und Mitteleuropa, 1905; Zollinger, K., Das Wasserrecht der Langeten, 1906; Georgi, O., Der sächsische Entwurf eines Wassergesetzes, 1907, Neudruck 2013; Motzfeldt, U., Den norske Vasdragsrets Historie, 1908; Köttgen, A., Grundprobleme des Wasserrechts, 1925; Flachsbarth, O., Geschichte der Goslarer Wasserwirtschaft, 1928; Haff, K., Ein verschollenes Wasserrechtsweistum, ZRG GA 52 (1932), 336; Haff, K., Über die alten Wasserrodegenossenschaften im Etschtale, ZRG GA 58 (1938), 810; Beeg, H., Die Entwicklung des Wasserkraftrechts vom 14. bis zum 19. Jahrhundert, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971; Breuer, R., Öffentliches und privates Wasserrecht, 2. A. 1987; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Benning, R., Die Verwaltung der Wasserstraßen, Diss. jur. Bonn 1994; Sieder, F. u. a., Kommentar zum Wasserhaushaltsgesetz, 3. A. 1995; Olmer, B., Wasser, 1998; Geißler, K., Die öffentliche Wasserversorgung im römischen Recht, 1998; Rönnau, C., Die Beratungen des Wasserrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht zu einem Reichswassergesetz (1934-1941), 2001; Ausschuss für Wasserrecht 1934-1941, hg. v. Schubert, W. u. a., 2004; Weber, A., Die Entstehung des Wasserhaushaltsgesetzes vom 27. 7. 1957, 2005; Behrens, C., Die Wassergesetzgebung im Herzogtum Braunschweig, 2009; Seckel, F., Zur Geschichte des Gewässerschutzrechts in Sachsen, 2010; Stippak, M., Beharrliche Provisorien - Städtische Wasserversorgung, 2010; Rauchegger, A., Der Homo aquamportans (!), 2014; Wasserinfrastrukturen und Macht von der Antike bis zur Gegenwart, hg. v. Förste, B. u. a., 2015; Wasser in der mittelalterlichen Kultur, hg. v. Huber-Rebenich, G. u. a., 2017; Wasser – Wege – Wissen auf der iberischen Halbinsel, hg. v. Czeguhn, I. u. a., 2018; Instandhaltung und Renovierung von Straßen und Wasserleitungen von der Zeit der römischen Republik bis zur Spätatike, hg. v. Ronin, M. u. a., 2019; Straub, N., Die Entwicklung des Wasserrrechts in Preußen im 19. Jahrhundert, 2019

Wasserburg

Lit.: Burkard, T., Wasserburg und Kling, 1965

Wasserzeichen ist das von dem Papierhersteller bei der Papierherstellung erzeugte Kennzeichen seines Papiers. S. , Online-Datenbanken Wasserzeichen des Mittelalters und Piccard-Online

Lit.: Weiß, W., Thüringer Papiermühlen und ihre Wasserzeichen, 1953; Die Kronen-Wasserzeichen, bearb. v. Piccard, G., 1961; Ochsenkopf und Meerjungfrau, red. v. Rückert, P., 2006; Wasserzeichen und Filigranologie, hg. v. Rückert, P. u. a., 2011

Waterrecht ist die gotländische Fortführung der flämischen →Vonnisse von Damme.

Lit.: Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim Seefrachtvertrag, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997

watschar (mhd.) freigewordener Gemeinschaftsanteil, Abgabe

Lit.: Hübner § 21

Weber, Marianne (Oerlinghausen/Lippe 2. 8. 1870-Heidelberg 12. 3. 1954), geb. Schnitger, Arztstochter, wird nach der Heirat mit (dem als Cousin zweiten Grades verwandten) Max →Weber und dem Studium der Philosophie und Sozialwissenschaften Frauenrechtlerin. Seit 1900 erforscht sie die „Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung“ (1907). Ziel ist eine aufklärend-wertende Geschichtsbetrachtung.

Lit.: Max Weber. Ein Lebensbild, 1989; Borchert, M./Buchholz, S., Marianne Weber, (in) Überlieferung, Bewahrung und Gestaltung, hg. v. Buchholz, S. u. a., 1993, 23; Hennis, W., Max Weber und Thukydides, 2003; Marianne Weber, hg. v. Meurer, B. 2004; Meurer, B., Marianne Weber, 2010; Kruse, V./Barrelmeyer, U., Max Weber, 2012

Weber, Max (Erfurt 21. 4. 1864-München 14. 7. 1920), Politikerssohn, mütterlicherseits aus einer der reichsten deutsch-englischen Familien, wird nach dem Studium von Recht, Wirtschaft, Geschichte und Philosophie in Heidelberg, Straßburg, Berlin (Levin Goldschmidt) und Göttingen (Habilitation in Berlin mit 27 Jahren) Professor in Berlin (1893), Freiburg im Breisgau (1894 Volkswirtschaft), Heidelberg (1897) sowie nach längerer Erkrankung Wien (1918) und München (1919). In dem Mittelpunkt seiner überwiegend soziologischen Arbeiten stehen Studien über das Verhältnis von Religion, Wirtschaft und Gesellschaft. Mit Hilfe von Idealtypen versucht er deutend die gesellschaftliche Wirklichkeit zu erschließen. Den Entwicklungsvorgang der Industriegesellschaft versteht er als Entzauberung.

Lit.: Köbler, DRG 228; Loos, F., Zur Wert- und Rechtslehre Max Webers, 1970; Mommsen, W., Max Weber, 1974; Hilterhaus, F., Zum Rechtsbegriff in der Soziologie Max Webers, 1965; Speer, H., Herrschaft und Legitimität, 1978; Weber, M., Max Weber, 3. A. 1984; Zur Rechtssoziologie Max Webers, hg. v. Breuer, S. u. a., 1984; Max-Weber-Gesamtausgabe, 1984ff.(Frage nach der Legitimation des gigantischen Editionsaufwands); Hennis, W., Max Webers Fragestellungen, 1987; Schöllgen, G., Max Weber, 1998; Hecht, M., Modernität und Bürgerlichkeit, 1998; Tenbruck, F., Das Werk Webers, 1998; Hecht, M., Modernität und Bürgerlichkeit, 1998; Roth, G., Max Webers deutsch-englische Familiengeschichte 1800-1950, 2001; Max Webers Herrschaftssoziologie, hg. v. Hanke, E./Mommsen, W., 2001; Ringer, F., Max Weber, 2004; Radkau, J., Max Weber, 2005; Das Weber-Paradigma, hg. v. Albert, G., 2005; Müller, H., Max Weber, 2007; Weber, M., Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2007; Fitzi, G., Max Weber, 2008; Petersen, J., Max Webers Rechtssoziologie und die juristische Methodenlehre, 2008; Weber, M., Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2008; Weber, M., Allgemeine (theoretische) Nationalökonomie - Vorlesungen 1894-1898, hg. v. Mommsen, W. u. a., 2009; Massimilla, E., Max Weber zwischen Heinrich Rickert und Johannes von Kries, 2011; Kaesler, D., Max Weber, 2014; Max Weber in der Welt, hg. v. d. Max-Weber-Stiftung, 2014; Max-Weber-Handbuch, hg.v. Müller, H. u. a., 2014; Schluchter, W., Max Webers späte Soziologie, 2015; Lepsius, M., Max Weber und seine Kreise - Essays, 2016; Anter, A., Max Weber und die Staatsrechtslehre, 2016; Bruhns, H., Max Weber und der erste Weltkrieg, 2016; Max Weber 1864-1920 – Politik – Theorie – Weggefährten, hg. v. Lehnert, D., 2016; Abbott, A., Prozessuales Denken, 2019

Wechsel ist die besonders strengen gesetzlichen Formvorschriften unterliegende Urkunde, in der eine oder mehrere gegenüber einem Grundgeschäft abstrakte Zahlungsverpflichtungen verbrieft sind. Der W. entsteht in dem 13. Jahrhundert in Oberitalien zu der Sicherung des Zahlungsverkehrs vor Überfällen auf Geldstückbeförderungen. Er breitet sich rasch aus. Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts kann er durch Vermerk auf der Rückseite (→Indossament) leicht weitergegeben werden. Zahlreiche partikulare Wechselordnungen versuchen eine Regelung der mit ihm verbundenen Fragen. Ihre Vereinheitlichung in dem Deutschen Bund strebt die Allgemeine Deutsche Wechselordnung (1847/1848) an. Eine Übereinkunft der Genfer Wechselrechtskonferenz von 1930 führt zu weiterer Internationalisierung (Deutsches Reich 1. 1. 1934 Wechselgesetz). Tatsächlich tritt der W. aber allmählich hinter den Kontokorrentkredit zurück.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 128, 167; Mittermaier, C., Über den Zustand der Gesetzgebung, AcP 25 (1842), 114, 284, 26 (1843), 114, 446, 27 (1844), 120; Protocolle der zur Beratung einer Allgemeinen Deutschen Wechselordnung ., 1848; Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Canstein, R. v., Lehrbuch des Wechselrechts, 1890; Schaube, A., Einige Beobachtungen zur Entstehungsgeschichte der Tratte, ZRG GA 14 (1893), 111; Freundt, C., Das Wechselrecht der Postglossatoren, 1899ff., Neudruck 2013; Valery, J., Une traité de Philippe Le Bel, 1909; Nicolini, U., Studi storici sul pagherò cambiario, 1936; Holden, J., The History of Negotiable Instruments, 1955; Cassandro, G., Vicende storiche della lettera di cambio, Bollettino dell’Archivio storico del Banco di Napoli 1955; Dabin, L., Fondements du droit cambiaire allemand, 1959; Urfus, V., (Die Anfänge des Wechselrechts in den böhmischen Ländern und die Anfänge des neuzeitlichen Handelsrechts), 1959 (deutsche Zusammenfassung); Sedatis, L., Über den Ursprung der Wechselstrenge, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,844, 3,3,2,893; Remde, A., Lettera di cambio und suftada, Diss. jur. Köln 1987; Huber, U., Das Reichsgesetz über die Einführung einer allgemeinen Wechselordnung, JZ 1978, 77; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, ZHR 144 (1980), 484; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, 224; Bergfeld, C., Deutsches und schweizerisches Wechselrecht, FS H. Thieme, 1986; Denzel, M., La Practica della Cambiatura, 1994; Riedi Hunold, D., Die Einführung der allgemeinen Wechselfähigkeit in der Schweiz, 2004; Freund, J., Die Wechselverpflichtung im 19. Jahrhundert, 2008, 2012; Traut-Amend, A., Wechselverbindlichkeiten vor dem Reichskammergericht, 2009

Wechselrecht →Wechsel

wederstadinge (mnd. [F.]) Wiedererstattung, Gegenwert

Weende (Stift)

Lit.: Urkundenbuch des Stifts Weende, hg. v. Krösche, H., 2009

Weg ist der zu dem regelmäßigen Gehen oder Fahren benutzte oder bestimmte Teil der Erdoberfläche.

Lit.: Germershausen, A., Das Wegerecht und die Wegeverwaltung in Preußen, Bd. 1f. 1890; Friehe, H., Wegerecht und Wegeverwaltung in der alten Grafschaft Schaumburg, 1971

Wegfall der Geschäftsgrundlage ist das Entfallen der vorausgesetzten Umstände eines Geschäfts. Der W. d. G. wird in Deutschland in dem 20. Jahrhundert als Nachfolger der sog. (lat.) clausula (F.) rebus sic stantibus zu der Erfassung unvorhergesehener Verläufe entwickelt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Köbler, DRG 270

Wegsperre (lat. via (F.( lacina) ist vor allem in dem Frühmittelalter die Versperrung eines Weges, die als bußpflichtiges Verhalten eingeordnet wird.

Lit.: Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz, 1973

wehading (ahd. [N.]) Zweikampf

Wehr

Lit.: Krogmann, W., Mit Wehr und Waffen, ZRG GA 83 (1966), 280

Wehrdienst ist der seit der allgemeinen Wehrpflicht des 19. Jahrhunderts (Preußen 1814) erscheinende Dienst als Soldat bei den Streitkräften.

Lit.: Baltl/Kocher; Müller, T., Die Wehrverfassung des Dritten Reiches und die DDR, 1998; Die Wehrmacht, hg. v. Müller, R. u. a., 1998; Wehrmacht und Vernichtungspolitik, hg. v. Pohl, K., 1999

Wehrersatzkommission ist die in Preußen seit dem 18. Jahrhundert (1743, 1764, 1793, 1814) eingeführte Behörde für Musterungen und Festlegungen der Reihenfolge der Verfügbarkeit.

Lit.: Jähns, M., Geschichte der Kriegswissenschaft, Bd. 3 1891, Neudruck 1966; Witte, F., Die rechtliche Stellung der Bundeswehrverwaltung, 1963

Wehrmacht s. Heer

Lit.: Oldenburg, M., Ideologie und militärisches Kalkül, 2004; Hartmann, C. u. a., Verbrechen der Wehrmacht, 2005; Messerschmidt, M., Die Wehrmachtjustiz, 2005; Kunz, A., Wehrmacht und Niederlage, 2005; Arnold, K., Die Wehrmacht und die Besatzungspolitik in den besetzten Gebieten der Sowjetunion, 2005; Stein, O., Die deutsche Heeresrüstungspolitik 1890-1914, 2007; Römer, F., Der Kommissarbefehl, 2008; Pohl, D., Die Herrschaft der Wehrmacht, 2008, 2. A. 2009; Hasenclever, J., Wehrmacht und Besatzungspolitik in der Sowjetunion, 2009; Buchmann, B., Österreicher in der deutschen Wehrmacht, 2009; Förster, J., Die Wehrmacht im NS-Staat, 2. A. 2009; Hartmann, C., Wehrmacht im Ostkrieg, 2009, 2. A. 2010; Zimmermann, J., Pflicht zum Untergang, 2009; Leugers, A., Jesuiten in Hitlers Wehrmacht, 2009; Mühlhäuser, R., Eroberungen, 2010; Hitlers militärische Elite, hg. v. Ueberschär, G., 2. A. 2011; Mit reinem Gewissen -Wehrmachtrichter, hg. v. Perels, J. u. a., 2011 (30000 Todesurteile, davon mindestens 20000 vollstreckt); Reichherzer, F., Alles ist Front! Wehrwissenschaften in Deutschland, 2011; Müller, R., Hitlers Wehrmacht 1935-1945, 2012; Kilian, K., Wehrmacht und Besatzungsherrschaft im russischen Nordwesten 1941-1944, 2012; Gentile, C., Wehrmacht und Waffen-SS im Partisanenkrieg, 2012; Römer, Felix, Kameraden, 2013; Keller, P., „Die Wehrmacht der Deutschen Republik ist die Reichswehr“, 2014; Dietz, A., Historische Erkenntnis und juristische Bewertung (in) HZ 299 (2014) 669; Howell, E., Von den Besiegten lernen?, 2015; Scheil, S., 707. Infanteriedivision, 2016

Wehrpflicht ist die Pflicht, dem Staat als Soldat zu dienen. Sie erscheint als Ausgleich der demokratischen Teilhabe an dem Staat seit dem späten 18. Jahrhundert (Frankreich 1793, Preußen 3. 9. 1814).

Lit.: Baumann, W., Die Entwicklung der Wehrpflicht in der schweizerischen Eidgenossenschaft 1803-1874, 1932; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, 1939; Böhme, H., Die Wehrverfassung in Hessen-Kassel, 1954; Händel, H., Der Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht in der Wehrverfassung des Königreiches Preußen, Diss. jur. Bonn 1961; Die Wehrpflicht, hg. v. Foerster, R., 1994; Frevert, U., Militärdienst und Zivilgesellschaft in Deutschland, 2001; Fritsche, M., Entziehungen, 2004; Miliz oder Söldner?, hg. v. Rogger, P. u. a., 2019

Weibel (M.) Büttel, Fronbote, Gerichtsdiener

Lit.: Müller, W., Die Weibelhuben, ZRG GA 83 (1966), 202 (bisher 39 Weibelhuben in Südwestdeutschland ab 12. Jahrhundert bekannt)

Weiberlehen ist das seit dem 12. Jahrhundert nachweisbare, später weiter verbreitete, jedoch stets als Abweichung von dem Grundsatz verstandene Lehen an eine Frau (z. B. Österreich 1156). Bei der Erbfolge gilt die weibliche Lehnsfolge als subsidiär.

Lit.: Bovet, S., Die Stellung der Frau, Diss. jur. Basel 1927; Ermolaef, A., Die Sonderstellung der Frau, Diss. jur. Bern 1930; Ven, G. van der, Die Entwicklung der weiblichen Erbfolge, Diss. jur. Marburg 1949; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969; Iblher von Greiffen, N., Die Lehenserbfolge in weiblicher Linie, 1990

Weichbild (lat. forma (F.( vici?) ist die Art und das Recht einer geschlossenen Siedlung in Norddeutschland seit dem 12. Jahrhundert (1170 Westfalen). Damit werden später das Stadtrecht und das Stadtgebiet bezeichnet. Sachlich ist mit W. vor allem eine besondere Erbleihe angesprochen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 104; Kroeschell, K., Weichbild, 1960; Kroeschell, K., Stadtgründung und Weichbildrecht, 1960; Köbler, G., Civitas und vicus, (in) Vor- und Frühformen der europäischen Stadt, 1973, 61; Schütte, L., Wik, 1976; Schmidt-Wiegand, R., Wik und Weichbild, ZRG GA 95 (1978), 121

Weichbildglosse ist die in dem 14. Jahrhundert vermutlich in Magdeburg verfasste mittelniederdeutsche Glossierung des sächsischen Weichbildrechts (Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung). Eine ursprüngliche Fassung des sich auf einen Dr. decretorum unde legum Burchard von Mangelfelt zurückführenden, stark römischrechtlich durchsetzten Werkes liegt in 10 Handschriften vor, eine erweiterte Fassung in 5 Handschriften. Hinzu kommen zwei Sonderformen.

Lit.: Das sächsische Weichbildrecht, hg. v. Daniels, A. v. u. a., 1857; Steffenhagen, E., Deutsche Rechtsquellen in Preußen, 1875; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 75

Weichbildrecht (Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung) ist das vielleicht zwischen 1257-1261 (1241-1269) in Magdeburg (oder Halle) unter freier Benutzung des →Sachsenspiegels niedergeschriebene Rechtsbuch, das später mehrfach ergänzt und in dem letzten Drittel des 13.Jahrhunderts zur Weichbildvulgata erweitert wird bzw. eine, wenn nicht sogar die zentrale Quelle eines sehr umfangreichen Corpus, das man als sächsisch-magdeburgisches Recht oder als ius Theutonicum. ius Maideburgense oder ius Saxonum bezeichnet. Unter diesen in den Quellen auftsauchenden Bezeichnungen gelangt Magdeburger Recht in enger Verbindung mit dem Sachsenspiegel nach Ostmitteleuropa und Osteuropa und beeinflusst die dortigen Rechtsordnungen. Die 135 bzw. 136 Artikel umfassende Weichbildrecht-Vulgata entsteht in ihrer ursprünglichen Form nach derzeitigem Forschungsstand wohl in dem letzten Drittel des 13. Jahrhunderts durch die Kompilation mehrerer unabhängiger Texte, nämlich der Weichbildchronik, des Rechtsbuchs von der Gerichtsverfassung (= Weichbildrecht in dem engeren Sinne ([Art. 1-41] und dem Schöffenrecht [Art. 42-108] sowie Exzerpten aus dem Sachsenspiegel [Art. 109-125] und anderen Quellen [Art. 126-136]). Einzelheiten zu Entstehung und Inhalt der Weichbildrecht-Vulgata sind bisher jedoch nicht hinreichend erforscht, so dass sich in der Literatur nur erste Vermutungen und Hypothesen finden. Ab dem 14. Jahrhundert (vor 1387) wird dieser kompilierte Text mehrfach überarbeitet und von dem bisher ansonsten nicht nachweisbaren Juristen Burchard von Mangelfelt glossiert. Ähnlich wie die Glossen zu dem Landrecht des Sachsenspiegels und dem Lehnrecht des Sachsenspiegels hat auch die ursprüngliche Glosse zu dem Weichbildrecht Bearbeitungen und Umarbeitungen erfahren, so dass sich in dem 15. Jahrhundert fünf Textklassen unterscheiden lassen, nämlich kürzere und ursprüngliche Glosse, längere und vermehrte Glosse, Wurmsche Glosse, Stendaler Glosse sowie singuläre Glosse, wobei in Einzelfragen bezüglich der Glosse der Weichbildrechtvulgata noch Unklarheit besteht, neben der Sachsenspiegellandrechtsglosse und der Sachsenspiegellehnrechtsglosse das glossierte Weichbildrecht die dritte Säule des gemeinen sächsischen Rechtes ist, eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende historisch-kritische Edition des glossierten Weichbildrechts nach wie vor nicht vorliegt und die von Daniels, A. v./Gruben, F. v., Das sächsische Weichbildrecht. Jus municipale saxonicum 1, Weltchronik und Weichbildrecht in 136 Artikeln mit der Glosse, 1858, von Sachkennern als sehr fehlerhaft angesehen wird.

Lit.: Laband, P., Magdeburger Rechtsquellen, 1869, 32; Oppitz, D., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 47; Bily, Inge/Homolková, Milada, Neueste Forschungen zum sächsischen Weichbildrecht mit Glosse, DA 73 (2017), 553.

Weichbildvulgata ist das in dem letzten Drittel des 13. Jahrhunderts aus →Weichbildrecht, einer Weichbildchronik und Schöffenrecht mit Auszügen aus dem →Sachsenspiegel und anderen Quellen entstandene Rechtsbuch in 136 Artikeln.

Lit.: Das buk wichbilderecht, hg. v. Daniels, A. v., 1853; Das sächsische Weichbild, hg. v. Daniels, A. v. u. a., 1857; Oppitz, D., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 47

Weiderecht (Hutrecht) ist das in Mittelalter und früher Neuzeit weitverbreitete Recht, Vieh auf eine Weide zu treiben. Es ist vielfach in Weistümern näher geregelt. In dem 19. Jahrhundert werden viele Weiderechte aufgehoben.

Lit.: Hübner; Grass, N., Beiträge zur Rechtsgeschichte der Alpwirtschaft, 1948, 82; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962, 170; Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970; Heindl, M., Die Ablösung der Weiderechte, Diss. jur. Regensburg, 1995

Weidlich, Christoph (Schafstädt bei Magdeburg 1713–Halle 1781) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig (Nettelbladt) sächsischer Rat und Advokat. Er veröffentlicht seit 1748 biographische Notizen von Juristen seiner Zeit.

Weigel, Erhard (Weiden 16. 12. 1625-Jena 21. 4. 1699) befasst sich als Professor der Mathematik in Jena mit der Anwendung der mathematischen Methode (lat. mos (M.( geometricus) auf Ethik, Politik und Recht. Obwohl er über bloße Zahlenspielerei nicht hinausgelangt, beeinflusst er →Pufendorf und →Leibniz. Pufendorf bezieht von ihm die Anregung allgemeiner Teile der Rechtswissenschaft.

Lit.: Spieß, E., Erhard, Weigel, 1881; Stephanitz, D. v., Exakte Wissenschaft und Recht, 1970; Denzer, H., Moralphilosophie und Naturrecht, 1972; Erhard Weigel (1625-1699) und die Wissenschaften, hg. v. Herbst, K., 2014

Weimar an der Ilm ist die 975 erstmals erwähnte Burg, die 1382 Sitz einer Linie des Hauses →Wettin wird. Berühmt wird W., von dem zwischen 1307 und 1500 weniger als 60 Urkunden, aber ein Stadtbuch bzw. Ratshandelsbuch (1380-1410) und ein Statutenbuch (ab 1433) überliefert sind, durch die dortige Tätigkeit →Goethes. 1919 wird Weimar Tagungsort der deutschen Nationalversammlung, die an dem 14. 8. 1919 eine →Verfassung für das Republik gewordene Deutsche Reich verabschiedet (Grundrechte).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Steinfeld, T., Weimar, 1988; Merseburger, P., Mythos Weimar, 1998; Boden, R., Die Weimarer Nationalversammlung und die deutsche Außenpolitik, 2000; Goethes Weimar und die französische Revolution, hg. v. Wilson, W., 2004; Die Weimarer Stadtbücher, hg. v. Steinführer, H., 2005; Weimar 1919, hg. v. Ulbricht, J., 2009; Hunstock, S., Die (groß-)herzogliche Residenzstadt Weimar um 1800, 2011; Seemann, A., Weimar, 2012; Gruhlich, R., Geschichtspolitik im Zeichen des Zusammenbruchs – Die Deutsche Nationalversammlung 1919/1920, 2012; Freyer, S., Der Weimarer Hof um 1800, 2013; Kästner, H., Der Weimarer Landtag 1817-1848, 2014; Kater, M., Weimar – From Enlightenment to the Present, 2014; Boldorf, M. u. a., Die Republik von Weimar, 2018; Willkommen, A., Alternative Lebensformen – Unehelichkeit und Ehescheidung am Beispiel von Goethes Weimar, 2019

Weimarer Nationalversammlung →Weimar

Weimarer Reichsverfassung ist die von dem linksliberalen Berliner Staatsrechtler Hugo →Preuß seit 15. 11. 1918 entworfene, an dem 31. 7. 1919 von der von dem 6. 2.-11. 8. 1919 tagenden Weimarer Nationalversammlung (9,6 Prozent Frauen) beschlossene, an dem11. 8. 1919 verkündete und an dem 14. August 1919 in Kraft getretene Verfassung des Deutschen Reiches. Ihre 181 Artikel gliedern sich in einen Organisationsteil (1-108) und einen Grundrechtsteil (109-165). Danach ist das Reich ein unitarischer Bundesstaat mit zuletzt 17 Ländern (Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Thüringen, Oldenburg, Braunschweig, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Anhalt, Bremen, Hamburg, Lübeck, Lippe, Schaumburg-Lippe). Es ist eine Republik, in der alle Staatsgewalt von dem Volk ausgeht, das Volk Volksentscheide und Volksbegehren durchführen kann und in allgemeinen, direkten, gleichen und geheimen Wahlen den Reichspräsidenten und den Reichstag (Verhältniswahlrecht mit 60000 Stimmen pro Abgeordneten) bestimmt. Der Reichstag ist gemeinsam mit dem Reichsrat zuständig für die Gesetzgebung. Der Reichspräsident ist Staatsoberhaupt und regiert durch den von ihm ernennbaren und absetzbaren Reichskanzler und die Reichsminister, die des Vertrauens des Reichstags bedürfen. Er hat ein Notverordnungsrecht und kann den Reichstag auflösen. Oberstes Gericht ist das Reichsgericht (in Leipzig). Reichsrecht bricht Landesrecht. Die Ausführung der Gesetze steht den Ländern zu. Die Gerichtsbarkeit ist weitgehend Sache der Länder. Die Grundrechte sind grundsätzlich unmittelbar anwendbar. Die W. R. endet sachlich an dem 30. 1. 1933 durch die Ernennung Adolf Hitlers als Führers der stärksten Partei zu dem Reichskanzler (einer konservativen Koalition) bzw. allmählich zwischen dem 28. 2. 1933 und dem 30. 1. 1934 durch Aushöhlung rechtstatsächlich. Formell wird die W. R. erst nach dem Ende des zweiten Weltkriegs beseitigt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jahrhundert; Köbler, DRG 230; Preuß, H., Gesammelte Schriften, Band 3 Das Verfassungswerk von Weimar, hg. v. Lehnert, D., 2015; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933, Neudruck 1968; Bracher, D., Die Entstehung der Weimarer Verfassung, 1963; Apelt, W., Geschichte der Weimarer Verfassung, 2. A. 1964; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 6. A. 2010, § 37; Gusy, C., Die Weimarer Reichsverfassung, 1997; Achtzig Jahre Weimarer Reichsverfassung, hg. v. Eichenhofer, E., 1999; Fromme, F., Von der Weimarer Verfassung zum Bonner Grundgesetz, 3. A. 1999; Schau, G., Das Verhältnis von Verfassung und einfachem Recht, 2002; Pauly, W., Grundrechtslaboratorium Weimar, 2004; Dubben, K., Die Privatentwürfe zur Weimarer Verfassung, 2009; Das Wagnis der Demokratie - Eine Anatomie der Weimarer Reichsverfassung, hg. v. Dreier, H. u. a., 2018; Kühne, J., Die Entstehung der Weimarer Reichsverfassung, 2018, Di Fabio, U., Die Weimarer Verfassung, 2018

Weimarer Republik ist der nichtamtliche Name für das Deutsche Reich von dem (9. 11. 1918 bzw.) 14. 8. 1919 bis zu der Ernennung Adolf Hitlers als Reichskanzler an dem 30. 1. 1933. Die als Folge des Versailler Vertrags an erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten leidende W. R. ist zwar demokratisch verfasst, aber in der politischen Wirklichkeit instabil, weil sich große Teile der Bevölkerung, insbesondere auch die politisch bestimmende Klasse, nicht mit dem Staat identifizieren. Die wirtschaftlichen Krisen verunsichern die Bevölkerung und treiben sie auf der Grundlage der immer weiter um sich greifenden Überzeugung, dass eine vollständige Umkehr unvermeidlich und eine neue Ordnung unentbehrlich sei, den extremen Parteien zu, von denen 1932 die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) Adolf →Hitlers stärkste Partei des Reichstags wird. 1932 setzt der auf Grund einer Notverordnung des Reichspräsidenten zu dem Reichskommissar für Preußen ernannte Reichskanzler Franz von Papen die Landesregierung Preußens ab und eine Reichskommission ein (Preußenschlag). In dem Januar 1933 versucht der in dem November 1932 gestürzte Reichskanzler Franz von Papen mit dem durch Wahlniederlagen in Thüringen und Sachsen geschwächten Hitler an die Macht zurückzukehren. Mit Hitler endet die W. R. durch die Diktatur des →Nationalsozialismus.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Apfel, A., Hinter den Kulissen der deutschen Justiz, 1933?, hg. v. Gehlsen, J. u. a., 2013; Braun, O., Von Weimar zu Hitler, 3. A. 1949; Akten der Reichskanzlei Weimarer Republik, Bd. 1f. 1968ff.; Rosenberg, A., Geschichte der Weimarer Republik, 12. A. 1971; Heiber, A., Die Republik von Weimar, 5. A. 1971; Bracher, K., Die Auflösung der Weimarer Republik, 5. A. 1971; Meinck, J., Weimarer Staatslehre und Nationalsozialismus, 1978; Das Ende der Weimarer Republik, hg. v. Gessner, D., 1978; Ambrosius, G., Die öffentliche Wirtschaft in der Weimarer Republik, 1984; Kolb, E., Die Weimarer Republik, 3. A. 1998, 7. A. 2009; Die Weimarer Republik, hg. v. Bracher, K. u. a., 1987; Weimar-Index. Deutscher Reichsanzeiger und preußischer Staatsanzeiger, Register 1918-1933, bearb. v. Schumacher, M., 1988; Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Biographisches Lexikon zur Weimarer Republik, hg. v. Benz, W. u. a., 1988; Winkler, H., Weimar 1918-1933, 2. A. 1994; Rückert, A., Politik und Privatrecht, 1997; Hoppe, B., Von der parlamentarischen Demokratie zum Präsidialstaat, 1999; Lehnert, D., Die Weimarer Republik, 1999; Niedhart, G., Die Außenpolitik der Weimarer Republik, 1999, 2. A. 2006, 3. A. 2013; Demokratisches Denken in der Weimarer Republik, hg. v. Gusy, C., 2000; Wirsching, A., Die Weimarer Republik, 2000, 2. A. 2008; Schumann, D., Politische Gewalt in der Weimarer Republik, 2001; Gessner, D., Die Weimarer Republik, 2002, 3. unv. A. 2009; Mergel, T., Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik, 2002; Scheidemann, P., Das historische Versagen der SPD, 2002; Die Weimarer Republik, hg. v. Fröhlich, M., 2002; Linke Juristen in der Weimarer Republik, hg. v. Gangl, M., 2003; Marcowitz, R., Weimarer Republik 1929-1933, 2004; Pauly, W., Grundrechtslaboratorium Weimar, 2004; Mülhausen, W., Friedrich Ebert 1871-1925, 2006, 2. A. 2007; Pyta, W., Hindenburg, 2007; Vernunftrepublikanismus in der Weimarer Republik, hg. v. Wirsching, A. u. a., 2008; Marcowitz, R., Die Weimarer Republik 1929-1933, 3. A. 2009; Terhalle, M., Deutschnational in Weimar, 2009; Weimar Germany, hg. v. McElligott, A., 2009; Weber, P., Gescheiterte Sozialpartnerschaft - gefährdete Republik?, 2010; Graf, R., Die Zukunft der Weimarer Republik, 2010; Kolb. E., Deutschland 1918-1933, 2010; Staufer, A., Ludwig Ebermayer, 2010; John, A., Der Weimarer Bundesstaat, 2011; Zur Aktualität der Weimarer Staatsrechtslehre, hg. v. Schröder, U. u. a. 2011; Bergien, R., Die bellizistische Republik. Wehrkonsens und Wehrhaftmachung in Deutschland 1918-1933, 2012; Blom, P., Die zerrissenen Jahre, 2014; Pohl, K., Gustav Stresemann, 2015; Heither, D. u. a., Die Morde von Mechterstädt, 2015; Jungcurt, U., Alldeutscher Extremismus in der Weimarer Republik, 2016; Jones, M., Am Anfang war Gewalt –Die deutsche Revolution 1918/1919 und der Beginn der Weimarer Republik, 2017; Müller-Trefzr, F., Erinnerungen aus meinem Leben (1879-1949), 2017; Nach dem „Großen Krieg“ – Vom Triumph zum Desaster der Demokratie 1918/19 bis 1939, 2017 (nicht weiterführend); Emunds, D., Vom Republikschutz zum Verfassungsschutz – Der Reichskommissar für Überwachung der öffentlichen Ordnung in der Weimarer Republik, 2017; Mühlhausen, W., Friedrich Ebert, 2018; Lüdtke, C., Hans Delbrück und Weimar, 2018; Gasteiger, D., Kuno von Westarp (1864-1945), 2018; Köhler, V., Genossen – Freunde – Junker – Die Mikropolitik personaler Beziehungen im politischen Handeln während der Weiimarer Republik, 2018; Reichel, P., Der tragische Kanzler – Hermann Müller und die SPD in der Weimarerer Rpublik, 2018; Nagel, A., Ein Mensch und zwei Leben – Erwin Stein (1903-1992), 2019; Möller, H. Die Weimarer Republik – Demokratie in der Krise, 2018

Wein ist das aus der Frucht des Weinstocks erzeugte, schon den Römern bekannte alkoholische Getränk. Die Römer kennen auch bereits die Weinverfälschung. In dem Mittelalter erscheint der W. bei Abschluss von Kaufverträgen (Weinkauf, gemeinsames Trinken als Teil des Vertragsschlusses). Rechtlich wird die Herstellung von W. vor allem seit dem 19. Jahrhundert (1892, 1901, 1909, 1930, 1971, 1982, 1992) genauer geordnet.

Lit.: Hübner; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 306; Bassermann-Jordan, F. v., Geschichte des Weinbaues, 2. A. 1923; Mell, A., Das steirische Weinbergrecht und dessen Kodifikation im Jahre 1543, 1928 (SB Wien); Beyerle, F., Weinkauf und Gottespfennig, FS A. Schultze, 1934, 251; Herold, H., Rechtsverhältnisse im schweizerischen Weinbau, 1936; Rieger, R., Die Weinfälschung im Strafrecht, 1949; Gönnenwein, O., Zur Geschichte des Weinbaurechts, ZRG GA 80 (1963), 157; Koch, H, Weintrinker und Weingesetz, 1970; Zipfel, W., Weinrecht, 1972; Schoene, R., Bibliographie zur Geschichte des Weines, 1976; Schreiber, G., Deutsche Weingeschichte, 1980; Freund, G., Die Reichspolizeiordnungen, ZNR 11 (1989), 1; Koch, H., Das neue Weingesetz, NJW 1994, 2880; Kiewisch, S., Obstbau und Kellerei in lateinischen Fachprosaschriften, 1995; Dippel, H., Hundert Jahre deutsches Weinrecht, ZNR 20 (1998); Weinproduktion und Weinkonsum im Mittelalter, hg. v. Matheus, M., 1999; Wunderer, R., Weinbau und Weinbereitung im Mittelalter, 2001; Koch, H., Neues vom Weinrecht, NJW 2004, 2135; Jakab, E., Risikomanagement beim Weinkauf, 2009; Weinwörter, hg. v. Besse, M. u. a., 2009; Bernhardt, U., Geschichte des Weinrechts im deutschen Kaiserreich (1871-1918), 2012; Maringer, A., Weinrecht und Verbraucherschutz, 2014

Weißenburg in dem Elsass ist die an der Lauter in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts gegründete Benediktinerabtei, die zahlreiche Gaben schon früh beurkundet (Chartular von 855/860, mehr als 250 Urkunden, rund 70 nachweisbare Schreiber). Daneben entwickelt sich eine Reichsstadt. 1672 wird W. von Frankreich annektiert.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Traditiones Wizenburgenses, hg. v. Doll, A., 1979

Weistum ist das durch mündliche Erklärung (Weisung) meist alter Männer als bestehend erwiesene (gezeigte) Gewohnheitsrecht. Nach dem Vorbild des (lat.) Pactus (M.) legis Salicae (Einung des salfränkischen Rechtes) nimmt man an, dass große Teile der →Volksrechte als W. zu der Schriftform gefunden haben. Seit dem Hochmittelalter werden verallgemeinernd die ländlichen und dörflichen Rechtsquellen als Weistümer (oder auch anders) bezeichnet. Ihre Aufzeichnung findet vor allem in Spätmittelalter und Frühneuzeit statt. Ihr Inhalt kann auf bewusster Setzung, Vereinbarung oder gewohnheitsmäßiger Anerkennung beruhen. Die Setzung kann durch einen Herrn oder die Betroffenen geschehen. Sie kann als Privileg oder mit allgemeiner Geltungskraft erfolgen. Die moderne Erforschung der Weistümer beginnt mit der Sammlung und Ausgabe der Weistümer durch Jakob Grimm (1840).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101, 102, 104; Weistümer, hg. v. Grimm, J., Bd. 1ff. 1840ff.; Österreichische Weistümer, Bd. 1ff. 1870ff.; Die Weistümer der Rheinprovinz, Bd. 1ff. 1900ff.; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Kurkölnische Weistümer, hg. v. Aubin, H. u. a., Bd. 1ff. 1913ff.; Badische Weistümer und Dorfordnungen, Bd. 1ff. 1917ff.; Patzelt, E., Entstehung und Charakter der Weistümer in Österreich, 1924, Neudruck 1979; Wießner, H., Sachinhalt und wirtschaftliche Bedeutung der Weistümer, 1934; Finsterwalder, P., Beiträge zur Kenntnis oberelsässischer Weistümer, ZRG GA 56 (1936), 380; Zimmermann, F., Die Weistümer und der Ausbau der Landeshoheit in der Kurpfalz, 1937; Gehring, P., Um die Weistümer, ZRG GA 60 (1940), 261; Oberösterreichische Weistümer, Bd. 1ff. 1939ff.; Kollnig, K., Elsässische Weistümer, 1941; Baltl, H., Die österreichischen Weistümer, MIÖG 59 (1951), 365, 61 (1953), 38; Fränkische Bauernweistümer, hg. v. Dinklage, K., 1954ff.; Pfälzische Weistümer, hg. v. Weizsäcker, W. u. a., Bd. 1ff. 1957ff.; Müller, W., Die Offnungen der Fürstabtei Sankt Gallen, 1964; Die Weistümer der Zent Schriesheim, hg. v. Kollnig, K. 1968; Kocher, G., Richter und Stabübergabe, 1971; Werkmüller, D., Über Aufkommen und Verbreitung der Weistümer, 1973; Vorarlberger Weistümer, hg. v. Burmeister, K., 1973; Feigl, H., Rechtsentwicklung und Gerichtswesen Oberösterreichs, 1974; Eder. I., Die saarländischen Weistümer, 1978; Laufs, A., Die Weistümer der Zenten Schriesheim und Kirchheim, ZRG GA 98 (1981), 276; Werkmüller, D., Die Weistümer, (in) Brüder-Grimm-Symposion, 1986, 103; Reis, R., Deutsches Privatrecht in den Weistümern, 1987; Schildt, B., Die Weistümer der Grafschaft Mark, Beitr. z. G. Dortmunds 88 (1997), 140; Teuscher, S., Erzähltes Recht, 2007; Die Weistümer des Amtes Monschau und der Herrschaft Hetzingen, bearb. v. Neuß, E., 2019

Weißrussland (Belarus)

Lit.: Handbuch der Geschichte Weißrusslands, hg. v. Beyrau, D. u. a., 2001

Welcker, Karl Theodor (Oberofleiden in Oberhessen 29. 3. 1790-Heidelberg 10. 3. 1869), Pfarrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Gießen und Heidelberg 1813 Professor in Gießen, 1814 in Kiel, 1816 in Heidelberg, 1819 in Bonn und 1822 in Freiburg im Breisgau. 1831 fordert er die Bildung eines deutschen Parlaments. Zusammen mit →Rotteck veröffentlicht er von 1834 an das den Liberalismus prägende Staatslexikon. 1848 ist er Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung.

Lit.: Wild, K., Karl Theodor Welcker, 1913; Böhringer, A., Die Rechtslehre Karl Theodor Welckers, Diss. jur. Tübingen 1952; Müller-Dietz, H., Das Leben des Rechtslehrers und Politikers Karl Theodor Welcker, 1968; Schöttle, R., Politische Freiheit für die deutsche Nation, 1985; Staatslexikon, 8. A. 2017ff.

Welfe ist der Angehörige eines bayerischen, schwäbischen oder fränkischen, vielleicht seit der Mitte des 8. Jahrhunderts nördlich des Bodensees begüterten, 819 erstmals sicher nachweisbaren Geschlechts (1070-1138, 1156-1180 Herzog von Bayern, 1137-1180 auch Herzog von Sachsen). Der bekannteste W. ist →Heinrich der Löwe (1129-1191), der als Vetter und Gegner Kaiser Friedrichs I. Barbarossa 1180 die Herzogtümer Bayern und Sachsen verliert. Von 1198 bis 1218 ist der Welfe Otto IV. Gegenkaiser der Staufer. Den Welfen bleibt das Eigengut Braunschweig-Lüneburg (1235 Herzogtum, 1692 Kurfürstentum, 1714 zugleich König von Großbritannien bis 1901) bis 1866 (Lüneburg bzw. Hannover, dann an Preußen) bzw. 1918 (Braunschweig, dann Ende der Monarchie).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94; Köbler, Historisches Lexikon; Historia Welforum, hg. v. König, E., 1938; Diederich, A., Staufer und Welfen, 1938; Diestelkamp, B., Welfische Stadtgründungen und Stadtrechte des 12. Jahrhunderts, ZRG GA 81 (1964), 164; Kleinau, H., Die von Werle, 1971; Pischke, G., Die Landesteilungen der Welfen, 1987; Die Welfen und ihr Braunschweiger Hof, hg. v. Schneidmüller, B., 1995; Hasse, C., Die welfischen Hofämter und die welfische Ministerialität in Sachsen, 1995; Hechberger, W., Staufer und Welfen, 1996; Schneidmüller, B., Die Welfen, 2000, 2. A. 2014; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Welf IV., hg. v. Bauer, D. u. a., 2004; Quellen zur Geschichte der Welfen, hg. v. Becher, M., 2006; Lilienthal, A., Die Fürstin und die Macht, 2007; Staufer & Welfen, hg. v. Hechberger, W. u. a., 2009; Otto IV., hg. v. Hucker, B., 2009; Aschoff, H., Die Welfen, 2010; Pfannkuche, G., Patrimonium - feudum - territorium, 2011; Vollrath, M., Welfische Klosterpolitik, 2012; Von den Welfen zu den Staufern – Der Tod Welfs VII. 1167 und die Grundlegung Oberschwabens im Mittelalter, hg. v. Zotz, T. u. a., 2020

Welser ist der Angehörige eines frühneuzeitlichen, frühkapitalistischen Handelshauses in Augsburg (1614 Bankrott infolge von Staatsbankrotten Spaniens, Frankreichs und der Niederlande) und Nürnberg mit verschiedenen europäischen und amerikanischen Faktoreien.

Lit.: Die Welser, hg. v. Häberlein, M. u. a., 2002; Stromer von Reichenbach, W., Welser Augsburg und Welser Nürnberg, 2002; Rechnungsfragmente der Augsburger Welser-Gesellschaft (1496-1551), hg. v. Geffcken, P. u. a., 2014

Welt ist die den Menschen in Raum und Zeit umfassende, wohl einen Beginn und auch ein Ende einschließende Gesamtheit des Seins.

Lit.: WBG Weltgeschichte, hg. v. Demel, W. u. a., 2009; Die Welt 1000-1250, hg. v. Schottenhammer, A. u. a., 2011; Osterhammel, J., Die Verwandlung der Welt, 2009; Mirow, J., Weltgeschichte, 2009; Nolte, H., Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, 2009; MacGregor, N., Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten, 2011; Atlas der Weltbilder, hg. v. Markschies, C. u. a., 2011; The Oxford Handbook of the Atlantic World c. 1450-c. 1850, hg. v. Canny, N. u. a., 2011; Schröder, I., Das Wissen von der ganzen Welt – Globale Geographien und räumliche Ordnungen Afrikas und Europas 1790-1870, 2011; Komlosy, A., Globalgeschichte, 2012; Conrad, S., Globalgeschichte, 2013; Vermessung der Oikumene, hg. v. Heuss, K. u. a., 2013; Geschichte der Welt – 1350-1750, hg. v. Akira, I. u. a., 2014; Rödder, A., 21.0 – Eine kurze Geschichte der Gegenwart, 2015, 2. A. 2015; Sarnowsky, J., Die Erkundung der Welt – Die großen Entdeckungen von Marco Polo bis Humboldt, 2015; Wagner, A., Arrival of the Fittest, 2015 (natürliche Selektion kann nicht erklären wie der arktische Fisch zum Frostschutz kommt oder die Schuppe zur Feder wird); Padova, T. de., Allein gegen die Schwerkraft, 2015; Hausberger, B., Die Verknüpfung der Welt, 2015; The Cambridge World History, hg. v. Christian, D. u. a., Bd. 1ff. 2015; Menzel, U., Die Ordnung der Welt, 2015; Fried, J., Dies irae – Eine Geschichte des Weltuntergangs, 2016; Vietta, S., Die Weltgesellschaft – Wie die abendländische Rationalität die Welt erobert und verändert hat, 2016; Frankopan, P., Licht aus dem Osten – Eine neue Geschichte der Welt, 2016 (nichts daran in der Sache neu); Maala, C., Weltunordnung, 2016; Loth, W., Die Rettung der Welt – Entspannungspolitik im Kalten Krieg 1950-1991, 2016; The Cambridge World History, hg. v. Christian, D. u. a., Bd. 1ff. 2015; Lightfoot, J., Dionysius Periegetes – Decription o the Known World. 2014; Wolfrum, E., Welt im Zwiespalt – Eine andere Geschichte des 20. Jahrhunderts, 2017; Burstein, S., The World from 1000 BCE to 300 CE, 2017; Kunze, R., Global History und Weltgeschichte, 2017; Schönpflug, D., Kometenjahre 1918 – Die Welt im Aufbruch, 2017; Herdegen, M., Der Kampf um die Weltordnung, 2018; Evans, R., Das europäische Jahrhundert, 2018; Xuetong, Y., Leadership and the rise of great powers, 2019; 1968 – Verdichtung des Wandels und globaler Momente – Tübinger Vorlesungen, hg. v. Eckel, J. u. a., 2019; Baccalario, P., 50 kleine Revolutionen, mit denen du die Welt (ein bisschen) schöner machst, 2019; Dion, C., Kurze Anleitung zur Rettung der Welt, 2019; Baños, P., So beherrscht man die Welt .- Die geheimen Geostrategien der Weltpolitik, 2019; Unger, C., International Development – A Postwar History, 2018

Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) ist die 1995 aus dem General Agreement on Tariffs and Trade erwachsene internationale Organisation für den Welthandel (Verhandlungsforum, Handelsorganisation).

Lit.: Beise, M., Die Welthandelsorganisation (WTO), 2001; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008

Weltkrieg ist der die gesamte Welt erfassende, mit durchschlagskräftigeren Artilleriegeschützen, Maschinengewehren, ölgetriebenen Unterseebooten, Panzern und Flugzeugen (sowie chemischen Kampfstoffen und in dem Jahre 1945 Atombomben der Vereinigten Staaten von Amerika auf Hiroshima und Nagasaki) geführte, möglicherweise zu Beginn in dem Ergebnis noch offene Krieg (1914-1918 mit zwei Millionen toten deutschen Soldaten, 1939-1945 mit 2,75 Millionen toten deutschen Soldaten zwischen Juni 1944 und Mai 1945).

Lit.: Köbler, DRG 173, 223, 244; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 1992, 2. A. 1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Der erste Weltkrieg, hg. v. Michalka, W., 1994; Stolleis, M., Der lange Abschied vom neunzehnten Jahrhundert, 1997; Achter Mai 1945 – Befreiung oder Kapitulation?, hg. v. Schröder, R., 1997; Overmans, R., Deutsche militärische Verluste im zweiten Weltkrieg, 1999; Kriegsende 1919, hg. v. Duppler, J., 1999; Borchard, M., Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion, 2000; Strachan, H., The first World war, Bd. 1 2001; Müller, K., Oktroyierte Verliererjustiz nach dem ersten Weltkrieg, Archiv des Völkerrechts 39 (2001), 201; Pöhlmann, Markus, Kriegsgeschichte und Geschichtspolitik - Der erste Weltkrieg, 2002; Salewski, M., Der erste Weltkrieg, 2. A. 2004; Enzyklopädie des ersten Weltkriegs, hg. v. Hirschfeld, G. u. a., 2002, 2. A. 2004; Erster Weltkrieg – zweiter Weltkrieg, hg. v. Thoß, B. u. a., 2002; Pöhlmann, M., Kriegsgeschichte und Geschichtspolitik – Der erste Weltkrieg, 2002; Der erste Weltkrieg und das 20. Jahrhundert, hg. v. Winter, J. u. a., 2002; Schreiber, G., Der zweite Weltkrieg, 2002; Berghahn, V., Der erste Weltkrieg, 2003; Barth, B., Dolchstoßlegende und politische Desintegration, 2003; Overy, R., Russlands Krieg 1941-1945, 2003; Salewski, M., Der erste Weltkrieg, 2003, 2. A. 2004; Neitzel, S., Deutschland und der erste Weltkrieg, 2003; Enzyklopädie erster Weltkrieg, hg. v. Hirschfeld, G. u. a., 2003; Horne, J./Kramer, A., Deutsche Kriegsgreuel 1914, 2004; Der erste Weltkrieg, hg. v. Burgdorff, S. u. a. 2004; Strachan, H., Der erste Weltkrieg, 2004; Rombeck-Jaschinski, U., Das Londoner Schuldenabkommen, 2004; Kriegsende 1945, hg. v. Rusinek, B., 2004; Müller, R., Der Bombenkrieg 1939-1945, 2004; Müller, R., Der zweite Weltkrieg, 2004; Schreiber, G., Kurze Geschichte des zweiten Weltkriegs, 2005; Ueberschär, G. u. a., 1945, 2005; Salewski, M., Deutschland und der zweite Weltkrieg, 2005; Bad Oeynhausen zwischen Krieg und Frieden, hg. v. Quaschny, R., 2005, 3. A. 2015; Der zweite Weltkrieg, hg. v. Kuß, S. u. a., 2006; Der zweite Weltkrieg und seine Folgen, hg. v. Martin, B., 2006; Golla, K., Die deutsche Fallschirmtruppe 1936-1941, 2006; Die Ostfront 1943/44, hg. v. Frieser, K. u. a., 2007; Goeken-Haidl, U., Der Weg zurück. Die Repatriierung, 2007; Zimmermann, J., Pflicht zum Untergang, 2009; Kruse, W., Der erste Weltkrieg, 2009; Goltermann, S., Die Gesellschaft der Überlebenden, 2009; Hartmann, C. u. a., Der deutsche Krieg im Osten 1941-1944, 2009; War Planning 1914, hg. v. Hamilton, R. u. a., 2010; Mulligan, W., The Origins of the First World War, 2010; Schwelling, B., Heimkehr - Erinnerung - Integration Der Verband der Heimkehrer, 2010; Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion 1941, hg. v. Ueberschär, G. u. a., 2. A. 2011; Russlandheimkehrer, hg. v. Scherstjanoi, E., 2012; Kennedy, P., Die Casablanca Strategie, 2012; Nagel, G., Wissenschaft für den Krieg, 2012; Weltmärkte und Weltkriege 1870-1945, hg. v. Rosenberg, E., 2012; Rauchensteiner, M., Der erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie, 2013; Krumeich, G., Juli 1914 - Eine Bilanz, 2013; Cabanes, B. u. a., Der erste Weltkrieg, 2013; Bremm, K., Propaganda im ersten Weltkrieg, 2013; Janz, O., 14 – Der große Krieg, 2013; Beaupré, N., Der erste Weltkrieg, 2013; Münkler, H., Der große Krieg, 2013, 2. A. 2013, 3. A. 2013, 4. A. 2014; Schminck-Gustavus, C., Feuerrauch, 2013; Piper, E., Nacht über Europa, 2013; Jenseits der Schützengräben, hg. v. Bachinger, B. u. a., 2013; Ziemann, B., Gewalt im ersten Weltkrieg, 2013; Fröhlich, E., Der zweite Weltkrieg, 2013 (kein neuer Ansatz); Kretschmann, C., Der erste Weltkrieg, 2014; Leonhard, J., Die Büchse der Pandora – Geschichte des ersten Weltkriegs, 2014; Friedrich, J., 14/18. Der Weg nach Versailles, 2014; Sösemann, B., Die „Juli-Krise“ im Riezler-Tagebuch, HZ 298 (2013), 686; Beever, A., Der zweite Weltkrieg, 2014; Mayer, G., Verschwörung in Sarajevo, 2014; Gerbert, F., Endstation Sarajevo, 2014; Der Erste Weltkrieg und die Folgen, hg. v. Loureda, O., 2014; Beckett, I., The Making of the First World War, 2014; Sondhaus, L., The Great War at Sea, 2014; Rauchensteiner, M. u. a., Der erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie 1914-1918, 2015; Neitzel, S., Der erste Weltkrieg und kein Ende, HZ 301 (2015), 121; Die Moskauer Deklaration 1943, hg. v. Karner, S. u. a., 2015; Ruff, M., Gesichter des ersten Weltkriegs, 2015; Narrative des ersten Weltkriegs, hg. v. Seidler, M./Waßmer, J., 2015; Tönsmeyer, T., Hungerökonomien, HZ 301 (2015) 662; Eöhr, W., Hundert Jahre deutsche Kriegsschulddebatte, 2015; Musner, L., Die verletzte Trommel –Der Krieg im slowenisch-triestinischen Karst 1915-1917, 2015; Müller, R., Der zweite Weltkrieg, 2015; Margalit, G., Schuld, Leid und Erinnerung – Deutschlnd gedenkt seiner Toten im Zweiten Weltkrieg, 2016; Zollmann, J., Naulila 1914, 2016; Notizen aus dem Vernichtungskrieg, hg. v. Hürter, J., 2016; Schmidt, R., Revanche pour Sedan, HZ 303 (2016), 393 (Poincarés Verhalten erfüllt den Tatbestand eiiner indirekten Entfesselung des ersten Weltkriegs); Melber, T., Pearl Harbour, 2016; Schwipper, B., Deutschland im Visier Stalins, 2016 (wenig überzeugend); Heinen, A., Wege in den ersten Weltkrieg, 2016; Stewart, A., The First Victory – The Second World War and the East Africa Campaign, 2016; Deak, I., Kollaboration, Widerstand und Vergeltung im Europa des Zweiten Weltkrieges, 2017; Winik, J., 1944 – Roosevelt und das Jahr der Entscheidung, 2017; Hippler. T., Die Regierung des Himmels – Globalgeschichte des Luftkriegs, 2017; Töppel, R., Kursk 1943, 2017, 2. A. 2019; Mejcher, H., Der Nahe Osten im zweiten Weltkrieg, 2017; Huber, F., Hinter den Türen warten die Gespenster, 2017; Castendyck, K., Kriegschronik der evangelischen Pfarrei Eichen-Erbstadt 1914-1918, 2017; Gestrich, A./Pogge von Strandmann, H., Bid for World Power? New Research on the Outbreak of the First World War, 2017; Remy, S., The Malmedy Massacre, 2017; Adeline, Y., Histoire mondiale de la grande guerre 1914-1918, 2017; Schöllgen, G., Krieg. Hundert Jahre Weltgeshichte, 2018; Hirschfeld, G. u. a., Die Deutschen zwischen Weltkrieg und Revolution, 2018; Payk, M., Frieden durch Recht?, 2018; Olmstead, J., The United States‘ Entry into the First World War, 2018; Afflerbach, H., Auf Messers Schneide, 2018; Die Deutschen zwischen Weltkrieg und Revolution, hg. v. Hirschfeld, G. u. a., 2018; Krethlow, C., Bagdad 1915/17 - Weltkrieg in der Wüste, 2018; Borodziej, W. u. a., Der vergessene Weltkrieg – Europas Osten 1912-1923, 2018; Bering, D., Luther im Fronteinsatz, 2018; Kundrus, B., Dieser Krieg ist der große Rassenkrieg – Krieg und Holocaust in Europa, 2018; Geheimdienst und Propaganda im ersten Weltkrieg, hg. v. Epkenhans, M. u. a., 2018; Herde, P., Die Achsenmächte, Japan und die Sowjetunion, 2018; Querengässer, A., El Alamein 1942, 2019; Beevor, A., Arnheim – Der Kampf um die Brücken über den Rhein, 2019; Roberts, A., Feuersturm, 2019; Das Kriegstagebuch des Albert Quinkert (1914-1919), hg. v. Reinartz, K. u. a., 2019; Moore, R., Die deutsche Legende vom „aufgezwungenen Verteidigungskrieg“ 1914, HZ 309 (2019), 606

Weltliches Recht (lat. ius (N.( civile) ist das für weltliche Angelegenheiten geltende bzw. das von weltlichen Kreisen geschaffene Recht in Gegensatz zu dem Kirchenrecht (lat. ius (N.( canonicum).

Lit.: Köbler, DRG 106; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971

Weltraum ist der die Erde umgebende Teil der Welt.

Lit.: Reinke, N., Geschichte der deutschen Raumfahrtpolitik, 2004

Weltrecht ist das für die gesamte Welt geltende Recht.

Lit.: Zitelmann, E., Die Möglichkeit eines Weltrechts, 1888, Neudruck 2013; One Law for All?, hg. v. Kirmse, S., 2012

Welzel, Hans (Artern/Unstrut 25. 3. 1904-Andernach 5. 5. 1977) wird nach dem Rechtsstudium in Jena 1937 Professor in Göttingen und 1952 in Bonn. Er entwickelt für das Strafrecht den finalen Handlungsbegriff, der den Vorsatz als subjektiven Tatbestand zu dem (objektiven) Tatbestand in dem engeren Sinn zieht. In seiner Rechtsphilosophie fordert er für die Rechtsgeltung die Anerkennung des Menschen als verantwortliches Wesen und den Bezug auf Vernunft, Gewissen und demokratische Diskussion.

Lit.: Welzel, H., Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 1951, 4. A. 1962; Gössel, K., Wertungsprobleme des Begriffs der finalen Handlung, 1966; Kaufmann, A., Strafrechtsdogmatik, 1982; Sticht, O., Sachlogik als Naturrecht?, 2000; Lebendiges und Totes in der Verbrechenslehre Hans Welzels, hg. v. Frisch, W. u. a., 2015; Stopp, H., Hans Welzel und der Nationalsozialismus, 2018

Wende (M.) ist die ältere Sammelbezeichnung für den →Slawen an der deutschen Nordostgrenze.

Lit.: Hugelmann, K., Die Rechtsstellung der Wenden im deutschen Mittelalter, ZRG GA 58 (1938), 214; Die Slawen in Deutschland, hg. v. Herrmann, E., 1970; Oschlies, W., Die Sorben, 1972; Herrmann, J., Der Wendenkreuzzug von 1147, 2011

Wenger, Leopold (Obervellach/Kärnten 4. 9. 1874-21. 9. 1953), Bauernsohn, wird nach dem Rechtsstudium in Graz 1902 außerordentlicher Professor, dann ordentlicher Professor in Wien (1904), Graz (1905), Heidelberg (1908), München (1909) und Wien (1935). Beeinflusst von Ludwig Mitteis wendet er sich der Papyrologie zu und versteht als sein Forschungsgebiet umfassend die antike Rechtsgeschichte. Innerhalb des römischen Rechtes bietet er eine grundlegende Zusammenfassung über „Die Quellen des römischen Rechtes“ (1953).

Lit.: Kaser, M., Leopold Wenger, ZRG GA 71 (1954), XIII

Wenzelskrone ist die auf König Wenzel I. (1230-1253) zurückgehende Krone des Königs von Böhmen. Länder der W. sind (unter den Habsburgern) Böhmen, Mähren, Schlesien und die Lausitz.

Wer A sagt, muss auch B sagen.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, 1996, 25 (Pistorius 1716)

Werböczy, Stephanus (um 1458-1541) wird nach einem (nicht gesicherten) Studium im Ausland (Krakau 1492) (1492 Amtsträger des Königs von Ungarn, nach Adoption durch Mihály Szobi) Protonotar hoher ungarischer Gerichte (1502) und schließlich Kanzler eines Gegenkönigs. 1514 veröffentlicht er eine Zusammenfassung des in Ungarn unter Rezeption römischen Rechtes geltenden Gewohnheitsrechts ((lat.( Tripartitum opus (N.( iuris consuetudinarii inclyti regni Hungariae. Dreiteiliges Werk des Gewohnheitsrechts des ruhmreichen Königreichs Ungarn). Obwohl das die Interessen des Adels sichernde, von dem Landtag wohl gebilligte Werk nie in Kraft tritt, gilt es teilweise bis 1945 gewohnheitsrechtlich.

Lit.: Fraknói, V., Werböczy, 1899; Zlinszky, J., Werböczy jog forrástana, (in) Jogtudományi Közlöny, 1993, 374; Tanulmányok Werbőczy Istvánról, hg.v. Hamza, G., 2001; Werböczy, S., The Customary Law of the renowned kingdom of Hungary in three parts, 1517, hg. und übers. v. Bak, J. u. a., 2006

Werbung

Lit.: Rücker, M., Wirtschaftswerbung unter dem Nationalsozialismus, 2000; Ilgen, V./Schindelbeck, D., Am Anfang war die Litfaßsäule, 2006

Werden

Lit.: Hoederath, H., Hufe, Manse und Mark in den Quellen der Großgrundherrschaft Werden am Ausgang der Karolingerzeit, ZRG GA 68 (1951), 211; Brand, J., Geschichte der ehemaligen Stifter Essen und Werden während der Übergangszeit, Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 86 (1971)

Werfen ist das einen Gegenstand durch die Luft Schleudern. Es kann in dem Mittelalter rechtssymbolische Bedeutung haben.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943

Wergeld ist in dem Mittelalter die in Sachen (z. B. Vieh, Waffen, Geräte) erbrachte Ausgleichsleistung für die ausgleichspflichtige Tötung eines Menschen. Das W. lässt sich bereits für die Germanen vermuten. Es fällt teilweise an die Verwandten des Getöteten, teilweise an den König (Friedensgeld). Es wird vermutlich ursprünglich in dem einzelnen Fall besonders ausgehandelt. In den Volksrechten erscheinen feste, von dem jeweiligen Stand abhängige Schillingbeträge (→Kompositionensystem z. B. bei einem fränkischen Freien 200 Schillinge d. h. 100 Rinder) als Rechnungseinheiten. Mit dem Aufkommen der peinlichen →Strafe seit dem 11. Jahrhundert verschwindet es allmählich.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 91, 119, 120; Köbler, WAS; Brunner, H., Sippe und Wergeld nach niederdeutschen Rechten, ZRG GA 3 (1882), 1; Vinogradoff, P., Wergeld und Stand, ZRG GA 23 (1902), 123; Jaekel, H., Weregildus, ZRG GA 28 (1907), 102; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Lintzel, M., Zur altsächsischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 52 (1932), 294; Ganahl, K., Hufe und Wergeld, ZRG GA 53 (1933), 208; Stutz, U., J. Brissaud und Heinrich Brunners Erklärung des Römerwergeldes, ZRG GA 55 (1935), 287; Fenger, O., Fehde og mandebod, 1971

Werk (Wort bereits für das Indogermanische zu erschließen) ist das Ergebnis der auf einen neuen Erfolg gerichteten Tätigkeit des Menschen (z. B. Bauwerk, Kunstwerk). Bis 1965 entwicklten sich unterschiedliche Werke. Sie sind seit 1965 durch § 2 II UrhG gedanklich auf den von Edward Young in den Blick genommenen Inhalt (Prägung durch) persönliche geistige Schöpfung vereinheitlicht und dadurch zugleich für neuere Entwicklungen offengehalten. Während aber das (deutsche) Urheberrecht ausdrücklich das Verhältnis des Urhebers zu seinem Werk ordnet, betont das angelsächsische Copyright stärker die verbindende Stellung des Werkes zwischen Urheber und Öffentlichkeit.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Sommer.L., Die Geschichte des Werkbegriffs im deutschen Urheberrecht, 2017

Werkvertrag (Wort 1863) ist der gegenseitige Vertrag, in dem sich der Unternehmer verpflichtet, ein Werk für den Besteller gegen Entgelt herzustellen. Der W. ist bereits dem römischen Recht als (lat.) locatio (F.) conductio operis (z. B. Herstellung einer Sache aus übergebenem Stoff, Reinigung einer Sache, Beförderung einer Sache, Unterrichtung eines Sklaven, conductor ist der zu Erfolg verpflichtete Hersteller, locator der Besteller des Werkes) bekannt. Danach erscheint der W. wieder in der hochmittelalterlichen Stadt, in welcher der Unternehmer vielfach durch die Zunft eingeschränkt wird. Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen. In der Aufklärung wird der W. aus der Verbindung mit der Miete gelöst und dem Dienstvertrag zu der Seite gestellt. Von ihm ist er durch den notwendigen Erfolg zu unterscheiden. Vielfach sind danach Gefahrtragung oder Gewährleistung deutschrechtlich gelöst, anderes wie etwa der Verzug römischrechtlich. Werklieferungsvertrag ist gegenüber dem W. der dem Kauf ähnliche Vertrag über die Herstellung eines Werkes aus Stoffen des Unternehmers oder Herstellers.

Lit.: Kaser § 42 I, IV; Söllner § 9; Hübner 584; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 45, 127; Riezler, E., Der Werkvertrag nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, 1900; Rothenbücher, K., Geschichte des Werkvertrags, 1906; Benöhr, H., Das Gesetz als Instrument zur Lösung sozialpolitischer Konflikte, ZRG GA 95 (1978), 221; Schubert, W., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Werkvertrag, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 281; Fels, A., Die Sachmängelgewährleistung im Werkvertragsrecht des BGB, 2000; Büscher, M., Künstlerverträge in der Florentiner Renaissance, 2002; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Wert ist die zu dem Wohl eines Lebewesens beitragende Gegebenheit. Die angesehensten rechtlichen Werte können in der Gegenwart durch die Verfassung besonders geschützt. sein. Sie können zu einem Wertesystem zusammengefügt sein.

Lit.: Wapler, F., Werte und das Recht, 2008

Wertheim

Lit.: Der Lehenhof der Grafen von Wertheim, 1955; Zimmermann, K., Obrigkeit, Bürgertum und Wirtschaftsformen im alten Wertheim, 1975

Wertpapier (Wort 1853) ist die Urkunde, deren Innehabung Voraussetzung für die Geltendmachung des in ihr verbrieften Rechtes ist. Die erst von Heinrich Brunner zusammengefassten Wertpapiere erscheinen in Frühformen an oberitalienischen Handelsplätzen seit dem 12. Jahrhundert In dem Vordergrund steht dabei der →Wechsel. In der frühen Neuzeit gewinnt das W. allgemeinere Bedeutung. In der Mitte des 19. Jahrhunderts bildet es den ersten Ansatzpunkt zu der gesetzlichen Rechtsvereinheitlichung in dem Deutschen Bund (→Allgemeine Deutsche Wechselordnung). 1908 wird in dem Deutschen Reich auch der →Scheck W. An dem Ende des 20. Jahrhunderts treten die nur noch elektronisch dokumentierten Rechte vor.

Lit.: Hübner § 88; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 128, 167, 218, 272; Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Salvioli, G., I titoli al portatore, 1883; Neudruck 1957; Cordes, J., Begriffe und Arten der Wertpapiere, Diss. jur. Kiel 1898; Schultze-von Lasaulx, H., Beiträge zur Geschichte des Wertpapierrechts, 1931; Sedatis, L., Über den Ursprung der Wechselstrenge, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,686; Thieme, H., Zur wertpapierrechtlichen Funktion mittelalterlicher Urkunden, FS Eichler, H., 1977, 645; Abschied vom Wertpapier, hg. v. Kreuzer, K., 1988; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Wertsicherung ist die Sicherung des Wertes einer Geldforderung gegen die Geldentwertung. Sie wird in dem Deutschen Reich seit 1914 bedeutsam. Seit 1934 werden diesbezügliche Vertragsklauseln eingeschränkt.

Lit.: Dürkes, W., Wertsicherungsklauseln, 10. A. 1992

Wertungsjurisprudenz ist die seit 1930 bzw. seit der Mitte des 20. Jahrhunderts (Karl Larenz, Franz Wieacker, Heinrich Lange, Mittel und Ziel der Rechtsfindung in dem Zivilrecht, Z. d. Ak. f. dt. R. 1936, 922) erkennbare Lehre, nach der Rechtssätze nicht mechanisch aus der Wirkung kausaler Interessen entstehen, sondern sich auf eine Wertung der an der Gesetzgebung Beteiligten gründen und bei der Auslegung objektiv-teleologische Kriterien (z. B. Gleichbehandlungsgrundsatz, Sachgemäßheit) heranzuziehen sind. Die W. setzt ein in der Gesamtrechtsordnung enthaltenes Wertesystem voraus.

Lit.: Petersen, J., Von der Interessenjurisprudenz zur Wertungsjurisprudenz, 2001; Rückert, J., Vom „Freirecht“ zur freien „Wertungsjurisprudenz“, ZRG GA 125 (2008), 199

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 100 (Henisch 1616, lat. prior tempore potior iure)

Wesel

Lit.: Stadtrechnungen von Wesel 1349-1450, bearb. v. Gorissen F., 1963; Weseler Edikte 1324-1600, bearb. v. Roelen, M. u. a., 2005

Wesenbeck, Matthaeus (Antwerpen 1531-Wittenberg 1586) wird nach dem Rechtsstudium in Löwen (Mudaeus), Paris und Löwen 1557 Dozent in Jena und 1569 Professor in Wittenberg. 1576 veröffentlicht er eine Sammlung seiner Rechtsgutachten, 1563 verfasst er einen Kommentar zu den Pandekten. Darin geht er synthetisch vor und bezieht die Rechtspraxis ein.

Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Dekkers, R., Het humanisme en de rechtswetenschap, 1938, 191; Lück, H., Ein Niederländer in Wittenberg, Jb. d. Zentrums f. Niederlande-Studien 1991, 199; Wittenberg. Ein Zentrum europäischer Rechtsgeschichte und Rechtskultur, hg. v. Lück, H. u. a., 2006

Westeuropäische Union (WEU) ist der an dem 17. 3. 1948 ursprünglich gegen Deutschland gerichtete, erweitert an dem 6. 5. 1955 in Kraft getretene Beistandsvertrag zwischen Großbritannien, Frankreich, Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, Deutschland und Italien mit einem Rat, einer Versammlung und einem Generalsekretariat als wichtigsten Organ. An dem 13. 11. 2000 werden die operativen Aufgaben auf die Europäische Union übertragen.

Lit.: Fleuß, M., Die operationelle Rolle der Westeuropäischen Union, 1996; Birk, E., Der Funktionswandel der Westeuropäischen Union, 1999; Herrmann, A., Kriseninstrument WEU, 2015

Westfale ist der in dem Frühmittelalter (2. H. 8. Jahrhunderts) erkennbare Angehörige eines Teilstamms der Sachsen. Als rechtliche Besonderheit der Westfalen wird die Gütergemeinschaft hervorgehoben. 1180 wird Westfalen Territorialherzogtum des Erzbischofs von Köln, das 1815 teilweise an Preußen gelangt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 112, 256; Westfälisches Urkundenbuch, hg. v. Erhard, H., Bd. 1ff. 1847ff.; Lappe, J., Die Entstehung und Feldmarkverfassung der Stadt Werne, Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde Westfalens 76 (1917); His, R., Eine eigentümliche Klausel in westfälischen Schuldurkunden, ZRG GA 42 (1921), 481; Hömberg, A., Siedlungsgeschichte des oberen Sauerlandes, 1938; Klocke, F. v., Fürstenbergsche Geschichte, Bd. 1 1939; Hagemann, A., Von den mittelalterlichen Ständen Westfalens, ZRG GA 69 (1952), 328; Hagemann, A., Das westfälisch-niedersächsische Wappenbild, ZRG GA 69 (1952), 340; Deutsches Städtebuch, Bd. 3, 2 Westfälisches Städtebuch 1954; Wüllner, W., Zivilrecht und Zivilrechtspflege, 1964; Possel-Dölken, P., Das westfälische eheliche Güterrecht, 1978; Droege, G., Das kölnische Herzogtum Westfalen, 1980; Köbler, G., Gericht und Recht in der Provinz Westfalen, FS G. Schmelzeisen, 1980, 166; Scharpwinkel, K., Die westfälischen Eigentumsordnungen, 1965; Klueting, H., Geschichte Westfalens, 1998; Zunker, D., Adel in Westfalen, 2003; Das Herzogtum Westfalen, Bd. 1f. hg. v. Klueting, H., 2009ff.

Westfalen

Lit.: Der Raum Westfalen, Bd. 1ff. hg. v. Aubin, H. u. a., 1931ff.; Süderländische Geschichtsquellen und Forschungen, hg. v. Dösseler, E., Bd. 1f. 1954f.; Westfalen – Hanse – Ostseeraum, Beiträge von Winterfeld, L. v. u. a., 1955; Haase, C., Die Entstehung der westfälischen Städte, 1960, 2. A. 1963; Wüllner, W., Zivilrecht und Zivilrechtspflege in den westlichen Teilen Westfalens am Ende des 18. Jahrhunderts, 1964; Klocke, F. v., Westfalen und Nordosteuropa, 1964; Hartlieb von Wallthor, A., Die landschaftliche Selbstverwaltung Westfalens, 1965; Hömberg, A., Zwischen Rhein und Weser, 1967 (Aufsätze); Klueting, H., Die Säkularisation im Herzogtum Westfalen 1802-1834, 1980; Ludwig Freiherr Vincke, hg. v. Behr, H. u. a., 1994; Fischer, S., Juristen in Westfalen im 19. Jahrhundert, 2012; Dröge, M., Männlichkeit und „Volksgemeinschaft“ – Der westfälische Landeshauptmann Karl Friedrich Kolbow (1899-1945), 2015; Die Tagebücher des Ludwig Freiherrn Vincke 1789-1844, bearb. v. Behr, H. u. a., Bd. 8 2015, Bd. 10 1830-1839

Westfälischer Friede ist der an dem 24. 10. 1648 in Münster unterzeichnete Vertrag von Münster (katholisch, zwischen Kaiser und Frankreich) und Osnabrück (evangelisch, zwischen Kaiser und Schweden), der den Dreißigjährigen Krieg beendet. Er bestätigt den Rechtsstand des Augsburger Religionsfriedens von 1555. Er schwächt das Reich, weil es umfangreiche Gebiete verliert (Elsass an Frankreich, Bremen, Verden und Vorpommern an Schweden) und ansonsten den etwa 300 nun vorhandenen Reichsgliedern verschiedener Größe und Bedeutung wesentliche Rechte (u. a. Bündnisrecht) zugesteht und damit die Möglichkeit des Gegensatzes und der Auseinandersetzung verstärkt. Durch Beschluss des Reichstags wird er 1654 Reichsgesetz.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 130; Pütter, S., Geist des westphälischen Friedens, 1795, Neudruck hg. v. Buschmann, A., 2010; Kürschner, T., Die Landeshoheit der deutschen Länder, 1938; Dickmann, F., Der westfälische Friede, 1959, 6. A. 1992; Acta pacis Westfalicae, hg. v. der Nordrhein-Westfälischen Ak. D. Wiss., Serie Iff. 1962ff. bis zum Ende der Projektförderung 2011 44 Editionsbände); Forschungen und Studien zur Geschichte des westfälischen Friedens, 1965; Scharpwinkel, K., Die westfälischen Eigentumsordnungen des 17. und 18. Jahrhunderts, Diss. jur. Göttingen 1965; Böckenförde, E., Der westfälische Friede, Der Staat 8 (1969), 449; Instrumenta pacis Westphalicae, hg. v. Müller, K., 2. A. 1966; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, 1972; Ruppert, K., Die kaiserliche Politik auf dem westfälischen Friedenskongress 1643-48, 1979; Kremer, B., Der westfälische Friede, 1989; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005; Immler, G., Kurfürst Maximilian I. und der westfälische Friedenskongress, 1992; Der westfälische Friede, hg. v. Duchhardt, H., 1998; Der westfälische Frieden, hg. v. Hey, B., 1998; Repgen, K., Der westfälische Friede, 1999; Der westfälische Frieden, hg. v. Moorman van Kappen, O., 1998; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Hässler, H., 1999; Ziegler, K., Die Bedeutung des westfälischen Friedens von 1648 für das europäische Völkerrecht, Archiv des Völkerrechts 37 (1999), 129; 350 Jahre westfälischer Friede, hg. v. Schröder, M., 2000; Westfälische Jurisprudenz, hg. v. Großfeld, B. u. a., 2000; Gantet, C., La paix de Westphalie, 2001; Croxton, D./Tischer, A., The Peace of Westphalia, 2002

westfränkisch →Frankreich

Westgalizien ist der westliche Teil Galiziens (mit Krakau und Lublin), der 1795 bei der dritten Teilung Polens an Österreich gelangt. an dem 19. 12. 1796 tritt dort die österreichische →Allgemeine Gerichtsordnung von dem 1. 5. 1781 in etwas veränderter Form als Westgalizische Gerichtsordnung in Kraft (nach 1812 auch in Tirol und Salzburg, gültig bis 1898). An dem 13. 2. 1797 wird nach Wiederaufnahme (1790) der Gesetzgebungsarbeiten an einem bürgerlichen Gesetzbuch, die 1786 nur zu dem Josephinischen Gesetzbuch geführt hatten, eine frühe, vollständige, aus dem sog. Entwurf Martini (1795) entwickelte Fassung des späteren →Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs als Bürgerliches Gesetzbuch für (West-)Galizien (Westgalizisches Gesetzbuch mit 8155 Wortformen) in Kraft gesetzt (JGS 337, in Ostgalizien und in der Bukowina an dem 8. 9. 1797 zu dem 1. 1. 1798). 1809 fällt W. an das Großherzogtum Warschau.

Lit.: Köbler, DRG 131, 155; Baltl/Kocher; Der Ur-Entwurf, hg. v. Ofner, J., Bd. 1 1889, 1ff.; Pfaff, L., Zur Entstehungsgeschichte des Westgalizischen Gesetzbuches, Jur. Bll. 1890, 399

Westgote ist der Angehörige des seit 269 n. Chr. sichtbaren westlichen (?) Teilstamms der Goten. 418/419 gründen die Westgoten ein Reich in Südgallien (Toulouse). Vermutlich um 475 wird unter König Eurich in dem (lat.) →Codex (M.) Euricianus ihr Recht aufgezeichnet. Vor 507 entsteht die für die römische Bevölkerung geltende (lat.) →Lex (F.) Romana Visigothorum (Römisches Recht der Westgoten). 507 verlieren die Westgoten ihr in Gallien liegendes Gebiet an die Franken und werden auf das inzwischen eingenommene →Spanien (Toledo) verwiesen. Das Recht der Westgoten wird in der (lat.) →Lex (F.) Visigothorum weiter entwickelt (Leovigild, Chindasvinth, Reccesvinth). Überreste finden in die →Fueros Eingang. 711 geraten die Westgoten infolge Uneinigkeit unter die Herrschaft der →Araber. In dem Hochmittelalter gehen sie in der Vorbevölkerung der iberischen Halbinsel auf.

Lit.: Söllner § 19; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 67, 75, 80; Schmeltzer, R., Die Redaktionen des Westgotenrechts, ZRG GA 2 (1881), 123; Ein neuentdecktes westgotisches Gesetz, ZRG GA 7 (1886), 236; Dopsch, A., Westgotisches Recht im Capitulare de villis, ZRG GA 36 (1915), 1; Bergin, A., The Law of the Westgoths, 1906; Melicher, T., Der Kampf zwischen Gesetzes- und Gewohnheitsrecht im Westgotenreiche, 1930; Gesetze der Westgoten, hg. v. Wohlhaupter, E., 1936; Stroheker, K., Eurich, 1937; Merêa, P., O poder paternal, Boletim da faculdade de direito 15 (1939); Schultze, A., Über westgotisch-spanisches Eherecht, 1944 (SB Leipzig); Merêa, P., Estudios de direito Visigótico, 1948; Beyerle, F., Zur Frühgeschichte der westgotischen Gesetzgebung, ZRG GA 67 (1950), 1; Reinhart, W., Über die Territorialität der westgotischen Gesetzbücher, ZRG GA 68 (1951), 348; Claude, D., Geschichte der Westgoten, 1970; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Claude, D., Adel, Kirche und Königtum im Westgotenreich, 1971; King, P., Law and society, 1972; García-Moreno, L., Historia de España Visigoda, 1989; Völkl, A., Der Verkauf der fremden Sache, ZRG RA 110 (1993), 425; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001; The Visigoths, hg. v. Ferreiro, A., 1999; Heather, P., The Visigoths, 2001; Visigoti e Longobardi, hg. v. Arce, J. u. a., 2001; Ferreiro, A., The Visigoths in Gaul and Iberia, 2006; Ferreiro, A., The visigoths in Gaul and Iberia - A Substantial Bibliography, 2007ff.; Kampers, G., Geschichte der Westgoten, 2008; Hillgarth, J., The Visigoths in History and Legend, 2009

Westgötenrecht (Westgötalagh, Västgötalagh) ist die älteste, um 1220 beginnende, vor allem in Westergötland (Westgötaland) geltende, schwedische Rechtsaufzeichnung. Von der ältesten Fassung sind nur Bruchstücke erhalten, von der nächstälteren (Mitte 13. Jahrhundert) eine Handschrift von etwa 1285, von der jüngeren, wohl 1281 bis 1300 oder Jahrzehnte später (1310-1315) entstandenen Fassung zahlreiche Handschriften seit etwa 1350. Anfänglicher Verfasser (1220/5) ist vielleicht Eskil Magnusson (um 1175-1227).

Lit.: Westgöta-Lagen, hg. v. Collin, H. u. a., 1827, Neudruck 1976; Das ältere westgötische Rechtsbuch, hg. v. Rehfeldt, B., 1926; Schwedische Rechte, hg. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1935; Nelson, A., Envig och ära, (in) Saga och sed, 1944, 57; Äldere Västgötalagen, hg. v. Holmbäck, A. u. a., 1946; Äldre Västgötalagen, hg. v. Wessén, E., 1950; Ericsson, G., Den kanoniska rätten, 1967; Aquist, G., Frieden und Eidschwur, 1968; Hafström, G., De svenska rättskällornas historia, 1978; Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im mittelalterlichen Schweden, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Sjöholm, E., Sveriges Medeltidslagar, 1988; Äldre Västgötalagen, hg. v. Wiktorsson, P., 2011; Nilsson, G., Nytt Ljus Över Yngre Västgötalagen, 2012

Westmannalagh, Västmannalagh, (Schweden um 1330) →nordisches Recht

Lit.: Hafström, G., De svenska rättskällornas historia, 1978

Westphalen ist das kurzlebige, von →Napoleon um Westfalen errichtete Königreich (18. 8. 1807-1. 10. 1813) um Kassel mit einer liberalen Verfassung von dem 15. 10. 1807.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Berding, G., Napoleonische Herrschafts- und Gesellschaftspolitik, 1973; Regierungsakten des Königreichs Westphalen 1807-1813, bearb. v. Rob, K., 1992; Code Napoléon. Französisch-deutsch, 1808, Neudruck 1997; Der Code pénal des Königreichs Westphalen von 1813, hg. v. Schubert, W., 2001; Wrobel, K., Von Tribunalen, Friedensrichtern und Maires, 2004; Ham, R., Die Constitution für das Königreich Westphalen von 1807, ZNR 2004, 227; Hecker, M., Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Rheinbündischer Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; Modell und Wirklichkeit, hg. v. Dethlefs, G. u. a., 2007; Napoleon und das Königreich Westphalen, hg. v. Hewig, A. u. a. 2008; Bethan, A., Napoleons Königreich Westphalen, 2012; Paye, C., Der französischen Sprache mächtig, 2013; Sunderbrink, B., Revolutionäre Neuordnung auf Zeit, 2015

Westzone ist die von 1945 bis 1949 währende Besatzungszone einer der westlichen alliierten Besatzungsmächte (Vereinigte Staaten von Amerika, Großbritannien, Frankreich) des Deutschen Reiches. Aus den drei Westzonen entsteht die →Bundesrepublik Deutschland.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Diestelkamp, B., Die Verfassungsentwicklung in den Westzonen, NJW 1989, 1312; Dilcher, H., Bürgerliches Recht in den Westzonen, (in) Staat, Kirche, Wissenschaft, 1989

Wettbewerb ist das Streben mehrerer nach einem Ziel, das nicht alle gleichzeitig erreichen können, insbesondere das Streben jedes von mehreren Unternehmen, auf einem gemeinsamen Markt mit möglichst vielen Kunden abzuschließen. In der mittelalterlichen Stadt wird der W. durch die →Zunft eingeschränkt. Mit der Liberalisierung des 19. Jahrhunderts wird dagegen der W. freigegeben (→Gewerbefreiheit Deutschland 1869). Um daraus entstehende Missbräuche zu beseitigen wird in dem Deutschen Reich nach Einzelregeln (1894) ein Gesetz zu der Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs von dem 27. 5. 1896 erlassen, das 1909 (und 2004) neu gefasst wird. Umgekehrt muss nach einer Kartellverordnung bereits von 2. 11. 1923 an dem 27. 7. 1957 gegen die aus der steigenden Machtkonzentration erwachsenden Gefahren ein Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen geschaffen werden, das später noch verschärft wird (1965, 3. 8. 1973 vorbeugende Fusionskontrolle, Beseitigung der vertikalen Preisbindung für Markenartikel, Verstärkung der Missbrauchsaufsicht, 1976, 1980, 1989).

Lit.: Köbler, DRG 176, 218, 272; Ulmer, E., Warenzeichen und Wettbewerb, 1929; Swoboda, R., Das Wettbewerbsverbot unter Handelsgesellschaftern, Diss. jur. Heidelberg 1931; Blaich, F., Kartell- und Monopolpolitik, 1973; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Scherner, K. u. a., 1982; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3749; Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Schröder, R., Die Entwicklung des Kartellrechts, 1983; Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Baums, T., Kartellrecht in Preußen, 1990; Nörr, K., Die Leiden des Privatrechts, 1994; Heße, M., Die historische Entwicklung der Wettbewerbsverbote, 1994; Wadle, E., Das Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs von 1896, JuS 1996, 1064; Volckart, O., Wettbewerb und Wettbewerbsbeschränkung im vormodernen Deutschland 1000-1800, 2002; Stechow, H. v., Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, 2002; Murach-Brand, L., Antitrust auf deutsch, 2004; Bormann, J., Wettbewerbsbeschränkungen durch Grundstücksrechte, 2004; Pitzer, F., Interessen im Wettbewerb, 2009; Michalczyk, R., Europäische Ursprünge der Regulierung von Wettbewerb, 2010; Späth, J., Aspekte des Lauterkeitsrechts zu Zeit des Nationalsozialismus, 2029

Wette (Wort bereits für das Germanische zu erschließen) ist das gegenseitige, zu der Bekräftigung bestimmter widerstreitender Behauptungen mehrerer Vertragspartner dienende Versprechen dahingehend, dass dem, dessen Behauptung sich als richtig erweist, ein Gewinn zufallen soll. Eine W. ist in dem römischen Recht in gewisser Weise in der (lat.) legis actio (F.) sacramento enthalten. Bei den Germanen ist das Spiel mit hohem Einsatz möglich. In dem Frühmittelalter wird unter W. vielfach das Pfandrecht verstanden. Seit dem Spätmittelalter wird die W. missbilligt. In der Neuzeit ist die Lotterie weitverbreitet. Der W. wird die Klagbarkeit der Schuld abgesprochen. Der Staat bemüht sich zwecks Verhinderung von Wettsucht und zwecks Erzielung von Einnahmen um eine Einschränkung gewerblicher Privatwetten.

Lit.: Kaser § 81 II 1c; Hübner 595; Kroeschell, DRG 1, 2; Hagemann, H., Wette, FS H. Liermann, 1964, 60; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Duderstadt, D., Spiel, Wette und Differenzgeschäft (§§ 762-764 BGB) in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Wetterau ist die Landschaft an der Wetter nördlich der Mündung des Maines in den Rhein. Sie ist nacheinander keltisch, römisch und fränkisch beherrscht. In dem Hochmittelalter ist sie königsnah.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hävernick, W., Das ältere Münzwesen der Wetterau, 1936, kommentierte Neuaufl. 2009; Kropat, A., Reich, Adel und Kirche, 1965; Hardt-Friederichs, F., Das königliche Freigericht Kaichen, 1975; Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Althessen im Frankenreich, hg. v. Schlesinger, W., 1975; Schmidt, W., Der Wetterauer Grafenverein, 1989; Geschichte von Wetterau und Vogelsberg, hg. v. Stobbe, R., Bd. 1 1999

Wettin ist die Burg bei Halle an der Saale, nach der sich ein wohl seit 875 (Graf Friedrich in dem Harzgau) nachweisbares Geschlecht benennt, an das 1423 Sachsen gegeben wird. Die Wettiner teilen sich 1485 in eine albertinische Linie (→Sachsen) und eine ernestinische Linie (→Thüringen).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131; Posse, O., Die Wettiner, 1897; Helbig, H., Der wettinische Ständestaat, 1980; Philippi, H., Die Wettiner in Sachsen und Thüringen, 1989; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Rogge, J., Die Wettiner, 2005; Die Wettiner und ihre Herrschaftsgebiete 1349-1382, bearb. v. Leisering, E., 2006; Groß, R., Die Wettiner, 2007; Knöfel, A., Dynastie und Prestige, 2009; Kaiser, U., Das Amt Leuchtenburg, 2012; Die Welt der Ernestiner, hg. v. Westphal, S. u. a., 2016; Die Ernestiner, hg. v. Greiling, W. u. a., 2016

Wetzlar an der Lahn erscheint in dem 9. Jahrhundert Es wird Reichsstadt nach Frankfurter Recht. Von 1603 bis 1806 beherbergt W. das →Reichskammergericht.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Velten, A., Beiträge zur Geschichte, Diss. jur. Gießen, 1922; Interthal, K., Die Reichsvogtei Wetzlar, 1928; Clauß, F., Wetzlarer Richter-, Schöffen- und Ratsfamilien, Mitteilungen des oberhessischen Geschichtsvereins 35 (1937), 1; Ranieri, F., Die Arbeit des Reichskammergerichts, 1988; Schmidt-von Rhein, G., Das Reichskammergericht, 1990; Hahn, H., Altständisches Bürgertum zwischen Beharrung und Wandel, Wetzlar 1689-1870, 1991; Schieber, S., Normdurchsetzung im frühneuzeitlichen Wetzlar, 2008; Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit, Bd. 10 bearb. v. Mahlerwein, G. u. a., 2010 (429 Nummern); Winkel, H., Herrschaft und Memoria, 2010

WEU →Westeuropäische Union

Weyer, Johann (Grave an der Maas um 1515-Tecklenburg 24. 2. 1588) wird nach dem Medizinstudium in Paris und Orléans Arzt in Arnheim (1545) und Kleve-Jülich-Berg. 1563 veröffentlicht er sein gegen Zauberei- und Hexereiaberglauben gerichtetes, humanistisches Hauptwerk (De praestigiis daemonum). Es wird auf den kirchlichen Index der verbotenen Bücher gesetzt.

Lit.: Schneider, U., Das Werk „De praestigiis daemonum“, Diss. jur. Bonn 1951 masch.schr.; Nahl, R. van, Zauberglaube und Hexenwahn, 1983; Siefener, M., Hexerei im Spiegel der Rechtstheorie, 1992

whig (M.) Vertreter des aufgeklärten Volksinteresses in England (Schimpfname, Tory angeblich von Tar a ry, komm o König, um 1680).

Wibald von Stablo (1098-1158) ist der aus Stabloer Ministerialität hervorgegangene, 1117 in den geistlichen Stand übergetretene, spätere Abt von Stablo-Malmedy (1130) und (Montecassino 1137 sowie) Corvey (1146), der den Kaisern Lothar III., Konrad III. und Friedrich Barbarossa als wichtiger Berater dient, gleichwohl von einem einzelnen heutigen Juristen entgegen diplomatischen Erkenntnissen systematischer Fälschung bezichtigt wird.

Lit.: Jakobi, F., Wibald von Stablo und Corvey, 1979; Faußner, H., Wibald von Stablo, 2003ff.; Hofmann, H., Das Briefbuch Wibalds von Stablo, DA 63 (2007), 41; Das Briefbuch Abt Wibalds von Stablo und Corvey, hg. v. Hartmann, M, 2012

Widerlegung, Widerlage (F.) Ersatzleistung, Gegengabe des Ehemanns oder eines Dritten an die Ehefrau für deren Heiratsgut in dem Ehevertrag mit Wirkung nach dem Tode des Ehemanns bei vorheriger tatsächlicher nachweislicher Leistung des Heiratsguts

Lit.: Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts, 1973, 51, 364; Brauneder, W., Widerlegung – Widerlage, ZNR 2016, 1

Widerruf (Wort um 1200 belegt) ist in dem Privatrecht die Willenserklärung, die eine noch nicht endgültig wirksame Willenserklärung von Anfang an beseitigen soll, bzw. in dem Verwaltungsrecht die Aufhebung eines rechtmäßigen Verwaltungsakts. Der privatrechtliche W. ist bereits dem römischen Recht bekannt. Der öffentlichrechtliche W. wird erst mit der dogmatischen Verfestigung des Verwaltungsrechts als solcher geformt.

Lit.: Kaser §§ 16 II 1, 47 II, 60 IV 2b, 76 IV 2b, 77 II 5b, 79 I 2b; Wieacker, F., Lex commissoria, 1932; Krause, H., Der Widerruf von Privilegien, Archival. Z. 75 (1979), 117; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Martens, M., Die Entwicklung der Widerrufsrechte des Verbrauchers, 2010

Widersagung (F.) Fehdeankündigung

Lit.: Tewes, U., Zum Fehdewesen, 1994

Widerspruch ist die Gegenäußerung zu einer Äußerung (z. B. W. gegen die Richtigkeit des Grundbuchs seit dem 19. Jahrhundert). In Deutschland wird seit 1960 ein W. bei der höheren Verwaltungsbehörde zu der einheitlichen Voraussetzung für eine verwaltungsrechtliche Anfechtungsklage oder Verpflichtungsklage, doch werden an dem Ende des 20. Jahrhunderts Ausnahmen zugelassen.

Lit.: Köbler, DRG 263

Widerstand ist die entgegenstehende Haltung oder Kraft. Die Frage eines Rechtes zu W. gegen eine herrschaftliche Maßnahme wird schon früh diskutiert (Manegold von Lautenbach 11. Jahrhundert, Magna Charta 1215). Gegen den ungerechten Herrscher (z. B. Diktator) ist W. rechtmäßig. Die jeweilige Grenze zwischen rechtmäßigem und rechtswidrigem W. ist zweifelhaft. Der W. gegen die Staatsgewalt ist seit dem 19. Jahrhundert ein Straftatbestand. Aus ihm wird später der W. gegen Vollstreckungsbeamte.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kroeschell, 20. Jahrhundert; Kern, F., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht, 1915, 7. A. 1980; Zeumer, K., Das vermeintliche Widerstandsrecht gegen Unrecht des Königs und Richters im Sachsenspiegel, ZRG GA 35 (1914), 68; Wolzendorff, K., Staatsrecht und Naturrecht, 1916; Haensel, W., Kants Lehre vom Widerstandsrecht, 1926; Ritter, G., Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung, 3. A. 1956; Schönfeld, W., Zur Frage des Widerstandsrechts, 1955; Mayer-Tasch, P., Thomas Hobbes und das Widerstandsrecht, 1965; Hoffmann, P., Widerstand - Staatsstreich - Attentat, 1969; Köhler, M., Die Lehre vom Widerstandsrecht, 1973; Schulze, W., Bäuerlicher Widerstand und feudale Herrschaft, 1980; Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht, 1985; Der deutsche Widerstand, hg. v. Müller, K., 2. A. 1990; Böttcher, D., Ungehorsam oder Widerstand?, 1991; Mehringer, H., Widerstand und Emigration, 1998; Lexikon des Widerstandes 1933-1945, hg. v. Steinbach, P./Tuchel, J., 1998; Widerstand als „Hochverrat“ 1933-1945, bearb. v. Zarusky, J. u. a., 1998; Steinbach, P., Widerstand im Widerstreit, 1999; Quin, E., Personenrechte und Widerstandsrecht, 1999; Friedeburg, R. v., Widerstandsrecht und Konfessionskonflikt, 1999; Widerstandsrecht in der frühen Neuzeit, hg. v. Friedeburg, R. v., 2001; Meyer, A., Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905-1944) – Völkerrecht im Widerstand, 2001; Wassermann, R., Juristen im Widerstand gegen das NS-Regime, NJW 2002, 1018; Der deutsche Widerstand gegen Hitler, hg. v. Ueberschär, G., 2002; Bald, D., Die weiße Rose, 2. A. 2003; Wissen, Gewissen und Wissenschaft im Widerstandsrecht (16.-18. Jahrhundert), hg. v. De Benedictis, A. u. a., 2003; Badische Juristen im Widerstand, hg. v. Borgstedt, A., 2004; Wuermeling, H., Doppelspiel, 2004; Rüthers, B., Gesetzesbindung und Widerstand, ZRG GA 123 (2006), 363; Zankel, S., Die weiße Rose war nur der Anfang, 2006; Widerstand - gestern und heute, hg. v. Beutin, H. u. a., 2009; Holtmann, K., Die Saefkow-Jacob-Bästlein-Gruppe vor dem Volksgerichtshof, 2010; Rüthers, B., Die einsamen Außenseiter, 2011; Hormayr, G., Ich sterbe stolz und aufrecht, 2012; Gott will Taten sehen, hg. v. Käßmann, M., 2013; Aretin, U. v., Freiheit und Verantwortung – Henning von Tresckow im Widerstand, 2015; Johst, D., Begrenzung des Rechtsgehorsams – Die Debatte um Widerstand und Widerstandsrecht in Westdeutschland 1945-1968, 2016; Snyder, T., Über Tyrannei, 2017; Schieder, T., Ethisch motivierter Rechtsungehorsam – Rechtsdebatten zu Widerstandsrecht, Gewissensfreiheit und zivilem Ungehorsam in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1989, 2018; Violent Resistance – From the Baltics to Central, Eastern and South Eastern Europe 1944-1956, hg. v. Gehler, M. u. a.2020

Wieacker, Franz (Stargard 5. 8. 1908-Göttingen 17. 2. 1994), Landgerichtspräsidentensohn, wird nach dem Rechtsstudium (u. a. Palermo, Rom) 1937 planmäßiger außerordentlicher Professor in Leipzig(, NSDAP), 1939 ordentlicher Professor in Leipzig, 1948 in Freiburg im Breisgau und 1953 in Göttingen (1969 Orden Pour le mérite, 1973 mit 65 Jahren emeritiert). Die frühen Arbeiten betreffen neben dem geltenden Recht das römische Recht, für das W. 1988 den ersten Band einer zusammenfassenden römischen Rechtsgeschichte vorlegt. Daneben veröffentlicht der universale Gelehrte 1952 eine auf der Studienreform des Jahres 1935 aufbauende, ideengeschichtlich ausgerichtete grundlegende Privatrechtsgeschichte der Neuzeit (2. A. 1967).

Lit.: Wolf, J., In memoriam Franz Wieacker, SDHI 60 (1994), 763; Wieacker, F., Zivilistische Schriften, hg. v. Wollschläger, C., 2000; Franz Wieacker, Historiker des modernen Privatrechts, hg. v. Behrends, O. u. a., 2010

Wiederaufnahme des Verfahrens ist die erneute Durchführung eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens. Die W. d. V. geht auf die aus dem oberitalienisch-kanonischen Verfahren in dem 15. Jahrhundert aufgenommene (lat.) →restitutio (F.) in integrum zurück (Reichskammergerichtsordnung 1495).

Lit.: Seyfarts, J., Teutscher Reichsprozess. 1738, 548; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1965, 233; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist die gerichtliche Entscheidung, durch die eine versäumte und nachgeholte Prozesshandlung als rechtzeitig fingiert wird. Die W. i. d. v. S. wird seit dem 15. Jahrhundert aus dem oberitalienisch-kanonischen Verfahren (lat. restitutio (F.( in integrum contra lapsum fatalium) aufgenommen (Reichskammergerichtsordnung 1495).

Lit.: Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1965, 233; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973, 289; Vogel, J., Wiedereinsetzungsrecht im Strafprozess, 1996

Wiedergutmachung ist die Milderung von Schäden durch Ausgleich. Die W. ist insbesondere in dem Anschluss an den zweiten Weltkrieg bedeutsam.

Lit.: Brodesser, H./Fehn, J./Franosch, T. u. a., Wiedergutmachung und Kriegsfolgenliquidation, 2000; Goschler, C., Schuld und Schulden, 2005; Grenzen der Wiedergutmachung, hg. v. Hockerts, H. u. a., 2006; Rückert, J., Abrechnen, aber wie?, ZRG GA 125 (2008), 256

Wiederkauf ist der schon in dem römischen Recht durch besondere Vereinbarung mögliche Verkauf mit Vorbehalt des Rückkaufs. Durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Verkäufers wird dann der Käufer verpflichtet, die gekaufte Sache gegen die Erstattung des Preises zurückzuübertragen.

Lit.: Kaser § 41 VII; Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961, 205; Busse, K., Der Wiederkauf in der Rechtsliteratur des 12.-18. Jahrhunderts, 1965; Mayer-Maly, T., Beobachtungen und Gedanken zum Wiederkauf, FS F. Wieacker, 1978, 424; Trusen, W., Zum Kauf auf Wiederkauf, FS G. Schmelzeisen, 1980, 347; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Wiedertäufer (Anabaptist) ist der Angehörige einer vor allem in dem 16. Jahrhundert auftretenden, die Erwachsenentaufe anstrebenden christlichen Glaubensgemeinschaft (z. B. Zürich um 1520, Münster 1534).

Lit.: Cornelius, A., Geschichte des münsterischen Aufruhrs, Bd. 1f. 1855ff.; Quellen zur Geschichte der Wiedertäufer, hg. v. Bossert, G., 1930; Goertz, H., Die Täufer, 1980

Wiedervereinigung →Deutsche Demokratische Republik, Saar

Lit.: Elzer, H., Die deutsche Wiedervereinigung an der Saar, 2007; Ritter, G., Die deutsche Wiedervereinigung, HZ 286 (2008), 289; Ludewig, J., Unternehmen Wiedervereinigung – Von Planern, Machern, Visionären, 2015 (von 600 Milliarden Deutsche Mark Privatisierungserlösen erwartet, 230 Milliarden Defizit erzielt, blühende Landschaften brauchen noch mehr Zeit und lassen sich nicht unbedingt planen)

Wie du mir, so ich dir.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 350 (Körte 1837)

Wiek ist die Landschaft in dem Bistum Oesel in Livland, für die in dem 14. Jahrhundert (1322-37?) aus dem livländischen Spiegel, dem Bauernrecht der Esten in der Wiek und dem ältesten livländischen Ritterrecht eine in hochdeutschen Handschriften seit dem 16. Jahrhundert überlieferte Rechtssammlung hergestellt wird. Dieses wiek-oeselsche Recht mit dem wenig zutreffenden Titel Dies seindt die Lehen-Rechte, das in 5 Bücher zu 82, 70, 68, 12 und 67 Artikel gegliedert ist, findet teilweise Eingang in das mittlere livländische Ritterrecht (vor 1424), das systematische livländische Ritterrecht (vor 1450?) und in Philipp Crusius’ Des Herzogtums Esthen Ritter- und Landrechte.

Lit.: Bunge, F. v., Altlivlands Rechtsbücher, 1879, 95; Arbusow, L., Die altlivländischen Bauernrechte, Mitt. a. d. Gebiete der Geschichte Livlands u. s. w. 23 (1924/26), 75; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 163; Seresse, V., Des Königs arme weit abgelegenne Vntterthanen, 1996

Wielant, Filips (1441-1520) wird nach dem Studium der (lat. (F.Pl.() artes (Künste) in Paris und des weltlichen Rechtes in Löwen Anwalt und Hofratsmitglied in Flandern. In seinen Werken Corte instructie in materie civile (1508ff.) und Corte instructie in materie criminele (1510ff.) bietet er einen Überblick über den Verlauf eines Zivilverfahrens und eines Strafverfahrens. Er verarbeitet dabei das einheimische, flämische Gewohnheitsrecht zu einer an romanistischen Vorbildern ausgerichteten Einheit.

Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1996

Wien an der Donau ist die auf keltischer (Vindobona) bzw. römischer Grundlage (Legionslager 89 oder 98 n. Chr., 433 aufgegeben) errichtete Siedlung (Wenia 881), die seit 1156 Sitz der →Babenberger wird. Nach der Gewährung eines Stadtrechts (1221) wird W. kurzzeitig reichsunmittelbar (1246-1250 bzw. 1237-1239, 1278-1288) und erhält (am 12. 3.) 1365 eine anfangs in dem Heiligen römischen Reich führende, dann zurückfallende Universität (zwischen Hofburg und Schottenstift), an der das Studium des römischen Rechtes aber eigentlich erst an dem Ende des 15. Jahrhunderts möglich wird (zwischen 1451 und 1500 mehr als 19000 Studierende in Wien insgesamt). Wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wird unter Benutzung des Schwabenspiegels das in 24 Handschriften überlieferte Wiener Stadtrechtsbuch in 151 Artikeln aufgezeichnet (Gericht, Verfahren, Kauf, Miete, Erbe, Ehegüter, Bergrecht, Burgrecht, Bürgschaft, Pfand). Seit 1438/1439 wird W. zu dem Sitz des Kaisers des Heiligen römischen Reiches, 1469 Bischofssitz und 1722/1723 Erzbischofssitz. 1526 erhält es eine neue Stadtverfassung, 1529 und 1683 scheitern Belagerungen durch die Türken. In der Mitte des 18. Jahrhunderts ordnet Maria Theresia den darniederliegenden provinziellen Rechtsunterricht. 1783 erlässt Joseph II. eine Magistratsverfassung. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wird in dem Studium das Schwergewicht auf das österreichische Recht gelegt. Von dem 18. 9. 1814 bis 9. 6. 1815 tagt in W. der sog. Wiener Kongress, auf dem Europa nach den napoleonischen Kriegen neu geordnet wird (Kräftegleichgewicht zwischen Russland [mit Kongresspolen], Großbritannien [mehr Kolonien], Österreich [Königreich Lombardo-Venetien, Sekundogenituren in Italien, Verzicht auf westeuropäische Güter], Preußen [Teile Sachsens, Gebiete an dem Rhein] und Frankreich, wichtige Grundsätze Restauration, monarchische Legitimität, Solidarität der Fürsten bei Abwehr revolutionärer Bewegungen) →Deutscher Bund). Später folgt die Wiener Schlussakte (15. 5. 1820) des Deutschen Bundes. 1857 wird die Niederlegung der Stadtmauern Wiens beschlossen. 1920 wird Wien Bundeshauptstadt der Bundesrepublik Österreich. Bis 1922 gehört W. dem Bundesland Niederösterreich an, von dem es sich verselbständigt. 1934 wird es bundesunmittelbare Stadt, 1939 Reichsgau W., 1945 wieder Bundesland und Bundeshauptstadt, die bis 1955 von allen vier Alliierten besetzt wird. An dem 22. 5. 1969 wird in Wien von einer Konferenz der Vereinten Nationen das (Wiener) Übereinkommen über das Recht der völkerrechtlichen Verträge angenommen. 1980 wird W. ein Sitz der Vereinten Nationen, 1995 Sitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 100, 150, 769; Baltl/Kocher; Kroeschell, DRG 3; Kink, R., Die Rechtslehre an der Universität Wien, 1853; Aegidi, L., Die Schlussakte, 1860; Das Wiener Stadtrechtsbuch, hg. v. Schuster, H., 1873; Die Rechte und Freiheiten der Stadt Wien, hg. v. Tomaschek, J., Bd. 1f., 1877ff.; Quellen zur Geschichte der Stadt Wien, Bd. 1ff. 1895ff.; Quellen zur Geschichte der Stadt Wien – Die ältesten Kaufbücher, bearb. v. Staub, F., 1898; Geschichte der Stadt Wien, hg. v. Altertumsverein zu Wien (Bd. 1, 2 Schuster, Heinrich, Die Entwicklung des Rechtslebens, Verfassung und Verwaltung, 1897ff.); Quellen zur Geschichte der Stadt Wien, Grundbücher Bd. 2, bearb. v. Staub, F., 1911; Voltelini, H. v., Die Anfänge der Stadt Wien, 1913; Voltelini, H., Zur Rezeption des gemeinen Rechts in Wien, FS d. akad. Vereines dt. Historiker in Wien, 1914, 79; Luntz, I., Die allgemeine Entwicklung der Wiener Privaturkunde bis zum Jahre 1360, 1916; Luntz, I., Beiträge zur Geschichte der Wiener Ratsurkunde, 1916; Stowasser, O., Die Entstehungszeit des Eisenbuches der Stadt Wien, MIÖG Ergänzungsband 10, 1916, 19; Schalk, K., Aus der Zeit des österreichischen Faustrechts 1440-1463, 1919; Die Summa legum brevis, hg. v., Gal, A., 1926; Brunner, O., Die Finanzen der Stadt Wien, 1929; Sailer, L., Die Wiener Ratsbürger des 14. Jahrhunderts, 1931; Klebel, E., Zur Frühgeschichte Wiens, Festgabe für Hans Voltelini, 1932, 7; Lentze, H., Die rechtliche Struktur des mittelalterlichen Zunftwesens in Wien, Mitteilungen des Vereines für die Geschichte der Stadt Wien 15 (1935); Zatschek, H., Handwerk und Gewerbe in Wien, 1949; Lentze, H., Das Wiener Testamentsrecht des Mittelalters, ZRG GA 69 (1952) 103, 70 (1953), 159; Weizsäcker, W., Wien und Brünn in der Stadtrechtsgeschichte, ZRG GA 70 (1953), 125; Die Matrikel der Universität Wien, Bd. 1ff. 1954ff.; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz, 1961; Benna, A., Wiener Recht in einer Sammelhandschrift des Stiftes Heiligenkreuz, ZRG GA 79 (1962), 248; Studien zur Geschichte der Universität Wien, Bd. 1f. 1965; Der Wiener Kongress 1814/5, hg. v. Dyroff, H., 1966; Demelius, H., Eheliches Güterrecht im spätmittelalterlichen Wien, 1970 (SB Wien); Hartl, F., Das Wiener Kriminalgericht, 1973; Baltzarek, F., Das Steueramt der Stadt Wien 1526-1760, 1971; Brauneder, W., Die Geltung obrigkeitlichen Privatrechts im spätmittelalterlichen Wien, ZRG GA 92 (1975), 195; Csendes, P., Wien in den Fehden der Jahre 1461-1463, 1974; Vetricek, A., Die Lehrer der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät, Diss. geisteswiss. Wien 1980; Wiener Ratsurteile des Spätmittelalters, hg. v. Demelius, H., 1980; Walter, G., Der Zusammenbruch des Heiligen römischen Reiches, 1980; Die Rechtsquellen der Stadt Wien, hg. v. Csendes, P., 1986; Das Wiener Stadtrechtsprivileg, hg. v. Csendes, P., 1987; Die Wiener Stadtbücher, Bd. 1ff. 1395-1400, hg. v. Brauneder, W. u. a., 1989ff.; Csendes, P., Geschichte Wiens, 2. A. 1990; Brauneder, W., Leseverein und Rechtskultur, 1992; Ogris, W., Vom Galgenberg zum Ringtheaterbrand, 1997; Festschrift 100 Jahre Wirtschaftsuniversität Wien, red. v. Rill, H., 1999; Opll, F., Das große Wiener Stadtbuch, 1999; Wien, hg. v. Csendes, P. u. a., Bd. 2f. 2003ff.; Opll, F., Wien im Bild, 2. A. 2004; Klaudy, K., Das Werden Wiens, 2004; Ubl, K., Anspruch und Wirklichkeit – Die Anfänge der Universität Wien, MIÖG 113 (2005), 63; Der Wiener Hof im Spiegel der Zeremonialprotokolle (1652-1800). hg. v. Pangerl. I. u. a., 2007; Mühlberger, K., Palace of Knowledge, 2008; Die Universität Wien im Konzert, hg. v. Mühlberger, K. u. a., 2010; . daz si ein recht puech solten haben, hg. v. Opll, F., 2010 (zum Wiener Eisenbuch des 14.-19. Jahrhunderts); Die Matrikel der Universität Wien, Bd. 1ff. 1954ff., hg. v. Mühlberger, K., 6, 1, 7 1715-1745/46, 2011 (6764 Besucher); Die Matrikel der Wiener rechtswissenschaftlichen Fakultät, hg. v. Mühlberger, K., Bd. 1 1402-1442., 2011, Bd. 2 1442-1557, 2016; Schartner, I., Die Staatsrechtler der juridischen Fakultät der Universität Wien im Ansturm des Nationalsozialismus, 2011; Holzschuh, I., Wiener Stadtplanung im Nationalsozialismus, 2011; Swedish Students at the University of Vienna in the Middle Ages, hg. v. Ferm, O. u. a., 2011 (etwa 20); Waldstätten, A., Staatliche Gerichte in Wien seit Maria Theresia, 2012; Vertriebenes Recht - Vertreibendes Recht, hg. v. Meissel, F. u. a., 2012; Schaukästen der Wissenschaft, hg. v. Feigl, C., 2012; Denk, U., Alltag zwischen Studieren und Betteln, 2013; Haider, E., Wien 1914, 2013; Scharl, I. u. a., Die Karrieren des Wiener Hofpersonals 1711-1765, 2013; Lackner, C., Möglichkeiten und Perspektiven diplomatischer Forschung - Zum Privileg Herzog Albrechts III. für die Universität Wien vom Jahre 1384, 2013; Stauber, R., Der Wiener Kongress, 2014; Der Wiener Kongress, hg. v. Just, T. u. a., 2014; Benesch, M., Die Wiener Christlichsoziale Partei, 2014; Pfefferle, R. u. a., Glimpflich entnazifiziert, 2014; Olechowski, T. u. a., Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918-1938, 2014; Zamoyski, A., 1815 – Napoleons Sturz und der Wiener Kongress, 2014; Lentz, T., 1815 – Der Wiener Kongress, 2014; Gruner, W., Der Wiener Kongress 1814/15, 2014; Stätten des Wissens, hg. v. Rüdiger, J. u. a., 2015; Rüdiger, Juliqa, Die monumentale Universität, 2015; Tuisl, E., Die medizinische Fakultät der Universität Wien im Mittelalter, 2015; Universität – Forschung – Lehre, hg. v. Stadler, F. u. a., 2015; Wissens- und Universitätsstadt Wien, hg. v. Ehalt, H. u. a., 2015; Göhler, H., Das Wiener Kollegiat-, nachmals Domkapitel zu Sankt Stephan in Wien 1365-1554, 2015 Diss. 1932, 14 Pröpste, 375 Chorherrn); Sigmund, K., Sie nannten sich der Wiener Kreis, 2015; Taschwer, K., Hochburg des Antisemitismus – Der Niedergang der Universität Wien, 2015; 1365 – 2015 – 2065 – Etwas andere Geschichten der Universität Wien, hg. v. Klemun, M. u. a., 2015; Baumgart, W., Der Wiener Kongress 1815 – zweihundert Jahre danach, HZ 301 (2015) 705; Schneider, K. u. a., Europa in Wien, 2015; Winkler, G., Das Juridicum, 2016; Lindinger, M., Die Hauptstadt des Sex, 2016; Suttner, A., Das schwarze Wien, 2017 (1934-1938); Opll, F. u. a., Wien als Festungsstadt, 2017; Gneiss, M., Das Wiener Handwerksordnungsbuch (1364-1555), 2017; Festschrift 150 Jahre Wiener juristische Gesellschaft, hg. v. Jabloner, C., 2017; Ertl, T., Wien 1448 - Steuerwesen und Wohnverhältnisse in einer spätmittelalterlichen Stadt. 2019; Traxler, C., Firmiter velitis resistere – Die Auseinandersetzung der Wiener universität mit dem Hussitismus, 2019; Der Wiener Kongress 1814/15, hg. v. Olechowski, T. u. a., Bd. 1f. 2019

Wiesentheid

Lit.: Domarus, M., Territorium Wiesentheid, 1956

Wigle van →Aytta

wik (M.) Dorf, Siedlung, →Weichbild

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 78; Köbler, WAS; Köbler, G., Civitas und vicus, (in) Vor- und Frühformen der europäischen Stadt, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1973, 61; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 1954, 5. A. 1980; Schütte, L., Wik, 1976; Schmidt-Wiegand, R., Wik und Weichbild, ZRG GA 95 (1978), 121

Wikinger ist der Angehörige seefahrender Nordgermanen (Norweger, Dänen) in dem Frühmittelalter (793-1066). Um 850 entdecken die W. Island, um 900 Grönland und 986, 1001 Amerika. Als →Normannen dringen sie nach Frankreich, Sizilien und wohl auch nach Russland vor, gehen aber jeweils bald in der ansässigen Bevölkerung auf.

Lit.: Kroeschell, DRG; Stemberger, M., Vikingar, 1935; Jänichen, H., Die Wikinger im Weichsel- und Odergebiet, 1938; Vernadsky, G., The Origin of Russia, 1959; Langenberg, I., Die Vinland-Fahrten, 1977; Boyer, R., Les Vikings, 1992; Simek, R., Die Wikinger, 1998; Sawyer, P., Die Wikinger, 2000; Sawyer, B./Sawyer, P., Die Welt der Wikinger, 2002; Magnusson, M., Die Wikinger, 2003; Forte, A. u. a., Viking Empires, 2005; Bauduin, P., Le monde franc et les Vikings, 2009; Seaver, K., Mit Kurs auf Thule, 2011; Findeisen, J., Vinland, 2011; Winroth, A., The Age of the Vikings, 2014; Hofman, K. u. a., Die Wikinger und das fränlische Reich, 2014 (Sammelband); Banck, C., Alles Mythos!, 2014; Lipsk, S. u. a., Faszination Wikinger, 2017

Wilda, Wilhelm Eduard ([Seligmann, Wolf Ephraim] Altona 17. 8. 1800-Kiel 9. 8. 1856), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen (Hugo, Eichhorn) und Heidelberg (Thibaut, Mittermaier) und dem Übertritt zu dem Christentum (1825) Advokat in Hamburg. 1831 wird er außerordentlicher Professor in Halle, 1842 ordentlicher Professor in Breslau und 1854 in Kiel. Seine wichtigsten Werke betreffen das Gildenwesen in dem Mittelalter (1831) und das Strafrecht der Germanen (1842) (bis zu dem Frühmittelalter).

Lit.: Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 1938 bzw. 1953, 111; Rückert, J., August Ludwig Reyschers Leben, 1974; Kern, B., Georg Beseler, 1982

Wildbann (M.) Jagdregal

Lit.: Haff, K., Die Wildbannverleihungen, ZRG GA 69 (1952), 301; Dasler, C., Forst- und Wildbann, 2001

Wilderei ist die Verletzung des Jagdrechts oder Fischereirechts eines anderen. Der W. folgt in dem Frühmittelalter meist die Buße von 60 Schillingen. Erst in dem Spätmittelalter wird eine peinliche Strafe üblich. Die Strafandrohung ist verschiedentlich sehr streng (Blenden, Hängen). Die Neuzeit behandelt die W. teilweise als einen Fall des Diebstahls, bis 1871 die W. wieder verselbständigt wird.

Lit.: Marcus, J., Zur Lehre von der Wilderei, Diss. jur. Breslau 1917; Fösser, R., Das Jagdstrafrecht, Diss. jur. Bonn 1937; Löhr, U., Die Wilderei, Diss. jur. Frankfurt am Main 1969; Schindler, N., Wilderer im Zeitalter der französischen Revolution, 2001; Schennach, M., Jagdrecht, Wilderei und gute Policey, 2007

Wildfangrecht ist in Spätmittelalter und Frühneuzeit das Recht von Landesherren oder bestimmten Grundherren, Fremde für ihre Herrschaft in Anspruch zu nehmen. In der frühen Neuzeit ist das W. oft streitig. In dem 18. Jahrhundert läuft es allmählich aus.

Lit.: Kolde, F., Über die Wildfänge, Diss. phil. Rostock 1898

Wilhelm →Ockham

Wilhelmus de Cabriano (bei Brescia) († 1201 als Erzbischof von Ravenna, Casus Codicis, Vorlesungsnachschrift wahrscheinlich auf der Grundlage der Vorlesungen des Bulgarus über den Codex, Mitte 12. Jahrhunderts)

Lit.: Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 204; Wallinga, T., The Casus Codicis of Wilhelmus de Cabriano, 2005

Wille (Wort bereits für das Germanische zu erschließen) ist die Fähigkeit des Menschen, sich für ein bestimmtes Verhalten zu entscheiden. Der W. kommt in einem Verhalten (z. B. Sprechen, Schießen) zu dem Ausdruck. Bei dessen Bewertung wird teils nur auf die Erscheinungsform abgestellt, teils auch auf den ihr zugrundeliegenden Willen.

Lit.: Hübner 489; Köbler, DRG 43; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 293; Köckritz, S. v., Die Bedeutung des Willens für den Verbrechensbegriff Carpzovs, 1955; Pleister, W., Persönlichkeit, Wille und Freiheit im Werk Iherings, 1982; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Babusiaux, U., Id quod actum est. Zur Ermittlung des Parteiwillens im klassischen römischen Zivilprozess, 2006; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Willebrief ist seit dem 12. Jahrhundert (1177) die Zustimmungsurkunde der Fürsten zu Erklärungen des Königs. Der W. kommt in dem 17. Jahrhundert ab.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Fritz, W., Kurfürstliche Willebriefe, DA 23 (1967), 171

Willenserklärung (Wort 1701) ist die private, auf einen rechtlichen Erfolg gerichtete Äußerung (lat. declaratio [F.], Erklärung) des →Willens (lat. voluntatis, z. B. Erklärung, ein Buch kaufen zu wollen). Sie wird für das Rechtsgeschäft vorausgesetzt. Als rechtswissenschaftliche Grundfigur wird sie erst in dem 17. oder 18. Jahrhundert (Thomasius 1688, Höpfner 1743-1797) erkannt (vgl. aber bereits Connan, 1508-1551, Erstbeleg 1701/1705?). Die W. kann einen →Willensmangel enthalten.

Lit.: Kaser §§ 5 I, 8 I 1; Köbler, DRG 140, 164, 208; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Störungen der Willensbildung bei Vertragsschluss, hg. v. Zimmermann, R., 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010¸; Thomale, C., Leistung als Freiheit, 2012; Archavlis, K., Die juristische Willenstheorie, 2015; Rempel, M., Jherings Juristisches Kabinett – Das kasuistische Elemtnt der Juristenausbildung bei Rudolf von Jhering, 2018

Willensfreiheit ist die Unabhängigkeit des Willens von äußeren, die Willenshandlung zwangsweise bestimmenden Umständen. Ob W. besteht, ist in der menschlichen Geschichte (zeitweise) umstritten. Überwiegend wird, obwohl die Frage nach Freiheit oder Gebundenheit des menschlichen Willens (bisher) nicht eindeutig entschieden werden kann, von der vermuteten W. ausgegangen. Ein rechtsstaatliches Strafrecht setzt sie voraus.

Lit.: Holzhauer, H., Willensfreiheit und Strafe, 1970; Postel, V., Arbeit und Willensfreiheit im Mittelalter, 2009

Willensmangel ist der den Willen oder allgemeiner die Willenserklärung betreffende Mangel. Einzelne Willensmängel berücksichtigt bereits das römische Recht (z. B. →Irrtum). Eine Verallgemeinerung findet erst in der späten Neuzeit statt.

Lit.: Kaser § 8; Hübner; Coing, H., Europäische Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1985ff.

Willkür ist die freie, bis zu dem Belieben reichende Wahl des Willens. Insofern kann sie den Gegensatz zu dem Recht bilden. In einem anderen Sinn wird als W. in dem Mittelalter das durch Zustimmung geschaffene städtische gesetzte Recht verstanden.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Simson, P., Geschichte der Danziger Willkür, 1904; Ebel, W., Die Willkür, 1953; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Rheinheimer, M., Die holsteinischen Dorfordnungen, ZRG GA 115 (1998), 529; Recht und Willkür, hg. v. Starck, C., 2012

Wilna (Vilnius)

Lit.: Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007

Wilten

Lit.: Wilten, 1924

Wimpfen

Lit.: Jülch, R., Die Entwicklung des Wirtschaftsplatzes Wimpfen, 1961; Laufs, A., Das Wimpfener Rechtsbuch, ZRG GA 89 (1972), 175

Windscheid, Bernhard (Düsseldorf 26. 6. 1817-Leipzig 26. 10. 1892) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny) und Bonn 1847 außerordentlicher Professor in Bonn und 1847 ordentlicher Professor in Basel, Greifswald (1852), München (1857), Heidelberg (1871) und Leipzig (1874). Sein Hauptwerk ist ein dreibändiges Lehrbuch des Pandektenrechts (1861), in dem er das römische Recht seiner Zeit so vorbildlich zusammenfasst, dass der Text bis 1900 das fehlende deutsche Bürgerliche Gesetzbuch vertritt. Als Mitglied der ersten Kommission zu der Schaffung eines Bürgerlichen Gesetzbuchs beeinflusst er den ersten Entwurf erheblich.

Lit.: Söllner § 25; Rümelin, M., Bernhard Windscheid, 1907; Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses, 1965, 71; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Falk, U., Ein Gelehrter wie Windscheid, 1989; Ober, J., Bernhard Windscheid, Diss. jur. Köln 1989; Rückert, J., Bernhard Windscheid, JuS 1992, 902; ¸; Klein, F., Bernhard Windscheid, 2014 (Diss. jur. Leipzig 2012)

Windsheim

Lit.: Erbar, W., Die Windsheimer Reformation von 1521, Diss. jur. Erlangen 1928; Urkundenbuch der Stadt Windsheim von 741-1400, bearb. v. Schultheiß, W., 1963; Die Rechtsreformation des Stadtschreibers Johan Greffinger für die Reichsstadt Windsheim (1521), bearb. v. Hünefeld, H., 1974

Winterthur

Lit.: Stauber, E., Die Burgen des Bezirkes Winterthur 1953

Wippe (F.) Gerät zu dem Fallenlassen eines Täters in eine Flüssigkeit

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 575, Neudruck 1964; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Wippen (N.) Prellen, Schnellen, von der Wippe fallen Lassen

Wirtschaft ist die Gesamtheit der Einrichtungen und Maßnahmen zu der planvollen Deckung des menschlichen Bedarfs an Gütern. Die W. beginnt bereits in vorgeschichtlicher Zeit. Den Sammlern und Jägern folgen die Viehzüchter (Zähmung des Auerochsen in dem silbernen Halbmond um 8000 v. Chr.) und Ackerbauern. Nach der Sesshaftwerdung entwickelt sich in Rom aus der kleinbäuerlichen W. die Plantagenwirtschaft, wobei allgemein eine auffällige Produktivitätssteigerung samt Einkommenserhöhung in dem 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. Statt findet. Von diesen römischen Verhältnissen wird wohl die frühmittelalterliche →Grundherrschaft beeinflusst. In ihr gewinnt das →Gewerbe (Schmied, Töpfer, Weber) an Bedeutung. Bereits in den letzten Jahrzehnten des 8. Jahrhunderts könnte ein neuer Aufschwung eingesetzt haben. Über den Markt entsteht in dem 11. Jahrhundert →die Stadt als der Mittelpunkt von Gewerbe und Handel. Tauschmittel wird das →Geld. Bereits an dem Beginn der frühen Neuzeit werden frühkapitalistische Züge sichtbar. Danach wendet sich der Landesherr der durch die Entdeckungen belebten W. zu und versucht in dem →Merkantilismus möglichst hohen Ertrag. In Auseinandersetzung mit dem →Physiokratismus wird vor allem von Adam Smith der →Liberalismus entwickelt, der die Erwerbstätigkeit des Menschen außerhalb der Landwirtschaft erleichtert. Unter dem Einfluss Quesnais‘, Smiths und Ricardos wird in Tübingen seit 1798 die Wirtschaft auch wissenschaftlich behandelt (C. F. Fulda). Etwa zu dieser Zeit tritt in Teilen Europas ein überdurchschnittliches Wachstum der Wirtschaft ein. In dem 19. Jahrhundert strömt die wachsende Bevölkerung dem sich in Richtung auf Industrie verändernden Wirtschaftssektor Gewerbe zu, in dem 20. Jahrhundert dem Wirtschaftssektor Dienstleistungen. Die Selbstversorgung tritt fast völlig zurück. Die Wirtschaft des gesamten Volkes oder Staates wird als Volkswirtschaft wissenschaftlich erfasst. Um 1850 setzt mit der Entwicklung des Verkehrswesens, der internationalen Kapitalmobilität und der Massenmigration die Verflechtung der einzelstaatlichen Wirtschaften zu der Weltwirtschaft ein. In der Auseinandersetzung zwischen Planwirtschaft und Marktwirtschaft behält die Marktwirtschaft in der zunehmend globalisierten Weltwirtschaft die Oberhand.

Lit.: Köbler, DRG 13, 16, 28, 50, 76, 77, 96, 133, 173, 217, 224, 242, 249, 267, 271; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 511; Below, G. v., Mittelalterliche Stadtwirtschaft und gegenwärtige Kriegswirtschaft, 1917; Bechtel, H., Wirtschaftsstil des deutschen Spätmittelalters, 1930; Spangenberg, H., Territorialwirtschaft und Stadtwirtschaft, 1932; Facius, F., Wirtschaft und Staat, 1959; Lütge, F., Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 3. A. 1966, Neudruck 1976, 1979; Dirlmeier, U., Mittelalterliche Hoheitsträger im wirtschaftlichen Wettbewerb, 1966; Treue, W./Boelcke, A., Geschichte der Wirtschaftspolitik, 1970; Henning, F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1973f.; Winkel, H., Die Wirtschaft im geteilten Deutschland, 1974; Hefermehl, W., Die Entjudung der deutschen Wirtschaft, Deutsche Justiz 1938, 1981; Wirtschaftsgeschichte der deutschsprachigen Länder, hg. v. Schäfer, H., 1989; Mathis, F., Die deutsche Wirtschaft im 16. Jahrhundert, 1992; Kloft, H., Die Wirtschaft der griechisch-römischen Welt, 1992; Cordes, A., Stuben und Stubengesellschaften, 1993; Rücker, M., Wirtschaftswerbung unter dem Nationalsozialismus, 2000; Drexhage, H./Konnen, H./Ruffing, K., Die Wirtschaft des römischen Reiches (1.-3. Jahrhundert), 2001; Hesse, H., Ökonomen-Lexikon, 2003; Walter, R., Wirtschaftsgeschichte, 4. A. 2003; McCormick, M., Origins of the European Economy, 2001; Wijffels, A., Gelehrtes Recht und Wirtschaftsordnung, ZNR 25 (2003), 177; Bloch, R., Staat und Wirtschaft im 19. Jahrhundert, 2004; Wirtschaft und Wirtschaftstheorien, hg. v. Kervégan, J. u. a., 2004; Wirtschaftskontrolle und Recht in der nationalsozialistischen Diktatur, hg. v. Gosewinkel, D., 2004; Torp, C., Weltwirtschaft vor dem Weltkrieg, HZ 279 (2004), 561; Boch, R., Staat und Wirtschaft, 2004; Walter, R., Geschichte der Weltwirtschaft, 2005; Lexikon ökonomischer Werke, hg. v. Herz, D. u. a., 2006; Fellmeth, U., Pecunia non olet, 2008; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Malanima, P., Europäische Wirtschaftsgeschichte, 2010; The Best of German Mittelstand, hg. v. Langenscheidt, F. u. a., 2011, 3. A. 2015; Ruffing, K., Wirtschaft in der griechisch-römischen Antike, 2012; The Cambridge Companion to the Roman Economy, hg. v. Scheidel, W., 2012; Der Staat und die Ordnung der Wirtschaft, hg. v. Plumpe, W. u. a., 2012; Vries, P., Ursprünge des modernen Wirtschaftswachstums, 2013; Pressler, F., Die erste Weltwirtschaftskrise, 2013; Blyth, M., Wie Europa sich kaputtspart, 2014; The Elgar Companion to David Ricardo, hg. v. Kurz, H. u. a., 2015; The Best of German Mittelstand, hg. v. Langenscheidt, F. u. a., 2011, 3. A. 2015; Wirtschaftspolitik in Deutschland 1917-1990, hg. v. Abelshauser, W. u. a., Bd. 1ff. 2016ff.; Geschichte des Bundeswirtschaftsministeriums und seiner Vorläufer, Bd. 1ff., 2017ff; Binswanger, M., Der Wachstumszwang – Warum die Volkswirtschaft immer weiter wachsen muss, selbst wenn wir genug haben, 2019; Kutzner, M., Marktwirtschaft schreiben – Das Wirtschaftsressort der Frankfurter Allgemeinen Zeitung 1949 bis 1992, 2019

Wirtschaftsgemeinschaft →Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

Wirtschaftsgeschichte ist der die →Wirtschaft betreffende Teil der Geschichte.

Lit.: Köbler, DRG 9; Lamprecht, K., Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, 1885f.; Kowalewsky, M., Die ökonomische Entwicklung Europas, 1901; Caro, G., Neue Beiträge zur deutschen Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte, 1911; Dopsch, A., Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit, Teil 1f. 1912f.; Dopsch, A., Wirtschaftliche und soziale Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung, 1918ff.; Below, G. v., Probleme der Wirtschaftsgeschichte, 1920; Bücher, Karl, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, 1922; Kachel, J., Herberge und Gastwirtschaft in Deutschland bis zum 17. Jahrhundert, 1924; Urkunden zur deutschen Agrargeschichte, hg. v. Wopfner, H., 1925; Ganz, W., Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte des Großmünsterstiftes in Zürich, Diss. phil. Zürich 1925; Klaiber, L., Beiträge zur Wirtschaftspolitik oberschwäbischer Reichsstädte, 1927; Rörig, F., Hansische Beiträge zur deutschen Wirtschaftsgeschichte, 1928; Strieder, J., Aus Antwerpener Notariatsarchiven, 1930, Neudruck 1962; Dopsch, A., Die ältere Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Bauern, 1930; Sieveking, H., Wirtschaftsgeschichte, 1935; Bechtel, H., Wirtschaftsgeschichte Deutschlands, 1941; Ammann, H., Mittelalterliche Wirtschaft im Alltag, ZRG GA 65 (1947), 391; Lütge, F., Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1966; Wehler, H., Bibliographie zur modernen deutschen Wirtschaftsgeschichte, 1976; Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Fischer, W., Bd. 1ff. 1980ff.; Abelshauser, W., Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik, 1983; Europäische Wirtschaftsgeschichte, hg. v. Cipolla u. a., 1983; Ambrosius, G./Hubbard, W., Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Europas, 1986; Kulischer, J., Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, 6. unv. A. 1988; Wirtschaftsgeschichte der deutschsprachigen Länder, hg. v. Schäfer, H., 1989; Martino, F. de, Wirtschaftsgeschichte des alten Rom, 2. A. 1991; Henning, F., Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 1ff. 1991ff.; Sandgruber, R., Ökonomie und Politik, 1995; Buchheim, C., Einführung in die Wirtschaftsgeschichte, 1997; Moderne Wirtschaftsgeschichte, hg. v. Ambrosius, G. u. a., 1996, 2. A. 2006; Germany, hg. v. Ogilvie, S., Bd. 2 1996; Schultz, H., Handwerker, Kaufleute, Bankiers, 1997; Kaufer, E., Spiegelungen wirtschaftlichen Denkens im Mittelalter, 1998; Walter, R., Wirtschaftsgeschichte, 1998, 3. A. 2001; Weimer, W., Deutsche Wirtschaftsgeschichte, 1998; Söllner, F., Die Geschichte des ökonomischen Denkens, 1999; Deutsche Wirtschaftsgeschichte, hg. v. North, M., 2000; Jay, P., Das Streben nach Wohlstand, 2000; Geschichte der deutschen Wirtschaft im 20. Jahrhundert, hg. v. Spree, R., 2001; Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, hg. v. Schulz, G. u. a., 2003; Devroey, J., Économie rurale et société dans l’Europe franque, 2001; Abelshauser, W., Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, 2004, 2. A. 2011; Bloch, R., Staat und Wirtschaft im 19. Jahrhundert, 2004; Wischermann, C./Nieberding, A., Die institutionelle Revolution, 2004; Schefold, B., Beiträge zur ökonomischen Dogmengeschichte, 2004; Menninger, A., Genuss im kulturellen Wandel, 2004; Lexikon ökonomischer Werke, hg. v. Herz, D. u. a., 2006; The Cambridge Economic History of the Greco-Roman World, hg. v. Scheidel, W. u. a., 2007; Kolb, G., Wirtschaftsideen, 2008; Schulz, K., Handwerk, Zünfte und Gewerbe, 2009; Niemann, H., Europäische Wirtschaftsgeschichte, 2009; Mieck, I., Kleine Wirtschaftsgeschichte der neuen Bundesländer, 2009; Malanima, P., Europäische Wirtschaftsgeschichte 10.-19. Jahrhundert, 2010; Howell, M., Commerce before Capitalism in Europe 1300-1600, 2010; Scholtyseck, J., Der Aufstieg der Quandts, 2011 (Günther Quandt war Teil des nationalsozialistischen Regimes, wurde aber nur als Mitläufer eingestuft); Der vorläufige Reichswirtschaftsrat 1920-1933/34, bearb. v. Lilla, J., 2012; Ordnungsrahmen antiker Ökonomien, hg. v. Günther, S., 2012; Spoerer, M./Streb, J., Neue deutsche Wirtschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts, 2013; Hesse, J., Wirtschaftsgeschichte, 2013; Sommer, M., Wirtschaftsgeschichte der Antike, 2013; Perspectives on European Economic and Social History, hg. v. Hesse u. a., 2014; Kolb, G., Ökonomische Ideengeschichte, 2. A. 2015; Schmoeckel, M., Gründerkrise und große Depression, ZRG GA 132 (2015), 251; Studienbuch institutionelle Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte, hg. v. Wischermann, C. u. a.,2015; Reichtum im späten Mittelalter, hg. v. Schulte, P. u. a., 2015; Plumpe, W., Carl Duisberg – 1861-1935, 2016; Campbell, B., The great transition, 2016 (kleine Eiszeit in dem 14. Jahrhundert); Granda, J., Hermann Kellenbenz (1913-1990), 2017; Économie et inégalité, hg. v. Derron, P. u. a., 2017; Meixner, F., Schwarzmarkt der Nachkriegszeit in Nürnberg aus einer juristiscvhen Perspektive, 2018; Manning, J., The Open Sea – The Economic Life of the Ancient Mediterranean World, 2018; Sombart, W., Briefe eines Intellektuellen 1886-1937, hg. v. Kroll, T. u. a., 2019

Wirtschaftskriminalität ist die die Wirtschaft betreffende Kriminalität, die seit dem 20. Jahrhundert deutlich zunimmt.

Lit.: Köbler, DRG 265; Müller, R./Wabnitz, H., Wirtschaftskriminalität, 3. A. 1993; Werner, S., Unternehmenskriminalität in der Bundesrepublik Deutschland, 2014

Wirtschaftsprüfung ist die Prüfung von Unternehmen bezüglich der Zuverlässigkeit der Rechnungsführung. Sie entsteht als Folge der Industrialisierung zuerst in Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika zu dem Schutz der Eigenkapitalseigner und erst später in Deutschland zu dem Schutz der Fremdkapitalgläubiger. In dem Deutschen Reich wird sie nach Aufdeckung betrügerischer Handlungen von Unternehmensleitern 1931 durch eine Notverordnung eingeführt.

Lit.: Weyershaus, H., Wirtschaftsprüfung in Deutschland und erster europäischer Zusammenschluss (1931-1961), 2012

Wirtschaftsrecht ist die Gesamtheit der die Wirtschaft betreffenden Rechtssätze. W. ist bereits in der Spätantike bedeutsam, gewinnt in der hochmittelalterlichen Stadt (Markt, Münze, Zunft) an Gewicht, wird durch die Landesherren der Neuzeit erweitert (Merkantilismus) und wird zu Beginn des 20. Jahrhunderts (1914 Kriegswirtschaftsgesetze) als eigenes Rechtsgebiet erfasst. Seitdem wird der freien Marktwirtschaft eine ausgleichende Komponente eingefügt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Endemann, W., Studien in der romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre, Bd. 1f. 1874ff., Neudruck 1962; Nussbaum, A., Das neue deutsche Wirtschaftsrecht, 1920; Beiträge zum Wirtschaftsrecht, hg. v. Klausing, F. u. a., 1932; Schmelzeisen, G., Wirtschaftsrecht im 16. bis 18. Jahrhundert, Sozialwiss. Abh. 7 (1958), 9; Pleyer, K./Lieser, J., Das Zivil- und Wirtschaftsrecht der DDR, 1973; Buchner, H., Das Wirtschaftsrecht im Nationalsozialismus, (in) Recht, Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus, 1982; Fikentscher, W., Wirtschaftsrecht, Bd. 1f. 1983; Puppo, R., Die wirtschaftsrechtliche Gesetzgebung des Dritten Reiches, 1988; Nörr, K., Das Reichskaligesetz 1910 – ein Musterstatut der organisierten Wirtschaft, ZRG GA 108 (1991), 347; Sandmann, H., Die Entwicklung von Begriff und Inhalt des Wirtschaftsrechts durch die Rechtswissenschaft in der Weimarer Republik, 2000; Zacher, C., Die Entstehung des Wirtschaftsrechts in Deutschland, 2002; Gschwend, L., Wirtschafts-Rechts-Geschichte?, ZRG GA 121 (2004), 471; Mohnhaupt, H., Justus Wilhelm Hedemann und die Entwicklung der Disziplin Wirtschaftsrecht, ZNR 2003, 238; Gschwend, L., Wirtschafts-Rechts-Geschichte?, ZRG GA 121 (2004), 471; Wirtschaftssteuerung durch Recht im Nationalsozialismus, hg. v. Bähr, J. u. a., 2006; Die andere Seite des Wirtschaftsrechts, hg. v. Bender, G. u. a., 2006; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Beiträge zur Geschichte des Wirtschaftsrechts, hg. v. Baums, T. u. a., 2012

Wismar ist der 1229 erstmals als Stadt erwähnte Ort an der Spitze der Wismarer Bucht der Ostsee. W. hat lübisches Recht. Aus ihm sind zahlreiche Bürgersprachen (Statuten) überliefert. Von 1653 bis 1715 wird es Sitz des schwedischen Tribunals für die neu erworbenen Herzogtümer Bremen und Verden.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Techen, F., Die Bürgersprachen der Stadt Wismar, 1906; Brügmann, J., Das Zunftwesen der Seestadt Wismar, Jahrbuch des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 99 (1935); Das zweite wismarsche Stadtbuch 1272-1297, bearb. v. Knabe, L., 1966; Integration durch Recht. Das Wismarer Tribunal (1653-1806), 2004; Akten des schwedischen Tribunals zu Wismar im niedersächsischen Landesarchiv 1653-1715, bearb. v. Fiedler, B., 2012

Wissen ist die gespeicherte Erfahrung (des Menschen). Es wird zunächst über die mitmenschliche Umgebung weitergereicht und nach der Erfindung der Schrift dauerhafter gespeichert und allmählich durch besondere Lehrer, Schulen und Universitäten vermittelt. Seit dem 18. Jahrhundert wird es in dem Gefolge der Aufklärung in allgemeinen Enzyklopädien für alle Wissensgebiete veröffentlicht (z. B. Zedler, J., Grosses vollständiges Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste, 1732ff. mit 65 Bänden und 4 Supplementbänden mit weitgehend anonymen Verfassern in alphabetischer Ordnung zu der möglichst aktuellen, objektiven und verständlichen Befriedigung von Neugier von Lesern) und seit dem späten 20. Jahrhundert digitalisiert dargeboten.

Lit.: Burke, P., A Social History of Knowledge, Bd. 1f. 2000ff.; Wissen, hg. v. Reich, B. u. a., 2012; Schneider, U., Die Erfindung des allgemeinen Wissens, 2013; Burke, P., Die Explosion des Wissens, 2014; Zedelmaier, H., Werkstätten des Wissens zwischen Renaissance und Aufklärung, 2015

Wissenschaft ist die mit einleuchtend erscheinenden Gründen versehene Sammlung menschlichen Wissens. Die Anfänge der W. liegen in der griechischen Philosophie (Sokrates, Aristoteles). Der bemerkenswerte Wandel der W. von dem ausgehenden 16. Jahrhundert bis zu dem Beginn des 18. Jahrhunderts ist vor allem durch die genauere Beobachtung der Natur und durch Sachverhalte prüfende und danach Gesetze ableitende Experimente geprägt. Inwieweit die Rechtswissenschaft W. ist, ist streitig.

Lit.: Kuhn, T., The Structure of Scientific Revolutions, 1962; Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., 1974; Wissenschaften im Zeitalter der Aufklärung, hg. v. Vierhaus, R., 1985; Schindling, A., Bildung und Wissenschaft, 1994; Sailer, R., Verwissenschaftlichung des Rechts in der Rechtspraxis?, ZRG 119 (2002), 106; Wussing, H., Die große Erneuerung – Zur Geschichte der wissenschaftlichen Revolution, 2002; Seiffert, H., Einführung in die Wissenschaftstheorie, 13. A. 2003; Hammerstein, N., Bildung und Wissenschaft vom 15. bis zum 17. Jahrhundert, 2003; Macht des Wissens, hg. v. Dülmen, Richard van u. a., 2004; Early Modern Science, hg. v. Park, K. u. a., 2006; Lindner, J., Die Europäisierung des Wissenschaftsrechts, 2009; Mekkas der Moderne, hg. v. Schmundt, H. u. a., 2010; I saperi nelle corti. Knowledge at the Courts, 2008; Kernforschung in Österreich, hg. v. Fengler, S., 2012; Freely, J., Aristoteles in Oxford, 2014; Lax, G., Das lineare Modell der Innovation in Westdeutschland, 2015; Wie objektiv ist Wissenschaft, hg. v. Lüke, U. u. a., 2017; Rovelli, C., Die Geburt der Wissenschaft – Anaximander und sein Erbe, 2019

Wissenschaftsfreiheit ist die bereits 1848 in der Frankfurter Paulskirchenverfassung gewährte Freiheit der wissenschaftlichen Tätigkeit.

Lit.: Schmidt, W., Die Freiheit der Wissenschaft, 1929; Mallmann, W./Strauch, H., Die Verfassungsgarantie der freien Wissenschaft, 1970; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Losch, B., Wissenschaftsfreiheit, 1993; Kempny, S., Zur Entstehung des Grundrechts auf Wissenschaftsfreiheit, ZRG GA 130 (2013), 423

Witte, Karl (Lochau bei Halle 1. 7. 1800-Halle 6. 3. 1883) wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg 1823 Professor in Breslau und danach in Halle. Auf seinen Hinweis entdeckt Niebuhr in Verona die Handschrift der Institutionen des →Gaius.

Lit.: Witte, K., Karl Witte, Bd. 1 1819

Wittelsbach bei Aichach ist die Burg, nach der sich seit 1116/1120 Grafen nennen, die 1180 Herzöge von Bayern werden und 1214 die Pfalzgrafschaft bei Rhein (Kurfürstentum) erlangen (1329 Teilung in Linien Bayern und Pfalz, König bzw. Kaiser Ludwig der Bayer 1314-1347, König Ruprecht von der Pfalz 1400-1410, Kaiser Karl VII. Albrecht 1742-1745, Nebenlinie in Schweden 1654-1720, 1777 Beerbung der Linie Bayern durch die Linie Pfalz, Nebenlinie in Griechenland 1832-1862). 1918 danken die Wittelsbacher als Könige Bayerns (einschließlich der Pfalz) in dem Deutschen Reich ab.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131; Wittelsbach und Bayern, hg. v. Glaser, H., 1980; Heimann, H., Hausordnung und Staatsbildung, 1993; Straub, E., Die Wittelsbacher, 1994; Kaufhold, M., Entscheidungsstrukturen in Dynastie und Reich, ZRG GA 120 (2003), 126; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Holzfurtner, L., Die Wittelsbacher, 2005; Menzel, M., Die Wittelsbacher Hausmachterweiterung in Brandenburg, Tirol und Holland, DA 61 (2005), 103; Weiß, D., Kronprinz Rupprecht von Bayern, 2007; März, S., Das Haus Wittelsbach im ersten Weltkrieg, 2013; Die Wittelsbacher und die Kurpfalz im Mittelalter, hg. v. Peltzer, J. u. a., 2013

Wittenberg an der Elbe erscheint 1180 als Burgward. Seit 1212 ist es Vorort einer zunächst askanischen Herrschaft. 1502 wird es Sitz einer Universität (bis 1813/1816). →Luther

Lit.: Distel, T., Beitrag zur Verfassungsgeschichte des Hofgerichts zu Wittenberg, ZRG GA 12 (1891), 117; Lück, H., Die Spruchtätigkeit der Wittenberger Juristenfakultät, Diss. jur. Halle 1982, 1998; 700 Jahre Wittenberg, hg. v. Oehmig, S., 1996; Kathe, H., Die Wittenberger philosophische Fakultät, 2002; Töpfer, T., Die Leucorea am Scheideweg, 2004; Gößner, A., Die Studenten an der Universität Wittenberg, 2003; Wittenberg, hg. v. Lück, H. u. a., 2006; Reichelt, S., Der Erlebnisraum Lutherstadt Wittenberg, 2013; Die Leucorea zur Zeit des späten Melanchthon, hg. v. Asche, M. u. a., 2015

Wittenwiler, Heinrich (2. H. 14. Jahrhundert) ist der 1395 als Advokat und Notar bezeichnete Hinterthurgauer Landadlige, der vielleicht zu der Zeit des Konzils von Konstanz (1414-1418) das 9700 Verse umfassende Lehrgedicht „Ring“ mit zahlreichen rechtlichen Bezügen verfasst.

Lit.: Mittler, E., Das Recht in Heinrich Wittenwilers Ring, 1967; Wießner, E., Der Wortschatz von Heinrich Wittenwilers Ring, hg. v. Boesch, B., 1970

Wittgenstein an der oberen Lahn ist seit dem 12. Jahrhundert Sitz eines Grafengeschlechts. Für W. wird 1579 ein eigenes Landrecht aufgezeichnet.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, Historisches Lexikon; Wrede, G., Territorialgeschichte der Grafschaft Wittgenstein, 1927; Das Wittgensteiner Landrecht, hg. v. Hartnack, W., 1960; Wittgenstein, hg. v. Krämer, F., Bd. 1f. 1965

Wittum ist seit germanischer Zeit die Gabe des Bräutigams an den Muntwalt der Braut und später an die Braut in dem Zuge der Eheschließung (meist als bloße Anwartschaft). Das W. dient der Vorsorge für den Unterhalt der Frau nach dem Tod des Mannes. Es steht ohne klare Trennung neben der Morgengabe und bedeutet sachlich meist nur ein Gebrauchsrecht der Witwe an dem Wittumsgut.

Lit.: Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts, 1863, Neudruck 1967, 43, 63, 76; Müller-Lindenlauf, H., Germanische und spätrömisch-christliche Eheauffassung, 1969; Mikat, P., Dotierte Ehe - rechte Ehe, 1978

Witwe ist der weibliche Ehegatte nach dem Tod des Ehemanns. Meist geht die Personalgewalt auf die Verwandten des Mannes über. Die Wiederverheiratung ist möglich, wird von der christlichen Spätantike (Hieronymus) aber abgelehnt, so dass gelegentlich die W. als eigentliche Gründerfigur des Mittelalters angesehen wird.

Lit.: Hübner 650; Schwab, D., Grundlage und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung, 1967; Humbert, M., Le remarriage à Rome, 1972; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie, 1986; Kötting, B., Die Bewertung der Wiederverheiratung, 1988; Krause, J., Witwen und Waisen im römischen Reich, 1995; Jussen, B., Der Name der Witwe, 2000; Dübeck, I., Legal Status of Widows in Denmark 1500-1900, Scand. J. History 29, 209; Alamichel, M., Widows in Anglo-Saxon and Medieval Britain, 2008; Back, C., Die Witwen in der frühen Kirche, 2015

Witzenhausen

Lit.: Eckardt, K., Politische Geschichte der Stadt Witzenhausen, 1925; Eckhardt, K., Politische Geschichte der Landschaft an der Werra und der Stadt Witzenhausen, 2. A. 1928; Natzmer, O. v., Das Liegenschaftsrecht des Witzenhäuser Stadtbuchs 1558-1612, (in) Beiträge zur Geschichte der Werralandschaft 4, 1937

Woche ist die aus sieben Tagen bestehende, schon in dem alten Ägypten bekannte Zeiteinheit. Sie findet sich auch in dem Judentum und danach in dem Christentum. In jeder W. ist der (Sabbat bzw.) Sonntag Feiertag. An einem bestimmten Wochentag findet der Wochenmarkt statt.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1988, 1994; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 1954, 5. A. 1980

Wohlerworben

Lit.: Lübbe-Wolff, G., Das wohlerworbene Recht als Grenze der Gesetzgebung im 19. Jahrhundert, ZRG GA 103 (1986), 104

Wohlfahrt ist der Zustand der angenehmen Befindlichkeit. Seit der frühen Neuzeit wird die allgemeine W. zu einem Ziel herrschaftlichen Handelns. Dabei geht es zunehmend um Wirtschaftspolitik zu der Erreichung von Wohlstand. Vielleicht ist dabei frühneuzeitliche Wohlfahrtsstaatlichkeit eine notwendige, aber nicht ausreichende Form des Strebens nach Souveränität. An dem Ende des 18. Jahrhunderts kämpft der Liberalismus gegen die damit verbundene Ausdehnung der staatlichen Tätigkeit an. 1882 spricht das preußische Oberverwaltungsgericht der Polizei die allgemeine Zuständigkeit für Maßnahmen der Wohlfahrtspflege ab.

Lit.: Köbler, DRG 146, 198, 252, 253; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 595; Merk, W., Der Gedanke des gemeinen Besten, FS A. Schultze, 1934; Verpaalen, A., Der Begriff des Gemeinwohls bei Thomas von Aquin, 1954; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955; Guldimann, T., Die Grenzen des Wohlfahrtsstaates, 1976; Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Die Entstehung des Wohlfahrtsstaates, hg. v. Mommsen, W., 1982; Ritter, G., Der Sozialstaat, 1989; Hammerschmidt, P., Die Wohlfahrtsverbände im NS-Staat, 1998; Kaufmann, F., Varianten des Wohlfahrtsstaats, 2003; Süßmann, J., Die Wurzeln des Wohlfahrtsstaats, HZ 285 (2007), 19; Healey, J., The First Century of Welfare – Poverty and Poor Relief in Lancashire 1620-1730, 2014; Büschenfeld, J., Vom „Sozialismus der Tat“ zur freien Wohlfahrtspflege, 2016

Wohlhaupter, Eugen (Unterwiesenbach/Schwaben 7. 9. 1900-Tönsheide/Schleswig-Holstein 23. 12. 1946), Volksschullehrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in München (Eichmann) 1934 Lehrstuhlvertreter in Greifswald und Kiel (1934/1935) sowie 1935 außerordentlicher und 1944 planmäßiger außerordentlicher Professor in Kiel. Seine Arbeiten betreffen unterschiedliche rechtsgeschichtliche Gebiete.

Lit.: Hattenhauer, H., Rechtswissenschaft im NS-Staat, 1987

Wohnrecht ist das beschränkte dingliche Recht auf Nutzung einer Wohnung. Es ist bei Justinian (527-565) als (lat. [F.]) habitatio (Wohnung) bezeugt. Auch das mittelalterliche deutsche Recht kennt Wohnungsberechtigungen. Bei der Aufnahme des römischen Rechtes wird die habitatio eher abgelehnt. Danach wird das W. als Personalservitut etwa in das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) aufgenommen.

Wohnsitz (1614) ist der örtliche Schwerpunkt der Lebensbeziehungen eines Menschen. Er ist bereits dem römischen Recht bekannt, wird aber erst seit dem Spätmittelalter bedeutsamer. Seit dem 18. Jahrhundert wird seine Begründung und Veränderung formalisiert.

Lit.: Nörr, D., Origo, TRG 31 (1963), 525; Lauter, R., Der Wohnsitz nach dem BGB, 1911; Walser, M., Die Bedeutung des Wohnsitzes im kanonischen Recht, 1992; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Wohnung ist das meist aus mehreren Räumen bestehende befriedete Besitztum eines oder mehrerer Menschen zu einem auf längere Zeit angelegten Aufenthalt. Das Wohnungsrecht findet sich bereits in dem spätrömischen Recht. Die W. wird vielfach durch →Miete erlangt, doch kann ihrem Besitz auch ein dingliches Recht zugrunde liegen. In der frühen Neuzeit wird die W. freiheitsrechtlich gegen Herrschaft geschützt (Kurhessen 1831). Etwa 1895 beginnt die Wohnungsbauförderung für die in dem öffentlichen Dienst Beschäftigten durch Staat und Gemeinden. In dem 20. Jahrhundert wird zeitweise der gesamte Bestand an Wohnungen staatlicher Zwangswirtschaft unterstellt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 127; Gentz, M., Die Unverletzlichkeit der Wohnung, 1968, Neudruck 2013: Feldbauer, P., Stadtwachstum und Wohnungsnot, 1977; Kohlmorgen, G., Johann Füchting und Füchtings Hof in Lübeck, 1982; Wolter, U., Mietrechtlicher Bestandsschutz, 1984; Teuteberg, H./Wischermann, C., Wohnalltag in Deutschland 1850-1914, 1985; Schlichting, F., Haus und Wohnen in Schleswig-Holstein, 1985; Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Zimmermann, C., Von der Wohnungsfrage zur Wohnungspolitik, 1991; Geschichte des Wohnens, hg. v. Reulicke, J. u. a., Bd. 1ff. 1997ff.; Hoepfner, W., Geschichte des Wohnens, 1999; Fuhrmann, B. u. a., Geschichte des Wohnens, 2007

Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer →Wohnung in Verbindung mit einem Miteigentumsanteil an dem die Wohnung tragenden Grundstück. Es ist in Fortsetzung des älteren →Stockwerkseigentums in Gegensatz zu dem römischrechtlichen Grundsatz (lat.) superficies solo cedit (die Oberfläche folgt dem Grund) seit der Mitte des 20. Jahrhunderts (Österreich 1948, Deutschland 1951, Schweiz 1963/1965) aus sozialrechtlichen Überlegungen zugelassen, so dass in Deutschland an dem Ende des 20. Jahrhunderts die Zahl der (Wohnungs-)Eigentümer die Zahl der (Wohnungs-)Mieter übersteigt.

Lit.: Rainer, J., Superficies und Stockwerkseigentum, ZRG GA 106 (1989), 327; Bärmann, J./Pick, E., Wohnungseigentumsgesetz, 13. A. 1994

Wo kein Kläger, da kein Richter.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 209 (Sachsenspiegel 1221-1224, lat. nemo iudex sine actore)

Wolf

Lit.: Koschorreck, W., Der Wolf, Diss. jur. Jena 1952

Wolf, Erik (Biebrich bei Wiesbaden 13. 5. 1902-Freiburg im Breisgau 13. 10. 1977) wird nach dem Studium von Volkswirtschaft und Recht in Frankfurt am Main und Jena Professor in Rostock (1928), Kiel (1930) und Freiburg im Breisgau (1930). Bekannt ist sein Werk über die großen Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte (1939, 2. A. 1943, 3. A. 1951, 4. A. 1963).

Lit.: Wolf, E., Ausgewählte Schriften, Bd. 1ff. 1972ff.; Hollerbach, A., Erik Wolf, ZRG GA 95 (1978), 33

Wolfenbüttel

Lit.: Das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel im Jahr 1574. Der Atlas des Gottfried Mascop, hg. v. Ohainski, U. u. a., 2012 (Neudruck 2013)

Wolff, Christian (Breslau 24. 1. 1679-Halle 9. 4. 1754), Gerberssohn, wird nach dem 1699 aufgenommenen Studium von Theologie, Mathematik, Physik, Philosophie und Recht in Jena und (1702) Leipzig (Leibniz) Philosophielehrer in Leipzig (1703), Professor für Mathematik in Halle (1706), (nach Landesverweis unter Tötungsandrohung wegen gefährlicher Gedanken) Professor für Mathematik und Philosophie in Marburg (1723) und (nach Rückruf durch Friedrich den Großen) Professor für Naturrecht, Völkerrecht und Mathematik in Halle (1740). Auf der Grundlage der Lehren Leibnizs wie des Gedankens, dass der (angeboren freie und gleiche) Mensch verpflichtet sei, nach Vollkommenheit zu streben, stellt er (vor allem auch in 1713 beginnenden deutschsprachigen, dann seit 1728 in lateinischen Veröffentlichungen sowie anscheinend in allmählicher Entwicklung) durch Ableitung aus wenigen Grundsätzen ein geschlossenes System naturrechtlicher Sätze insgesamt auf (lat. Ius [N.] naturae methodo scientifica pertractatum), mit dem er jedoch, weil er in konstruktiver Überspitzung etwa für einen einzigen Satz bis zu 300 Obersätze voraussetzt, die Ablösung des →Naturrechts als in der Rechtswirklichkeit nicht brauchbar einleitet. Seine wichtigsten Schüler sind Cramer, Ickstatt, Darjes und Nettelbladt.

Lit.: ; Köbler, DRG 136, 145, 146, 160, 208; Wunner, S., Christian Wolff, 1968; Backmann, H., Die naturrechtliche Staatslehre Christian Wolffs, 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Christian Wolff, hg. v. Schneiders, W., 1983; Stipperger, E., Freiheit und Institution bei Christian Wolff, 1984; Ebihara, A., Justis Staatslehre und Wolffs Naturrechtslehre, ZRG GA 102 (1985), 239; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988, 289; Luig, K., Die Pflichtenlehre des Privatrechts, (in) Wieacker Symposion, hg. v. Behrends, O. u. a., 1991, 209; Christian Wolff und die hessischen Universitäten, hg. v. Eckhardt, W., 2004; Timme, M., Christian Wolff, JuS 2004, 1042; Gómez Tutor, J., Die wissenschaftliche Methode bei Christian Wolff, 2004; Wolffiana II Christian Wolff und die europäische Aufklärung, hg. v. Stolzenberg, J. u. a., 2007; Die causa Christian Wolff, hg. v. Pecar, A. u. a., 2015; Kertscher, H., Er brachte Licht und Ordnung in die Welt. Christian Wolff – eine Biographie, 2018

Wolff, Martin (Berlin 26. 9. 1872-London 20. 7. 1953), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin 1903 außerordentlicher Professor, 1914 ordentlicher Professor in Marburg, Bonn (1919) und Berlin (1921), bis er 1934/1935 aus seinem Amt entfernt wird und 1938 nach London auswandert. Sein 1910 erstmals veröffentlichtes, bis 1932 (9. Auflage) in 37000 Exemplaren erschienenes Sachenrecht gilt als eines der besten privatrechtlichen Werke des 20. Jahrhunderts.

Lit.: Wolff, M., Der Bau auf fremdem Boden, 1900; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 543; Hansen, T., Martin Wolff (1872-1953), 2009

Wolhynien, Wolynien, ist das Gebiet zwischen Bug und Dnjepr. Es bildet in dem 11./12. Jahrhundert ein unabhängiges Herzogtum (Lodomerien), wird aber 1188 mit →Galizien vereinigt. 1793/1795 kommt es bei Teilungen Polens an Russland, von 1921 bis 1944 teilweise an Polen. Die in dem 19. Jahrhundert eingewanderten Deutschen werden mehrfach verschleppt und umgesiedelt.

Wöllner, Johann Christoph von (1732-1800) wird in Preußen 1788 Minister des geistlichen Departements. Nach ihm ist ein an dem 9. 7. 1788 erlassenes Edikt benannt. Es anerkennt den Grundsatz der religiösen →Toleranz und konfessionellen Parität der drei christlichen Hauptkonfessionen.

Lit.: Valjavec, F., Das Wöllnersche Religionsedikt, Hist. Jb. 72 (1953), 386; Theisinger, T., Die Irrlehrefrage im Wöllnerschen Religionsedikt, Diss. jur. Heidelberg 1975

Wo nichts ist, da hat der Kaiser sein Recht verloren.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 190 (Pistorius 1716)

Wood, Thomas (1661-1722) wird nach dem Studium in Oxford 1703 Doctor of Civil Law und 1704 geistlicher Rektor von Hardwick in Buckinghamshire. 1720 veröffentlicht er An Institute of the Laws of England. Beeinflusst von Domat versucht er eine Ordnung und Systematisierung des →common law nach römischrechtlichen Methoden. Seine Verbindung von römischem Recht und englischem Recht wirkt fast während des gesamten 18. Jahrhunderts prägend.

Lit.: Holdsworth, W., History of English Law, Bd. 12 1938, 418; Coquillette, D., The Civilian Writers, 1988, 198; Robinson, R., The Two Institutes of Thomas Woods, American Journal of Legal History, 35 (1991), 432

Wormeln (Kloster bei Warburg 1246-1810)

Lit.: Urkunden des Klosters Wormeln, hg. v. Müller, H., 2009

Worms ist die ursprünglich keltische Siedlung (Borbetomagus) an dem linken Ufer des mittleren Rheins, die vielleicht seit 346 Sitz eines Bischofs ist. 1273 erlangt die bischöfliche, seit 1074 mit Privilegien begabte Stadt, in der an dem 23. 9. 1122 nach längeren Verhandlungen das einen gewissen Ausgleich in dem Investiturstreit bringende Wormser Konkordat vereinbart wird, Reichsfreiheit. 1498/1499 erneuert sie in weitgehender Romanisierung ihr Recht in einer →Reformation.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 93; Köbler, Historisches Lexikon; Koehne, C., Der Ursprung der Stadtverfassung in Worms, Speyer und Mainz, 1890; Koehne, C., Die Wormser Stadtrechtsreformation, 1897; Wormser Recht und Wormser Reformation. Älteres Wormser Recht, hg. v. Kohler, J. u. a., 1915; Sofsky, G., Die verfassungsrechtliche Lage des Hochstifts Worms, Diss. jur. Mainz 1955; Theuerkauf, G., Burchard von Worms, Frühmittelalterliche Studien 2 (1968), 144; Hüttemann, H., Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte, 1970; Der Statt Wormbs Reformation, hg. v. Köbler, G., 1985; ¸; Die ältesten Urkunden aus dem Stadtarchiv Worms (1074-1255), hg. v. Fees, I. u. a., 2006; Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit, Bd. 10 bearb. v. Mahlerwein, G. u. a., 2010 (1394 Nummern)

Wormser Konkordat ist der Vertrag zwischen Papst und Kaiser von dem 23. 9. 1122, der den →Investiturstreit vorläufig abschließt. Der Kaiser überlässt der Kirche jede Investitur mit Ring und Stab und erlaubt kanonische Wahlen und freie Weihe. Der Papst lässt zu, dass in dem deutschen Reich die Wahl der Bischöfe in Gegenwart des Kaisers vollzogen wird und in dem Falle der Uneinigkeit der Kaiser den klügeren Teil unterstützen darf. Nach der Wahl darf der Kaiser die weltlichen Rechte (Kirchengüter, Regalien u. s. w.) (durch das Zepter) übertragen. Damit wird die Einheit von geistlicher und weltlicher Herrschaft aufgegeben.

Lit.: Bernheim, E., Das Wormser Konkordat, 1906; Rudorff, H., Zur Erklärung des Wormser Konkordats, 1906; Bernheim, E., Die praesentia regis im Wormser Konkordat, Historische Vierteljahresschrift 1907, 196; Salomon, F., Der Sachsenspiegel und das Wormser Konkordat, ZRG GA 31 (1910), 137; Hofmeister, A., Das Wormser Konkordat, 1962; Investiturstreit und Reichsverfassung, hg. v. Fleckenstein, J., 1973; Schieffer, R., Die Entstehung des päpstlichen Investiturverbotes, 1981; Schilling, B., Ist das Wormser Konkordat überhaupt nicht geschlossen worden?, DA 58 (2002), 123;

Wort

Lit.: Wörter und Sachen im Lichte der Bezeichnungsforschung, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1981; Kuckenburg, M., Wer sprach das erste Wort?, 2003, 2. A. 2010, 3. A. 2016; Baumgart, W., Wörterbuch historischer und politischer Begriffe des 19. und 20. Jahrhunderts, 2010; Wort - Bild - Zeichen, hg. v. Speer, H., 2012

Writ ist in dem englischen Recht das über eine Bitte an den königlichen Kanzler gegen Entgelt zu erlangende Privileg des Königs, in dem er in lateinischer Sprache den Sheriff der Grafschaft des Beklagten anweist, dem Beklagten z. B. zurückzugeben, was er schuldet oder zu dem königlichen Gericht zu kommen und zu erklären, warum er es nicht tut. Diese streng formalisierte verfahrensrechtliche Weisung ist vielleicht über Kirche und Universität durch das römische Recht beeinflusst. 1227 werden insgesamt 56 Arten von writs unterschieden. 1258 werden neue writs verboten aber als writs upon the case doch wieder zugelassen. Für Verträge wird ein w. erst 1602 anerkannt. 1832 bestehen 76 verschiedene Arten von writs und damit Klagen. 1852 wird das System der forms of action aufgegeben. Die Technik der einzelnen writs kann praktisch nur in den →inn of courts zuverlässig erlernt werden.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Peter, H., Actio und writ, 1957; Caenegem, R. van, Royal Writs, 1959; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002

Wucher (Wort bereits für das Germanische zu erschließen, ahd. wuohhar, M., Ertrag) ist das unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwächen eines anderen erfolgende Versprechenlassen oder Gewährenlassen von solchen Vermögensvorteilen für eine Leistung, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. In dem Mittelalter erklärt sich das kirchliche Gericht für wucherische Geschäfte zuständig. Zu dem Ausgleich für den Wegfall des kanonischen →Zinsverbots und der neuzeitlichen Höchstzinssätze in dem Liberalismus wird in dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ein Wucherverbot geschaffen (Österreich 28. 5. 1881 für Kreditgeschäfte, 12. 10. 1914 für alle Rechtsgeschäfte, 1916 § 879 II Nr. 4 ABGB).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 214; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Siems, H., Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1992; Rösch, G., Wucher in Deutschland 1200-1350, HZ 259, (1994), 593; Dilcher, J., Die Zins-Wucher-Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert, 2002; Pohlkamp, M., Die Entstehung des modernen Wucherrechts, 2009; Liebner, K., Wucher und Staat, 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Was vom Wucher übrigbleibt, hg. v. Casper, M. u. a., 2013; Schmitz, G., Hunger und Wucher – Zur konziliaren Wahrnehmung gesellschaftlicher Wirklichkeit im 9. Jahrhundert (in) DA 70 (2014) 121

Wülfinghausen

Lit.: Urkundenbuch des Klosters Wülfinghausen, hg. v. Hager, U., Bd. 1f. 1990ff.

Wunder (lat. miraculum) ist das auf vermuteter göttlicher Einwirkung beruhende, Erfahrungserwartungen widersprechende erwünschte Geschehen (z. B. Heilung schwerer Krankheiten, unerwartetes Bestehen bedrohlicher Gefahrenlagen). Es erweckt Hoffnungen anderer. Es trägt unter Ausnutzung seelischer Nöte Schwacher zu dem Wohlstand parasitärer Promotoren von Wallfahrten bei.

Lit.: Wallfahrt St. Georgenberg, hg. v. Ingenhaeff-Berenkamp, W., 1986; Schuh, B., Jenseitigkeit in diesseitigen Formen, 1989; Mirakel im Mittelalter, hg. v. Heinzelmann, M. u. a., 2002; Rendtel, C./Wittmer-Butsch, M., Miracula, 2003; Schwegler, M., Kleines Lexikon der Vorzeichen und Wunder, 2004; Mirakelberichte des frühen und hohen Mittelalters, hg. v. Herbers, K., 2005; Franz, L., Wahre Wunder, 2011; Credible Incredible - The Miraculous in the Ancient Mediterranean, hg. v. Nicklas, T. u. q., 2013; Miracles in Medieval Canonization Processes, hg. v. Krötzl, C. u. a., 2018

Würde →Menschenwürde

Lit.: Wagner, W., Die Würde des Menschen, 1991

Wurm, Nikolaus (Neuruppin vor Mitte 14. Jahrhunderts-Liegnitz nach 1401), Schüler des Johannes von Lignano in Bologna, ist der sächsische gelehrte Jurist, der an verschiedenen sächsischen Werken Verbesserungen vornimmt wie z. B. an der buchschen Glosse oder an der Lehnrechtsglosse (1386) des Sachsenspiegels. Außerdem verfasst er ein Liegnitzer Stadtrechtsbuch (1399), die Blume von Magdeburg (um 1390) und die Blume über den Sachsenspiegel (1397).

Lit.: Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 162, 178ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 58, 72; Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus Wurm, 1990

Wursten (aus wort-seten, auf Wurten Sitzende) ist die seit dem 6. Jahrhundert von Friesen besiedelte Landschaft an der unteren Weser. 1508 wird eine niederdeutsche Übersetzung der Rüstringer Küren aufgezeichnet, 1611 das Wurstener Landrecht.

Lit.: Lehe, E. v., Geschichte des Landes Wursten, 1973

Württemberg ist die 1081/1092 erscheinende Burg bei Esslingen, nach der sich Grafen benennen, welche die Landesherrschaft in dem östlichen Teil Schwabens erreichen (W.). 1495 wird W. unter Eberhard V., der 1477 die Universität Tübingen gründet, Herzogtum. 1555 wird ein durch Sichard romanistisch geprägtes, vierteiliges →Landrecht (Prozess, Vertrag, gewillkürtes Erbrecht, gesetzliches Erbrecht) erlassen, das unter Änderungen (1567, 1610) bis 1900 in Geltung bleibt. An dem Beginn des 19. Jahrhunderts wird der Umfang des Landes von 9800 Quadratkilometern auf 19500 Quadratkilometer erweitert. An dem 25. 9. 1819 gewährt der König von W. eine →Verfassung. Nach dem revolutionären Umsturz in dem November 1918 werden an dem 26. 4. 1919 eine vorläufige und an dem 25. 9. 1919 eine revidierte Verfassung beschlossen. 1951/1952 wird W. mit Baden zu Baden-Württemberg vereinigt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 192, 202, 256, 269; Köbler, Historisches Lexikon; Mohl, R. v., Staatsrecht des Königreichs Württemberg, 1831; Wirtembergisches Urkundenbuch, Bd. 1ff.; Erzberger, Die Säkularisation in Württemberg, 1902; Wintterlin, F., Geschichte der Behördenorganisation in Württemberg, Bd. 1f. 1904ff.; Weller, K., Württembergische Geschichte, 1909, 5. A. 1963; Württembergische ländliche Rechtsquellen, Bd. 1ff. 1910ff.; Württembergische Landtagsakten, Reihe 2, Bd. 1ff. 1910ff.; Beschreibung des Oberamts Tettnang, 2. A. 1915; Württembergische Regesten, hg. v. kgl. Haus und württemberg. Staatsarchiv, 1916ff.; Knapp, T., Neue Beiträge zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte des württembergischen Bauernstandes, 1919; Knapp, T., Das württembergische Hofgericht zu Tübingen und das württembergische privilegium de non appellando, ZRG GA 48 (1928), 1; Mock, A., Die Entstehung der Landeshoheit der Grafen von Wirtemberg, 1926; Beschreibung des Oberamtes Leonberg, 2. A. 1930; Hölzle, E., Das alte Recht und die Revolution, 1931; Enst, F., Eberhard im Bart, 1933; Miller, M., Die Organisation und Verwaltung von Neuwürttemberg, 1934; Hölzle, E., Württemberg im Zeitalter Napoleons, 1937; Müller, K., Gesamtübersicht über die Bestände der staatlichen Archive Württembergs, 1937; Weller, K., Besiedlungsgeschichte Württembergs vom 3. bis 13. Jahrhundert, 1938; Kothe, I., Der fürstliche Rat in Württemberg, 1938; Linder, O., Die Entstehung der Verwaltungsrechtspflege des geheimen Rats in Württemberg, 1940; Graessle, H., Sindelfingen, 1954, Grube, W., Der Stuttgarter Landtag, 1957; Sauer, P., Das württembergische Heer, 1958; Naujoks, E., Obrigkeitsgedanke, Zunftverfassung und Reformation, 1958; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Hess, R., Familien- und Erbrecht im württembergischen Landrecht von 1555, 1968; Struck, W., Geschichte der Stadt Geisenheim, 1972; Philippi, H., Das Königreich Württemberg im Spiegel der preußischen Gesandtschaftsberichte 1871-1914, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2662, 3,3,2864,3700; Bernhard, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg, 1973; Bernhardt, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg und ihre Beamten 1520-1629, 1973; Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-Württemberg 1, 2, hg. v. Landkreistag, 1975; Maier, K., Die Bürgschaft, 1980; Feuchte, P., Verfassungsgeschichte von Baden-Württemberg, 1983; Stadtwerdung im Landkreis Sigmaringen, 1985; Stettner, W., Ebingen, 1986; Gerner, J., Vorgeschichte und Entstehung der württembergischen Verfassung, 1989; Frey, S., Das württembergische Hofgericht, 1989; Schwarzmeier, H., Handbuch der baden-würt_tembergischen Geschichte, Bd. 3 1992; Haug-Moritz, G., Württembergischer Städtekonflikt und deutscher Dualismus, 1992; Gotthard, A., Konfession und Staatsräson, 1992; Molitor, S., 1495 - Württemberg wird Herzogtum, 1995; Holthöfer, E., Ein deutscher Weg zu moderner und rechtsstaatlicher Gerichtsverfassung, 1997; Schuler, P., Regesten zur Herrschaft der Grafen von Württemberg 1325-1378, 1998; Raberg, F., Biographisches Handbuch der württembergischen Landtagsabgeordneten 1815-1933, 2001; Württembergisches Klosterbuch, hg. v. Zimmermann, W. u. a., 2003; Württemberg 1797-1816/19, bearb. v. Paul, I., 2004; Die Protokolle der Regierung von Württemberg-Hohenzollern, Bd. 1 bearb. v. Raberg, F., 2004; Württemberg 1797-1816/19, bearb. v. Paul, I., 2005; Bayer, B., Ich bleibe nicht mehr über die Nacht Schultheiß, 2006; Mann, B., Kleine Geschichte des Königreichs Württemberg 1806-1918, 2006; Der württembergische Hof im 15. Jahrhundert, hg. v. Rückert, P., 2006; Kümmerle, J., Luthertum, humanistische Bildung und württembergischer Territorialstaat. 2008; Die Aufnahmeprivilegien für französisch-reformierte Glaubensmigranten im Herzogtum Württemberg, bearb. v. Schätz, H., 2009; Brüser, J., Herzog Karl Alexander von Württemberg und die Landschaft (1733 bis 1737), 2010; Die Protokolle der Regierung des Volksstaates Württemberg, Bd. 1 bearb. v. Baumann, A., 2013; Erdmann, T. v., Die Verfassung Württembergs von 1919, 2013; Rupp, C., Von der Wiege bis zur Bahre, 2014; Der „Arme Konrad“ vor Gericht, hg. v. Rückert, P., 2014; Koch, S., Kontinuität im Zeichen des Wandels – Verfassung und Finanzen in Württemberg um 1800, 2014; Krippendorf, H., Anekdoten vom württembergischen Hof, 2015; Eckert, G., Zeitgeist auf Ordnungssuche – Die Begründung des Königreiches Württemberg 1797-1819, 2016; Loose, R., Die Centralstelle des württembergischen lndwirtschaftlichen Vereins, 2018Württemberg und die deutsche Frage 1866-1870, hg. v. Mährle, W., 2019

Wurtzins (M.) Hausstättenzins

Wurzach

Lit.: Vogel, A., Die Rechtsverhältnisse der reichstruchsess-waldburgischen Stadt Wurzach, Diss. jur. Tübingen 1958

Würzburg an dem mittleren Main wird nach älteren Siedlungsspuren 704 als Vorort eines fränkischen Herzogtums bezeugt. 741/742 wird es Sitz eines Bischofs, von dem zwischen 995 und 1223 386 Urkunden nachgewiesen sind. 1402/1410 wird eine 1582 erneuerte Universität eingerichtet. Um 1200 hat es 7000 bis 8000, um 1500 rund 9000 Einwohner. Das Würzburger Landgericht will für das Herzogtum →Franken zuständig sein.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Knapp, H., Die Zenten des Hochstifts Würzburg, 1907; Würzburger Polizeisätze, hg. v. Hoffmann, H., 1955; Merzbacher, F., Iudicium provinciale ducatus Franconiae, 1956; Urkundenregesten zur Geschichte der Städte des Hochstifts Würzburg (1172-1413), bearb. v. Engel, W., 1956; Seberich, F., Das Stadtmodell Würzburg um 1500, 1968; Johanek, P., Die Frühzeit der Siegelurkunde im Bistum Würzburg, 1969; Schubert, E., Materielle und organisatorische Grundlagen der Würzburger Universitätsentwicklung, 1973; Schich, W., Würzburg im Mittelalter, 1977; Trüdinger, K., Stadt und Kirche im spätmittelalterlichen Würzburg, 1978; Fries, L., Chronik der Bischöfe von Würzburg 741-1495, hg. v. Wagner, U. u. a., Bd. 1ff. 1992ff.; Kummer, C., Die Illustration der Würzburger Bischofschronik des Lorenz Fries aus dem Jahre 1546, 1995; Geschichte der Stadt Würzburg, hg. v. Wagner, U., Bd. 1ff. 2001ff.; Raum und Recht – Festschrift 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät, hg. v. Dreier, H. u. a., 2002; Schäfer, D., Geschichte Würzburgs, 2003; Sprandel, R., Das Würzburger Ratsprotokoll des 15. Jahrhunderts, 2003; Müller, K., Die Würzburger Judengemeinde im Mittelalter, 2004; Hecker, M., Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Benkert, C., Die juristische Fakultät der Universität Würzburg 1914 bis 1960, 2005; Die Lebensbeschreibungen Bischof Burchards von Würzburg, hg. v. Barlava, D., 2005; Das Benediktinerkloster St. Stephan in Würzburg, hg. v. Leng, R., 2006; Süßmann, J., Vergemeinschaftung durch Bauen, 2007; Christoforatou, E., Zwischen geistlicher Herrschaft und Eigenverantwortung, 2010; Lorenz Fries und sein Werk, hg. v. Fuchs, F., 2014; Würzburger Ratsprotokolle 1432-1454, bearb. v. Bieber, A., 2014; Quellen zur Geschichte des Bürgerspitals Würzburg 1500-1650, bearb. v. Bergerhausen, H., 2014; Würzburger Ratsprotokolle 1454-1465, berb. c. Biber, A., 2017

Wüstung ist die zerstörte oder verlassene Siedlung. W. (Zerstörung) eines Gutes ist auch als Rechtsfolge möglich (z. B. bei Landesverrat, Ketzerei, Tötung, Notzucht).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Lappe, J., Die Wüstungen der Provinz Westfalen, 1916, Frölich, K., Rechtsgeschichte und Wüstungskunde, ZRG GA 64 (1944), 277; Largiadèr, A., Ein später Fall von strafrechtlicher Wüstung, ZRG GA 72 (1955), 244; Zahn, N., Die Wüstung, Diss. jur. Basel 1956; Fischer, H., Die Hauszerstörung, 1957; Abel, W., Die Wüstungen, 1943, 2. A. 1955, 3. A. 1976; Wüstungen in Deutschland – Ein Sammelbericht, hg. v. Abel, W., 1967; Kühlhorn, E., Die mittelalterlichen Wüstungen in Südniedersachsen, Bd. 1-4 1904ff.

X

Xanten

Lit.: Urkundenbuch des Stiftes Xanten, hg. v. Weiler, P., Bd. 1 1935; Hawicks, H., Xanten im späten Mittelalter, 2006; Das St. Viktor-Stift Xanten, hg. v. Geuenich, D. u. a., 2012; Die Stiftskirche des Heiligen Viktor in Xanten, hg. v. Lieven, J., 2015

Xiphilinos, Johannes (Trapezunt 1010) wird nach Ausbildung in Konstantinopel Rechtslehrer einer Rechtsschule und kommentiert das in den →Basiliken überlieferte römische Recht.

Lit.: Schminck, A., Studien zu mittelbyzantinischen Rechtsbüchern, 1986, 29, 40

Y

Year book ist die Bezeichnung der Jahrbücher, in denen die Entscheidungen des →englischen Rechtes von jungen Anwälten in →Law French aufgenommen sind (reports, von 1292 bis 1535 erhalten, Gegensatz lateinische records).

Lit.: Year books Bd. 1ff. 1903ff.; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000

Z

Zabarella, Francesco (Padua 1360-1417), Patrizierssohn, wird nach dem Studium des Kirchenrechts in Bologna (Antonius de Butrio) Rechtslehrer in Padua und Bischof von Florenz. Auf dem Konzil von Konstanz setzt er sich für die Erweiterung der Rechte des Konzils zu Lasten des Papstes ein.

Lit.: Girgensohn, D., Francesco Zabarella, ZRG KA 79 (1993), 232

Zachariä (1842 von Lingenthal), Carl Salomo (Meißen 14. 9. 1769-Heidelberg 27. 3. 1843), Advokatensohn, wird nach dem Studium der Philosophie, Philologie und des Rechtes in Leipzig 1802 Professor in Wittenberg und Heidelberg (1807). 1808 veröffentlicht er ein systematisch abgefasstes Handbuch des französischen Civilrechts. 1810 legt der als schillernd beschriebene Gelehrte das aufgeklärte „Staatsrecht der rheinischen Bundesstaaten“ vor.

Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 2 1992, 169; Lang, T., Die Staats- und Verfassungslehre Carl Salomo Zachariaes, 1996

Zachariae, Heinrich Albert (Herbsleben bei Bad Langensalza 20. 11. 1806-Cannstadt 29. 4. 1875) wird 1829/1830 Strafprozessrechtler und Staatsrechtler in Göttingen (Grundlinien des gemeinen deutschen Kriminalprozesses, 1837).

Lit.: Mohl, R. v., Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften, Bd. 2 1855, Neudruck 1960, 266; Bandemer, D., Heinrich Albert Zachariae, 1985

Zagreb (Agram) an der oberen Save geht auf antike Grundlagen zurück. 1093 ist es Sitz eines Bischofs. 1242 wird die nach der Zerstörung (1242) neu entstandene Siedlung Gradec königlich ungarische Freistadt. 1526 fällt Z. an →Österreich. 1669 erhält es eine Universität. 1718 wird Z. Hauptstadt →Kroatiens.

Lit.: Grothusen, K., Entstehung und Geschichte Zagrebs bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts, 1967; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007

Zahl ist die Umstände nach ihrer Menge fortlaufend ordnende Einheit. Frühmittelalterliche Zahlenangaben sind wohl grundsätzlich verlässlich. Bei hohen Heeresangaben sind Übertreibungen anzunehmen.

Lit.: Ifrah, G., Universalgeschichte der Zahlen, 2. A. 1991; Sonntag, R., Studien zur Bewertung von Zahlenangaben in der Geschichtsschreibung des frühen Mittelalters, 1987; Bentley, P., Das Buch der Zahlen, 2008; Kosmos und Zahl, hg. v. Hecht, H. u. a., 2008; Wedell, M., Zählen, 2011

Zahlung (Wort 1470, Zahlungsbefehl 1809, Zahlungsort 1766, Zahlungsstatt 1645, Zahlungstermin 1646, Zahlungsunfähigkeit 1766) ist die Tilgung einer Geldschuld. Sie erfolgt zunächst durch Übereignung der Sache Geldstück, seit dem 19. Jahrhundert zunehmend bargeldlos.

Lit.: Meder, S., Die bargeldlose Zahlung, 1996; Denzel, M., Das System des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Linardatos, D., Das Haftungssystem im bargeldlosen Zahlungsverkehr, 2013

Zähringen bei Freiburg im Breisgau ist die namengebende Burg einer alemannischen Familie, die 1092 den Titel eines Herzogs (Gegenherzogs) von Schwaben annimmt. Zu ihrem Umfeld zählen etwa fünfzig Familien von Ministerialen.Ihr durch viele Stadtgründungen (z. B. →Freiburg im Breisgau, →Bern) gekennzeichnetes Herrschaftsgebiet fällt bei ihrem Aussterben 1218 an verschiedene Nachfolger.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon; Hamm, E., Die Städtegründungen der Herzöge, 1932; Mayer, T., Der Staat der Herzöge, 1935; Büttner, H., Egino von Urach-Freiburg, der Erbe der Zähringer, 1939; Die Zähringer, hg. v. Schadek, H. u. a., 1986; Die Zähringer, hg. v. Schmid, K. u. a., 1990; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Zotz, T., Die Zähringer – Dynastie und Herrschaft, 2018

Zar (M.) ist der nach lat. Caesar gebildete slawische Herrschertitel (Russland 1547-1917, Bulgarien 1908-1946). →Kaiser

Lit.: Die russischen Zaren, hg. v. Torke, H., 1995; Fedorowski, W., Die Zarinnen, 2001

Zalaszowski, Mikolaj (1631-1703) wird nach dem Studium in Krakau, Rom und Deutschland Professor in Krakau und Posen. Seit 1699 veröffentlicht er (lat.) Ius (N.) regni Poloniae (Recht des Königreichs Polen).

Lit.: Malinowska, I., Mikolaj Zalaszowski, 1960

Zasius (Zäsy), Ulrich (Huldreich) (Konstanz 1461-Freiburg im Breisgau 24. 11. 1535) wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen Gerichtsschreiber in Konstanz und Stadtschreiber in Freiburg, wo er nach weiteren Studien 1506 Professor wird. Er fördert die in Frankreich gegen die herkömmliche italienische Art (lat. →mos [M.] Italicus) entwickelten humanistisch-philologischen Neuansätze (→Alciat, lat. →mos [M.] Gallicus). Bei dem 1520 vorgelegten neuen römischrechtlich beeinflussten Stadtrecht (Reformation) →Freiburgs wirkt er maßgeblich mit. Er ist der erste europäisch bedeutsame deutsche Jurist.

Lit.: Köbler, DRG 144, 160; Stintzing, R., Ulrich Zasius, 1857, Neudruck 1857; Bremer, F., Ulrich Zasius und das Familienstatut der von Rappoltstein vom Jahre 1511, ZRG GA 18 (1897), 170; Knoche, H., Ulrich Zasius und das Freiburger Stadtrecht von 1520, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956; Winterberg, H., Die Schüler von Ulrich Zasius, 1961 (132 Schüler und Hörer); Kisch, G., Zasius und Reuchlin, 1961; Fleischer, G., Ulrich Zasius und Petrus Stella, Diss. jur. Freiburg im Breisgau (um 1966); Nüwe Stattrechten und Statuten, hg. v. Köbler, G., 1986; Rowan, S., Ulrich Zasius, 1987; Schroeder, K., Ulrich Zasius, JuS 35 (1995), 97

Zauber ist die Zuhilfenahme von nichtmenschlichen geistigen Kräften zu der Verwirklichung menschlicher Zwecke. Der Z. gehört bereits der Vorgeschichte an. Die christliche Kirche wendet sich gegen bestimmte Formen von Z. und Zauberei und verfolgt insbesondere in der frühen Neuzeit Was Z. bewirkt, ist ungewiss. →Hexen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 87; Köbler, WAS; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Hansen, J., Zauberwahn, 1900, Neudruck 1964, 1983; Byloff, F., Das Verbrechen der Zauberei, 1902; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Kießling, E., Zauberei in den germanischen Volksrechten, 1941; Leutenbauer, S., Hexerei und Zauberdelikt, 1972; Zauber, Magie und Rituale, hg. v. Büttner, C., 1985; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 1992, 2. A. 1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Blauert, A., Frühe Hexenverfolgungen, 1989; Clerc, J., Homines magici, 1995; Kleinöder-Strobel, S., Die Verfolgung von Zauberei und Hexerei in den fränkischen Markgraftümern, 2002; Wilde, M., Die Zauberei- und Hexenprozesse in Kursachsen, 2003

Zauberei →Zauber

Zaudengericht

Lit.: Diels, P./Koebner, R., Das Zaudengericht in Böhmen, Mähren und Schlesien, 1935

Zaun

Lit.: Amira, K. v., Zaunpflicht zwischen Gemeinweiden und Kulturland, ZRG GA 29 (1928), 336

zehn Gebote →Dekalog

Zehnt (Wort um 1120 belegt) ist der bereits den Juden in dem Alten Testament bekannte, von der Kirche zwischen Spätantike (6. Jahrhundert) und Frühneuzeit unter Berufung auf biblische Stellen (3. Mose 27,30) geforderte zehnte Teil eines Ertrags. Er wird von dem merowingischen Hausmeier Karl Martell nach der in dem Zuge der Abwehr des Ansturmes der Araber (732) erfolgten Säkularisierung (Verweltlichung) des Kirchenguts erneuert. In dem 13. Jahrhundert wird er zu einer Geldleistung. In dem 19. Jahrhundert wird der Z. in dem Gefolge der französischen Revolution durch die →Kirchensteuer ersetzt (Preußen 20. 6. 1875).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 84, 198; Stutz, U., Das karolingische Zehntgebot, ZRG GA 29 (1908), 180; Viard, P., Histoire de la dîme ecclésiastique, 1909; Schmid, H., Der Gegenstand des Zehntstreites zwischen Mainz und den Thüringern im 11. Jahrhundert, ZRG GA 43 (1922), 267; Plöchl, W., Das kirchliche Zehntwesen, 1935; Gmür, R., Der Zehnt im alten Bern, 1954; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Harrer, R., Der kirchliche Zehnt im Gebiet des Hochstifts Würzburg, 1992; Pribnow, V., Die Rechtfertigung obrigkeitlicher Steuer- und Zehnterhebung, 1996; Jursa, M., Der Tempelzehnt in Babylonien, 1998; Person-Weber, G., Der Liber decimationis des Bistums Konstanz, 2001; La dîme dans l’Europe médiévale et moderne, hg. v. v. Viader, R., 2010; Patt, G. Studien zu den Salzehnten im Mittelalter, 2014; Patzold, S., Verortung in einer mobilen Welt – Zum Zusammenhang zwischen Kirchenzehnt und der Einhegung von Mobilität im Karolingerreich, HZ 309 (2019), 285

Zeichen →Marke, Warenzeichen

Lit.: Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Großfeld, B., Zeichen und Zahlen im Recht, 2. A. 1995

Zeil

Lit.: Inventar des Archivs Trauchburg, bearb. v. Rauh, R., 1968; Rauh, R., Das Hausrecht der Reichserbtruchsessen Fürsten von Waldburg, Bd. 1f. 1971f.

Zeiller, Franz von (Graz 14. 1. 1751-Hietzing bei Wien 23. 8. 1828) wird nach dem Studium der Philosophie in Graz und des Rechtes in Wien (Martini) Hauslehrer Martinis, 1778 außerordentlicher Professor, 1782 ordentlicher Professor in Wien und 1797 Beisitzer der Hofkommission in Justizgesetzsachen. Er bearbeitet das westgalizische Strafgesetzbuch und das Strafgesetzbuch des Jahres 1803. Sein 1802 veröffentlichtes natürliches Privatrecht prägt den anschließend von ihm umgestalteten Stoff des späteren →Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (1811/1812, Kommentar 1811/1813). Sein 1810 eingeführter Studienplan drängt die Geschichte zugunsten der Systematik (auf eine rein dienende Aufgabe) zurück, doch wird dies 1855 wieder beseitigt. 1813 wird Z. geadelt.

Lit.: Köbler, DRG 142; Swoboda, E., Franz von Zeiller, 1931; Forschungsband Franz von Zeiller, hg. v. Selb, W. u. a., 1980; Franz von Zeiller. Symposium, hg. v. Desput, J. u. a., 2003

Zeit

Lit.: Engammare, M., L’ordre du temps, 2004; Holford-Strevens, L., Kleine Geschichte der Zeitrechnung und des Kalenders, übers. v. Rochow, C., 2008; Forsythe, G., Time in Roman Religion, 2012; Rosenberg, D. u. a., Die Zeit in Karten, 2015; Der Faktor Zeit, hg. v. Patzel-Mattern, K. u. a., 2015; Gebundene Zeit – Zeitlichkeit in Literatur, Philologie und Wissenschaftsgeschichte FS Wolfgang Adam, hg. v. Standke, J., 2015; Demandt, A., Zeit – Eine Kulturgeschichte, 2015; Zeitenwandel, hg. v. Esposito, F., 2017; Garfield, S., Zeitfieber, 2017; Zeit in den Wissenschaften, hg. v. Kautek, W. u. a., 2017; Zimmer, O., Die Ungeduld mit der Zeit, HZ 308 (2019), 46

Zeitgeschichte ist die die jüngere Vergangenheit betreffende Geschichte. In der allgemeinen Geschichte wird die Geschichte der Zeit seit 1918 (Hans Rothfels 1953 Zeit der Mitlebenden) (bzw. seit 1945) als Z. verstanden. Seit etwa 1970 wird unter notwendiger Vernachlässigung der allgemeinen Rechtsgeschichte auch eine juristische Z. angestrebt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Klippel, D., Juristische Zeitgeschichte, 1985; Juristische Zeitgeschichte - ein neues Fach?, hg. v. Stolleis, M., 1993; Ramm, T., Rechtszeitgeschichte, 1998, 587; Forum Juristische Zeitgeschichte, hg. v. Düwell, F. u. a., 1998; Rückert, J., Zeitgeschichte des Rechts, ZRG GA 115 (1998), 1; Kramer, H., Plädoyer für ein Forum zur juristischen Zeitgeschichte, hg. v. Verein Forum Justizgeschichte, 1998; 50 Jahre Institut für Zeitgeschichte, hg. v. Möller, H. u. a., 1999; Institut für juristische Zeitgeschichte Hagen Jahrbuch Bd. 1ff. hg. v. Vormbaum, T., 1999ff.; Vormbaum, T., Beiträge zur juristischen Zeitgeschichte, 1999; Themen juristischer Zeitgeschichte, hg. v. Düwell, F./Vormbaum, T., 1999; Rückert, J., Zeitgeschichte des Rechts, ZRG GA 117 (2000), 290; Diestelkamp, B., Rechtsgeschichte als Zeitgeschichte, 2001 (Beiträge); Gehler, M., Zeitgeschichte im dynamischen Mehrebenensystem, 2001; Senn, M., Recht – Gestern und heute, 2002 (Juristische Zeitgeschichte); Einführung in die Zeitgeschichte, hg. v. Möller, H. u. a., 2003; Topitsch, E., Im Irrgarten der Zeitgeschichte, 2003; Metzler, G., Einführung in das Studium der Zeitgeschichte, 2004; Wagner, W., Bildatlas der österreichischen Zeitgeschichte, 2004; Zeitgeschichte als Problem, hg. v. Nützenadel, A. u. a., 2004; Metzler, G., Einführung in das Studium der Zeitgeschichte, 2004; Senn, M./Gschwend, L., Juristische Zeitgeschichte 2. A. 2004, 3. A. 2010; Auf dem Weg in eine neue Moderne?, hg. v. Raithel, T. u. a., 2009; Möller, H. u. a., 60 Jahre Institut für Zeitgeschichte, 2009; Neueste Zeit Oldenbourg Geschichte Lehrbuch hg. v. Wirsching, A., 2009.; Fröhlich, M., Zeitgeschichte, 2009; Österreichischer Zeitgeschichtetag, hg. v. Böhler, I. u. a., 2010; Epos Zeitgeschichte, hg. v. Hürter, J. u. a., 2010; Zeitgeschichte ausstellen in Österreich, hg. v. Rupnow, D. u. a., 2011; D’Aprile, I., Die Erfindung der Zeitgeschichte, 2013; Stolleis, M., Nahes Unrecht, fernes Recht – zur juristischen Zeitgeschichte im 20. Jahrhundert, 2014; Der Faktor Zeit – Perspektiven kulturwissenschaftlicher Zeitforschung, hg. v. Patzel-Mattern, K. u. a., 2015

Zeitschrift ist die in dem Verlauf der Zeit in Abständen erscheinende Schrift meist mit kurzen Beiträgen mehrerer Verfasser. Sie entwickelt sich seit der Erfindung des Buchdrucks. Zeitungen vor der →Zeitung werden von der Familie Fugger seit 1568 gesammelt. Juristische, zunächst noch buchähnliche Zeitschriften werden in dem Heiligen römischen Reich seit dem 18. Jahrhundert herausgegeben, in den meisten übrigen Staaten Europas in dem 19. Jahrhundert, wobei teilweise die Wissenschaft in dem Vordergrund steht, teilweise aber auch die Praxis einbezogen wird. Erfolgreichste deutschsprachige juristische Zeitschrift ist wohl die 1947 von dem Verlag C. H. Beck begründete Neue Juristische Wochenschrift.

Lit.: Juristische Zeitschriften, hg. v. Stolleis, M. u. a., 1999; Juristische Zeitschriften in Europa, hg. v. Simon, T. u. a., 2006; Weber, H., Juristische Zeitschriften des Verlags C. H. Beck, 2007; Das Medium Wissenschaftszeitschrift seit dem 19. Jahrhundert, hg. v. Stöckel, S. u. a., 2009; Bauer, O., Zeitungen vor der Zeitung, 2011

Zeitschrift für Rechtsgeschichte ist die der von Savigny und anderen für Romanistik und Germanistik begründeten Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft (1815-1845) und der von Reyscher und Wilda herausgegebenen (germanistischeren) Zeitschrift für deutsches Recht ab 1861 folgende, Romanistik und Germanistk wieder vereinende, 1880 in eine germanistische Abteilung und eine romanistische Abteilung gegliederte und (durch Ulrich Stutz) 1911 um eine kanonistische Abteilung erweiterte Zeitschrift für rechtsgeschichtliche Forschungen und Besprechungen („Deutschlands berühmteste Zeitschrift“). Seit 2011 erscheinen weiter eine digitale Zeitschrift integrativer europäischer Rechtsgeschichte (ZIER) und eine besondere Zeitschrift für österreichische Rechtsgeschichte sowie seit 2012 unter dem Namen Rechtskultur eine dreisprachig geöffnete Zeitschrift für europäische Rechtsgeschichte.

Lit.: Thieme, H., Hundert Jahre Zeitschrift für Rechtsgeschichte, ZRG GA 78 (1961), XII; Mayer-Maly, T., Deutschlands berühmteste Zeitschrift, ZRG GA 102 (1985), 1

Zeitung ist das regelmäßig erscheinende, über Wissenswertes berichtende Druckerzeugnis. Ab 1568 werden in Augsburg handschriftliche Nachrichten jeder Art aus Europa gesammelt (so genannte Fuggerzeitungen, mehr als 16200 Nachrichten bis 1605). Die älteste in Deutschland erschienene und erhaltene Z. ist Aviso von 1609 für Landadel und Juristen (aus Wolfenbüttel, zweitälteste Z. der Welt). Seit 1650 gibt es Tageszeitungen. Die älteste, noch erscheinende Z. der Welt ist die schwedische Post- och Innikes Tidningar (1645), die älteste noch erscheinende Z. Deutschlands die Hildesheimer Allgemeine Zeitung (1705), die älteste, noch erscheinende deutschsprachige Z. die Wiener Zeitung. 2004 bestehen in Deutschland 137 Zeitungen (mit mehr als 1000 Ausgaben), die vor allem von den gleichen elektronischen Nachrichtenagenturen gespeist werden mehr und mehr von den in ihnen aufgegebenen Anzeigen leben und die Nachrichten nur noch als Leser fangendes Beiwerk für die Werbung verwenden.

Lit.: Baumert, D., Die Entstehung des deutschen Journalismus, Diss. phil. Berlin 1928, Neudruck 2013; Breil, M., Die Augsburger Allgemeine Zeitung, 1996; Juristische Zeitschriften, hg. v. Stolleis, M., 1999; Pross, H., Zeitungsreport, 2000; Schultheiß-Heinz, S., Politik in der europäischen Publizistik, 2004; Schütz, W., Zeitungen in Deutschland, 2005f; Juristische Zeitschriften in Europa, hg. v. Stolleis, M. u. a., 2006; Bauer, O., Zeitungen vor der Zeitung, 2011; Keller, K. u. a., Die Fuggerzeitungen im Kontext, 2015; Leidecker, M., Das ist die Top-Geschichte des Tages, 2015; Lichnerová, L. u. a., „Neue Zeitungen“ über Ungarn, HZ 309 (2019), 313 (zwischen 1515 und 1652 etwa 90 erhaltene Neue Zeitungen zu Ereignissen über Ungarn)

Zensor ist der altrömische Amtsträger (2 Zensoren), der aus den ehemaligen Konsuln auf fünf Jahre gewählt wird und wohl seit 444 v. Chr. für die Aufsicht über die Sitten und die Vermögensveranlagung zuständig ist.

Lit.: Söllner § 6; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; El Beheiri, N., Das regimen morum der Zensoren, 2012

Zensualität ist die durch Leistung von Zins (Kopfzins, Heiratsabgabe, Sterbeabgabe) gekennzeichnete gesellschaftliche Stellung in dem Mittelalter (779 Kapitular von Herstal, urkundlich ab etwa 800, vor allem bei Tipuarieren, Alemannen und Bayern).

Lit.: Esders, S., Die Formierung der Zensualität, 2010

Zensur ist die Aufsicht über das gesellschaftliche Verhalten, insbesondere über die Veröffentlichung von Gedanken in Schriftform. Bereits dem ausgehenden Altertum (ab 4. Jahrhundert n. Chr.) ist die Z. in der Kirche bekannt. 1184 führt Papst Lucius III. die Nachzensur für die Kirche ein. Sie wird nach der Erfindung des Buchdrucks wegen der damit verbundenen Gefahren 1487 durch Papst Innozenz VIII. in die Vorzensur umgewandelt. Von 1559/1564 bis 1967 führt die katholische Kirche einen (lat.) Index (M.) librorum prohibitorum (Anzeiger verbotener Bücher). Dem folgen seit dem 16. Jahrhundert die neuzeitlichen Landesherren (z. B. Maria Theresia für Österreich 1748, 1749, 1752, 1778 überwog in Österreich die Zahl der verbotenen Bücher die Zahl der erlaubten Bücher), bis in dem 19. Jahrhundert der Liberalismus grundsätzlich die →Pressefreiheit erreicht (in Österreich aber Vorzensur bis 1848, 1852-1862, 1914-1918, 1933-1939, [nicht verbotene] Nachzensur bis 1981).

Lit.: Krempel, O., Das Zensurrecht in Deutschland, Diss. jur. Würzburg 1921; Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht, 1970; Busch, R., Die Aufsicht über das Bücher- und Pressewesen in den Rheinbundstaaten Berg, Westfalen und Frankfurt, 1970; Neumann, D., Staatliche Bücherzensur, 1977; Ziegler, E., Literarische Zensur, 1983; „Unmoralisch an sich .“, hg. v. Göpfert, H. u. a., 1988; Schütz, H., Der mächtigste Zensor, Börsenbl. f. d. dt. Buchhandel 1989, 2, 70; Schroeder-Angermund, C., Von der Zensur zur Pressefreiheit, 1993; Leesen, H. v., Eine Zensur findet nicht statt, Criticon 155 (1997), 145; Eisenhardt, U., Strafe und Strafzweck bei der Bestrafung von Autoren, Druckern und Händlern verbotener Schriften, FS G. Bemmann 1997, 36; Inquisition – Index – Zensur, hg. v. Wolf, H., 2001; Széchényi, B., Rechtliche Grundlagen bayerischer Zensur, 2003; Arnold, M., Pressefreiheit und Zensur im Baden des Vormärz, 2003; Müller, B., Zensur im modernen deutschen Kulturraum, 2003; Olechowski, T., Die Entwicklung des Pressrechts in Österreich bis 1918, 2004; Bianchin, L., Dove non arriva la legge, 2005; Brophy, J., Grautöne – Verleger und Zensurregime in Mitteleuropa 1800-1850 (in) HZ 301 2015 297

Zensus (M.) Steuerleistung (z. B. 594 v. Chr. in Athen, vor allem als Grundlage eines gestuften Wahlrechts [Zensuswahlrechts] in dem 19. Jahrhundert [Großbritannien bis 1867, Bayern 1808, in Österreich von 1848 bzw. von dem Kremsierer Entwurf 1849 [Beschränkung des Wahlrechts auf 6-7 Prozent der Bevölkerung, 1882 durch Taafesche Wahlrechtsreform, 1896 durch Badenische Wahlrechtsreform gemildert] bis 1907 [Becksche Wahlrechtsreform])

Lit.: Söllner § 6; Baltl/Kocher; De Biasio, G., Il censo e il voto, 1993; Strejcek, G., Bundesverfassung und Wahlrecht, 2009; Strelitz-Risse, A., Das Zensuswahlrecht, 2018

Zent (zu lat. centum, Num. Kard., hundert) ist eine in Herkunft und Bedeutung streitige Verwaltungs- und Gerichtseinheit (Zentgericht) des Mittelalters.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Die Zenten des Hochstifts Würzburg, hg. v. Knapp, H., 1907; Kroeschell, K., Die Zentgerichte in Hessen und die fränkische Centene, ZRG GA 73 (1956), 300; Die Anfänge der Landgemeinde, 1964

Zentenar

Lit.: Glitsch, H., Der alamannische Zentenar und sein Gericht, 1917

Zentgericht ist das die →Zent betreffende Gericht.

Lit.: Erler, A., Die Zentgerichtsordnung von Lützelbach, ZRG GA 66 (1948), 528; Birr, C., Konflikt und Strafgericht, 2002; Schultheiß, S., Das Zentgericht Burghaslach in Franken, 2007

Zentralbehörde ist vor allem in der Neuzeit die zusammenfassende Behörde der staatlichen Verwaltung. Sie ist meist bürokratisch organisiert.

Lit.: Goldschmidt, H., Zentralbehörden und Beamtentum, 1908; Gundlach, F., Die hessischen Zentralbehörden, Teil 1ff. 1930ff.; Press, V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Bernhard, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg, Bd. 1f. 1973; Lanzinner, M., Fürst, Räte und Landstände, 1980; Ehlert, H., Die wirtschaftliche Zentralbehörde des Deutschen Reiches, 1982; Zentrale Orte und zentrale Räume des Frühmittelalters in Süddeutschland, hg. v. Ettel, P. u. a., 2013

Zentralismus

Lit.: Centralismo e federalismo tra otto(cento) e novecento, hg. v. Janz, O. u. a., 1997

Zentraluntersuchungskommission ist eine Untersuchungskommission des →Deutschen Bundes (1819-1828, 1833-1848) gegen revolutionäre Umtriebe.

Lit.: Weber, E., Die Mainzer Zentraluntersuchungskommission, 1970

Zentrumspartei (bzw. Zentrum) ist in dem zweiten Deutschen Reich (1871ff.) die Partei des konservativen Katholizismus.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bachem, K., Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd. 1ff. 1927ff., Neudruck 1968; Anderson, M., Windthorst, 1981; Damnitz, M., Bürgerliches Recht zwischen Staat und Kirche, 2001; Ruppert, K., Die weltanschaulich bedingte Politik der Deutschen Zentrumspartei in ihrer Weimarer Epoche, HZ 285 (2007) 49

Zepter (N.) (Szepter) Herrscherstab

Lit.: Paatz, W., Sceptrum universitatis, 1953; Vorbrodt, C./Vorbrodt, I., Die akademischen Szepter, 1971; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992

Zerreißen ist eine Form der →Todesstrafe (14.-18. Jahrhundert).

Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922, 131

Zerrüttung ist die Zerstörung durch Erschütterung, in dem Recht insbesondere die Z. der ehelichen Lebensgemeinschaft, die (nach einem vereinzelten ähnlichen Ansatz in Frankreich durch Gesetz von dem 20. 9. 1792) in Deutschland 1976 in Ablösung des älteren Verschuldensgrundsatzes zu einer Voraussetzung der erleichterten Ehescheidung wird (in Österreich stattdessen 1978 einvernehmliche Ehescheidung).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 267; Hattenhauer, H., Das Zerrüttungsprinzip, FS E. Wolf, 1985, 143; Wolff, A., Das Zerrüttungsprinzip, FamRZ 1988, 1271; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Bommer, J., Ein Gesetz - zwei Rechtsprechungen?, 2008

Zession (F., Wort 1499 in Worms belegt) (Schreiten,) Abtretung (einer Forderung)

Lit.: Buch, G., Zur Zession im deutschen mittelalterlichen Recht, ZRG GA 34 (1913), 429; Huwiler, B., Der Begriff der Zession, 1975; Luig, K., Zession und Abstraktionsprinzip, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 112; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Behr, V., Das reichsrechtliche Zessionsverbot von 1551, Diss. jur. Bochum 2000; Wesener, G., Zession und Schuldübernahme im Codex Theresianus, (in) Spuren des römischen Rechtes, 2007, 693; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Scheffzek, S., Der Einfluss der Mühlenbruch’schen Zessionslehre, 2011; Lammeyer, P., Konflikt zwischen Zession und dem vom Zedenten erwirkten Urteil, 2012

Zeuge (lat. [M.] testis) ist der Mensch, der über Tatsachen, die er wahrgenommen hat (Wahrnehmungszeuge), aussagen soll. Zeugen gibt es, sobald und solange es Menschen gibt. Die Bedeutsamkeit von Zeugen für den Beweis von Tatsachen ist zu unterschiedlichen Zeiten verschieden groß. Zu unterscheiden sind zufällige Zeugen (Zufallszeugen) und Geschäftszeugen (zu der Vornahme eines Geschäfts zugezogene Zeugen). Vielfach ist der Z. bewusst oder unbewusst unzuverlässig. Spätestens mit dem Inquisitionsprozess erscheint die Pflicht, in gerichtlichen Verfahren als Z. auszusagen.

Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 13 III, 58 IV 2a, 74 I 2c, 87 II 6; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70, 86, 105, 116, 126, 155, 156, 202; Köbler, WAS; Ruth, R., Zeugen und Eidhelfer, 1922, Neudruck 1973; Karitzky, B., Die Geschichte des Zeugnisverweigerungsrechts, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1959; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960; Gawlik, A., Intervenienten und Zeugen in den Diplomen Kaiser Heinrichs IV., 1970; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Schott, C., Ein Zeuge, kein Zeuge, FS F. Elsener, 1977, 222; Subjektivierung des justiziellen Beweisverfahrens, hg. v. Gouron, A. u. a., 1994; Bogisch, M., Nemo testis in causa sua, 1998; Plassmann, A., Die Struktur des Hofes, 1998; Lepsius, S., Der Richter und die Zeugen, 2003; Lepsius, S., Von Zweifeln zur Überzeugung, 2003; Garnot, B., Les témoins devant la justice, 2003; Bähr, M., Die Sprache der Zeugen, 2012

Zeumer, Karl (Hannover 31. 7. 1849-Berlin 18. 4. 1914), Kürschnerssohn, wird nach dem Studium der deutschen Sprache und Geschichte in Göttingen, Leipzig und Berlin Herausgeber wichtiger, vor allem rechtlicher Quellen (1889 außerordentlicher Professor in Berlin).

Lit.: Historische Aufsätze (FS), 1910; Krammer, M., Karl Zeumer, ZRG GA 35 (1914), IX; Stutz, U., Germanistische Chronik, ZRG GA 35 (1914), 646

Ziegenhain

Lit.: Brauer, F., Die Grafschaft Ziegenhain, 1934

Zigeuner ist die ältere, in der Gegenwart durch die Eigenbezeichnung Roma (Männer, Menschen) oder Sinti ersetzte Benennung des Angehörigen eines in dem 10. Jahrhundert aus Nordindien ausgewanderten bzw. von Arabern verschleppten, seit dem 15. Jahrhundert in dem Heiligen römischen Reich (1399 Böhmen, 1407 Hildesheim, 1414 Hessen) erscheinenden indogermanischen Volkes. Der Ausdruck Z. wird politisch um 1860 soziographisch (Fehlen eines festen Wohnsitzes) geprägt wirksam. Der ausländische Z. wird nach 1871 des Deutschen Reichs verwiesen, der deutsche Z. seit 1886 polizeilicher Überwachung und Erfassung unterstellt. Im →Nationalsozialismus wird der Z. ohne totale Tötungsabsicht verfolgt. In der Gegenwart leben schätzungsweise 80000-120000 Sinti und Roma in der Bundesrepublik Deutschland.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Majer, D., Fremdvölkische im Dritten Reich, 1981; Gronemeyer, R./Rakelmann, G., Die Zigeuner, 1988; Hohmann, J. Neue deutsche Zigeunerbibliographie, 1992; Gilsenbach, R., Weltchronik der Zigeuner, Bd. 1ff. 1994ff. z. T. 2. A. 1997; Lucassen, L, Zigeuner, 1996; Rütten, W., „Lustig ist das Zigeunerleben“, ZRG GA 114 (1997), 233; Stichwort Zigeuner, hg. v. Awosusi, A., 1998; Bastian, T., Sinti und Roma im Dritten Reich, 2001; Lewy, G., Rückkehr nicht erwünscht, 2001; Bonillo, M., Zigeunerpolitik im Deutschen Kaiserreich 1871-1918, 2001; Weyrauch, W., Das Recht der Roma und Sinti, 2002; Albrecht, A., Zigeuner in Altbayern 1871-1914, 2002; Fremde Arme – arme Fremde, hg. v. Patrut, I. u. a. 2007; Zwischen Erziehung und Vernichtung, hg. v. Zimmermann, M., 2007; Zigeuner und Nation, hg. v. Uerlings, H. u. a., 2008; Kallenberg, V., Von liederlichen Land-Läuffern zum asiatischen Volk, 2010; Bogdal, K., Europa erfindet die Zigeuner, 2011; Zigeunerverfolgung im Rheinland, hg. v. Frings, K. u. a., 2012; Mosbacher, A., Wie primitive Urmenschen – eine späte Entschuldigung – 60 Jahre Zigeuner-Urteile des BGH, NJW2016, 30; Haumann, H., Die Akte Zilli Reichmann, 2016

Zimbrisch ist die Bezeichnung für in Oberitalien seit dem Mittelalter bestehende, in der Gegenwart fast ausgestorbene deutsche Dialekte.

Lit.: Schweizer, B., Zimbrische Gesamtgrammatik, 2008; Bidese, E., Das Zimbrische von Giazza, 2012 (Ljetzan); Kolmer, A., Pronomen und Pronominalklitika im Cimbro, 2012

Zins (Wort um 1100 belegt, Lehnwort aus lat. census, lat. [F.] usura) ist die bereits dem römischen Recht bekannte Vergütung für den Gebrauch eines Kapitals (um 50 v. Chr. Höchstzinssatz von 12 Prozent) grundsätzlich durch Vereinbarung (anders bei Verzug), in dem allgemeineren Sinn die Abgabe. Der Z. wird in der Naturalwirtschaft in Sachen, in der Geldwirtschaft in Geld erbracht. Ist der Z. wirtschaftlich bedeutungslos, dient er der bloßen Anerkennung eines Rechtsverhältnisses etwa bezüglich eines Grundstücks (Anerkennungszins, Rekognitionszins). Das kanonische →Zinsverbot verbietet Christen das entgeltliche Darlehen. Seit 1530 wird in dem Heiligen römischen Reich der Z. auf 5% festgelegt (1654 6%). Seit 1804 (Code civil) bzw. 1848 setzt sich die Zinsfreiheit durch, doch bildet das Verbot des →Wuchers eine Schranke.

Lit.: Kaser §§ 33 III, 34 IV, 37 II 2b, 39 I, 41 III 2; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 125, 127, 241; Mentz, F., Nasenzins im Elsass?, ZRG GA 47 (1927), 669; Jecklin, F., Zinsbuch der Galluskirche in Fideris, Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 56 (1927); Kleinau, H., Der Grundzins in der Stadt Braunschweig, 1929; Gutbrod, W., Die Brechung der Zinsknechtschaft, (in) Das Grundeigentum 1937, 135; Gebauer, J., Worthzins und Fronzins in der Stadt Hildesheim, ZRG GA 61 (1941), 150; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Brand, O., Das internationale Zinsrecht Englands, 2002; Dilcher, J., Die Zins-Wucher-Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert, 2002; Gómez Rojo, M., Historia jurídica del anatocismo, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Denjean, C., La loi du lucre, 2011

Zinsverbot ist das Verbot, einen →Zins für eine Leistung zu nehmen. Es wird in der Kirche zuerst für Geistliche, seit dem 5. Jahrhundert n. Chr. auch für Laien entwickelt. In dem Mittelalter verbietet die Kirche wegen Lukas 6,35 Christen grundsätzlich das Nehmen von Zins für →Darlehen, weshalb Umgehungsgeschäfte (z. B. contractus mohatrae, Rentenkauf) entwickelt werden und ansonsten das entgeltliche Darlehensgeschäft von den →Juden (und Lombarden) durchgeführt wird. Seit der frühen Neuzeit wird das kanonische Zinsverbot von Höchstzinssätzen (Heiliges römisches Reich 1654 6%) abgelöst. Dem folgt in dem 19. Jahrhundert durch den Liberalismus die nur durch das Wucherverbot geschützte Freigabe des Zinses. 1983 gibt auch die katholische Kirche das W. auf. Auch der Islam kennt eine ähnliche Einrichtung.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 127, 166; Funk, F., Geschichte des kirchlichen Zinsverbots, 1876; Lange, H., Das kanonische Zinsverbot, FS J. Bärmann, 1975, 99; Blomeyer, A., Die Consilienpraxis zum kanonischen Zinsverbot, ZRG KA 97 (1980), 317; Horn, N., Zinsforderung und Zinsverbot, FS H. Lange, 1992; Was vom Wucher überbleibt - Zinsverbote, hg. v. Casper, M. u. a. 2013

Zips ist die unter der Hohen Tatra gelegene Landschaft. 1370 erscheint das Landrecht der Zipser, das durch 14 Handschriften des 15.-18. Jahrhunderts überliefert wird. Es umfasst anfangs 93 Artikel (Familie, Erbe, Vermögen, Handel, Verfahren, Verwaltung).

Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 54; Piirainen, I./Papsonová, M., Das Recht der Spis, 1992

Zisleithanien ist das diesseits (westlich) der Leitha gelegene Gebiet Österreich-Ungarns.

Lit.: Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher

Zisterzienser ist der Angehörige des nach dem 1098 von Robert von Molesme und dem heiligen Alberich gegründeten Kloster Citeaux in Burgund benannten benediktinischen Reformordens. Wichtige deutsche Niederlassungen sind Kamp, Ebrach und Heiligenkreuz (um 1500 fast 150 Niederlassungen in dem deutschen Sprachraum, rund 740 insgesamt).

Lit.: Croix Bouton, J. de la, Histoire de l’Ordre de Citeaux, 1959ff.; Die Zisterzienser, hg. v. Elm, K. u. a. 1980; Toepfer, M., Die Konversen der Zisterzienser, 1983; Die Zisterzienser, hg. v. Sydow, J. u. a., 1989; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 1992, 2. A. 1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Kinder, T., Die Welt der Zisterzienser, 1997; Zisterzienser zwischen Zentralisierung und Regionalisierung, hg. v. Nehlsen, H. u. a., 1998; Rüffer, J., Orbis Cisterciensis, 1998; Anfänge der Zisterzienser in Südwestdeutschland, hg. v. Rück, P. u. a., 1999; Von Cîteaux nach Bebenhausen, hg. v. Scholkmann, B. u. a., 2000; Berman, C., The Cistercian Evolution, 2000; Zisterzienser, hg. v. Knefelkamp, U., 2001; Eberl, I. Die Zisterzienser, 2002; Haarländer, S., Die Zisterzienser, 2006; Rüffer, J., Die Zisterzienser und ihre Klöster, 2007; Norm und Realität, hg. v. Felten, F. u. a., 2009; Zisterzienser im Norden, hg. v. Bärenfänger, R., 2007; Lester, A., Creating Cistercian Nuns, 2011; Burton, J./Kerr, J., THe Cistercians in the Middle Ages, 2011; Oberste, J., Die Zisterzienser, 2014; Die Zisterzienser im Mittelalter, hg. v. Mölich, G. u. a., 2017; Die Zisterzienser – Das Europa der Klöster, hg. v. LVR-Landesmueseum Bonn, 2017

Zitelmann, Ernst (Stettin 7. 8. 1852-Bonn 25. 11. 1923), Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, Leipzig und Bonn 1879 Professor in Rostock, 1881 in Halle und 1884 in Bonn. Er befasst sich vor allem mit dem Privatrecht (→Willenserklärung, →Irrtum).

Lit.: Bonner Festgabe für Ernst Zitelmann, 1923; Repgen, T., Die Kritik Zitelmanns, ZRG GA 114 (1997), 73

Zitiergesetz ist (nach Gustav →Hugo) das 426 von den römischen Kaisern Theodosius II. und Valentinian III. erlassene Gesetz (Codex Theodosianus 1. 4. 3), das →Papinian, →Paulus, →Ulpian, →Modestin und →Gaius als maßgebliche Rechtskundige benennt und bei Verschiedenheit der von ihnen vorgetragenen Ansichten formale Entscheidungsregeln (Mehrheit, bei Stimmengleichheit Papinian) für die Richtigkeit einer Lösung festlegt.

Lit.: Dulckeit/Schwarz//Waldstein; Söllner § 19; Köbler, DRG 52; Teipel, G., Zitiergesetze, ZRG RA 72 (1955), 245; Pringsheim, F., Zur Textgeschichte des Zitiergesetzes, SDHI 27 (1961), 235

Zittau

Lit.: Zittauer Urkundenbuch, hg. v. Prochno, J., 1939

zivil (Adj.) in Rom den römischen Bürger betreffend, quiritisch, nichtmilitärisch, nichtkirchlich, nichtprätorisch, nichtbonitarisch (z. B. Eigentum, bei dem bonitarisches, durch bloße traditio einer res mancipi übertragenes Eigentum erst durch Ersitzung ziviles Eigentum wird)

Zivilehe ist die durch weltliche Formen (Abgabe der Willenserkärung vor einer nichtkirchlichen Stelle) zustandekommende →Ehe der Neuzeit. Sie erscheint nach der Reformation Martin Luthers (1517) bereits in dem 16. Jahrhundert (1580) in den Niederlanden als Möglichkeit (fakultative Z.), in England 1653 kurzzeitig unter Oliver Cromwell sogar als einzige Möglichkeit (obligatorische Z.). In Frankreich wird sie durch Gesetz von dem 20. 9. 1792 (und den Code civil von 1804), in dem Deutschen Reich 1875 und in Österreich mit dem Ehegesetz von 1938 verwirklicht.

Lit.: Köbler, DRG 161, 209; Conrad, H., Die Grundlegung der modernen Zivilehe durch die französische Revolution, ZRG GA 67 (1950), 336; Woopen, A., Die Zivilehe, 1956; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967; Giesen, D., Grundlagen und Entwicklung des englischen Eherechts, 1973; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schubert, W., Preußen und die Zivilehe in der Nachmärzzeit, ZRG GA 104 (1987), 216; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1991; Fuhrmann, I., Die Diskussion über die Einführung der fakultativen Zivilehe, 1998

Zivilgesetzbuch ist die in mehreren Ländern verwendete Bezeichnung für ein Privatrechtsgesetzbuch (Schweiz 1907/1912, Deutsche Demokratische Republik 19. 6. 1975 [Vorarbeiten seit September 1952], ohne Privatautonomie, ohne besonderes Schuldrecht und ohne besonderes Sachenrecht, 1990 durch das Bürgerliche Gesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich wieder aufgehoben). Das Zivilgesetzbuch der Schweiz ist seit 1. 1. 1912 in Kraft (Person, Familie, Erbe, Sache [, Obligationenrecht]). Eine Zusammenstellung der Veränderungen bietet

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 184, 255; Walliser, P., Der Gesetzgeber Johann Baptist Reinert, 1948; Marti, H., Wortregister zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, 1922; Sontis, J., Das griechische Zivilgesetzbuch, ZRG RA 78 (1961), 355; Gauye, O., Inventar zur Dokumentation, Schweizerische Z. f. Gesch. 13 (1963); Gmür, R., Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1965; Peter, V., Vergleich einiger grundlegender Rechtsinstitute, Z. f. vergleich. Rechtswiss. 77 (1978), 277; Schnyder, P., Siebzig Jahre Schweizerisches Zivilgesetzbuch, 1983; Göhring, J. u. a., Erfahrungen bei der Verwirklichung des Zivilgesetzbuches, 1986; Das Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik, hg. v. Eckert, J. u. a., 1995; Eichler, H., Zivilgesetzbücher im deutschsprachigen Rechtskreis, 1996; Flinder, M., Die Entstehungsgeschichte des Zivilgesetzbuches der DDR, 1999; ZGB gestern - heute - morgen, hg. v. Girsberger, D. u. a., 2007; Materialien zum Zivilgesetzbuch, hg. v. Hurni, C. u. a., Bd. 1f. 2008f.

Zivilisation (F.) ist die Schaffung günstigerer Lebensbedingungen für den Menschen durch Anwendung von Einsicht bzw. Wissenschaft und Technik durch den Menschen. Sie entfremdet den Menschen seiner natürlichen Herkunft und Verhaltensweise. Das Ausmaß der Z. nimmt insbesondere seit der Sesshaftwerdung des Menschen vor rund 10000 Jahren (z. B. in Mesopotamien und Ägypten über längere Zeiträume) stark zu (z. B. Vorratshaltung, Hygiene, Religion, Schrift, Geld, Buchdruck, industrielle Revolution, Strom, Telefon, Automobil, Flugzeug, Digitalisierung).

Lit.: Frankfort, H., The Birth of Civilization in the Near East, 1951; Rifkin, J., Die empathische Zivilisation, 2010; Wengrow, D., What Makes Civilization?, 2010; Scott, J., Die Mühlen der zivilisation, 2019

Zivilliste (F.) Ausgaben eines Staates für die Hofhaltung (England 1689)

Lit.: Gneist, R., Das englische Verwaltungsrecht, Bd. 1f. 3. A. 1883f.

Zivilprozess (Zivilverfahren) ist das öffentliche Gerichtsverfahren (Prozess) zwischen einem Kläger und einem Beklagten in privaten (zivilen) Rechtsstreitigkeiten. Es wird bereits in Rom von dem Strafprozess unterschieden und erfolgt in dem altrömischen Recht als Legisaktionenverfahren (→legisactio), danach als →Formularverfahren und seit der Zeitwende als →Kognitionsverfahren (→cognitio). In dem Mittelalter spaltet sich das wohl zunächst weitgehend einheitliche, anfangs vermutlich in der Volksversammlung unter einem Vorsitzenden durchgeführte Verfahren, in dem seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts das Vorgehen in sog. (lat.) ordines (M.Pl.) iudiciarii (Gerichtsordnungen) erörtert wird, erst in dem Hochmittelalter (13. Jahrhundert) vermutlich aus rationalen, wirtschaftlichen Gründen in bürgerliche Sachen (Z., lat. causae civiles) und peinliche Sachen (→Strafprozess, lat. causae criminales) auf (str.). Bei den bürgerlichen Klagen werden als verschiedene Arten die Klage um Schuld, um Gut und um Eigen und Erbe unterschieden. Dabei leitet auf Antrag des Klägers der Richter das Verfahren ein, das in dem Ding stattfindet. Der Beklagte kann sich, wenn er sich dem Begehren des Klägers widersetzt, durch Eid von der Klage reinigen, sofern ihm der Kläger nicht unter bestimmten Voraussetzungen den Eid verlegt. Dann entscheidet das →Gericht durch →Urteil der Schöffen, wer das bessere Recht glaubhaft macht oder das stärkere Beweismittel anbietet und damit näher zu dem →Beweis ist (Beweisrecht). Wegen des Urteils können seit dem Spätmittelalter die Akten an eine als sachkundiger eingeschätzte Stelle (z. B. Oberhof) versendet werden. In Oberitalien bildet sich während des Mittelalters auf der Grundlage des justinianischen Rechtes das römisch-kanonische Verfahren aus, das allmählich vor allem in den geistlichen Gerichten üblich wird. Es beginnt mit der von dem Kläger bei dem gelehrten Richter erwirkten Ladung des Beklagten zu einem Termin. Hier überreicht der Kläger dem Beklagten die Klageschrift mit seiner Rechtsbehauptung. In einem nächsten Termin hat der Beklagte alle verfahrensablehnenden Verteidigungsgründe vorzubringen. Beide Parteien können sich vor Gericht durch Prokuratoren vertreten und außerhalb des Gerichts durch Advokaten beraten lassen. Nach der Leistung eines Gefährdeeids und der Streitbefestigung ist der Stoff von dem Kläger artikuliert vorzutragen und von dem Beklagten dieser Vortrag ebenso zu beantworten. Die geheime Beurteilung der Beweisergebnisse durch den selbst in →Subsumtion des Sachverhalts unter den Tatbestand entscheidenden →Richter ist an feste Beweisregeln gebunden. Der gesamte Verfahrensstoff wird aufgezeichnet. Der Vollstreckung des kirchengerichtlichen Urteils dient die Exkommunikation. Gegen das Urteil ist →Appellation und seit dem 12./13. Jahrhundert in bestimmten Fällen auch Nichtigkeitsklage zulässig. Vor allem über das →Reichskammergericht setzt sich der gelehrte Z. als gemeiner Z. in der Neuzeit weitgehend durch. Allgemein kann man deshalb nicht von einem Wandel eines formgebundenen Prozesses oder Verfahrens zu einem formfreien Prozess oder Verfahren an dem Übergang von dem Mittelalter zu der Neuzeit sprechen. Der Allgemeinen Gerichtsordnung Preußens von 1793/1795 liegt nach überwiegender Ansicht die Inquisitionsmaxime zu Grunde (mit dem Richter in dem Mittelpunkt), von der aber Novellen der Jahre 1833/1846 einigen Abstand nehmen. Der Liberalismus kehrt dagegen nach dem Vorbild des auch Beschleunigung anstrebenden französischen →Code de procédure civile von 1806 (in Kraft 1807) in dem 19. Jahrhundert zu →Mündlichkeit und →Öffentlichkeit zurück (Genf 1819, Baden 1831, Hannover 1850 A. Leonhardt, konsequente Mündlichkeit, weitestgehende Parteiherrschaft, Preußen Entwurf 1864). In dem Deutschen Reich wird auf diesen Grundlagen 1877/1879 der Z. in der →Zivilprozessordnung geregelt (mit dem Bürger in dem Mittelpunkt, Österreich 1. 8. 1895, Franz Klein [1854-1926], unter Ablösung der Allgemeinen Gerichtsordnung von 1781 und der Westgalizischen Gerichtsordnung von 1796 in Kraft 1898, mit Öffentlichkeit, Mündlichkeit, freier Beweiswürdigung, Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und Verständnis von Rechtsdurchsetzung als Gemeinschaftsaufgabe zu der Sicherung der allgemeinen Wohlfahrt und daraus folgender starker Stellung des Richters statt unbeschränkten Verhandlungsgrundsatzes, weitgehender Übergang zu dem Einzelrichter 1914) mit deutlicher Abkehr von der Verhandlungsmaxime in späteren Novellen von 1924 und 2001. Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert ist ansonsten anscheinend in Abhängigkeit von der Ausdehnung des Kreditverkehrs die Zahl der Zivilprozesse so sehr gestiegen, dass durch zahlreiche Novellen eine Vereinfachung und Beschleunigung (ohne überzeugenden Erfolg) angestrebt wird.

Lit.: Kaser 80ff.; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 18, 30, 31, 55, 116, 155, 181, 201, 235, 262; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Bülow, O., Gemeines deutsches Zivilprozessrecht, hg. v. Braun, J., 2003; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Kühtmann, A., Die Romanisierung des Zivilprozesses in der Stadt Bremen, 1891; Heusler, A., Der Zivilprozess der Schweiz, 1923; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess, 1961; Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht, 1965; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Schubert, W., Das Streben nach Prozessbeschleunigung und Verfahrensgliederung im Zivilprozessrecht des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 85 (1968), 127; Wedekind, W., Bijdrage tot de kennis van de ontwikkeling van de procesgang in civiele zaken, 1971; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess nach bayerischen Quellen, 1971; Dahlmanns, G., Der Strukturwandel des deutschen Zivilprozesses, 1971; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess, Diss. jur. Göttingen 1972; Steins, A., Der ordentliche Zivilprozess, Diss. jur. Bonn 1972; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess, 1974; Nörr, K., Hauptthemen legislatorischer Zivilprozessreform, ZZP 87 (1974), 274; König, B., Konformität, Aktenwidrigkeit und offenbare Gesetzeswidrigkeit im zivilgerichtlichen Verfahren, 1975; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Nörr, K., Naturrecht und Zivilprozess, 1976; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Wollschläger, C., Zivilprozessstatistik und Wirtschaftsentwicklung, ZNR 1981, 16; Ebel, F., 200 Jahre preußischer Zivilprozess, 1982; Dannreuther, D., Der Zivilprozess, 1987; Schoibl, N., Die Entwicklung des österreichischen Zivilverfahrensrechts, 1987; Forschungsband Franz Klein, hg. v. Hofmeister, H., 1988; Faber, R., Die Bemühungen im Herzogtum Nassau, 1990; Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, hg. v. Grunsky, W. u. a., 1994; Köster, A., Die Beschleunigung der Zivilprozesse, 1995; Wollschläger, C., Streitgegenstände und Parteien am Friedensgericht Xanten 1826-1830, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Metzger, E., A new outline of the Roman civil trial, 1997; Litewski, W., Der römisch-kanonische Zivilprozess nach den älteren ordines iudiciarii, 1999; Rhee, C. van, Litigation and legislation – civil procedure at first instance in the Great Council for the Netherlands in Malines (1522-1559), 1997; Mölling, A., Der Zivilprozess vor dem rheinischen Friedensgericht, 2000; Weinreich, O., Der Zivilprozess nach der münsterischen Landgerichtsordnung von 1571 sowie der vechtischen Gerichtsordnung von 1578, 2004; The law’s delay, hg. v. Van Rhee, C., 2004; Unger, D., Adolf Wach (1843-1926) und das liberale Zivilprozessrecht, 2005; European Traditions in Civil Procedure, hg. v. Van Rhee, C., 2005; Schartl, R., Gerichtsverfassung und Zivilprozess in Frankfurt am Main im Spätmittelalter, ZRG GA 123 (2006), 136; Zivilprozessreform in der Weimarer Zeit, hg. v. Schubert, W., 2006; Adler, S., Das Verhältnis von Richter und Parteien, 2006; 1806. 1976 – 2006 De la commémoration d’un code à l’autre, hg. v. Cadiet, L. u. a., 2006; Ahrens, M., Prozessreform und einheitlicher Zivilprozess, 2007; Schlinker, S., Litis contestatio, 2008; Scheifele, A., Zivilprozessrecht in Baden 1803-1864 (Elektronische Ressource), Diss. jur. Konstanz 2008; Zwischen Formstrenge und Billigkeit, hg. v. Oestmann, P., 2009; Die Entwicklung des Zivilprozessrechts in Mittel- und Südeuropa seit 1918, hg. v. Rechberger, W., 2011; Die Entwicklung des Zivilprozessrechts in Mitteleuropa um die Jahrtausendwende, hg. v. Sutter-Somm, T., 2012; Europäisches Privatrecht in Vielfalt geeint. Der modernisierte Zivilprozess in Europa, hg. v. Schulze, G., 2014; Zivilprozess und historische Rechtserfhrung, hg. v. Baldus, C. u. a., 2015; Nörr, K., Ein geschichtlicher Abriss des kontinentaleuropäischen Zivilprozesses, 2015; Bierschenk, L., Die zweite Instanz im deutschen und französischen Zivilverfahren, 2015

Zivilprozessordnung →Zivilprozess

Lit.: Köbler, DRG 183, 201, 262, 264; Hahn, C., Die gesammten Materialien zur CPO, 1880; Dahlmanns, G., Neudrucke zivilprozessualer Kodifikationen und Entwürfe des 19. Jahrhunderts, 1971; Protokolle der Kommission zur Beratung einer allgemeinen Zivilprozessordnung für die deutschen Bundesstaaten, hg. v. Schubert, W., 1985; Schubert, W., Entstehung und Quellen der Civilprozessordnung von 1877, 1987; Entwurf und Motive einer Prozessordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für den preußischen Staat (von 1864), hg. v. Schubert, W., 1994; Langer, A., Männer um die österreichische Zivilprozessordnung 1895, 1995; Die Civilprozessordnung für das Königreich Württemberg von 1868, hg. v. Schubert, W., 1997; Prozessordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Großherzogtum Baden von 1851 und 1865, hg. v. Schubert, W., 1997; Entwürfe zu einer bürgerlichen Prozessordnung für das Königreich Sachsen von 1864 und 1865, hg. v. Schubert, W., 1997; 100 Jahre österreichische Zivilprozessordnung, hg. v. Mayr, P., 1998; 100 Jahre ZPO, hg. v. Bundesministerium der Justiz, 1998; Schade, J., Die Anfrage bei der Gesetzkommission, Diss. jur. Bochum 1998; 100 Jahre österreichische Zivilprozessgesetze, hg. v. Mayr, P., 2000; Schöniger-Hekele, B., Die österreichische Zivilprozessreform 1895, 2000; Biebl, G., Bayerns Justizminister v. Fäustle und die deutschen Reichsjustizgesetze, 2003; Nachschlagewerk des Reichsgerichts Gesetzgebung des Deutschen Reichs, Bd. 8 Zivilprozessordnung §§ 1-270, 2013

Zivilrecht ist das Privatrecht oder in etwas engerem Sinn das bürgerliche Recht. Das Z. nimmt seinen sprachlichen Ausgangspunkt von (lat.) →ius (N.) civile, dem für die Römer geltenden Recht in Gegensatz zu (lat.) ius (N.) gentium. Sachlich ist es daneben zumindest aus heutiger Sicht von dem öffentlichen Recht zu trennen. In dem Mittelalter ist ziviles Recht vor allem das weltliche Recht in Gegensatz zu dem kirchlichen Recht, aber auch das besondere Stadtrecht in Gegensatz zu dem Landrecht. Mit dem Hervortreten der Bürger als bedeutsame politische Kraft in dem 18. Jahrhundert wird das Z. vorrangig auf sie bezogen. Deswegen enthalten der Code civil, Zivilgesetzbuch oder Bürgerliches Gesetzbuch hauptsächlich das für den Bürger wichtige →Privatrecht.

Lit.: Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts, Teil 1f. 1910ff., Neudruck 1968; Blomeyer, A., Die Entwicklung des Zivilrechts, 1950; Wüllner, W., Zivilrecht und Zivilrechtspflege, 1964; Peter, H., Vom Einfluss des deutschen Zivilrechts, FS K. Bader 1965, 321; Kiefner, H., Der Einfluss Kants, (in) Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 3; Markovits, I., Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1969; Reich, N., Kodifikation und Reform des russischen Zivilrechts, Ius commune 3 (1970), 152; Die Entwicklung des Zivilrechts in Mitteleuropa, hg. v. Csizmadia, A. u. a., 1970; Kitagawa, Z., Rezeption und Fortbildung des europäischen Zivilrechts in Japan, 1970; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Das neue Zivilrecht der DDR, hg. v. Westen, K., 1977; Fellner, C., Die Reform der bayerischen Zivilrechtspflege, Diss. jur. Kiel 1986; Zivilrechtslehrer deutscher Sprache, hg. v. Kim, H. u. a., 1988; Schröder, R., „. aber im Zivilrecht“, 1988; Das deutsche Zivilrecht 100 Jahre nach der Verkündung des BGB, hg. v. Willigmann, A. u. a., 1997; Festgabe Zivilrechtslehrer 1934/1935, hg. v. Hadding, W., 1999; Zivilrechtliche Entdecker, hg. v. Hoeren, T., 2001; Zivilrecht unter europäischem Einfluss, hg. v. Gebauer, M. u. a., 2005, 2. A. 2010; Deutschsprachige Zivilrechtslehrer des 20. Jahrhunderts in Berichten ihrer Schüler, hg. v. Grundmann, S. u. a., Bd. 1 2007, Bd. 2 2009; Der Einfluss der Kanonistik auf die europäische Rechtskultur, hg. v. Condorelli, O. u. a., Bd. 1ff. 2009ff.; Weimarer Zivilrechtswissenschaft, hg. v. Löhnig, M. u. a., 2014

Zivilsache ist das Verfahren in einer privatrechtlichen Angelegenheit in dem Wege des →Zivilprozesses.

Lit.: Daut, (Vorname unbekannt), Untersuchung über den Einfluss nationalsozialistischer Anschauungen, Diss. jur. Göttingen 1965

Znaim ist der 1048 erstmals erwähnte, 1226 mit Stadtrecht begabte Ort an der mittleren Thaya, aus dem ein Stadtrechtsbuch von 1523 überliefert ist.

Lit.: Bornemann, H., Znaim, das Stadtrechtsbuch von 1523, 1992

Zölibat ist in dem katholischen Kirchenrecht die Ehelosigkeit des Geistlichen seit der Synode von Elvira (um 306). In der Kirchenreform vor dem Investiturstreit von 1075 wird das Z. verlangt. Seit 1139 sind alle Inhaber höherer Weihen (kirchenrechtlich) zu einem ehelosen Leben verpflichtet.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Leinweber, W., Der Streit um das Zölibat im 19. Jahrhundert, 1978; Denzler, G., Die Geschichte des Zölibats, 1993; 2. aktualisierte A. 2016 (will die Unangemessenheit der priesterlichen Zölibatsverpflichtung nachweisen), Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Heid, S., Zölibat in der frühen Kirche, 1997; Flüchter, A., Der Zölibat zwischen Devianz und Norm, 2006; Parish, H., Clerical Celibacy in the West c. 1100-1700, 2010; Wolf, H., Zölibat, 2019

Zoll ist die meist an der Grenze eines Staates erhobene, bereits dem römischen Altertum bekannte →Steuer auf die Einfuhr oder Ausfuhr von Waren. Das entsprechende Zollregal geht von dem mittelalterlichen König meist auf die Landesherren über. In dem 19. Jahrhundert bemüht sich der Deutsche →Zollverein von 1834, in dem 20. Jahrhundert die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft in dem Interesse des Handels um Beseitigung von Zöllen innerhalb des Gebiets der zusammengeschlossenen Staaten (Zollunion).

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 84, 98, 113, 134, 198, 233; Böhmer, J., Das Zollwesen in Deutschland, 1832; Wetzel, E., Das Zollrecht des deutschen Königs, 1893; Haff, K., Rott- und Zollordnung des Fürstbischofs Peter von Augsburg vom Jahre 1428, ZRG GA 31 (1910), 424; Ashley, P., Modern tariff history, 1920; Clausnitzer, M., Deutsche Zollgeschichte, 1933; Grams, W., Der deutsche Zoll, 1954; Hassinger, H., Die Bedeutung des Zollregals, FS H. Aubin Bd. 1 1965, 151; Scholz-Babisch, M., Quellen zur Geschichte des klevischen Rheinzollwesens vom 11. bis 18. Jahrhundert, 1971; Das Katzenelnbogener Rheinzollerbe 1479-1584, bearb. v. Demandt, K., Bd. 1ff. 1978ff.; Eichstaedt, A., Der Zöllner, Diss. jur. Frankfurt am Main 1981; Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992; North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995; Adam, H., Das Zollwesen im fränkischen Reich, 1996; Badian, E., Zöllner und Sünder, 1997; Pfeiffer, F., Rheinische Transitzölle, 1997; Hackenberg, M., Die Verpachtung von Zöllen und Steuern, 2002; Linke, H., Das Zollkriminalamt, 2004

Zollverein ist der Zusammenschluss mehrerer Staaten zu einem einheitlichen Zollgebiet. 1828 vereinbaren Bayern und Württemberg, Preußen und Hessen sowie mitteldeutsche Staaten je einen Z., zu dem 1. 1. 1834 die deutschen Staaten (unter gleichzeitigen Umgehung einer vorgesehenen Bundesregelung ohne das wegen des Widerstands Preußens erst 1865 nur die Meistbegünstigung erreichende Österreich) einen deutschen Z. Er ist eine wichtige Vorstufe zu der Ausbildung des Deutschen Reiches von 1871 in dem Sinne der kleindeutschen Lösung), wobei die höheren Zollvereinsbeamten für die Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft eintreten und dem politischen Liberalismus zuneigen.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 176; Hahn, H., Geschichte des deutschen Zollvereins, 1984; Wadle, E., Der Zollverein und die deutsche Rechtseinheit, ZRG GA 102 (1985), 99; Kreutzmann, M., Bürokratische Funktionseliten und politische Integration im Deutschen Zollverein (1834-1871). HZ 288 (2009), 561; Der Deutsche Zollverein, hg. v. Hahn, H. u. a., 2012; Kreutzmann, M., Die höheren Beamten des deutschen Zollvereins, 2012 (244)

Zone ist ein Teil eines größeren Gebiets (z. B. Besatzungszone).

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert

Zöpfl, Heinrich (Bamberg 1807-Heidelberg 1877) wird nach dem Rechtsstudium in Würzburg 1839 außerordentlicher Professor und 1842 ordentlicher Professor in Heidelberg. Seine deutsche Staats- und Rechtsgeschichte ist ein Institutionenlehrbuch des gemeinen deutschen Privatrechts. Bedeutsam sind seine Grundsätze des allgemeinen und deutschen Staatsrechts, 1841, 5. A. 1863.

Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 2 1992, 92

Zubehör (Wort um 1360 belegt) ist die bewegliche Sache, die ohne Bestandteil der Hauptsache zu sein, nach der Verkehrsanschauung dem wirtschaftlichen Zweck einer Hauptsache zu dienen bestimmt ist und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis steht (z. B. Zugtiere auf Bauernhof). Wem das Eigentum an dem Z. zusteht, hängt nach römischem Recht von den Einzelumständen ab.

Lit.: Kaser § 18 II; Köbler, DRG 39; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Zuchthaus ist das der zwangsweisen Erziehung von Erwachsenen dienende Gebäude. Die zwangsweise Erziehung (vor allem zu Arbeitsamkeit) in einem Z. wird seit der frühen Neuzeit wohl als Ergebnis religiöser Überlegungen als sinnvoll angesehen (Schloss Bridewell bei London 1555 house of correction, Amsterdam 1595, Bremen 1609, Lübeck 1613, Hamburg 1622, Danzig 1629, Breslau 1668, Wien 1671, Waldheim/Sachsen 1716, Graz 1724, Innsbruck 1725, Torgau 1730, Kaiserswerth 1736, Nürnberg 1769, Zwickau 1775, 1776 Koblenz). In solche wohl Klöstern und Spitälern nachgebildete Häuser werden neben Armen (Bettlern), Alten, Geistesgestörten und Kindern auch Diebe und andere Straftäter aufgenommen. Versuche, die Häuser wirtschaftlich zu betreiben, scheitern. Außerdem erweisen sich die Häuser eher als Verschlechterungsanstalten, in denen es den Inhaftierten auch sehr schlecht geht. Später setzt sich Z. als Bezeichnung für eine Freiheitsstrafe durch. Verbesserungen werden erst in dem 19. Jahrhundert umgesetzt. An dem 1. 4. 1969 wird die Bezeichnung Z. in Deutschland wegen der mit dem Z. auch verbundenen schädlichen Folgen aufgegeben.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 158, 205; Quanter, R., Deutsches Zuchthaus- und Gefängniswesen, 1905, Neudruck 1970; Radbruch, G., Elegantiae iuris criminalis, 1950; Schlue, H., Die Geschichte des Bonner Zuchthauses, Diss. jur. Bonn 1957; Nöldeke, W., Die Kölner Zuchthauspläne von 1609, ZRG GA 79 (1962), 288; Sothmann, M., Das Armen-, Arbeits-, Zucht- und Werkhaus in Nürnberg, 1970; Stekl, H., Österreichische Zucht- und Arbeitshäuser, 1978; Fumasoli, G., Ursprünge und Anfänge der Schellenwerke, 1981; Stier, B., Fürsorge und Disziplinierung im Zeitalter des Absolutismus, 1988; Eisenbach, U., Zuchthäuser, Armenanstalten und Waisenhäuser in Nassau, 1994; Schirra, D., Zucht- und Arbeitshäuser als Institution der Fürsorge, Magisterarbeit 1997; Viebig, M., Das Zuchthaus Halle/Saale, 1998; Elling-Ruhwinkel, E., Sichern und Strafen, 2005; Strafe, Disziplin und Besserung, hg. v. Ammerer, G., 2006; Wunschik, T., Honeckers Zuchthaus, 2017 (Brandenburg-Görden); Lorenz, M., Menschenzucht – frühe Ideen und Strategien 1500-1870, 2018

Züchtigungsrecht ist das Recht eines Menschen, einem anderen Menschen zu dem Zweck der Erziehung ein schmerzliches Übel zuzufügen. In frühen Zeiten steht vor allem dem Hausvater in weitem Umfang ein Z. zu. Das Z. des Ehemanns gegenüber der Ehefrau verschwindet in dem 19. Jahrhundert (Preußen 28. 2. 1812, in dem kanonischen Recht mit der Ersetzung des Corpus iuris canonici durch den Codex iuris canonici 1917/1918), das Z. der Eltern gegenüber den Kindern ist noch durch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) nicht ausgeschlossen, tritt aber in dem 20. Jahrhundert mehr und mehr zurück. Ein Z. gegenüber Gesinde endet in Preußen 1860, das Z. des Lehrers gegenüber Schülern in Deutschland durch Gesetz von 1951.

Lit.: Köbler, DRG 18; Kober, Die körperliche Züchtigung, Theolog. Quartalsschr. 57 (1875); Wiens, W., Das Züchtigungsrecht des Ehemanns, 1909; Vormbaum, T., Politik und Gesinderecht, 1980; Gebhardt, J., Prügelstrafe und Züchtigungsrecht, 1994; Priester, J., Das Ende des Züchtigungsrechts, 2000; Behnke, J., Forschungen und Forschungsdesiderate zur körperlichen Züchtigung, 2002

Zucker

Lit.: Ouerfelli, M., Le Sucre, 2008

Zufall ist das Ergebnis, für das keine Gesetzmäßigkeit zu erkennen ist (z. B. Hagel). Der durch Z. eintretende Schaden fällt bereits in dem römischen Recht grundsätzlich dem zu der Last, dem die Sache oder Leistung gebührt.

Lit.: Kaser §§ 36 III 5, 37 II 2b; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 44; Hentig, H. v., Sinnvoller Zufall, eine alte Rechtsanschauung, ZRG GA 80 (1963), 344; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Zufall und Wissenschaft – Interdisziplinäre Perspektiven, hg. v. Bachhhiesl, C. u. a., 2019

Zug an dem Zuger See ist der um 1200 von den Grafen von Kiburg gegründete, 1273 an König Rudolf I. von Habsburg gelangte Ort. 1352 wird Z. von den umgebenden Orten der Eidgenossenschaft der →Schweiz zu dem Eintritt in die Eidgenossenschaft gezwungen. 1814 erhält der kleinste Kanton der Schweiz eine Verfassung.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schwerzmann, J., Das Zuger Schuldbetreibungsrecht, 1962; Die Rechtsquellen des Kantons Zug, hg. v. Gruber, E., Bd. 1 1971; Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Zwicky, M., Prozess und Recht im alten Zug, 2003

Zug auf den Gewähren →Gewährschaft

Zugabe

Lit.: Götting, H., Die neuere Entwicklung des Zugaberechts, 1986; Matz, J., Die Regulierung der akzessorischen Wertreklame, 2005

Zugang (Wort mit allgemeinerer Bedeutung um 765 belegt)

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Zugewinn ist die Vermehrung des Vermögens des Menschen in der Zeit.

Zugewinngemeinschaft ist der in Deutschland durch das deutsche Gleichberechtigungsgesetz von dem 18. 6. 1957 geschaffene, 2009 abgeänderte Regelgüterstand von Eheleuten. Er bedeutet Gütertrennung mit Zugewinnausgleich zwischen dem größeren Zugewinn und dem kleineren Zugewinn nach Auflösung der Ehe. Er kann vertraglich ausgeschlossen werden.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, 267; Offen, J., Von der Verwaltungsgemeinschaft des BGB von 1896 zur Zugewinngemeinschaft, 1994; Sellschopp, T., Der Weg zum Revokationsrecht der Ehegatten nach § 1368 BGB, 2009

Zugrecht →Näherrecht

Zukunft ist das jenseits der Gegenwart in der Zeit Kommende.

Lit.: Seefried, E., Zukünfte. Aufstieg und Krise der Zukunftsforschung, 2015

Zuname (Wort 1467 belegt) ist der seit dem späten Frühmittelalter zwecks besserer Kennzeichnung der sich vermehrenden Bevölkerung zu dem bisherigen Namen hinzutretende Name (Übername, Familienname), der allmählich außerhalb von Nahebeziehungen die Bedeutung des eigentlichen Namens (Vornamens) übertrifft.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010

Zunft ist der Zusammenschluss von Gewerbetreibenden eines Gewerbes in der hochmittelalterlichen Stadt (Genossenschaft, z. B. Metzger, Bäcker, Fischer). Die von den Zunftmitgliedern geschaffene Zunftverfassung enthält viele Zwangselemente. Sie wird in dem 19. Jahrhundert durch die Einführung der Gewerbefreiheit (Frankreich 1791, England 1814, Preußen 1807/1810/1811/1845, Österreich 1859) seitens des Liberalismus beseitigt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 97; Köbler, WAS; Keutgen, F., Ämter und Zünfte, 1903; Gallion, W., Der Ursprung der Zünfte in Paris, 1911; Hegi, F., Geschichte der Zunft zur Schmiden in Zürich, 1914; Eberstadt, R., Der Ursprung des Zunftwesens und die älteren Handwerkerverbände des Mittelalters, 2. A. 1915; Akkerman, J., Het ontstaan der ambachtsgilden, 1919; Dieling, F., Zunftrecht, 1932; Lentze, H., Der Kaiser und die Zunftverfassung, 1933, Neudruck 1954; Mickwitz, G., Die Kartellfunktionen der Zünfte, 1936; Klapper, H., Das Zunftwesen der Stadt Guhrau, 1936; Siemsen, R., Germanengut im Zunftbrauch, 1942; Johanni, O., Zünfte und Zunftrecht in der Grafschaft Saarbrücken, Diss. jur. Saarbrücken 1957; Johanni, O., Zünfte und Zunftrecht in der Grafschaft Saarbrücken, 1957; Holland, W., Die schmalkaldischen Handwerkerzünfte, Diss. jur. Jena 1957; Naujoks, E., Obrigkeitsgedanke, Zunftverfassung und Reformation, 1958; Eckhardt, A., Eschweger Zunftverfassung und hessische Zunftpolitik, 1964; Luther, R., Gab es eine Zunftdemokratie?, 1968; Klinger, H., Das Weberamt in Preetz, 1971; Ennen, R., Zünfte und Wettbewerb, 1971; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 1954, 5. A. 1980; Uhl, H., Handwerk und Zünfte in Eferding, 1973; Göttmann, F., Die Frankfurter Bäckerzunft, 1975; Horsch, F., Die Konstanzer Zünfte, 1979; Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Obst, K., Der Wandel in den Bezeichnungen für gewerbliche Zusammenschlüsse, 1983; Peitsch, D., Zunftgesetzgebung, 1985; Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985; Henkel, M., Zunftmissbräuche, 1989; Decker, K., Bürger, Kurfürst und Regierung, 1990; Ebstein, S., Wage, Labor and Guilds, 1991; Das Ende der Zünfte, hg. v. Haupt, H., 2002; Oestmann, P., Zunftzwang und Handelsfreiheit im frühen 19. Jahrhundert, ZNR 2004, 246; Kluge, A., Die Zünfte, 2007, 2. A. 2009; Heusinger, S. v., Die Zunft im Mittelalter, 2009; Stodolkowicz, S., Vom Handel mit Ellen, 2015

Zurechnung, F., Lehnübersetzung von lat. imputatio durch Samuel Pufendorf 1672, 1893 objektive Z. (Ludwig Harscher von Almendingen), verschwindet in dem 19. Jahrhundert, 1969/1970 (Jescheck) moderne Lehre von der objektiven Z.

Zurechnungsfähigkeit ist die Möglichkeit, einem Menschen unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten einen Unrechtserfolg zuzurechnen und allgemeiner die Fähigkeit, zusammengehörige Umstände einander überzeugend zuzuordnen. Die moderne Zurechnungslehre in dem Strafrecht beginnt mit Samuel Pufendorf (1632-1694). →Unzurechnungsfähigkeit

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Lubbers, F., Die Geschichte der Zurechnungsfähigkeit, 1938; Larenz, K., Hegels Zurechnungslehre, 1927; Gschwend, L., Zur Geschichte der Lehre von der Zurechnungsfähigkeit, 1996

Zürich an dem Zürichsee bzw. an der Limmat erscheint in dem Altertum als römisches Turicum. 1218 ist es reichsunmittelbar. 1351 verbündet es sich mit den Eidgenossen der →Schweiz. Ab 1383 ist es für wenige Jahre Sitz eines kaiserlichen Hofgerichts. 1833 erhält es eine Universität. Von 1853 bis 1855 schafft Johann Kaspar Bluntschli ein Privatrechtliches Gesetzbuch für den Kanton Zürich in fünf Büchern (Personenrecht, Sachenrecht, Obligationenrecht, Familienrecht und Erbrecht).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur zur neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,466, 3,2,1939; Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, hg. v. einer Kommission der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Bd. 1ff. 1889ff.; Zeller-Werdmüller, H., Die Zürcher Stadtbücher, 1899; Huber, M., Das Staatsrecht der Republik Zürich vor dem Jahre 1798, 1904; Fecht, O., Die Gewerbe der Stadt Zürich, 1909; Hoppeler, R., Die Rechtsquellen des Kantons Zürich, Teil 1, Bd. 1ff. 1910ff.; Glitsch, H., Zum Strafrecht des Zürcher Richtebriefs, ZRG GA 38 (1917), 203; Rippmann, F., Die Landeshoheit der Stadt Zürich über Stadt und Kloster Stein, Zeitschrift für schweizerisches Recht N. F. 37 (1917); Nabholz, H. u. a., Die Steuerbücher von Stadt und Landschaft Zürich, Bd. 1f. 1918ff.; Largiadèr, A., Untersuchungen zur zürcherischen Landeshoheit, 1920; Schultheß, H., Politische, soziale und wirtschaftliche Miszellen aus dem alten Zürich, 1921; Schoch, F., Das letzte Kloster im Kanton Zürich, 1921; Vetter, F., Der Übergang der Stadt Stein am Rhein an Zürich, 1923; Eichholzer, E., Zur Geschichte und Rechtsstellung des zürcherischen Untervogtes, ZRG GA 44 (1924), 197; Guggenbühl, P., Die Entstehung des zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches, Diss. jur. Zürich 1924; Schnyder, W., Die Bevölkerung der Stadt und Landschaft Zürich, 1925; Schultheß, H., Die politische Bedeutung der Zünfte, 1926; Bauhofer, A., Entstehung und Bedeutung des zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches von 1853-1855, Z. f. schw. R. n F. 46 (1927), 1; Huber, W., Das gesetzliche Erbrecht des Kantons Zürich, 1929; Wege, E., Die Zünfte als Träger wirtschaftlicher Kollektivmaßnahmen, 1930; Weisz, L., Aus dem Leben des Bürgermeisters Salomon Hirzel 1580-1652, 1930; Schultheß, H., Kulturbilder aus Zürichs Vergangenheit, 1930; Largiadèr, A., Die Anfänge der zürcherischen Landschaftsverwaltung, Zeitschrift für schweizerische Geschichte 12 (1932); Fritzsche, H., Begründung und Ausbau der neuzeitlichen Rechtspflege des Kantons Zürich, 1931; Largiadèr, A., Hundert Jahre antiquarische Gesellschaft in Zürich, 1932; Schmid, A., Winterthur unter zürcherischer Landeshoheit, 1934; Quellen zur Zürcher Wirtschaftsgeschichte, bearb. v. Schnyder, W., 1934ff.; Weisz, L., Die zürcherische Exportindustrie, 1936; Schultheß, H., Kulturbilder aus Zürichs Vergangenheit, 1935; Usteri, P., Gerichtsorganisation und Zivilprozess im Kanton Zürich während der Helvetik, 1935; Largiadèr, A., Bürgermeister Rudolf Brun und die Zürcher Revolution von 1336, 1936; Quellen zur Zürcher Zunftgeschichte, hg. v. Schnyder, W., 1936; Largiadèr, A., Die Entwicklung des Zürcher Siegels, ZRG GA 58 (1938), 367; Schwarz, A., Das römische Recht an der Universität Zürich, 1938; Geilinger, E., Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Zürichs im Mittelalter, 1938; Schwarz, D., Münz- und Geldgeschichte Zürichs im Mittelalter, 1940; Ruoff, W., Die Zürcher Räte als Strafgericht, 1941; Herzog, H., Beiträge zur Geschichte des ehelichen Güterrechts der Stadt Zürich, 1942; Zimmermann, D., Das persönliche Eherecht des zürcherischen Matrimonialgesetzes von 1804, 1942; Guyer, P., Verfassungsgeschichte der Stadt Zürich, 1943; Largiadèr, A., Zürichs Bund mit den Waldstätten, 1953; Schoop, R., Rechtsstellung, politische und wirtschaftliche Bedeutung der Zürcher Zünfte, Diss. jur. Zürich 1958; Usteri, E., Die Schildner zum Schneggen, 1960; Truffer, H., Der Einfluss des Standes im allgemeinen und zürcherischen Strafrecht, 1960; Zürcher, M., Die Behandlung jugendlicher Delinquenten, 1960; Steiger, E., Geschichte der Frauenarbeit in Zürich, 1964; Züsli-Niscosi, F., Beiträge zur Geschichte der Polizeiorganisation der Republik Zürich, 1967; Plattner, A., Die Herrschaft Weinfelden, 1969; Kramer, S., Hans Caspar Hirzel, 1974; Weibel, T., Erbrecht und Familie, 1988; Richner, F., David von Wyss (1763-1839), 1988; Burghartz, S., Leib, Ehre und Gut, 1990; Wernli, M., Das kaiserliche Hofgericht in Zürich, 1991; Landert-Scheuber, M., Das politische Institut in Zürich 1807-1833, 1992; Gabathuler, M., Die Kanoniker, 1998; Malamud, S./Sutter, P., Die Betreibungs- und Eingewinnungsverfahren der Stadt Zürich, ZRG GA 116 (1999), 87; Zürich 650 Jahre eidgenössisch, 2001; Kleine Zürcher Verfassungsgeschichte, hg. v. Staatsarchiv des Kantons Zürich, 2000; Malamud, S., Die Ächtung des Bösen, 2003; Müller, M., Gesellschaftlicher Wandel und Rechtsordnung, 2005; Repertorium der Policeyordnungen 7, hg. v. Schott-Volm, C., 2006; Casanova, C., Nacht-Leben, 2007; Senn, M., Das mittelalterliche Zürich, 2007; Jäger, C., Die Gutachtertätigkeit der Juristenfakultät Zürich, 2008; Matter-Bacon, N., Städtische Ehepaare im Spätmittelalter, 2016

Zurückbehaltungsrecht (lat. [F.] retentio) ist das bereits dem römischen Recht bekannte Recht in dem Austauschvertrag, die Leistung so lange zurückzuhalten, bis die Gegenleistung angeboten wird.

Lit.: Kaser § 38 IV; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Zusicherung

Lit.: Böckler, R., Die Entwicklung der Zusicherung in der Rechtsprechung, 1987

Zuständigkeit ist die Berechtigung und Verpflichtung der Wahrnehmung einer Aufgabe. In einer Rechtsordnung muss die jeweilige Z. festgelegt werden. Dies muss umso genauer geschehen, je komplexer die betreffende Gesellschaft gestaltet ist.

Lit.: Kaser § 82 II 3b, c; Sellert, W., Über die Zuständigkeitsabgrenzung, 1965; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, 1972; Weitzel, J., Die Zuständigkeit des Reichskammergerichtes, ZRG GA 90 (1973), 213; Fricke, M., Die autonome Anerkennungszuständigkeitsregel im deutschen Recht des 19. Jahrhunderts, 1993

Zustellung ist der in bestimmter, gesetzlich vorgeschriebener Form vorzunehmende und zu beurkundende Vorgang der Verschaffung der Gelegenheit zu der Kenntnisnahme eines Schriftstücks. 1877/1879 übernimmt die amtliche Z. der Klage die meisten Wirkungen der aufgegebenen Streitbefestigung (lat. →litis contestatio [F.]).

Lit.: Köbler, DRG 202

Zutphen

Lit.: Vries, W. de, De opkomst van Zutphen, 1960

Zwang (Wort bereits für das Germanische zu erschließen, lat. [F.] vis) ist die Einwirkung mit Gewalt auf einen Menschen oder eine Sache. Jedes auf Z. beruhende Verhalten verletzt bereits in dem römischen Recht ohne weiteres die gute Treue. Der Prätor (um 71 v. Chr.) und später das unter Kaiser Hadrian entstandene Edikt gewähren bei einem in Furcht (lat. metus) geschlossenen Rechtsgeschäft die Wiederherstellung in den früheren Zustand (lat. restitutio [F.] in integrum).

Lit.: Kaser §§ 8 IV, 33 IV, 51 V 1; Köbler, DRG 42, 43; Koehne, C., Studien über die Entstehung der Zwangs- und Bannrechte, ZRG GA 25 (1904), 172; Eichholzer, E., Über Zwangs- und Bannrechte, 1913; Wießner, H., Twing und Bann, 1935; Hartkamp, A., Der Zwang im römischen Privatrecht, 1971; Kranig, A., Lockung und Zwang, 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Zwangsadministrationen, hg. v. Frommelt, F., 2014

Zwangsarbeit ist die unter äußerem Zwang geleistete Arbeit (z. B. in dem Deutschen Reich zwischen 1933 und 1945)(, deretwegen 1951 erstmals ein Schadensersatzverfahren vor einem deutschen Zivilgericht durchgeführt wird).

Lit.: Perz, B., Das Projekt „Quarz“. 1991, 2. A. 2014; Spoerer, M., Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz, 2001; Schulte, J., Zwangsarbeit und Vernichtung - Das Wirtschaftsimperium der SS, 2001; Hammermann, G., Zwangsarbeit für den Verbündeten, 2002; Zwangsarbeit im Dritten Reich, hg. v. Zumbansen, P., 2002; Freund, F. u. a., Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen auf dem Gebiet der Republik Österreich 1939-1945, 2004; Rawe, K., … wir werden sie schon zur Arbeit bringen, 2005; Urban, T., Zwangsarbeit im Tagebau, 2006; Levin, A., Erinnerung? Verantwortung? Zukunft?, 2007; Hitlers Sklaven, hg. v. Plato, A. v. 2008; Zwangsarbeit im Nationalsozialismus, hg. v. Kramer, H. u. a., 2008; Zwangsarbeit und katholische Kirche, hg. v. Hummel, K. u. a., 2008; Rumpf, J., Der Fall Wollheim, 2010; Westerhoff, C., Zwangsarbeit im Ersten Weltkrieg, 2011; Schieder, P., Französische Zwangsarbeiter im Reichseinsatz, 2011; Zwangsarbeiter in Österreich 1939-1945, hg. v. Bacher, D. u. a., 2013; Steinert, J., Deportation und Zwangsarbeit, 2013; Urban, T., Zwangsarbeit bei Thyssen, 2014; NS-Zwangsarbeit in der Elektrizitätswirtschaft der „Ostmark“ 1938-1945, hg. v. Rathkolb, O. u. a., 2014, 2. A: 2014; Zwangsarbeit als Kriegsressource in Europa und Asien, hg. Lingen, K. v. u. a., 2014

Zwangsversteigerung ist die in Deutschland 1897 in einem besonderen Gesetz geregelte Versteigerung eines →Grundstücks in dem Wege der →Zwangsvollstreckung.

Lit.: Köbler, DRG 184

Zwangsverwaltung ist die unter Zwang von einem Verwalter durchgeführte Verwaltung einer Angelegenheit eines anderen.

Lit.: Zwangsadministrationen, hg. v. Frommelt, F., 2014

Zwangsvollstreckung ist die Durchsetzung eines dem Gläubiger gegen den Schuldner in dem Vollstreckungstitel (z. B. →Urteil) verbrieften Anspruchs. Sie steht meist an dem Ende eines Zivilprozesses. In dem Deutschen Reich wird die Personalexekution durch Gesetz von dem 16. April 1871 abgeschafft und durch die Realexekution (Vermögensvollstreckung) ersetzt. Ihr Ablauf wird in dem Deutschen Reich 1877/1879 in der Zivilprozessordnung ausführlich geregelt. →Vollstreckung.

Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 184, 240; Schönke, A., Zwangsvollstreckungsrecht, 1940; Staehelin, A., Zwangsvollstreckung in älteren Schweizer Stadtrechten, ZRG GA 93 (1976), 184; Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, hg. v. Jakobs, H./Schubert, W., Sachenrecht 4, 1983; Schubert, W., Das Zwangsvollstreckungsrecht im Entwurf einer Zivilprozessordnung von 1931, ZRG GA 121 (2004), 350; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004; Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004; Ausschüsse für Vergleichs- und Konkursrecht, hg. v. Schubert, W., 2008; Suter, M., Rechtstrieb – Schulden und Vollstreckung im liberalen Kapitalismus 1800-1900, 2016

Zweck (M.) Sinn, Ziel

Lit.: Wischmeyer, T., Zwecke im Recht des Verfasssungsstaates, 2014

Zweckverband

Lit.: Vom Städtebund zum Zweckverband, hg. v. Kirchgässner, B., 1994

Zweibrücken

Lit.: Pöhlmann, C., Regesten der Grafen von Zweibrücken, bearb. v. Doll, A., 1962; 150 Jahre pfälzisches Oberlandesgericht, hg. v. Reinheimer, W., 1965; Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Zweibrücken, 1969

Zweigewaltenlehre ist die von Papst Gelasius I. (1. 3. 492–19. 11. 496) an Hand von Lukas 22,38 (in verfehlter) Auslegung entwickelte Lehre von zwei gleichberechtigten Gewalten. →Zweischwerterlehre

Zweikammersystem ist das durch die Teilung des Parlaments in zwei Kammern gekennzeichnete politische System (z. B. Österreich seit 1848). Ursprünglich entsprechen die beiden Kammern z. B. in England (seit dem 14. Jahrhundert) verschiedenen Ständen (Adel in dem Oberhaus, Nichtadlige in dem Unterhaus), später kann die zweite Kammer auch föderalistische Interessen sichern (z. B. Bundestag Deutschlands, Bundesrat Österreichs, Senat der Vereinigten Staaten von Amerika). In Österreich war 1861 das Herrenhaus die Vertretung der höheren Stände, das Abgeordnetenhaus die Vertretung der Länder.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Wedel, J. v., Zur Entwicklung des deutschen parlamentarischen Zweikammersystems, 2011; .Essmann-Bode, C., Das Einkammer- und Zweikammersystem im deutschen Konstitutionalismus, 2015

Zweikampf ist der verabredete Kampf zweier Menschen mit Waffen. Er wird in dem Mittelalter verschiedentlich zu der Entscheidung eines Streites (z. B. 938 über das Eintrittsrecht von Enkeln) auch in dem Gericht verwendet. Seit dem Hochmittelalter tritt er hinter dem Urteil zurück (letzter gerichtlicher Zweikampf in Tirol 1411/1412 belegt). Sein später Ausläufer ist (vom 16. Jahrhundert) bis zu dem 19. Jahrhundert das →Duell.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70; Gál, A., Der Zweikampf im fränkischen Prozess, ZRG GA 28 (1907), 236; Fehr, H., Der Zweikampf, 1908; Coulin, A., Der gerichtliche Zweikampf im altfranzösischen Prozess, 1906; Coulin A., Verfassung des offiziellen und Entstehung des privaten Zweikampfes in Frankreich, 1909; Fehr, H., Zur Geschichte des Zweikampfes, ZRG GA 34 (1913), 422; Bruun, H., Om Tvekampens Stilling i oldgermansk Rettergang, 1930; Levi, G., Il duello giudiziario, 1932; Wierschin, M., Meister Johann Liechtenauers Kunst des Fechtens, 1965; Hils, H., Der da sigelos wirt dem sleht man die hant ab, ZRG GA 102 (1985), 328; Baumgarten, R., Zweikampf §§ 201-210 a. F. StGB, 2002; Neumann, S., Der gerichtliche Zweikampf, 2010

Zweiplusvierverhandlungen sind die Verhandlungen der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs mit der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über den Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zu der Bundesrepublik Deutschland in dem Jahre 1990. Sie enden mit dem Zweiplusviervertrag.

Lit.: Kroeschell, 20. Jahrhundert; Köbler, DRG 247; Müller, R., Der „2+4“-Vertrag, 1997

Zweischwerterlehre (Zweigewaltenlehre) ist (12./13. Jahrhundert) die (in verfehlter Auslegung) an Lukas 22,38 (Herr [Jesu Christ], siehe, hier sind zwei Schwerter [zu der Verteidigung]) anknüpfende Lehre von zwei Schwertern, die Gott den Menschen als Zeichen irdischer Herrschaftsgewalt gelassen habe. Nach imperialer Ansicht (z. B. Sachsenspiegel 1221-1224) stehen das geistliche Schwert des Papstes und das weltliche Schwert des Königs gleichberechtigt nebeneinander. Nach kurialistischer Ansicht (11. Jahrhundert, z. B. Bernhard von Clairvaux, Gregor IX., Innozenz IV., Bonifaz VIII., Schwabenspiegel um 1275, str.) gibt Gott dem Papst zwei Schwerter, von denen der Papst eines dem Kaiser weitergibt. →Zweigewaltenlehre des Papstes

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109

zweiseitig (Adj.) zwei Seiten betreffend (z. B. Rechtsgeschäft), bilateral

Zweiter Weltkrieg ist der an dem 1. 9. 1939 auf Grund der Ansprüche Adolf Hitlers auf mehr Lebensraum für die Deutschen entstehende Krieg Deutschlands, Italiens und Japans gegen die Alliierten (Großbritannien, Frankreich). Das Deutsche Reich greift nach einem Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion nacheinander Polen, Dänemark, Norwegen, Frankreich, die Niederlande, Belgien und Luxemburg an, 1941 Jugoslawien, Griechenland, Bulgarien, Nordafrika und trotz des Nichtangriffspakts die Sowjetunion (Unternehmen Barbarossa - von Anfang an wohl aussichtslos -), womit es sich (zusätzlich zu inhomogener Führungsstruktur, Ressortegoismus der Teilstreitkräfte und allgemeiner Ressourcenunterlegenheit) kriegsentscheidend übernimmt. Japan greift an dem 7. 12. 1941 die Vereinigten Staaten von Amerika in Pearl Harbour an, worauf die Vereinigten Staaten von Amerika in den Krieg eintreten. Danach kommt der deutsche Vormarsch aus logistischen Gründen zu dem Stillstand (Stalingrad). In Italien wird 1943 Benito Mussolini gestürzt, worauf Italien dem Deutschen Reich den Krieg erklärt. In dem Luftkrieg werden die deutsche Industrie und die deutsche Infrastruktur schwer beschädigt. 1944 landen Truppen der Alliierten in Frankreich. An dem 8. 5. 1945 kapituliert das Deutsche Reich. Japan kapituliert nach dem Abwurf zweier Atombomben auf Nagasaki und Hiroshima durch die Vereinigten Staaten von Amerika an dem 2. 9. 1945. Insgesamt verursacht der zweite Weltkrieg den Tod von schätzungsweise 55-60 Millionen Menschen, darunter 5,3 Millionen Soldaten des Deutschen Reiches und 6 Millionen Juden.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 244; Das deutsche Reich und der zweite Weltkrieg Bd. 1ff. 1979; Frieser, K., Blitzkrieg-Legende, 1995, 2. A., 2. A. 1996, 3. A. 2005, 4. A. 2010; Gruchmann, L., Der zweite Weltkrieg, 9. A. 1999; Der Mord an den Juden im 2. Weltkrieg, hg. v. Jäckel, E. u. a., 1985; Hellwinkel, L., Der deutsche Kriegsmarinestützpunkt Brest, 2010; Hartmann, C., Unternehmen Barbarossa, 2011; Müller, R., Der Feind steht im Osten, 2011; Bachmann, K., Vergeltung, Strafe, Amnestie, 2011; Rickard, N., Advance and Destroy, 2011; Elliger, L., Das Massaker von Oradour, 2012; Müller, R., Hitlers Wehrmacht 1935-1945, 2012; Kennedy, P., Die Casablanca-Strategie, 2012; Manthe, B., Richter in der nationalsozialistischen Kriegsgesellschaft, 2013

Zweizüngiges Urteil ist das mittelalterliche Urteil, das den Ausgang des Verfahrens sowohl für den Fall des Gelingens des einem der Beteiligten aufgegebenen Beweises wie auch für den Fall des Misslingens festlegt. Der Beweis erfolgt nach dem Urteil. Der Ausgang der Beweisführung entscheidet darüber, welche der beiden um Urteil enthaltenen Möglichkeiten sich verwirklicht.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70

Zwickau

Lit.: Das Zwickauer Stadtrechtsbuch, ZRG GA 38 (1917), 321; Die Zwickauer Stadtrechtsreformation 1539/69, hg. v. Berthold, H. u. a., 1935; Schultze, A., Zur Zwickauer Stadtrechtsreformation, ZRG GA 58 (1938), 709; Zwickauer Rechtsbuch, hg. v. Ullrich, G., 1941; Simm, H., Für Zwickau ergangene Leipziger Schöffensprüche, Diss. jur. Leipzig 1941 (masch.schr.); Das älteste Zwickauer Stadtbuch (1375-1481) und seine Sprache, hg. v. Protze, H., 2008; Urkundenbuch der Stadt Zwickau, hg. v. Kunze, J. u. a., Teil 2 2012; Steinführer, H., Urkundenbuch der Stadt Zwickau, Teil 1 2014

Zwing

Lit.: Stutz, U., Zur Herkunft von Zwing und Bann, ZRG GA 57 (1937), 289

Zwingli

Lit.: Köhler, W., Das Buch der Reformation Huldrych Zwinglis, 1926; Pribnow, V., Die Rechtfertigung obrigkeitlicher Steuer- und kirchlicher Zehnterhebung bei Huldrich Zwingli, 1996

Zwölftafelgesetz (lat. duodecim tabulae [F.Pl.] legum bzw. lex [F.] duodecimarum legum) ist das an dem Beginn der römischen Gesetzgebungsgeschichte (auf zwölf Tafeln) stehende, wohl für den Ausgleich zwischen Patriziern und Plebejern bestimmte Gesetz von 451/50 v. Chr. Es ist zu etwa einem Drittel in 40 wörtlichen Bruchstücken in Gesetzesform hauptsächlich durch Varro, Cicero, Gellius und Festus überliefert und danach an Hand weiterer [etwa 120 bzw. 200] inhaltlicher Hinweise von der neuzeitlichen Wissenschaft (in etwa 120 teilweise fragmentarischen Sätzen mit weniger als 500 lateinischen Wörtern) wiederhergestellt (rekonstruiert). Nach den Vorbildern →Lykurgs (Sparta 8. Jahrhundert v. Chr.), →Drakons und →Solons (Athen 621, 594) (oder süditalienischer griechischer Tochterorte) legt es in seinen erst 10, dann 12 Tafeln, die eine Zehnmännerkommission (lat. [M.Pl.] decemviri) zu der Annahme als Gesetz (lat. [F.] →lex) vorbringt, das Recht in sehr verschiedenen Angelegenheiten für alle erkennbar fest. Dabei wird teils nur aufgezeichnet, teils neu gesetzt. Die Sätze folgen nicht systematisch, sondern assoziativ auf einander. Erfasst sind vor allem Zivilprozess, Familienrecht, Erbrecht, Vermögensrecht, Deliktsrecht und Sakralrecht, wobei teils manches vertieft angesprochen wird, anderes nur oberflächlich. Das Z. wird in Bronze(, Holz oder Elfenbein) auf dem Forum (Markt) Roms aufgestellt. Seine Auslegung (lat. [F.] interpretatio) betreibt die Priesterschaft als eine Geheimwissenschaft, aus der sich später die →Jurisprudenz (Rechtsklugheit) entwickelt. Vielleicht werden die Tafeln von Kelten um 390 v. Chr. zerstört. Noch kurz vor der Zeitenwende (Cicero) lernen die jungen römischen Bürger das Z. auswendig. Das Z. wird niemals förmlich außer Kraft gesetzt. Den ersten noch unvollkommenen Rekonstruktionsversuch veröffentlicht 1515 Aymar du Rivail (Aymarus Rivallius).

Lit.: Kaser §§ 1 II 1, 2 I 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Solon und die XII-Tafeln, (in) Studi in onore di E. Volterra, Bd. 4 1971, 757; Behrends, O., Der Zwölftafelprozess, 1974; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Das Zwölftafelgesetz, hg. v. Düll, R., 7. A. 1995; Flach, D., Die Gesetze der frühen römischen Republik, 1994, 109; Das Zwölftafelgesetz, hg. v. Flach, D., 2004; Flach, A., Fortgeltung des Zwölftafelrechts, 2004

Zypern ist die drittgrößte, in dem Nordosten gelegene Insel des Mittelmeers. Sie wird in dem ausgehenden 2. Jt. v. Chr. von Griechen besiedelt und 58 v. Chr. von den Römern erobert. Zwischen 688 und 965 steht Z. unter gemeinsamer Herrschaft Ostroms (→Byzanz) und der →Araber. Über Venedig (1489) gelangt es an die Türken (1573) bzw. Osmanen. 1878 übernimmt Großbritannien die Verwaltung und annektiert 1923 Z. 1959 wird Z. unabhängig. 1974 besetzt die Türkei 40% des Gebiets in dem Norden und Nordosten (1985 Türkische Republik Nordzypern). Das Recht Zyperns ist dementsprechend nacheinander griechisch, römisch, arabisch, türkisch und westlich geprägt. 2004 tritt Zypern (in seinem griechischen Teil) der Europäischen Union (1993) bei.

Lit.: Reden, S. v., Zypern, 2. A. 1974; Hitchins, C., Cyprus, 1984; Sherman, A., Zypern. Insel des Leids, 1998; Südosteuropahandbuch, Bd. 8 Zypern, hg. v. Grothusen, K. u. a., 1998; Anstötz, S., Perspektiven zur staatlichen Neuordnung Zyperns, 2003; Cyprus, hg. v. Nicolaou-Konari, A. u. a., 2005; Tezcan, T., Der Zypernkonflikt vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof, 2006; Stöwsand, H., Zyperns Beitritt zur Europäischen Union, 2007; The Formation of Cyprus in the 2nd Millenium B. C., hg. v. Hein, I., 2009; Schollmeyer, P., Das antike Zypern, 2009; Fujii, T., Imperial Cult and Imperial Representation in Roman Cyprus, 2013

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