Wachstums- und Verteilungswirkungen ausländischer ...



Wachstums- und Verteilungswirkungen ausländischer Direktinvestitionen in Entwicklungsländern

Inauguraldissertation

des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften

der Justus-Liebig-Universität Gießen

zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften

(Dr. rer. pol.)

vorgelegt von

Ralf Krüger aus Rheinhausen

Datum der mündlichen Prüfung: 17. Dezember 2003

Referent: Prof. Dr. Hans-Rimbert Hemmer

Co-Referent: Prof. Dr. Gerd Aberle

Vorwort

Wie wirken sich Ausländische Direktinvestitionen auf die Entwicklungsländer aus, in denen sie getätigt werden? Dies war eine Frage, die mich in meinen Promotionsbemühungen besonders ansprach. Als mir dann von der Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe für weltkirchliche Aufgaben der Deutschen Bischofskonferenz und meinem jetzigen Doktorvater Herrn Professor Dr. Hans-Rimbert Hemmer die Möglichkeit eröffnet wurde, das Projekt zu bearbeiten, welches mit dem vorliegenden Buch seinen Abschluss gefunden hat, zögerte ich nicht zuzugreifen. Die Fragestellung wurde im Zuge des Fortschritts der Arbeit immer konkreter und es wurde auch klarer, welche Aspekte dieses weiten Feldes nicht behandelt werden würden. Ich möchte mit diesem Werk meinen bescheidenen Beitrag zur Debatte um die von Ausländischen Direktinvestitionen ausgelösten Wachstums- und Verteilungswirkungen leisten.

Viele haben zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen und ihnen allen danke ich herzlich für ihre Unterstützung. Einigen jedoch gilt mein spezieller Dank: Zunächst gilt er meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Hans-Rimbert Hemmer für seine kritische Begleitung der Arbeit und die für die Erstellung eines solchen Werkes notwendigen Freiräume, die im universitären Alltag nicht immer selbstverständlich sind.

Ebenso gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Gerd Aberle, der sich bereit erklärte, das Co-Referat zu übernehmen und die Arbeit mehr als zügig begutachtete. Auch Herrn Prof. Dr. Volbert Alexander und Herrn Prof. Dr. Martin Morlock gilt mein Dank für Ihre Mitwirkung am Promotionsverfahren. Allen vier Mitgliedern der Promotionskommission danke ich insbesondere für die flexible und reibungslose Vereinbarung eines Disputationstermins.

Mein besonderer Dank gilt der Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe für weltkirchliche Aufgaben der Deutschen Bischofskonferenz, die diese Arbeit finanziell unterstützte und deren Mitglieder durch ihr inhaltliches Interesse ein großer Ansporn waren. An dieser Stelle sei auch Herrn PD Dr. Hans-Gerd Angel gedankt, der besonderen Verdienst am Zustandekommen der Veröffentlichung dieser Arbeit in der vorliegenden Form hat. Frau Petra Kostka hat zudem die formale Endredaktion übernommen, für die ich ihr herzlich danke.

Für viele Anregungen, Kritiken und Diskussionen danke ich zudem meinen Kolleginnen und Kollegen am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre und Entwicklungsländerforschung des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften und am Zentrum für internationale Entwicklungs- und Umweltforschung der Justus-Liebig-Universität Gießen, insbesondere Jenny Koch, Dr. Annette Langhammer, Andreas Lorenz, Holger Marienburg und Jennifer Seith. Ihr habt die Entstehung dieser Arbeit nicht nur inhaltlich befördert, sondern die Zeit am Lehrstuhl für mich auch durch unsere Freundschaft bereichert. Für weitere Unterstützung der Arbeiten an diesem Werk danke ich Gerlinde Wenzel, die mit dem Leben und Arbeiten am Lehrstuhl VWL6/E auf das engste verbunden ist und für uns so manches Licht in das Tagesgeschäft und das Innenleben der Universität brachte.

Für weitere Anregungen und Hinweise gilt mein Dank Katja Weigl, Dr. Hoa Thi Phuong Nguyen und Julius Spatz. Für Unterstützung bei der Beschaffung von Literatur und bei der Auswertung der Daten danke ich Sebstian Ahlfeld, Anke Faupel und Thomas Walter.

Eine solche Arbeit kann ohne das entsprechende private Umfeld nicht entstehen. Ich danke daher meinen Eltern, die mir meinen bisherigen Bildungs- und Lebensweg – und damit auch diese Arbeit – ermöglicht haben und mich dabei zu jeder Zeit mit voller Kraft unterstützt haben.

Schließlich gilt mein herzlicher Dank Nicole, für viele Anregungen und noch mehr Geduld.

Ralf Krüger

Frankfurt am Main, im Juni 2004

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis III

Tabellenverzeichnis III

Boxenverzeichnis X

Abkürzungsverzeichnis XI

1 Einführung 1

2 Ziel der wirtschaftlichen Entwicklung 3

2.1 Einordnung 3

2.2 Wachstumsziel 7

2.3 Verteilungsziel 9

2.4 Umweltziel 10

3 Motive und Entwicklung ausländischer Direktinvestitionen 12

3.1 Statistisches Konzept 12

3.1.1 Definition von ausländischen Direktinvestitionen 12

3.1.2 Probleme von Direktinvestitionsstatistiken 15

3.2 Motive für Direktinvestitionen 23

3.3 Entwicklung der Direktinvestitionsströme und -bestände 32

3.3.1 Weltweite Ströme und Bestände 32

3.3.2 Regionale Ströme und Bestände 36

3.3.3 Weitere Differenzierungen der Ströme und Bestände 43

3.4 Andere wichtige Kennzahlen 45

4 Wachstumseffekte ausländischer Direktinvestitionen: Wirkungskanäle 50

4.1 Akkumulationseffekte 51

4.1.1 Akkumulation von Sachkapital 52

4.1.2 Akkumulation von technisch-organisatorischem Wissen 61

4.1.3 Akkumulation von Humankapital 70

4.2 Allokationseffekte 73

4.3 Deviseneffekte 80

5 Aggregierte Wachstumseffekte ausländischer Direktinvestitionen:

Empirischer Befund 86

5.1 Grundaussagen existierender Studien zu den aggregierten Wachstumseffekten ausländischer Direktinvestitionen 86

5.2 Weitere empirische Determinanten wirtschaftlichen Wachstums 89

5.3 Eigene Untersuchungen der aggregierten Wachstumseffekte auslän-

discher Direktinvestitionen 105

5.3.1 Untersuchungsansatz und verwendete Daten 107

5.3.2 Wahl des Humankapitalindikators 111

5.3.3 Erste Ergebnisse 113

5.3.4 Verwendung von zeitlichen Verzögerungen 116

5.3.5 Schätzung mit zehnjährigen Perioden und zeitlicher Verzögerung 118

5.3.6 Verkleinerung der Anzahl verwendeter Variablen 119

5.3.7 Schätzungen differenziert nach Ländergruppen 124

5.3.8 Gesamtergebnis der eigenen Wachstumsschätzungen 134

6 Verteilungseffekte ausländischer Direktinvestitionen: Wirkungskanäle 138

6.1 Wirkungen von internationalen Kapitaltransfers 138

6.2 Kurz- und mittelfristige Beschäftigungseffekte ausländischer Direkt-

investitionen 141

6.3 Langfristige Beschäftigungseffekte ausländischer Direktinvestitionen 144

7 Aggregierte Verteilungseffekte ausländischer Direktinvestitionen: Empirischer Befund 148

7.1 Grundaussagen existierender Studien zu den aggregierten Auswirkungen ausländischer Direktinvestitionen auf die Ungleichheit und abgeleitete Hypothesen 148

7.2 Weitere empirische Determinanten der Einkommensverteilung 153

7.3 Eigene Untersuchungen zum Gini-Koeffizienten 164

7.3.1 Verwendete Indikatoren und Ergebnisse im Ansatz von Tsai 164

7.3.2 Grundsätzliche eigene Ergebnisse 171

7.3.2.1 Schätzungen auf Basis eines Datensatzes von 82

Beobachtungen 173

7.3.2.2 Schätzungen auf Basis eines Datensatzes von 64 Beobachtungen 180

7.3.2.3 Schätzungen auf Basis eines erweiterten Datensatzes von

133 Beobachtungen 187

7.3.2.4 Schätzungen auf Basis eines erweiterten Datensatzes von

100 Beobachtungen 192

7.3.3 Eigene Schätzergebnisse differenziert nach Ländergruppen 196

7.3.4 Gesamtergebnis der eigenen Gini-Koeffizientenschätzungen und kritische Gegenüberstellung 211

7.4 Eigene Untersuchungen zum Quintilseinkommen 217

7.4.1 Untersuchungsansatz und verwendete Daten 217

7.4.2 Grundsätzliche Schätzungen 221

7.4.3 Schätzungen differenziert nach Ländergruppen 226

7.4.4 Gesamtergebnis der eigenen Quintilseinkommensschätzungen 241

7.5 Weitere empirische Determinanten des Ausmaßes absoluter Armut 242

7.6 Möglicher Schätzansatz für das Ausmaß absoluter Armut 250

8 Fazit 252

Verzeichnis der Anhänge XIII

Literaturverzeichnis XCV

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Entwicklungspolitischer Zielkatalog. 7

Abbildung 2: Bestände an FDI weltweit in Mrd. US-$. 33

Abbildung 3: FDI-Zuflüsse in Mrd. US-$. 34

Abbildung 4: Volatilität von Kapitalströmen in Entwicklungsländer im Zeitraum 1992-97. 35

Abbildung 5: Quellen von FDI-Strömen in Mrd. US-$. 36

Abbildung 6: Verteilung der FDI auf Entwicklungsländerregionen in Prozent. 40

Abbildung 7: Grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen in

Mrd. US-$. 48

Abbildung 8: Patent- und Lizenzzahlungen in Mrd. US-$. 49

Abbildung 9: Wesentliche Richtungen der indirekten Wirkungen von FDI. 54

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Inwärtige FDI-Bestände in Prozent des Bruttoinlandsprodukts. 3

Tabelle 2: Einfließende FDI-Ströme in Prozent der Sachkapitalbildung. 3

Tabelle 3: Variablen und Datenquellen für Borensztein et al. (1998) und eigene Schätzungen. 108

Tabelle 4: Ergebnisse verschiedener Humankapitalindikatoren 111

Tabelle 5: FDI und Wirtschaftswachstum pro Kopf 1970-94 (21 Länder), Humankapital mit Bezug auf die gesamte Bevölkerung im Alter von mindestens 25 Jahren (SCND1). 3

Tabelle 6: FDI und Wirtschaftswachstum pro Kopf 1975-94 (21 Länder), Humankapital mit Bezug auf die gesamte Bevölkerung im Alter von mindestens 25 Jahren (SCND1), nur die Variable GOVCONS geht mit zeitlicher Verzögerung in die Schätzung ein. 3

Tabelle 7: FDI und Wirtschaftswachstum pro Kopf 1975-94 (25 Länder /zwei Perioden), Humankapital mit Bezug auf die gesamte Bevölkerung im Alter von mindestens 25 Jahren (SCND1), nur die Variable GOVCONS geht mit zeitlicher Verzögerung

in die Schätzung ein. 3

Tabelle 8: FDI und Wirtschaftswachstum pro Kopf 1975-94 (35 Länder/vier Perioden), Humankapital mit Bezug auf die gesamte Bevölkerung im Alter von mindestens 25 Jahren (SCND1), alle Variablen gehen mit ihren kontemporären Werten in die Schätzung ein. 3

Tabelle 9: FDI und Wirtschaftswachstum pro Kopf 1975-94 (29 Länder/vier Perioden), Humankapital mit Bezug auf die gesamte Bevölkerung im Alter von mindestens 25 Jahren (SCND1), alle Variablen gehen mit ihren kontemporären Werten in die Schätzung ein. Nur GOVCONS bezieht sich jeweils auf die vorhergehenden fünf Jahre. 3

Tabelle 10: Dummyvariablen zur Differenzierung von Ländergruppen. 3

Tabelle 11: FDI und Wirtschaftswachstum pro Kopf 1975-94 (29 Länder/vier Perioden), zusätzlich zu den Angaben von Tabelle 9 werden verschiedene regionale Ländergruppen untersucht. 3

Tabelle 12 : FDI und Wirtschaftswachstum pro Kopf 1975-94 (29 Länder/vier Perioden), zusätzlich zu den Angaben von Tabelle 9 werden verschiedene Einkommens-Ländergruppen untersucht. 3

Tabelle 13: FDI und Wirtschaftswachstum pro Kopf 1975-94 (29 Länder/vier Perioden), zusätzlich zu den Angaben von Tabelle 9 werden nach Exportgüterschwerpunkten gebildete Ländergruppen untersucht. 3

Tabelle 14: Variablen und Datenquellen für Tsai (1995) und eigene Schätzungen. 3

Tabelle 15: Tabelle 1 aus Tsai (1995), S. 476. 3

Tabelle 16: Tabelle 2 aus Tsai (1995), S. 478. 3

Tabelle 17: Eigene Ergebnisse mit 82 Beobachtungen zum Vergleich mit Tabelle 1 aus Tsai (1995), S. 476. Abhängige Variable ist der Gini-Koeffizient. 3

Tabelle 18: Eigene Ergebnisse für 82 Beobachtungen, nachempfunden

Tabelle 2 aus Tsai (1995), S. 478. Abhängige Variable ist der Gini-Koeffizient (Teil 1). 3

Tabelle 19: Eigene Ergebnisse für 82 Beobachtungen, nachempfunden

Tabelle 2 aus Tsai (1995), S. 478. Abhängige Variable ist der Gini-Koeffizient (Teil 2). 3

Tabelle 20: Eigene Ergebnisse mit 64 Beobachtungen zum Vergleich mit

Tabelle 1 aus Tsai (1995), S. 476. Abhängige Variable ist der Gini-Koeffizient. 3

Tabelle 21: Eigene Ergebnisse für 64 Beobachtungen, nachempfunden Tabelle 2 aus Tsai (1995), S, 478. Abhängige Variable ist der Gini-Koeffizient (Teil 1). 3

Tabelle 22: Eigene Ergebnisse für 64 Beobachtungen, nachempfunden Tabelle 2 aus Tsai (1995), S. 478. Abhängige Variable ist der Gini-Koeffizient (Teil 2). 3

Tabelle 23: Eigene Ergebnisse mit 133 Beobachtungen zum Vergleich mit Tabelle 1 aus Tsai (1995), S. 476. Abhängige Variable ist der Gini-Koeffizient. 3

Tabelle 24: Eigene Ergebnisse für 133 Beobachtungen, nachempfunden Tabelle 2 aus Tsai (1995), S. 478. Abhängige Variable ist der Gini-Koeffizient. 3

Tabelle 25: Eigene Ergebnisse mit 100 Beobachtungen zum Vergleich mit Tabelle 1 aus Tsai (1995), S. 476. Abhängige Variable ist der Gini-Koeffizient. 3

Tabelle 26: Eigene Ergebnisse mit 100 Beobachtungen, nachempfunden Tabelle 2 aus Tsai (1995), S. 478. Abhängige Variable ist der Gini-Koeffizient. 3

Tabelle 27: Ergebnisse für Schätzungen mit 133 Beobachtungen nach

Regionen. 3

Tabelle 28: Ergebnisse für Schätzungen mit 100 Beobachtungen nach

Regionen. 3

Tabelle 29: Ergebnisse für Schätzungen mit 133 Beobachtungen nach

Einkommen. 3

Tabelle 30: Ergebnisse für Schätzungen mit 100 Beobachtungen nach

Einkommen. 3

Tabelle 31: Ergebnisse für Schätzungen mit 133 Beobachtungen nach

Exporten. 3

Tabelle 32: Ergebnisse für Schätzungen mit 100 Beobachtungen nach

Exporten. 3

Tabelle 33: Verwendete Variablen, deren Definitionen und Quellen. 3

Tabelle 34: Erklärung des Einkommenswachstums der ärmsten 20 Prozent (Teil 1). 3

Tabelle 35: Erklärung des Einkommenswachstums der ärmsten 20 Prozent (Teil 2). 3

Tabelle 36: Erklärung des Einkommenswachstums der ärmsten 20 Prozent nach regionalen Ländergruppen (Teil 1). 3

Tabelle 37: Erklärung des Einkommenswachstums der ärmsten 20 Prozent nach regionalen Ländergruppen (Teil 2). 3

Tabelle 38: Erklärung des Einkommenswachstums der ärmsten 20 Prozent nach Einkommens-Ländergruppen (Teil 1). 3

Tabelle 39: Erklärung des Einkommenswachstums der ärmsten 20 Prozent nach Einkommens-Ländergruppen (Teil 2). 3

Tabelle 40: Erklärung des Einkommenswachstums der ärmsten 20 Prozent nach Exportgüter-Ländergruppen (Teil 1). 3

Tabelle 41: Erklärung des Einkommenswachstums der ärmsten 20 Prozent nach Exportgüter-Ländergruppen (Teil 2). 3

Boxenverzeichnis

Box 1: Definitionen für ausländische Direktinvestitionen und Transnationale Unternehmen. 3

Box 2: Export processing zones. 3

Box 3: Vergleich der Erklärungskraft der einzelnen Humankapital-indikatoren. 3

Abkürzungsverzeichnis

ASEAN Association of Southeast Asian Nations

BGL Borensztein, De Gregorio und Lee

BIP Bruttoinlandsprodukt

DEG Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH

DIHT Deutscher Industrie- und Handelskammertag

ECLAC Economic Commission for Latin America and the Caribbean

EL Entwicklungsland/Entwicklungsländer

EP Exportorientierte Wirtschaftspolitik

EPZ export processing zone

EU Europäische Union

F&E Forschung und Entwicklung

FAO Food and Agriculture Organization of the United Nations

FDI foreign direct investment (ausländische Direktinvestition)

FPI foreign portfolio investment (ausländische Portfolioinvestition)

IFC International Financial Corporation

IL Industrieland/Industrieländer

ILO International Labour Office (Internationales Arbeitsamt)

IMF International Monetary Fund (Internationaler Währungsfond)

LA Lateinamerika

LDCs least developed countries

M&A Mergers and Acquisitions (Fusionen und Übernahmen)

MOE Mittel- und Osteuropa

NBER National Bureau of Economic Research

OECD Organisation for Economic Co-operation and Development

OLI ownership, location, internalisation

PKE Pro-Kopf-Einkommen

SURE seemingly unrelated regression equations

SSA Sub-Sahara-Afrika

TNC Transnational Corporation (Transnationales Unternehmen)

TNU Transnationales Unternehmen

TR Transformationsländer

UN United Nations

UNCTAD United Nations Conference on Trade and Developement

UNCTC United Nations Centre on Transnational Corporations

UNDP United Nations Development Programme

UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization

URL uniform resource locator

WTO World Trade Organization

Einführung

Ausländische Direktinvestitionen (FDI = foreign direct investment) werden als eines der Wesensmerkmale der „Globalisierung“ betrachtet, die bei vielen Menschen sowohl in Industrie- als auch Entwicklungsländern mit der Furcht vor Arbeitslosigkeit, wachsender Ungleichheit und sozialem Abstieg assoziiert wird. Beeindruckend ist in der Tat die Entwicklung, die die FDI-Zahlen in den letzten zwei Jahrzehnten genommen haben: Der globale Bestand wuchs von rund 625 Mrd. US-$ im Jahr 1980 auf 6.845 Mrd. US-$ im Jahr 2001 [vgl UNCTAD (2002a)], und die jährlichen Ströme weiteten sich mit Wachstumsraten aus, die diejenigen des ebenfalls stark zunehmenden internationalen Handels in den Schatten stellten.[1] Obwohl Direktinvestitionen hauptsächlich von Industrieländern in Industrieländern getätigt werden, sind sie für Entwicklungs- und Transformationsländer von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Zudem können sie einen steigenden Anteil an den jährlichen FDI-Strömen verzeichnen. Lag dieser Anfang der 1980er Jahre bei ca. 20 Prozent, so erreichte er Mitte der 1990er Jahre 40 Prozent; im Jahr 2001 betrug er noch ca. 32 Prozent [vgl. UNCTAD (2002a)]. Die Bedeutung von FDI schwankt dabei von Land zu Land, aber gerade bei Betrachtung des Anteils der einfließenden Direktinvestitionen an der für die wirtschaftliche Entwicklung höchst bedeutsamen Sachkapitalbildung wird die Wichtigkeit deutlich. Für einige Länder liegt dieser Anteil über 50 Prozent, im Durchschnitt der Entwicklungsländer waren es im Jahr 2000 über 13 Prozent [vgl. UNCTAD (2002a)]. Ausländische Direktinvestitionen sind somit zu einem bedeutenden Faktor der wirtschaftlichen Entwicklung in diesen Ländern geworden und rücken mehr und mehr in den Mittelpunkt des Interesses – auch von wirtschaftswissenschaftlicher Theorie und Empirie.

Von vielen Autoren werden Direktinvestitionen – insbesondere in Arbeiten der 1960er Jahre – als besonders wichtiger Verursacher des Entwicklungsrückstandes der Länder der „Dritten Welt“ beschrieben. Wenn man Entwicklung dabei nach Wachstums- und Verteilungswirkungen aufgliedert, werden die Wachstumseffekte auf das Pro-Kopf-Einkommen, die durch die internationale Arbeitsteilung entstehen, heute zwar insgesamt positiv dargestellt, die Verteilungswirkungen werden dagegen vielfach sehr kritisch gesehen. Die armuts- und/oder ungleichheitserhöhenden Verteilungswirkungen von FDI werden häufig größer eingeschätzt als ihre armutssenkenden Wachstumsbeiträge.

In den 1970er Jahren wurde bereits der Versuch unternommen, unvoreingenommen die Vor- und Nachteile von FDI zu analysieren [z.B. Hemmer (1972)]. Diese Bemühungen konnten jedoch nicht verhindern, dass in der breiten Öffentlichkeit primär die These von den ungleichheitserhöhenden Wirkungen von FDI Beachtung fand. Die positiven Wachstumsbeiträge fanden nur geringe Berücksichtigung. Mit der Erkenntnis, Unterentwicklung beruhe in erster Linie auf Binnenfaktoren und nicht auf einer Fehlfunktion der globalen Märkte, setzte die Abkehr von der binnenorientierten Entwicklungsstrategie der Importsubstitution ein. Viele Entwicklungsländer suchten wieder die Integration in die Weltmärkte und zu diesem Zweck die Präsenz von internationalen Konzernen in ihren Ländern. Heute ist auch in der breiten Öffentlichkeit ein Paradigmen-Wechsel hin zu einer positiven Interpretation von FDI – zumindest in Bezug auf die Wachstumswirkungen – erfolgt [vgl. Panetta (2003), S. 21 f.].

Ziel dieser Arbeit ist es, Wachstums- und Verteilungswirkungen von FDI in Entwicklungsländern unvoreingenommen und systematisch zu prüfen. Insbesondere muss dabei von den allgemeinen positiven und negativen Begleiterscheinungen des Industrialisierungsprozesses in einzelnen Ländern abstrahiert und lediglich auf die Effekte der Auslandsinvestition als solche abgestellt werden.

Im Folgenden wird eine systematische Analyse der Literatur zu den Wachstums- und Verteilungswirkungen von FDI in Entwicklungsländern vorgenommen. Die Struktur dieser Analyse leitet sich aus den entwicklungspolitischen Zielen ab. Mit Hilfe ökonometrischer Analysen werden die aus der Literaturstudie hervorgegangene Ergebnisse daraufhin einer empirischen Überprüfung unterzogen.

Die vorliegende Literaturauswertung wird mit einer Darstellung der Dimensionen des Entwicklungsziels, insbesondere des Teilziels der wirtschaftlichen Entwicklung, eröffnet. Mit dieser soll ein Rahmen vorgegeben werden, der eine Beurteilung der Relevanz der untersuchten Wirkungen zulässt [vgl. Kapitel 2].

Anschließend wird der Begriff der ausländischen Direktinvestition näher erläutert, um den Betrachtungsgegenstand zu verdeutlichen [vgl. Kapitel 3]. In diesem Teil wird geklärt, wie FDI definiert und gemessen werden und welche Probleme dies für eine Analyse der Wirkungen aufwirft. Außerdem wird darauf eingegangen, wieso es überhaupt zu FDI kommt und wie sich die Entwicklung der Ströme und Bestände darstellt.

Dann wird auf die einzelnen Wirkungskanäle eingegangen, durch die FDI auf die Dimensionen des Ziels der wirtschaftlichen Entwicklung Einfluss nehmen. Zunächst werden die potenziellen Auswirkungen auf das wirtschaftliche Wachstum erörtert [vgl. Kapitel 4]. Betrachtet werden die Akkumulation der Produktionsfaktoren Sachkapital, Humankapital und technisch-organisatorisches Wissen sowie Allokations- und Deviseneffekte. Die beiden letzteren beschreiben, wie FDI auf den effizienten Einsatz der Produktionsfaktoren Einfluss nehmen bzw. wie sich FDI auf die Devisenbilanz auswirken.

Anschließend wird eine Auswertung der verfügbaren empirischen Studien zu den Wachstumswirkungen von FDI vorgenommen und in einer eigenen empirischen Untersuchung der Gesamteinfluss von FDI auf das Wirtschaftswachstum ökonometrisch erfasst. Dazu wird eine Paneluntersuchung auf der Makroebene durchgeführt, die einem Ansatz von Borensztein, de Gregorio und Lee [1998] folgt, der mit neueren Daten versehen und um die Betrachtung verschiedener Ländergruppen erweitert wird [vgl. Kapitel 5].

Danach werden die potenziellen Verteilungswirkungen von FDI untersucht [vgl. Kapitel 6]. Im Mittelpunkt stehen dabei zum einen die Beschäftigungseffekte, da die ärmeren Bevölkerungsschichten in Entwicklungsländern zur Generierung von Einkommen i.d.R. nur über ihre ungelernte Arbeitskraft verfügen, und zum anderen die Rolle von Humankapital, welches die Effekte von FDI auf Ungleichheit und Armut in einem Land wesentlich beeinflusst.

Der empirische Befund der Verteilungswirkungen von FDI [vgl. Kapitel 7] wird mit einer Auswertung existierender empirischer Studien eröffnet. In den eigenen empirischen Untersuchungen der Verteilungswirkungen werden dann zwei Ansätze verfolgt: Zum einen werden die Auswirkungen von FDI auf die Gleichmäßigkeit der Einkommensverteilung – gemessen am Gini-Koeffizienten – mit Hilfe von Querschnittsregressionen erforscht. Dieser Ansatz orientiert sich an Tsai (1995) und wird für neue Daten und differenziert nach verschiedenen Ländergruppen geschätzt. Zum anderen stellt ein Maß für die relative Armut die zu erklärende Größe dar: Das Einkommenswachstum der ärmsten 20 Prozent eines Landes wird ebenfalls in einer Querschnittsuntersuchung u.a. durch FDI erklärt; ein Ansatz, wie ihn schon Dollar und Kraay [2000] – nur ohne Bezug zu FDI – verfolgten. Auch dieser Ansatz enthält eine Differenzierung verschiedener Ländergruppen. Die Auswirkungen von FDI auf das Ausmaß absoluter Armut waren ebenfalls zur Untersuchung vorgesehen. Diese kann allerdings aufgrund mangelnder Daten zur Zeit noch nicht durchgeführt werden.

Für die durchgeführten Untersuchungen ist explizit auf eine vorsichtige Interpretation der Daten hinzuweisen. Einerseits bleiben viele Einzelaspekte bei dieser Art der Untersuchung (makroökonomische Querschnitts- bzw. Paneluntersuchungen) verdeckt, andererseits erfüllt die Qualität der Daten vieler Entwicklungsländer nur sehr eingeschränkt die Anforderungen, die für eine ökonometrische Auswertung im Idealfall erfüllt sein sollten.

Die Arbeit schließt mit einem Fazit [vgl. Kapitel 8], in dem die gewonnenen Erkenntnisse in die gegenwärtige wirtschaftswissenschaftliche Forschung eingeordnet und Ansatzpunkte zukünftiger Forschung aufgezeigt werden.

Ziel der wirtschaftlichen Entwicklung[2]

2.1 Einordnung

„Unter Entwicklungsländern verstehen wir jene Länder, deren bisheriger Entwicklungsstand in einem von uns als nicht annehmbar betrachteten Ausmaß hinter dem Stand in den Industrieländern zurückgeblieben ist“ [Hemmer (2002), S. 7].[3]

Aus dieser Definition ergibt sich das generelle Entwicklungsziel: die Verbesserung des Entwicklungsstandes. Der Entwicklungsstand eines Landes wird durch das erreichte Wohlstandsniveau seiner Bewohner bestimmt. Dieses wird sowohl von materiellen als auch immateriellen Größen beeinflusst. Entwicklung hat demnach nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische und eine gesellschaftlich-soziale Dimension [vgl. Abbildung 1 und Petrochilos (1989), S. 9]. Kulturelle und religiöse Aspekte werden hierbei unter der gesellschaftlich-sozialen Dimension subsumiert.

Im Kern zielen die politische und gesellschaftlich-soziale Dimension des Entwicklungsstandes darauf ab, in welchem Umfang die Beachtung der Menschenrechte in einem Land gewährleistet ist. In der internationalen Debatte dominiert allerdings die wirtschaftliche Dimension, welche sich auf die materiellen Lebensbedingungen, den Lebensstandard, bezieht [vgl. Hemmer (2002), S. 4]. Auch wenn FDI sich ebenfalls auf die anderen beiden Teilziele auswirken, sollen diese im Folgenden nicht weiter betrachtet werden.

Der Lebensstandard ist zunächst umso höher, je besser die Grundbedürfnisse der Bevölkerung befriedigt sind. Diese beziehen sich wiederum auf die Sicherung des Existenzminimums. Dieses gilt als erreicht, wenn „die Voraussetzungen für eine volle physische, psychische und soziale Entfaltung des Menschen“ [Oldenbruch (1978), S. 20] erfüllt sind.[4]

Wesentlicher Indikator für den Lebensstandard und damit die wirtschaftliche Dimension der Entwicklung ist der zur Verfügung stehende Güterberg.

Damit muss die Vergrößerung dieses Güterbergs im wirtschaftlichen Entwicklungsziel enthalten sein. Unter dem Oberbegriff des wirtschaftlichen Wachstums betrachtet man hierbei die Veränderung von Quantität, Qualität und Zusammensetzung dieses Güterberges [vgl. Hemmer (2002), S. 53 f.].

Das wirtschaftliche Entwicklungsziel ist aber nicht auf das Wachstumsziel beschränkt, sondern enthält auch noch ein Verteilungs- und ein Umweltziel, in denen die angestrebte Einkommensverteilung bzw. Umweltnutzung zum Ausdruck kommen [vgl. Abbildung 1].

[pic]

Abbildung 1: Entwicklungspolitischer Zielkatalog.

Quelle: Hemmer (2000b), S. B70.

2.2 Wachstumsziel

Wie in Abbildung 1 zu erkennen ist, sind für die Zielerreichung des Wachstumsziels, d.h. die Vergrößerung des verfügbaren Güterbergs, zwei Unterziele von Bedeutung: das Allokations- und das Akkumulationsziel.

Das Allokationsziel fordert, die vorhandenen Produktionsfaktoren so einzusetzen, dass für die Gesellschaft die maximal mögliche Bedürfnisbefriedigung, d.h. der maximale Wohlstand erreicht wird. Vielfach wird immer noch über den „ineffizienten, unproduktiven Einsatz der Produktionsfaktoren, die in den Entwicklungsländern vorhanden sind“ [Hemmer (2002), S. 68], geklagt. Da sich durch Reallokation nur statische Effizienzgewinne erzielen lassen, gehört das Allokationsziel aber nur zum Wachstumsziel im weiteren Sinne.

Beim Akkumulationsziel handelt es sich um das Wachstumsziel im engeren Sinne. Hierbei geht es um die Vergrößerung der Menge vorhandener Produktionsfaktoren und um eine Steigerung des technisch-organisatorischen Wissens. Unter Produktionsfaktoren versteht man i.d.R. Sachkapital, Humankapital, natürliche Ressourcen und Arbeit, deren Produktivität entscheidend vom gegebenen Stand des technisch-organisatorischen Wissens abhängt.

Die Produktionsfaktoren sind dabei inhaltlich wie folgt bestimmt: „Kapital kann grundsätzlich definiert werden als jener Teil des Produktionsergebnisses früherer Perioden, der zur Produktionserstellung in der betrachteten Periode beiträgt. Zum volkswirschaftlichen Kapitalstock gehören damit alle produzierten Produktionsmittel – und zwar unabhängig davon, ob es sich um Sachgüter (wie z.B. Gebäude, maschinelle Anlagen, Warenvorräte, Verkehrseinrichtungen) oder um menschliche Fähigkeiten handelt, die im Zuge der Produktion geschaffen wurden und daher „produzierte Fähigkeiten“ darstellen. Zu letzteren zählen vor allem der Bildungs- und Ausbildungsstand der Arbeiter sowie das unternehmerische und planerische Potential eines Landes. Zur Unterscheidung beider Kapitalarten verwendet man üblicherweise die Begriffe „Sachkapital“ (bzw. Realkapital, materielles Kapital, totes Kapital) und „Humankapital“ (bzw. Fähigkeitskapital, immaterielles Kapital, intangibles Kapital)“ [Hemmer (2002), S. 61]. Die Definition von Wissen ist wiederum eng an die des Humankapitalbegriffs angelehnt: „Während Humankapital in Individuen inkorporierte (= gebundene) Kenntnisse und Fertigkeiten darstellt, bezeichnet Wissen ungebundene, theoretische Kenntnisse, wie sie beispielsweise als Forschungsergebnisse in Büchern oder Konstruktionsplänen vorliegen“ [Fenkel/Hemmer (1999), S. 239]. Zu den natürlichen Ressourcen zählen „der landwirtschaftlich nutzbare Boden, die klimatischen Bedingungen sowie die Rohstoffvorkommen des betreffenden Landes“ [Hemmer (2002), S. 161]. Der Faktor Arbeit beschreibt nur die ungelernte Arbeit, für die keine Ausbildung erforderlich ist.

Als für das wirtschaftliche Wachstum entscheidend wird traditionell die Vergrößerung des Kapitalstocks gesehen.[5] Neben einer Zunahme an Produktionsfaktoren kann sich wirtschaftliches Wachstum auch aus einer Veränderung des technisch-organisatorischen Wissens und des institutionellen Rahmens ergeben [vgl. Hemmer (2002), S. 74 f.]; die Förderung des Wissens ist damit ebenfalls Teil des Akkumulationsziels.

Als Indikator für die Erreichung des Wachstumsziels wird grundsätzlich auf die Veränderung des Pro-Kopf-Einkommens (PKE) abgestellt, welches als Jahreseinkommen berechnet wird. Diese Größe ist trotz vieler Probleme immer noch als bester Indikator für die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern anzusehen [vgl. Hemmer (2002), S. 9 ff.].[6]

2.3 Verteilungsziel

Allein ein größtmöglicher Güterberg führt noch nicht zur maximalen gesellschaftlichen Wohlfahrt. Entscheidend ist auch, wem die Güter zugute kommen, d.h. wie die Verteilungsfrage gelöst wird.

Da eine zusätzliche Güter- bzw. Geldeinheit nicht bei jedem Gesellschaftsmitglied den gleichen individuellen und gesellschaftlichen Nutzen stiftet, ist jene Güter- bzw. Einkommensverteilung anzustreben, welche die maximale gesellschaftliche Wohlfahrt bewirkt [vgl. Hemmer (2002), S. 79].[7]

Sowohl individueller als auch gesellschaftlicher Nutzen sind aber empirisch nicht messbar. Daher verbleibt nur die Betrachtung der Verteilung des Einkommens auf verschiedene Personen, ausgedrückt in der personellen Einkommensverteilung.[8] Ihre Betrachtung ist in Entwicklungsländern immer auch mit dem Begriff der Armut verbunden.

Unterschieden werden als Zielgrößen die Verminderung relativer und absoluter Armut. Werden Personen im Vergleich zu anderen benachteiligt, spricht man von relativer Armut. Übertragen auf die personelle Einkommensverteilung liegt relative Armut bereits vor, wenn nicht alle das Gleiche erhalten. Würden aber alle das Gleiche erhalten, würden wichtige Leistungsanreize verloren gehen. Es stellt sich daher die Frage nach der als „gerecht“ empfundenen Einkommensverteilung. In der Praxis wird diese Frage nur durch eine Kompromisslösung in Form einer Bandbreite von Einkommensverteilungen, die als akzeptabel angesehen werden, gelöst werden können.[9]

Für viele Entwicklungsländer wurden stark ungleiche Einkommensverteilungen festgestellt, so dass davon auszugehen ist, dass sie von der Mehrheit der Menschen als ungerecht abgelehnt werden und daher ein Abbau dieser Einkommenskonzentrationen ein relevantes Entwicklungsziel ist.

Sind Menschen nicht in der Lage, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen, so bezeichnet man sie als absolut arm. Allgemein akzeptiert ist das Ziel, eine Einkommensverteilung zu schaffen, die allen Gesellschaftsmitgliedern die Sicherung ihres Existenzminimums gestattet. Insbesondere für Länder mit einem hohen Ausmaß absoluter Armut hat dies im Rahmen des Verteilungsziels Priorität [vgl. Hemmer (2002), S. 91].

Als Indikator für das Ausmaß absoluter Armut wird i.d.R. der Head-count Index verwendet. Er gibt an, wie hoch der Anteil der Menschen, die in absoluter Armut leben, an der Gesamtbevölkerung ist. Für die relative Ungleichverteilung des Einkommens gibt es eine ganze Reihe von Verteilungsindikatoren. Am verbreitetsten ist der Gini-Koeffizient. Es handelt sich dabei um ein Maß, welches zwischen null (vollständige Gleichverteilung) und eins (vollständige Ungleichheit) normiert ist und sich aus der Lorenz-Kurve ableitet.[10]

2.4 Umweltziel

Wachstums- und Verteilungsziel spiegeln nicht in ausreichendem Maße den langfristigen Charakter des Entwicklungsziels wider. Dies manifestiert sich insbesondere in der Frage der Umweltnutzung, die ein intergeneratives Verteilungsproblem ist. Die Umwelt wird einerseits durch die Entnahme natürlicher Ressourcen und andererseits durch die Zuführung von Abfall- und Giftstoffen genutzt. Ein zu starker Verbrauch des „Gutes Umwelt“ durch die gegenwärtige Generation hat zur Folge, dass für zukünftige Generationen immer weniger davon zur Verfügung steht.

Das verbreitetste Konzept zur Lösung dieses Problems stellt das Konzept der nachhaltigen Entwicklung (sustainable development) dar. Grundidee ist, die Entwicklungsmöglichkeiten der gegenwärtigen Generation so zu nutzen, dass die Entwicklungschancen zukünftiger Generationen nicht beeinträchtigt werden. Die praktische Ausgestaltung dieses Konzepts hängt allerdings von der Bewertung des in den beiden folgenden Punkten zum Ausdruck kommenden Konflikts ab und kann daher sehr unterschiedlich ausfallen:

• „Jeder Verbrauch an nicht-regenerierbaren Ressourcen mindert die Konsummöglichkeiten künftiger Generationen. Da niemand weiß, wie viele Generationen nachfolgen werden, kann jeder Konsum als zu hoch angesehen werden.

• Der vollständige Verzicht auf den Konsum kann die Entwicklungsmöglichkeiten der heutigen Generation einschränken, ohne zu wissen, ob künftige Generationen diese Ressourcen für ihre Entwicklung benötigen“ [Hemmer (2002), S. 103].

Ein praktischer, ökologischer Bewertungsmaßstab für das Wachstum ist die Änderung des Stoffdurchsatzes. Werden immer weniger natürliche Ressourcen für einen gleichbleibenden oder steigenden Output verbraucht, wird in die richtige Richtung gesteuert [vgl. Hemmer (2002), S. 105].[11]

Zwischen Wachstums-, Verteilungs- und Umweltziel bestehen vielfache Interdependenzen. Bei der Auswahl bestimmter Maßnahmen sind diese zu berücksichtigen, um sicherzustellen, dass der ökonomische Entwicklungsstand tatsächlich gefördert wird. Im Rahmen dieser Arbeit werden die Wirkungen ausländischer Direktinvestitionen auf das Umweltziel allerdings nicht behandelt. Eine eingehende Untersuchung dieser Effekte würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen.[12]

Motive und Entwicklung ausländischer Direktinvestitionen

Bevor auf die Frage der Auswirkungen ausländischer Direktinvestitionen auf die Entwicklungsziele eingegangen werden kann, soll der Begriff zunächst zur Verständnisförderung näher erklärt werden. FDI werden als ein Indikator für das Ausmaß der Tätigkeit ausländischer Unternehmen in einem Land verwendet und sollen es erlauben, verschiedene Länder im Hinblick auf dieses Merkmal zu vergleichen. Im Folgenden wird zunächst die allgemein verwendete Definition von FDI vorgestellt und auf einige Probleme bei der Interpretation von FDI-Statistiken eingegangen [vgl. Abschnitt 3.1]. Weiterhin wird beschrieben, aus welchen Gründen Unternehmen sich zu dieser Form des Auslandsengagements entschließen [vgl. Abschnitt 3.2]. Dies ist bedeutsam, da die potenziellen Auswirkungen mit den Motiven variieren. Schließlich wird beleuchtet, welche Entwicklung FDI in den letzten Jahren genommen haben [vgl. die Abschnitte 3.3 und 3.4]. Die aktuellen Statistiken sollen einen Eindruck über Ausmaß und Richtung der Auslandsinvestitionen geben.

3.1 Statistisches Konzept

3.1.1 Definition von ausländischen Direktinvestitionen

Die wesentlichen internationalen Organisationen, die sich mit der Definition von FDI befassen, sind der Internationale Währungsfond (IMF = International Monetary Fund) und die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD = Organisation for Economic Co-operation and Development). Ihre Definitionen stimmen weitestgehend überein und sollen zur Vereinheitlichung und Vergleichbarkeit der nationalen Statistiken beitragen.[13]

FDI-Definition des Internationalen Währungsfonds:

„Direct investment is the category of international investment that reflects the objective of obtaining a lasting interest by a resident entity in one economy in an enterprise resident in another economy. (The resident entity is the direct investor and the enterprise is the direct investment enterprise.) The lasting interest implies the existence of a long-term relationship between the direct investor and the enterprise and a significant degree of influence by the investor on the management of the enterprise.

Direct investment comprises not only the initial transaction establishing the relationship between the investor and the enterprise but also all subsequent transactions between them and among affiliated enterprises, both incorporated and unincorporated” [IMF (1993), S. 86; Unterstreichungen hinzugefügt].[14]

Eng verbunden mit FDI ist der

Begriff des Transnationalen Unternehmens (TNU):

„Transnational corporations (TNCs) are incorporated or unincorporated enterprises comprising parent enterprises and their foreign affiliates. A parent enterprise is defined as an enterprise that controls assets of other entities in countries other than its home country, usually by owning a certain equity capital stake. An equity capital stake of 10 per cent or more of the ordinary shares or voting power for an incorporated enterprise, or its equivalent for an unincorporated enterprise, is normally considered as a threshold for the control of assets. A foreign affiliate is an incorporated or unincorporated enterprise in which an investor, who is resident in another economy, owns a stake that permits a lasting interest in the management of that enterprise (an equity stake of 10 per cent for an incorporated enterprise or its equivalent for an unincorporated enterprise)” [UNCTAD (2000), S. 267, Unterstreichungen hinzugefügt].

Box 1: Definitionen für ausländische Direktinvestitionen und Transnationale Unternehmen.

Die wesentlichen Elemente der Definition von FDI sind: in another economy, lasting interest und influence (oft wird auch von Kontrolle (control) gesprochen [vgl. Petrochilos (1989), S. 7]). Entscheidend ist zunächst, dass eine Beteiligung am Eigenkapital gegeben ist. Über die Höhe dieses Anteils bzw. optional das Ausmaß der Stimmrechte (voting power) wird festgelegt, ob eine Beteiligung als FDI zu zählen ist. I.d.R. gilt eine Beteiligung eines ausländischen Unternehmens ab einem Anteil von mindestens zehn Prozent als FDI [vgl. UNCTAD (2000), S. 267]. Neben dem ausländischen Ursprung von FDI und der Beteiligung am Eigenkapital ist die Absicht des Investors, dauerhaft Einfluss auf das unternehmerische Geschehen auszuüben, das entscheidende Kennzeichen.[15]

Diese Schlüsselelemente helfen, FDI von Portfolioinvestitionen, kurz- und langfristigen Darlehen, heimischen Investitionen und Markttransaktionen zu unterscheiden [vgl. Bellak (1998), S. 232]. Besonders wichtig und zugleich nicht immer einfach ist die Abgrenzung von FDI gegenüber Portfolioinvestitionen. Bei beiden handelt es sich um Eigenkapitalbeteiligungen. Der Einfluss auf das unternehmerische Geschehen ist das entscheidende Merkmal, an dem sie unterschieden werden. Bei Portfolioinvestitionen stehen die kurzfristigen Renditeaspekte im Vordergrund, ohne dass der Investor auf die Unternehmensführung wesentlichen Einfluss nehmen will [vgl. Wagner/Kaiser (1995), S. 206].

Die auf diese Weise definierten FDI-Zahlen haben sich aufgrund der Interessen der Zahlungsbilanzersteller gegen FDI-Maße durchgesetzt, die von Kreisen bevorzugt wurden, die sich mit dem Verhalten von Transnationalen Unternehmen beschäftigten [vgl. Lipsey (2001), S. 6].

Der Begriff der Transnationalen Unternehmen (TNU) ist eng mit FDI verbunden. Wesentliches Kennzeichen eines TNU sind eigene Niederlassungen jenseits der Grenzen seines Heimatlandes. Eine solche Niederlassung wird zum TNU gerechnet, wenn eine Mindestbeteiligung von zehn Prozent des Eigenkapitals gegeben ist [vgl. Box 1]. Die Bedeutung der TNU kann heutzutage kaum überschätzt werden. Sie beeinflussen die Umstrukturierungen der globalen Wirtschaft in erheblichem Maße [vgl. Messner (1997), S. 142 und Mytelka (1999), S. 1 f.]: Sie

• transferieren Technologien, Managementfähigkeiten und Finanzkapital;

• beeinflussen die internationale Arbeitsteilung durch ihre Produktions-, Produkt-, Marketing- und Beschaffungsstrategien, die vielfach durch Netzwerke geprägt sind;

• tragen mit ihren Standortentscheidungen zur Restrukturierung nationaler Ökonomien bei;

• sind im Besitz von 80 Prozent der weltweiten privaten technologischen Kapazitäten und bestimmen wesentlich das Tempo des technologischen Wandels;

• verfügen vor dem Hintergrund zunehmenden Wettbewerbs von Ländern um Direktinvestitionszuflüsse gegenüber den nationalen Regierungen vieler (v. a. ökonomisch schwächerer) Staaten über ein großes Verhand-lungspotenzial zur Durchsetzung ihrer Interessen.

Letztendlich sind FDI nur Ausdruck der Tätigkeit von TNU und werden meist dazu verwendet, das Ausmaß dieser Tätigkeit zu messen.

3.1.2 Probleme von Direktinvestitionsstatistiken

Meistens werden Direktinvestitionsdaten zu Zwecken der Zahlungs-bilanzstatistik erfasst. Sie stellen dann Stromgrößen dar. Außerdem lassen sich Bestandsdaten erheben, die angeben, wie viele Unternehmen sich zu einem bestimmten Zeitpunkt unter ausländischem Einfluss befinden bzw. über wie viel Kapital diese verfügen.

In diesem Abschnitt sollen folgende Probleme behandelt werden:

• Anhand der Bestandsstatistik soll das Problem der Verzerrungen durch Bewertungsfragen dargelegt werden.

• Auf die eingeschränkte internationale Vergleichbarkeit soll hingewiesen werden.

• Die Gründe, warum FDI als Indikator für das Ausmaß der Tätigkeit ausländischer Unternehmen in einem Land und für das Ausmaß der Sachkapitalbildung durch ausländische Unternehmen nur eingeschränkt verwendbar sind, sollen am Beispiel der FDI-Ströme ausgeführt werden.

Verzerrungen durch Bewertungsfragen:

Vielfach wird versucht, FDI-Bestände zu bestimmen. Diese messen den Wert der Anteile der Muttergesellschaft am Kapital der Tochter, zuzüglich der anteiligen Reserven der Tochter und zuzüglich der Nettoverschuldung der Tochter bei der Muttergesellschaft. Die Bestandsermittlung kann entweder durch systematische Erhebung von Buchwerten, bspw. aus Unternehmensbilanzen, oder durch Aufsummierung von Stromdaten geschehen. Beide Vorgehensweisen sind allerdings mit Problemen behaftet [vgl. Bellak (1998), S. 236 ff.]:

Probleme der Ermittlung von FDI-Beständen aus Buchwerten:

- Es macht einen Unterschied, ob die Werte aus der Bilanz der Mutter- oder der Tochtergesellschaft entnommen werden [vgl. OECD (1995), S. 276].[16]

- Es können historische Buchwerte, Wiederbeschaffungswerte oder Marktwerte zu Grunde gelegt werden.

- Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft sollten berücksichtigt werden; diese Daten sind aber nicht immer zugänglich.

- FDI-Bestandsdaten aus Buchwerten dürfen nicht mit den besser verfügbaren Daten, die aus kumulierten FDI-Strömen gewonnen wurden, gleichgesetzt werden.

Aber auch die Verwendung von kumulierten FDI-Strömen weist ähnliche Probleme auf:

- Bewertungsänderungen bleiben unberücksichtigt (z.B. Wechselkurs-änderungen).

- Inflation bleibt unberücksichtigt, daher werden „alte“ Bestände unter-schätzt.

- Kumulierte Ströme enthalten z.T. weder nicht-finanzielle Vermögensgegenstände noch solche Vermögensgegenstände, die im Gastland erworben wurden, da diese in den Zahlungsbilanzdaten nicht erfasst werden, wenn reinvestierte Gewinne (reinvested earnings) nicht ermittelt werden (wie z.B. in Japan).

Da die Probleme bei den kumulierten Strömen, insbesondere wegen Verzerrungen durch Wechselkursänderungen, gravierender sind als bei den Bestandsdaten, werden diese Daten nur herangezogen, wenn keine Buchwerte zur Verfügung stehen. Im Vergleich zu Bestandsdaten auf der Basis von Buchwerten ist die Verfügbarkeit einer der großen Vorteile von FDI-Stromgrößen. Deshalb werden in empirischen Untersuchungen meist Stromgrößen als FDI-Indikator im Sinne einer Second-best-Lösung verwendet.

Wie die Auflistung der Schwierigkeiten mit den Bestandsdaten bereits zeigt, stellen Bewertungsänderungen ein Hauptproblem bei FDI-Statistiken dar. Bellak [(1998), S. 240 f.] zeigt die Möglichkeiten der Über- und Unterbewertung von FDI auf und kommt zu dem Schluss, dass die der Unterbewertung erheblich bedeutsamer sind. Gründe für Bewertungsänderungen sind: Wechsel-kursänderungen, Gewinne und Verluste, Liquidationen, Desinvestitionen, Enteignungen, Änderungen der Bilanzierungsstandards, etc. Zum Beispiel führte die Abwertung des mexikanischen Peso 1995 zu einem deutlichen Rückgang deutscher FDI-Bestände in Mexiko, während gleichzeitig real eine deutliche Zunahme des Engagements deutscher Unternehmen zu verzeichnen war [vgl. Rösler (2000), S. 176 f.].

Es sind verschiedene Versuche unternommen worden, zu einer Neubewertung von FDI-Beständen zu gelangen. Cantwell und Bellak [(1994), S. 12] versuchten bspw. dieses Problem mit Hilfe eines Perpetual inventory-Modells anzugehen.[17] Nach ihren Berechnungen sind FDI-Bestände bis zu 40 Prozent mehr wert, als ihre historischen Werte angeben. Die gleichen Autoren [vgl. Bellak/Cantwell (1996), S. 89] haben auch Kritik an dem Versuch geübt, das Problem der Unterbewertung durch einen Ansatz von Marktwerten auf Basis von Aktienkursen anzugehen, da diese Werte im Vergleich zum „aktiven Kapitalstock“, der sich über ein Perpetual inventory-Modell ermitteln ließe, tendenziell zu einer Überbewertung führen würden. Eine solche Neubewertung auf der Basis von Marktwerten hatten Gray und Rugman [(1994), S. 128 f.] vorgenommen. Sie hatten argumentiert, dass Marktwerte historischen oder konstanten Wiederbeschaffungswerten überlegen seien, da sie sich nicht wie die beiden anderen Wertansätze auf einzelne Vermögensgegenstände oder Verpflichtungen bezögen, sondern den Wert für den Anteil des Investors als Ganzes angäben. Eine anerkannte beste Methode der Neubewertung oder gar eine mit einer solchen Methode durchgeführte breite Neubewertung von Bestandsdaten gibt es z.Zt. nicht.

Eingeschränkte internationale Vergleichbarkeit:

Zu den bereits genannten Problemen bei der Ermittlung von Direktinvestitionsdaten kommen noch einige Probleme hinzu, welche die Vergleichbarkeit von Daten aus verschiedenen Ländern stark einschränken. Diese Probleme ergeben sich daraus, dass die oben zitierte Definition nicht von allen Ländern bei ihrer FDI-Erfassung strikt angewandt bzw. in Detailfragen unterschiedlich ausgelegt wird. Ein Beispiel ist die Frage, ob und in welchem Umfang Beteiligungen einer Auslandsniederlassung eines TNU an anderen Unternehmen als FDI erfasst werden [vgl. Borrmann (2003), S. 13 ff.]. Aus diesem Grund sind auch Vergleiche von FDI-Zahlen stets mit Vorsicht zu interpretieren [vgl. u.a. Deutsche Bundesbank (1997) und Jost (1999)]. Eine sehr offensichtliche Folge dieses Defizits an Vereinheitlichung ist die Tatsache, dass die weltweit erfassten einfließenden und ausfließenden FDI-Ströme nicht den gleichen Umfang haben.[18]

Eingeschränkter Indikator für ausländische Wirtschaftsaktivitäten und Sachkapitalbildung:

FDI werden zwar dazu verwendet, das Ausmaß der Tätigkeit von TNU zu messen. Diese Indikatorfunktion erfüllen sie aber nur eingeschränkt. Auch mit Sachkapitalbildung im Ausland dürfen FDI nicht gleichgesetzt werden.

Das Ausmaß der Tätigkeit eines ausländischen Unternehmens in einem Land wird theoretisch am besten durch die Wertschöpfung (value added) des Unternehmens gemessen, welche dieses im Land erbringt. Eine solche Maßzahl ist jedoch i.d.R. nicht verfügbar. Die beste Alternative wäre die Messung des Umsatzes, für den es aber ebenso nur in wenigen Ländern Datenmaterial gibt [vgl. Cantwell (1991), S. 86]. Um die Wertschöpfung zu ermitteln, müssten zusätzliche Daten über die eingesetzten Vorprodukte herangezogen werden. Diese Daten sind jedoch erst recht nicht verfügbar [vgl. Stephan/Pfaffmann (1998), S. 9].

Wegen dieser mangelnden Verfügbarkeit der theoretisch besseren Indikatoren sind FDI, die ein Maß für das Produktionspotenzial darstellen, der beste Indikator für die Tätigkeit ausländischer Unternehmen in einem Land, der z.Zt. verfügbar ist [vgl. Stephan/Pfaffmann (1998), S. 10 und Cantwell (1991), S. 88].

Hierzu sind allerdings Einschränkungen zu machen. Im Folgenden werden insbesondere die Einschränkungen dargestellt, die sich auf die Messung von FDI als Stromgröße beziehen [vgl. OECD (1994), S. 102]:[19]

- FDI erfassen nur die Anteile der Investitionen, die von den ausländischen Muttergesellschaften finanziert werden, nicht aber auf Anteile, die von lokalen Anteilseignern der ausländisch beherrschten Unternehmen oder durch Bankkredite finanziert werden [vgl. Agosin/Mayer (2000), S. 3]. Diese Unterschätzung kann 50 Prozent der Gesamtinvestition übersteigen.

- Befindet sich eine Tochtergesellschaft im Besitz mehrerer Mütter, die jeweils weniger als zehn Prozent des Kapitals halten, besteht die Möglichkeit, dass diese Tochter nicht als FDI verzeichnet wird.

- Holdinggesellschaften, die nur zur Durchleitung von Investitionsmitteln dienen, lassen FDI-Ströme künstlich anschwellen. Dieses Problem tritt z.B. auf, wenn nationale Investoren für TNU geschaffene Vergünstigungen in Anspruch nehmen wollen und ihre Mittel über das Ausland umleiten [vgl. Anwar (1999), S. 6].

- Darlehen der Tochter an die Mutter oder der Erwerb von Anteilen der Tochter an der Mutter (reverse investment) können entweder als Desinvestition der Mutter oder Investition der Tochter verzeichnet werden [vgl. auch Borrmann (2003), S. 27 ff.]. Auch diese Einordnung bestimmt Umfang und Wachstum der FDI-Ströme.

Neben diesen Unwägbarkeiten bei der Messung von FDI ist außerdem zu beachten, dass es außer FDI auch noch andere Formen der wirtschaftlichen Aktivität von TNU gibt: FDI erfassen nur die Auslandsengagements, welche mit Kapitalbeteiligungen verbunden sind. TNU betreiben in Gastländern jedoch auch Aktivitäten, die keine oder geringe ausländische Eigentumsbeteiligungen implizieren. Als Beispiele lassen sich Franchising, Lizenzvergaben und strategische Unternehmensallianzen (v.a. im Bereich von Forschung und Entwicklung [F&E]) nennen [vgl. Gundlach/Nunnenkamp (1996), S. 90 und Bülow (1999), S. 241 f. sowie detaillierter bei Oman (1984), S. 14 ff. und Radke (1992), S. 87 ff.], aber auch Kontraktor- und Service-Verträge, Management- und technische Beratungsverträge sowie Ko-Produktionen [vgl. Schrader (1989), S. 88 und UNCTAD (2000), S. 268]. Für die TNU bleibt die unternehmerische Entscheidungsfreiheit auch für den Fall von Gesellschaften, mit denen keine Kapitalverflechtung besteht, erhalten. Auf Veränderungen in der regionalen Kostenstruktur kann leicht reagiert werden, wenn nötig mit Standortverlagerungen. So kommt es vor, dass die Produktion in formal von den TNU unabhängigen Unternehmen für die TNU ein Vielfaches der Produktion in eigenen Tochtergesellschaften in Entwicklungsländern beträgt [vgl. Olle (1983b), S. 130 und (1983a), S. 48].[20]

Insbesondere für die realen Auswirkungen ausländischer Unternehmenstätigkeit sind die Größen Handel, Beschäftigung, Produktion und Wissenstransfer wichtig, aber über diese Größen sagen finanzielle FDI-Zahlen nicht viel aus [vgl. Lipsey (2001), S. 1].

Schließlich ist nicht nachgewiesen, dass die transferierten Beträge auch in realwirtschaftliche Investitionen umgesetzt werden und es somit zur Sachkapitalbildung kommt. Und selbst wenn dies geschieht, sind immer noch keine Informationen über die Qualität der Investitionen gegeben [vgl. Stephan/Pfaffmann (1998), S. 9].

Insbesondere in der Diskussion um die Attraktivität von Standorten und den damit verbundenen Beschäftigungswirkungen werden FDI häufig mit Sachkapitalbildung im Ausland gleichgesetzt. Diese Begriffe stimmen aber nicht überein [vgl. Döhrn (1996)]:[21]

- Sachkapitalbildung wird im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ermittelt, während Direktinvestitionen aus der Zahlungsbilanzstatistik stammen. Die beiden Größen haben daher einen anderen statistischen Hintergrund [vgl. auch Agosin/Mayer (2000), S. 2 f.].

- Bei Betrachtung der Bilanz einer ausländischen Tochtergesellschaft lassen sich der Sachkapitalbestand und seine Veränderung auf deren Aktivseite ablesen, während sich Direktinvestitionen auf der Passivseite niederschlagen. Mit den finanziellen Mitteln der Passivseite wird zwar die Aktivseite finanziert, der Zusammenhang zwischen einzelnen Positionen ist aber i.d.R. nicht fest gegeben. Es sind daher sowohl Fälle denkbar, in denen eine Direktinvestition keine Auswirkungen auf die Aktivseite und damit die Sachkapitalbildung hat, als auch Fälle, in denen es zu Änderungen auf der Aktivseite und der Sachkapitalbildung kommt, die nicht mit Direktinvestitionen in Zusammenhang stehen.

- Direktinvestitionen stellen keine Sachkapitalbildung dar, wenn es sich nur um den Erwerb einer Beteiligung an einem bestehenden Unternehmen von einem anderen Eigner handelt [vgl. auch Agosin/Mayer (2000), S. 2 f.]. Für die ausländische Tochter wäre dies lediglich ein Passivtausch. Ob es sich jedoch um einen solchen Anteilserwerb oder um eine Neugründung handelt, ist aus der Zahlungsbilanzstatistik nicht zu entnehmen. Hunya [(1998), S. 12] merkt zusätzlich an, dass es auch im Falle eines solchen greenfield investment nicht unbedingt zu Sachkapitalbildung in voller Investitionshöhe kommt, wenn diese Investition auch Landkäufe mit einschließt.

- Je nach Sektor differiert die Sachkapitalintensität erheblich. So kommt es, dass der zunehmende Anteil der Direktinvestitionen im Finanzbereich, der im Vergleich zum Produzierenden Gewerbe mit relativ wenig Sachkapital produziert, den Anteil des Sachkapitals an den Bilanzsummen der ausländischen Tochterunternehmen tendenziell reduziert.

- Wechselkursschwankungen wirken sich erheblich in der Bewertung von Direktinvestitionsbeständen aus. Da bspw. die deutsche Währung in den vergangenen Jahrzehnten im Vergleich zu anderen Währungen aufgewertet wurde, wurden die ausländischen Kapitalbestände damit entsprechend abgewertet. Somit wird eine Interpretation der Bestandsveränderungen von FDI im Zeitablauf erheblich erschwert, insbesondere in Bezug auf die Auswirkungen auf die Sachkapitalbildung.

- Schließlich ist anzumerken, dass bspw. die deutschen Direktinvestitionen (ohne den Finanzsektor) im Ausland erheblich stärker gestiegen sind als die Größen Umsatz und Beschäftigung für diese deutschen Unternehmen im Ausland [vgl. Döhrn (1996), S. 23 f.]. Während die Umsätze schon allein durch die Inflation steigen sollten, gilt dies nicht für Direktinvestitionen. Daher wäre zu erwarten gewesen, dass die Umsätze der ausländischen Töchter schneller gewachsen sind als die Direktinvestitionsbestände. Dies deutet darauf hin, dass die Sachkapitalbildung im Ausland durch FDI überzeichnet wird.

- Auch die im Vergleich zur Beschäftigung schnellere Zunahme der Direktinvestitionsbestände deutet auf eine Überzeichnung des Ausmaßes an Sachkapitalbildung im Ausland durch den Indikator FDI hin. Zwar war zu erwarten, dass die Kapitalintensität im Zeitablauf zunimmt, zur Erklärung des deutlichen Auseinanderdriftens von FDI-Beständen und Beschäftigung in den ausländischen Töchtern reicht dies jedoch nicht aus.

- Ein Faktor, der einer Überzeichnung des ausländischen Beitrags zur Sachkapitalbildung entgegenwirkt, ist die Tatsache, dass TNU-Niederlassungen einen Teil ihrer Investitionen nicht mit Eigenkapital, sondern mit im Gastland aufgenommenen Krediten finanzieren, auch wenn dies v.a. für Industrieländer gilt [vgl. Agosin/Mayer (2000), S. 3].

Wie dieser Abschnitt deutlich gemacht hat, sind FDI-Zahlen mit vielen Unwägbarkeiten behaftet und daher mit großer Vorsicht zu interpretieren. Trotz der Unwägbarkeiten sind FDI z.Zt. immer noch der beste Indikator für den Umfang der Aktivitäten von TNU, da Daten für andere Indikatoren nicht zur Verfügung stehen. Um das Ausmaß der Aktivitäten von TNU zu messen, sind Bestandsdaten von FDI im Vergleich zu FDI-Stromgrößen der theoretisch bessere Indikator, da es die Bestände sind, welche die Grenzproduktivität des privaten Kapitals bestimmen [vgl. Ramírez (2000), S. 143]. Vielfach muss allerdings – insbesondere in ökonometrischen Untersuchungen – auf Stromdaten zurückgegriffen werden, da Bestandsdaten – v.a. für eine größere Stichprobe von Ländern – nicht in ausreichender Menge vorhanden sind. Bellak [(1998), S. 252 f.] schlägt vor, in empirischen Studien den groben Indikator FDI zum einen durch Informationen zu den dahinterliegenden sektoralen und mikroökonomischen Phänomenen zu ergänzen und zum anderen stärkeren Gebrauch von realen anstatt von finanziellen Indikatoren zu machen.[22] Die Unzulänglichkeiten von Querschnitts- und Zeitreihenanalysen ließen sich allerdings auch nicht durch den Einsatz von Fallstudien beheben, da diese nur beschränkt generalisierbar seien. Zarsky [(1999), S. 57] betont im Zusammenhang mit den Auswirkungen von FDI auf die natürliche Umwelt dagegen, dass Fallstudien die Einbeziehung einer größeren Vielfalt von Indikatoren zuließen und, falls genug Fallstudien zur Verfügung ständen, damit auch breitere Trends feststellbar wären. Die Möglichkeit, aus Fallstudien heraus Trends bestimmen zu können, sollte aber wegen der großen Zahl dazu notwendiger Fallstudien nicht überschätzt werden. Für eine differenzierte Betrachtung sollten allerdings die Ergebnisse von Querschnitts- und Zeitreihenunter-suchungen durch Fallstudien überprüft und einzelne Aspekte detaillierter begutachtet werden.

3.2 Motive für Direktinvestitionen

Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit sind die Wirkungen, die FDI im Gastland hervorrufen. Da sich die Motive aber auf die Effekte von FDI auswirken, sind diese natürlich auch für diese Untersuchung von Relevanz. Im Folgenden werden daher die in Theorie und Empirie wichtigsten Motive für FDI dargestellt. Diese werden im weiteren Verlauf der Arbeit im Zusammenhang mit den Wirkungen von FDI wieder angeführt, wenn ihnen für diese besondere Bedeutung zukommt.

Bevor auf die Motive, aus denen FDI vorgenommen werden, näher eingegangen wird, sollen die Faktoren erläutert werden, die ein Unternehmen dazu bewegen können, seine Direktinvestitionen einzuschränken oder gar nicht durchzuführen. Diese hier als „Hemmnisse“ bezeichneten Faktoren stehen nicht im Mittelpunkt dieses Abschnitts, auch wenn sie vielfach mit den Motiven zur Gruppe der Determinanten von FDI zusammengefasst werden [z.B. in Hemmer (1988), S. 807 ff.]. Zu den oft auch als Länderrisiko oder risikobezogene Investitionsdeterminanten bezeichneten Faktoren zählen:[23]

• politische Risiken, wie das Handeln der ausländischen Regierung,

• wirtschaftliche Risiken, wie Wechselkursrisiken, Markeintrittsbarrieren, Infrastruktur- oder Arbeitsmarktprobleme,[24]

• soziale Risiken, wie besondere Gesellschaftsstrukturen, Sprach-schwierigkeiten, religiöse Auffassungen oder Sitten und Gebräuche sowie

• sonstige Risiken, wie bspw. besondere klimatische Bedingungen [vgl. Bea (1995), S. 57 f. und z.T. Agarwal et al. (1991), S. 16 ff.].

Akzeptable Bedingungen, d.h. nur geringe Hemmnisse, sind jedoch nicht hinreichend für FDI, sondern schaffen lediglich ein für FDI freundliches Umfeld [vgl. UNCTC (1991), S. 26 und Plum (1995), S. 23].[25] Nur wenn zudem konkrete Motive vorliegen, wird eine Direktinvestition vorgenommen.

Bis zum heutigen Tage hat sich allerdings keine „Theorie der Direktinvestitionen“ gebildet, aus der die theoretischen Bestimmungsgründe für FDI herausgearbeitet werden könnten [vgl. z.B. Heiduk/Kerlen-Prinz (1999), S. 23, Krugman/Obstfeld (1997), S. 170 oder Bea (1995), S. 35]. Deshalb muss auf eine ganze Reihe von „Partialtheorien“ zurückgegriffen werden, aus denen solche theoretischen Bestimmungsgründe gewonnen werden können. Einige wesentliche Theorien sind [vgl. Bea (1995), S. 35 ff. und Glaum (1995), S. 40 ff.]:

• die monopolistische Theorie, die mit monopolistischen Vorteilen und damit unvollkommenen Märkten zu erklären versucht, „wer“ FDI durchführt (ownership) [vgl. Hymer (1976) und Kindleberger (1969)],

• die Produktlebenszyklustheorie von Vernon [(1966); vgl. auch Grossman/Helpman (1991), S. 310 ff.], die eine Direktinvestition in einem Land von der Stellung des hergestellten Gutes im Produktlebenszyklus abhängig macht und damit zu klären versucht, „wann“ FDI durchgeführt werden,

• die Portfoliotheorie, in der ein TNU durch Investitionen in Standorte in verschiedenen Ländern (Diversifikation) nicht-systematisches Risiko abbaut [vgl. Rugman (1977) und Caves (1996), S. 19 ff.],

• die Standortfaktorentheorie, die sich mit der Frage beschäftigt, „wo“ investiert wird, und dies mit kosten- und erlösrelevanten (Standort-) Faktoren erklärt (location) [vgl. Tesch (1980), insbesondere Kapitel 6],

• der Netzwerkansatz, der ein TNU als Netzwerk von Unternehmenseinheiten betrachtet, die in unterschiedlichen Umwelten agieren und sich auf verschiedene Kompetenzen spezialisieren, sowie

• die Theorien der Multinationalen Unternehmung, die sich insbesondere mit der Form des Auslandsengagements (FDI, Exporte, Lizenzverträge, etc.) beschäftigen, „wie“ also ein Auslandsengagement angegangen wird (internalisation).

Verschiedene der genannten Theorien werden von Dunning Ende der 1970er Jahre in seinem auch als eklektische Theorie bezeichneten OLI-Paradigma zusammengefasst (OLI = ownership, location, internalisation), aber auch dieser Ansatz ist nicht umfassend und bezieht sich v.a. auf die internationalen Aktivitäten von Unternehmen, nicht auf die Eigentumsform [vgl. z.B. Dunning (1998), S. 76 ff. und Glaum (1995), S. 49 ff.].

Die angeführten theoretischen Erklärungen der Motive für FDI sollen hier nicht weiter vertieft werden.[26] Wesentlicher scheint an dieser Stelle zu sein, welche Beweggründe sich für FDI in empirischen Studien als ausschlaggebend herausgestellt haben. Da die Wirkungen nicht unabhängig von der Zielsetzung der Direktinvestition zu sehen sind [vgl. Plum (1995), S. 36 und 58], lässt sich daraus ein erster Eindruck gewinnen, welchen dieser Wirkungen, wenn sie mit bestimmten Motiven verbunden sind, besonderes Gewicht zukommt. Daher sollen nun auf die in empirischen Untersuchungen verwandte Kategorisierung von Direktinvestitionsmotiven eingegangen und die Ergebnisse einiger Studien zu den häufigsten Motiven zusammengefasst werden.

Wenn man sich die existierenden Untersuchungen zu den Motiven von FDI ansieht, so werden in wechselnden Zusammensetzungen eine Vielzahl genannt. Dabei ist zu beachten, dass die Motive von Land zu Land stark variieren [vgl. Anwar (1999), S. 8]. In allen Untersuchungen werden aber die motivorientierten Kategorien der marktorientierten (auch: absatzorientierten oder market-seeking) und kostenorientierten (cost-oriented) Direktinvestitionen genannt. Es hat sich außerdem gezeigt, dass diese die entscheidenden Motive widerspiegeln:[27]

Marktorientierte Motive:

• Erschließung neuer Märkte: Dieses Motiv zielt auf den Standortfaktor Marktgröße – gemessen am Volkseinkommen – bzw. auf das Marktwachstum ab [vgl. Plum (1995), S. 16, Knickerbocker (1973), S. 165 ff., Pott (1983), S. 23, Anwar (1999), S. 8 f. und Austin (1991), S. 374].[28] Es gibt jedoch auch eine ganze Reihe anderer quantitativer und qualitativer Faktoren, wie z.B. Rentabilität und technologisches Niveau, die sich unter dem Stichwort Marktqualität zusammenfassen lassen und die Attraktivität eines Marktes bestimmen [vgl. Hinterhuber (1996), S. 150 f. und Bea (1995), S. 59 f.].[29]

• Sicherung bestehender Märkte: Dieses Motiv kommt bspw. dann zum Tragen, wenn ein Markt bereits mit Exporten bedient wurde, sich aber substitutiv die Produktion vor Ort anbietet. Insbesondere wenn ein Markt durch tarifäre und/oder nicht-tarifäre Handelshemmnisse gesichert ist, kann sich ein solches Vorgehen empfehlen.[30] In Entwicklungsländern waren in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts auf Importsubstitution basierende Industrialisierungsstrategien ein wichtiger Auslöser für FDI [vgl. Cypher/Dietz (1997), S. 432 f.]. Langfristig haben sich allerdings Liberalisierungsmaßnahmen als besseres Attrahierungsinstrument für FDI bewährt [vgl. Gastanga et al. (1998), S. 1312 und Plum (1995), S. 18]. Als gut dokumentiertes Beispiel von durch Handelsbarrieren induzierten FDI lassen sich die Investitionen japanischer Konzerne der Elektronikindustrie in den 1980er Jahren in Westeuropa anführen. Belderbos [(2003), S. 131 ff.] zeigt allerdings, von welch geringer Nachhaltigkeit diese Investitionen waren: Von 67 solcher Investitionsprojekte in 1990 waren in 1999 (nach Aufgabe des Außenhandelsschutzes) nur noch 31 in Betrieb. Damit wurden signifikant mehr Betriebe japanischer TNU in dieser Branche geschlossen als in Branchen, die vormals nicht geschützt waren.

Traditionell wird die Erschließung und Sicherung von Märkten als die wichtigste Motivkategorie bei Direktinvestitionsentscheidungen genannt.[31] In die Industrieländer, insbesondere in Nordamerika, wird von außen hauptsächlich investiert, um die dortigen Märkte zu bedienen [vgl. Beyfuß/Eggert (2000), S. 34 f.]. Aber auch für aufstrebende Märkte wie China ist dieses Motiv vorherrschend [vgl. Wang (1995), S. 15].

Kostenorientierte Motive:

• Steuervorteile: Für TNU ergeben sich auch steuerlich besondere Fragestellungen, die in eine a priori Beurteilung von FDI-Projekten durch die TNU einfließen [vgl. Haas et al. (1974)]:[32]

o Vermeidung von Zusatzsteuern, die sich aus der ausländischen Eigentümerschaft ergeben: I.d.R. sollen allerdings Doppelbesteuerungs-abkommen die Besteuerung von TNU regeln.

o Nutzung von Steuergefällen: In solchen Fällen werden unterschiedliche Steuersätze im Sinne des Unternehmens ausgenutzt.

o Steuerliche Vorteile bei bestimmten Auslandsinvestitionen: Um besondere Investitionsanreize zu schaffen – wenn z.B. in einer bestimmten Region investiert werden soll –, können Sonder-abschreibungen oder Investitionsfreibeträge gewährt werden [siehe staatliche Investitionsanreize unten].

• Lohnkostenvorteile: Geringe Lohnkosten auszunutzen ist nach wie vor ein wichtiger Grund für FDI und seine Bedeutung wird vielfach betont.[33] Bei diesen Lohnkosten müssen natürlich Mindestlöhne, Lohnnebenkosten und der teure Einsatz von expatriates beachtet werden [vgl. Bea (1995), S. 64]. Die Lohnkostenvorteile stellen in der Kategorie der kostenorientierten Motive das wichtigste Motiv dar. Bea [(1995), S. 194] spricht sogar vom einzigen bedeutenden Motiv dieser Kategorie. In neueren Studien deutet allerdings viel auf die Wichtigkeit eines Mindestmaßes an Ausbildung, welches in der Region, in der investiert werden soll, bereits vorhanden sein muss, damit eine Investition dort sinnvoll ist [vgl. z.B. Noorbakhsh et al. (2001) sowie für einen Überblick Kapstein (2002), S. 16 und UNCTAD (1999), S. 273 f.]. Der Humankapitalbestand der potenziellen Arbeitnehmer tritt also als eine Art „Beschaffungsvorteil“ neben die Kostenorientierung.

• Einkaufs- und Beschaffungsvorteile: Insbesondere bei der Weiterverarbeitung von Rohstoffen lassen sich durch FDI Kosten und Unsicherheiten der Preisbildung für Vorprodukte reduzieren, wenn der Lieferant ein Tochterunternehmen ist, welches diese Rohstoffe abbaut. In einigen Arbeiten stellt die Beschaffungsorientierung eine eigene Motivkategorie neben der Markt- und Kostenorientierung dar.[34] Für einzelne rohstoffreiche Länder können gerade FDI im extraktiven Bereich einen sehr hohen Stellenwert einnehmen. Für viele, insbesondere rohstoffarme Länder wird diesem Motiv dagegen keine besondere Bedeutung zugemessen. Hoffmann [(1997), S. 13] führt als kostenorientiertes Motiv nur die Ausnutzung des billigen Produktionsfaktors Arbeit an. Aber selbst dieses Motiv wollen Agarwal, Gubitz und Nunnenkamp [(1991), S. 15] relativiert wissen und stellen den vielen Studien, die ihm Bedeutung zumessen, einige Arbeiten entgegen, in denen der Zusammenhang nicht eindeutig ist.

Die kostenorientierten Motive haben nicht die Bedeutung der marktorientierten Motive, sie sind aber dennoch wichtig, da sie ebenfalls für eine große Zahl von Direktinvestitionsvorhaben entscheidend sind [vgl. Holland et al. (2000), S. 205 und Hemmer (2002), S. 332 ff.]. Lall [(1998), S. 110] sieht hier Veränderungen in nächster Zukunft und misst dem marktorientierten Motiv der geschützten Märkte sinkende Bedeutung zu. Stattdessen werde die internationale Arbeitsteilung und Spezialisierung an Bedeutung gewinnen. Die Spezialisierung eines Landes auf bestimmte Produkte oder Prozesse werde daher insbesondere für solche Länder wichtig, die in der Vergangenheit eine Importsubstitutionsstrategie verfolgt haben und mit einem großen Binnenmarkt FDI anziehen konnten.

Den kostenorientierten Motiven sind z.T.

• staatliche Investitionsanreize zuzurechnen. Diese können grundsätzlich vom Gastland, dem Heimatland des TNU oder von multinationaler Seite her erfolgen und Maßnahmen wie die folgenden umfassen: „Schutz des materiellen und immateriellen Eigentums, Gewährung von Garantien und Ausnahmeregelungen, steuerliche Vergünstigungen, Gewährung von Finanzhilfen, Bereitstellung von Grundstücken, Gebäuden und Infrastruktur, Gewährleistung zollpolitischer Vergünstigungen, administrative Hilfestellungen, Informations- und Beratungshilfen und Errichtung von Exportproduktionszonen“ [Bea (1995), S. 65 f.].[35]

Die staatlichen Investitionsanreize sind jedoch nicht nur kostenorientiert, da sie auch Kriterien wie die rechtliche Absicherung umfassen. Obwohl Beihilfen oft und gerne in Anspruch genommen werden, geschieht dies laut einiger Studien meist nach bereits gefallener Investitionsentscheidung (Mitnahmeeffekte). Als Entscheidungsgründe für Direktinvestitionen spielten sie keine herausragende Rolle [vgl. Brooke/Buckley (1998), S. 209, Bea (1995), S. 65 und Abschnitt 3.2 sowie DIHT (1981), S. 64]. Aber selbst diese Aussage ist umstritten: Sachs [(2000), S. 598] spricht bspw. von einer wichtigen Rolle, die spezielle Anreize, wie z.B. Steuererleichterungen, für Länder wie Malaysia oder Mexiko bei Investitionsentscheidungen gespielt haben. In einer neuen Übersichtsarbeit wird zudem besonders betont, dass staatliche finanzielle Anreize zwar oft nicht mit in das Investitionsentscheidungskalkül einfließen, jedoch gerade im Wettbewerb von Ländern mit sehr ähnlichen Bedingungen (wie bspw. in der Europäischen Union (EU) oder anderen regionalen Integrationsgebieten) Berücksichtigung finden [vgl. Morisset/Pirnia (2001), S. 23 ff.]. Insbesondere wenn volatile politische und geschäftliche Rahmenbedingungen herrschen, kann aber davon ausgegangen werden, dass diese Anreize nicht wirken [vgl. Anwar (1999), S. 10]. Guisinger [1992] stellt eine Reihe von Arbeiten über die Effektivität von Anreizen zur Attrahierung von FDI mit z.T. konträren Schlussfolgerungen bezüglich ihrer Präzision und Objektivität auf den Prüfstand und kommt zu folgendem Ergebnis: „… that there has been a rush to judgement, pushed along by persuasive yet, in the end, unsatisfacory analytical reasoning. A careful review of the existing research on the effectiveness of tax incentives leaves the reader with an uneasy feeling that rhetorical sleights of hand are used when researchers wish to push their own ideas beyond the limits of available data” [Guisinger (1992), S. 122].

Besondere Bedeutung wird den kostenorientierten Motiven für einzelne Länder Mittel- und Osteuropas zugeschrieben. Rojec [(1999), S. 136 f.] bescheinigt z.B. den kostenorientierten Motiven dort zunehmende Bedeutung. In Slowenien seien sie sogar bereits bedeutender als die marktorientierten Motive. Ebenfalls dominant waren kostenorientierte Motive für Investitionen in einige Schwellenländer, wie bspw. für US-amerikanische Investitionen in Mexiko [vgl. Love/Lage-Hidalgo (2000), S. 1264 f.] oder deutsche Investitionen in Malaysia [vgl. Weber (1999), S. 3]. Aber auch hier war die Marktorientierung jeweils ein weiterer wichtiger Faktor.

Eine Überschneidung der zwei Hauptkategorien (markt- und kostenorientierter Motive) findet sich mit dem Motiv der

• Nutzung des Standorts als Exportbasis [vgl. Bea (1995), S. 57 ff. und Chen (1997b), S. 27]: Neben dem Markt des Gastlandes an sich sind hierbei Faktoren, wie die Marktgegebenheiten in den Nachbarländern, eventuelle Handelsabkommen, Zollpräferenzen und Mitgliedschaften in Freihandelszonen oder die für Exporte notwendige Infrastruktur, von Bedeutung. Auf der Kostenseite schlägt die Ausnutzung der komparativen Kostenvorteile des Gastlandes zu Buche. Bea [(1995), S. 188 f.] stellt in seiner Untersuchung fest, dass das Motiv der „Nutzung des Standorts als Exportbasis“ für die deutschen FDI in der Automobilbranche Mexikos in Verbindung mit den niedrigen Lohnkosten in Mexiko eine herausragende Bedeutung hatte. Für dieses Motiv können auch noch andere Überlegungen bedeutend sein. Zum Beispiel können die Länderquoten des Multifaserabkommens eine Rolle bei der Investitionsentscheidung gerade in einem kleinen Land mit kleinem Markt spielen [vgl. Reza/Rashid (1997), S. 182 f.].[36]

Sonstige Motive:

Neben den bisher genannten Motiven gibt es eine Reihe weiterer, die in den verschiedenen Studien angeführt werden:

• „Good Will-Motive“, z.B. Stärkung der wirtschaftlichen Eigenständigkeit des Gastlandes [vgl. Jüttner (1975), S. 98, Hemmer (2002), S. 335 und Bea (1995), S. 57],

• technologieorientierte Motive [vgl. Parisotto (1993), S. 52, Blomström et al. (2000a), S. 102 und Driffield/Love (2001)], bei denen der Zugang zu modernen Technologien gesichert werden soll bzw. Strategic-asset-seeking-FDI [vgl. Dunning (1994), S. 18 ff.], die dazu dienen sollen, Ressourcen und Fähigkeiten zur Stärkung der Kernkompetenzen zu erlangen, [37]

• strategische, durch oligopolistischen internationalen Wettbewerb motivierte Investitionen, die z.T. Reaktionen auf das Verhalten von Wettbewerbern sind oder die Produktionsaufnahme im Heimatland eines Wettbewerbers darstellen [vgl. Knickerbocker (1973), S. 197 ff., UNCTAD (2001b), S. 4, Dunning (1998), S. 60 f., Meyer (1995), S. 53, Caves (1971), S. 15 und Konings (1996), S. 4], [38]

• Flucht-Motive (escape investments), die z.B. eine Rolle spielen, wenn das Heimatland des TNU unter einem Boykott anderer Länder steht [vgl. Dunning (1998), S. 61], oder

• Unterstützungsmotive (support investments), die dann vorliegen, wenn die Niederlassung kein eigenständiges Profit Center ist, sondern die benefits in anderen Teilen des TNU anfallen [vgl. Dunning (1998), S. 61 f.].

Die aufgezählten Motive werden im Folgenden, wenn ihnen besondere Bedeutung zukommt, wieder angeführt.

3.3 Entwicklung der Direktinvestitionsströme und -bestände

Bei den im Folgenden dargestellten Daten von Direktinvestitionsströmen und –beständen handelt es sich um Angaben, auf welche die in Abschnitt 3.1.2 gemachten Einschränkungen voll zutreffen. Die Zahlen sind daher mit entsprechender Vorsicht zu interpretieren [vgl. Deutsche Bundesbank (1997) und Jost (1999)]. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Angaben der UNCTAD [vgl. UNCTAD (2002a) und (2002b)].

3.3.1 Weltweite Ströme und Bestände

Der weltweite Bestand an internationalen Direktinvestitionen stieg zwischen 1980 und 2001 von rund 625 Mrd. US-$ auf 6.845 Mrd. US-$. Für diesen Zeitraum ergibt sich somit eine durchschnittliche jährliche Zuwachsrate für den Direktinvestitionsbestand von über zwölf Prozent. Von 2000 auf 2001 wuchsen die Direktinvestitionsbestände noch mit einer Rate von neun Prozent [vgl. UNCTAD (2002a)]. Dieses starke Wachstum lässt sich in Abbildung 2 ablesen. Unverkennbar ist die Dominanz der Industrieländer als Gastländer, aber auch in Entwicklungsländern und Transformationsländern sind FDI stark angestiegen. [39]

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Abbildung 2: Bestände an FDI weltweit in Mrd. US-$.

Quelle: UNCTAD (2002a).

Noch eindrucksvoller lassen sich die Zunahme, aber auch die Schwankungen von FDI an den jährlichen FDI-Zuflüssen demonstrieren. Anfang der 1980er Jahre betrugen die FDI-Zuflüsse jeweils ca. 55 Mrd. US-$ pro Jahr. An Abbildung 3 lässt sich ablesen, wie sich dieser Strom in zwei Schüben bis auf über 1.490 Mrd. US-$ in 2000 verbreiterte. Für den zweiten Schub, d.h. den Zeitraum 1992-2000, ergibt sich mehr als eine Verachtfachung. Im Jahr 2001 wurden allerdings nur noch Direktinvestitionen im Volumen von 735 Mrd. US-$ getätigt und damit weniger als die Hälfte des Vorjahreswertes [vgl. hierzu die Zahlen in Tabelle A im Anhang]. Zwei Faktoren sind für diesen Rückgang verantwortlich: die schlechte wirtschaftliche Lage in wichtigen Industrieländern und die Abnahme der Aktivitäten an den Aktienmärkten. Dies führte insbesondere zu einem geringeren Volumen von Fusionen und Übernahmen. Im Gegensatz dazu haben die Vorfälle des 11. September 2001 die FDI-Ströme nicht wesentlich beeinflusst. Untersuchungen zeigen, dass international tätige Unternehmen ihre Investitionspläne nicht bedeutend änderten [vgl. UNCTAD (2002b), S. 3 f.]. Die Aussichten für FDI sind mittelfristig weiterhin gut, wie Expansionspläne einiger der größten Unternehmen andeuten. Nach dem Ausnahmejahr 2000 sind FDI in 2001 allerdings wieder auf ein „normales“ Niveau zurückgekehrt [vgl. UNCTAD (2002b), S. 13 f. und 4]. Für das Jahr 2002 ergibt sich für FDI aber ein uneinheitliches Bild: Sowohl bei den Industrie- als auch Entwicklungsländern deuten die Entwicklungen der FDI-Zuflüsse in einigen wichtigen Ländern wie China nach oben und in anderen wichtigen Ländern wie Argentinien und Brasilien nach unten. Insgesamt wird ein weiterer Rückgang erwartet [vgl. UNCTAD (2002b), S. 3].

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Abbildung 3: FDI-Zuflüsse in Mrd. US-$.

Quelle: Tabelle A im Anhang.[40]

Wie stark das Wachstum von FDI war, zeigt ein Vergleich mit den Wachstumsraten anderer außenwirtschaftlicher Größen. Im Jahresdurchschnitt 1980/2000 legten FDI mit 18 Prozent p.a. [vgl. hierzu Tabelle A im Anhang] fast dreimal so rasch zu wie der weltweite Export von Waren und Dienstleitungen (ca. 6,3 Prozent p.a.) und mehr als dreimal so schnell wie das Weltinlandsprodukt (ca. 5,3 Prozent p.a.) [vgl. World Bank (2002b)].[41] Vorher entwickelten sich Warenhandel und FDI nahezu im Gleichschritt (durchschnittliche Wachstumsrate 1970/85: sieben Prozent p.a.) [vgl. Beyfuß et al. (1997), S. 6]. Diese Parallelität ist ein Indiz, dass es sich bei den FDI jener Periode überwiegend um exportbegleitende Auslandsaktivitäten gehandelt hat (z.B. Service- und Reparaturleistungen).

Mittlerweile sind FDI jedoch zu einem eigenständigen Faktor der internationalen Arbeitsteilung geworden. Diese Entwicklung trägt zu einer Intensivierung sowohl des Wettbewerbs der Standorte (die möglichst viele FDI attrahieren möchten) als auch des internationalen Handels innerhalb einzelner Unternehmen (firmeninterner Handel, auch Intrafirmenhandel) bei. Als Folge findet nicht mehr – wie in der traditionellen internationalen Arbeitsteilung – (nur) eine Internationalisierung des Absatzes, sondern (auch) eine Internationalisierung der Produktion statt. In Management-Kreisen spricht man vom „slicing up the value chain“. Außerdem werden im Zuge dessen in zunehmendem Maße die marktlichen Transaktionen durch unternehmensinterne hierarchische Transaktionen substituiert, die sich in spürbar geringerem Umfang wirtschaftspolitisch beeinflussen lassen. Ausländische Niederlassungen von TNU sind heute bereits für elf Prozent der weltweiten Produktion (Weltinlandsprodukt) und ein Drittel der weltweiten Exporte verantwortlich [vgl. UNCTAD (2002b), S. xv und S. 14].

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Abbildung 4: Volatilität von Kapitalströmen in Entwicklungsländer im Zeitraum 1992-97.

Quelle: UNCTAD (1998), S. 15.

Auch die Asienkrise, die sich bei den Krediten von Geschäftsbanken und Portfolioinvestitionen (FPI = foreign portfolio investment) stark negativ bemerkbar gemacht hat, konnte den Strom von FDI nicht wesentlich beeinträchtigen. Mit der vergleichsweise geringen Volatilität von FDI wurde man im Zuge der Asienkrise und auch der finanziellen Krise Mexikos 1994 auf einen weiteren Vorzug von FDI aufmerksam [vgl. World Bank (2000b), S. 36 f., Fan/Dickie (2000), S. 320 f., UNCTAD (1999) S. 56 und S. 162 ff. sowie UNCTAD (1998), S. 14 ff.]. Abbildung 4 zeigt die Variationskoeffizienten für die verschiedenen Formen privater Kapitalflüsse in Entwicklungsländer für den Zeitraum 1992-97 und stellt sowohl die Höhe der FDI-Ströme als auch deren Stabilität heraus. Im Jahr 2001 waren FDI die einzige Art von privaten Kapitalströmen in Entwicklungs- und Transformationsländer, die noch positive Nettowerte aufwiesen [vgl. UNCTAD (2002b), S. 12]. Der schnelle Rückzug kurzfristigen Kapitals wird für das Ausmaß der Asienkrise verantwortlich gemacht. Durch ihren langfristigen Charakter und ihre Beständigkeit sind FDI dagegen ein Faktor, der in langfristigen Entwicklungsstrategien verlässlicher eingeplant werden kann.[42] Andere Autoren verweisen auf die positive Eigenschaft von Eigenkapitalbeteiligungen: Da sie theoretisch nie zurückgezahlt werden müssen, ergeben sich keine Probleme aus dem evtl. beschränkten Zugang zu Fremdwährungskrediten. Bei hohen Länderrisiken werden ausländische Kredite in der Landeswährung des Empfängers sehr teuer, so dass entweder nur noch kurzfristige Kredite bezahlbar sind und damit in Kauf genommen wird, mehrfach Folgekredite aufnehmen zu müssen (maturity mismatch), oder langfristige Kreditverträge in Fremdwährungen abzuschließen, die bei einer Abwertung der eigenen Währung sehr teuer werden. Auch diese Sichtweise kommt in empirischen Tests zu dem Ergebnis, dass FDI eine „bessere“ Finanzierungsform darstellen, bei der diese Probleme nicht auftauchen [vgl. Fernández-Arias/Hausmann (2000), S. 7 ff.].

3.3.2 Regionale Ströme und Bestände

Herkunft der Direktinvestitionen:

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Abbildung 5: Quellen von FDI-Strömen in Mrd. US-$.

Quelle: UNCTAD (2002a).

Da die meisten TNU aus Industrieländern stammen, ist es nicht erstaunlich, dass bei den Ursprungsländern von FDI auch ganz klar die Industrieländer dominieren. Wie sich aus Abbildung 5 entnehmen lässt, hat es zwar auch bei den aus Entwicklungsländern kommenden FDI eine deutliche Zunahme gegeben. Da jedoch die Zuwächse bei den FDI aus Industrieländern ebenfalls groß waren, bleibt der Anteil der Entwicklungs- und Transformationsländer an den weltweiten FDI-Ausflüssen weiterhin gering. Im Jahr 2000 machte dieser unter acht Prozent aus. Im Jahr 2001 waren es sogar weniger als 6,5 Prozent. Werden die Transformationsländer getrennt von den Entwicklungsländern aufgeführt – wie z.B. in Abbildung 5 –, sind die dort entspringenden FDI-Ströme in der graphischen Darstellung noch nicht einmal zu sehen. Hauptquellen waren 2001 die Europäische Union mit 365 Mrd. US-$, wobei Frankreich mit 83 Mrd. US-$, Belgien und Luxemburg zusammengenommen mit 67 Mrd. US-$, die Niederlande mit 44 Mrd. US-$ und Deutschland mit 43 Mrd. US-$ zu Buche schlugen, sowie die USA mit 114 Mrd. US-$ [vgl. UNCTAD (2002b), S. 307].

Zielländer der Direktinvestitionen:

Betrachtet man die Zielländer dieser FDI-Ströme, so kommt den Entwicklungs- und Transformationsländern größere Bedeutung zu. Als Gruppe haben sie in den Jahren 1993-1997 mehr als ein Drittel der weltweiten FDI-Ströme auf sich gezogen, in einzelnen Jahren sogar über 40 Prozent. Im Vergleich zu ihrem Anteil in den 1980er Jahren stellt dies nahezu eine Verdoppelung dar, da der Entwicklungsländeranteil zu dieser Zeit unter 20 Prozent lag. Der Anteil der Entwicklungsländer sank in den Jahren 1998 bis 2000 allerdings auf 16 Prozent und der Anteil der Transformationsländer auf 1,8 Prozent. Da die FDI-Ströme in die Entwicklungs- und Transformationsländer im Jahr 2001 nicht so stark zurückgegangen sind wie die in die Industrieländer, erhöhte sich der Entwicklungsländeranteil wieder auf knapp 28 Prozent und der Anteil der Transformationsländer auf 3,7 Prozent [vgl. hierzu Tabelle A im Anhang]. Neben der generellen Zunahme der FDI-Flüsse können die Entwicklungsländer im Vergleich der 1990er mit den 1980er Jahren somit zusätzlich eine Zunahme ihres Anteils verzeichnen. Dieses Ergebnis ist allerdings aufgrund der stärkeren Einbindung der Entwicklungsländer in die Globalisierungsstrategien großer Konzerne nicht überraschend. Eine weitergehende Aufschlüsselung – wie sie in Tabelle A im Anhang vorgenommen wird – macht jedoch deutlich, dass die Auswirkungen für einzelne Regionen und Länder-Einkommensgruppen stark unterschiedlich sind.

Tabelle A im Anhang widerspricht außerdem der häufig vertretenen Ansicht [vgl. u.a. Mytelka (1999), S. 4 oder Cypher/Dietz (1997), S. 436], nur einige Schwellenländer in Asien würden an der Globalisierung teilnehmen. Betrachtet man allerdings die FDI-Zahlen einzelner Regionen in Relation zu den Sozialproduktszahlen dieser Ländergruppen, so wird die Dominanz von Asien und Lateinamerika noch verstärkt. Hemmer [(2000a), S. 18] bildet für verschiedene Ländergruppen den Quotienten von deren relativem Anteil am weltweiten Bruttosozialprodukt und deren relativem Anteil an den weltweiten einfließenden Direktinvestitionen. Für Asien und Lateinamerika liegt diese Anteilsrelation deutlich über zwei und für Sub-Sahara-Afrika unter eins. Nunnenkamp [(2000), S. 192], der einzelne Länder betrachtet, kommt dagegen zu einem differenzierteren Ergebnis: „Sobald der Zustrom von Direktinvestitionen auf das Bruttoinlandsprodukt bezogen wird, zeigt sich dagegen, dass auch kleine und weniger fortgeschrittene Entwicklungs- und Schwellenländer vom Boom ausländischer Direktinvestitionen profitiert haben.“ Die zwei Ergebnisse machen deutlich, dass man nicht von homogenen Entwicklungsregionen ausgehen darf, wenn es um die Attraktivität für FDI geht. Einzelne Länder können sich durchaus entgegen den regionalen Trends bewegen. In einem späteren Beitrag zeigt Nunnenkamp [(2001), S. 8] auch, dass sich die Gruppe der Länder, die absolut hohe FDI-Bestände aufweisen, deutlich von derjenigen unterscheidet, die relativ zu ihrem BIP hohe FDI-Bestände aufweisen. Hinzu kommt, dass die Verteilung in letzterer Gruppe sehr viel gleichmäßiger ist als in der ersteren. Nunnenkamp weist auch darauf hin, dass selbst wenn FDI pro Kopf der Bevölkerung genommen werden, die Aussagen, die für FDI in Relation zum Sozialprodukt gemacht wurden, gelten.

Die Betrachtung der absoluten Zahlen bei der regionalen Verteilung der FDI in Entwicklungs- und Transformationsländern zwischen 1980 und 2001 bestätigt die bisher abgeleiteten Ergebnisse im Wesentlichen. Tabelle A im Anhang verdeutlicht den Anstieg der FDI-Zuflüsse in diese Länder: Von einem Wert unter zehn Mrd. US-$ im Jahr 1980 stiegen sie auf 264 Mrd. US-$ im Jahr 2000. 2001 flossen immer noch 232 Mrd. US-$ in diese Länder. Dabei haben sich für alle Regionen der Welt Zuwächse ergeben. Der Schwerpunkt ausländischer Direktinvestitionen in Entwicklungsländern hat sich jedoch von Anfang der 1980er bis Mitte der 1990er Jahre von Lateinamerika nach Asien verschoben [vgl. Abbildung 6].

In den folgenden regionenspezifischen Schilderungen wird zwischen den europäischen Transformationsländern, den zentralasiatischen ehemaligen Sowjetrepubliken, Süd-/Südost und Ostasien, Lateinamerika, Afrika sowie Westasien differenziert. Unter anderem lässt sich bei Betrachtung der FDI-Zahlen für Lateinamerika nach den (aufgrund der Schuldenkrise) „verlorenen“ 1980er Jahren eine wieder wachsende Attraktivität dieses Standorts für internationale Investoren feststellen, nicht zuletzt aufgrund der Durchführung weitreichender wirtschaftspolitischer Reformen in einigen Ländern der Region (Chile, Mexiko). Gleichzeitig sind die ehemals sozialistischen Transformationsländer Mittel- und Osteuropas (MOE) als neue Wettbewerber um FDI hinzugekommen. Für beide Ländergruppen sind die Perspektiven für die nächsten Jahre deutlich besser als für Sub-Sahara-Afrika.

0. Die postsozialistischen Transformationsländer in Europa und Zentralasien bilden zwei Ländergruppen, die in den 1990er Jahren steigende Anteile an FDI-Zuflüssen verbuchen konnten. Diese Entwicklung steht im Zusammenhang mit Fortschritten bei der Systemtransformation und der damit verbundenen Einbindung der Reformländer in den internationalen Standortwettbewerb. Bei genauerer Analyse erweisen sich die Transformationsländer jedoch als sehr heterogen. So zogen im Wesentlichen einige relativ wachstumsstarke und preisstabile Länder Mittel- und Osteuropas sowie einige rohstoffreiche, zentralasiatische Republiken ausländisches Kapital an. Insgesamt konnten die Länder Mittel- und Osteuropas einen Anstieg von 467 Mio. US-$ im Jahr 1989 auf 27,2 Mrd. US-$ in 2001 verzeichnen. In den 1990er Jahren steigerten sie ihren Anteil an den FDI-Zuflüssen in Entwicklungs- und Transformationsländern von unter zwei auf knapp zwölf Prozent. Selbst in 2001 stiegen die FDI-Zuflüsse – entgegen dem weltweiten Trend – nochmals an. Es deutet sich z.T. an, dass die Länder Mittel- und Osteuropas von den Turbulenzen der Asienkrise durch erhöhte FDI-Zuflüsse profitiert haben. In diesen Ländern wird dem marktorientierten Motiv der Marktgröße von vielen Untersuchungen besonders großes Gewicht zugerechnet [vgl. Frenkel et al. (2002), S. 12, Nachum (1999), S. 13, Konings (1996), S. 17, Holland et al. (2000), S. 163 ff. und Lankes/Venables (1996), S. 334]. In einer Umfrage unter deutschen Investoren war allerdings die Kostenorientierung die dominierende Motivation, wie auch in Untersuchungen für einzelne Länder der Region [vgl. Beyfuß/Eggert (2000), S. 34 f. und Rojec (1999), S. 136 f.; vgl. auch Abschnitt 3.2]. Auch innerhalb dieser Gruppe finden sich jedoch erhebliche Unterschiede bei den FDI-Zuflüssen: Tschechien und Polen ziehen verstärkt FDI an und lassen dabei selbst Russland weit hinter sich. Sie zeigen eine anhaltende Attraktivität für ausländische Unternehmen. Die anderen Länder der Region konnten ebenfalls große FDI-Wachstumsraten ausweisen, die absoluten Ströme bewegen sich hier jedoch auf deutlich niedrigerem Niveau [vgl. Tabelle A im Anhang].

Auch die zentralasiatischen ehemaligen Sowjetrepubliken konnten trotz politischer Instabilität und schlechter makroökonomischer Rahmendaten einiges ausländisches Kapital, insbesondere im Rohstoffsektor, attrahieren: Ausgehend von praktisch keinen Zuflüssen Ende der 1980er Jahre stiegen diese auf ca. 3,6 Mrd. US-$ in 2001. Davon entfallen jedoch allein 2,76 Mrd. US-$ auf Kasachstan. Der Anteil Zentralasiens an den Zuflüssen in Entwicklungs- und Transformationsländer lag bisher immer unter zwei Prozent [vgl. Tabelle A im Anhang].

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Abbildung 6: Verteilung der FDI auf Entwicklungsländerregionen in Prozent.

Quelle: Tabelle A im Anhang.[43]

Der Anteil Süd-, Südost- und Ostasiens an den FDI-Strömen in die Entwicklungs- und Transformationsländer ist von 20-30 Prozent Anfang der 1980er Jahre auf 58 Prozent in 1995 gestiegen. Seither hat sich dieser Anteil auf 41 Prozent in 2001 verringert. Diese Entwicklung wurde maßgeblich von Chinas internationaler Kapitalnachfrage beeinflusst. In dieses Land flossen 2001 allein knapp 47 Mrd. US-$ an FDI, 20 Prozent der insgesamt als FDI in Entwicklungs- und Transformationsländern investierten Gelder. Rechnet man hier noch die Staaten Südkorea, Malaysia, Singapur, Indonesien und Thailand sowie Hongkong (China) hinzu, so stellt man fest, dass diese Länder fast die gesamten FDI-Ströme in die Region absorbieren.[44] Für andere z.T. sehr bevölkerungsreiche Länder wie Indien sind dagegen nur relativ geringe Zuflüsse zu verzeichnen [vgl. Tabelle A im Anhang]. Die Asienkrise hat sich zudem bei den FDI-Strömen in die Länder der Region nicht stark bemerkbar gemacht [vgl. Frenkel et al. (2002), S. 12]. Dem rückläufigen Trend von FDI weltweit schließt sich diese Region nur scheinbar an. Zwar flossen 2000 noch 131 Mrd. US-$ und 2001 nur 94 Mrd. US-$. Rechnet man allerdings Hongkong (China), welches fast eine Drittelung seiner FDI-Zuflüsse hinnehmen musste, aus diesen Zahlen heraus, so zeigt sich, dass die Zuflüsse für den Rest der Region auf dem gleichen Niveau liegen wie 2000. Die Länder des Pazifiks spielen dagegen bei der Verteilung der weltweiten FDI in Entwicklungsländern nur eine sehr untergeordnete Rolle.

Lateinamerika schien zunächst zu den Verlierern der Globalisierung zu gehören.[45] Flossen 1980 noch mehr als zwei Drittel aller in Entwicklungsländern getätigten FDI in diese Region, so waren es 2000 und 2001 lediglich gut 40 Prozent. Diese relativen Zahlen verschleiern jedoch zwei wichtige Entwicklungen. So sind die in absoluten Zahlen gemessenen FDI-Zuflüsse Lateinamerikas seit Ende der 1980er Jahre wieder kräftig gestiegen. Zum anderen gehören Argentinien, Chile und Mexiko zu jenen Entwicklungsländern, die im Zeitraum 1987-1997 den höchsten Anstieg der FDI-Zuflüsse aufwiesen. Der relative Bedeutungsverlust Lateinamerikas als Standort für FDI ist hauptsächlich auf die vorübergehende dramatische Minderung der Attraktivität Brasiliens für Auslandskapital in den 1980er Jahren zurückzuführen, die bis Anfang der 1990er Jahre anhielt. Das Land war in den 1970er Jahren der weitaus wichtigste Standort für FDI in Entwicklungsländern. Nach 1982 sank nicht nur der brasilianische Anteil an den weltweiten FDI, sondern die nach Brasilien fließenden FDI gingen auch absolut zurück. So betrug der FDI-Zufluss 1991 nur noch weniger als die Hälfte der Summe, die Brasilien zehn Jahre zuvor erhalten hatte. Dieser Trend scheint sich allerdings seit 1993 (1,3 Mrd. US-$) wieder umgekehrt zu haben. Im Jahr 2000 flossen schließlich 32,8 Mrd. US-$. Damit erhielt Brasilien etwa ein Drittel der gesamten FDI-Zuflüsse Lateinamerikas [vgl. Tabelle A im Anhang]. 2001 sind die FDI-Zuflüsse nach Brasilien allerdings aufgrund stockender Privatisierungsmaßnahmen im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurückgegangen. Auch Argentinien hat durch die schwere Wirtschaftskrise dramatisch an Attraktivität für FDI eingebüßt. Eine starke Zunahme konnte dagegen Mexiko verzeichnen, das damit zum größten Empfänger von FDI in Lateinamerika wurde. Insgesamt nahmen die Zuflüsse nach Lateinamerika aber das zweite Jahr in Folge ab.

Afrikas Bedeutung als Standort für ausländisches Kapital ist in der Periode zwischen 1980 und 2001 zunächst in den 1980er Jahren gewachsen, um in den 1990ern wieder auf ein geringeres Niveau zurückzufallen. Der nach Asien bevölkerungsreichste Kontinent zog 2000 weniger als ein Prozent der globalen FDI-Ströme an. Dies sind gerade noch 3,3 Prozent der FDI-Ströme in Entwicklungs- und Transformationsländer, deutlich weniger als in die Transformationsländer Osteuropas und – trotz des Anstiegs in absoluten Zahlen – im Verhältnis zur Gesamtheit aller Entwicklungsländer auch deutlich weniger als in den 1980er Jahren, als der Anteil Afrikas an den FDI-Strömen in Entwicklungsländer teilweise zweistellig war [vgl. Tabelle A im Anhang]. Dies legt die Vermutung nahe, dass Afrika auch schwächer in den Trend zu einer globalen Produktion eingebunden ist. Für 2001 zeigen sowohl Nord- als auch Sub-Sahara-Afrika deutlich höhere FDI-Zuflüsse als noch 2000. Die Steigerung resultiert im Wesentlichen aus einigen wenigen großen FDI-Projekten in Marokko und Südafrika. In Nordafrika bestimmen außerdem Länder wie Ägypten und Tunesien das Bild. Daneben gibt es positive Beispiele wie die stetige Entwicklung der Zuflüsse nach Uganda. Für die meisten Länder dieser Regionen bleiben die Zuflüsse allerdings auf dem geringen Niveau von 2000. Insbesondere in den Ländern Sub-Sahara-Afikas bildet die Rohstofforientierung eine besonders wichtige Motivkategorie.

Der Nahe und Mittlere Osten (Westasien) ist in den 1990er Jahren für ausländische Investitionen wieder attraktiver geworden. Bereits Anfang der 1980er Jahre erreichten die FDI-Ströme in diese Region ein erhebliches Ausmaß, bevor sie schnell wieder einbrachen. In den 1990er Jahren hat sich diese Lage wieder etwas erholt, an Anteile von 30 oder 40 Prozent an allen FDI in Entwicklungs- und Transformationsländern wie Anfang der 1980er Jahre ist aber – aufgrund des starken Wachstums der FDI-Ströme auch in andere Regionen – nicht mehr zu denken. In den letzten Jahren wurden nur noch Anteile zwischen null und 3,5 Prozent erlangt. Wesentlichen Anteil an der Entwicklung der FDI-Zahlen in Westasien hat das Land Saudi-Arabien durch seine positiven wie negativen Ausschläge. Durch größere Kapitalabflüsse aus Saudi-Arabien ergaben sich für die Jahre 1980 und 1987 auch insgesamt Abflüsse aus der Region Westasien [vgl. Tabelle A im Anhang], die sich in Abbildung 6 in einer verzerrten Darstellung der Werte dieser Jahre und nicht zugeordneten Flächen niederschlagen. Von den anderen Ländern dieser Region verzeichnete v.a. die Türkei FDI-Zuströme in beträchtlichem Umfang [vgl. Tabelle A im Anhang].

Festzuhalten bleibt somit, dass bisher nicht alle Länder in gleichem Maße an der internationalen Arbeitsteilung durch FDI teilhaben. Vor allem Sub-Sahara-Afrika und Teile Zentral-asiens bleiben von diesem Trend nahezu ausgeschlossen. Dennoch sind die FDI-Zuflüsse nicht auf eine kleine Ländergruppe beschränkt geblieben. Zwar ist ein großer Anteil der gesamten jährlichen FDI-Zuflüsse der Entwicklungs- und Transformationsländer auf nur zehn Empfänger konzentriert, die Zusammensetzung dieser Gruppe variiert jedoch. Außerdem ist der Anteil der zehn wichtigsten Empfängerstaaten von 77 Prozent im Jahr 1984 im folgenden Jahrzehnt auf 63 Prozent und damit deutlich gesunken, obwohl China seinen Anteil drastisch ausweiten konnte.[46]

3.3.3 Weitere Differenzierungen der Ströme und Bestände

Auch die Aussichten für Nachzügler, durch FDI Anschluss an die Globalisierungstendenzen zu finden, haben sich verbessert, seitdem einige fortgeschrittene Schwellenländer (z.B. Südkorea und Taiwan) selbst als Investoren im Ausland tätig werden. Zwar liegt der Anteil der Entwicklungs- und Transformationsländer an den weltweit ausfließenden FDI-Strömen bei lediglich 6,5 Prozent (2001) [vgl. UNCTAD (2002a)], doch sind die FDI der Schwellenländer z.B. für einige Empfängerstaaten des asiatischen Raumes von erheblicher Bedeutung. So sind asiatische Schwellenländer sowohl in den ASEAN-Staaten als auch in China zu führenden Investoren geworden [vgl. Gundlach/Nunnenkamp (1996), S. 96 und Abbildung 5].

Für die Länder Afrikas sieht es dagegen deutlich schlechter aus. Dies schlägt sich auch in den Zahlen nieder, die für die Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder (LDCs = least developed countries) ermittelt wurden [vgl. Tabelle B im Anhang]. Von den 49 LDCs liegen 34 in Afrika, neun in Asien, fünf im Pazifik und eines in der Karibik. Die LDCs haben einen Anteil von ca. elf Prozent an der Weltbevölkerung und von ca. 13 Prozent an der Bevölkerung der Entwicklungsländer [vgl. Tabelle D im Anhang]. Demgegenüber konnten sie in den 1990er Jahren lediglich jeweils rund ein Prozent der weltweiten FDI auf sich vereinen. Selbst wenn der Vergleich der LDCs mit den Entwicklungs- und Transformationsländern vorgenommen wird, verbessert sich das Bild nicht. Zwar lag der Anteil in den letzten Jahren immer bei etwa zwei Prozent, allerdings ist dies eine eindeutige Verschlechterung gegenüber den Anteilen Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre, als die LDCs noch bis zu vier Prozent der FDI in Entwicklungs- und Transformationsländer anzogen. Zu dieser schwachen Einbindung der LDCs in den Trend zur globalen Produktion hinzu kommt noch die ungleichmäßige Verteilung der FDI innerhalb der Gruppe der LDCs. Beispielsweise konnten die vier Öl exportierenden Länder Angola, Äquatorialguinea, Sudan und Jemen ihren Anteil an den FDI in LDCs von zehn Prozent für den Zeitraum 1986-1990 auf 40 Prozent im Zeitraum 1996-2000 steigern [vgl. UNCTAD (2002b), S. 73]. Hinzu tritt noch, dass sich in LDCs – aufgrund ihrer z.T. sehr kleinen Größe – bereits eine geringe Anzahl von Investitionsprojekten stark auf die FDI-Statistiken auswirken kann. Von einem kontinuierlichen Strom kann nur in sehr wenigen Fällen gesprochen werden. In den vergangenen Jahren stach aus der Gruppe der LDCs insbesondere Angola durch sehr hohe FDI-Zuflüsse aufgrund von Offshore-Erdölexploration hervor und ist damit ein gutes Beispiel für ein Land, in dem die Kategorie „Einkaufs- und Beschaffungsvorteile“ [vgl. Abschnitt 3.2] der explorativen Art die Motivation der FDI dominiert. Neben Angola zogen aber auch Mosambik, Tansania und Uganda nennenswerte FDI-Ströme an [vgl. Tabelle B im Anhang]. In den insgesamt geringen Strömen in die am wenigsten entwickelten Länder schlägt sich – neben der vielfach fehlenden politischen Stabilität – insbesondere das Ausbleiben der marktorientierten Motive deutlich nieder, welches nicht vollständig durch billige ungelernte Arbeitskräfte (kostenorientierte Motive) ausgeglichen werden kann.[47]

3.4 Andere wichtige Kennzahlen

FDI im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt:

Die langfristige Zunahme der in FDI zum Ausdruck kommenden Aktivitäten von TNU lässt sich gut am Verhältnis der inwärtigen FDI-Bestände, als Maß für die Aktivitäten ausländischer TNU, zum Bruttoinlandsprodukt, als Maß für die gesamten Wirtschaftsaktivitäten in einem Land, ablesen. Weltweit ist diese Quote zwischen 1980 und 2000 von 6,1 Prozent auf 20,0 Prozent gestiegen.

| |1980 |1985 |1990 |1995 |2000 |

|Welt |6,1 |7,8 |8,9 |10,0 |20,0 |

|Industrieländer |4,8 |6,2 |8,1 |8,9 |17,1 |

|Entwicklungsländer |10,2 |13,9 |13,0 |15,3 |30,9 |

|Nordafrika |4,3 |6,0 |8,5 |13,0 |15,1 |

|Sub-Sahara-Afrika |11,2 |13,8 |12,2 |17,2 |33,8 |

|Lateinamerika |6,5 |11,0 |10,4 |11,8 |30,9 |

| Chile |3,2 |14,1 |33,2 |23,8 |60,9 |

| Uruguay |7,2 |16,8 |10,8 |8,0 |10,6 |

|Asien und der Pazifik |13,0 |16,3 |14,8 |17,0 |31,6 |

| Westasien |- |7,7 |6,2 |7,7 |8,5 |

| Zentralasien |- |- |- |8,5 |39,5 |

| Aserbaidschan |- |- |- |6,1 |70,9 |

| Usbekistan |- |- |- |1,0 |9,1 |

| |1980 |1985 |1990 |1995 |2000 |

| Süd-, Ost- u. Südostasien |21,1 |19,5 |17,4 |18,9 |36,4 |

| China |3,1 |3,4 |7,0 |19,6 |32,3 |

| Indien |0,6 |0,5 |0,5 |1,6 |4,1 |

| Malaysia |20,7 |23,3 |23,4 |32,3 |58,8 |

|Transformationsländer (MOE) |- |0,2 |1,7 |5,4 |18,9 |

|LDCs |4,2 |5,1 |5,7 |11,3 |19,4 |

Tabelle 1: Inwärtige FDI-Bestände in Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Quelle: UNCTAD (2002b), S. 328-336.

Trotz der massiven Zuwächse bei FDI in Industrieländern kommen diese in 2000 nur auf eine Quote von 17,1 Prozent, die Entwicklungsländer dagegen auf 30,9 Prozent und die Transformationsländer auf 18,9 Prozent. Auch wenn die Quoten der einzelnen Entwicklungsländerregionen nicht sehr stark variieren, zeigt sich bei Betrachtung einzelner Länder doch eine beachtliche Streuung [vgl. auch Abschnitt 3.3.2]. Als Beispiele sind in Tabelle 1 einige Länderpaare für verschiedene Regionen angeführt: Chile und Uruguay, Aserbaidschan und Usbekistan sowie Indien und Malaysia. Das Beispiel Aserbaidschan ist sehr stark von der Erdölindustrie geprägt, so dass das sehr hohe Verhältnis des FDI-Bestands zum BIP auf diese Investitionen zurückzuführen ist. Der starke Anstieg von 1995 bis 2000 weist zudem auf starke Verschiebungen in der Wirtschaftsstruktur des Landes. Die LDCs weisen dagegen selbst im Verhältnis zu ihrer sehr geringen Wirtschaftskraft eine unterdurchschnittliche Quote auf.

FDI im Verhältnis zur Sachkapitalbildung:

Obwohl in Abschnitt 3.1.2 gezeigt wurde, dass FDI nicht einfach als Teil der Sachkapitalbildung betrachtet werden kann, ist das Verhältnis dieser Zahlen doch sehr interessant und gibt Aufschluss über den potenziellen Beitrag von FDI zur Sachkapitalbildung. Tabelle 2 zeigt die Entwicklung des Verhältnisses von einfließenden FDI zur Sachkapitalbildung weltweit, in einzelnen Regionen und Ländern an Beispielen auf. Selbst im Durchschnitt der Entwicklungsländer von zuletzt 13 Prozent [vgl. Tabelle 2] kann den FDI eine wichtige Rolle in der wirtschaftlichen Entwicklung nicht abgesprochen werden. Für viele Länder ist die Bedeutung von FDI jedoch noch erheblich größer. Überdurchschnittliches Potenzial zur Sachkapitalbildung ergibt sich aus den FDI-Zuflüssen nach Zentralasien und Lateinamerika. Armenien weist z.B. eine Quote von zeitweise über 75 Prozent auf, aber auch andere Länder der Region können enorme Quoten vorweisen. In fast allen Zahlen kommt die Zunahme von FDI in den 1990er Jahren zum Ausdruck. Allerdings schneiden die LDCs selbst unter Berücksichtigung ihrer geringen Sachkapitalbildung unterdurchschnittlich ab. Die geringe Einbindung der ärmsten Länder in die internationale Arbeitsteilung lässt sich auch hier ablesen. Sowohl für die LDCs als auch für die sich mit den LDCs stark überschneidende Gruppe der Länder Sub-Sahara-Afrikas dürften die Zuflüsse an offizieller Entwicklungshilfe wesentlich bedeutsamer für die Sachkapitalbildung gewesen sein. Interessant ist auch, dass die Bedeutung von FDI für China nicht die Ausmaße hat, die man vermuten könnte, wenn man sich die absoluten FDI-Ströme in dieses Land ansieht. China lag in den 1990er Jahren meist nur leicht über dem Durchschnitt der Region Süd-, Ost- und Südostasien und dem Durchschnitt der Entwicklungsländer. In den Jahren 1999 und 2000 wies China sogar ein unterdurchschnittliches Verhältnis von FDI zur Sachkapitalbildung auf. Länder wie Chile verzeichnen bspw. eine erheblich höhere Quote.

| |jährl. Ø |1996 |1997 |1998 |1999 |2000 |

| |1990-1995 | | | | | |

|Welt |4,1 |5,9 |7,4 |11,0 |16,5 |22,0 |

|Industrieländer |3,6 |4,8 |6,0 |10,7 |17,4 |25,0 |

|Entwicklungsländer |5,7 |9,1 |11,1 |11,4 |13,4 |13,4 |

|Nordafrika |3,9 |3,5 |5,9 |5,6 |9,6 |5,5 |

|Sub-Sahara-Afrika |5,8 |7,7 |12,8 |10,6 |14,1 |10,5 |

|Lateinamerika |7,4 |12,6 |16,6 |17,1 |25,9 |20,7 |

| Brasilien |2,0 |7,2 |11,8 |18,6 |28,2 |28,4 |

| Chile |13,6 |23,2 |23,2 |22,4 |59,9 |23,1 |

|Asien und der Pazifik |5,3 |8,3 |9,2 |9,5 |9,6 |11,6 |

| Westasien |0,9 |1,8 |3,3 |3,6 |0,2 |0,3 |

| Zentralasien |6,5 |25,9 |39,7 |32,2 |29,2 |22,9 |

| Armenien |3,7 |6,2 |19,5 |75,7 |43,0 |39,3 |

| Kasachstan |16,4 |46,2 |58,5 |35,4 |53,8 |41,0 |

| Süd-, Ost- u. Südostasien |6,7 |9,1 |10,0 |10,5 |11,5 |14,0 |

| China |9,8 |14,3 |14,6 |12,9 |11,3 |10,5 |

| Indien |0,9 |2,9 |4,0 |2,9 |2,2 |2,3 |

| Malaysia |19,4 |17,0 |14,7 |14,0 |22,2 |16,5 |

|Transformationsländer (MOE) |4,8 |7,1 |9,7 |13,7 |18,6 |18,2 |

| Bulgarien |3,8 |8,1 |46,1 |33,2 |41,4 |51,7 |

|LDCs |5,2 |5,6 |5,1 |6,3 |7,8 |5,8 |

Tabelle 2: Einfließende FDI-Ströme in Prozent der Sachkapitalbildung.

Quelle: UNCTAD (2002b), S. 319-327.

Internationale Unternehmenszusammenschlüsse:

Parallel zum Anstieg der FDI nahm auch die Zahl der international operierenden Unternehmen dramatisch zu. Im Jahre 1993 existierten nach Schätzungen der Bundesregierung weltweit etwa 40.000 dieser länderübergreifenden Konzerne mit ca. 250.000 ausländischen Beteiligungsgesellschaften [vgl. Bundesregierung (1993), S. 16]. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen gab es 2001 sogar ca. 65.000 Transnationale Unternehmen mit über 850.000 Auslandsniederlassungen [vgl. UNCTAD (2002b), S. 14]. Mittlerweile ist der Anteil am globalen Output, der auf TNU und deren ausländische Tochtergesellschaften entfällt, auf ein Viertel gestiegen [vgl. UNCTAD (2000), S. 3].

Weltweit wurden im Jahr 2000 dabei grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen (M&A = mergers and acquisitions) für über 1.140 Mrd. US-$ bekannt gegeben – 1987 waren es noch 74 Mrd. US-$ [vgl. Abbildung 7].

[pic]

Abbildung 7: Grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen in Mrd. US-$.

Quelle: UNCTAD (2002a).

Wie viele Mrd. davon durch FDI finanziert wurden, lässt sich nicht genau bestimmen, da Übernahmen z.B. auch mit Hilfe des Kapitalmarktes finanziert werden können und diese dann nicht als FDI verbucht werden [vgl. UNCTAD (1999), S. 8]. Die grenzüberschreitenden Fusionen und Übernahmen machen allerdings einen wesentlichen Anteil an den FDI aus. Wie die Direktinvestitionen, so verzeichneten auch die M&A-Zahlen im Jahr 2001 einen dramatischen Rückgang auf nunmehr 594 Mrd. US-$. Das geringe Volumen von Fusionen und Übernahmen ist die wesentliche Ursache für den Rückgang der FDI in 2001. Es wird erwartet, dass sich dies auch 2002 bemerkbar macht. Die M&A-Transaktionen in den Entwicklungsländern werden von der Region Lateinamerika dominiert, wozu insbesondere die Privatisierungsprogramme von Ländern wie Brasilien und Argentinien beitragen [vgl. UNCTAD (2000), S. 122].

Patent- und Lizenzgebühren:

Einen kleinen Einblick in die wachsende Bedeutung der nicht als FDI registrierten Aktivitäten von TNU in den Gastländern [vgl. Abschnitt 3.1.2] geben die Zahlen zu international abgeführten Patent- und Lizenzgebühren [vgl. UNCTAD (2000), S. 268]. Diese Zahlungen stammen aus der Nutzung von Patent- und Lizenzrechten im Ausland, einer Form der Betätigung (v.a.) von TNU, für die keine Eigenkapitalbeteiligung notwendig ist und daher auch keine Direktinvestition vorliegen muss [vgl. Abschnitt 3.1.1]. Die hier angeführten Zahlungen stammen zwar vielfach von ausländischen Tochtergesellschaften, jedoch auch von Gesellschaften, mit denen keine Kapitalverflechtung besteht. Beispielhaft soll hier die Entwicklung dieser Zahlungen an die drei größten Industrieländer (USA, Japan, Deutschland) betrachtet werden [vgl. Abbildung 8].

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Abbildung 8: Patent- und Lizenzzahlungen in Mrd. US-$.

Quelle: UNCTAD (1999), S. 404.

Innerhalb des betrachteten Zeitraums (1985-1997) steigerten sich die nach Japan fließenden Zahlungen von 723 Mio. auf 7.303 Mio. US-$ (+910 Prozent), die in die USA fließenden von 6.680 Mio. auf 33.676 Mio. US-$ (+404 Prozent) und die nach Deutschland fließenden von 546 Mio. auf 2.282 Mio. US-$ (+318 Prozent).

Angaben zu Patent- und Lizenzzahlungen ergänzen den Indikator FDI sinnvoll, ebenso wie Angaben zu den Umsatz- und Beschäftigungszahlen von TNU. Wird allerdings versucht, nur einen Indikator für die Tätigkeit von TNU in Gastländern zu verwenden, wie dies in ökonometrischen Unterschungen notwendig ist, so sind FDI nach wie vor die beste Wahl.

Wachstumseffekte ausländischer Direktinvestitionen: Wirkungskanäle

In den folgenden Kapiteln 4 und 6 werden die wirtschaftlichen Auswirkungen von FDI in Entwicklungsländern behandelt. Entsprechend dem entwicklungs-politischen Zielkatalog [vgl. Kapitel 2] werden die möglichen Auswirkungen von FDI auf Wachstum und Verteilung in Entwicklungsländern betrachtet; Auswirkungen auf die natürliche Umwelt werden nicht behandelt. Dabei sind nicht die positiven oder negativen Begleiterscheinungen eines Industrialisierungsprozesses von Relevanz, sondern die Effekte, die mit der ausländischen Herkunft des Investors verbunden sind.

Die in diesem Kapitel behandelte Frage nach den Wachstumseffekten von FDI ist gleichbedeutend mit der Frage, ob FDI – wie in Abbildung 1 – die Unterziele „Mehrung der Bestände der Produktionsfaktoren“ (Akkumulationsziel) und „effizientere Verwendung dieser Bestände“ (Allokationsziel) fördern.

Grundsätzlich können die zu betrachtenden Wirkungen von FDI auf die wachstumsrelevanten Größen an einer makroökonomischen Produktionsfunktion verdeutlicht werden [vgl. Hemmer (2002), S. 59 ff.]:

Y = A ·f(SK, HK, L, R) (W-1)

In dieser Darstellung ist der Output an Gütern (Y) zum einen von den Beständen der Produktionsfaktoren Sachkapital (SK), Humankapital (HK), Arbeit (L) und natürlichen Ressourcen (R) abhängig [vgl. Abschnitt 2.2 für Definitionen]. Zum anderen wird er von einem gegebenen funktionalen Zusammenhang f und dem Technologieparameter A bestimmt, bei dem man auch von der totalen Faktorproduktivität spricht.

Mit A werden die technisch-organisatorischen Rahmenbedingungen erfasst, auf die sich sowohl Akkumulationswirkungen von FDI durch die Auswirkungen auf die Schaffung und Anwendung neuen Wissens [vgl. Abschnitt 4.1.2] als auch Allokationswirkungen [vgl. Abschnitt 4.2] beziehen. Die weiteren Wirkungen von FDI beziehen sich auf die Faktorbestände an Sach- und Humankapital und damit auf Akkumulationswirkungen.

Von den angeführten Produktionsfaktoren sollen ungelernte Arbeit und natürliche Ressourcen hier nicht weiter betrachtet werden. Die natürlichen Ressourcen spielen in der klassischen Wachstumstheorie eine wichtige Rolle. Sie geben darin die Obergrenze des Entwicklungspfades vor. In den moderneren Theorien haben sie dagegen nur noch eine untergeordnete Bedeutung. Die Bedeutung des Produktionsfaktors natürliche Ressourcen geht für die meisten Länder zurück, obwohl es Ausnahmen wie bspw. Angola oder Kasachstan gibt, in denen die Exploration von Rohstofflagerstätten der wichtigste Wirtschafts-sektor und auch für FDI sehr attraktiv ist. In dieser Arbeit werden die Effekte von FDI auf die natürliche Umwelt nicht behandelt. An ungelernter Arbeit herrscht in den Entwicklungsländern i.d.R. kein Mangel, so dass eine evtl. vorhandene Arbeitsakkumulationswirkung von FDI keine positven Wachstumseffekte hätte.

Die oben angeführte Produktionsfunktion vereinfacht sich dadurch zu:

Y = A ·f(SK, HK) (W-2)

Die Akkumulation von Sach- und Humankapital sowie die Schaffung und Anwendung neuen Wissens stellen auch nach den Erkenntnissen der neueren Wachstumstheorie die entscheidenden Triebkräfte eines positiven Wachstums des Pro-Kopf-Einkommens dar.

Den bisher genannten Akkumulations- und Allokationswirkungen wird im Weiteren die Kategorie der Deviseneffekte zur Seite gestellt, da diese beide Arten von Effekten umfassen und sich damit sowohl auf die Akkumulation von Faktorbeständen (SK und HK) als auch auf deren effiziente Verwendung (A) auswirken. Auf ein mathematisch-formales Modell wird in dieser Arbeit zugunsten einer ausführlicheren Schilderung der potenziellen Wirkungskanäle als mikroökonomische Fundierung der makroökonomischen Modelle verzichtet.

4.1 Akkumulationseffekte

Wenn in erheblichem Umfang Sachkapital (z.B. in Form von FDI) in Entwicklungsländer strömt, weil dort aufgrund der geringeren Pro-Kopf-Kapitalausstattung die Grenzproduktivität des Kapitals höher ist als in den Industrieländern, so werden positive Wachstumseffekte in den Entwicklungs-ländern ausgelöst [vgl. Hemmer (2002), S. 321 f. und Krugman/Obstfeld (2003), S. 170 und S. 341 ff.]. Sowohl die traditionelle neoklassische Theorie nach Solow [1956] als auch der Ansatz der modernen Wachstumstheorie von Mankiw, Romer und Weil [1992], in dem das Solow-Modell um Humankapital erweitert wird, prognostizieren aus diesem Zusammenhang unter der Bedingung freier Kapitalmobilität eine Anpassung der Wachstumsraten des PKE zwischen Industrie- und Entwicklungsländern (sog. Konvergenz-These).

Angesichts ihrer zum Teil gravierenden Humankapitaldefizite sind den Chancen vieler Länder, wirtschaftliches Wachstum allein auf der Basis ihrer Eigenanstrengungen und Sachkapitaltransfers zu generieren, jedoch deutliche Grenzen gesetzt, da dieses Defizit an Humankapital als Engpass wirkt. Dieser ergibt sich aus der Komplementarität von Sach- und Humankapital; bspw. sind zur Bedienung komplizierter Produktionseinrichtungen auch entsprechend ausgebildete Arbeitskräfte erforderlich. Die neoklassische Theorie unterstellt im Gegensatz dazu die weitgehende Substitutionalität beider Kapitalarten. Wird eine nur begrenzte Substituierbarkeit von Sach- und Humankapital angenommen, wird die zentrale Bedeutung der Attraktion von FDI für das Wirtschaftswachstum deutlich: FDI stellen für viele Länder die mit Abstand größte Chance dar, ihre Ausstattung mit den zentralen Wachstumsdeterminanten Sach- und Humankapital sowie Wissen über das Ausmaß der eigenen Anstrengungen hinaus zu erhöhen. Entsprechend wurde auch das rasante Wachstum der FDI seit Mitte der 1980er Jahre nicht nur als zentrale Erscheinungsform der Globalisierung identifiziert, sondern auch als eine wesentliche Bestimmungsgröße des empirisch feststellbaren PKE-Wachstums in vielen Entwicklungsländern bezeichnet [vgl. Hemmer (2002), S. 338]. Die Effekte, die FDI auf die Bestände von Sachkapital, Wissen und Humankapital in den Entwicklungsländern ausüben können, werden im Folgenden dargelegt. Nicht zu vernachlässigen ist dabei die Rolle des Umfeldes einer Direktinvestition. Stern [1991] verwies bspw. bereits auf die mangelhafte Berücksichtigung der physischen und sozialen Infrastruktur bei der Suche nach den Quellen des Wachstums, und Mauro [1995] untersuchte die negativen Wirkungen von Korruption auf das Wirtschaftswachstum.

4.1.1 Akkumulation von Sachkapital

Die Akkumulation von Sachkapital – in der Gleichungen W-2 wirkt sich dies auf den Bestand an Sachkapital SK aus – stellt in allen Wachstumstheorien eine entscheidende Größe dar. In der klassischen Wachstumstheorie wurden Sachkapital und Arbeit allerdings noch gemeinsam als Paket betrachtet. Diesem kam die Rolle des Komplementärfaktors zu, welcher der Bewirtschaftung des Bestands an natürlichen Ressourcen als fixem Faktor diente. Dagegen stellt Kapital sowohl in der postkeynesianischen Theorie als auch bei den Neoklassikern – allerdings mit unterschiedlichen Begründungen – den entscheidenden Produktionsfaktor dar. Während eine höhere Rate der Kapitalakkumulation im postkeynesianischen Ansatz zu höherem Wirtschaftswachstum führt, hat diese im neoklassischen Ansatz nur Auswirkungen auf das Niveau des Wachstumspfades. Die Wachstumsrate wird dagegen vom technischen Fortschritt bestimmt [vgl. Frenkel/Hemmer (1999), S. 9 ff. und Hemmer (2002), S. 159 ff.].

FDI stellen definitionsgemäß einen Zustrom an Kapital – zunächst im finanziellen Sinne – dar und können somit zu einer Steigerung der inländischen Investitionsquote am Sozialprodukt führen. Hier sind jedoch insbesondere die Einschränkungen zu beachten, die bereits über den losen Zusammenhang zwischen FDI und Sachkapitalbildung gemacht wurden [vgl. Abschnitt 3.1.2].

FDI können in Bezug auf die weitere Sachkapitalbildung sehr verschieden wirken, je nachdem ob es sich um eine Neugründung (greenfield investment) oder um den Erwerb eines bereits bestehenden Unternehmens (d.h. M&A) handelt. Während bei einer Neugründung auch entsprechendes Sachkapital gebildet wird, muss dies beim Erwerb eines bestehenden Unternehmens nicht der Fall sein. Insbesondere in Transformationsländern wird ein großer Teil der FDI mit den Privatisierungserlösen des Staates erfasst. Die FDI-Beträge stellen in diesen Fällen keine Sachkapitalbildung dar [vgl. Hunya (1998), S. 11]. Agosin und Mayer [(2000), S. 5] und Agosin [(1996), S. 32] weisen jedoch darauf hin, dass in vielen Fällen der Erwerb eines bestehenden Unternehmens nur einen kleinen Teil der Gesamtinvestition ausmachte, da die Modernisierungs- und Rationalisierungsinvestitionen sowie die Investitionen in moderne Technologien in ihren Untersuchungen weitaus wichtiger waren. Vielfach bedeutet eine Übernahme durch ein ausländisches Unternehmen auch die Rettung des verkauften Unternehmens, da die relevante Alternative die Schließung gewesen wäre. Langfristig, wenn direkte und indirekte Effekte berücksichtigt werden, sind die Unterschiede in den Auswirkungen von M&A und greenfield investments als Formen von FDI gering [vgl. Mišun/Tomšík (2002), S. 39]. Über die mögliche Sachkapitalbildung in den TNU-Niederlassungen hinaus werden durch FDI nämlich möglicherweise Folgeinvestitionen ausgelöst, die zu weiterer Sachkapitalbildung führen.[48] Abbildung 9 veranschaulicht, in welche Richtungen FDI zu sog. linkages bzw. spillovers führen können. Dies gilt nicht nur für die Akkumulation von Sachkapital, sondern auch für die Akkumulation von Humankapital und Wissen.

Umfeld

Markt

Abbildung 9: Wesentliche Richtungen der indirekten Wirkungen von FDI.

Quelle: Eigene Darstellung.[49]

Der Abbildung folgend sollen die Effekte danach aufgegliedert werden, ob sie sich auf die vorgelagerten Industrien bzw. Lieferanten, auf die nachgelagerten Industrien bzw. Distribution und Kunden, auf die Wettbewerber oder auf das gesamte Umfeld der TNU beziehen. Nach Hirschman [(1958), S. 98 ff.] werden die Beziehungen zu vorgelagerten und nachgelagerten Produktionsstufen als forward linkages bzw. backward linkages bezeichnet. Diese stellen eine Untermenge der Auswirkungen auf andere Wirtschaftssubjekte (spillovers) dar. Effekte, die sich bei Konkurrenten und dem sonstigen TNU-Umfeld einstellen, sind somit nur spillovers, nicht aber linkage effects, während Auswirkungen auf Zulieferer und Kunden beides sind. Die Linkage-Effekte spielten in der Debatte um balanced versus unbalanced growth in den 1950er und 1960er Jahren eine wichtige Rolle [vgl. Hemmer (2002), S. 645 ff.].

Lieferanten: Sowohl zur Errichtung der Niederlassung als auch zur laufenden Produktion werden Inputfaktoren benötigt, die das TNU im In- oder Ausland beziehen kann. Je mehr Inputfaktoren dabei im Gastland selbst beschafft werden, umso mehr zusätzliche Investitionen werden in den vorgelagerten Industrien induziert. Bis diese backward linkage effects in den vorgelagerten Industrien zum Tragen kommen, vergeht jedoch meist einige Zeit, in der die Niederlassung des TNU im Gastland einen großen Teil seiner Vorprodukte importieren muss. Dies ist erforderlich, wenn im Gastland die nötigen Inputs nicht in ausreichender Menge und v.a. nicht in der benötigten Qualität zur Verfügung stehen [vgl. UNCTAD (2001b), S. 137]. In der Folgezeit einer Investition werden Beziehungen zu den potenziellen Zulieferern aufgebaut, welche die benötigten Kapazitäten für die Inputerzeugung schaffen. Große Unternehmen sorgen z.T. auch durch Starthilfen, wie Kredite und technische sowie betriebswirtschaftliche Unterstützung, für den Aufbau von Zulieferern [vgl. Caves (1996), S. 232, UNCTAD (2001b), Klein et al. (2001), S. 53, Altenburg (2001), S. 11 und Matouschek (1999), S. 1].[50] Bereits durch die zusätzliche Nachfrage der TNU wird es den lokalen Zulieferern ermöglicht, Größenvorteile (economies of scale) zu nutzen [vgl. Blomström/Kokko (1998), S. 253]. FDI, die durch Übernahmen zustande gekommen sind, weisen i.d.R. ein größeres Maß an Verknüpfungen mit der lokalen Wirtschaft auf, da sie einen großen Teil ihrer „alten“ Zulieferer beibehalten [vgl. UNCTAD (2001b), S. 138].

Ob es – insbesondere bei greenfield investments – zu derartigen backward linkages kommt, hängt auch davon ab, ob der ausländische Investor überhaupt Interesse am Aufbau eines lokalen Zulieferernetzwerkes hat, oder ob er eine Strategie verfolgt, die darauf verzichtet. „Positive Effekte sind v.a. dann zu erwarten, wenn sich der Investor auf bestimmte Kernkompetenzen konzentriert und ergänzende Funktionen dauerhaft an spezialisierte Zulieferer abzugeben bereit ist“ [Altenburg (2001), S. 11]. Als sehr erfolgreiches Beispiel der Generierung von backward linkages beschreibt Altenburg [(2001), S. 12 ff.] den Aufbau der Elektronikindustrie in Penang, Malaysia. Dort sei eine Vielzahl kleiner und mittlerer Zuliefererbetriebe entstanden, die heute z.T. selbst international tätig seien. Dabei hat sich gezeigt, dass TNU, die sich aus marktorientierten Motiven im Gastland engagieren, mehr Vorprodukte von lokalen Anbietern beziehen als solche, die v.a. die Exportorientierung im Auge haben und daher kostenorientiert sind. Erkennbar ist ein Trend der Intensivierung von Zuliefererbeziehungen mit der Zeit [vgl. Blomström/Kokko (1998), S. 258]. Es gibt auch Studien, die ein negatives Bild dieser Externalitäten zeichnen: Zum Beispiel wird berichtet, dass es in Venezuela zu negativen Wirkungen auf die Produktivität heimischer Unternehmen gekommen ist [vgl. Aitken/Harrison (1999), S. 610 f.]. Dieses Ergebnis weicht allerdings von denen der meisten anderen Studien ab [vgl. Blomström/Kokko (1998), S. 258].

In Bezug auf die Lieferanten kann es auch zu einem „Schneeball-Effekt“ kommen: Davon wird gesprochen, wenn sich infolge einer Investition eines TNU dessen etablierte Zulieferer ebenfalls im Gastland niederlassen und Investitionen tätigen, um auch die neue Niederlassung des TNU mit Inputs zu versorgen [vgl. Lall (1995), S. 525 und UNCTAD (1999), S. 266]. Dabei ist zu beachten, dass im Fall des Lieferanten aus dem Gastland, aber auch bei Inputlieferanten allgemein, Produktionsfaktoren alternativen Verwendungen entzogen werden. Positiv zu werten ist nur der Nettoeffekt.

Auch empirisch sind Backward linkage-Effekte erfasst worden: Szanyi [(1999), S. 56 u. 75] beschreibt diese Wirkung bspw. für FDI in Mittel- und Osteuropa nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes und kommt zu dem Ergebnis, dass TNU durchaus nennenswerte Verbindungen zu lokalen Inputlieferanten der Gastländer aufbauen. Matouschek [1999] zeigt auf, dass das Ausmaß von Spillover-Effekten auf die Lieferanten wesentlich von der Struktur der Lieferantenbeziehungen abhängt. Besonderes Augenmerk richtet er auf spillovers, die sich durch billigere oder verbesserte Inputlieferungen der Zulieferer der TNU auch für andere Unternehmen ergeben (d.h. vielfach Konkurrenten der TNU). Sun [1996] zeigt solche Effekte am Beispiel Chinas auf. Er kommt zu dem Ergebnis, dass FDI in China in solchen Sektoren konzentriert sind, die ein hohes Potenzial für backward linkages aufweisen, und auch, dass die Inputs für diese Niederlassungen überwiegend in China bezogen werden, das Potenzial für backward linkages also zu einem großen Teil realisiert worden ist. In einer ökonometrischen Analyse zeigen Görg und Strobl [2002], wie sich FDI auf den Markteintritt weiterer heimischer Unternehmen in Irland in die jeweils entsprechenden und in vorgelagerte Wirtschaftsbereiche auswirkten. Auf beides hatten FDI positive Auswirkungen; es kann also sowohl von backward linkage effects als auch von positiven spillovers bei den Wettbewerbern gesprochen werden. Als Beispiel für ausländische Investitionen mit relativ geringen forward als auch backward linkages führt Keller [(2001), S. 45] die Produktionsbetriebe an der mexikanisch-US-amerikanischen Grenze (maquiladoras) an.

Kunden: Weitere Investitionen sind auch in nachgelagerten Industriezweigen möglich: Wenn die von FDI-Betrieben hergestellten Produkte selbst wieder Inputs für nachgelagerte Produktionsstufen darstellen, so können sie auch auf diesen Neuinvestitionen und damit Wachstum und Beschäftigung auslösen. Die einfachste Möglichkeit ist die einer Verbilligung der Inputfaktoren. Werden Kostensenkungen bei der Herstellung, z.B. durch – per FDI übertragene – effizientere Produktionsverfahren an nachgelagerte Betriebe wenigstens z.T. durch Preissenkungen weitergegeben, so entstehen dort weitere Investitionsmöglichkeiten. Ähnliche Überlegungen gelten für Inputs, deren Qualität verbessert wurde, oder für gänzlich neue Inputs. Durch sie kann die nachgelagerte Produktion effizienter werden oder es können sich auch ganz neue Weiterverarbeitungsmöglichkeiten ergeben [vgl. auch Mansfield/Romeo (1980), S. 743]. Außerdem können sich in der Distribution – insbesondere von neuen Konsumgütern – weitere Investitionsmöglichkeiten auftun, bspw. wenn ein Distributions- und Kundendienstnetzwerk für den neuen Marktteilnehmer aufgebaut wird [vgl. Altenburg (2001), S. 11]. In diesem Bereich kommen – in geringem Umfang auch in Entwicklungsländern – Franchising-Konzepte zum Einsatz [vgl. Henriques/Nelson (1997), S. 30].

Wettbewerber: FDI wirken i.d.R. negativ auf die Kapitalbestände traditionell produzierender lokaler Konkurrenten. Durch den Verlust an Marktanteilen und die eventuelle Verdrängung vom Markt kann es bei ihnen zu einer Entwertung ihres Sachkapitals kommen.[51] Die Verdrängung der Konkurrenten von TNU kann sich dabei nicht nur auf den Güter-, sondern auch auf den Faktormärkten vollziehen [vgl. Jansen (1995), S. 196, Plum (1995), S. 10, Wu (2000a), S. 362 und Cypher/Dietz (1997), S. 443]: Durch höhere Gehälter, bessere Sozialleistungen und angenehmere Arbeitsbedingungen werben TNU in Gastländern gerade qualifizierte Arbeitnehmer ab, die zur Produktionsdurchführung benötigt werden.[52] Im Extremfall kann dies sogar zum Ende der wirtschaftlichen Tätigkeit der betroffenen einheimischen Unternehmen führen.[53] Da die TNU den heimischen Unternehmen Absatz streitig machen, verschlechtert sich zumindest kurzfristig die Produktivität der heimischen Unternehmen, da sie ihre Fixkosten nur noch auf geringere Stückzahlen verteilen können [vgl. Aitken/Harrison (1999), S. 607]. Negative kurz- und langfristige Produktivitätseffekte bei den heimischen Wettbewerbern von TNU wurden in einer breiten Studie für Betriebe in Venezuela ermittelt [vgl. Aitken/Harrison (1999), S. 609 ff.]. Agosin und Mayer [(2000), S. 4] leiten aus diesem Zusammenhang die Hypothese ab, dass FDI dann besonders investitionsförderlich wirken, wenn sie eine andere sektorale Verteilung aufweisen als der bisherige Kapitalstock der Volkswirtschaft. Dies bestätigen auch Mišun und Tomšík [(2002), S. 42]. Auf diese Weise können Bereiche der Volkswirtschaft, die z.B. aufgrund von technologischen Faktoren oder aus Mangel an Wissen über den Zugang zu internationalen Märkten unterentwickelt sind, gefördert werden. Dies trägt dazu bei, bisher unbekannte Güter in einer Volkswirtschaft einzuführen sowie die Produktvielfalt und das Wachstum zu steigern. Unter dem Stichwort economies of scale wurde bereits bei den Ausführungen zu den Lieferanten auf einen weiteren positiven Effekt verwiesen. In einem Modell über die linkage effects beschreibt Rodríguez-Clare [1996] u.a., wie sich durch die Annahme, Vorprodukte würden mit steigenden Skalenerträgen produziert, positive Effekte auch für andere Unternehmen ergeben können, die – wie die ausländische Niederlassung – diese Vorprodukte beziehen. Die positiven Effekte müssen sich jedoch nicht ausschließlich durch Einsparungen aufgrund von Größenvorteilen ergeben. Matouschek [1999] beschreibt, ob und wie es bei verschiedenen Lieferantenstrukturen zu positiven Effekten für Wettbewerber der TNU kommt, wenn der Markteintritt eines TNU positive backward linkage effects auslöst. Weitere positive Effekte für die Sachkapitalbildung bei Wettbewerbern von TNU-Niederlassungen können sich aus Wissens-spillovers ergeben, die es den Wettbewerbern bspw. ermöglichen, neue Verfahren zu nutzen, die sie von der TNU-Niederlassung imitieren. Aus den neuen Verfahren kann sich erheblicher Investitionsbedarf ableiten, der dann zur Sachkapitalbildung führt. Solche positiven linkage effects für Wettbewerber werden allerdings z.T. als sehr unwahrscheinlich und gering eingeschätzt und als Ausnahme betrachtet: „spillovers to local firms that directly compete with the multinationals would indeed be the most elusive benefits that host countries may expect to enjoy from FDI“ [Saggi (2000), S. 27]. Diese Aussage bezieht sich v.a. auf Wissens-spillovers bzw. Technologietransfer. Da diese jedoch hier die Voraussetzung für Effekte auf die Sachkapitalbildung wären, wird letztere sehr unwahrscheinlich. Wissens-spillovers werden genauer im nächsten Abschnitt behandelt.

Weitere positive Effekte auf die Sachkapitalakkumulation, die sich für das weitere Umfeld der TNU-Niederlassung ergeben, lassen sich über Wissens-spillovers zu Drittunternehmen konstruieren. Diese sind aber schwer zu ermitteln.

Weitere negative Effekte auf die inländischen Investitionen im Allgemeinen können sich zwar ergeben, sind jedoch i.d.R. nicht so gravierend, als dass sie die positiven Effekte der Direktinvestition überkompensieren könnten: Zu einer Verdrängung inländischer durch ausländische Unternehmen kann es kommen, wenn das ausländische Unternehmen zur Finanzierung seines Investitions-projektes auch die inländischen Kapitalmärkte in Anspruch nimmt und dabei die Kredite für inländische Unternehmen verteuert, so dass deren Investitionen u.U. unrentabel werden (Zins-crowding-out). Die ausländischen Investitionen wirken hier als Substitut für inländische Investitionen [vgl. Cypher/Dietz (1997), S. 438 und Saltz (1992b), S. 618 f.]. Jedoch ist der Umfang der auf diese Weise verdrängten inländischen Investitionen in jedem Fall geringer als die Summe der Investitionen, die per FDI und Inanspruchnahme der inländischen Kapitalmärkte durch die TNU finanziert wird [vgl. Borensztein et al. (1998), S. 134]. Der Einwand des Zins-crowding-out gilt zudem eher für Industrieländer, da in Entwicklungsländern aufgrund ihrer weniger entwickelten Kapitalmärkte oft höhere Zinsen gezahlt werden müssen und multinationale Unternehmen Zugang zu günstigeren Finanzierungsmöglichkeiten außerhalb des Gastlandes haben [vgl. Agosin/Mayer (2000), S. 3].

Ein weiterer negativer Effekt, der im Extremfall zu einer hohen Verdrängung privater inländischer Investitionen führen kann, liegt vor, wenn das Gastland zur Attrahierung von FDI eigene Komplementärinvestitionen, z.B. in die Infrastruktur, vornehmen muss, die sonst nicht getätigt würden und nur geringe positive externe Effekte auslösen [vgl. Wagner/Kaiser (1995), S. 219]. Auf diese Weise kommt es evtl. zur Unterlassung wichtiger Investitionen in anderen Bereichen. Allerdings ist es für viele Investoren notwendig die lokale Infrastruktur am Investitionsstandort zu verbessern. Dies ist eine Maßnahme, von der auch andere Unternehmen und Privatpersonen profitieren können. Die DEG stellt solche infrastrukturfördernden Wirkungen bei etwa der Hälfte ihrer Beteiligungen fest. Solche Verbesserungen schlugen sich insbesondere in den Bereichen Energieversorung, Verkehrsanbindung, Wasserver- und –entsorgung sowie Kommunikationssysteme nieder [vgl. DEG (1995), S. 35].[54]

In einer ökonometrischen Untersuchung von 32 Ländern zu der Frage, ob FDI einheimische Investitionen eher fördern oder verhindern (crowding-in oder crowding-out), zeichnen Agosin und Mayer [2000] ein sehr gemischtes Bild. Ihre Hauptschlussfolgerung ist, dass die vielfach beschworenen positiven Effekte von FDI auf die einheimische Investitionstätigkeit empirisch nicht so eindeutig nachzuweisen sind. In dem von ihnen betrachteten Zeitraum (1970-1996) habe Asien zwar deutliche Crowding-in-Effekte aufgewiesen, Latein-amerika im Gegensatz dazu jedoch Crowding-out-Effekte und in Afrika seien weder die einen noch die anderen Effekte erkennbar gewesen. Ein gemischtes Bild zeigt auch eine ökonometrische Studie zu drei mittel- und osteuropäischen Ländern, in der Crowding-in-Effekte nicht eindeutig bestätigt werden können. Durch FDI stiegen die Investitionen z.T. deutlich geringer an als das FDI-Volumen, oder eine Investitionssteigerung blieb sogar aus [vgl. Mišun/Tomšík (2002), S. 52]. Borensztein, de Gregorio und Lee [(1998), S. 128] finden in ihrer Wachstumsuntersuchung auch Hinweise auf crowding-in, da der Koeffizient, der den Beitrag von FDI zu den Investitionen im Gastland messen sollte, größer als eins war. Dieses Ergebnis erwies sich jedoch als nicht sehr robust, wenn andere Gleichungsspezifikationen verwendet wurden. Bei Aufnahme weiterer oder anderer Variablen in den Schätzansatz verlor der FDI-Koeffizient seine Signifikanz, so dass keine Aussage über diese Beziehung gemacht werden kann.

Die grundsätzliche Bedeutung von FDI für Sachkapitalbildung und Wachstum unterstreicht eine Wachstumsbuchhaltungsstudie über fünf ostasiatische Schwellenländer, in der Fan und Dickie [(2000), S. 319] zu dem Ergebnis kommen, dass FDI, allein über ihren Anteil an der Sachkapitalakkumulation gemessen, zwischen vier (Indonesien) und 20 Prozent (Singapur) des Wachstums in diesen Ländern verantworten.[55] Der Wachstumsbeitrag wird hierbei mit der Bedeutung der einfließenden FDI im Verhältnis zur heimischen Sachkapitalbildung gemessen.

Die Kapitalakkumulationseffekte von FDI sind insbesondere dann von Bedeutung, wenn die Verfügbarkeit über Kapitalgüter bisher einen Entwicklungsengpass darstellte. Grundsätzlich wird aber betont, dass auf lange Sicht für den Beitrag von FDI zum wirtschaftlichen Wachstum nicht die Sachkapital-, sondern die Wissensakkumulation von größerer Bedeutung ist [vgl. Mytelka (1999), S. 2 f.].

4.1.2 Akkumulation von technisch-organisatorischem Wissen

Technischer Fortschritt determiniert in der neoklassischen Wachstumstheorie die Wachstumsrate des PKE. Die Rate des technischen Fortschritts wird allerdings als exogen angenommen und das Zustandekommen von Innovationen nicht zu erklären versucht. Die Endogenisierung des technischen Fortschritts wird erst in neueren wachstumstheoretischen Ansätzen wie bspw. dem von Romer [1990] unternommen. In diesem Ansatz wird die Schaffung neuen Wissens auf gezielte F&E-Aktivitäten zurückgeführt. Da neues Wissen durch seine nur partielle Ausschließbarkeit den Charakter eines öffentlichen Gutes aufweist, ist es auch für andere Wirtschaftssubjekte als den Erfinder nutzbar und kann nach seiner Übertragung bzw. Diffusion kostenlos verwendet werden. Andere Modelle beschäftigen sich mit dem Transfer von Wissen. In der makroökonomischen Produktionsfunktion von Formel W-2 schlägt sich ein mehr an Wissen in einer Erhöhung des Technologieparameters A nieder, welcher die Produktivität der anderen eingesetzten Produktionsfaktoren bestimmt. FDI stellen dabei einen wichtigen, wenn nicht gar für Entwicklungsländer den entscheidenden Übertragungsmechanismus für Wissen in Form von im Gastgeberland bisher unbekannten Produktions- und Managementmethoden dar [vgl. Baldwin et al. (1999), S. 2]. Der Transfer von Technologie ist wichtig, da, wie sich in empirischen Untersuchungen zeigte, ausländische Innovationen im Vergleich zu heimischen Innovationen eine wesentlich größere Bedeutung aufweisen. Eine Studie für einige Industrieländer zeigte bspw., dass der Wachstumsbeitrag von Innovationen in allen untersuchten Ländern zu mindestens zwei Dritteln auf die Innovationen in den USA und Japan zurückgeht [vgl. Eaton/Kortum (1999), S. 539]. In Anbetracht der Tatsache, dass die überwältigende Mehrheit von F&E-Aktivitäten in den sieben wichtigsten Industrieländern (G7) stattfinden – 1991 waren es 92 Prozent [vgl. Coe et al. (1995), S. 1] –, ist die Bedeutung des Technologietransfers von Industrie- in Entwicklungsländer für das Wachstum der Entwicklungsländer besonders groß.

Dem Transfer neuen Wissens und seiner Diffusion werden die wichtigsten Wachstumseffekte von FDI in Entwicklungsländern zugeschrieben. Aus diesem Grund werden die Wachstumswirkungen von FDI in neueren Wachstumsmodellen als Erweiterung des verfügbaren Wissens abgebildet. Hierzu werden i.d.R. Leader-Follower-Modelle genutzt.[56] Die Grundlagen der neueren Modelle wurden insbesondere von Grossman und Helpman [1991] gelegt, die in ihrem Werk auch ein Modell unter Einbezug von FDI ausführen, welches sich allerdings mit der Erklärung komparativ-dynamischer Vorteile von Ländern im internationalen Handel beschäftigt [vgl. Grossman/Helpman (1991), Kapitel 7]. Große Verbreitung erlangte das Leader-Follower-Modell im Zusammenhang mit FDI durch die Schilderung einer Version von Barro und Sala-i-Martin [(1995), S. 276 ff.], welche auf FDI als Übertragungsmechanismus von Technologie eingeht.[57] Borensztein, de Gregorio und Lee [(1998), S. 118 ff.] greifen dieses Modell in ihrem, in erster Linie empirischen, Beitrag auf und erweitern es, indem sie das Ausmaß ausländischer Präsenz als einen Faktor aufnehmen, der die Kosten der Übertragung neuer Produkte mindert. Diesem Ansatz folgt auch Nguyen [2003], die daraus ihren Schätzansatz für die Wachstumswirkungen von FDI in Vietnam ableitet. Diesen in der Literatur mittlerweile ausreichend gut beschriebenen makroökonomischen Wachstumsmodellen liegen v.a. die im Folgenden beschriebenen Überlegungen zu den potenziellen Wirkungskanälen als mikroökonomische Fundierung zu Grunde:

Viele Unternehmen in Entwicklungsländern produzieren noch mit veralteten Techniken und Management-Methoden. Daher sind die Entwicklungsländer bei zunehmendem internationalem Wettbewerb auf den technischen und organisatorischen Know-how-Transfer zur Erhöhung ihrer Wettbewerbsfähigkeit angewiesen. Dieser Know-how-Transfer schlägt sich v.a. in einer verstärkten Förderung des Humankapitalbestands durch Ausbildungsmaßnahmen (z.B. für Ingenieure, Facharbeiter und Manager) in den TNU nieder [vgl. auch Abschnitt 4.1.3]. Verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass TNU aus Industrieländern – welche die Mehrheit der FDI tätigen – insbesondere in Branchen investieren, die technologie- und humankapitalintensiv produzieren [vgl. Wu (2000a), S. 362, Chen (1997b), S. 12, Zhang/Zheng (1998), S. 20 f., und Jensen (2002), S. 215].[58]

Erstes Ziel des Technologietransfers ist die TNU-Niederlassung, um dieser die Produktion mit den entsprechenden Methoden zu ermöglichen. Die DEG berichtet z.B., in den Unternehmen, an denen sie beteiligt ist, seien sowohl in den Bereichen Produkt- und Fertigungstechnologie als auch Organisation, Unternehmensführung und Marketing zahlreiche Transferaktivitäten zu verzeichnen gewesen [vgl. DEG (1995), S. 34]. Gerade im Technologietransfer liegen auch die wesentlichen positiven Effekte bei Übernahmen. Im Gegensatz zu greenfield investments werden nicht unbedingt neue Produktionsanlagen geschaffen, sondern v.a. bestehende reorganisiert und durch die Neueinführung von Ideen technischer Fortschritt im Gastland gefördert. Auf diese Weise kommt es, dass die Art der Direktinvestition (Übernahme oder Neugründung) für den langfristigen Gesamteffekt – insbesondere in Industrieländern – von immer geringer werdender Bedeutung ist [vgl. Barrell/Pain (1999), S. 209 f.].

Zur Generierung neuen Wissens im Gastland tragen auch die F&E-Maßnahmen bei, die TNU dort vornehmen. Obwohl diese vielfach geringer sind als die F&E-Maßnahmen im Heimatland des TNU und außerdem häufig der Anpassung von bereits existierenden Produkten an die Bedingungen im Gastland dienen, ist eine positive Bilanz zu ziehen. Zum einen sollte der Vergleichsmaßstab die F&E-Tätigkeit lokaler Konkurrenten sein, die i.d.R. weniger F&E betreiben als die großen internationalen Konzerne; zum anderen kann vermutet werden, dass TNU-Niederlassungen durch den Zugang zur Wissensbasis des TNU in der Lage sind, F&E effizienter zu betreiben als ihre lokalen Konkurrenten und daher ihren diesbezüglichen Aktivitäten ein größeres Gewicht zukommt [vgl. Blomström/Kokko (1998), S. 260 f.]. Dennoch wird das herrschende Ausmaß an lokalen F&E-Ausgaben der TNU von vielen Regierungen der Gastländer als gering angesehen. In mikroökonomischen Studien wird besonders die Wirkung ausländischer Beteiligungen auf die Produktivität von Unternehmen herausgestellt. Im Vergleich zu reinen einheimischen Unternehmen hätten ausländische Niederlassungen deutliche Vorteile [vgl. z.B. Holland et al. (2000), S. 198 ff.].

Von dem Transfer bzw. den F&E-Maßnahmen profitieren allerdings auch noch andere Unternehmen im Gastland, da sich das Wissen i.d.R. nicht in einem Unternehmen „einschließen“ lässt, sondern ein Prozess der Diffusion stattfindet, der zu einer Verbreitung des neuen Wissens im Gastland führt. Hierbei spielt die Cluster-Bildung eine wichtige Rolle, die nicht nur gute Möglichkeiten zur Diffusion von Wissen bietet, sondern einen weiteren Pluspunkt bei der Attrahierung von FDI darstellt [vgl. UNCTAD (2001b), S. 122].[59]

Die Wege, auf denen andere Unternehmen von dem Wissenstransfer in die TNU-Niederlassungen profitieren können, sollen anhand der Einteilung von Abbildung 9 beschrieben werden. Aufgrund der engen Verbindung von Wissen und Humankapital werden an dieser Stelle bereits einige FDI-Wirkungen auf die Humankapitalbildung im Vorgriff auf Abschnitt 4.1.3 mit dargelegt. Folgende Linkage- und Spillover-Effekte sind möglich:

Lieferanten profitieren bei der Zusammenarbeit mit dem TNU [vgl. Perez (1998), S. 25 f., Goncalves (1986), S. 120 und Blomström/Kokko (1998), S. 257], wenn ihnen, z.B. im Rahmen der gemeinsamen Produktentwicklung, die Möglichkeit gegeben wird, an dem Wissen des TNU teilzuhaben. Dies kann bis zur Lieferung ganzer Baupläne reichen. Außerdem kann technische Hilfe in Bezug auf Fragen der Qualität, Standardisierung, Liefersysteme oder Beschaffung von Vorprodukten gegeben werden. Teilweise werden ganze Trainingsprogramme in Produktion und Management durchgeführt. Lieferanten werden oftmals direkt unterstützt, damit ihre Produkte – die Inputs der TNU – bestimmte Qualitätsstandards erfüllen [vgl. Abschnitt 4.1.1]. Außerdem lernen lokale Lieferanten auf diese Weise viel über ausländische Märkte, z.B. über die dort herrschenden Präferenzen bzgl. Design, Verpackung und Produktqualität. Auf diese Weise wird es ihnen evtl. möglich gemacht eigene Exportaktivitäten aufzunehmen. Die geographische Nähe zu TNU hat sich z.T. für heimische Unternehmen als exportfördernd erwiesen [vgl. Abschnitt 4.3]. Zum Teil werden Zulieferer auch direkt dabei unterstützt ihre Kundenstruktur auszuweiten und zu diversifizieren [vgl. Blomström/Kokko (1998), S. 253 ff.]. Je größer der Anteil der lokal beschafften Vorprodukte an den gesamten Vorprodukten der TNU ist, desto größer ist auch das Potenzial für positive Externalitäten bei den Lieferanten. Es wurde z.B. festgestellt, dass Unternehmen, die TNU beliefern, den technischen Wandel schneller vorantreiben als solche, die keine Verbindung zu TNU haben [vgl. Noor et al. (2002), S. 136 ff.].

Kunden der TNU profitieren nicht in diesem Maße, aber auch sie können oftmals Nutzen – z.B. aus verbesserten technischen Unterlagen – ziehen [vgl. Schumann (1999), S. 95]. Des Weiteren sind Schulungsmaßnahmen über den Umgang mit neuen Produkten oder Informationen zu Neuerungen und Märkten denkbar, die zur Kundenbindung gegeben werden [vgl. Altenburg (2001), S. 11]. Händler und andere Vertriebsgesellschaften profitieren u.U. auch von Schulungsmaßnahmen, da ihnen gerade bei der Erschließung des Marktes für neue Produkte eine entscheidende Rolle zukommt [vgl. Petrochilos (1989), S. 43]. Technische Unterstützung kann auch unabhängigen Distributoren gewährt werden, die sich in Form von Trainingsprogrammen für deren Mitarbeiter niederschlagen können [vgl. Goncalves (1986), S. 120].

Wettbewerber der TNU können von deren Präsenz im Gastland ebenfalls profitieren. Indem sie Arbeitnehmer des TNU abwerben, sich die TNU generell – z.T. durch den Wettbewerb mit diesen gezwungen [vgl. Abschnitt 4.2] – als Vorbilder nehmen oder TNU-Patente auswerten, können sie die transferierte Technologie wenigstens teilweise übernehmen und entsprechendes Humankapital bilden.[60] Lokale Konkurrenten von TNU können z.B. durch Maßnahmen des reverse engineering, d.h. durch die Demontage und Untersuchung der Erzeugnisse eines TNU, versuchen, dessen Produkte und Techniken nachzuahmen und sich dadurch das Know-how für die Erzeugung dieser Produkte aneignen [vgl. Blomström/Kokko (1998), S. 250 und Mansfield/Romeo (1980), S. 742]. Ferner besteht die Möglichkeit, dass sich ehemalige Arbeitnehmer des TNU selbständig machen [vgl. Perez (1998), S. 24 ff.]. In diesem Falle profitiert das neu gegründete Unternehmen von dem Transfer, den der frühere Arbeitnehmer erhalten hat.[61] Zu negativen Folgen für andere Unternehmen kann es kommen, wenn TNU Fachkräfte aus heimischen Unternehmen abwerben [vgl. Blomström et al. (2000b), S. 18, Blomström/Kokko (1998), S. 248, Mansfield/Romeo (1980), S. 742 und Altenburg (2001), S. 12]. Die durch den Wettbewerb zwischen den in- und ausländischen Unternehmen erklärbaren Effekte sind nicht einmalig und auf den Zeitpunkt des Eintritts eines neuen ausländischen Wettbewerbers beschränkt, sondern entstehen aus der Dynamik des Wettbewerb und sind damit ein fortlaufender Prozess. Blomström, Kokko und Zejan [(1995), S. 530 f.] zeigen bspw. für Mexiko, dass Technologieimporte von TNU-Niederlassungen in Regressionsanalysen positive Korrelationsergebnisse mit Investitionen und Produktionswachstum heimischer Konkurrenten aufweisen. Jenkins [(1990), S. 209 f.] kommt in einem Vergleich von lokalen und TNU-Technologien zu dem Schluss, dass dort, wo lokale und ausländische Unternehmen im Wettbewerb stehen und in ähnlichen Größenordnungen ähnliche Produkte für den gleichen Markt herstellen, die lokalen Unternehmen tendenziell die Produktionstechniken der TNU übernehmen. In einer Studie über ausländische Präsenz und heimische Produktivität in Großbritannien werden zudem positive Spillover-Effekte auf Betriebe im gleichen Sektor festgestellt [vgl. Haskel et al. (2002), S. 18 f.]. [62] Saggi [(2000), S. 27] kommt dagegen zu einem sehr pessimistischen Urteil über mögliche Spillover-Effekte auf Konkurrenten, so dass nicht von vornherein von solchen Effekten ausgegangen werden kann. Aber auch auf die Produktivität einheimischer Firmen könnte sich die Präsenz von TNU auswirken. Räumliche Nähe sei dagegen nicht relevant. Ein noch skeptischeres Bild zeichnen Aitken und Harrison [(1999), S. 609 ff.], die in Venezuela sogar negative Spillover-Effekte auf kleine einheimische Unternehmen feststellten.

Eine nicht zu unterschätzende Wissenskategorie, die vielfach betont wird und die für Konkurrenten von TNU einen wichtigen Transfer darstellen kann, ist das Wissen um internationale Vertriebskanäle und Marketingtechniken, durch die ausländische Märkte erschlossen werden können.[63] Johansson und Nilsson [(1997), S. 2123] zeigen in einer Untersuchung über sog. export processing zones (EPZs) [vgl. Box 2] in Malaysia bspw., dass die exportfördernden Effekte größer waren als die Exporte der EPZs selbst. Die Autoren schließen daraus auf den Beitrag der EPZs zur Verbreitung von Export-Know-how. Zu diesen market access spillovers zählen außerdem Fälle, in denen lokale Unternehmen von der Lobbyarbeit der TNU profitieren, die diese in ihren Heimatländern vollziehen [vgl. Blomström/Kokko (1998), S. 248]. Weitere Beispiele, bei denen FDI zu einer neuen heimischen Exportindustrie beigetragen haben, sind die Textilindustrie Bangladeschs, die Sperrholzindustrie Indonesiens und der kolumbianische Blumenexport [vgl. Rhee/Belot (1990) für diese und weitere Fallbeispiele].

Für die Entwicklungsländer ist der Technologietransfer wichtig, um den technological and managerial gap, die Kluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern beim unternehmerischen und technologischen Wissen, nicht größer werden zu lassen, sondern den Anschluss zu halten und aufzuholen. Viele Studien haben die produktivitätsfördernde Wirkung von FDI im Gastland gezeigt [vgl. Fan (2002) für einen Überblick]. Der wesentliche Übertragungsmechanismus hierfür ist die Adaption neuer Management- und technologischer Methoden. Klein, Aaron und Hadjimichael [(2001), S. 3 f.] bezeichnen den Wissenstransfer als Transfer von best practice und betonen, dass FDI der effektivste Übertragungsmechanismus hierfür ist. FDI sind nach ihrer Aussage sogar ein Paket von Übertragungsmechanismen: Ausländische Kunden können höherwertige Produkte verlangen und damit Verbesserungen in der Produktion auslösen; Zulieferern wird evtl. daraufhin technische Unterstützung zuteil; importierte Kapitalgüter enthalten neue Technologien; Lizenzierung erlaubt die Beschaffung neuer Technologien; und expatriates übertragen Wissen. Biegelbauer, Grießler und Leuthold [(2001), S. 18] verweisen außerdem auf Kooperationen zwischen TNU und lokalen F&E-Einrichtungen und Universitäten als möglichen Kanal der Einflussnahme auf die lokale Wissensbasis und zeichnen in einem Überblick über 13 Fallstudien aus Mittel- und Osteuropa ein sehr gemischtes Bild. Zwar sei inzwischen ein leichter Trend zu F&E-Abteilungen mit Kooperationen mit lokalen Institutionen zu erkennen, Anfang der 1990er Jahre sei aber v.a. F&E-Kapazität abgebaut worden.

Im Fall von export processing zones (EPZs) gestattet es ein Land den Unternehmen, in einem zolltechnisch als Ausland behandelten Gebiet die Standortvorteile des Landes zu nutzen. Die Infrastruktur wird vom Land günstig zur Verfügung gestellt, ein Verkauf der hergestellten Produkte im Land selbst wird aber i.d.R. wie ein Import behandelt, d.h. normal verzollt. Eindeutig ausschlaggebend für diese Investitionen sind kostenorientierte Motive [vgl. Abschnitt 3.2]. Dies bedeutet i.d.R. die Nutzung billiger Arbeitskräfte und entsprechend auch den Einsatz arbeitsintensiver Technologien. Caves [(1996), S. 220 f.] sieht in EPZs allerdings v.a. umfassende staatliche Investitionsanreize, wie sie in Abschnitt 3.2 als Motiv für FDI angeführt wurden. Eine Definition von EPZs findet sich bspw. in der Studie von Madani [(1999), S. 11 ff.], der das Konzept der EPZs ausführlich darstellt und einige Beispiele aus afrikanischen Ländern anführt. Eine kritische Beschreibung der Wirkungen von EPZs liefern Cypher und Dietz [(1997), S. 445 ff.]. Grundsätzlich werden EPZs heute sehr kritisch beurteilt und es wird zu ihrer Abschaffung geraten [vgl. Zee et al. (2002), S. 1507].

Box 2: Export processing zones.

Neben FDI gibt es aber auch noch andere Übertragungsmechanismen. Zu nennen ist hier v.a. die Imitation von Verfahren und Methoden aus anderen Ländern, insbesondere Industrieländern. Imitation und FDI sind dabei nicht völlig komplementär, d.h. ein großer Umfang des Technologietransfers durch Imitation kann die wachstumsfördernde Wirkung des Technologietransfers durch FDI mindern, da sie sich gegenseitig ersetzen [vgl. Glass/Saggi (1999), S. 106 ff.].[64] Es wird jedoch auch darauf hingewiesen, dass Imitation im Falle eines sehr großen technologischen Vorsprungs des Industrielandes vor dem Entwicklungsland erst die Voraussetzungen für den Technologietransfer durch FDI schafft [vgl. Glass/Saggi (1998), S. 391]. Auch durch subcontracting und damit verbundene Hilfen – die keine FDI darstellen, da sie keine Kapital-beteiligung implizieren – kann die Produktivität der heimischen Unternehmen gefördert werden, wie für malayische Subunternehmer gezeigt wurde [vgl. Batra/Tan (2000)].

Die wachstumsfördernden Wirkungen von Wissen werden seit einigen Jahren in der Wissenschaft besonders gewürdigt und stellen eine zentrale Größe in den modernen Theorien zur Erklärung wirtschaftlichen Wachstums (endogene Wachstumstheorie) dar.[65] Gerade TNU-Niederlassungen adaptieren neuere Technologien leichter als heimische Unternehmen, welche die neuen Technologien über Patente und Lizenzen beschaffen [vgl. Vishwasrao/Bosshardt (2001), S. 382 f.].[66] Den Einfluss von einströmenden FDI auf den technologischen Wandel versuchen auch empirische Arbeiten zu ermitteln. Für China wurde dies z.B. mit Hilfe von Regressionen geschätzt. Als Ergebnis zeigte sich ein signifikant positiver Effekt [vgl. Dees (1998), S. 191]. Betont wird aber – speziell auch in der Theorie und Empirie, die sich mit spillovers beschäftigt – die notwendige Absorptionsfähigkeit der Zielländer des Technologietransfers bzw. der mit TNU konkurrierenden Unternehmen [vgl. Gillis et al. (1996), S. 405 f. und Fan (2002), S. 12 ff.]. Insbesondere ist eine ausreichende Ausstattung mit Humankapital notwendig. Zunächst war die Theorie von einem umso größeren Potenzial für Technologietransfer ausgegangen, je weiter ein Land hinter dem Technologieführer zurückliegt [vgl. Gershenkron (1962), S. 8]; eine These, die in die meisten Modelle zu spillovers eingegangen ist. Auch die bereits zitierte Studie zu Spillover-Effekten in Großbritannien stützt dies: Von der Präsenz ausländischer Unternehmen profitierten insbesondere solche Unternehmen, die weiter vom best practice der Branche entfernt waren [vgl. Haskel et al. (2002), S. 18 f.].

Andere empirische Studien deuten aber auf die Bedeutung der notwendigen Absorptionsfähigkeit hin [vgl. Fan (2002), S. 12 ff. für einen Überblick und zusätzlich Nunnenkamp/Spatz (2003), S. 35]. Blomström, Kokko und Zejan [1995] zeigen bspw. in einer Studie über Mexiko, dass der Technologietransfer positiv vom verfügbaren Ausbildungsstand – und damit vom Humankapital – der Arbeitnehmer in einem Wirtschaftszweig abhängt [vgl. auch Kokko/Blomström (1995), S. 463 ff.].[67] Ist diese gegeben, so kann z.B. durch FDI ein sonst bestehender Divergenzprozess in einen Konvergenzprozess umgewandelt werden [vgl. Detragiache (1998), S. 384 f.], d.h. ein Land, das ohne FDI-Zuflüsse wirtschaftlich immer weiter zurückfallen würde, kann durch FDI gegenüber den reicheren Ländern aufholen. Lall [2002] leitet aus der wichtigen Interaktion von FDI mit den lokalen Fähigkeiten sowohl zur Attrahierung von FDI als auch zur Nutzung der transferierten Technologien einen hohen Bedarf an Interventionen des Staates ab. Einer der wesentlichen Bereiche für diese Interventionen sei der Aufbau lokaler technischer Fähigkeiten. Gerade für die langfristige Nutzung von FDI zur Förderung des technischen Fortschritts seien staatliche Maßnahmen wichtig, da die unregulierte Nutzung der komparativen Vorteile eines Landes durch FDI evtl. zu einer Konzentration in Sektoren führe, die nur geringes langfristiges Wachstumspotenzial aufwiesen, auch wenn sich kurzfristig durchaus hohe Wachstumsraten ergäben.

Die empirischen Ergebnisse sind insgesamt gemischt, so dass die Effekte von FDI auf die lokale Wissensbasis bisher nicht eindeutig geklärt sind und noch näher empirisch untersucht werden müssen [vgl. Keller (2001), S. 26 ff. und Fan (2002), S. 15].

4.1.3 Akkumulation von Humankapital

Wenn TNU moderne, i. d. R. kapitalintensive Produktions- und Managementmethoden übertragen [vgl. Hiemenz (1990), S. 90 ff.], benötigen sie eine entsprechend qualifizierte Arbeitnehmerschaft, um diese Methoden anwenden zu können. Wird nur begrenzte Substituierbarkeit unterstellt, muss das jeweils notwendige Humankapital (z.B. zur Bedienung einer modernen Maschine) vorhanden sein, da sich Sach- und Humankapital ergänzen [vgl. Radke (1992), S. 25 und Kapstein (2002), S. 12]. Ein Transfer von Humankapital wirkt sich in Formel W-2 als Erhöhung des Bestands an Humankapital HK aus. Zudem ist der Humankapitalbestand wichtig bei der Bestimmung des Ausmaßes des Technologietransfers durch FDI und damit für dessen Wirkung auf den Technologieparameter: Je höher der Humankapitalbestand in einem Land ist, mit desto höherem Technologiegehalt von FDI kann es rechnen [vgl. UNCTAD (1999), S. 275].

Wachstumstheoretisch wurde Humankapital in älteren neoklassichen Ansätzen stets mit Sachkapital im Kapitalbegriff zusammengefasst. Wichtige Modelle, in denen zwischen diesen beiden Kapitalarten differenziert wird, sind der Ansatz von Mankiw, Romer und Weil [1992], in dem allerdings die Bildung von Humankapital nicht näher betrachtet wird, und der Ansatz von Lucas [1988], bei dem Humankapital explizit in einem Bildungssektor unter Einsatz eines Teils des vorhandenen Humankapitals produziert wird. In diesem Modell ist die Humankapitalakkumulation Ursache des langfristigen PKE-Wachstums.

Humankapital stellt allerdings für viele Entwicklungsländer einen Entwicklungsengpass dar, so dass häufig kein ausreichend qualifiziertes Personal zur Verfügung steht. Meist sorgen daher die Unternehmen selbst dafür, dass Schlüsselpositionen in Produktion und Management von qualifiziertem Personal, das nicht aus dem Gastgeberland stammt, besetzt werden. Teilweise wird aber auch festgestellt, dass das Ausmaß des Expatriate-Einsatzes durchaus beschränkt war [vgl. Pomery (1997), zitiert nach Holland et al. (2000), S. 203]. Mit der Entsendung übertragen TNU – für einen begrenzten Zeitraum – das in den entsandten Personen inkorporierte Humankapital in das Gastgeberland. Da diese „Leihgabe“ i.d.R. befristet ist, gehen die entscheidenden Entwicklungsimpulse nur dann von den FDI aus, wenn das Know-how der Techniker und Manager sich in der Auslandsniederlassung und im Gastland verbreitet.[68] Wichtigste Übertragungsmechanismen für Humankapital sind daher die Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, die das Unternehmen seinen im Gastland beschäftigten Arbeitnehmern zukommen lässt. Die Möglichkeiten reichen dabei vom einfachen Anlernen von Hilfsarbeitern bis zum Aufbau eigener F&E-Abteilungen im Gastland unter Einsatz heimischen Personals. Auch die Art, wie dies geschieht, kann höchst unterschiedlich sein: Die Bandbreite reicht vom training-on-the-job über die Nutzung vorhandener Bildungseinrichtungen im Gastland bis zu Auslandsaufenthalten, z.B. in anderen Teilen des TNU. Typischerweise nimmt der Anteil heimischen Personals auch in höheren Positionen, die zunächst oft mit expatriates besetzt werden, mit der Zeit zu [vgl. Blomström/Kokko (1998), S. 259]. Viele Entwicklungsländer schreiben investierenden Unternehmen auch bestimmte Mindestmaßnahmen im Bereich der Aus- und Weiterbildung vor [vgl. Jäckel (1999), S. 72 ff. und Biegelbauer et al. (2001), S. 15]. Bei potenziellen Angestellten kann die Aussicht auf gut bezahlte und anspruchsvolle Arbeit außerdem zu zusätzlichen eigenen Ausbildungsanstrengungen führen [vgl. Kapstein (2002), S. 13].

Svetlicic und Rojec [1994] ziehen für einige osteuropäische Länder eine positive Zwischenbilanz in Bezug auf die Ausbildungstätigkeiten von TNU: Die meisten führten durchaus ambitionierte Trainingsprogramme für ihre Mitarbeiter im Gastland ein. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Biegelbauer, Grießler und Leuthold [(2001), S. 11 ff.]: In einer Stichprobe von 13 TNU-Niederlassungen in Mittel- und Osteuropa stellten sie fest, dass die meisten Niederlassungen neue Maschinen und Software erhalten haben und alle Fallstudien von Trainingsmaßnahmen für die Mitarbeiter berichten. Auch die DEG zieht für ihr Beteiligungsportfolio eine positive Bilanz. So seien „die Aus- und Fortbildungseffekte der DEG-Unternehmen beträchtlich“ [DEG (1995), S. 33]. Gershenberg [(1987), S. 935 ff.] kommt in einer Untersuchung über Manager von 41 kenianischen Unternehmen des Produzierenden Gewerbes zu dem Schluss, dass Manager von TNU-Niederlassungen mehr Training erhalten als Manager in heimischen privatwirtschaftlichen Unternehmen, allerdings nicht mehr als Manager in öffentlichen Unternehmen oder Joint Ventures. Es sei in Kenia v.a. darauf angekommen, ob die öffentliche Hand an den entsprechenden Unternehmen beteiligt gewesen sei. Chen [(1983), S. 66] stellt in einer Untersuchung zum Technologietransfer nach Hongkong fest, dass das Training der Arbeiter einen großen Beitrag der TNU zum technischen Fortschritt darstelle. Ein Vergleich von TNU mit lokalen Unternehmen in Brasilien kann allerdings keine signifikannten Unterschiede in Bezug auf die Ausbildungstätigkeit finden [vgl. Goncalves (1986), S. 131].

Eine wichtige Einschränkung ist mit Blick auf neuere Forschungsergebnisse allerdings zu machen: Empirische Studien belegen, dass FDI insbesondere in solche Länder und Regionen fließen, in denen bereits relativ hohe Investitionen in Bildung getätigt wurden. Ein Mangel an Humankapital kann dagegen abschreckend wirken. Dies deutet auf einen sich selbst verstärkenden positiven Prozess der Humankapitalbildung hin, der aber ausbleibt, wenn ein Mindestniveau an Bildung nicht schon vorhanden ist [vgl. Kapstein (2002), S. 14].

Die Humankapitaleffekte beschränken sich nicht auf die Niederlassungen der TNU selbst [vgl. Petrochilos (1989), S. 42 f.], sondern erstrecken sich auch auf deren Umfeld. Die relevanten Linkage- und Spillover-Effekte von FDI in Bezug auf Humankapital sind bereits in Abschnitt 4.1.2 erörtert worden.

Es ist jedoch nicht immer klar, ob die in einem TNU erworbenen Fähigkeiten überhaupt außerhalb dieses Unternehmens verwendbar sind. Produziert das TNU mit einer Technologie, die im Vergleich zum Rest der Volkswirtschaft derart weit entwickelt ist, dass es eine moderne technologische Enklave bildet, so sind die erworbenen Kenntnisse in anderen Unternehmen oder Sektoren des Gastlandes nicht einsetzbar (Fall des technologischen Dualismus), und der technologische spillover auf die Volkswirtschaft des Gastlandes bleibt weitgehend aus oder wirkt sogar schädlich [vgl. Gershenberg (1987), S. 932]. Außerdem weist Petrochilos [(1989), S. 41] zu Recht darauf hin, dass in den mit veralteten Technologien produzierenden Konkurrenzunternehmen nicht nur das Sachkapital, sondern z.T. auch das Humankapital ent-wertet wird.

4.2 Allokationseffekte

Da sich das Wirtschaftswachstum nicht nur aus einer möglichst großen Menge an Produktionsfaktoren speist, sondern auch deren effiziente Verwendung wichtig ist, sind die Allokationswirkungen von FDI ebenfalls zu analysieren. Produktionstheoretisch schlagen sie sich als Veränderung des Technologie-parameters A in Formel W-2 nieder [vgl. Abschnitt 4.1.2]. Auswirkungen auf den effizienten Einsatz der Produktionsfaktoren kann es auf unterschiedlichen Ebenen geben. Im Folgenden sollen die Makro- und die Mikroebene sowie die Wettbewerbseffekte betrachtet werden.

Allokationseffekte auf der Makroebene:

Durch Investitionen in den Wirtschaftszweigen bzw. Wertschöpfungsstufen, in denen ein Land aufgrund seiner Ressourcenausstattung komparative Vorteile besitzt, können FDI diese Vorteile verstärken und die Allokation der Faktoren in einem Land verbessern. FDI können ebenfalls zur Schaffung neuer komparativer Vorteile beitragen, bspw. wenn nur das entsprechende Wissen um Technologien oder Konsumentenpräferenzen fehlt, die Faktorausstattung eines Landes aber ansonsten eine wirtschaftliche Produktion begünstigt [vgl. Lipsey (2003), S. 299]. Zudem wirken FDI auch grundsätzlich als Indikator, der anzeigt, in welchen Bereichen Investitionen in einem Land besonders erfolgversprechend sind [vgl. Varblane/Ziacik (1999), S. 174, Panetta (2003), S. 23 und Koo (1993), S. 288]. Diese Wirkung hin zu einer verbesserten Ressourcenallokation wird in besonderem Maße den kosten- bzw. effizienzorientierten Direktinvestitionen zugeschrieben [vgl. Abschnitt 3.2 und Panetta (2003), S. 23].

In einer Studie über Venezuela ermitteln Aitken und Harrison [(1999), S. 616 f.], dass FDI insbesondere in diejenigen Wirtschaftssektoren und Betriebe flossen, die sich durch hohe Produktivität auszeichneten. Koo [(1993), S. 299 ff.] untersucht den Zusammenhang zwischen der sektoralen Struktur der einfließenden FDI und den komparativen Vorteilen Südkoreas für den Zeitraum 1968-1980. Er konnte keinen signifikanten Zusammenhang feststellen und führt dies auf die Regierungspolitik zurück, welche die Tätigkeit ausländischer Unternehmen in bestimmte Sektoren lenkte und aus anderen fernhielt.

Kommt es allerdings aufgrund der Konzentration von FDI auf die Produktion von einem oder einigen wenigen Gütern – insbesondere im Falle extraktiver Aktivitäten – zu Wechselkursveränderungen und Preisverzerrungen, kann die Produktion der übrigen Exporte unwirtschaftlich und somit die Exportbasis eines Landes einseitig abhängig werden [vgl. Saltz (1992b), S. 619].[69] Dies birgt die Gefahr, im Falle einer Krise dieses Wirtschaftsbereichs einen starken Produktionsrückgang und damit eine starke Senkung der totalen Faktorproduktivität hinnehmen zu müssen.

Allokationseffekte auf der Mikroebene:

Die Restrukturierung einzelner Unternehmen ist oftmals eine Folge der Übertragungen neuer Produktions- und Managementmethoden, wie sie in Abschnitt 4.1.2 beschrieben wurden. Solche Auswirkungen des Technologietransfers können als mikroökonomische Maßnahmen der Effizienzverbesserung einer Volkswirtschaft bezeichnet werden [vgl. Rojec (1999), S. 130 und Parisotto (1993), S. 65]. Carlin, Van Reenen und Wolfe [(1995), S. 430 ff.] sowie Rojec [(1997) zitiert nach Szanyi (1999), S. 70] belegen, dass Unternehmen in Mittel- und Osteuropa vor ihrer Privatisierung restrukturiert wurden, um sie überhaupt verkaufen zu können, und zeigen damit eine weitere Möglichkeit zur mikroökonomischen Effizienzverbesserung auf.

Wettbewerbswirkungen:

Von besonders großer Bedeutung für die Faktorallokation ist der Wettbewerb, der auf den Märkten einer Volkswirtschaft herrscht und z.B. im Rahmen seiner Anpassungs- bzw. Allokationsfunktion bei Änderungen der Nachfragestruktur der Haushalte für die erforderliche Reallokation der Produktionsfaktoren sorgt [vgl. Herdzina (1999), S. 19 ff.] und damit auch das Niveau der totalen Faktorproduktivität beeinflusst.[70] Da FDI das Ausmaß des Wettbewerbs stark beeinflussen können, sind die Wettbewerbseffekte von FDI für diese Arbeit von Relevanz.[71]

Vielfach wird davon ausgegangen, dass in Entwicklungsländern kein wirksamer Wettbewerb auf den nationalen Märkten herrscht. Ein wichtiger Effekt von FDI kann deshalb darin bestehen, für mehr Konkurrenz auf den Inlandsmärkten des Entwicklungslandes zu sorgen [vgl. Wu (2000b), S. 143, Perez (1998), S. 24 f., Blomström et al. (2000a), S. 105, Blomström/Kokko (1998), S. 250 ff., Petrochilos (1989), S. 45 f. und Kindleberger (1969), S. 187]. Bei der Betrachtung dieses Effektes soll der wettbewerbstheoretischen Einteilung des Wettbewerbsbegriffs in die drei Dimensionen Marktstruktur, Wettbewerbs-prozess (bzw. Marktverhalten) und Wettbewerbsergebnis gefolgt werden [vgl. Herdzina (1999), S. 10 f. und Aberle (1992), S. 26].

Die Marktstruktur stellt in den Workability-Konzepten der Wettbewerbstheorie die wichtigste Dimension dar. Es wird unterstellt, die Marktstruktur bestimme das Marktverhalten (Wettbewerbsprozess) und dieses wiederum das Wettbewerbsergebnis [vgl. Aberle (1992), S. 31].

FDI beeinflussen die Marktstruktur durch ihre Auswirkungen auf den Konzentrationsgrad der Anbieterseite eines Marktes.[72]

In der wissenschaftlichen Literatur herrscht zunächst weitgehend Einigkeit über die positive Korrelation zwischen dem Konzentrationsgrad einer Branche und einfließenden FDI. Die hohe Technologieintensität, der sich daraus ergebende hohe Kapitalbedarf oder die starke Produktdifferenzierung mancher Branchen können für Marktunvollkommenheiten sorgen, welche den Marktzugang über Exporte erschweren und es TNU zudem ermöglichen, ihre technologische Überlegenheit auszuspielen [vgl. UNCTAD (1997b), S. 137 ff.]. Daraus ergibt sich in einer Volkswirtschaft durch zufließende FDI eine Stärkung von Branchen mit hohem Konzentrationsgrad. Die Wirkung von FDI auf die Struktur eines einzelnen Marktes ist von einer ganzen Reihe von Faktoren auf der Branchenebene abhängig: Der Marktzutritt eines TNU beeinflusst die Zahl der Anbieter und ihre Marktanteile direkt. Mittel- bis langfristig kann die Konzentration dadurch sowohl zu- als auch abnehmen. Dies ist abhängig von der Größe des Marktes, seiner Offenheit für lokale Unternehmen, TNU und Importe, von der relativen Größe und Wettbewerbsstärke von TNU-Niederlassungen und heimischen Unternehmen, von ihrer Strategie und ihrem Verhalten in Bezug auf Wachstum und Wettbewerb sowie von der Rolle der Importe [vgl. UNCTAD (1997b), S. 140].

Die unmittelbaren, kurzfristigen Effekte einer Direktinvestition (At-entry-Effekte) auf die Struktur des Marktes hängen i.d.R. wesentlich von deren Form ab: Während ein greenfield investment zunächst die Zahl der Anbieter erhöht, bleibt sie bei einer Übernahme oder Fusion gleich oder wird geringer. Der Konzentrationsgrad ist weiterhin abhängig vom relativen Ausmaß des TNU-Engagements im Vergleich zu dem der Wettbewerber. Ein greenfield investment wird den Konzentrationsgrad nur erhöhen, wenn das TNU mit einer vergleichsweise großen Produktionskapazität und großem Absatz auf den Markt drängt. Durch den Kauf eines Wettbewerbers durch ein TNU oder Fusion mit einem solchen und gleichzeitige Substituierung bis dahin vom TNU getätigter Exporte auf den Markt dieses Wettbewerbers kommt es zu höherer Marktkonzentration. Wird das Engagement eines übernommenen Unternehmens allerdings eingeschränkt oder das Unternehmen gar geschlossen, kann die Marktkonzentration – je nach Marktanteil des Unternehmens – sowohl sinken als auch steigen. In Entwicklungsländern dominierte bisher die Form des greenfield investment, nur Lateinamerika und die Karibik verzeichneten erhebliche M&A-Aktivitäten [vgl. Abschnitt 3.4]. Für die Wirkungen beim Marktzutritt eines TNU durch FDI in einem Entwicklungsland ist daher zunächst eine Erhöhung der Anbieterzahl und daraus folgend – da das TNU nicht auf Anhieb einen sehr großen Marktanteil erobern dürfte (u.a. wegen der überwiegenden Form des greenfield investments) – eine Verringerung der Marktkonzentration zu erwarten [vgl. UNCTAD (1997b), S. 140 ff.].

Mittel- bis langfristig sind die Auswirkungen des Markteintritts (Post-entry-Effekte) eines TNU von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängig. Von Bedeutung sind:

• die Anzahl und Größe der TNU-Aktivitäten im Vergleich zu heimischen und anderen Wettbewerbern auf dem Markt des Gastlandes,

• die Reaktionen der heimischen Unternehmen,

• das Abschneiden von TNU im Vergleich zu heimischen Unternehmen und die Effekte auf das langfristige Überleben und die Stärkung der Fähigkeiten der letzteren sowie

• das (anti-)wettbewerbliche Verhalten von TNU [vgl. UNCTAD (1997b), S. 142 ff.].

Je nach Marktstruktur kann es zu konzentrationserhöhenden Wirkungen von FDI kommen. Sehen sich bspw. TNU mit ihrer überlegenen Technologie nur kleinen einheimischen Unternehmen gegenüber, die weder aktuell über eine vergleichbar effiziente Produktion noch über die Möglichkeit, aus der Technologie des TNU zu lernen, verfügen, so können sich negative Effekte von FDI auf den Wettbewerb einstellen. TNU werden in diesen Fällen i.d.R. heimische Anbieter verdrängen und für einen höheren Konzentrationsgrad sorgen [vgl. Reuber (1973), S. 208, Saltz (1992b), S. 619 f. und Szanyi (1999), S. 73]. Zu einem Konzentrationsprozess kann es aber nicht allein durch Verdrängung einheimischer Unternehmen, sondern auch durch erzwungene Fusionen heimischer Unternehmen als Reaktion auf die Wettbewerbszunahme nach Markteintritt von TNU kommen [vgl. Reuber (1973), S. 208 f., Blomström/Kokko (1998), S. 264 und Caves (1971), S. 16].

Während sich für Industrieländer eine Verringerung der Konzentration oder wenigstens deren Nicht-Veränderung als Folge von FDI und deren Zusammenspiel mit den genannten Faktoren abzeichnet, zeigen empirische Studien für verschiedene Entwicklungsländer eine durch FDI verursachte Verstärkung der Marktkonzentration [vgl. für einen Überblick UNCTAD (1997b), S. 147 f. und für China Zhang/Zheng (1998), S. 20]. Nach dem Workability-Konzept ergeben sich daraus eine geringere Wettbewerbsintensität, welche die Dynamik der Wettbewerbsprozesses ausdrückt, und ein suboptimales Wettbewerbsergebnis. Dieser Sicht widersprechen allerdings andere Wettbewerbskonzepte. Das Konzept der Chicago-School betont z.B. die Nutzung von economies of scale. Wenn deren Nutzung zu einer geringeren Zahl von Anbietern führe, sei dies effizient und erhöhe die Wohlfahrt [vgl. Aberle (1992), S. 40 ff.]. Das Konzept bestreitbarer Märkte (contestable markets) verweist darauf, dass es ausreichend ist, wenn potenzielle Konkurrenten freien Marktein- und –austritt haben, der das Verhalten der bereits im Markt aktiven Anbieter diszipliniere [vgl. Aberle (1992), S. 46 f.]. Beide Konzepte bestreiten damit die zwangsläufigen negativen Folgen höherer Marktkonzentration für Wettbewerbsprozess und –ergebnis. Es scheint damit geboten, ebenfalls die Auswirkungen auf diese beiden Wettbewerbsdimensionen näher zu betrachten.

TNU beeinflussen den Wettbewerbsprozess z.T. durch ihre speziellen Eigenschaften (distinctive features), wie ihre technologische Stärke, aber z.T. auch durch die äußeren Umstände, unter denen TNU häufig operieren (circumstantial features; z.B. starkes Engagement in konzentrierten Märkten und in Märkten für differenzierte Produkte).

Positive Effekte können sich ergeben, wenn nur eine eingeschränkte Zahl von Anbietern in dem Markt operiert, in den ein TNU eindringt. Über niedrigere Preise, bessere Produktqualität, größere Produktvielfalt und neue Produkte können sie die Konkurrenz verstärken.[73] Gerade wenn die Offenheit eines Marktes für lokale Unternehmen nicht gewährleistet ist, können TNU für mehr Wettbewerb sorgen; z.B. wenn lokale Unternehmen nicht in der Lage sind, große notwendige Investitionen zu tätigen. Kindleberger [(1969), S. 187] geht sogar davon aus, dass vielfach nur mächtige TNU in der Lage sind, bestehende Monopole auf Märkten, die durch protektionistische Maßnahmen oder hohe Transportkosten geschützt sind, wie dies bei vielen Entwicklungsländern der Fall ist, zu brechen. Neben dem Rückhalt der Muttergesellschaft haben diese neuen Anbieter auch den Vorteil, noch nicht in eventuell vorhandene stabile oligopolistische Strukturen dieser Märkte eingebunden zu sein und verstärken so den Wettbewerb [vgl. Kindleberger (1969), S. 32 und Caves (1971), S. 15]. Auf diese Weise werden auch lokale Produzenten – via eines Demonstrationseffektes – zu mehr Effizienz gezwungen [vgl. Altenburg (2001), S. 12, Blomström/Kokko (1998), S. 250 ff. und Goncalves (1986), S. 120; vgl. auch Abschnitt 4.1.2], so dass die Faktorallokation verbessert, Produktionsfaktoren für andere Aktivitäten freigesetzt werden und die lokalen Anbieter evtl. Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten erlangen. Derartige Effekte werden v.a. mit FDI in Verbindung gebracht, die aus marktorientierten Motiven vorgenommen werden [vgl. Abschnitt 3.2 und Panetta (2003), S. 23].

Wenn jedoch keine heimischen Unternehmen für diesen Markt vorhanden sind oder ein großer Abstand zwischen TNU-Niederlassung und heimischen Unternehmen in Bezug auf die Wettbewerbsstärke gegeben ist und Konkurrenz durch Importe oder andere TNU fehlt, nehmen TNU-Niederlassungen eine marktbeherrschende Stellung ein. Wichtige Formen des – unter bestimmten Bedingungen auftretenden – wettbewerbsschädlichen Verhaltens, welche bei TNU beobachtet wurden, sind abgestimmtes Verhalten (collusion), Monopolbildung durch M&A, ausschließende vertikale Praktiken und Verdrängung durch räuberisches Verhalten (predatory behaviour) [vgl. UNCTAD (1997b), S. 156 ff.].

Eine große Zahl empirischer Studien bescheinigt TNU-Niederlassungen eine höhere Produktivität und/oder einen höheren Absatz als heimischen Unternehmen [vgl. Abschnitt 4.1.2]. Naturgemäß wird dies die Wettbewerbs-position der anderen Unternehmen im Markt beeinflussen. Entweder verbessern diese ihre Produktivität oder verlassen den Markt. Das Ergebnis kann daher eine Branche mit effizienteren überlebenden Unternehmen sein. Selbst bei einer Erhöhung der Marktkonzentration – z.B. durch Fusionen – kann der Gesamt-effekt auf die Wohlfahrt in einem Land – wie im Workability-Konzept betont – durchaus positiv sein, wenn sich z.B. große Effizienzgewinne ergeben [vgl. Petrochilos (1989), S. 47 und Blomström/Kokko (1998), S. 264]. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass für viele Branchen heute der Weltmarkt die Maßstäbe setzt und es nicht mehr notwendig ist, über mehrere Produzenten in einem Land zu verfügen. Importmöglichkeiten von aus-ländischen Konkurrenten sorgen für den notwendigen Wettbewerb, ganz im Einklang mit dem Konzept der contestable markets. Vissi [(1994), zitiert nach Szanyi (1999), S. 73 f.] hat in Bezug auf die Frage von Wettbewerbswirkungen in einer Untersuchung über FDI im Rahmen von Privatisierungsmaßnahmen in Ungarn ermittelt, dass diese nur in wenigen Fällen zu eingeschränktem Wettbewerb geführt haben.

Die Wirkungen auf Preis und Produktvielfalt reflektieren allerdings nur die statischen Effizienzgewinne des Wettbewerbs. Wichtig sind für Entwicklungs-länder aber auch die dynamischen Effekte durch Effizienzverbesserungen und veränderte innovative Kapazitäten heimischer Unternehmen. Auch diese sind – wie die statischen Effizienzgewinne – Teil des Wettbewerbsergebnisses.

Gelingt es TNU, lokale Wettbewerber aus dem Markt zu drängen, sind verschiedene Auswirkungen auf das Innovationsverhalten der im Markt verbleibenden Unternehmen denkbar. Einerseits kann der Druck auf die verbleibenden Marktteilnehmer – z.B. im Markt verbleibende TNU – geringer werden, nach neuen innovativen Lösungen zu suchen; die Notwendigkeit für technologische Neuerungen und deren positive Externalitäten werden gemindert [vgl. Altenburg (2001), S. 12]. TNU hätten z.B. nur noch einen geringeren Anreiz neue Technologien zu transferieren. Damit würde der Wettbewerb eine seiner wesentlichen Funktionen, den technischen Fortschritt zu fördern [vgl. Herdzina (1999), S. 24 ff. und Aberle (1992), S. 17 f.], nur noch vermindert erfüllen. Andererseits gibt es die Überlegung, dass vollkommener Wettbewerb ökonomische Renten eliminiert, welche jedoch eine Triebfeder des Fortschritts sind, indem durch zeitlich begrenzte Monopolgewinne Kosten und Risiken von Innovationen abgegolten werden. Eine z.T. durch FDI verursachte Einschränkung des Wettbewerbs würde dann fortschrittsförderlich wirken [vgl. Panetta (2003), S. 43 f.].

Die Wirkungen auf das Marktergebnis variieren mit den technologischen und unternehmerischen Fähigkeiten heimischer Unternehmen in Relation zu denen der TNU-Niederlassungen und den jeweiligen Marktstrategien [vgl. Ab-schnitt 4.1.2 und UNCTAD (1997b), S. 154 f. für Beispiele]. Daraus lassen sich auch positive Effekte von mittelständischen Unternehmen und Unternehmen aus anderen Entwicklungsländern, die tendenziell Investitionen mit geringerem Technologiegehalt tätigen, ableiten.

Insgesamt sind die Auswirkungen von Direktinvestitionen auf den Wettbewerb eines Entwicklungsländermarktes zu vielseitig, als dass sich ein Urteil über die Grundtendenz fällen ließe. Ein funktionierender Wettbewerb auf dem Markt im Gastland ist jedoch ein wichtiger Faktor, um die positiven Effekte von FDI für das Gastland zu generieren [vgl. Abschnitt 4.1]. TNU sollten daher im Vergleich zu heimischen Unternehmen nicht bevor- oder benachteiligt werden und zudem freier Marktzugang, Konsumentensouveränität und freier Marktaustritt vorherrschen. Dies bedeutet auch, dass TNU nicht vor konkurrierenden Importen geschützt werden sollten [vgl. Abschnitt 3.2]. Insbesondere wird die Bedeutung des Wettbewerbs für den ständigen Wissenstransfer betont: „Exposure to effective competition on an even playing field is the single most important incentive for foreign and domestic companies to upgrade management and technology“ [Klein et al. (2001), S. 16].[74]

4.3 Deviseneffekte

Neben den bisher beschriebenen Wachstumseffekten können FDI im Falle von Devisenengpässen bei verzerrten Wechselkursen zu weiteren Wachstums-effekten führen. Zum Beispiel können wichtige Produktionsinputs, die nur im Ausland erhältlich sind, nicht beschafft werden, wenn die notwendigen Devisen fehlen. Devisenmangel als Entwicklungsengpass wurde in den 1960er Jahren im Rahmen der sog. two-gap-models als besonders bedeutsam herausgestellt. Diese setzten auf die Akkumulation von Sachkapital, um die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes voranzutreiben, und sehen zwei mögliche Engpässe: Zum einen die Deviseneinnahmen eines Landes, um komplementäre Produktions-faktoren zu importieren, und zum anderen die Ersparnisse, um die Sachkapitalbildung zu finanzieren [vgl. u.a. Chenery/Strout (1966); für eine Schilderung der grundsätzlichen Idee vgl. Hemmer (2002), S. 316 ff.].

Relevant sind die Deviseneffekte von FDI v.a. für Länder mit fixen Wechselkurssystemen, da für die Interventionen auf dem Devisenmarkt entsprechende Bestände an Fremdwährungen verfügbar sein müssen. Für Länder mit flexiblem Wechselkurssystem sind diese Ausführungen nur von nachrangiger Bedeutung, dort sorgt der Wechselkursmechanismus für den Ausgleich in der Zahlungsbilanz und damit für die Verfügbarkeit von Devisen für die Beschaffung von Inputs, auch wenn der Preis in inländischer Währung dann sehr hoch sein kann. Führen FDI zu Devisenzuflüssen, können ein bestehender Devisenengpass des Landes gemildert und weitere Wachstums-effekte ausgelöst werden, bspw. durch den Anstoß zusätzlicher Investitionen, die nur bei Zugriff auf bestimmte ausländische Inputs rentabel sind, oder durch die mit den ausländischen Inputs mögliche bessere Nutzung des bereits vorhandenen Bestands an Produktionsfaktoren. Zusätzliche Investitions-möglichkeiten können sich in höherer Sachkapitalbildung niederschlagen (Erhöhung von SK in Formel W-2), und die bessere Nutzung bereits vorhandener Produktionsfaktoren bedeutet eine Erhöhung der totalen Faktor-produktivität (Vergrößerung von A in Formel W-2). Es können sich also sowohl weitere Akkumulations- als auch Allokationseffekte ergeben. Bei FDI handelt es sich vom Konzept her schon um einen Kapitalstrom in das Gastland. Der anfängliche Effekt auf die Devisenbilanz ist also eindeutig positiv. Entscheidender für die Gesamtbeurteilung der Wirkungen von FDI auf die Devisenbilanz ist aber, welche Wirkungen von der Niederlassung bzw. dem Tochterunternehmen in der Folgezeit auf die Devisenbilanz ausgehen.

Um diese Wirkungen herauszuarbeiten, soll im Folgenden zwischen auslands- und inlandsbezogenen FDI unterschieden werden [vgl. Hemmer (1972), S. 160 ff. und Gottwald/Hemmer (1998), S. 19 f.]:

Zur Gruppe der auslandsbezogenen FDI zählen Projekte, deren Erzeugnisse nicht im Gastgeberland, sondern in andere Länder (oftmals das Heimatland des Investors) verkauft werden. Diese Art der Direktinvestition wird nicht aus marktorientierten, sondern in erster Linie aus kostenorientierten Motiven vorgenommen. Als Beispiel kann man sich einen deutschen Sportschuhhersteller vorstellen, der seine (arbeitsintensiven) Produkte im asiatischen oder osteuropäischen Ausland herstellen lässt, um sie anschließend auf dem deutschen Markt zu verkaufen. Wichtige Beispiele sind zudem FDI im Rohstoffsektor. Solche i.d.R. rein explorativen Investitionen generieren z.T. sehr hohe Devisenzuflüsse. Der Vorteil der auslandsbezogenen FDI besteht darin, dass ihr Beitrag zum Bruttosozialprodukt in voller Höhe einen Devisenzufluss für das Entwicklungsland bedeutet. Da die Erlöse definitionsgemäß aus dem Exportgeschäft stammen, fallen sie in Devisen an. Abgezogen werden müssen nur noch die importierten Vorleistungen und der Gewinntransfer ins Ausland. Herrschen fixe Wechselkurse, vergrößern sich die Devisenreserven des Gastgeberlandes. Diese Aussage gilt jedoch nicht in jedem Fall. Die insgesamt von FDI ausgelösten Deviseneffekte umfassen schließlich auch in z.T. großem Umfang indirekte Effekte. Indirekte Effekte negativer Art kommen insbesondere zum Tragen, wenn sich durch die Aktivität der Auslandsgesellschaft die Exporterlöse von Inlandsunternehmen verringern, die ein entsprechendes Gut oder enge Substitute zu den Produkten des ausländischen Anbieters herstellen. Zu berücksichtigen sind außerdem die Deviseneffekte von den über spillovers angestoßenen oder veränderten Wirtschaftsaktivitäten [vgl. Abschnitt 4.1]. Theoretisch kann es demnach auch bei auslandsbezogenen FDI zu insgesamt negativen Deviseneffekten kommen, auch wenn dies nur in Ausnahmen vorkommt. Auslandsbezogene FDI sind in EPZs [vgl. Abschnitt 4.1.2] der Regelfall. Johansson und Nilsson [(1997), S. 2123] untersuchen die Effekte von EPZs auf den Export mit Hilfe von Regressionsanalysen und ermitteln eine exportfördernde Wirkung, insbesondere wenn eine nach außen gerichtete Handelspolitik betrieben wurde.

Zu etwas anderen Ergebnissen gelangt man, wenn der Einfluss von inlandsbezogenen FDI auf die Devisenposition des Gastgeberlandes untersucht wird. Zu dieser Gruppe zählen Projekte, bei denen der Aspekt der Marktdurchdringung im Gastgeberland im Vordergrund steht und keine Exporte durchgeführt werden. Das Entwicklungsland kann in diesem Fall durch die Produktion im Inland einerseits Devisen sparen, da Güter, die bisher importiert werden mussten, nun durch die Produkte der Auslandsgesellschaft ersetzt werden können. Andererseits wird die Devisenposition des Inlands zum einen durch Gewinntransfers belastet. Zum anderen müssen i.d.R. Produktionsfaktoren als Inputs für die TNU-Niederlassung importiert werden, was sich ebenfalls in einem Devisenabfluss niederschlägt. Hierbei spielt die Transferpreispolitik der TNU, die schon zu kontroversen Diskussionen Anlass gegeben hat, eine wichtige Rolle [vgl. Cypher/Dietz (1997), S. 441 f., Saltz (1992b), S. 621 und Plasschaert (1994)].[75] A priori sind somit keine eindeutigen Aussagen über den Nettodeviseneffekt von inlandsbezogenen FDI möglich. Es muss vielmehr der Einspareffekt durch die Importsubstitution gegen die Devisenabflüsse aus Gewinntransfers und dem Import von Produktionsfaktoren abgewogen werden, um eine Aussage über den Nettodeviseneffekt treffen zu können.

In der Realität werden diese „Reinformen“ inlands- bzw. auslandsbezogener FDI allerdings selten anzutreffen sein. Für eine konkrete Investition gelten daher die beiden Überlegungen jeweils investitionsspezifisch gewichtet.

In einigen Länderstudien wird auf die Effekte von FDI via Devisenbilanz eingegangen. Sie zeigen, dass FDI überdurchschnittlich stark exportorientiert sind [vgl. Jansen (1995), Chen et al. (1995), Chen (1997a), S. 15, Chen (1997b), S. 18 und Zhang/Zheng (1998), S. 10 sowie Barrell/Pain (1999), S. 211 zu Industrieländern]. Für China wird die Förderung der Exporte des Verarbeitenden Sektors sogar als der herausragende Beitrag von FDI zur Wirtschaftsentwicklung des Landes genannt [vgl. Zhang (2001), S. 681].[76] Allerdings wird z.T. auf die gewaltige Höhe der notwendigen Importe verwiesen, die den positiven Deviseneffekt der Exporterlöse beträchtlich reduzieren können; im Extremfall kann es sogar zu negativen Nettodeviseneffekten und damit zu einer Verschlechterung der Devisenbilanz kommen [vgl. Jansen (1995) und Bülow (1999), S. 262]. Dies ist bspw. denkbar, wenn ein TNU mit hoher Quote importierter Inputs heimische Exporteure verdrängt, die nur wenige Inputs aus dem Ausland bezogen. Auch hier muss auf die Bedingungen des Einzelfalls geachtet werden. Die empirische Evidenz ist nicht eindeutig: Mehrere Fallstudien deuten darauf hin, dass TNU-Niederlassungen im Vergleich zu ihren lokalen Wettbewerbern höhere Importquoten aufweisen [vgl. UNCTAD (2001b), S. 134 und Jenkins (1990), S. 222]. Dies kann insbesondere bei inlandsbezogenen FDI für eine Verschlechterung der Devisenbilanz sorgen. In einem Überblick über verschiedene Studien zu den Auswirkungen von FDI auf Exporte und Importe für zentral- und osteuropäische Transformationsländer erweisen sich Unternehmen mit ausländischer Beteiligung als exportorientierter als reine einheimische Unternehmen. Aber auch hier werden die höheren Input-Importe betont, die die Netto-Auswirkungen auf die Devisenbilanz teilweise negativ werden lassen [vgl. Holland et al. (2000), S. 195 ff.]. Demgegenüber hat die DEG [(1995), S. 19 ff.] in einer Evaluierung ihres Beteiligungsportfolios Anfang der 1990er Jahre festgestellt, dass die Unternehmen, an denen sie beteiligt ist, nennenswerte positive Deviseneffekte durch einen Überschuss ihrer Exporte über ihre Importe erzielten. Je größer die Unternehmen seien, desto eher sei auch mit einem positiven Deviseneffekt zu rechnen. Darüber hinaus wurden die „indirekten Deviseneffekte“, welche durch Importsubstitution zustande kämen, noch einmal auf etwa das Doppelte der „direkt“ durch Nettoexporte erwirtschafteten Devisen geschätzt. Festzustellen bleibt aber insgesamt: „the net impact of this trade on the current account is uncertain“ [Holland et al. (2000), S. 171].

Einen wichtigen Faktor, von dem das Ausmaß der Deviseneffekte eines FDI-Projekts abhängt, stellt die Einbindung der Niederlassungen in die Produktions-netzwerke der TNU dar. Eine solche Einbindung wirke sich durch die höheren Exporte zu anderen Unternehmen dieses Netzwerkes positiv auf die Devisen-bilanz aus. Diese Einbindung sei bei hundertprozentigen Tochtergesellschaften besser als bei Joint Ventures [vgl. Holland et al. (2000), S. 195 ff.].

Zusätzlich zu den Deviseneffekten, die sich aus den Importen und Exporten der TNU-Niederlassungen ergeben, wird auch darauf hingewiesen, dass exportierende TNU-Niederlassungen die Exportaktivitäten benachbarter heimischer Unternehmen positiv beeinflussen [vgl. Aitken et al. (1994) S. 16, Chen (1983), S. 132 und insbesondere Abschnitt 4.1.2]. Diese spillovers können zu weiteren Deviseneffekten führen.

Die bereits erwähnten two-gap-models wurden in empirischen Studien geprüft [vgl. Petrochilos (1989), S. 32 ff.]. Auch hier sind die empirischen Erkenntnisse über die Richtung der Effekte von FDI auf diesen Engpass sehr uneinheitlich.

Die hier skizzierten Deviseneffekte sollten heutzutage nicht überbewertet werden, da auch viele Entwicklungsländer inzwischen von fixen Wechselkursen abgekommen sind. Unabhängig von der Situation der Devisenbilanz werden aber evtl. bei bestehenden Importrestriktionen Ausnahmen für FDI gemacht, so dass ein ähnlicher Effekt auf Projektebene erzielt werden kann: Durch den per Ausnahmegenehmigung zugelassenen Import von Inputs werden Investitionen (hier die FDI) rentabel und erhöhen damit das Wachstumspotenzial des Landes.

Aggregierte Wachstumseffekte ausländischer Direktinvestitionen: Empirischer Befund

In Kapitel 4 wurden die einzelnen Kanäle betrachtet, durch welche FDI das wirtschaftliche Wachstum beeinflussen können. Dieses Kapitel beleuchtet nun, wie sich FDI auf die aggregierte Wachstumsrate ausgewirkt haben. Eröffnet wird das Kapitel mit einer Darstellung des Stands der empirischen Forschung zu den Auswirkungen von FDI auf die gesamtwirtschaftliche Wachstumsrate [vgl. Abschnitt 5.1]. Anschließend werden weitere Determinanten von Wirtschafts-wachstum erläutert, die sich in ökonometrischen Schätzungen als relevant erwiesen haben und in einer Untersuchung der Wachstumswirkungen von FDI potenzielle Kontrollvariablen darstellen [vgl. Abschnitt 5.2]. Schließlich wird eine solche Untersuchung zur Überprüfung der aus den empirischen Ergebnissen der Literatur gewonnenen Hypothesen durchgeführt [vgl. Abschnitt 5.3].

5.1 Grundaussagen existierender Studien zu den aggregierten Wachstumseffekten ausländischer Direktinvestitionen

In Kapitel 4 wurde gezeigt, dass der Wachstumsbeitrag von FDI insgesamt sowohl positiv als auch negativ ausfallen kann. Ob ein einzelnes FDI-Vorhaben sich positiv oder negativ auswirkt, kann daher nicht allgemein beurteilt werden, sondern erfordert eine konkrete Einzelfallbetrachtung. Bei der Vielzahl der FDI-Projekte ist dies nur sehr ausgewählt möglich und würde in vielen Studien zu Stichproben mit sehr kleinem Umfang führen, so dass jegliche Aussage für FDI im Allgemeinen unmöglich wäre.

In der Makroökonomie wird ein anderer Ansatz verfolgt: Es wird anhand gesamtwirtschaftlicher Daten versucht herauszufinden, wie sich FDI „im Durchschnitt“ auf eine Volkswirtschaft bzw. auf einzelne volkswirtschaftliche Größen – hier auf das Wachstum – ausgewirkt haben.

In verschiedenen solcher makroökonomischen Studien der empirischen Forschung – es handelt sich hierbei i. d. R. um Querschnitts- und Panel-untersuchungen für viele Länder – werden die Wachstumseffekte der FDI für Entwicklungsländer insgesamt überaus positiv bewertet.[77] Diese Effekte seien größer als die einer einfachen Kapitalakkumulation, was auf den Technologietransfer zurückgeführt wird und die ausländische Direktinvestitionen den heimischen Investitionen überlegen erscheinen lässt [vgl. Blomström et al. (1994), Balasubramanyam et al. (1996), S. 101 ff., Zhang (2001), S. 691, Bussmann et al. (2002), S. 7 und Borensztein et al. (1998)].

Es wird jedoch in vielen dieser Studien auch ermittelt, dass zur Nutzung der positiven Effekte ein Minimumbestand an Humankapital bereits vorhanden sein müsse, da eine Diffusion des transferierten Wissens in die Wirtschaft des Landes sonst nicht möglich sei oder zum Teil auf einen Transfer ganz verzichtet würde [vgl. Abschnitt 4.1.2]. Es sei daher wichtig, den Anschluss an die Technologieführer nicht vollständig zu verlieren. Auch eine Studie zum Wirtschaftswachstum in China kommt zu dem Ergebnis, FDI und Humankapital stünden in einer komplementären Beziehung und förderten das Wirtschaftswachstum [vgl. Zhang (2001), S. 691]. In Ländern mit sehr geringen Humankapitalbeständen wurde von Borensztein, de Gregorio und Lee [(1998), S. 123] sogar ein negativer Effekt von FDI auf das Wirtschaftswachstum festgestellt. Sei ein Mindestbestand an Humankapital nicht vorhanden und damit der Anschluss verloren, würden nur noch veraltete Technologien transferiert, oder die Übertragungsmechanismen seien nicht mehr in der Lage, das Know-how des modernen Sektors für den Rest der Wirtschaft nutzbar zu machen [vgl. Balasubramanyam et al. (1999), Borensztein et al. (1998), Xu (2000), S. 486 ff., Blomström et al. (1999), S. 22 und de Mello (1997), S. 17 sowie theoretisch Glass/Saggi (1998) und Hemmer (2000a), S. 7 f.]. In diesem Zusammenhang wird z.B. auf Irland verwiesen, das durch gesteigerte Investitionsanstrengungen in Bildung bedeutende Investitionen im Hightech-Bereich anziehen konnte [vgl. Barrell/Pain (1999), S. 209]. Auch Lipsey [(2000), S. 74 ff.] ermittelt für die Kombination von FDI und ursprünglichem Niveau der Schulbildung einen positiven Effekt auf das Wachstum. In diese Schätzungen gehen FDI allerdings nicht separat ein, so dass nicht deutlich wird, ob FDI in Verbindung mit sehr wenig Humankapital auch negative Effekte haben können. Neuere Untersuchungen zeichnen in Bezug auf die gemeinsamen Auswirkungen von FDI und Humankapital ein uneinheitliches Bild: Eine neuere Querschnittsuntersuchung für den Zeitraum 1980-1991 ermittelt für die Wachstumsrate der FDI-Bestände einen hochsignifikant positiven Einfluss auf die Wachstumsrate des PKE, ermittelt aber für die Interaktion von FDI und Humankapital keine signifikanten Ergebnisse [vgl. Bussmann et al. (2002), S. 6]. Eine andere neuere Untersuchung findet dagegen positive Effekte der Interaktion von FDI und Humankapital, so dass die positiven Effekte von FDI mit dem durchschnittlichen Humankapital zunehmen. In dieser Untersuchung wird FDI allein ebenfalls ein positiver Effekt zugeschrieben; mögliche negative Wirkungen in Ländern mit sehr wenig Humankapital konnten demnach nicht festgestellt werden [vgl. Jalilian/Weiss (2001), S. 22 ff.].

Neben Humankapital haben sich weitere Faktoren im Zusammenhang mit FDI als wachstumsförderlich gezeigt: Zum einen sind dies die Infrastruktur und der Wettbewerb und zum anderen die Offenheit eines Landes. Um die Diffusion des Wissens und damit Wachstum im Gastland zu fördern, sollte die Politik daher neben Anstrengungen im Bildungsbereich auch solche bei der Infrastruktur vornehmen [vgl. Klein et al. (2001), S. 5 und Borensztein et al. (1998), S. 126] und für Wettbewerb auf den Märkten sorgen [vgl. Blomström et al. (2000a), S. 186 und 199 sowie Blomström/Kokko (1998), S. 267].[78] Außerdem sollte eine auf FDI setzende Entwicklungsstrategie generell mit einer offenen Außenhandelspolitik verbunden sein. Bhagwati [(1978), S. 212] hat die Hypothese aufgestellt, dass Länder mit exportorientierter Wirtschaftspolitik (EP) mehr FDI anziehen und diese dort auch förderlicher für das Wachstum sind als in importsubstituierenden Ländern. Empirische Überprüfungen sowohl des ersten Teils der Hypothese (EP => mehr FDI) als auch des zweiten Teils (EP => FDI wirken positiver auf Wachstum) [vgl. Balasubramanyam et al. (1996), S. 93 ff.] bestätigen diese Behauptungen. Blomström, Lipsey und Zejan [(1994), S. 254] stellen in ihrer Untersuchung fest, dass FDI das Wachstum nur in Ländern förderte, die am Pro-Kopf-Einkommen gemessen schon relativ weit entwickelt waren. Bei ärmeren Ländern schienen FDI dagegen keinen signifikannten Beitrag zum Wirtschaftswachstum zu leisten.

Insgesamt bestätigt die Mehrheit der vorliegenden Studien die positiven Wirkungen der FDI auf das PKE-Wachstum in Entwicklungsländern. Der Anteil der einzelnen Übertragungsmechanismen ist allerdings unklar und scheint von Land zu Land teilweise beträchtlich zu variieren. Die Ergebnisse der zuletzt genannten Studien verweisen jedoch auf die Möglichkeit positiver und negativer Effekte, je nachdem unter welchen Umständen FDI vorgenommen werden bzw. welche Anreize für TNU – z.B. durch das Außenhandelsregime – gesetzt werden. Sie zeigen somit, dass eine positive Beziehung weit von universeller Gültigkeit entfernt ist.[79] Nur bei gemeinsamem Auftreten von FDI und weiteren Faktoren wie ausreichendem Humankapital oder exportorientiertem Außenhandelsregime lassen sich dann positive Wachstumseffekte zeigen. Allerdings gibt es auch grundsätzlich abweichende Ergebnisse: Beispielsweise kommen Carkovic und Levine [2002] in einer Panelanalyse der Jahre 1960 bis 1995 zu keinem signifikanten Ergebnis. Insgesamt sind die Ergebnisse zu den Wachstumswirkungen von FDI sehr gemischt und es ist auch unklar, worauf die verschiedenen Ergebnisse zurückzuführen sind. „Where they differ, it is not always clear whether differences in definitions of growth, in equations forms, in country coverage, or in underlying data used account for the large differences in results” [Lipsey (2003), S. 297].

Einen Schritt zu mehr Differenziertheit stellt die Untersuchung von Nunnenkamp und Spatz [2003] dar, welche für FDI-Bestände US-amerikanischer Unternehmen in Entwicklungsländern Länder- und Branchen-eigenschaften bei der Ermittlung der Wachstumswirkungen von FDI berücksichtigt. Für eine Reihe von auch grundsätzlich für Wachstum unvorteil-haften Ländereigenschaften ergeben sich zusätzliche negative Beziehungen zwischen der Höhe der FDI-Bestände und dem Wirtschaftswachstum. Bei der Betrachtung von verschiedenen Industrien werden v.a. bei denjenigen positive Wachstumseffekte von FDI festgestellt, in denen kostenorientierte (im Gegensatz zu marktorientierten) Motive wichtig sind. Diese Untersuchung stellt einen ersten Schritt zur Differenzierung der Wachstumswirkungen von FDI dar. Aufgrund unzureichender Daten anderer Länder muss sie sich aber auf US-FDI beschränken.

5.2 Weitere empirische Determinanten wirtschaftlichen Wachstums

FDI sind nur ein Faktor von vielen, wenn es darum geht, das wirtschaftliche Wachstum von Entwicklungsländern zu erklären. Um mit Hilfe ökonometrischer Verfahren Schätzungen durchführen zu können, die zeigen sollen, ob zwischen den tatsächlich beobachteten Wachstumswerten und den Direktinvestitionen nachweisbare Beziehungen bestehen, ist es grundsätzlich notwendig, auch andere Größen zu betrachten, die sich auf das Wachstum auswirken können. Diese sind in die Schätzgleichungen als Kontrollvariablen mit aufzunehmen, um z.B. zu vermeiden, dass den Direktinvestitionen evtl. eine zu starke Verbindung zum Wachstum der Wirtschaft zugesprochen wird, die in der Realität nicht besteht. In diesem Abschnitt sollen daher weitere potenzielle Einflussfaktoren, wie sie in der theoretischen und empirischen Literatur – unter besonderer Berücksichtigung der Literatur zu den Auswirkungen von Direktinvestitionen – zu finden sind, beschrieben werden. Bevor im nächsten Abschnitt der eigentliche eigene Untersuchungsansatz vorgestellt wird, soll zunächst dargelegt werden, wie sich einzelne zusätzlich in die Schätzungen aufzunehmende Faktoren theoretisch auf das Wirtschaftswachstum auswirken, welche empirischen Ergebnisse zu dieser Beziehung bereits vorliegen und welche Indikatoren sich zur Quantifizierung dieser Größe anbieten:

Der Stand der wirtschaftlichen Entwicklung in der Ausgangsperiode wird mit Überlegungen zur (absoluten) Konvergenzthese begründet: In dieser wird postuliert, dass sich langfristig die Pro-Kopf-Einkommensniveaus, d.h. die wirtschaftlichen Entwicklungsstände aller Länder angleichen werden, da sie bei unterstellten gleichen technologischen Möglichkeiten gleiche Produktivität erreichen sollten, die wiederum zu einem gleichen PKE führt [vgl. Frenkel/Hemmer (1999), S. 144 und Sala-i-Martin (1996), S. 1020]. Wegen dieses grundsätzlichen Zusammenhangs wird das PKE in der Ausgangsperiode traditionell in Wachstumsschätzungen aufgenommen [vgl. Deininger/Squire (1998), S. 268 oder Barro/Sala-i-Martin (1995), S. 431]. Erwartet wird ein negativer Zusammenhang, da Länder, die schon in der Anfangsperiode über ein hohes PKE verfügen, laut Konvergenzthese langsamer wachsen sollten. Barro und Sala-i-Martin [(1995), S. 420 ff.] verwenden den Logarithmus des ursprünglichen PKE als erklärende Variable und stellen eine „bedingte Konvergenz“ fest, d.h. in ihrer Stichprobe von 97 Entwicklungs- und Industrieländern war höheres Wachstum als Folge eines niedrigeren PKE in der Ausgangsperiode nur gegeben, wenn die anderen erklärenden Variablen konstant gehalten wurden. Die bedingte Konvergenz wird von Barro [(1996), S. 14 f.] für ein Panel über den Zeitraum 1965-90 von 100 Ländern bestätigt. Steger [(2001), S. 7] sieht dagegen deutliche Hinweise, die auf eine Beschleunigung des Wachstums deuten, wenn man sich von Ländern mit geringem zu Ländern mit mittleren Einkommen bewegt, während sich das Wachstum bei einer Bewegung von Mittel- zu Hocheinkommensländern wieder vermindert. Er spricht sich daher für eine Differenzierung von Entwicklungs- und Industrieländern aus. Grundsätzlich stellt der Logarithmus des PKE in der Ausgangsperiode einen geeigneten Indikator für die wirtschaftliche Ausgangssituation dar.

Die Bedeutung des Faktors Humankapital für das Wirtschaftswachstum wurde von der endogenen Wachstumstheorie formalisiert.[80] Humankapital wird dort als wichtiger Produktionsfaktor eingeführt bzw. aus dem umfassenden Kapitalbegriff herausgelöst. Heute geht man davon aus, dass Humankapital weitaus wichtiger ist als ungelernte Arbeit und natürliche Ressourcen. Dabei entfaltet Humankapital zweifache Wirkung auf das Wirtschaftswachstum: Zum einen ist es für den Produktionsprozess unmittelbar notwendig, zum anderen vergrößert ein hohes Bildungsniveau in einer Volkswirtschaft deren Effizienz. Am Beispiel der Alphabetisierung kann dies gut verdeutlicht werden: Arbeitskräfte, die lesen können, sind deutlich besser einsetzbar, und wenn alle lesen können, sind z.B. Informationen leichter weiterzugeben. Aufgrund dieser Beziehungen zum Wirtschaftswachstum ist der Humankapitalbestand ein Faktor, der in viele Wachstumsschätzungen mit aufgenommen wird [vgl. Deininger/Squire (1998), S. 268]. Barro und Sala-i-Martin [(1995), S. 431 ff.] verwenden die Schulbesuchsdauer in Jahren für verschiedene Schulstufen (primäre, sekundäre und höhere), jeweils getrennt für Frauen und Männern ausgewiesen, als Indikator. Dabei erweist sich, dass Primarschulbildung keinen signifikanten Effekt auf das Wirtschaftswachstum hat. Den größten signifikanten Einfluss auf das Wirtschaftswachstum hat die Sekundar-schulbildung der Männer, gefolgt von der höheren Schulbildung der Männer. Blomström, Lipsey und Zejan [(1994), S. 246 f.] gebrauchen in ihrer Schätzung – in die auch FDI mit eingehen – Einschulungsraten für Sekundarschulen (Jungen und Mädchen zusammen) und erhalten einen positiven und signifikanten Koeffizienten, der eine positive Wirkung der Bildung auf das Wachstum bestätigt. Eine Interaktionsvariable von Bildung und FDI, die deren gemeinsame Wirkung auf das Wirtschaftswachstum erfassen soll, bleibt aber insignifikant. Schätzungen wurden auch mit Indikatoren zur Primar-schulausbildung gemacht, da diese aber stets insignifikante Ergebnisse lieferten, wurde über sie erst gar nicht berichtet. Gegen Einschulungsraten als Indikator für Humankapital sprechen wichtige Gründe: Zum einen ist in manchen Ländern eine Einschulungsrate von über 100 Prozent vorzufinden, da dort in Klassen z.T. viele ältere Schüler sitzen, die diese Klasse wiederholen oder erst spät den Schulbesuch aufgenommen haben. Die Höhe der Einschulungsrate ist hier kein Anzeichen für besonders viel Humankapital.[81] Zum anderen ist zu beachten, dass die Einschulungsrate kein Indikator für den gegenwärtigen Humankapitalbestand ist, sondern allenfalls für den zukünftigen, was aber zu überprüfen wäre. Schließlich ist die aus einem Schuljahr resultierende Humankapitalbildung nicht überall die gleiche.[82] Borensztein, de Gregorio und Lee [(1998), S. 123 ff.] verwenden in ihren Schätzungen die durchschnittliche Anzahl absolvierter Sekundarschuljahre der männlichen Bevölkerung und stellen einen signifikanten Einfluss auf die Wachstumsrate fest. Auch sie verbinden Humankapital und FDI in einer Interaktionsvariablen. Diese wird in der Schätzung mit einem signifikant positiven Koeffizienten versehen. Diese Verbindung ist eine der zentralen Aussagen der Autoren. Bei Aufnahme dieser Variablen werden die Koeffizienten von FDI in den meisten Schätzungen sogar negativ. Der hier verwendete Humankapitalindikator (durchschnittliche Anzahl absolvierter Schuljahre) scheint jedenfalls ein besserer Indikator zu sein als die oben erwähnten Einschulungsraten. In einer neueren Untersuchung für Trans-formationsländer ergeben sich für einen solchen Interaktionsterm für FDI und Humankapital allerdings keine signifikanten Ergebnisse [vgl. Campos/Kinoshita (2002), S. 13.]. Dies dürfte an dem i.d.R. hohen Humankapitalniveau in den Transformationsländern liegen, so dass sich dort kein Mindestbestand an Humankapital und damit auch keine positiven Wachstumseffekte ermitteln lassen.

Das Ausmaß staatlichen Konsums oder alternativ der Anteil des Staates am BIP (Staatsquote) werden als Indikatoren für politische Korruption und andere Aspekte schlechter Regierungstätigkeit (bad governance) verwendet. Außerdem umfassen sie direkte Effekte unproduktiver öffentlicher Ausgaben und Besteuerung [vgl. Barro/Sala-i-Martin (1995), S. 434]. Es wird davon gesprochen, dass dies ein Zeichen für mehr staatliche Eingriffe in den Marktmechanismus bzw. höhere Steuern im formalen Sektor sei, so dass ökonomische Entscheidungen verzerrt werden [vgl. Easterly (1993), S. 201 und Barro (1991), S. 430]. Der Einfluss staatlichen Konsums sollte daher in Schätzungen negativ ausfallen. Verschiedene Studien erhalten für den staatlichen Konsum als Anteil am BIP, in den allerdings weder Verteidigungsausgaben noch Bildungsausgaben (ihnen wird ein Investitions-charakter unterstellt) eingerechnet sind, ein eben solch signifikant negatives Ergebnis [vgl. z.B. Barro/Sala-i-Martin (1995), S. 434, Easterly (1993), S. 202, Barro (1996), S. 18 und Barro (2000), S. 13]. Bei Einbezug einer speziell konstruierten Variable für die Verzerrung von Input-Preisen erhält Easterly [(1993), S. 202] allerdings kein signifikantes Ergebnis für die Variable des staatlichen Konsums. Dies deutet auf Multikollinearität zwischen den beiden erklärenden Variablen hin, so dass staatlicher Konsum tatsächlich auf stärkere Verzerrungen der Input-Preise hinweist. Lin [(1994), S. 92 f.] findet hingegen, dass die Höhe der Staatsquote kurzfristig signifikant positiv und mittelfristig (25 Jahre und mehr) nicht signifikant auf das wirtschaftliche Wachstum wirkt. Zu einem positiven Ergebnis für die Wachstumswirkungen staatlicher Transferleistungen kommt auch Perotti [(1992), S. 27]. Insgesamt stellt die Staatsquote einen guten Indikator für staatliche Eingriffe und damit verbundene Verzerrungen dar. Sie geht daher i.d.R. mit einem negativen Koeffizienten in Wachstumsschätzungen ein.

Außenwirtschaftliche Verzerrungen bzw. Wechselkursverzerrungen deuten auf negative Wachstumsimpulse hin: Grundsätzlich wird erwartet, dass staatlich verursachte Marktverzerrungen zu schlechteren wirtschaftlichen Ergebnissen führen [s.o.]. Als ein weiterer Indikator für das Ausmaß dieser Verzerrungen wird die black market premium genutzt, die als Schwarzmarktprämie in Prozent des offiziellen Wechselkurses berechnet wird. Mit diesem Indikator sollen Verzerrungen durch Wechselkurskontrollen erfasst werden. Wechselkurskontrollen können z.B. bewirken, dass bestimmte Sektoren einer Volkswirtschaft, denen Priorität eingeräumt wird, bevorzugt werden und dies zu geringerem Wachstum führt. In empirischen Ansätzen wird daher ein negativer Koeffizient für diesen Indikator erwartet [vgl. Barro/Sala-i-Martin (1995), S. 434 f. und Easterly (1993), S. 198]. Auch die black market premium ist ein Faktor, der in viele traditionelle Schätzungen aufgenommen wird [vgl. Deininger/Squire (1998), S. 268]. In wichtigen Schätzungen der empirischen Wachstums-forschung, in welche die black market premium aufgenommen wird, stellt sich erwartungsgemäß ein signifikant negativer Koeffizient für diese Variable ein. Wechselkursverzerrungen lassen demnach auf negative Wachstumseffekte schließen [vgl. Barro/Sala-i-Martin (1995), S. 435, Easterly (1993), S. 202 und Borensztein et al. (1998), S. 125 f.].[83] Die Ergebnisse von Easterly [(1993), S. 202] weisen auch darauf hin, dass die black market premium ein Indikator für den negativen Einfluss von Preisverzerrungen auf das Wirtschaftswachstum ist, da bei der Einbeziehung eines speziell konstruierten Indikators für die Verzerrungen von Input-Preisen die black market premium ihre Signifikanz vollständig einbüßt. Gewöhnlich wird in den empirischen Schätzungen als black market premium die logarithmierte prozentuale Abweichung des Schwarz-marktwechselkurses vom offiziellen Wechselkurs verwendet.

Konflikte und politische Instabilität bedeuten eine größere Wahrscheinlichkeit für die Bedrohung von Eigentumsrechten durch politische Unruhen und Enteignung. Dies führt wiederum zu geringeren Investitionsanreizen für In- und Ausländer. Es wird daher erwartet, dass auch der Koeffizient eines Indikators für Konflikte und politische Instabilität in Schätzungen negativ ausfällt [vgl. Barro/Sala-i-Martin (1995), S. 435]. Allerdings wird auch die umgekehrte Kausalität theoretisch gestützt, d.h. geringes Wachstum fördere politische Instabilität [vgl. Londregan/Poole (1990)]. Ergebnisse zu dieser Beziehung werden in Barro [(1991), S. 432] dargestellt. Folgende Indikatoren werden – einzeln oder gewichtet – verwendet, um Konflikte und politische Instabilität zu messen: Die Anzahl der Revolutionen pro Jahr [vgl. Barro/Sala-i-Martin (1995), S. 435 und Barro (1991), S. 432] und die Anzahl politischer Morde pro Million Einwohner und Jahr [vgl. Barro/Sala-i-Martin (1995), S. 435 und Barro (1991), S. 432]. Wenn sich die Anzahl der politischen Morde aber nur auf Morde an hohen Regierungsvertretern bezieht, sollte man davon ausgehen, dass die Verzerrung durch die Inbeziehungsetzung zur Bevölkerungszahl größer ist als die Verzerrung, die sich aus der evtl. größeren Regierungsmannschaft in einem Land mit größerer Bevölkerung ergibt. Die Anzahl der Kriege stellt einen weiteren Indikator für politische Instabilität dar. Barro und Sala-i-Martin [(1995), S. 435] erhalten für einen gewichteten Indikator aus Revolutionen und politischen Morden einen negativen und schwach signifikanten Koeffizienten. Borensztein, de Gregorio und Lee [(1998), S. 124] können weder für politische Morde noch für Kriege auf dem eigenen Territorium eines Landes signifikante Ergebnisse ermitteln. In einer Borensztein et al. (1998) nachempfundenen Studie für Transformationsländer wird einer Kriegs-Dummyvariablen aber ein hochsignifikant negativer Einfluss auf das Wachstum attestiert [vgl. Campos/Kinoshita (2002), S. 12 f.].

Demokratie, politische Freiheiten und Rechte können sich gleichfalls auf das Wirtschaftswachstum auswirken. Es wird angenommen, dass Regierungen die wirtschaftliche Entwicklung ihres Landes auch durch das Ausmaß demokratischer Rechte, wie Redefreiheit, Pressefreiheit, aktives und passives Wahlrecht in freien Wahlen, etc. positiv beeinflussen. Dies scheint die historische Erfahrung zu bestätigen, auch wenn der theoretische Zusammenhang keineswegs eindeutig ist. Beispielsweise muss der Einfluss, den Diktatoren auf die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes nehmen, nicht generell negativ ausfallen [vgl. Barro (1996), S. 32 ff.]. Gastil [(1988) und andere Ausgaben] stellt einen Index mit Werten von eins bis sieben bereit, der umso höher ausfällt, je besser politische Rechte und bürgerliche Freiheiten gewährleistet sind. Wenn diese das wirtschaftliche Wachstum positiv beeinflussen, sollte sich auch in ökonometrischen Schätzungen ein positiver Koeffizient ergeben. Der Gastil-Index als Maß für Demokratie und politische Stabilität wurde in wichtige Wachstumsschätzungen aufgenommen, der Koeffizient blieb allerdings meistens insignifikant [vgl. Barro/Sala-i-Martin (1995), S. 438 f. und Borensztein et al. (1998), S. 125 f.].[84] In einer weiteren Untersuchung ergibt sich für einen Demokratieindikator nur dann ein signifikanter Schätzer, wenn der Indikator zusätzlich in quadrierter Form einbezogen wird. Er erhält dann ein positives Vorzeichen und das Quadrat ein negatives. Hieraus lässt sich schließen, dass sich bei wenig Demokratie in der Ausgangslage weitere Demokratisierungs-maßnahmen positiv auf das Wachstum auswirken, dieser Effekt aber bei einem höheren Niveau an demokratischen Rechten abnimmt und evtl. negativ wird [vgl. Barro (1996), S. 34 ff.].

Der Entwicklungsstand des Finanzsystems ist für wirtschaftliches Wachstum besonders wichtig [vgl. Barro/Sala-i-Martin (1995), S. 443]: Eine ausgereifte Finanzinfrastruktur ist zwar ein Zeichen allgemeiner Entwicklung, wie auch eine gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur, und sollte daher nicht separat in Schätzungen aufgenommen werden. Es ist aber möglich, dass Veränderungen im Finanzsektor, die nicht allein aus dem allgemeinen Entwicklungsstand eines Landes resultieren, für den Wachstumsprozess besonders bedeutsam sind. Im Gegensatz zu älteren Beiträgen, die lediglich einen Niveau-Effekt effizienterer Finanzintermediation aufzeigten, liefert die neuere endogene Wachstumstheorie die theoretische Basis für Auswirkungen auf die Wachstumsrate. Demzufolge kann die Wachstumsrate durch drei „Kanäle“ beeinflusst werden [vgl. Pagano (1993), S. 615 ff.]: Geht erstens ein geringerer Teil der Ersparnisse durch Transaktionskosten verloren, erhöht dies die Investitionen und damit das Wachstum. Zweitens können Finanzintermediäre die Allokation der zu investierenden Mittel dadurch verbessern, dass Informationen über alternative Investitionsprojekte gesammelt werden und Investoren durch Risikostreuung zu riskanteren, aber ertragreicheren Investitionen bewegt werden. Schließlich beeinflusst die Finanzintermediation das Sparverhalten selbst auf mehrfache Weise: Durch Risikostreuung kann es zur Abnahme der Ersparnisse kommen, wenn z.B. Risikovorsorge nicht mehr durch Sparen vorgenommen wird, sondern durch Versicherungen. Sind Konsumgüterkredite verfügbar, führt dies evtl. zu geringeren Ersparnissen, da die Konsummöglichkeiten auch derjenigen erweitert werden, die sonst nur ihr gegenwärtiges Einkommen verausgaben könnten. Herrscht Wettbewerb auf den Finanzmärkten, verringern sich die Spannen, die Intermediäre vereinnahmen können, und die Verzinsung von Einlagen steigt, was wiederum stärkere Anreize zur Ersparnisbildung mit sich bringt. Die Wirkung auf das Sparverhalten kann demnach positiv oder negativ ausfallen, wobei die unter erstens und zweitens genannten Effekte positiv auf die Wachstumsrate wirken. King und Levine [(1993), S. 721 ff.] untersuchen eine Reihe von Indikatoren für den Entwicklungsstand des Finanzsystems auf ihre Erklärungskraft für wirtschaftliches Wachstum. Als ein guter Schätzer für den Entwicklungsstand des Finanzsystems einer Volkswirtschaft gilt das Ausmaß der liquid liabilities[85] im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt [vgl. King/Levine (1993), S. 723 ff. sowie auch Barro/Sala-i-Martin (1995), S. 443]. Borensztein, de Gregorio und Lee [(1998), S. 125 f.] nehmen diese Variable (M2) ebenfalls in ihre Schätzungen auf. Die Koeffizienten sind aber insignifikant.

Die Inflation ist ein wichtiger Indikator, an dem die makroökonomische Stabilität gemessen wird. Diese wird als eine wesentliche Voraussetzung für eine positive wirtschaftliche Entwicklung angesehen. Je geringer die Inflation ist, desto mehr Stabilität wird unterstellt. Barro [(1996), S. 55 ff. und (2000), S. 12 f.] erhält erwartungsgemäß eine signifikant negative Beziehung zwischen dem Ausmaß der Inflation und dem Wirtschaftswachstum. Er merkt jedoch an, dass sich dieser Zusammenhang v.a. durch die schlechten Ergebnissen von Ländern ergibt, die sehr hohe Inflationsraten (über 20 Prozent) aufweisen. Für Teilstichproben nur mit Ländern, die eine geringe Inflation aufweisen, ergaben sich keine signifikanten Ergebnisse. Campos und Kinoshita [(2002), S. 29] ermitteln für eine Stichprobe von Transformationsländern einen signifikant negativen Wachstumseffekt von Inflation.

Die Qualität politischer Institutionen schlägt sich evtl. in der effektiven und effizienten Bereitstellung öffentlicher Güter nieder, so dass sich schlechtere politische Institutionen negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung, insbesondere auf das Wirtschaftswachstum, auswirken. Eine Variable, welche die geringe Qualität politischer Institutionen abzubilden vermag, sollte in empirischen Wachstumsschätzungen entsprechend einen negativen Koeffizienten erhalten. Verschiedene Autoren haben Informationen aus den Veröffentlichungen von Rating-Agenturen zusammengestellt, die auf subjektiven Einschätzungen von Experten über die Qualität der politischen Institutionen basieren. Knack und Keefer [(1995)] beschreiben folgende fünf Indikatoren, die sie aus Daten des International Country Risk Guide gewonnen haben: a) rule of law, b) corruption in government, c) quality of the bureaucracy, d) expropriation risk und e) repudiation of contracts by government. Barro und Sala-i-Martin [(1995), S. 440] setzen diese Indikatoren einzeln und gemeinsam in ihre Schätzgleichungen ein und stellen fest, dass rule of law alleine einen signifikant positiven Einfluss auf die Wachstumsrate hat, während bei Einbeziehung aller fünf Indikatoren alle insignifikant sind. Dies deutet auf Multikollinearität zwischen diesen Indikatoren hin, so dass ihnen bei gemeinsamer Aufnahme in die Schätzung einzeln kein interpretierbarer Einfluss zuzuordnen ist. Allein der Rule of law-Indikator ist durch sein signifikantes Einzelergebnis als belegbar wachstumsfördernd einzustufen. Diesen positiven Einfluss von rule of law bestätigt Barro [(2000), S. 13 und (1996), S. 19 f.]. Borensztein, de Gregorio und Lee [(1998), S. 125 f.] setzen einen gewogenen Index aus vier der fünf Indikatoren – auf corruption in government wurde verzichtet – in ihre Schätzung ein und erhalten einen signifikant positiven Einfluss auf das Wirtschaftswachstum als Ergebnis. Easterly und Levine [2002] betonen ebenfalls die Rolle von Institutionen für den Entwicklungsprozess, verweisen jedoch darauf, dass die Institutionen stark von den endowments eines Landes, d.h. insbesondere von dessen natürlichen Gegebenheiten geprägt werden.[86]

Die Offenheit eines Landes ist ein Faktor, der das Wirtschaftswachstum beeinflusst.[87] Bereits die Öffnung des Landes kann zu einem erheblichen Wachstumsschub – im Sinne eines Niveaueffekts – führen, wie ihn die traditionellen Außenhandelstheorien vorhersagen.[88] Zu diesem Ergebnis gelangen ebenfalls viele empirische Studien [vgl. Feder (1983), S. 71, Moschos (1989), S. 99 f., Ram (1987), S. 55 ff. und Tyler (1981), S. 127 ff.], die z.T. darüber hinaus bestätigen, dass dies nicht nur für Länder mit hohem Einkommen gilt, sondern auch für arme Länder. Detaillierte Länderstudien wurden von der OECD und vom National Bureau of Economic Research (NBER) durchgeführt [vgl. Bhagwati/Srinivasan (2002), S. 181]. Die eher kurzfristigen Wohlfahrtswirkungen werden in ihrer Bedeutung jedoch von den mittel- bis langfristigen Effekten bei weitem übertroffen [vgl. Hemmer et al. (2001), S. 41 ff.]: Offene Volkswirtschaften wachsen i. d. R. aufgrund handels-induzierter Produktivitäts- und Investitionssteigerungen schneller als geschlossene Volkswirtschaften. Die Ursachen hierfür sind v. a. eine verbesserte Humankapitalbildung und der erleichterte Zugang zu ausländischen Inputs und internationalem Wissen. Es wird außerdem angenommen, dass die Exportsektoren einer Volkswirtschaft aufgrund besserer Kapazitätsauslastung, Skaleneffekten, stärkeren Anreizen zu technologischen Verbesserungen und größerem Wettbewerbsdruck aus dem Ausland effizienter arbeiten als nicht-exportorientierte Sektoren. Damit geht auch einher, dass exportorientierte Sektoren mehr zu den Wachstumschancen beitragen. Die Ausnahme hiervon bilden jene – häufig ressourcenreichen – Volkswirtschaften, in denen infolge einer Spezialisierung auf technologiearme Primärgüterexporte nur eine geringe Humankapitalbildung stattfindet („Spezialisierungsfalle“) und die aufgrund einer geringen Diversifikation ihrer Exportstrukturen sehr empfindlich auf Veränderungen der Rohstoffpreise reagieren. Diese theoretischen Überlegungen werden durch die Empirie gestützt. Die Mehrzahl empirischer Studien kommt zu dem Schluss, dass offene Entwicklungsländer schneller wachsen als geschlossene und dass zudem zwischen offenen Volkswirtschaften Konvergenz, d.h. eine Annäherung der nationalen Pro-Kopf-Einkommen beobachtet werden kann [u.a. Sachs/Warner (1995), Frankel/Romer (1999), S. 386 ff. und Dollar/Kraay (2001), S. 18 ff.]. Offenheit als Wachstumsfaktor hat dabei eine enge Beziehung zum Faktor FDI [vgl. Abschnitt 5.1]. Bezüglich der verwendeten Offenheitsindikatoren wird festgestellt, dass jede Wachstumsregression, die den Anteil der Exporte am BIP als erklärende Variable aufnimmt, fast identische Ergebnisse liefert, wenn der Anteil der Importe oder der Anteil des Handels (Exporte + Importe) verwendet würde [vgl. Levine/Renelt (1992), S. 954]. Diese Indikatoren sollten daher austauschbar sein. Ein weiteres Maß für wirtschaftliche Offenheit stellt der durchschnittliche Zollsatz auf Importe dar. Barro und Sala-i-Martin [(1995), S. 439] nehmen ein Maß für die Zölle auf Kapitalgüter und Zwischenprodukte in ihre Schätzungen auf und erhalten einen signifikant negativen Koeffizienten. Schätzungen, in denen sie ein Maß der Vereinten Nationen für nicht-tarifäre Handelshemmnisse einbauen, ergeben jedoch kein signifikantes Ergebnis. Ein Vergleich verschiedener Maße, die alle die Offenheit eines Landes messen sollen, ergibt keinerlei signifikannte Korrelation zwischen den Indikatoren [vgl. Pritchett (1996), S. 308]. Die insgesamt als positiv befundenen Wachstumseffekte, die unabhängig vom verwendeten Indikator gefunden werden, erscheinen vor diesem Hintergrund erstaunlich.

Investitionen sind Zuwächse zum Sachkapitalstock [vgl. Abschnitt 4.1]. Bereits in der traditionellen neoklassischen Wachstumstheorie wird die Akkumulation von Sachkapital als die entscheidende Triebfeder der wirtschaftlichen Produktion pro Kopf gesehen [vgl. Frenkel/Hemmer (1999), S. 27 ff.]. Obwohl in den Modellen der neueren endogenen Wachstumstheorie Faktoren wie Humankapital und technischem Fortschritt deutlich mehr Bedeutung zugemessen wird, ist Sachkapitalakkumulation immer noch eine wichtige Variable. Investitionsdaten aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung – als Prozent der Investitionen am BIP – werden daher vielfach in Wachstumsschätzungen aufgenommen [vgl. Deininger/Squire (1998), S. 268 und Alexander (1994), S. 74]. In einer ganzen Reihe von empirischen Studien wird eine positive und robuste Korrelation zwischen der durchschnittlichen Wachstumsrate und dem durchschnittlichen Anteil der Investitionen am BIP attestiert [vgl. u.a. Levine/Renelt (1992), S. 959, Mankiw et al. (1992), S. 432 f., Barro (2000), S. 12 f., Blomström et al. (1994), S. 246 f. und Birdsall/Lodoño (1997b), S. 34]. Borensztein, de Gregorio und Lee [(1998), S. 131] wie auch Barro [(2000), S. 13 f.] integrieren einen Interaktionsterm zwischen Investitionen und Humankapital (secondary school enrolement rate) in ihre Schätzung, der Koeffizient bleibt aber insignifikant. Die Interaktion mit Humankapital ist in der Schätzung von Borensztein, de Gregorio und Lee nur für ausländische Direktinvestitionen signifikant. Barro [(2000), S. 13 f.] findet hingegen eine Beziehung zwischen Investitionen und einer Reihe von Politikvariablen, die das Wirtschaftswachstum auch direkt beeinflussen. Die Effekte dieser Politikvariablen auf die Investitionen scheinen die direkten Effekte der Politikvariablen auf das Wirtschaftswachstum zu verstärken. Werden auch FDI als erklärende Variablen in Wachstumsschätzungen berücksichtigt, so wird der Indikator Investitionen oftmals aus der Schätzung gestrichen, da FDI und Investitionen i.d.R. stark korreliert sind (Multikollinearität). Campos und Kinoshita [(2002), S. 29] erhalten dagegen in einer Regression für eine Stichprobe von Transformationsländern signifikant positive Ergebnisse für FDI und für heimische Investitionen.

Einige Studien versuchen einen besonders starken Zusammenhang zwischen Investitionen in Ausrüstungsgüter – als einem Typ von Investition, der besonders wachstumsförderlich sein soll – und wirtschaftlichem Wachstum nachzuweisen [vgl. De Long/Summers (1991), (1992) und (1993)]. Dieser Hypothese liegt die Vermutung zu Grunde, dass der Gebrauch moderner Maschinen in der Produktion Learning-by-doing-Effekte auslöst, durch welche die Arbeitsproduktivität erhöht wird. Kritisiert wird diese Schlussfolgerung v.a. mit Blick auf die Kausalitätsfrage. Es sei keineswegs erwiesen, dass die Kausalität von Ausrüstungsinvestitionen zu wirtschaftlichem Wachstum verlaufe. Vielmehr ließe sich zeigen, dass wirtschaftliches Wachstum erhöhte Ausrüstungsinvestitionen nach sich ziehe [vgl. Blomström et al. (1996), S. 270 ff.].[89] In einer Querschnittsuntersuchung für den Zeitraum 1960-85 wird als ein verwandter Indikator das Verhältnis importierter zu heimischen Kapitalgütern verwendet. Das signifikant positive Ergebnis der zugehörigen Koeffizienten wird mit einer höheren Produktivität ausländischer Kapitalgüter gleichgesetzt [vgl. Lee (1995), S. 108]. In einer weiteren Studie wird vollständig auf den Import abgestellt: Es werden die Importe von Maschinen und Transportgütern in die Schätzung aufgenommen [vgl. Blomström et al. (1994)], um den in diesen Importen enthaltenen Technologietransfer zu erfassen. Wird dieser Faktor neben FDI mit aufgenommen, bleibt er insignifikant. Mody und Yilmaz [2002] stellen dazu fest, dass der Import von Maschinen in vielen exportorientierten Entwicklungsländern in besonderem Maße zur Wettbewerbsfähigkeit der Exporte und damit zum Wachstum in diesen Ländern beigetragen hat.

Die ursprüngliche Ungleichheit der Einkommensverteilung beeinflusst das Wirtschaftswachstum, die Auswirkungen sind aber umstritten. Es gibt sowohl Erfolgsgeschichten wirtschaftlichen Wachstums von Ländern mit relativ gleichmäßiger Einkommensverteilung als auch solche von Ländern mit sehr ungleicher Einkommensverteilung. Vier mögliche Wirkungskanäle sind theoretisch und empirisch für diese Beziehung untersucht worden: Erstens schafft Ungleichheit Bedarf an fiskalischer Redistribution: Nach dem Median-voter-Theorem wird bei einem ärmeren „mittleren Wähler“ – der mehr Einkommen hat als die eine Hälfte der Bevölkerung, aber weniger als die andere – mehr umverteilt. Dazu müssen höhere Steuern erhoben werden, die wiederum ökonomische Entscheidungen verzerren und damit das Wachstum behindern [vgl. Alesina/Rodrik (1994), S. 466 und Alesina/Perotti (1996)]. Selbst wenn es reichere Bevölkerungsschichten schaffen sollten, das Ausmaß fiskalischer Redistribution gering zu halten, müssen sie hierfür Ressourcen aufwenden, die für andere produktive Verwendungen nicht mehr zur Verfügung stehen [vgl. Barro (2000), S. 7]. Zweitens sind die Finanzmärkte nicht perfekt: Kreditgeber verlangen wegen gestiegener Risiken höhere Sicherheiten (credit rationing). Diese können die ärmeren Bevölkerungsschichten nicht erbringen und sind damit nicht in der Lage, ihr volles Potenzial auszuschöpfen, mit der Folge geringeren Wachstums.[90] Deininger und Squire [(1998), S. 272] finden in ihrer Studie Anhaltspunkte, die diese Beziehung plausibel erscheinen lassen. Sie führen dies darauf zurück, dass weniger Menschen in der Lage sind, Investitionen, insbesondere in die eigene Ausbildung (Humankapitalbildung), zu finanzieren. Die Wachstumsminderung gehe i.d.R. auch nicht von Beeinträchtigungen der Sachkapitalbildung aus; diese bliebe von steigender Ungleichheit vielmehr unbeeinträchtigt. Drittens trägt die Ungleichmäßigkeit der Einkommensverteilung zur politischen Instabilität bei, die das politische Risiko eines Landes erhöht und damit Investoren abschreckt: So kommt es zu geringerem Wachstum [vgl. Alesina/Perotti (1996), S. 1204, Birdsall et al. (1995), S. 498 ff., Barro (1991), S. 432]. Politische Maßnahmen des Einkommensausgleichs haben bspw. in Ostasien zu stabilen politischen und ökonomischen Verhältnissen beigetragen, die ein rasantes Wirtschaftswachstum ermöglichten [vgl. Stiglitz (1996), S. 167 f.]. Venieris und Gupta [1986] identifizieren zudem eine negative Beziehung zwischen politischer Instabilität und der Sparquote, so dass instabile Länder aus eigener Kraft nur geringe Investitionen finanzieren können und damit ein entsprechend geringeres Wachstumspotenzial aufweisen. Viertens steigt die individuelle Sparquote mit dem Einkommen, da sich mit höherem Einkommen größere Möglichkeiten zum Sparen ergeben [Kaldorianische Sicht, vgl. Kaldor (1956), S. 95]. Größere Ersparnisse führen zu mehr Investitionen und damit Wachstum. Wenn dieser letzte Zusammenhang entscheidend sein sollte, so müsste sich zeigen, dass die Ungleichmäßigkeit der Einkommensverteilung positiv auf das Wirtschafts-wachstum wirkt [vgl. Barro (2000), S. 8 und Clarke (1995), S. 403 f.].[91] Einer ungleichmäßigeren Verteilung des Einkommens werden in empirischen Studien jedoch oftmals negative, einer gleichmäßigeren respektive positive Wachstumswirkungen attestiert [vgl. Birdsall/Lodoño (1997b), S. 34 f. und (1997a), S. 15 ff., Clarke (1995), S. 409 ff., Alesina/Rodrik (1994), S. 481 ff. und Birdsall et al. (1995), S. 495 ff. sowie Aghion et al. (1999) für einen Überblick]. Birdsall und Lodoño [(1997b), S. 34 f.] führen diesen Einfluss im Wesentlichen auf den unterschiedlichen Zugang zu produktiv nutzbaren Ressourcen zurück. Nehmen sie die Ungleichmäßigkeit der ursprünglichen Land- und Bildungsverteilung mit in ihre Schätzgleichung auf, bleibt der Koeffizient der ursprünglichen Einkommensverteilung insignifikant. Andere Autoren können keine direkte Verbindung zwischen der Gleichmäßigkeit der Einkommensverteilung und Einkommenszuwächsen herstellen [vgl. Deininger/Squire (1996), S. 587 f.]. Forbes [(2000), S. 884] kommt sogar zu dem Ergebnis, dass zumindest kurz- bis mittelfristig eine zunehmende Ungleichmäßigkeit der Einkommensverteilung wachstumsfördernd wirke.[92] Dies deutet sich auch bei Dollar und Kraay [(2000), S. 25] an, ihr Koeffizient ist aber nicht signifikant. Barro [(2000), S. 17 ff.] zeichnet ein differenzierteres Bild: In einer breiten Stichprobe armer und reicher Länder ergibt sich kein signifikantes Ergebnis. Differenziert man aber zwischen armen und reichen Ländern, so zeigt sich in armen Ländern eine negative Wirkung der Ungleichmäßigkeit der Einkommensverteilung auf das Wirtschaftswachstum und in reichen Ländern eine positive. Einige Studien untersuchen auch den Zusammenhang zwischen der ursprünglichen Landverteilung und Wachstum, da die Einkommens-verteilung keine gute Aussage über die Verteilung der Vermögenswerte zulässt, die Landverteilung als wichtiger Teil der Vermögensverteilung aber schon. Einige Studien bestätigen auch die positiven Auswirkungen einer gleichmäßigen Landverteilung auf das Wirtschaftswachstum [vgl. Birdsall/Londoño (1997b), S. 34 f., (1997a), S. 15 ff. und Alesina/Rodrik (1994), S. 481 ff.].

Regionale Dummyvariablen: Diese sollen Effekte herausfiltern, die durch gemeinsame, nicht in anderen Variablen erfasste Merkmale, verursacht werden [vgl. Barro (1991), S. 435]. Diese Regionalvariablen sind nicht in allen Studien, in denen sie enthalten sind, signifikant, was darauf hindeutet, dass in manchen Regressionen die anderen Variablen diese regionenspezifischen Effekte ebenfalls abbilden: Barro und Sala-i-Martin [(1995), S. 443 f.] verwenden Dummyvariablen für Sub-Sahara-Afrika, Lateinamerika und Ostasien. Allerdings ist nur der Koeffizient für Lateinamerika signifikant und negativ. Barro [(1996), S. 21] setzt in seinen Schätzungen Dummyvariablen für Sub-Sahara-Afrika, Lateinamerika und Ostasien ein und erhält nur signifikante Ergebnisse, wenn einige der anderen erklärenden Variablen aus den Schätzgleichungen entfernt werden.[93]

Weitere Variablen, die in ökonometrische Schätzungen zu den Ursachen von Wirtschaftswachstum aufgenommen werden, sind Quoten der Arbeitenden an der Gesamtbevölkerung (participation rates), Maße für ethnolinguistische Fraktionalisierung, Religionszugehörigkeiten, Ursprung des Justizsystems, Dummyvariablen für weitere Ländergruppen (z.B. land locked countries), Sparquoten, Patente als Maß für den technischen Fortschritt, Fertilitätsraten oder Maße für wirtschaftliche Freiheit [vgl. z.B. Sturm et al. (2002), Easterly/Levine (2002) und Heckelman/Stroup (2002)].

Grundsätzlich sind alle diese Variablen sinnvoll in Schätzungen der Determinanten von wirtschaftlichem Wachstum einzusetzen. Die Zahl der verwendeten Variablen muss allerdings begrenzt werden. Zum einen, weil eine möglichst hohe Anzahl an Beobachtungen in der Stichprobe verbleiben soll und jeder zusätzliche Indikator das Risiko birgt, durch evtl. vorhandene Lücken im Datenmaterial weitere Beobachtungen von der Verwendung auszuschließen. Zum anderen steigt mit jeder zusätzlichen Variablen das Risiko, den Einfluss einer einzelnen Variablen nicht mehr sicher bestimmen zu können, da sich mehrere Variablen ähnlich verhalten können (Multikollinearität). Diese Überlegungen sind mit dem Ziel abzuwägen, einen möglichst breiten Kranz von weiteren Variablen in die Schätzungen einzubinden, um die Rahmenbedingungen gut abzubilden und FDI nicht einen evtl. zu hohen Einfluss auf das Wachstum zu attestieren, der eigentlich von anderen Faktoren ausgeht. Es kann auch vorkommen, dass durch die „Herausfilterung“ der Einflüsse anderer Variablen der Einfluss von FDI erst zum Vorschein kommt.

Aufgrund der theoretischen Überlegungen und der empirischen Ergebnisse in der Literatur [vgl. Kapitel 4 und Abschnitt 5.1] ist in jedem Fall ein Indikator für Humankapital in die Schätzungen aufzunehmen.

Da der Einfluss von FDI gemessen werden soll und andere Indikatoren verwendet werden, um ähnliche Effekte zu messen, sollten diese Indikatoren von den Schätzungen ausgeschlossen werden: Dies gilt für Indikatoren für Investitionen generell und für Ausrüstungsinvestitionen im Speziellen. FDI tragen zu den Investitionen bei, ein Teil von FDI findet sich demnach auch in den Investitionen wieder. Daher ist ein hohes Maß an gleichgerichtetem Verhalten von FDI und Investitionen zu erwarten. Investitionen sollten deshalb in den folgenden Schätzungen vernachlässigt werden. Mit Ausrüstungsinvestitionen wird versucht, den in ihnen enthaltenen Technologietransfer zu schätzen. Da die wesentliche wachstumsrelevante Auswirkung von FDI der Technologietransfer ist, sollten auch Ausrüstungsinvestitionen nicht in die Schätzungen eingehen. Zum anderen sollten weitere Maße für die Offenheit eines Landes – insbesondere Indikatoren für den Handel – weitgehend vernachlässigt werden, da auch hier ein hohes Maß an gleichgerichtetem Verhalten mit FDI zu erwarten ist.

Die anderen beschriebenen Indikatoren können grundsätzlich aufgenommen werden. Eine Auswahl ist nun danach zu treffen, möglichst viele verschiedene Gebiete der Rahmenbedingungen zu erfassen, dabei die Datenverfügbarkeit der einzelnen Indikatoren zu berücksichtigen und die Zahl der Indikatoren nicht zu groß werden zu lassen.

Für die Schätzungen im folgenden Abschnitt bedeutet dies, die ursprüngliche Ungleichheit zu vernachlässigen, da die Auswirkungen von Ungleichheit hier nicht im Mittelpunkt stehen und die Datenverfügbarkeit für diese Variable deutlich eingeschränkt ist, so dass zu befürchten wäre, viele Beobachtungen zu verlieren. Nicht verfügbar sind außerdem Daten zur Qualität der politischen Institutionen. Alle weiteren beschriebenen Indikatoren finden Eingang in die nachfolgenden Untersuchungen.

5.3 Eigene Untersuchungen der aggregierten Wachstumseffekte ausländischer Direktinvestitionen

Im Rahmen dieser Arbeit wird eine Überprüfung der bereits vorliegenden Ergebnisse zu den Wachstumswirkungen von FDI anhand einer breiten Stichprobe von Entwicklungsländern und mit den neuesten verfügbaren Daten vorgenommen. Methodologisch bieten sich zur Überprüfung der Auswirkungen von FDI auf das gesamtwirtschaftliche Wachstum grundsätzlich zwei Vorgehensweisen an [vgl. Abschnitt 5.1]:

Für eine Betrachtung einzelner Direktinvestitionsprojekte auf der Mikroebene spricht die Möglichkeit, die Auswirkungen auf die unmittelbare Umgebung oder die anderen Marktteilnehmer und die Wirkungskanäle im Detail zu ermitteln. Mit diesen Studien lassen sich jedoch kaum Aussagen über die Wachstumswirkungen von FDI auf aggregierter Ebene gewinnen, da die Stichproben nur sehr bedingt generalisierbare Aussagen zulassen. Dagegen kann auf der Makroebene mit Hilfe aggregierter Daten und ökonometrischer Verfahren überprüft werden, ob Änderungen im gesamtwirtschaftlichen Wachstum Beziehungen zu Änderungen der Direktinvestitionen aufweisen. Diese Betrachtung ist vergleichsweise undifferenziert und kann nur sehr begrenzt Auskunft darüber geben, wie die in Kapitel 4 beschriebenen Wirkungskanäle in der Realität ausgestaltet sind. Im Mittelpunkt der hier vorgenommenen Analysen steht die gesamtwirtschaftliche Wachstumsrate, weshalb eine ökonometrische Untersuchung auf der Makroebene vorgenommen wird.

Die Wachstumswirkungen von FDI sind die am besten untersuchten Wirkungen. Die Erkenntnis, dass FDI das Wirtschaftswachstum fördern, gilt vielen als gesichert. Es gibt allerdings auch Studien, die keinen Zusammenhang feststellen können [vgl. Abschnitt 5.1]. Die Hauptergebnisse des besonders wichtigen Beitrags in diesem Forschungsbereich von Borensztein, de Gregorio und Lee [1998] sollen deshalb hier kritisch geprüft werden. Zu diesem Zweck wird ihr Ansatz im Folgenden mit neueren Daten und ausschließlichem Entwicklungsländerbezug nachgezeichnet. Zentrale Aussagen von Theorie und Empirie [vgl. Kapitel 4 und Abschnitt 5.1], die überprüft werden sollen, sind die grundsätzlich förderliche Wirkung von FDI für das Wirtschaftswachstum und die Rolle eines Minimumbestands an Humankapital, um die positiven Wachstumseffekte nutzen zu können. Aufgrund der uneinheitlichen Ergebnisse existierender Studien [vgl. Abschnitt 5.1] soll von der folgenden Hypothese ausgegangen werden:

• Eine generell positive Wachstumswirkung von FDI ist nicht vorhanden; zu unterschiedlich sind die Arten der Direktinvestitionen und die Rahmenbedingungen, welche diese vorfinden.

Darüber hinaus soll besonderes Augenmerk auf die Rolle des Humankapitals im Zusammenspiel mit FDI gelegt werden. Für die breit angelegten Untersuchungsansätze wird erwartet, dass sich

• auch für das Zusammenspiel von Humankapital und FDI keine positiven Wachstumseffekte ermitteln lassen.

Je differenzierter die Untersuchungen werden, desto höher ist allerdings die Chance, Ergebnisse zu finden, die insbesondere der zweiten Hypothese widersprechen. Der Ansatz von Borensztein, de Gregorio und Lee [1998] wird hier durch eine Differenzierung zwischen verschiedenen, auf der Basis von regionaler Zugehörigkeit, PKE-Niveau und Exportgüterschwerpunkten gebildeten Ländergruppen erweitert. Auf diese Weise wird eine weitere Unterscheidung vorgenommen, die eventuell Schlüsse zulässt, unter welchen Rahmenbedingungen FDI Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum haben.

5.3.1 Untersuchungsansatz und verwendete Daten

Die folgenden Ausführungen untersuchen die Auswirkungen von FDI auf das wirtschaftliche Wachstum mit Hilfe von Schätzungen von SURE-Mehrgleichungsmodellen (SURE = seemingly unrelated regression equations). Ausführungen zu den Besonderheiten dieser Schätzmethode werden im Anhang Wachstum I gemacht. Mit dieser Methode ist es möglich, Zeitreihen- und Querschnittsdaten zu verbinden. Zeitreihenanalysen ließen sich nur für einzelne Länder durchführen, deren Zahl aufgrund von fehlenden Daten vieler Länder zur Zeit noch sehr begrenzt ist, während Querschnittsanalysen jeweils nur einen Zeitpunkt bzw. eine Periode betrachten würden. Mit der Panelanalyse lassen sich die vorhandenen Daten umfassender auswerten.

Die im Folgenden angewandte Vorgehensweise orientiert sich stark an der von Borensztein, de Gregorio und Lee [(1998), kurz BGL]. Diese verfolgen einen Ansatz, der theoretisch durch die Wachstumsmodelle erklärt wird, in denen sich technischer Fortschritt in einer zunehmenden Zahl von Zwischenprodukten niederschlägt [vgl. z.B. Romer (1990), Grossman/Helpman (1991), v.a. Kapitel 3 oder Barro/Sala-i-Martin (1995), Kapitel 6]. Sie verwenden folgende Schätzgleichung:

g = a0 + a1FDI + a2 (FDI * H) + a3H + a4Y0 + a5A + ε (W-3)

Die Wachstumsrate des BIP pro Kopf (g) soll durch Direktinvestitionen (FDI), Humankapital (H), eine Interaktionsvariable zwischen FDI und Humankapital (FDI * H), das ursprüngliche Niveau des PKE (Y0) und eine Reihe von Kontrollvariablen (A) erklärt werden [vgl. Abschnitt 5.2]. Zu den Kontrollvariablen gehören bei BGL der staatliche Konsum, ein Maß für die Wechselkursverzerrungen, regionale Dummyvariablen, Indikatoren für politische Rechte und Stabilität, ein Maß für die finanzielle Entwicklung, die Inflation und ein Maß für die institutionelle Qualität. Diesem Ansatz wird hier grundsätzlich gefolgt. ε stellt einen zufälligen Störterm dar.

Die verwendeten Daten sollen im Vergleich zu BGL erläutert werden. Variablenbezeichnungen weichen von denen bei BGL ab und weisen bereits auf die Form der eingesetzten Indikatoren hin, LOGCGDP bezeichnet z.B. den Logarithmus des PKE zu Beginn des betrachteten Zeitraums. Eine Übersicht der bei BGL und in diesem Ansatz verwendeten Indikatoren wird in Tabelle 3 gegeben. Nur bei einigen Indikatoren werden Logarithmierungen vorgenommen, um deren Streuung im Vergleich zu anderen Indikatoren zu verringern. Wie auch die anderen empirischen Ansätze zeigen, wird dies insbesondere bei Daten zum PKE-Niveau vorgenommen, da dort die absoluten Unterschiede wesentlich größer sind als bei den anderen Indikatoren.

|Variable |Bedeutung |Quelle bei BGL |Quellen für eigene Schätzungen und |

| | | |Änderungen im Vergleich zu BGL (wenn |

| | | |vorgenommen) |

|g (abh. Variable) |Durchschnittliche Wachstumsrate des PKE |Summers/ Heston (1993)|Global Development Network (2002) |

| |(reales BIP pro Kopf, Kaufkraftparitäten, | | |

| |Basisjahr 1985) p.a.[94] | | |

|LOGCGDP |Logarithmus des PKE zu Beginn des |Summers/ Heston (1993)|Global Development Network (2002) |

| |Betrachtungszeitraums | | |

|SCND1 |Humankapital: |Barro/Lee (1993) |Barro/Lee (2001) |

| |Durchschnittliche Zahl an Jahren männlichen | |Ursprüngliche durchschnittliche Zahl der |

| |Sekundarschulbesuchs für die Altersgruppe 15 | |Jahre Sekundarschulbesuchs der |

| |und älter zu Beginn des Betrachtungszeitraums| |Altersgruppe 25 und älter zu Beginn des |

| | | |Betrachtungszeitraums |

|GOVCONS |Durchschnittlicher Anteil des realen |Summers/ Heston (1993)|IMF (2001) |

| |staatlichen Konsums am BIP | | |

|LOGBMP |Durchschnitt des Logarithmus der black market|Barro/Lee (1994) |Global Development Network (2002) |

| |premium (Schwarzmarktprämie in Prozent des | | |

| |offiziellen Wechselkurses) | | |

|OECDFDI |Durchschnittlich einfließende FDI aus OECD |OECD |FDI-Daten: International Development |

| |Ländern/BIP des Gastlandes[95] | |Statistics online databases [OECD (2002)];|

| | | |BIP-Daten: Global Development Network |

| | | |(2002) |

|HKFDI1 |SCND1*OECDFDI | | |

|SSA |Regionale Dummyvariable für Sub-Sahara-Afrika| | |

|LA |Regionale Dummyvariable für Lateinamerika | | |

|ASSASS |Politische Stabilität: |Barro/Lee (1994) |Global Development Network (2002) |

| |Zahl der Morde an hohen Regierungsmitgliedern| |Zahl der Morde an hohen |

| |bezogen auf die Bevölkerungsgröße | |Regierungsmitgliedern im |

| | | |Betrachtungszeitraum |

|POLRIGHTS |Durchschnittlicher Index politischer |Gastil (1987) und |Freedom House (2002) |

| |Freiheiten mit Werten zwischen eins (höchste |andere Ausgaben | |

| |Freiheit) und sieben (geringste Freiheit) | | |

|M2 |Finanzielle Entwicklung: Geldmenge M2/BIP; |Barro/Lee (1994) |Global Development Network (2002) |

| |Genauer: Durchschnittliche liquid | | |

| |liabilities/BIP | | |

|INFL |Durchschnittliche Inflationsrate p.a. |Summer/ Heston (1993) |Global Development Network (2002) |

| |gemessen für Konsumentenpreise | | |

|Wars |Politische Stabilität: Dummyvariable für |Knack/Keefer (1995) |nicht verwendet |

| |Kriege auf dem nationalen Territorium | | |

|Institutions |Durchschnitt verschiedener Maße für die |Knack/Keefer (1995) |nicht verwendet |

| |Qualität politischer Institutionen | | |

Tabelle 3: Variablen und Datenquellen für Borensztein et al. (1998) und eigene Schätzungen.

Zu drei Indikatoren sollen noch einige Ergänzungen gemacht werden:

OECDFDI: BGL verwenden in ihrer Schätzung nur FDI-Daten für OECD-Länder als Indikator, da FDI als Instrument für den mit ihnen verbundenen Technologietransfer fungieren sol und davon ausgegangen wird, dass FDI aus OECD-Staaten durchschnittlich mit einem höheren Technologietransfer verbunden sind. Auf diese Weise sollen die von FDI ausgehenden Effekte auf das Wirtschaftswachstum deutlich herausgearbeitet werden [vgl. Borensztein et al. (1998), S. 122]. Dieser Vorgehensweise folgt auch diese Untersuchung.

SCND1: Als Humankapitalindikator verwenden BGL die ursprüngliche durchschnittliche Zahl an Jahren männlichen Sekundarschulbesuchs für die Altersgruppe 15 und älter [aus Barro/Lee (1993)]. Diese Vorgehensweise wird hier abgewandelt [vgl. nächster Abschnitt].

ASSASS: Bei BGL wird die Zahl der Morde an hohen Regierungsmitgliedern pro Kopf der Bevölkerung als Indikator verwendet. Abweichend davon wird hier die Zahl der Morde nicht durch die Bevölkerungsgröße geteilt, da angenommen wird, dass die Zahl der Regierungsmitglieder nicht proportional zur Bevölkerungsgröße steigt.

Während sich die Angaben bei BGL jeweils auf Jahrzehnte (1970er und 1980er Jahre) beziehen, werden hier grundsätzlich Zeiträume von fünf Jahren (1970 bis 1994) betrachtet. Dies hat den Vorteil, dass die Zahl der Beobachtungen erhöht wird. Nachteilig ist, dass evtl. konjunkturelle Einflüsse nicht völlig ausgeschlossen werden können.

Für die folgenden Schätzungen soll diese Gleichung zu Grunde gelegt werden:

g = b0 + b1OECDFDI + b2HKFDI1 + b3SCND1 + b4LOGCGDP + b5A + ε (W-4)

A bezichnet den – im Vergleich zu BGL etwas reduzierten – Satz von Kontrollvariablen. Einen Überblick über die in den einzelnen Schätzungen verwendeten Länderstichproben gibt Anhang Wachstum III.

5.3.2 Wahl des Humankapitalindikators

Bei den Gleichungen in Tabelle 4 handelt es sich um Schätzungsgleichungen, die denjenigen aus Tabelle 1 bei Borensztein, de Gregorio und Lee [1998] und Tabelle 5 in dieser Arbeit, nur mit z. T. anderen Humankapitalindikatoren, entsprechen. Die detaillierten Schätzergebnisse sind in den Tabellen E – G im Anhang Wachstum II abgebildet.

Die einzelnen Humankapitalindikatoren geben die durchschnittliche Dauer des Sekundarschulbesuchs in Jahren der folgenden Bevölkerungsgruppen wieder:

SCND1 = gesamte Bevölkerung, 25 und älter,

SCND2 = männliche Bevölkerung, 25 und älter,

SCND3 = gesamte Bevölkerung, 15 und älter sowie

SCND4= männliche Bevölkerung, 15 und älter.

Für Gleichungen mit wenigen Kontrollvariablen (Gleichungen 1-3) zeigt sich, dass die Erklärungskraft – gemessen am R² - von SCND2 am höchsten ist, für Gleichungen mit vielen Variablen (Gleichungen 5-6) die von SCND1.

Es zeigt sich in den Schätzungen eine Überlegenheit der Indikatoren für die Altersgruppe 25+ über die für die Altersgruppe 15+: SCND1 dominiert SCND3 und SCND2 dominiert SCND4. Dies kann darin begründet liegen, dass bei der Altersgruppe 15+ der sekundarschulische Bildungsprozess häufiger noch nicht abgeschlossen ist, als bei der Altersgruppe 25+. Dem könnte allerdings entgegengehalten werden, dass in Entwicklungsländern der Eintritt ins Erwerbsleben deutlich früher beginnt als in Industrieländern und daher die jüngere Altersgruppe wachstumsrelevanter sein sollte. Da die Indikatoren für die ältere Altergruppe hier die höhere Erklärungskraft für das Wachstum in den Ländern der Stichprobe haben, sind die Daten für diese Altersgruppe besser geeignet. Die Überlegenheit der Indikatoren für die ältere Altersgruppe wurde auch bereits in anderen Wachstumsschätzungen festgestellt. [vgl. Barro (1996), S. 15].

Box 3: Vergleich der Erklärungskraft der einzelnen Humankapitalindikatoren.

R² SCND1 SCND2 SCND3 SCND4

Gleichung 1 0,319 0,336 0,312 0,323

Gleichung 2 0,313 0,335 0,305 0,321

Gleichung 3 0,318 0,329 0,312 0,316

Gleichung 4 0,402 0,402 0,395 0,394

Gleichung 5 0,420 0,418 0,411 0,408

Gleichung 6 0,416 0,413 0,403 0,399

Tabelle 4: Ergebnisse verschiedener Humankapitalindikatoren

Bei der Unterscheidung zwischen den Bevölkerungsgruppen zeigt sich, dass in den Gleichungen mit wenigen Variablen (Gleichungen 1 – 3) die Variablen für die männliche Bevölkerung die höhere Erklärungskraft aufbringen, in Gleichung 4 sich eine gleich hohe Erklärungskraft zeigt und in den Gleichungen mit vielen Variablen (Gleichungen 5 – 6) die Variablen für die gesamte Bevölkerung bessere Ergebnisse liefern. Da die Gleichungen mit vielen Kontrollvariablen diejenigen sind, bei denen die meisten anderen Einflüsse aus den primär zu untersuchenden Koeffizienten ferngehalten werden, sollten die Ergebnisse zur Erklärungskraft der Schätzungen in den Gleichungen 4 – 6 den Ausschlag geben. Dementsprechend werden die weiteren Untersuchungen mit dem Indikator SCND1 vorgenommen.

Box 3-Fortsetzung: Vergleich der Erklärungskraft der einzelnen Humankapitalindikatoren.

Einer der wesentlichen Befunde von BGL ist die Interaktion von Humankapital und FDI. Für Humankapital wird dabei auf Daten zurückgegriffen, die für die unterschiedlichen Länder jeweils die durchschnittliche Anzahl an Sekundar-schuljahren der männlichen Bevölkerung im Alter von mindestens 15 Jahren ausweisen. Warum gerade auf diese Daten zurückgegriffen wird, ist nicht völlig plausibel. Wahrscheinlich orientieren sie sich an Barro und Lee [1994], die mit diesem Indikator signifikante Ergebnisse erzielten.

Zunächst ist nicht einzusehen, warum die männliche Bevölkerung zu Grunde gelegt wird, da auch Frauen zur Wirtschaftsleistung eines Landes beitragen. Zum anderen ist bei einem Alter von 15 oder 16 Jahren davon auszugehen, dass die Schulbildung vielfach noch nicht abgeschlossen ist, sei es wegen später Einschulung oder dem Besuch weiterführender Schulen. Es kann jedenfalls davon ausgegangen werden, dass viele derjenigen, bei denen Humankapital für den Beruf besondere Bedeutung hat, noch nicht produktiv tätig sind. Es soll daher zunächst die Humankapitalvariable verwendet werden, welche die Anzahl der durchschnittlichen Sekundarschuljahre für die gesamte Bevölkerung in einem Alter von 25 Jahren oder älter abbildet. Wie probeweise durchgeführte Schätzungen gezeigt haben, führt dieser Indikator c.p. auch zur besten Erklärung, warum verschiedene Länder in der Stichprobe verschieden schnell gewachsen sind [vgl. Box 3]. Im Anhang Wachstum II kommen die anderen von Barro und Lee [2001] bereitgestellten, auf Sekundarschulbildung zielenden Humankapitalindikatoren zur Überprüfung der gewonnenen Ergebnisse auf Robustheit zum Einsatz. Bei Barro und Lee [2001] werden jeweils für die gesamte Bevölkerung und die Teilmenge der männlichen Bevölkerung, die durchschnittlichen Sekundarschuljahre für die Altersgruppen der mindestens 15-Jährigen und der mindestens 25-Jährigen ausgewiesen.

5.3.3 Erste Ergebnisse

Tabelle 5 bietet eine Darstellung der ersten Ergebnisse von Schätzungen von Gleichung W-4, die mit der Humankapitalvariable SCND1 ermittelt wurden.

Die signifikanten Ergebnisse sind in dieser und den folgenden Tabellen mit „*“, „**“ oder „***“ gekennzeichnet. „***“ steht für das 10-Prozent-Signifikanzniveau (schwach signifikant), „**“ für das 5-Prozent-Signifikanzniveau (signifikant) und „*“ für das 1-Prozent-Signifikanzniveau d(hochsignifikant). Der genaue Wert des Signifikanzniveaus wird durch den p-Wert in der Klammer unter dem jeweiligen Koeffizienten angegeben [zum p-Wert vgl. Auer (1999), S. 109 ff.].

Der Fokus dieser Untersuchung liegt auf den Auswirkungen der Direktinvestitionen, daher stehen die unabhängigen Variablen OECDFDI (FDI/BIP) und HKFDI1 (Interaktionsvariable zwischen FDI und Humankapital) im Mittelpunkt des Interesses.

In Schätzung 1, in der OECDFDI ohne HKFDI1 enthalten ist, zeigt sich ein hochsignifikant negatives Ergebnis für den Koeffizienten von OECDFDI. Auch der Koeffizient von SCND1 ist hochsignifikant negativ. In Schätzung 2 erhalten dann SCND1 und HKFDI1 hochsignifikant negative Koeffizienten.

In den Schätzungen 3-6 ist HKFDI1 jeweils signifikant positiv. OECDFDI ist immer negativ, aber nur einmal (hoch-)signifikant. SCND1 ist jeweils hochsignifikant negativ.

| |Gleichungsnummer |

| |1.1 |1.2 |1.3 |1.4 |1.5 |1.6 |

|Unabhängige Variable |Koeffizient | | | | | |

| |(p-Wert) | | | | | |

|LOGCGDP |-0,004603 |-0,005214 |-0,003750 |-0,004081 |-0,004917 |-0,004591 |

| |(0,524) |(0,471) |(0,607) |(0,551) |(0,467) |(0,499) |

|SCND1 |-0,028223* |-0,028611* |-0,027672* |-0,027758* |-0,026559* |-0,028200* |

| |(0,000) |(0,000) |(0,000) |(0,000) |(0,000) |(0,000) |

|GOVCONS |-0,012391 |-0,013042*** |-0,011898 |-0,012411*** |-0,009994 |-0,011935 |

| |(0,104) |(0,087) |(0,120) |(0,087) |(0,166) |(0,129) |

|LOGBMP |-0,046271* |-0,046798* |-0,042582* |-0,040130* |-0,040724* |-0,041485* |

| |(0,000) |(0,000) |(0,001) |(0,001) |(0,001) |(0,001) |

|OECDFDI |-0,029847* | |-0,028985* |-0,015565 |-0,014054 |-0,023063 |

| |(0,003) | |(0,004) |(0,190) |(0,233) |(0,105) |

|HKFDI1 | |-0,030385* |0,015141* |0,011238** |0,010915** |0,013831** |

| | |(0,002) |(0,008) |(0,037) |(0,041) |(0,021) |

|SSA | | | |-0,059823** |-0,052953*** |-0,053831 |

| | | | |(0,043) |(0,071) |(0,127) |

|LA | | | |-0,024831* |-0,028102* |-0,026469* |

| | | | |(0,004) |(0,001) |(0,003) |

|ASSASS | | | | |0,880131 |0,992840 |

| | | | | |(0,234) |(0,185) |

|POLRIGHTS | | | | |-0,434948 |-0,572411 |

| | | | | |(0,469) |(0,352) |

|M2 | | | | | |-0,018211*** |

| | | | | | |(0,066) |

|INFL | | | | | |-0,011157 |

| | | | | | |(0,113) |

|Korr. R2 |0,319 |0,313 |0,318 |0,402 |0,420 |0,416 |

|Beobachtungen |105 |105 |105 |105 |105 |105 |

Tabelle 5: FDI und Wirtschaftswachstum pro Kopf 1970-94 (21 Länder), Humankapital mit Bezug auf die gesamte Bevölkerung im Alter von mindestens 25 Jahren (SCND1).

In den meisten Schätzungen – insbesondere denen, in welchen der Einfluss vieler anderer Variablen berücksichtigt ist – wird damit das zentrale Ergebnis von BGL im Grundsatz bestätigt: Der Interaktionsterm von Direktinvestitionen und Humankapital erhält einen positiven Koeffizienten, die Variablen einzeln jedoch einen negativen. FDI wirken demnach nur in Verbindung mit Humankapital positiv. Den beiden oben aufgestellten Hypothesen widersprechen diese Ergebnisse damit. Unerwartet sind auch die Deutlichkeit und die Durchgängigkeit, mit welcher der Humankapitalvariablen ein negativer Einfluss attestiert wird. Dies ist theoretisch nicht zu erklären und nährt Zweifel an der Aussagekraft der Ergebnisse, da die wachstumsfördernde Wirkung von Humankapital in der Literatur nicht angezweifelt wird.

Die weiteren Ergebnisse zu den Kontrollvariablen bestätigen im Wesentlichen die Erwartungen, d.h. sie zeigen meist die in der Theorie hergeleiteten Vorzeichen: Wie erwartet negativ und auch hochsignifikant zeigt sich der Koeffizient von Schwarzmarktprämien auf den Wechselkurs (black market premium, LOGBMP). Auch die Regionaldummies zeigen hochsignifikannte (Lateinamerika, LA) bzw. signifikante (Sub-Sahara-Afrika, SSA) negative Koeffizienten, was darauf hindeutet, dass Länder in diesen Regionen deutlich schlechter abschneiden als die anderen Länder der Stichprobe. Das Signifikanzniveau der Indikatoren für politische Stabilität und politische Rechte (ASSASS und POLRIGHTS) lässt keine Aussage über die Wirkung dieser Rahmenbedingungen zu. Überraschend kommt die schwach signifikant negative Wirkung der Geldmenge M2 als Indikator für den Entwicklungsstand des Finanzsystems (M2) auf das Wirtschaftswachstum. Dies widerspricht den oben erwarteten Wirkungen. Erwartet negativ, aber nicht signifikant zeigt sich der Koeffizient der Inflation (INFL) als Indikator für wirtschaftliche Instabilität.

Der Erklärungsgehalt für die Variation in der Stichprobe – gemessen am korrigierten R2 – ist höher als bei BGL [vgl. Borensztein et al. (1998), S. 124]; dies spricht für die hier vorgenommenen Untersuchungen. Im Gegensatz zu deren Untersuchung lassen sich die Ergebnisse der hier vorgenommenen SURE-Schätzungen aber nicht in den Schätzungen für die einzelnen Perioden, aus denen das untersuchte Daten-Panel besteht, nachvollziehen; in diesen ergeben sich z.T. deutlich andere Koeffizienten, welche aber insignifikant sind. Im Folgenden werden nur die SURE-Ergebnisse beschrieben.

Ein zentraler Quell des Zweifels an der Aussagekraft der ersten Ergebnisse ergibt sich aus der Insignifikanz des Koeffizienten des logarithmierten ursprünglichen PKE (LOGCGDP). In der überwältigenden Mehrheit der Arbeiten der Wachstumsempirie ist dieser Koeffizient hochsignifikant negativ. Dieser Makel allein lässt die Ergebnisse zweifelhaft erscheinen, da die Nicht-Zurechnung eines Einflusses zu dieser Variablen die Ergebnisse der anderen Variablen verzerren kann.

Die z.T. unerwarteten Ergebnisse, wie z.B. die theoretisch nicht erklärten Vorzeichen einiger Koeffizienten, werfen weitere Zweifel an der Aussagekraft der gewonnenen Ergebnisse auf. Daher wird diese Schätzungsreihe nicht nur für den am plausibelsten erscheinenden Humankapitalindikator, sondern auch für die anderen von Barro und Lee [2001] bereitgestellten Indikatoren durchgeführt.

Es kann erwartet werden, dass diese Untersuchungen nicht die Güte und Aussagekraft haben, wie die mit der durchschnittlichen Anzahl an Sekundarschuljahren der Bevölkerung im Alter von mindestens 25 Jahren (SCND1) [vgl. Box 3], aber der Tendenz nach sollten die Ergebnisse bestätigt werden. Ist dies nicht der Fall, sind diese Ergebnisse nicht robust und damit in ihrer Aussagekraft stark eingeschränkt.

Im Anhang Wachstum II wird für SCND1 (gesamte Bevölkerung, 25+) jeweils ein anderer Indikator für Humankapital eingesetzt. Auch für diese Zusammenstellungen werden die in Tabelle 5 angegebenen Schätzungen durchgeführt, wobei die anderen Variablen wie zuvor verwendet werden. Die verwendeten Humankapitalindikatoren beziehen sich dabei auf die durchschnittliche Dauer des Sekundarschulbesuchs

• der männlichen Bevölkerung, 25 und älter (SCND2),

• der gesamten Bevölkerung, 15 und älter (SCND3) sowie

• der männlichen Bevölkerung, 15 und älter (SCND4).

Die Tabellen E - G im Anhang Wachstum II weisen annähernd die gleichen Ergebnisse auf, wie Tabelle 5, d.h. die Aussagen ändern sich nicht. Die drei alternativen Humankapitalindikatoren gelangen somit erwartungsgemäß zu den gleichen Aussagen. Lediglich die Erklärungskraft der Schätzungen mit den alternativen Variablen ist nicht so hoch, wie die von SCND1 [vgl. Box 3]. In den Schätzungen mit SCND2, SCND3 und SCND4 bleibt auch der entscheidende Zweifel an den Ergebnissen erhalten: Der Koeffizient des logarithmierten ursprünglichen PKE ist zwar negativ, aber insignifikant.

Um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen, sollen daher im Folgenden einige alternative Spezifikationen der Schätzgleichung und des Datensatzes getestet werden.

5.3.4 Verwendung von zeitlichen Verzögerungen

Die nicht robusten Ergebnisse und v.a. die Insignifikanz des Indikators für das Ursprungsniveau des PKE (LOGCGDP) legen die Vermutung nahe, dass der hier gewählte Ansatz fehlspezifiziert ist. An zwei Punkten gilt es zur Korrektur anzusetzen. Zum einen ist zu prüfen, ob einzelne Variablen mit einer zeitlichen Verzögerung berücksichtigt werden sollten, d.h. z.B. zu prüfen, wie die Staatstätigkeit der Jahre 1970-74 auf das Wirtschaftswachstum der Jahre 1975-79 gewirkt hat. Zum anderen sollte versucht werden, die Periodendauer von fünf auf zehn Jahre zu erhöhen. Daraus ergibt sich zwar eine starke Reduktion der Beobachtungen und der Verzicht auf eine Periode von fünf Jahren, dafür wird aber den Variablen, die den Zustand zu Beginn einer Periode abbilden, wie z.B. LOGCGDP, mehr Zeit gegeben „zu wirken“.

Zunächst sollen zeitliche Verzögerungen (lags) in die Schätzungen eingebaut werden. Aus der Literatur zur Wachstumsempirie ergibt sich nur für einen Indikator ein klares Bild, dass er mit zeitlicher Verzögerung in die Schätzung eingehen sollte: das Ausmaß der Staatstätigkeit (GOVCONS).

Die gewonnenen Ergebnisse [vgl. Tabelle 6] scheinen eine gewisse Grundgüte zu besitzen, da LOGCGDP durchgehend hochsignifikant negativ ist. Bei den beiden im Mittelpunkt des Interesses stehenden Variablen (OECDFDI und HKFDI1) ergibt sich als robustes Ergebnis nur die positive Wirkung von OECDFDI, welches der ersten Hypothese [s.o.] widerspricht. Zwar verliert der Koeffizient beim Hinzufügen weiterer Variablen an Signifikanz, ist aber grundsätzlich robust. HKFDI1 ist dagegen nur in einer Schätzung schwach signifikant positiv, erweist sich aber in den anderen Schätzungen als nicht robust. Robuste negative Koeffizienten ergeben sich für den staatlichen Konsum (GOVCONS), die black market premium (LOGBMP) und Sub-Sahara-Afrika (SSA). Der Koeffizient für die politischen Rechte ist ebenfalls signifikant negativ, dies bestätigt die Aussage, dass mehr politische Rechte mit höherem Wachstum einhergehen.

| |Gleichungsnummer |

| |1.1 |1.2 |1.3 |1.4 |1.5 |1.6 |

|Unabhängige Variable |Koeffizient | | | | | |

| |(p-Wert) | | | | | |

|LOGCGDP |-0,023751* |-0,023644* |-0,024456* |-0,024243* |-0,022475* |-0,024476* |

| |(0,003) |(0,003) |(0,002) |(0,001) |(0,002) |(0,002) |

|SCND1 |-0,006037 |-0,006161 |-0,006126 |-0,005757 |-0,003564 |-0,004905 |

| |(0,441) |(0,433) |(0,434) |(0,420) |(0,626) |(0,538) |

|GOVCONS |-0,041156* |-0,040754* |-0,037237* |-0,032439* |-0,031889** |-0,030813** |

| |(0,001) |(0,002) |(0,005) |(0,009) |(0,011) |(0,016) |

|LOGBMP |-0,032799* |-0,033063* |-0,031013* |-0,023981*** |-0,022669*** |-0,034595*** |

| |(0,005) |(0,005) |(0,009) |(0,078) |(0,099) |(0,051) |

|OECDFDI |0,011771** | |0,015829** |0,011976*** |0,011133*** |0,015544*** |

| |(0,041) | |(0,023) |(0,069) |(0,092) |(0,053) |

|HKFDI1 | |0,011489*** |-0,031497 |-0,023477 |-0,025347 |-0,013971 |

| | |(0,051) |(0,281) |(0,424) |(0,391) |(0,684) |

|SSA | | | |-0,024384* |-0,026542* |-0,023454** |

| | | | |(0,009) |(0,006) |(0,019) |

|LA | | | |2,032025 |1,731603 |2,327235 |

| | | | |(0,185) |(0,265) |(0,162) |

|ASSASS | | | | |-1,054339 |-1,527272 |

| | | | | |(0,342) |(0,204) |

|POLRIGHTS | | | | |-0,029716* |-0,030158** |

| | | | | |(0,007) |(0,011) |

|M2 | | | | | |-0,010719 |

| | | | | | |(0,214) |

|INFL | | | | | |-0,000371 |

| | | | | | |(0,425) |

|Korr. R2 |0,288 |0,285 |0,289 |0,411 |0,411 |0,407 |

|Beobachtungen |84 |84 |84 |84 |84 |84 |

Tabelle 6: FDI und Wirtschaftswachstum pro Kopf 1975-94 (21 Länder), Humankapital mit Bezug auf die gesamte Bevölkerung im Alter von mindestens 25 Jahren (SCND1), nur die Variable GOVCONS geht mit zeitlicher Verzögerung in die Schätzung ein.

Diese Schätzungen deuten auf grundsätzlich positive Wachstumswirkungen von FDI hin und widersprechen damit den oben aufgestellten Hypothesen. Im Weiteren werden alternative Stichproben getestet, um die Robustheit dieser Ergebnisse zu ermitteln.

5.3.5 Schätzung mit zehnjährigen Perioden und zeitlicher Verzögerung

Aus den fünf fünfjährigen Perioden lassen sich nur zwei zehnjährige formen. Um möglichst aktuelle Daten zu verwenden, denen auch eine bessere Qualität unterstellt werden kann, sind dies die Zeitabschnitte 1975-84 und 1985-94. Unter Berücksichtigung der guten Ergebnisse der Schätzungen, in welche die Staatstätigkeit mit zeitlicher Verzögerung (GOVCONS) eingegangen ist [vgl. Abschnitt 5.3.4], soll dieser Indikator auch in den folgenden Schätzungen verwendet werden. Auch hier soll jeweils der Durchschnitt des staatlichen Konsums in Relation zum BIP der vorhergehenden fünf Jahre als Instrument für die zehnjährigen Perioden herangezogen werden.

Die Ergebnisse dieser Schätzserie sind in Tabelle 7 zusammengestellt. Insgesamt ergibt sich für OECDFDI ein robuster signifikanter negativer Koeffizient. Für SCND1 ist der Koeffizient auch zunächst signifikant negativ, verliert die Signifikanz aber, wenn weitere Variablen hinzugefügt werden. Für die Interaktionsvariable ergibt sich nur dann ein signifikanter Koeffizient, wenn OECDFDI nicht in die Schätzung aufgenommen wird. HKFDI1 erhält dann einen hochsignifikant negativen Koeffizienten. Dieses Ergebnis bestätigt die obige Hypothese zum Teil, da keine positiven Wachstumswirkungen festgestellt werden können. Außerdem werden hier negative Wachstumswirkungen von FDI diagnostiziert im Vergleich zu positiven im vorhergehenden Abschnitt. Insgesamt können somit keine robusten Wachstumswirkungen festgestellt werden und die Hypothesen werden bestätigt.

| |Gleichungsnummer |

| |1.1 |1.2 |1.3 |1.4 |1.5 |1.6 |

|Unabhängige Variable|Koeffizient | | | | | |

| |(p-Wert) | | | | | |

|LOGCGDP |-0,025330* |-0,026216* |-0,025919* |-0,019219** |-0,019196** |-0,017749*** |

| |(0,009) |(0,007) |(0,010) |(0,044) |(0,048) |(0,077) |

|SCND1 |-0,037903* |-0,039517* |-0,038997* |-0,028481*** |-0,028105*** |-0,021265 |

| |(0,006) |(0,004) |(0,007) |(0,078) |(0,093) |(0,260) |

|GOVCONS |0,009643 |0,007368 |0,008133 |0,008143 |0,007333 |0,004465 |

| |(0,199) |(0,325) |(0,392) |(0,354) |(0,414) |(0,663) |

|LOGBMP |-0,014336 |-0,013428 |-0,013726 |-0,012347 |-0,018081 |-0,010289 |

| |(0,636) |(0,658) |(0,655) |(0,695) |(0,579) |(0,764) |

|OECDFDI |-0,047527* | |-0,048421* |-0,035800** |-0,038380** |-0,039360** |

| |(0,001) | |(0,002) |(0,014) |(0,012) |(0,013) |

|HKFDI1 | |-0,048973* |0,308614 |1,432975 |1,260388 |0,950386 |

| | |(0,001) |(0,894) |(0,510) |(0,569) |(0,682) |

|SSA | | | |-0,286038 |-0,246917 |0,006377 |

| | | | |(0,877) |(0,896) |(0,997) |

|LA | | | |-0,026222** |-0,026753** |-0,031117** |

| | | | |(0,049) |(0,049) |(0,035) |

|ASSASS | | | | |-0,015834** |-0,020192** |

| | | | | |(0,031) |(0,033) |

|POLRIGHTS | | | | |-0,000281 |-0,000317 |

| | | | | |(0,375) |(0,346) |

|M2 | | | | | |0,001137 |

| | | | | | |(0,613) |

|INFL | | | | | |-0,000194 |

| | | | | | |(0,401) |

|Korr. R2 |0,301 |0,302 |0,285 |0,418 |0,401 |0,382 |

|Beobachtungen |50 |50 |50 |50 |50 |50 |

Tabelle 7: FDI und Wirtschaftswachstum pro Kopf 1975-94 (25 Länder/zwei Perioden), Humankapital mit Bezug auf die gesamte Bevölkerung im Alter von mindestens 25 Jahren (SCND1), nur die Variable GOVCONS geht mit zeitlicher Verzögerung in die Schätzung ein.

Die Qualität dieser Schätzung ist nur bedingt befriedigend, da das logarithmierte ursprüngliche PKE (LOGCGDP) z.T. nur mit schwach signifikanten negativen Koeffizienten geschätzt wird und nicht immer hochsignifikante Resultate erzielt. Auch von den anderen Variablen zeigen nur die Dummyvariable für Lateinamerika (LA) und die Variable der politischen Morde (ASSASS) signifikant negative Koeffizienten. Zufriedenstellend sind diese Ergebnisse nicht. Vermutlich ist die Anzahl der in die Schätzung einfließenden Länder nicht groß genug, um robuste Ergebnisse zu generieren.

5.3.6 Verkleinerung der Anzahl verwendeter Variablen

Die Güte der bisherigen Schätzungen konnte noch nicht überzeugen: In den ersten Ergebnissen von Abschnitt 5.3.3 und Anhang Wachstum II (Stichprobenumfang 105 Beobachtungen) zeigten sich für das logarithmierte ursprüngliche PKE (LOGCGDP) keine signifikanten Werte. In den Schätzungen für zehnjährige Perioden in Abschnitt 5.3.5 (Stichprobenumfang 50 Beobachtungen) ergaben sich zwar signifikante, aber in ihrem Signifikanzniveau nicht robuste Ergebnisse für LOGCGDP. Die besten Ergebnisse zeigten sich bisher in Abschnitt 5.3.4 (Stichprobenumfang: 84 Beobachtungen), wo die staatliche Tätigkeit mit zeitlicher Verzögerung in die Schätzung einging (GOVCONS). Dort waren die Koeffizienten für LOGCGDP durchgehend hochsignifikant negativ. Robuste Ergebnisse für die im Mittelpunkt des Interesses stehenden Variablen, die sich auf Humankapital und Direktinvestitionen beziehen (SCND1, OECDFDI und HKFDI1), haben sich dort nur für OECDFDI gewinnen lassen, welches durchgehend positive Koeffizienten aufwies. Zweifel an der Robustheit dieser Ergebnisse ergeben sich allerdings aus den Schätzungen für zehnjährige Perioden, in denen negative Wachstumswirkungen von FDI festgestellt wurden.

Um doch noch robuste Ergebnisse für einen breiten Querschnitt von Ländern mit den oben spezifizierten Schätzgleichungen zu erzielen, muss die Anzahl der Beobachtungen erhöht werden. Um dies zu erreichen, gibt es mehrere Möglichkeiten:

• Es können Variablen vernachlässigt werden, die bisher die Länderauswahl eingeschränkt haben.

• Eine der fünf fünfjährigen Perioden wird vernachlässigt. Auf diese Weise entfallen zwar die Beobachtungen aus dieser Periode, aber die der anderen Perioden können sich erhöhen, da Lücken in den Variablen der entfallenen Periode nicht mehr zu Beobachtungsverlusten in den anderen Perioden führen müssen. Hier ist zu prüfen, welcher Effekt überwiegt.

Es soll nun versucht werden, die Anzahl der Beobachtungen dadurch zu erhöhen, dass die für wirtschaftliche Instabilität stehende Variable Inflation (INFL) bei der Länderwahl nicht mehr beachtet wird. Lücken in den Daten dieses Indikators führen damit nicht mehr zum Verlust von Ländern für die Stichprobe, aber natürlich kann auch der Einfluss dieser Variable auf das Wirtschaftswachstum nicht mehr gemessen werden. Dieser Verlust ist aber nicht groß, da INFL bisher nur in zwei Schätzungen [vgl. Tabelle 6 und Tabelle 7] überhaupt schwach signifikante Ergebnisse aufwies. In allen Schätzungen führte die Aufnahme von INFL dagegen zu einer Reduktion der Erklärungskraft, gemessen durch das korrigierte R2. Des Weiteren soll geprüft werden, ob sich durch Streichung einer Periode die Zahl der Beobachtungen erhöhen lässt.

Nach der Streichung der Variable INFL aus dem Datensatz ergibt sich folgendes Bild: Bei Einbezug von allen fünf Perioden verbleiben 26 Länder in der Stichprobe, d.h. eine daraus resultierende Schätzung hätte 130 Beobachtungen. Würde die erste Periode gestrichen, bei der die Datenqualität als am schlechtesten vermutet werden kann, verblieben 35 Länder in der Stichprobe, d.h. eine daraus resultierende Schätzung würde 140 Beobachtungen umfassen. Da die Preisgabe einer Periode die Zahl der Beobachtungen erhöht, soll mit diesem Datensatz weitergearbeitet werden. Die Variable GOVCONS geht zunächst ohne zeitliche Verzögerung in die Schätzungen ein.

Die Auswertung der somit verbleibenden vier Perioden mit je 35 Ländern, in denen alle Variablen jeweils den kontemporären Wert annehmen, bietet folgende Ergebnisse [vgl. Tabelle 8]:

Die grundsätzliche Güte der Schätzung wird durch das hochsignifikante Ergebnis für das logarithmierte ursprüngliche PKE (LOGCGDP) dokumentiert. Der negative Koeffizient von LOGCGDP weist das höchste Signifikanzniveau auf und damit die höchste Qualität der Schätzung, die in dieser Untersuchungsreihe bisher erreicht wurde.

Die Direktinvestitionsvariable (OECDFDI) und die Interaktionsvariable zwischen FDI und Humankapital (HKFDI1) weisen, wenn sie ohne die jeweils andere Variable in die Schätzung eingehen, einen hochsignifikant positiven Koeffizienten auf (Schätzungen 1 und 2). Gehen sie beide in die Schätzung ein (Schätzung 3 bis 6), so ist der Koeffizient von OECDFDI positiv (signifikant bzw. schwach signifikant) und der von HKFDI1 negativ (hochsignifikant bzw. signifikant). Das Ergebnis weist also genau die entgegengesetzten Vorzeichen bei den besonders interessierenden Variablen auf als bei BGL ermittelt. Anders als bei diesen Autoren ist auch in diesen Schätzungen die Humankapitalvariable (SCND1) hochsignifikant negativ. Dieses Ergebnis, das sich durch die meisten Schätzungen dieser Reihe zieht, bleibt unerklärt, es widerspricht allerdings auch den aufgestellten Hypothesen.

Die weiteren Kontrollvariablen verhalten sich fast alle wie erwartet und weisen auch beachtliche Signifikanzniveaus auf: Die staatliche Tätigkeit (GOVCONS) weist einen hochsignifikant negativen Koeffizienten auf. Das Maß für die Wechselkursverzerrungen (LOGBMP) weist durchgehend einen negativen Koeffizienten auf, bleibt aber insignifikant, wenn auch z.T. nur knapp. Die Dummyvariable für Sub-Sahara-Afrika (SSA) ist negativ, aber nur schwach signifikant oder knapp nicht signifikant. Entgegen den Erwartungen ist der Koeffizient für Lateinamerika (LA) schwach signifikant positiv und hat einen hohen absoluten Wert. Der Koeffizient für die Variable zur politischen Unruhe (ASSASS) ist zwar negativ, aber nicht signifikant. Dagegen ist der Indikator für die politischen Rechte (POLRIGHTS) hochsignifikant negativ, d.h. mehr politische Rechte führen zu höherem Wachstum. Auch die Variable für die finanzielle Infrastruktur (M2) weist einen hochsignifikant negativen Koeffizienten auf. Dieses Ergebnis ist theoretisch nicht erklärt.

| |Gleichungsnummer |

| |1.1 |1.2 |1.3 |1.4 |1.5 |1.6 |

|Unabhängige Variable |Koeffizient | | | | | |

| |(p-Wert) | | | | | |

|LOGCGDP |-0,026351* |-0,026378* |-0,026270* |-0,024269* |-0,024223* |-0,024567* |

| |(0,000) |(0,000) |(0,000) |(0,000) |(0,000) |(0,000) |

|SCND1 |-0,022692* |-0,023027* |-0,022460* |-0,019014* |-0,019620* |-0,020122* |

| |(0,001) |(0,001) |(0,001) |(0,002) |(0,001) |(0,002) |

|GOVCONS |-0,042553* |-0,042051* |-0,041841* |-0,036257* |-0,034496* |-0,034743* |

| |(0,000) |(0,000) |(0,000) |(0,001) |(0,001) |(0,001) |

|LOGBMP |-0,014576 |-0,015568 |-0,013261 |-0,013599 |-0,018553 |-0,019932 |

| |(0,161) |(0,136) |(0,208) |(0,257) |(0,130) |(0,126) |

|OECDFDI |0,020133* | |0,021699* |0,012520** |0,011726** |0,012118** |

| |(0,000) | |(0,000) |(0,018) |(0,026) |(0,026) |

|HKFDI1 | |0,019327* |-0,05482*** |-0,05301*** |-0,059973** |-0,062687** |

| | |(0,000) |(0,063) |(0,064) |(0,037) |(0,037) |

|SSA | | | |-0,01384*** |-0,01212*** |-0,011758 |

| | | | |(0,059) |(0,098) |(0,114) |

|LA | | | |1,603479*** |1,626493*** |1,654067*** |

| | | | |(0,074) |(0,068) |(0,066) |

|ASSASS | | | | |-0,757639 |-0,783157 |

| | | | | |(0,261) |(0,250) |

|POLRIGHTS | | | | |-0,031417* |-0,030208* |

| | | | | |(0,000) |(0,000) |

|M2 | | | | | |-0,022371* |

| | | | | | |(0,001) |

|Korr. R2 |0,217 |0,210 |0,215 |0,373 |0,382 |0,377 |

|Beobachtungen |140 |140 |140 |140 |140 |140 |

Tabelle 8: FDI und Wirtschaftswachstum pro Kopf 1975-94 (35 Länder/vier Perioden), Humankapital mit Bezug auf die gesamte Bevölkerung im Alter von mindestens 25 Jahren (SCND1), alle Variablen gehen mit ihren kontemporären Werten in die Schätzung ein.

In Abschnitt 5.3.4 hatte sich gezeigt, dass sich durch die Berücksichtigung der staatlichen Tätigkeit mit zeitlicher Verzögerung (lag) eine Verbesserung der Ergebnisqualität erreichen lässt. Daher sollen die zuletzt vorgenommenen Schätzungen mit verzögerten Werten für GOVCONS wiederholt werden. Tabelle 9 zeigt die Ergebnisse dieser Schätzungen. Durch die Modifikation der Variablen für die staatliche Tätigkeit, insbesondere den Rückgriff auf die mit mehr Lücken behafteten Daten von 1970-74, ergibt sich, dass die Stichprobe auf 29 Länder schrumpft und damit nur 116 Beobachtungen zur Verfügung stehen.

| |Gleichungsnummer |

| |1.1 |1.2 |1.3 |1.4 |1.5 |1.6 |

|Unabhängige Variable |Koeffizient | | | | | |

| |(p-Wert) | | | | | |

|LOGCGDP |-0,024147* |-0,024094* |-0,023727* |-0,024069* |-0,023031* |-0,021927* |

| |(0,000) |(0,000) |(0,000) |(0,000) |(0,000) |(0,001) |

|SCND1 |-0,014684** |-0,014596** |-0,014408** |-0,013392** |-0,012392** |-0,011003*** |

| |(0,031) |(0,032) |(0,035) |(0,031) |(0,049) |(0,091) |

|GOVCONS |-0,055245* |-0,056023* |-0,056878* |-0,043824* |-0,042361* |-0,041915* |

| |(0,000) |(0,000) |(0,000) |(0,000) |(0,000) |(0,000) |

|LOGBMP |-0,026655* |-0,027229* |-0,029291* |-0,026439** |-0,026623** |-0,022418*** |

| |(0,009) |(0,007) |(0,006) |(0,029) |(0,031) |(0,091) |

|OECDFDI |0,011158** | |0,008347 |0,008473 |0,008227 |0,006685 |

| |(0,038) | |(0,173) |(0,134) |(0,150) |(0,265) |

|HKFDI1 | |0,010403*** |-0,012808 |-0,014446 |-0,018509 |-0,011092 |

| | |(0,054) |(0,633) |(0,585) |(0,490) |(0,695) |

|SSA | | | |-0,029724* |-0,030011* |-0,031326* |

| | | | |(0,000) |(0,000) |(0,000) |

|LA | | | |0,918783 |0,830405 |0,705592 |

| | | | |(0,414) |(0,463) |(0,537) |

|ASSASS | | | | |-0,293799 |-0,194074 |

| | | | | |(0,717) |(0,813) |

|POLRIGHTS | | | | |-0,033228* |-0,035735* |

| | | | | |(0,000) |(0,000) |

|M2 | | | | | |-0,019859* |

| | | | | | |(0,003) |

|Korr. R2 |0,289 |0,292 |0,288 |0,419 |0,415 |0,414 |

|Beobachtungen |116 |116 |116 |116 |116 |116 |

Tabelle 9: FDI und Wirtschaftswachstum pro Kopf 1975-94 (29 Länder/vier Perioden), Humankapital mit Bezug auf die gesamte Bevölkerung im Alter von mindestens 25 Jahren (SCND1), alle Variablen gehen mit ihren kontemporären Werten in die Schätzung ein. Nur GOVCONS bezieht sich jeweils auf die vorhergehenden fünf Jahre.

Für das ursprüngliche PKE zeigen sich durchgehend hochsignifikante negative Koeffizienten. Die Humankapitalvariable zeigt ebenfalls negative Koeffizienten, diese sind signifikant (Schätzungen 1-5) bzw. schwach signifikant (Schät-zung 6). Außerdem erhält die staatliche Tätigkeit (GOVCONS) einen hoch-signifikant negativen Koeffizienten. Das gleiche gilt für die black market premium (LOGBMP).

Für die beiden im Zentrum der Untersuchung stehenden Variablen OECDFDI und HKFDI1 ergeben sich nur, wenn sie einzeln in die Schätzung eingehen, signifikant positive Werte (Schätzungen 1 und 2). Gehen sie gemeinsam ein, bleiben beide insignifikant. Die Robustheit der Ergebnisse aus Tabelle 8 ist damit hier nicht mehr gegeben. Dies bestätigt die Hypothesen. Ob dies an dem Verlust einiger Beobachtungen liegt, so dass die Datenmenge nicht mehr ausreicht, um Aussagen zu treffen, oder ob der Indikator für staatliche Tätigkeit, wenn er mit zeitlicher Verzögerung in die Schätzung eingeht, die Ergebnisse negativ beeinflusst, ist unklar.

Bei den Dummyvariablen ist nur diejenige für Sub-Sahara-Afrika hochsignifikant negativ, die für Lateinamerika bleibt insignifikant. Ebenfalls insignifikant bleibt der Indikator für politisch motivierte Morde (ASSASS). Hochsignifikant negativ ist der Koeffizient für politische Rechte, d.h. mehr politische Rechte führen zu mehr Wachstum. Auch der Koeffizient für den Indikator für finanzielle Entwicklung (M2) ist hochsignifikant negativ, warum ist aber theoretisch nicht zu erklären.

Von den Vorzeichen her stimmen die Ergebnisse der Tabellen 8 und 9 überein. In Tabelle 8 (mit GOVCONS und 35 Ländern) weisen die Variablen SCND1, OECDFDI und HKFDI1 aber deutlich höhere Signifikanzniveaus auf. In Tabelle 9 (GOVCONS und 29 Länder) ist dagegen der Indikator für die black market premium (LOGBMP) deutlich signifikanter. Diese Ergebnisse bestätigen die aufgestellten Hypothesen zum einen durch das Fehlen von robusten signifikanten Ergebnissen von OECDFDI und HKFDI1, und zum anderen indem sie die Aussagekraft der Ergebnisse der vorangehenden Tabellen schwächt, da eine kleine Veränderung der Stichprobe schon zu einer starken Veränderung der Signifikanz der relevanten Variablen führt.

Im Weiteren soll versucht werden, durch eine genauere Einteilung der Länder nach bestimmten Merkmalen ein differenziertes Bild der Auswirkungen von FDI zu zeichnen.

5.3.7 Schätzungen differenziert nach Ländergruppen

Um evtl. vorhandene Einflüsse einzelner Ländergruppen herauszufiltern bzw. die Einflüsse der hier im Mittelpunkt des Interesses stehenden Variablen OECDFDI und HKFDI1 in einzelnen Ländergruppen zu bestimmen, werden im Folgenden Untersuchungen durchgeführt, in denen zunächst – genauer als in den bisherigen Untersuchungen – nach Regionen differenziert wird, danach Ländergruppen nach der Einkommenshöhe gebildet und schließlich die Länder nach ihren Exportgüterschwerpunkten gruppiert werden.

Die Gruppen von Ländern werden mit Hilfe von Dummyvariablen differenziert. Tabelle 10 gibt einen Überblick über die hier und in den weiteren Untersuchungsansätzen dieser Arbeit verwendeten Dummyvariablen. Die Zuordnung einzelner Länder zu den Gruppen folgt der Einteilung der Weltbank [vgl. Global Development Network (2002)]. Einen Überblick über die mit diesen Dummyvariablen gebildeten Interaktionsvariablen gibt Anhang Wachstum IV.

|LA |Regionale Dummyvariable für Länder Lateinamerikas und der Karibik |

|SSA |Regionale Dummyvariable für Länder Sub-Sahara-Afrikas |

|AS |Regionale Dummyvariable für Länder der Region Ostasien und Pazifik |

|SOUTHA |Regionale Dummyvariable für Länder Südasiens |

|MENA |Regionale Dummyvariable für Länder des Mittleren Ostens und Nordafrika |

|LOW |Dummyvariable für Niedrigeinkommensländer, die durch ein PKE ≤ 745 US-$ gekennzeichnet sind |

|LOWMID |Dummyvariable für Länder mit mittlerem Einkommen – Untere Einkommenskategorie, die durch 746 ≤ PKE ≤ 2.975 US-$ |

| |gekennzeichnet sind |

|HIGH |Dummyvariable für Hocheinkommensländer, die durch ein PKE ≥ 9.206 US-$ gekennzeichnet sind |

|MANU |Dummyvariable für Länder mit einem Anteil von Gütern des Verarbeitenden Gewerbes an den Exporten von über 50 |

| |Prozent |

|NONFUEL |Dummyvariable für Länder mit einem Anteil von Primärgütern (ohne Brennstoffe) an den Exporten von über 50 Prozent|

|FUEL |Dummyvariable für Länder mit einem Anteil von Brennstoffen an den Exporten von über 50 Prozent |

|SERVICE |Dummyvariable für Länder mit einem Anteil von Dienstleistungen an den Exporten von über 50 Prozent |

Tabelle 10: Dummyvariablen zur Differenzierung von Ländergruppen.

Schätzergebnisse und Interpretation für regionale Ländergruppen:

Die regionale Gruppenbildung folgt den Angaben der Weltbank und differenziert nach den folgenden Gruppen:

• Sub-Sahara-Afrika (SSA) (4 Länder: Ghana, Kenia, Malawi, Simbabwe),

• Mittlerer Osten und Nordafrika (MENA) (5 Länder: Algerien, Ägypten, Israel, Jordanien, Tunesien),

• Ostasien und Pazifik (AS) (5 Länder: Indonesien, Südkorea, Malaysia, Philippinen, Thailand),

• Südasien (SOUTHA) (3 Länder: Indien, Pakistan, Sri Lanka) sowie

• Lateinamerika und Karibik (12 Länder: Bolivien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Costa Rica, Ekuador, Guatemala, Jamaika, Paraguay, Peru, Uruguay, Venezuela).

Die Länder Lateinamerikas und der Karibik werden als Referenzgruppe verwendet. Die Ergebnisse der nach Regionen differenzierten Untersuchungen sind in Tabelle 11 abgebildet.

In den Schätzungen erweisen sich die Kontrollvariablen im Wesentlichen als signifikant: LOGCGDP ist durchgängig hochsignifikant negativ, d.h. je höher das PKE eines Landes ist, desto langsamer wächst es. SCND1 ist signifikant (Schätzungen 1-5) bzw. schwach signifikant (Schätzung 6) negativ, d.h. eine höhere durchschnittliche Bildung geht mit geringerem Wachstum einher. Schon in den meisten vorherigen Schätzungen dieses Ansatzes hatte sich dieses theoretisch ungeklärte Ergebnis gezeigt. GOVCONS ist hochsignifikant negativ, d.h. bei höherer staatlicher Tätigkeit wächst ein Land langsamer. LOGBMP ist ebenfalls signifikant negativ (unterschiedliche Signifikanzniveaus bzw. in Schätzung 6 gerade nicht mehr signifikant), d.h. je verzerrter der Wechselkurs eines Landes ist, desto geringer ist dessen Wachstum. Zudem ist in Schätzung 6 ASSASS hochsignifikant negativ, was auf geringeres Wachstum in Ländern mit politischen Unruhen hindeutet.

| |Gleichungsnummer |

| |1 |2 |3 |4 |5 |6 |

|Unabhängige Variable |Koeffizient | | | | | |

| |(p-Wert) | | | | | |

|LOGCGDP |-0,023832* |-0,025767* |-0,026695* |-0,025658* |-0,025499* |-0,024412* |

| |(0,000) |(0,000) |(0,000) |(0,000) |(0,000) |(0,000) |

|SCND1 |-0,013168** |-0,014566** |-0,014864** |-0,013821** |-0,015194** |-0,012605*** |

| |(0,033) |(0,020) |(0,023) |(0,031) |(0,026) |(0,063) |

|GOVCONS |-0,040563* |-0,037434* |-0,040014* |-0,040460* |-0,046587* |-0,038998* |

| |(0,000) |(0,001) |(0,001) |(0,001) |(0,000) |(0,001) |

|LOGBMP |-0,031450** |-0,030869** |-0,034094* |-0,030180*** |-0,030460* |-0,028618 |

| |(0,022) |(0,028) |(0,003) |(0,054) |(0,007) |(0,102) |

|OECDFDI |0,007493 |0,005701 |0,011323*** |0,004898 |0,007521 |0,003881 |

| |(0,208) |(0,375) |(0,060) |(0,468) |(0,223) |(0,576) |

|HKFDI1 |-0,008769 |-0,010536 |-0,018548 |-0,011084 |-0,024872 |-0,012155 |

| |(0,766) |(0,727) |(0,498) |(0,723) |(0,392) |(0,706) |

|ASSASS | | | | | |-0,027753* |

| | | | | | |(0,004) |

|POLRIGHTS | | | | | |-0,977553 |

| | | | | | |(0,633) |

|M2 | | | | | |0,793985 |

| | | | | | |(0,574) |

|SSA |-0,027718* |-0,024256* | |-0,027087* | |-0,000445 |

| |(0,001) |(0,007) | |(0,003) | |(0,322) |

|MENA |0,394804 |-0,552606 | |-0,837463 | |0,000614 |

| |(0,731) |(0,697) | |(0,671) | |(0,729) |

|AS |-0,038538 |0,505310 | |0,722907 | |-0,000026 |

| |(0,962) |(0,602) | |(0,593) | |(0,892) |

|SOUTHA |-0,016077 |-0,022902 | |-0,022695 | |-0,025017 |

| |(0,123) |(0,114) | |(0,128) | |(0,103) |

|SSAFDI | |0,010478 |-0,025272* |0,010862 | |0,009340 |

| | |(0,164) |(0,006) |(0,153) | |(0,407) |

|MENAFDI | |0,025240* |0,119969 |0,024468** | |0,024155** |

| | |(0,009) |(0,933) |(0,014) | |(0,018) |

|ASFDI | |0,003445 |-0,098769 |0,005809 | |0,006150 |

| | |(0,728) |(0,920) |(0,580) | |(0,587) |

|SOUTHAFDI | |1,325004 |-1,722387 |0,714400 | |0,840148 |

| | |(0,456) |(0,179) |(0,775) | |(0,747) |

|SSAHKFDI1 | | | |4,443103 |-0,030934* |4,066529 |

| | | | |(0,378) |(0,001) |(0,431) |

|MENAHKFDI1 | | | |1,646409 |-0,654674 |1,547080 |

| | | | |(0,530) |(0,566) |(0,568) |

|ASHKFDI1 | | | |-15,364470 |0,484422 |-16,066102 |

| | | | |(0,476) |(0,562) |(0,465) |

|SOUTHAHKFDI1 | | | |2,010043 |-0,827554 |1,856102 |

| | | | |(0,394) |(0,615) |(0,451) |

|Korr. R2 |0,429 |0,427 |0,365 |0,421 |0,306 |0,409 |

|Beobachtungen |116 |116 |116 |116 |116 |116 |

|F-Test |7,652* |6,038* |6,088* |4,982* |4,906* |4,316* |

Tabelle 11: FDI und Wirtschaftswachstum pro Kopf 1975-94 (29 Länder/vier Perioden), zusätzlich zu den Angaben von Tabelle 9 werden verschiedene regionale Ländergruppen untersucht.

In Bezug auf die regionale Differenzierung fallen folgende Ergebnisse auf: Der hochsignifikant negative Koeffizient von SSA (Schätzungen 1, 2 und 4) bringt zum Ausdruck, dass Sub-Sahara-Afrika langsamer gewachsen ist als die Referenzgruppe (Lateinamerika und die Karibik). Dieser Einfluss dürfte auch für den hochsignifikant negativen Einfluss von FDI in dieser Region (SSAFDI  0) festgestellt, dem bei den anderen regionalen FDI-Variablen keine signifikante Abweichungen (außer für Sub-Sahara-Afrika) gegenüberstehen. Dies deutet grundsätzlich positive Effekte von FDI auf das Wirtschaftswachstum an. Werden einfache regionale Dummyvariablen und nach Regionen differenzierte Einflüsse von FDI erfasst, zeigen sich für FDI in den Ländern des Mittleren Ostens und Nordafrikas hochsignifikante bzw. signifikante positive Auswirkungen [vgl. Schätzungen 2, 4 und 6] auf das Wachstum (MENAFDI > 0).

Für die nach Regionen differenzierten Interaktionsvariablen von FDI und Humankapial ergibt sich nur ein signifikantes Ergebnis: In Schätzung 5 ist der Koeffizient für Sub-Sahara-Afrika (SSAHKFDI1) hochsignifikant negativ. Auch dieses Ergebnis dürfte auf die sehr negative Wachstumserfahrung der Region im Betrachtungszeitraum zurückzuführen sein. Insgesamt werden die wachstumsförderlichen Effekte von Humankapital in Kombination mit FDI von diesen Schätzungen nicht bestätigt.

Die hier vorgenommene stärkere regionale Differenzierung verweist auf das langsamere Wachstum Sub-Sahara-Afrikas und zeigt zudem positive Effekte von FDI im Mittleren Osten und Nordafrika auf. Schätzung 3 deutet sogar auf einen grundsätzlich positiven Effekt von FDI auf das Wirtschaftswachstum hin, der aber nicht robust ist. Die Schätzungen bestätigen somit die beiden Hypothesen: Es sind keine robusten positiven Wachstumswirkungen von FDI oder von einem gemeinsamen Auftreten von Humankapital und FDI festzustellen.

Schätzergebnisse und Interpretation für Einkommens-Ländergruppen:

Eine zweite Möglichkeit der Differenzierung nach Ländergruppen besteht in einer Aufteilung der Stichprobe nach Einkommenshöhe. Da das PKE der wesentliche Indikator für den wirtschaftlichen Entwicklungsstand eines Landes ist [vgl. Abschnitt 2.2], kann auf diese Weise untersucht werden, ob Länder mit niedrigem oder Länder mit höherem Entwicklungsstand von FDI profitieren bzw. welche Länder stärkere Auswirkungen spüren.

Die Weltbank unterscheidet bei ihrer Klassifizierung von Ländern nach dem PKE folgende Ländergruppen (Beobachtungen für diese Stichprobe), die nach der Weltbank Atlas-Methode bestimmt werden:[96]

• Low-income countries / Länder mit niedrigem Einkommen (Niedrig-einkommensländer) (LOW): PKE ≤ 745 US-$ (7 Länder: Ghana, Indien, Indonesien, Kenia, Malawi, Pakistan, Simbabwe),

• Lower-middle-income countries / Länder mit mittlerem Einkommen – Untere Einkommenskategorie (LOWMID): 746 ≤ PKE ≤ 2.975 (15 Länder: Algerien, Bolivien, Kolumbien, Costa Rica, Ekuador, Ägypten, Guatemala, Jamaika, Jordanien, Paraguay, Peru, Philippinen, Sri Lanka, Thailand, Tunesien),

• Upper-middle-income countries / Länder mit mittlerem Einkommen – Obere Einkommenskategorie: 2.976 US-$ ≤ PKE ≤ 9.205 (6 Länder: Brasilien, Chile, Südkorea, Malaysia, Uruguay, Venezuela),

• High-income countries / Länder mit hohem Einkommen (Hochein-kommensländer): PKE ≥ 9.206 US-$ (1 Land: Israel) und

• High-income OECD countries / OECD-Länder.

Da die OECD-Länder in den Untersuchungen dieser Arbeit nicht betrachtet werden, verbleiben vier Ländergruppen. Als Referenzgruppe werden die Länder mittleren Einkommens – Obere Einkommenskategorie zusammen mit den Hocheinkommensländern gewählt. Für die anderen beiden Gruppen werden entsprechende Dummyvariablen und Interaktionsvariablen mit diesen Dummies verwendet.

Die Ergebnisse der nach Einkommens-Ländergruppen differenzierten Schätzungen sind in Tabelle 12 wiedergegeben.

Die Ergebnisse der Kontrollvariablen sind hier den Ergebnissen der Schätzungen zu regional differenzierten Auswirkungen von FDI sehr ähnlich: LOGCGDP ist durchgängig hochsignifikant negativ, SCND1 weist abweichend von den regionalen Schätzungen nicht durchgängig signifikante Werte auf, sondern ist nur in den Schätzungen 3 und 5 signifikant negativ. GOVCONS ist dagegen durchgängig hochsignifikant negativ, ebenso wie LOGBMP. Auch ASSASS ist in der Schätzung, in der es enthalten ist, hochsignifikant negativ.

Bei den Einkommens-Ländergruppen ergeben sich für die Niedrigeinkommensländer (LOW) hochsignifikant negative Werte (Schätzungen 1, 2, 4), d.h. diese Länder wuchsen deutlich langsamer als die Länder der Referenzgruppe. Dieses Ergebnis bestätigt die Resultate der vorhergehenden, auf Regionen abstellenden Untersuchung: Von den sieben Niedrigeinkommensländern liegen vier in Sub-Sahara-Afrika und drei in Südasien. Sub-Sahara-Afrika zeigte in der vorhergehenden Untersuchung hochsignifikant negative Ergebnisse und Südasien verfehlte für einen negativen Koeffizienten nur knapp das 10-Prozent-Signifikanzniveau. Das geringere Wachstum dürfte dabei zu einem großen Teil auf politische Instabilität zurückzuführen sein, da LOW seine Signifikanz verliert, wenn ASSASS in Schätzung 6 in die Untersuchung einbezogen wird und ein hochsignifikant negatives Ergebnis liefert. Der negative Effekt der Niedrigeinkommensländer-Dummyvariablen macht sich auch in den Interaktionsvariablen mit FDI bemerkbar, so dass LOWFDI (Schätzung 3) und LOWHKFDI1 (Schätzung 5) hochsignifikant negative Ergebnisse aufweisen, wenn LOW unberücksichtigt bleibt. Werden die einfachen Einkommensdummies in die Schätzungen aufgenommen, ergeben sich keine negativen Resultate für FDI. Gehen alle Dummy- und Interaktionsvariablen in die Schätzung mit ein (Schätzungen 4 und 6), zeigt sich für LOW ein negativer Einfluss, während LOWFDI signifikant (Schätzung 4) oder gerade nicht mehr signifikant (Schätzung 6) positiv ist. Für LOWHKFDI1 ergeben sich dagegen hochsignifikant negative Werte. Dies widerspricht den meisten in der empirischen Literatur bisher ermittelten Ergebnissen. Der negative Einfluss von Humankapital (SCND1) in den Schätzungen dürfte auf die Niedrigeinkommensländer zurückzuführen sein. In den Schätzungen, in die LOW, LOWFDI und LOWHKFDI1 eingehen, verliert SCND1 seine Signifikanz.

Für die Gruppe der Länder mittleren Einkommens – Untere Einkommens-kategorie ergeben sich zudem negative Auswirkungen von FDI (Schätzung 2 signifikant, Schätzungen 4 und 6 hochsignifikant).

| |Gleichungsnummer |

| |1 |2 |3 |4 |5 |6 |

|Unabhängige Variable |Koeffizient | | | | | |

| |(p-Wert) | | | | | |

|LOGCGDP |-0,019547* |-0,019978* |-0,023249* |-0,022022* |-0,023654* |-0,023713* |

| |(0,003) |(0,003) |(0,001) |(0,001) |(0,000) |(0,000) |

|SCND1 |-0,006932 |-0,008439 |-0,014543** |-0,008689 |-0,015718** |-0,011237 |

| |(0,317) |(0,239) |(0,030) |(0,212) |(0,020) |(0,110) |

|GOVCONS |-0,045145* |-0,045507* |-0,052099* |-0,042492* |-0,054504* |-0,039276* |

| |(0,000) |(0,000) |(0,000) |(0,000) |(0,000) |(0,001) |

|LOGBMP |-0,069987* |-0,067420* |-0,040745* |-0,073904* |-0,032312* |-0,081943* |

| |(0,000) |(0,000) |(0,001) |(0,000) |(0,003) |(0,000) |

|OECDFDI |0,000841 |0,002824 |0,010461*** |0,001103 |0,007574 |0,001836 |

| |(0,895) |(0,695) |(0,097) |(0,878) |(0,209) |(0,799) |

|HKFDI1 |-0,011297 |-0,010228 |-0,008942 |-0,014333 |-0,015184 |-0,041225 |

| |(0,663) |(0,696) |(0,736) |(0,574) |(0,564) |(0,135) |

|ASSASS | | | | | |-0,027522* |

| | | | | | |(0,002) |

|POLRIGHTS | | | | | |-3,172828 |

| | | | | | |(0,283) |

|M2 | | | | | |2,673910 |

| | | | | | |(0,144) |

|LOW |-0,038626* |-0,037031* | |-0,032837* | |-0,000434 |

| |(0,000) |(0,000) | |(0,000) | |(0,343) |

|LOWMID |-1,453678 |-0,455527 | |-3,307788 | |-0,001676 |

| |(0,199) |(0,828) | |(0,265) | |(0,308) |

|LOWFDI | |0,958641 |-0,036109* |2,871394 | |0,000294** |

| | |(0,421) |(0,000) |(0,116) | |(0,036) |

|LOWMIDFDI | |-0,036213** |1,871458 |-0,045005* | |-0,048076* |

| | |(0,031) |(0,300) |(0,007) | |(0,004) |

|LOWHKFDI1 | | | |-0,024818** |-0,036629* |-0,026917* |

| | | | |(0,017) |(0,000) |(0,010) |

|LOWMIDHKFDI1 | | | |0,566517 |-0,900165 |0,647528 |

| | | | |(0,849) |(0,432) |(0,827) |

|Korr. R2 |0,342 |0,335 |0,317 |0,375 |0,318 |0,400 |

|Beobachtungen |116 |116 |116 |116 |116 |116 |

|F-Test |6,424* |5,448* |5,848* |5,601 |5,883* |5,253* |

Tabelle 12 : FDI und Wirtschaftswachstum pro Kopf 1975-94 (29 Länder/vier Perioden), zusätzlich zu den Angaben von Tabelle 9 werden verschiedene Einkommens-Ländergruppen untersucht.

Die Ergebnisse der nach Einkommen differenzierten Ländergruppen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Auswirkungen von FDI in den Niedrigeinkommensländern lassen sich nicht präzise bestimmen, da diese Werte von der Dummyvariablen für diese Ländergruppe dominiert werden. In Schätzung 6, in welche die meisten Variablen eingehen, zeigen sich positive Effekte von FDI und negative des Zusammenspiels von FDI und Humankapital. Auf negative Wirkungen deuten allerdings die Resultate für die Länder mittleren Einkommens – Untere Einkommenskategorie hin, während sich für die Ländergruppen mit höherem Einkommen keine Auswirkungen zeigen. Insgesamt bestätigen diese Ergebnisse die aufgestellten Hypothesen; nur für einzelne Ländergruppen ergeben sich signifikante Ergebnisse.

Schätzergebnisse und Interpretation für nach Exportgüterschwerpunkten differenzierte Ländergruppen:

Schließlich soll noch eine Einteilung der Länder nach ihren Exportschwerpunkten vorgenommen werden. Da FDI überdurchschnittlich stark exportorientiert sind, kann von besonders starkem Engagement von TNU in den Wirtschaftszweigen ausgegangen werden, in denen ein Land seinen außenwirtschaftlichen Schwerpunkt hat. Diese Vorgehensweise ist zwar nur eine indirekte und sehr grobe, da aber Daten über die sektorelle Distribution von FDI in einzelnen Ländern nicht in ausreichendem Maße verfügbar sind, ist dies eine akzeptable Second-best-Lösung.

Die Weltbank unterscheidet in ihrer Einteilung die folgenden fünf Schwerpunkte. Voraussetzung zur Zuordnung zu den ersten vier ist ein Anteil der entsprechenden Güterkategorie an den Gesamtexporten des Landes von über 50 Prozent. Weist ein Land keine dominante Gütergruppe auf, wird seine Exportstruktur als diversifiziert angesehen. Die Ländereinteilung der Weltbank wird hier übernommen [vgl. Global Development Network (2002)]:

• Verarbeitendes Gewerbe (MANU) (2 Länder: Israel, Südkorea),

• Primärgüter (ohne Brennstoffe) (NONFUEL) (8 Länder: Bolivien, Chile, Ghana, Guatemala, Malawi, Paraguay, Peru, Simbabwe),

• Brennstoffe (FUEL) (2 Länder: Algerien, Venezuela),

• Dienstleistungen (SERVICE) (3 Länder: Ägypten, Jamaika, Jordanien) und

• diversifizierte Exportstruktur (14 Länder: Brasilien, Kolumbien, Costa Rica, Ekuador, Indien, Indonesien, Kenia, Malaysia, Pakistan, Philippinen, Sri Lanka, Thailand, Tunesien, Uruguay).

Die Beobachtungen für die Länder mit diversifizierter Exportstruktur werden im Folgenden als Referenzgruppe verwendet. Für diese Einteilung mussten die Schätzungen 4 und 6 entfallen, da sie technisch nicht durchführbar waren. Dies dürfte auf ein zu hohes Maß an Korrelation zwischen den Variablen für die regionalen Auswirkungen von FDI und den regionalen Interaktionsvariablen für FDI und Humankapital zurückzuführen sein. Die Ergebnisse sind in Tabelle 13 abgebildet.

Für die Kontrollvariablen ergeben sich die bekannten Ergebnisse: LOGCGDP ist durchgängig hochsignifikant negativ. SCND1 ist schwach signifikant (Schätzungen 1 und 2) oder signifikant negativ (Schätzungen 3 und 5). GOVCONS und LOGBMP sind durchgängig hochsignifikant negativ.

| |Gleichungsnummer |

| |1 |2 |3 |5 |

|Unabhängige Variable |Koeffizient | | | |

| |(p-Wert) | | | |

|LOGCGDP |-0,022432* |-0,022145* |-0,022317* |-0,022613* |

| |(0,001) |(0,001) |(0,001) |(0,001) |

|SCND1 |-0,011840*** |-0,012220*** |-0,012990** |-0,013763** |

| |(0,074) |(0,068) |(0,049) |(0,039) |

|GOVCONS |-0,049463* |-0,047627* |-0,048382* |-0,051176* |

| |(0,000) |(0,000) |(0,000) |(0,000) |

|LOGBMP |-0,036951* |-0,040072* |-0,037485* |-0,033607* |

| |(0,001) |(0,001) |(0,001) |(0,002) |

|OECDFDI |0,003231 |0,002050 |0,003191 |-0,000105 |

| |(0,653) |(0,778) |(0,631) |(0,988) |

|HKFDI1 |-0,006992 |-0,009418 |-0,020658 |-0,018786 |

| |(0,814) |(0,754) |(0,440) |(0,481) |

|MANU |-0,036633* |-0,032558* | | |

| |(0,000) |(0,000) | | |

|NONFUEL |-0,803922 |-0,969753 | | |

| |(0,465) |(0,447) | | |

|FUEL |0,861866 |1,635409*** | | |

| |(0,290) |(0,080) | | |

|SERVICE |0,018779 |0,010489 | | |

| |(0,125) |(0,591) | | |

|MANUFDI | |-0,017816** |-0,032080* | |

| | |(0,014) |(0,000) | |

|NONFUELFDI | |0,000841 |-0,306343 | |

| | |(0,941) |(0,803) | |

|FUELFDI | |-0,002867 |1,459080 | |

| | |(0,748) |(0,116) | |

|SERVICEFDI | |5,160122 |9,942663** | |

| | |(0,463) |(0,025) | |

|MANUHKFDI1 | | | |-0,034421* |

| | | | |(0,000) |

|NONFUELHKFDI1 | | | |-1,615349 |

| | | | |(0,150) |

|FUELHKFDI1 | | | |2,222052** |

| | | | |(0,027) |

|SERVICEHKFDI1 | | | |4,304141** |

| | | | |(0,028) |

|Korr. R2 |0,364 |0,366 |0,342 |0,325 |

|Beobachtungen |116 |116 |116 |116 |

|F-Test |6,052* |4,908* |5,592* |5,263* |

Tabelle 13: FDI und Wirtschaftswachstum pro Kopf 1975-94 (29 Länder/vier Perioden), zusätzlich zu den Angaben von Tabelle 9 werden nach Exportgüterschwerpunkten gebildete Ländergruppen untersucht.

Bei den einfachen Dummyvariablen ergeben sich nur für Länder mit Exportschwerpunkt auf Gütern des Verarbeitenden Gewerbes (MANU) hochsignifikant negative Ergebnisse. Demnach wuchsen Länder mit diesem Exportgüterschwerpunkt langsamer als die Referenzgruppe. Da die Gruppe dieser Länder aber nur aus Israel und Südkorea besteht, kann dieses Ergebnis auf keinen Fall als repräsentativ für Länder mit diesem Exportschwerpunkt gelten. Auch alle für diese Ländergruppe berechneten anderen Variablen (MANUFDI und MANUHKFDI1) zeigen signifikant negative Koeffizienten. Dies ist evtl. auf die durch MANU vorgegebene Grundtendenz zurückzuführen, aber in Schätzung 3, in die MANU und MANUFDI gemeinsam eingehen, zeigen beide signifikante Ergebnisse, welches den Schluss nahe legt, dass FDI in diesen Ländern – über die grundsätzliche negative Wachstumstendenz von MANU hinaus – zu weiteren negativen Wachstumseffekten beitragen.

Signifikante Ergebnisse ergeben sich auch für das Auftreten von FDI in Ländern mit dem Exportschwerpunkt Dienstleistungen (SERVICEFDI) und für das gemeinsame Auftreten von FDI und Humankapital in diesen Ländern (SERVICEHKFDI1). Beide deuten auf positive Effekte auf das Wachstum hin. Da diese Gruppe aus den drei Ländern Ägypten, Jamaika und Jordanien besteht, weist dies auf positive Effekte des Tourismus auf das Wirtschaftswachstum hin. Da es sich nur um drei Länder handelt, kann auch hier nicht verallgemeinert werden.

Schließlich deuten die Ergebnisse in Tabelle 13 auf höheres Wachstum in Ländern, die schwerpunktmäßig Brennstoffe exportieren (FUEL) (Algerien und Venezuela) (Schätzung 2). Auf positive Effekte von FDI weisen zudem weitere Ergebnisse hin: In Schätzung 3 verfehlt FUELFDI nur knapp das 10-Prozent-Signifikanzniveau und in Schätzung 5 ist FUELHKFD1 signifikant positiv. Auch hier gilt, da es sich um eine Stichprobe von nur zwei Ländern handelt, dass diese Ergebnisse nicht verallgemeinerbar sind.

In den nach Exportgüterschwerpunkten differenzierenden Untersuchungen ergeben sich damit für einzelne Ländergruppen signifikante Ergebnisse, die allerdings aufgrund der jeweils kleinen Länderzahl nicht verallgemeinerbar sind: Negative Auswirkungen deuten sich für Länder mit einem Exportschwerpunkt auf Gütern des Verarbeitenden Gewerbes an, positive dagegen für Länder mit Exportschwerpunkten auf Brennstoffen oder Dienstleistungen. Für die Ländergruppen mit mehr Beobachtungen ergeben sich keine signifikanten Ergebnisse. Auch hier lässt sich – wie in den Hypothesen vermutet – kein grundsätzlicher Einfluss von FDI oder von FDI in Kombination mit Humankapital auf das Wirtschaftswachstum feststellen.

5.3.8 Gesamtergebnis der eigenen Wachstumsschätzungen

Die Untersuchungen zu den Auswirkungen von FDI auf das Wirtschaftswachstum konnten die Ergebnisse von BGL nicht bestätigen: Die beiden qualitativ hochwertigsten Schätzserien (gemessen an den Signifikanzniveaus von LOGCGDP und abgesehen von den nach Ländergruppen differenzierten Schätzungen) [vgl. Tabellen 8 und 9] weisen auf einen positiven Zusammenhang zwischen FDI und Wirtschaftswachstum hin. Dieser Hinweis ist aber zu schwach, als dass man den in der wissenschaftlichen Literatur teilweise attestierten grundsätzlichen positiven Zusammenhang zwischen FDI und Wirtschaftswachstum hier bestätigen könnte. Die erste Hypothese „Eine generell positive Wachstumswirkung von FDI ist nicht vorhanden“ konnte damit bestätigt werden. Es ließen sich weder robuste negative noch positive Wachstumswirkungen von FDI feststellen. Die Ergebnisse aus Tabelle 11 verweisen auf positive Wachstumseffekte für Länder der Region Mittlerer Osten und Nordafrika. In Tabelle 12 werden dagegen negative Auswirkungen von FDI auf das Wirtschaftswachstum in Ländern mittleren Einkommens – Untere Einkommenskategorie angedeutet. Ein Hinweis darauf, dass ärmere Länder im Umgang mit FDI eine gewisse Vorsicht walten lassen sollten.

Ebenfalls bestätigt werden konnte die zweite Hypothese zum Zusammenhang zwischen FDI und Wirtschaftswachstum, da sich „auch für das Zusammenspiel von Humankapital und FDI keine positiven Wachstumseffekte ermitteln lassen.“ Die Ergebnisse aus Tabelle 8 sprechen sogar für einen negativen Zusammenhang! Dieser erscheint allerdings ebenso wenig plausibel, wie der negative Zusammenhang zwischen Humankapital und Wirtschaftswachstum. Werden verschiedene Ländergruppen unterschieden, kann als einziges robustes Ergebnis festgehalten werden, dass das Wachstum von Niedrigeinkommensländern durch das gemeinsame Auftreten von FDI und Humankapital negativ beeinflusst wird. Auch dies widerspricht grundsätzlich den theoretisch vermuteten Zusammenhängen. Es ist allerdings möglich, dass FDI zu einer Dualisierung der Wirtschaft der Gastländer beitragen. Eine Erklärung für negative Effekte kann daher in der Abkopplung eines kleinen Teils der Wirtschaft mit gut ausgebildeten Arbeitskräften, der von FDI profitiert, liegen. Durch die Abkopplung dieses fortschrittlichen Teils der Volkswirtschaft könnte der Rest der Wirtschaft so starke Einbußen hinnehmen müssen, dass sich insgesamt negative Effekte von FDI ergeben.

Insgesamt versehen diese Ergebnisse das in der Literatur z.T. zu findende positive Urteil über die Wachstumswirkungen von FDI mit einigen Fragezeichen. Es lassen sich noch nicht einmal für einzelne Gruppen von Ländern deutliche Ergebnisse ermitteln. Zwei Schlüsse können daraus gezogen werden: Zum einen sind FDI nicht eindeutig als „Retter in der Not“ für die nach Wachstum strebenden Entwicklungsländer zu bezeichnen. An dem positiven Urteil einiger empirischer Studien über die grundsätzlichen positiven Auswirkungen von FDI und über die Rolle von Humankapital zur Nutzung dieser Effekte wecken die hier ermittelten Resultate Zweifel [vgl. Abschnitt 5.1]. Es sollte daher deutlich zwischen einzelnen Arten von FDI differenziert und die Art identifiziert werden, die für die von einem Land verfolgte Entwicklungsstrategie am förderlichsten ist. Zum anderen zeigt sich in den Ergebnissen aber auch die beschränkte Aussagekraft von Querschnitts- und Paneluntersuchungen mit Beobachtungen für ganze Länder. Möglicherweise ist die Qualität der Datenbasis in vielen Ländern nicht ausreichend, um diese Art Untersuchungen durchzuführen. Die Vorsicht, mit der diese Ergebnisse interpretiert werden müssen, und die geringe Übertragbarkeit auf konkrete Einzelfälle führen zu der Empfehlung, in Zukunft eher Studien durchzuführen, die sich mit den Auswirkungen von FDI auf einzelne Länder beziehen, für die eine ausreichende Datenbasis vorhanden ist. Hierfür bieten sich Querschnitts- und Paneluntersuchungen auf regionaler Ebene an, wie sie z.B. von Nguyen [2003] für Vietnam durchgeführt wurden, oder Zeitreihenanalysen, wie sie z.B. von Ramírez [2000] für Mexiko durchgeführt wurden.

Die in den Schätzansatz zusätzlich aufgenommenen Kontrollvariablen zeigen im Wesentlichen die erwarteten Ergebnisse [vgl. Abschnitt 5.2]: LOGCGDP ist meistens hochsignifikant negativ und deutet damit auf einen Catch-up-Effekt hin: Je geringer das PKE eines Landes ist, desto schneller wächst es. GOVCONS ist ebenfalls meistens hochsignifikant negativ. Ein höheres Ausmaß staatlichen Konsums führt damit zu geringerem Wirtschaftswachstum. Dies bestätigt die in Abschnitt 5.2 beschriebenen verzerrenden und damit wachstumsverringernden Wirkungen staatlicher Eingriffe. LOGBMP ist als weiterer Indikator für staatliche Verzerrungen des Wirtschaftsgeschehens hochsignifikant negativ und deutet damit ebenfalls in die Richtung der mit von GOVCONS geschätzten Wirkungen. Immer mit negativen Koeffizienten versehen, die aber nur vereinzelt signifikant sind, wird ASSASS. Politische Morde als Ausdruck für politische Instabilität weisen damit auf geringeres Wachstum hin. Diese theoretisch gut fundierte Aussage wird insbesondere von den Schätzungen gestützt, in denen nach verschiedenen Ländergruppen differenziert wird. Dort ist ASSASS durchweg hochsignifikant [vgl. Tabellen 11 und 12]. Ähnliches gilt für POLRIGHTS. Der Koeffizient ist durchgängig negativ, aber nur in einzelnen Schätzungen signifikant (Tabellen 6, 8 und 9). Insbesondere in den hochwertigen Schätzungen ohne Ländergruppendifferenzierung ist POLRIGHTS hochsignifikant negativ, d.h. mehr politische Rechte wirken sich positiv auf das Wirtschaftswachstum aus [vgl. dazu die Definition von POLRIGHTS in Tabelle 3]. In den Schätzungen, in denen die Einflüsse für einzelne Ländergruppen betrachtet werden, ergeben sich dagegen keine signifikanten Ergebnisse, deshalb ist anzunehmen, dass der Einfluss von POLRIGHTS dort von Ländergruppenspezifika erfasst wird.

Nicht schlüssig ist dagegen der in den meisten Schätzungen signifikant (verschiedene Niveaus) negative Koeffizient für SCND1, der für einen wachstumsvermindernden Effekt von Humankapital in Entwicklungsländern spricht. Außerdem im Widerspruch zu den Überlegungen aus Abschnitt 5.2 stehen die wenigen signifikanten Ergebnisse für die Variable M2, die als Indikator für den Entwicklungsstand des Finanzsystems dienen soll [vgl. Tabellen 8 und 9].

Die Ergebnisse der regionalen Variablen verweisen darauf, dass die Länder Sub-Sahara-Afrikas im Durchschnitt langsamer wachsen [vgl. Tabelle 11]. Dies korrespondiert mit dem Ergebnis von Tabelle 12, nach dem die Niedrig-einkommensländer ebenfalls langsamer wachsen.

Verteilungseffekte ausländischer Direktinvestitionen: Wirkungskanäle

FDI werden mittlerweile vielfach positive Wachstumswirkungen zugeschrieben [vgl. Kapitel 4 und Abschnitt 5.1], auch wenn dies in dieser Arbeit und auch in anderen Studien nicht bestätigt werden kann [vgl. Abschnitt 5.3]. Inzwischen dominiert der positive Eindruck der Wachstumswirkungen von FDI das Bild in der Öffentlichkeit. Genauso wird aber auch vor negativen Verteilungswirkungen gewarnt [vgl. Krugman/Obstfeld (2003), S. 174 f.]. Auf welche Weise FDI Einkommensverteilung und Ausmaß absoluter Armut beeinflussen können, ist Inhalt dieses Kapitels.

Da FDI von der kategorischen Einordnung her internationale Kapitaltransfers sind, und die ökonomische Theorie zu den Wirkungen von internationalen Kapitaltransfers klare Aussagen trifft, sollen diese zuerst dargelegt und ergänzt werden [vgl. Abschnitt 6.1]. Anschließend werden die möglichen Auswirkungen von FDI auf die Beschäftigung näher betrachtet. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Rolle des Humankapitals gelegt [vgl. die Abschitte 6.2 und 6.3].

6.1 Wirkungen von internationalen Kapitaltransfers

Verteilungswirkungen internatonaler Kapitaltransfers können sich sowohl zwischen Ländern als auch innerhalb eines Landes ergeben. Zunächst zu den Verteilungswirkungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern: Kapital fließt, nach Überlegungen der neoklassischen Theorie, in die Länder mit der höchsten Grenzproduktivität des Faktors Kapital, welche aus einer geringen relativen gesamtwirtschaftlichen Kapitalverfügbarkeit resultiert [vgl. z.B. Hemmer (2002), S. 321 f.]. Diesen Überlegungen liegt die Annahme eines identischen Technologieparameters für alle Länder zu Grunde, d.h. Technologien sind weltweit einheitlich verfügbar. Kapital wird dort eingesetzt, wo es den höchsten Ertrag erwirtschaftet. Kapitalbewegungen ergeben sich dabei durch Zinsdifferenzen: Nach der erweiterten Zinsparitätentheorie sind dafür nicht nur der aktuelle Unterschied der Zinssätze wichtig, sondern auch die kurzfristigen Wechselkurserwartungen und ein Faktor, der zusätzliche Risiken erfassen soll.[97] Nach dieser Theorie kann es für Anleger aus Industrieländern lohnender erscheinen, Kapital im Niedrigzinsland (Industrieland) anzulegen, da dieses politisch sicherer ist und keine Wechselkursrisiken zu berücksichtigen sind [vgl. Bofinger et al. (1996), S. 313 ff. und Hauskrecht (2001), S. 16]. Werden Wechselkurserwartungen und Risikofaktor nicht berücksichtigt, ist die einfache Zinsparität für Kapitalströme entscheidend.[98]

In Entwicklungsländern ist der Faktor Kapital i.d.R. relativ knapp, während der Faktor Arbeit reichlich vorhanden ist. Daraus ergeben sich eine hohe Grenzproduktivität des Faktors Kapital und damit auch eine hohe Entlohnung dieses Faktors. Dagegen sind die Grenzproduktivität des Faktors Arbeit und damit seine Entlohnung gering. In den Industrieländern gilt dagegen, dass Kapital reichlich vorhanden ist, während Arbeit knapp ist. Daraus ergibt sich eine hohe Entlohnung des Faktors Arbeit und eine geringe Entlohnung des Faktors Kapital.

Durch die höhere Entlohnung des Kapitals in Entwicklungsländern kommt es zu den Kapitalströmen aus den Industrieländern in die Entwicklungsländer; die Kapitalverfügbarkeit in Entwicklungsländern nimmt zu. Dadurch sinken die Grenzproduktivität des Kapitals, da es nun auch an Stellen eingesetzt werden muss, an denen es weniger produktiv ist, und somit seine Entlohnung, da dieser Faktor nicht mehr so knapp ist. Mit der erhöhten Verfügbarkeit an Kapital geht eine Verlagerung von arbeitsintensiven zu kapitalintensiven Wirtschaftszweigen einher, und die Produktivität der eingesetzten Arbeit nimmt zu. Da die Grenzproduktivität des Faktors Arbeit steigt, steigt auch seine Entlohnung.[99]

Es kommt zu einer Angleichung der Grenzproduktivitäten und somit auch der Entlohnung von Arbeit und Kapital in Entwicklungs- und Industrieländern. In Entwicklungsländern sinkt die Entlohnung des Faktors Kapital infolge sinkender Grenzproduktivität und in Industrieländern steigt sie infolge steigender Grenzproduktivität. Gleichzeitig steigt in Entwicklungsländern die Entlohnung des Faktors Arbeit, während sie in Industrieländern sinkt. Das Einkommensgefälle der einzelnen Produktionsfaktoren zwischen Industrie- und Entwicklungsländern nimmt somit ab.

Außerdem können die internationalen Kapitalströme positive Effekte auf die Einkommensverteilung innerhalb eines Entwicklungslandes haben. Dies resultiert daraus, dass in Entwicklungsländern vielfach eine starke Konzentration des Faktors Kapital auf wenige Personen vorliegt und die hohe Entlohnung des Faktors Kapital relativ zur Arbeit zu einer sehr ungleichen personellen Einkommensverteilung führt. Sinkt nun die Entlohnung des Faktors Kapital und steigt die der Arbeit, führt dies zu einer Verschiebung der funktionellen Einkommensverteilung und wegen der Konzentration des Kapitalbesitzes zu einer gleichmäßigeren personellen Einkommensverteilung.[100] Insbesondere in Niedrigeinkommensländern könnten sich hieraus wiederum neue Wachstumsimpulse ergeben [vgl. Abschnitt 5.2].[101]

Die theoretischen Überlegungen, Kapitaltransfers in Entwicklungsländer führten zu einer steigenden Entlohnung des Faktors Arbeit und darüber zu einer gleichmäßigeren personellen Einkommensverteilung, können jedoch bisher empirisch nicht belegt werden.

Statt des theoretisch erwarteten Zusammenhangs gibt es viele empirische Hinweise darauf, dass ein ganz anderer Zusammenhang entscheidend für die Wirkung von Kapitaltransfers auf die Einkommensverteilung ist: Mit dem Kapitaltransfer kommt es zu einer Zunahme der (Sach-)Kapitalintensität der Wirtschaftsaktivitäten [vgl. Hiemenz (1990), S. 90 ff.]. Die damit verbundenen, i.d.R. komplexeren Verfahren verlangen eine entsprechende Zunahme des relevanten Humankapitals, um z.B. die komplizierteren Maschinen zu bedienen. Für Industrieländer mögen die dann angewandten Verfahren durchaus arbeitsintensiv sein, für die Entwicklungsländer sind sie aber kapitalintensiv [vgl. Feenstra (1998), S. 42]. Der Sachkapitaltransfer führt dann nicht zu der erwarteten Zunahme der Nachfrage nach (ungelernter) Arbeit, sondern zu einer Nachfragesteigerung nach Humankapital. Die Bedeutung ungelernter Arbeit geht dann auch in Entwicklungsländern zurück. Die Grenzproduktivität der menschlichen Arbeitsleistung steigt zwar an, allerdings nur, wenn das entsprechende Humankapital in den Menschen inkorporiert ist. Gelernte Arbeit (skilled work) wird daher besser entlohnt, ungelernte Arbeit dagegen nicht.

Es ist deshalb davon auszugehen, dass es auch in den Entwicklungsländern zu einer Dualisierung der Arbeitsmärkte kommt, wie sie bereits aus den Industrieländern bekannt ist und nun in den Entwicklungsländern insbesondere durch FDI mit ihren oftmals höher entwickelten Technologien vorangetrieben wird: Gut ausgebildete Fachkräfte erzielen Spitzengehälter und –gehalts-zuwächse, während Arbeiter ohne Ausbildung nur sehr geringe Löhne erzielen können [vgl. Nunnenkamp/Spatz (2001), Pissarides (1997), S. 29 f., Wood (1997), S. 53 f., Kapstein (2002), S. 10, Feenstra/Hanson (1995) und Feenstra (1998), S. 41 ff.]. Lustig und Deutsch [(1998), S. 5 f.] stellen bspw. die wachsende Lohnspreizung zwischen gelernter und ungelernter Arbeit für Lateinamerika explizit fest.

6.2 Kurz- und mittelfristige Beschäftigungseffekte ausländischer Direktinvestitionen

FDI stellen nicht einen einfachen Kapitaltransfer dar, sondern ein Bündel aus Sachkapital, Know-how und Technologie. Die maßgeblichen Effekte von FDI auf die personelle Einkommensverteilung und das Ausmaß der absoluten Armut ergeben sich daher auch nicht allein aus der Tatsache, dass es sich um einen Kapitaltransfer handelt, sondern dass FDI technischen Fortschritt und Humankapitalentwicklung in einem Land fördern können [vgl. Kapitel 4]. Zu einer höheren Sach- und Humankapitalintensität kann es entweder durch eine im Vergleich zur heimischen Wirtschaftsstruktur verstärkte Konzentration von FDI in sach- und humankapitalintensiven Wirtschaftszweigen kommen oder aber durch die Verwendung von Produktionsverfahren, die im Vergleich zu denen heimischer Betriebe der gleichen Branche sach- und humankapitalintensiver sind. Schließlich handelt es sich bei FDI um eine Form internationaler wirtschaftlicher Integration, so dass analog zu anderen Formen solcher Integration, wie z.B. dem Handel, erwartet werden kann, dass es Gewinner und Verlierer v.a. innerhalb von Ländern geben wird [vgl. Krugman/Obstfeld (2003), S. 174 f.].

Zentral ist hier die Beschäftigung: Die unteren Einkommensschichten verfügen meist über kein oder wenig Sach- und Humankapital als mögliche alternative Einkommensquellen. Ihnen bleibt daher nur ihre eigene, i.d.R. ungelernte Arbeitskraft. Eine Arbeitsstelle zu finden ist auch der wichtigste Faktor, wenn es darum geht zu erklären, warum jemand den Status des absolut Armen verlassen hat. Daher liegt eine Hauptwirkung von FDI auf das Ausmaß der Armut in der Schaffung von Arbeitsplätzen [vgl. IFC (2000), S. 16]. In einer Studie über Venezuela für die durch wirtschaftlichen Abschwung gekennzeichneten Jahre 1997 und 1998 findet Freije [(2000), zitiert nach IFC (2000), S. 3], dass die überwältigende Mehrheit der neuen Arbeitsstellen (89%) bei privaten Unternehmen geschaffen wurde. Für Veränderungen der Einkommensverteilung ist es daher entscheidend, welche Art von Beschäftigung durch FDI geschaffen wird: einfache Arbeitsplätze, die keine große Bildung voraussetzen, oder humankapitalintensive Arbeitsplätze.

Zur besseren Aufgliederung der Effekte soll im Folgenden zwischen kurz- und mittel- sowie langfristigen Effekten auf die Zahl der Beschäftigten unterschieden werden:[102]

Kurz- und mittelfristig hängen die direkten Beschäftigungseffekte von FDI v.a. von der Art der Investition ab. Im Falle eines greenfield investment kommt es bei der Gründung zur Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen. Handelt es sich um die Übernahme eines bereits bestehenden Unternehmens (takeover), so sind die unmittelbaren Beschäftigungseffekte nicht klar. Es spricht viel dafür, dass sie negativ sind. Mit der Einführung neuer Verfahren gehen oft Rationalisierungsmaßnahmen einher, die Arbeitskräfte freisetzen. Auch ist es möglich, dass den übernommenen Unternehmen im Produktionsverbund des TNU nur noch weniger Aktivitäten und damit Beschäftigungsmöglichkeiten zugeteilt werden als vor der Übernahme vorhanden waren. Dies kann bis zur Schließung ganzer Betriebe führen. Denkbar ist allerdings auch das Gegenteil, so dass Produktion und Beschäftigung ausgeweitet oder wenigstens erhalten würden [vgl. UNCTAD (1999), S. 261 und (2000), S. 182].

Für die Jahre 1985-92 spricht die Weltbank [(1995), S. 74] von acht Mio. durch multinationale Konzerne direkt geschaffenen Arbeitsplätzen, von denen fünf Mio. in Entwicklungsländern entstanden sein sollen. Neue Schätzungen, die ausdrücklich vorsichtig zu interpretieren sind, sprechen von direkten Beschäftigungseffekten zwischen 17 und 26 Millionen Arbeitsplätzen Mitte der 1990er Jahre [vgl. UNCTAD (1999), S. 264]. Auch die DEG zieht für ihr Beteiligungsportfolio eine positive Bilanz: In der Summe seien in den Unternehmen, an denen sie beteiligt ist, ab dem jeweiligen Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs knapp 95.000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden [vgl. DEG (1995), S. 30].

Als indirekter Effekt ist v.a. die mögliche Verdrängung lokaler Konkurrenten zu nennen, wobei dies entscheidend von deren Wettbewerbsfähigkeit abhängt [vgl. Lall (1995), S. 525 und UNCTAD (1999), S. 261]. Besonders negativ macht sich die Verdrängung inländischer Anbieter bei der Beschäftigung bemerkbar, wenn diese mit traditionellen arbeitsintensiven Produktionsverfahren arbeiteten, die nun nicht mehr wettbewerbsfähig sind, und das ausländische Unternehmen kapitalintensiv produziert und daher den Faktor Arbeit weniger nachfragt. In einem solchen Fall kommt es schnell zu einer Konstellation, in der bei den traditionell produzierenden Unternehmen mehr Arbeitskräfte freigesetzt werden als bei dem Investor aus dem Ausland neu entstehen [vgl. Radke (1992), S. 51 und Altvater/Mahnkopf (1996), S. 267]. Ein Ausgleich des geringeren Arbeitseinsatzes pro Stück über eine Steigerung der produzierten Menge fällt in einem solchen Fall schwer. Verstärkt wird der arbeitssparende Effekt vielfach noch durch Verschiebungen der Nachfragestrukturen hin zu kapitalintensiv hergestellten Gütern. Durch massive Werbung werden einheimische Anbieter durch die kapitalintensiv produzierenden TNU verdrängt, eine Wirkung, die auch durch den internationalen Demonstrationseffekt verstärkt wird [vgl. Hemmer (2002), S. 186 ff.]. Selbst wenn es zu einem Abbau der Beschäftigung bei den heimischen Wettbewerbern kommt, kann dies aber zu Restrukturierungen genutzt werden, welche die Wettbewerbsfähigkeit, Effizienz und Exportorientierung dieser Unternehmen fördern und damit Beschäftigung sichern bzw. auch wieder ausweiten können [vgl. UNCTAD (1999), S. 261 f.].

Die bisher angeführten Effekte machen deutlich, dass es bei den Beschäftigungswirkungen entscheidend darauf ankommt, wie arbeitsintensiv die Verfahren sind, die von TNU im Gastland angewandt werden [vgl. Gillis et al. (1996), S. 404 f.]. Als besonders förderlich für die Attrahierung von FDI, die arbeitsintensiv produzieren und relativ viel Beschäftigung schaffen, haben sich für Länder, die einen Überfluss an kostengünstiger Arbeit haben, exportorientierte Handelsregime in Verbindung mit einem für FDI günstigen Umfeld erwiesen. Einfache Weiterverarbeitungsaktivitäten für den Export in andere Niederlassungen der TNU können hier viele einfache Arbeitsplätze schaffen [vgl. UNCTAD (1999), S. 263 und (1994), S. 209 ff.].

Den i.d.R. insgesamt negativen Effekten auf die Wettbewerber der TNU stehen dabei positive Kopplungseffekte in vor- und nachgelagerten Industriezweigen im Gastland gegenüber [vgl. Lall (1995), S. 524 f. und Tuan (1999)]. Das ausländische Investitionsobjekt wird umso mehr zur Beschäftigung beitragen, je stärker die Verflechtungen mit der lokalen Wirtschaft sind [vgl. Abschnitt 4.1]. Auch Yabuuchi [1999] geht von positiven Beschäftigungswirkungen aus und leitet theoretisch ab, dass FDI eine bestehende Arbeitslosigkeit verringern helfen.

Der Hauptanteil der durch FDI bewirkten Beschäftigung wird den indirekten Effekten zugeordnet. Tuan [1999] stellt dies bspw. für FDI in Vietnam fest, beachtet bei seiner Untersuchung aber keine Verdrängungseffekte bei Konkurrenten und kommt so auch insgesamt zu dem Urteil sehr positiver Beschäftigungswirkungen. Außerdem ist die von ihm verwandte Stichprobe untersuchter FDI-Projekte sehr klein. Für das Produzierende Gewerbe des formalen Sektors wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass die indirekten Beschäftigungseffekte bis zu dem Doppelten der direkten Effekte betragen [vgl. UNCTAD (1994), S. 192]. Für einzelne Bereiche können die Faktoren je nach Aktivität, Produkt, Zulieferer, Outsourcing-Ausmaß und Größe der Niederlassung jedoch auch sehr viel größer sein [vgl. UNCTAD (1999), S. 265 und Parisotto (1995), S. 69].

6.3 Langfristige Beschäftigungseffekte ausländischer Direktinvestitionen

Langfristig werden v.a. die indirekten Beschäftigungseffekte von Bedeutung sein, die sich aus einem – evtl. durch FDI beschleunigten [vgl. Kapitel 4 und 5] – Wirtschaftswachstum ergeben. An dieser Stelle wird dabei v.a. auf die Verteilungswirkungen des durch FDI beschleunigten Wachstums – ausgelöst durch technischen Fortschritt – eingegangen. Eine grundsätzliche Diskussion der Beziehung von Wirtschaftswachstum zur Ungleichheit wird in Abschnitt 7.2 vorgenommen, der von Wirtschaftswachstum zur absoluten Armut in Abschnitt 7.5.

FDI führen langfristig zu einer Beschleunigung des technischen Fortschritts im Entwicklungsland. Abhängig ist dieser Effekt nicht nur von dem Technologietransfer bei der Errichtung der Direktinvestition, sondern v.a. von dem Tempo der laufenden Technologieverbesserung (technology upgrading), welche insbesondere von der Integration des Betriebs im Gastland in den internationalen Produktionsverbund der TNU insgesamt abhängt [vgl. Lall (1995)]. Durch den Technologietransfer wird wiederum das Wachstum beschleunigt, durch welches erhöhte Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden. Dies ist auch für die erwähnten einfachen Beschäftigungsmöglichkeiten in der Weiterverarbeitung von Bedeutung. Langfristig werden auch in ursprünglich sehr arbeitsreichen Ländern die Löhne anziehen. Lipsey und Sjöholm [2001] kommen bspw. in ihrer Untersuchung des Einflusses von ausländischen Unternehmen auf die Löhne im indonesischen Produzierenden Gewerbe zu dem Ergebnis, dass die Löhne in den Niederlassungen ausländischer Unternehmen in Indonesien höher sind als in einheimischen, und dass auch die in den einheimischen Unternehmen gezahlten Löhne aufgrund dieser Entwicklung gestiegen sind. Ziehen die Löhne an, so hängt die Beschäftigung davon ab, ob die eingesetzten Technologien und Fähigkeiten weiterentwickelt werden [vgl. UNCTAD (1999), S. 263].

Durch den beschleunigten technischen Fortschritt wird auch die zunehmende Bedeutung von Humankapital deutlich. Zur Beherrschung der neuen Technologien wird immer mehr Humankapital von Nöten sein und die Bedeutung ungelernter Arbeit zurückgehen. Tuan [1999] betont, dass die durch FDI geschaffenen Arbeitsplätze i.d.R. höhere Qualifikationen voraussetzen als vorher im Gastland üblich. Auch dies hat Einkommenseffekte: Fasst man Humankapital mit Sachkapital zusammen, so ist zu vermuten, dass sich die funktionale Einkommensverteilung zu Lasten der (ungelernten) Arbeit verschieben wird. Der von FDI induzierte arbeitssparende technische Fortschritt wird damit tendenziell zu Verschärfungen der in vielen Entwicklungsländern bestehenden stark ungleichmäßigen Verteilungen beitragen und die Einkommensschere zwischen gelernter und ungelernter Arbeit weiter öffnen.

Erste empirische makroökonomische Ergebnisse zur Lohnspreizung durch FDI weisen in diese Richtung: Feenstra und Hanson [1996] betrachten die Auswirkungen von outsourcing[103] auf die Nachfrage nach gelernter Arbeit in den USA und kommen zu dem Ergebnis, dass dieses für 30-50 Prozent des Nachfrageanstiegs nach gelernter Arbeit in den USA verantwortlich gemacht werden kann. In einem anderen Beitrag wenden sich Feenstra und Hanson [(1997), S. 388 und (1995)] den Auswirkungen von FDI auf die Nachfrage nach gelernter und ungelernter Arbeit in Mexiko zu. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass über 50 Prozent des Anstiegs des Anteils der Löhne qualifizierter Arbeiter an der Lohnsumme in den untersuchten Regionen (nahe der US-amerikanischen Grenze) auf den Einfluss von FDI zurückgeführt werden können. Gefördert wird diese Entwicklung noch durch eine Veränderungen der Nachfrage hin zu kapitalintensiv hergestellten Gütern, deren Produktion den Einsatz von viel Sach- und Humankapital, aber nur von wenig ungelernter Arbeit verlangt.

Außerdem zeigen Studien auf der Mikroebene, d.h. auf der Basis von Unternehmens- oder Arbeiterdaten, dass selbst wenn die Einflüsse weiterer Eigenschaften von Unternehmen, wie bspw. Größe, Branchenzugehörigkeit oder Standort, berücksichtigt werden, wesentliche Unterschiede zwischen heimischen Unternehmen und TNU-Niederlassungen erkennbar sind: Ausländische Unternehmen zahlen z.T. erheblich höhere Löhne und die Unterschiede in der Entlohnung gelernter und ungelernter Arbeit sind bei ihnen größer [vgl. Velde/Morrissey (2001) für einen Überblick über diese Studien]. Zu dieser Entwicklung trägt auch bei, dass zum einen Träger von wichtigem Humankapital in einer besseren Verhandlungsposition bei Lohnverhandlungen sind als ungelernte Arbeitskräfte und zum anderen auch die Ausbildungsmaßnahmen der TNU eher den bereits gut ausgebildeten zugute kommen [vgl. Velde/Morrissey (2002)]. Damit setzt sich in Theorie und Empirie die Einsicht durch, dass ausländische Unternehmen zur Lohnspreizung zwischen gelernter und ungelernter Arbeit beitragen. Hierzu ist allerdings eine wesentliche Einschränkung zu machen: Es ist bisher nicht möglich gewesen zu untersuchen, ob diese Effekte ihre Ursache in der ausländischen Eigentümerschaft haben oder ob sie nicht auf die durch modernere Produktionsverfahren erhöhte Produktivität dieser Unternehmen zurückzuführen sind. Wären heimische Unternehmen grundsätzlich auch in der Lage diese Verfahren anzuwenden, wäre der technische Fortschritt verantwortlich zu machen und die TNU nur ein Mittel zu seiner Verbreitung in bisher rückständigen Ländern. Vielfach ist aber davon auszugehen, dass heimische Unternehmen nicht in der Lage wären, diese modernen Verfahren anzuwenden, und diese daher TNU-Niederlassungen vorbehalten sind. Nur in diesem letzten Fall können die Lohnspreizungseffekte den TNU eventuell zugerechnet werden.

Aus dieser Dualisierung der Arbeitsmärkte resultiert wiederum eine ungleichere personelle Einkommensverteilung, da sich Sach- und Humankapital i.d.R. auf Wenige konzentrieren.

Von der Dualisierung der Arbeitsmärkte und den Folgen für die personelle Einkommensverteilung in besonders hohem Maße betroffen sind in vielen Ländern die Frauen. Sie haben häufig keinen gleichberechtigten Zugang zur Bildung und daher auch nur geringe Chancen Humankapital zu bilden. Dem wirkt entgegen, dass TNU i.d.R. durch ihre Standortmobilität nicht so eng mit örtlichen Interessen verbunden sind, so dass sie z.B. vielfach im Gegensatz zu heimischen Unternehmen Frauen überhaupt für solche relativ gut bezahlten Tätigkeiten einstellen [vgl. Klein et al. (2001), S. 12]. Hierzu ist auch zu bemerken, dass Frauen durch Niedriglohnarbeitsplätze in TNU – insbesondere in export processing zones – vielfach erstmalig überhaupt ein Stück materielle Unabhängigkeit von ihrer Familie erlangen [vgl. UNCTAD (1999), S. 268].

Für den Abbau der absoluten Armut gelten diese Überlegungen entsprechend. Auch dieser wird nicht automatisch eine Folge von Direktinvestitionen sein, da die von absoluter Armut betroffenen Menschen i.d.R. die schlechtesten Zugangsmöglichkeiten zu Bildungseinrichtungen haben, in denen sie Humankapital aufbauen könnten. Aber damit werden ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt immer schlechter: „Im Extremfall, wenn der armutssenkende Beitrag des Wachstumseffekts schwächer ausfällt als der armutserhöhende Effekt der abnehmenden Bedeutung der ungelernten Arbeit, kann somit durch den FDI-induzierten Fortschritt eine zunehmende Arbeitslosigkeit, verbunden mit einer Zunahme der absoluten Armut, resultieren“ [Hemmer (2002), S. 341]. Auch im Zusammenhang mit dem Ausmaß absoluter Armut ist auf die bereits erwähnte eingeschränkte Trennbarkeit der Auswirkungen von FDI und von technischem Fortschritt hinzuweisen: Insbesondere der Freisetzungseffekt ist nämlich nicht per se dem Auslandsunternehmen, sondern der neuen Produktionstechnologie zuzuschreiben. Würde ein inländisches Unternehmen dieselbe Technik anwenden, wären die Effekte für den Arbeitsmarkt wahrscheinlich die gleichen. Inländische Unternehmen sind allerdings oftmals nicht in der Lage, diese arbeitssparenden Technologien einzusetzen.

Die entscheidende Frage ist in diesem Zusammenhang, ob es gelingt, das wichtige Humankapital im Entwicklungsprozess auf so breiter Front zu kultivieren, dass sich die personelle Einkommensverteilung wieder bessert und das Ausmaß absoluter Armut zurückgeht. Dies weist auf die große Bedeutung der Bildungspolitik auch für die Nutzung der potenziellen, positiven Effekte von FDI – insbesondere für die Nutzung durch die ärmeren Bevölkerungsschichten – hin.

Auch wenn diese Ausführungen darauf hindeuten, dass die Ungleichheit tendenziell mit steigenden FDI zunimmt, so muss darauf hingewiesen werden, dass auch diejenigen, die nun relativ gesehen zurückfallen, von FDI absolut profitieren können. Damit ist auch ein Potenzial gegeben, dass die Ärmsten der Bevölkerung profitieren und das Ausmaß absoluter Armut zurückgeht. Dies setzt allerdings positive Wachstums- und Beschäftigungswirkungen von FDI voraus [vgl. Kapitel 4 und 5]. Sind diese gegeben, tragen FDI auf indirekte Weise zum Abbau absoluter Armut bei, denn wirtschaftliches Wachstum ist der wichtigste Faktor einer Armutsreduktion [vgl. Abschnitt 7.5].

Aggregierte Verteilungseffekte ausländischer Direktinvestitionen: Empirischer Befund

In Kapitel 6 sind mögliche Wirkungskanäle beschrieben worden, durch welche FDI Ungleichheit und Armut beeinflussen können. Dieses Kapitel beschreibt nun die empirischen Ergebnisse zu den aggregierten Auswirkungen. Es wird mit einer Darstellung des Stands der empirischen Forschung zu den Auswirkungen von FDI auf Ungleichheit und Armut eröffnet [vgl. Abschnitt 7.1]. Anschließend werden weitere Determinanten der Einkommensverteilung erläutert, die sich in ökonometrischen Schätzungen als relevant erwiesen haben und in einer Untersuchung der Wirkungen von FDI auf die Einkommensverteilung potenzielle Kontrollvariablen darstellen [vgl. Abschnitt 7.2]. In Abschnitt 7.3 wird eine solche Untersuchung der Auswirkungen von FDI auf den Gini-Koeffizienten durchgeführt und in Abschnitt 7.4 eine Untersuchung der Auswirkungen von FDI auf das Einkommenswachstum des untersten Einkommensquintils. Das Kapitel schließt mit zwei Abschnitten, die sich mit den Wirkungen von FDI auf das Ausmaß absoluter Armut beschäftigen. Zunächst werden mögliche Kontrollvariablen für einen Schätzansatz zur Untersuchung der Armutswirkungen von FDI beschrieben [vgl. Abschnitt 7.5] und danach ein solcher Schätzansatz [vgl. Abschnitt 7.6].

7.1 Grundaussagen existierender Studien zu den aggregierten Auswirkungen ausländischer Direktinvestitionen auf die Ungleichheit und abgeleitete Hypothesen

Die Verteilungswirkungen von FDI können – wie die Wachstumswirkungen – auf verschiedenen Ebenen untersucht werden. Auf der Projektebene können die Verteilungseffekte einzelner FDI-Vorhaben untersucht werden. Die Effekte, die ein Land insgesamt durch FDI erfährt, lassen sich dann einerseits durch die Betrachtung der Zusammensetzung der Einzelprojekte mit ihren jeweiligen Effekten ermitteln. Eine solche Vorgehensweise ist aber mit erheblichem Aufwand verbunden, so dass Aussagen i.d.R. nur für einzelne Projekte gemacht werden. Die Effekte von FDI auf ein ganzes Land oder ganze Ländergruppen lassen sich andererseits auch durch ökonometrische Untersuchungen von makroökonomischem Datenmaterial schätzen. Allerdings sind diese Studien aufgrund schlechter Datenqualität insbesondere in Entwicklungsländern mit großer Vorsicht zu interpretieren.

Bei den im Folgenden beschriebenen Untersuchungen handelt es sich im Wesentlichen um solche ökonometrischen Studien: Tsai [1995] erhielt zu den Auswirkungen von FDI auf die personelle Einkommensverteilungen in Entwicklungsländern als Ergebnis, dass FDI für eine Verschlechterung der Einkommensverteilung sorgen. Er stellte jedoch auch fest, dass sich dieser Effekt nicht mehr generell feststellen lässt, wenn man die Zugehörigkeit zu bestimmten Kontinenten berücksichtigt. In diesem Fall stellt sich nur der Einfluss in Asien als signifikant negativ heraus.[104] Auch Chen, Chang und Zhang [1995] stellen in einer Studie über FDI in China einen negativen Einfluss von FDI auf die personelle Einkommensverteilung fest. Ebenfalls ungleichheitserhöhende Wirkungen werden für Thailand in den 1980er Jahren ermittelt, in denen FDI stark zugenommen haben [vgl. Ikemoto/Uehara (2000), S. 422 ff.].

Saltz [(1992a), S. 106] zeigt in einer einfachen Regression, dass sich die Präsenz von FDI in Entwicklungsländern im Jahr 1975 positiv auf das Einkommen der reichsten 20 Prozent, aber negativ auf das Einkommen der ärmsten 20 Prozent auswirkten. Dies geschieht mit dem Hinweis, FDI würden zu einer zunehmenden Kapitalintensität der Produktion führen und auf diese Weise das Einkommen derjenigen fördern, die bereits vorher relativ hohe Einkommen erzielten. Dem widersprechen ältere Ergebnisse, die den FDI-Beständen pro Kopf keinen signifikanten Einfluss auf den Gini-Koeffizienten, den Einkommensanteil der reichsten 20 Prozent und den Einkommensanteil der ärmsten 40 Prozent zurechnen [vgl. Weede/Tiefenbach (1981), S. 273 f.].

In einer neueren Studie betrachten Bussmann, de Soysa und Oneal [2002] die Auswirkungen von FDI auf den Gini-Koeffizienten und das Einkommen der ärmsten 20 Prozent in Entwicklungsländern. Den Einfluss von eigens konstruierten FDI-Beständen im Verhältnis zum BIP auf den Gini-Koeffizienten versuchen sie mit einem gemischten Zeitreihen- und Querschnittsregressionsansatz zu untersuchen, indem sie die Beobachtungswerte des Gini-Koffizienten in verschiedenen Ländern zu verschiedenen Zeitpunkten im Zeitraum 1970-1990 in einem Ansatz der Gewöhnlichen-Kleinste-Quadrate-Methode schätzen. Für die FDI-Variable ergaben sich dabei nur insignifikante Ergebnisse; es ist also kein Einfluss von FDI auf die Ungleichheit der Einkommensverteilung festzustellen. Um den Einfluss von FDI auf das Einkommen des untersten Einkommensquintils zu ermitteln, wird eine fast identische Schätzung durchgeführt, in der der Gini-Koeffizient durch den Anteil des Einkommens dieses Quintils am Gesamteinkommen ersetzt wird. In den vorgenommenen Schätzungen zeigt sich der FDI-Koeffizient z.T. signifikant, wird jedoch bei Hinzufügung weiterer Kontrollvariablen insignifikant. Auch Jalilian und Weiss [(2001), S. 25 ff.] untersuchen den Einfluss von FDI auf das Einkommenswachstum des untersten Einkommensquintils. In einer Stichprobe für Entwicklungsländer können sie für FDI keine signifikanten Wirkungen ermitteln. In einer Teilstichprobe für ASEAN-Länder ergibt sich allerdings ein signifikant einkommenserhöhender Effekt von FDI in Kombination mit Primarschulbildung.

Grosse [1988] ermittelte in einem deskriptiven Beitrag für eine sehr kleine Stichprobe von FDI-Projekten in Venezuela, dass sich keine negativen Effekte auf die Beschäftigung und die Einkommensverteilung messen lassen. Krause [(1999), S. 14 f.] geht einen Schritt weiter und versucht aufzuzeigen, dass FDI das Potenzial bieten, die Einkommensverteilungen von Entwicklungsländern gleichmäßiger zu gestalten und die Lebensbedingungen der Bevölkerung allgemein zu verbessern. Er stellt fest, dass sich in einigen Ländern, die ihre institutionelle und regulative Infrastruktur speziell auf die Attrahierung von FDI zugeschnitten hatten, gegen den allgemeinen Trend die Gini-Koeffizienten seit 1980 verbessert hätten.

Die Mechanismen, durch die FDI die Einkommensverteilung beeinflussen, sind im Vergleich zu den Wachstumswirkungen bisher weniger genau erforscht. Auch empirische Arbeiten zu den Verteilungswirkungen sind nur in sehr geringer Zahl vorhanden und es lassen sich daher noch keine wohlfundierten Schlüsse ziehen [vgl. Aaron (2001), S. 2].

Zu den Auswirkungen auf das Ausmaß absoluter Armut lassen sich keine Studien auf globaler Ebene finden. Dies liegt an der mangelnden Verfügbarkeit von Armutsdaten. Etwas besser als im Durchschnitt der Entwicklungsländer sieht die Datenlage in Lateinamerika aus. Lustig und Deutsch [1998] fassen die Entwicklung der Armut in den 1990er Jahren zusammen und liefern die Zahlen für einzelne Länder im Anhang ihrer Arbeit. Die meisten Studien, die sich mit Armut beschäftigen, behelfen sich allerdings mit dem Einkommen des untersten Einkommensquintils und dessen Wachstum.

Auch für die Verteilungswirkungen von FDI bieten sich grundsätzlich die bereits im Zusammenhang mit den Wachstumswirkungen beschriebenen zwei alternativen Untersuchungsmöglichkeiten an.

Durch die Betrachtung einzelner Direktinvestitionsprojekte auf der Mikroebene, bei denen für ein Projekt ermittelt wird, wie seine Auswirkungen auf die unmittelbare Umgebung oder die anderen Marktteilnehmer sind, kann die Ausgestaltung der Wirkungskanäle bestimmt werden. Beispielsweise könnte die in den theoretischen Überlegungen als wesentlicher Mechanismus, über den die Einkommensverteilung in Entwicklungsländern beeinflusst wird, herausgestellte Beschäftigung [vgl. Abschnitte 6.2 und 6.3] auf diese Weise untersucht werden. Differenziert werden muss hier allerdings zwischen der Beschäftigung von qualifizierten und nicht-qualifizierten Arbeitskräften. Insbesondere wäre genau zu prüfen, welche indirekten Effekte in vor- und nachgelagerten Industrien sowie bei Wettbewerbern durch das Vorhaben generiert werden. Die Generalisierbarkeit der mit einer solchen Vorgehensweise auf der Mikroebene gewonnenen Erkenntnisse ist jedoch nicht gegeben, da ein ausreichend großer Stichprobenumfang derzeit nicht realisierbar ist.

Zudem erscheinen die empirischen Ergebnisse für die Verteilungswirkungen auf der Makroebene, die aus ökonometrischen Untersuchungen gewonnen wurden, bisher nicht solide genug, um auf diesen aufbauend Einzelfälle zu untersuchen und genauere Aussagen über einzelne Wirkungskanäle zu gewinnen. Im Weiteren wird daher auf der Makroebene mit Hilfe ökonometrischer Verfahren untersucht, wie sich FDI auf die Einkommensverteilung von Entwicklungsländern auswirken. Schon in der Theorie zu den Verteilungs-wirkungen von FDI [vgl. Kapitel 6] zeigte sich die geringe Bedeutung der Tatsache, dass es sich um einen Kapitalstrom handelt. Dagegen wurde die Bedeutung des Humankapitals und der geschaffenen Beschäftigung betont:

• Die Beschäftigungseffekte sind wichtig: Der wesentliche Effekt auf die Einkommensverteilung durch FDI ergibt sich aus den Beschäftigungs-wirkungen, da in den Entwicklungsländern die eigene Arbeitskraft (ungelernte Arbeit und evtl. vorhandenes Humankapital) für viele die einzige Einkommensquelle ist. Die Beschäftigungseffekte ließen sich allerdings besser in mikroökonomischen Analysen betrachten und stehen daher nicht im Mittelpunkt der weiteren Untersuchungen.

• Je höher und gleichmäßiger verteilt das Humankapital ist, desto gleichmäßiger ist auch der Effekt von FDI auf das Einkommen in der Bevölkerung: Die Bedeutung ungelernter Arbeit geht zurück, während die Entlohnung von Humankapital steigt. Von den mit Direktinvestitionen verbundenen moderneren Arbeitsplätzen werden daher v.a. diejenigen profitieren, die über eine gute Ausbildung verfügen. Arbeitskräfte ohne Ausbildung werden von vielen FDI-Unternehmen nur in geringem Umfang profitieren. Daher ist zu erwarten, dass in Volkswirtschaften mit relativ hohem und gleichmäßigem Bildungsstand FDI auch zu Einkommens-zuwächsen führen, die relativ groß und gleichmäßig verteilt sind, während Länder mit sehr ungleichmäßigen Bildungsverteilungen damit rechnen müssen, durch FDI zu einer steigenden Ungleichmäßigkeit der Ein-kommensverteilung zu gelangen.

Nachdem in Abschnitt 7.2 zunächst weitere Determinanten der Einkommensverteilung erläutert werden, wird in Abschnitt 7.3 in einem ökonometrischen Ansatz versucht, die Auswirkungen von FDI und durchschnittlichem Humankapital auf die Ungleichheit der Einkommensverteilung – gemessen am Gini-Koeffizienten – zu schätzen.

Als weiteren Weg zur Untersuchung von Verteilungsfragen hat sich in der empirischen Forschung die Betrachtung von Einkommensquintilen bzw. von Wachstumsraten des Einkommens der ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung erwiesen. Dollar und Kraay [2000] haben hier grundlegende Arbeit geleistet. In einer Untersuchung von Jalilian und Weiss [2001] wurden in einen solchen Ansatz auch FDI als Erklärungsfaktor mit aufgenommen. Dieser Ansatz wird im Weiteren mit besonderer Betonung der Rolle von Humankapital und seiner Verteilung in Abschnitt 7.4 ausgebaut. Unter der Annahme, dass Menschen, die besser ausgebildet sind, i.d.R. auch ein höheres Einkommen beziehen, führt eine gleichmäßigere Verteilung der Bildung dazu, dass auch die ärmeren Bevölkerungsschichten über relativ viel Bildung verfügen, dieses Humankapital produktiv nutzen und damit an den positiven Effekten von FDI partizipieren können.

Eng mit den Wirkungen auf die Einkommensverteilung und das Einkommen der ärmsten Bevölkerungsschichten ist die Frage verbunden, ob FDI das Ausmaß absoluter Armut verringern helfen oder gar steigern. Dies sollte in einem weiteren Ansatz geschätzt werden, der bisher keine Vorläufer hat. In der Theorie haben sich zwei Zusammenhänge als für die Wirkung von FDI auf das Ausmaß absoluter Armut bestimmend gezeigt:

• Entscheidend ist die Schaffung von Arbeitsplätzen: Je mehr Arbeitsplätze, insbesondere für schlecht ausgebildete Arbeitskräfte, durch FDI geschaffen werden, desto höher ist der Beitrag von FDI zur Armutsbekämpfung. Dies resultiert aus dem Fehlen anderer Einkommensquellen der armen Bevölkerung als ihrer eigenen, i.d.R. ungelernten Arbeitskraft. Auch dies ließe sich in einem Ansatz auf der Mikroebene klären.

• Je stärker das Wirtschaftswachstum, desto besser wird auch die absolute Armut zurückgedrängt: Dies ist im Wesentlichen durch die theoretische und empirische Forschung bestätigt [vgl. Kapitel 6 und Abschnitt 7.5]. Da auch für die absolut Armen Humankapital die größte Chance darstellt, von dem durch FDI induzierten Wirtschaftswachstum zu profitieren [vgl. Kapitel 4 und 5], sollten Durchschnitt und Verteilung von Bildung in eine solche Untersuchung mit einfließen.

Aus Datenmangel ist es allerdings nicht möglich, dies für einen repräsentativen Querschnitt von Entwicklungsländern durchzuführen. Dieser Ansatz wird daher zukünftiger Forschung vorbehalten bleiben. Vorarbeiten wurden aber auch auf diesem Gebiet bereits geleistet: In Abschnitt 7.5 werden Variablen beschrieben, die in einer solchen Querschnittsuntersuchung enthalten sein sollten, und in Abschnitt 7.6 wird ein möglicher Schätzansatz geschildert.

7.2 Weitere empirische Determinanten der Einkommensverteilung

Auch für die Schätzungen zu den Verteilungswirkungen ist es notwendig, andere Faktoren als Kontrollvariablen in den Ansatz aufzunehmen, um nicht irrtümlich einen zu großen Einfluss von FDI zu attestieren.

Die Auswirkungen der folgenden Faktoren beziehen sich auf die Einkommensverteilung. Damit beinhalten sie nicht nur Auswirkungen auf den Gini-Koeffizienten, sondern auch auf andere relative Einkommensmaße, wie bspw. den Anteil des unteren Einkommensquintils am Gesamteinkommen oder daraus gewonnene Maße, wie das Einkommenswachstum der ärmsten 20 Prozent. In vielen Studien werden die Armen mit dieser Bevölkerungsgruppe gleichgesetzt. Da es sich jedoch um einen relativen Armutsbegriff – wegen des ständigen Bezugs zum Einkommen(swachstum) des Durchschnitts der Bevölkerung – handelt, sollen diese Wirkungsbeziehungen im Zusammenhang mit der Einkommensverteilung und nicht mit dem Ausmaß absoluter Armut behandelt werden. Die Systematisierung der Faktoren, die sich auf die Gleichmäßigkeit der Einkommensverteilung auswirken und in empirischen Studien untersucht worden sind, orientiert sich grundsätzlich an der von de Janvry und Sadoulet [(2000), S. 270 ff.]. Diese ordnen die Faktoren den vier Kategorien Wachstum des PKE, Zusammensetzung des Wachstums, makroökonomische Stabilität sowie Struktur und Ursprungszustand zu:

Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens:

Traditionell wird dem PKE-Wachstum eine Wirkung auf das Ausmaß der Ungleichmäßigkeit der Einkommensverteilung unterstellt, die der Kuznets-Kurve folgt: Mit zunehmendem Entwicklungsstand steigt die Ungleichheit zunächst an, später sinkt sie dann wieder. Kuznets [1955] führte dies darauf zurück, dass im Industrialisierungsprozess immer mehr schlecht bezahlte Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft in den besser bezahlenden industriellen Sektor wandern.[105] Heute wird als theoretische Begründung der Kuznets-These u.a. angeführt, es könne sich bei dem Wechsel des Arbeitnehmers um den aus einem finanziell unterentwickelten Umfeld in ein Umfeld mit modernem Finanzsystem handeln [vgl. Greenwood/Jovanovic (1990), S. 1078 f.] oder um den Wechsel von einem Arbeitsumfeld, in dem eine alte Technologie angewendet wurde, in eines, in dem eine modernere Technologie zum Einsatz kommt [vgl. Aghion/Howitt (1998), S. 279 ff., Helpman (1997) und Ikemoto/Uehara (2000), S. 422].

In empirischen Untersuchungen wird der Entwicklungsstand mit dem Indikator PKE gemessen. Bei allen Einschränkungen, die man für die Aussagekraft dieses Indikators aufgrund seiner konzeptionellen und praktischen Schwächen als Entwicklungsindikator machen muss, bleibt er doch der beste verfügbare zur Messung des wirtschaftlichen Entwicklungsstandes eines Landes [vgl. Hemmer (2002), S. 9 ff.].

Grundsätzlich ist die Beweislage zu der Beziehung zwischen Einkommens-verteilung und PKE nicht deutlich genug, als dass ein positiver oder negativer Zusammenhang bestätigt werden könnte [vgl. Aghion et al. (1999), S. 1615 f. und Deininger/Squire (1998), S. 275 ff.]. Die Erfahrungen, die im Laufe des Entwicklungsprozesses gemacht wurden, sind von Land zu Land unterschiedlich ausgefallen: Bereits in den 1970er Jahren wurde die Kuznets-These von einer Vielzahl von Studien bestätigt, auch wenn diese wiederum kritisiert wurden [vgl. z.B. Weede/Tiefenbach (1981) sowie Hemmer (2002), S. 95 f. und Lipton/Ravallion (1995), S. 2606 für Zusammenfassungen und Kritiken]. Auch einige neuere Studien ermitteln eine positive Beziehung zwischen Einkommen und Ungleichheit, d.h. mit steigendem Einkommen in den Entwicklungsländern steigt die Ungleichmäßigkeit seiner Verteilung: Ravallion und Chen [1997] stellen in ihrer Stichprobe für 67 Entwicklungs- und Transformationsländer für den Zeitraum 1981-1994 bspw. fest, dass die Ungleichmäßigkeit der Einkommensverteilung mit dem PKE steigt. Außerdem finden sie einen Trend zu mehr Ungleichmäßigkeit über die Zeit. Beide Effekte verlieren jedoch ihre Signifikanz, wenn die Beobachtungen aus Osteuropa und Zentralasien ignoriert werden [vgl. Ravallion/Chen (1997), S. 370]. Ravallion und Chen machen allerdings keine Aussage darüber, welche Wirkungsbeziehungen hinter diesen Entwicklungen stehen könnten. Die einzige prominente Schätzung, die auch FDI als Determinante der Ungleichmäßigkeit der Einkommensverteilung einbezieht, kommt zu einem Ergebnis, das die Kuznets-Hypothese bestätigt [vgl. Tsai (1995), S. 475 u. 479]. Diese Studie stellt in einer Querschnittsuntersuchung für 35 Länder nicht auf das Wachstum des PKE ab, sondern auf sein Niveau. Für das kurzfristige wirtschaftliche Wachstum kommt sie zu einem anderen Ergebnis: Dieses deutet auf eine nivellierende Wirkung des Wachstums hin, auch wenn hier nicht alle Koeffizienten signifikant sind. Werden aber regionale Dummyvariablen berücksichtigt, verlieren die Koeffizienten für das kurzfristige Wirtschaftswachstum ihre Signifikanz [vgl. Tsai (1995), S. 477 ff.]. In einem deskriptiven Beitrag für Lateinamerika wird ermittelt, dass sich die Ungleichheit antizyklisch zum Wirtschaftswachstum verhält. Insbesondere Rezessionen sind mit steigender Ungleichheit verbunden [vgl. Psacharopoulos et al. (1995), S. 253]. Birdsall und Londoño [(1997b), S. 35] errechnen eine Einkommenselastizität von deutlich über eins, mit der das Einkommen der ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung auf eine allgemeine Einkommens-steigerung reagiert, so dass auch hier tendenziell mit einer abnehmenden Ungleichmäßigkeit der Einkommensverteilung zu rechnen ist. In einem differen-zierteren Ansatz stellt Barro [(2000), S. 24 f.] fest, dass sich durchaus eine Kuznets-Kurven-förmige Beziehung zwischen dem Gini-Koeffizienten und dem Logarithmus des BIP pro Kopf ermitteln lässt. Die meisten Studien kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass wirtschaftliches Wachstum die Einkommens-verteilung nicht signifikant beeinflusst: Beispielsweise finden Deininger und Squire [(1996), S. 587] keinen Beweis, dass Wachstum die Ungleichmäßigkeit der Einkommensverteilung vermindert. Auch de Janvry und Sadoulet [(2000), S. 281] können nur feststellen, dass Wachstum in Lateinamerika (1970-1994) die Ungleichmäßigkeit der Einkommensverteilung weder signifikant verringert noch erhöht hat. Bussmann, de Soysa und Oneal [(2002), S. 15] finden zwar in einem Querschnitt von Ländern Unterstützung für die Kuznets-These, bei der Betrachtung einzelner Länder ergeben sich aber keine signifikanten Ergebnisse. Gemessen an den Einkommensquintilen ergibt sich ein gemischtes Bild, das nur in seiner Ablehnung der Kuznets-These einheitlich ist: Zwei prominente Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die eine stellt fest, dass das Einkommen der ärmsten 20 Prozent mit der gleichen Rate wächst wie das Durchschnittseinkommen [vgl. Dollar/Kraay (2000), S. 20 ff.], während in der anderen festgestellt wird, dass Investitionen zur Einkommenssteigerung aller Quintile beitragen, in besonderem Maße aber zu dem der unteren [vgl. Deininger/Squire (1998), S. 284]. Ergebnisse, die keinen signifikanten Zusammenhang feststellen konnten – und damit die Existenz der Kuznets-Kurve negieren –, lieferten bereits ältere Studien [vgl. Papanek/Kyn (1987), S. 32].[106]

Mit den sich einstellenden Wachstumserfolgen kommt es eindeutig zu größeren Verteilungsspielräumen, da der Kuchen, den es insgesamt zu verteilen gibt (das BIP), größer wird. Wenn eine gleichmäßigere personelle Einkommensverteilung angestrebt wird, so wächst mit steigendem Einkommen das Potenzial zur Umverteilung durch den Staat. Allerdings kann sich eine höhere Besteuerung evtl. wiederum negativ auf das Wachstum auswirken. Insgesamt hat sich die Redistribution von Einkommen nicht als langfristig wirksame Maßnahme zur Verbesserung der Einkommensverteilung erwiesen. Aus diesem Grund ist auch der Effekt von Wachstum auf Armut durch Schaffung neuer Arbeitsplätze von entscheidender Bedeutung [vgl. IFC (2000), S. 25].

Die Effekte variieren evtl. auch je nach Umfeld, in dem sich der Wachstumsprozess vollzieht [vgl. hierzu die Ausführungen zu Struktur und Ursprungszustand].

Als Fazit aus den bisherigen empirischen Arbeiten über die Auswirkungen von Wirtschaftswachstum auf die Ungleichheit der Einkommensverteilung kann man nur von widersprüchlichen Ergebnissen sprechen, die keinen eindeutigen Schluss zulassen.

Zusammensetzung des Wachstums:

Während zuletzt aufgezeigt wurde, wie der Wachstumsprozess allgemein auf die Einkommensverteilung wirken kann, soll nun das Augenmerk auf bestimmte Eigenschaften des Wachstums selbst gerichtet werden. Gemeint ist die Differenzierung danach, in welchen Regionen und Wirtschaftssektoren das Wachstum stattfindet und wie stetig es sich vollzieht. Die Zusammensetzung des Wachstums spielt insbesondere eine Rolle, wenn die Auswirkungen von Wachstumsepisoden betrachtet werden. Wichtiger noch als für die Auswirkungen auf die Ungleichheit ist die Zusammensetzung des Wachstums für die Effekte auf die absolute Armut [vgl. Abschnitt 7.5].

Zum einen können Länder mit ähnlichen Wachstumsraten sehr unterschiedliche Auswirkungen auf die Einkommensverteilung verzeichnen, je nachdem wie die regionale und sektorale Zusammensetzung des Wachstums aussieht. Wenn sich das Wachstum nicht in Regionen und Sektoren einstellt, in denen die ärmeren Bevölkerungsschichten ihr Einkommen erzielen und Migration nur schwer möglich ist, kann Wachstum zu steigender Ungleichheit führen. Das Wirtschaftswachstum Chinas in den 1980er und 1990er Jahren ist ein solches Beispiel, da es v.a. in relativ wohlhabenden urbanen Regionen stattfand [vgl. World Bank (2000b), S. 53]. In der sektoralen Betrachtung kommt der Landwirtschaft und dem Dienstleistungssektor besondere Bedeutung zu, da dort i.d.R. sehr viel arbeitsintensiver produziert wird, folglich Wachstum in diesen Bereichen mehr Arbeitsplätze schafft und damit Einkommensungleichheiten abbauen hilft.

Zum anderen ist die Stabilität des Wachstums wichtig. Meist werden mehrjährige Perioden untersucht, innerhalb derer es erhebliche Schwankungen des Wachstums gegeben haben kann, die aber i.d.R. nicht ausgewertet werden. Dollar und Kraay [(2000), S. 22 f.] finden zwar in ihrer Studie keine Anzeichen, dass die Einkommen der ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung in Krisenzeiten in besonderem Maße gelitten hätten, es ist aber denkbar, dass sich bestimmte Entwicklungen der Wachstumsrate unterschiedlich auf die Ungleichmäßigkeit auswirken, z.B. dass die Auswirkungen von Boom und Rezession variieren. De Janvry und Sadoulet [(2000), S. 281 f.] ermitteln, dass sich für Einkommensänderungen grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Ungleichmäßigkeit der Einkommensverteilung ermitteln lassen. Es ergeben sich aber Unterschiede, wenn zwischen Phasen des Booms und der Rezession unterschieden wird und die Auswirkungen separat geschätzt werden. Es zeigt sich dann, dass sich die Ungleichheit in Zeiten des Booms nicht wesentlich ändert, in Zeiten der Rezession aber zunimmt.

Makroökonomische Stabilität:

Makroökonomische Stabilität ist ein wichtiger Faktor, der das wirtschaftliche Wachstum an sich stark beeinflusst. Aber auch auf die Einkommensverteilung kann sie sich auswirken und wird daher auch in Studien zur Ungleichheit aufgenommen. Gravierendere Auswirkungen hat makroökonomische Stabilität allerdings in erster Linie auf das Ausmaß absoluter Armut [vgl. Abschnitt 7.5]. Nach innen zeigt sich makroökonomische Stabilität v.a. in geringer Inflation, während sie sich nach außen in einer geringen Wechselkursvolatilität niederschlägt.[107]

Durch ihre wachstumshemmende Wirkung schadet die Inflation der gesamten Volkswirtschaft [vgl. Abschnitt 5.2], die Ungleichheit der Einkommens-verteilung kann von ihr aber zusätzlich noch verstärkt werden. Meist wird davon ausgegangen, dass nur eine hohe Inflation – i.d.R. wird von über zehn Prozent als Schwellenwert ausgegangen – negativ wirkt, während eine niedrigere Inflation grundsätzlich keine negativen Auswirkungen hat. In einer Studie der Weltbank [vgl. Dollar/Kraay (2000), S. 24] werden bspw. Hinweise darauf gefunden, dass sich Inflation negativ auf das Einkommenswachstum der ärmeren Bevölkerungsschichten auswirkt und dadurch die Ungleichheit erhöhen kann. Zum einen halten die Armen i.d.R. einen großen Teil ihres Besitzes in Bargeld und werden daher von der Inflation, die auch als „Steuer auf Bargeldhaltung“ bezeichnet wird, besonders hart getroffen. Zum anderen vermindert Inflation die Reallöhne. Da die Armen Einkommen fast ausschließlich als Lohn für ihre Arbeitskraft beziehen, werden sie hier – bspw. im Vergleich zu Grundbesitzern – ebenfalls härter getroffen. Schließlich werden die Kosten von grundlegenden wirtschaftspolitischen Kehrtwendungen, die bei wirtschaftlicher Instabilität und hoher Inflation notwendig und von vielen Entwicklungsländern mit Hilfe des IMF durchgeführt werden (Struktur-anpassungsprogramme), insbesondere von den Armen getragen [vgl. Morley (1995), S. 160 und Hemmer/Marienburg (2000), S. 32 ff.]. Diese leiden damit sowohl unter der Inflation als auch kurzfristig unter den Maßnahmen der Inflationsbekämpfung. Diese Hinweise speisen sich in der Studie der Weltbank allerdings insbesondere aus einigen Beobachtungen von Ländern mit Hyperinflation.

Als Umverteilungsmechanismus können theoretisch auch Wechsel-kursänderungen der heimischen Währung wirken: Insbesondere bei Währungsabwertungen – z.B. im Rahmen von Strukturanpassungsprogrammen – sind schon sinkende Löhne im formalen, meist städtischen Sektor beobachtet worden. Dagegen kann es zu Einkommenssteigerungen auf dem Land kommen, wenn die Farmer handelbare Güter herstellen und von den Weltmarktpreisen profitieren [vgl. Bourguignon et al. (1991), S. 1499]. In einem theoretischen Modell wird bei einer Abwertung eine Verschiebung der funktionellen Einkommensverteilung von Löhnen zu Kapitaleinkünften erwartet [vgl. Krugman/Taylor (1978), S. 449]. Dies muss aber nicht so sein: Durch eine Abwertung profitiert der Exportsektor einer Volkswirtschaft. Wird in diesem arbeitsintensiv produziert, so kann es zu ungleichheitsverringernden Effekten kommen. Ist die Produktion dieses Sektors aber kapitalintensiv, so ist aufgrund der Kapitalkonzentration auf wenige Personen tatsächlich mit ungleichheits-erhöhenden Wirkungen auf die personelle Einkommensverteilung zu rechnen. Die Ungleichmäßigkeit der Einkommensverteilung kann aber auch verringert werden, wenn sich die Einkommen der städtischen und ländlichen Armen bei einer Abwertung besser verhalten als die der Arbeiter im formalen Sektor, die i.d.R. besser verdienen. Einige Untersuchungen über Abwertungen im Rahmen von Strukturanpassungsprogrammen zeigen diesen Zusammenhang [vgl. Sahn et al. (1996), S. 726 und Bourguignon et al. (1991), S. 1502]. Insgesamt ist die theoretische und empirische Basis über die Auswirkungen von Währungsänderungen auf die Ungleichheit eines Landes aber nicht sehr aussagekräftig, da es sich um einen sehr komplexen Zusammenhang handelt, der sehr stark von den Umständen des Einzelfalls abhängt.

Struktur und Ursprungszustand:

Unter Struktur und Ursprungszustand werden alle sonstigen ein Land kennzeichnenden Attribute von Relevanz zusammengefasst.

Das Ausmaß staatlicher Aktivitäten kann unterschiedlich auf die Einkommensverteilung wirken. Theoretisch kann es zu mehr Umverteilung kommen, welche bspw. zu einem niedrigeren Gini-Koeffizienten führt. Es kann aber auch sein, dass umfangreiche staatliche Aktivität auf starke Eingriffe in den Markt- und Preismechanismus hindeutet, die vielfach besonders arme Bevölkerungsschichten benachteiligen und sich damit in einem höheren Gini-Koeffizienten ausdrücken könnten. Empirisch lässt sich ein Effekt schwer nachweisen. So wirkt zwar eine Reduktion des staatlichen Konsums positiv auf das PKE, die Umverteilungswirkungen sind aber in Schätzungen nicht immer nachzuweisen [vgl. Dollar/Kraay (2000), S. 8]. Der Koeffizient der entsprechenden Variablen weist allerdings in dieser Studie darauf hin, dass es zusätzliche Umverteilungswirkungen zugunsten der unteren Bevölkerungs-schichten geben könnte, wenn makroökonomische Stabilität im Sinne geringer Inflation gegeben ist. Dies korrespondiert mit den Erkenntnissen, dass der staatliche Konsum ein Faktor ist, der sich negativ auf das Einkommen der ärmsten 20 Prozent auswirkt [vgl. Dollar/Kraay (2000), S. 24]. Die Ergebnisse einiger älterer Studien deuten ebenfalls darauf hin, dass höhere Staatsausgaben bzw. höhere Staatstätigkeit nicht zu höherer Gleichmäßigkeit der Einkommens-verteilung führen [vgl. Papanek/Kyn (1987), S. 30 f. oder Weede/Tiefenbach (1981), S. 270 f.]. Im Gegensatz dazu stellt Tsai [(1995), S. 475 u. 479] in seiner Schätzung, in die auch FDI mit eingehen, einkommensnivellierende Wirkungen der Staatsausgaben fest.

Tsai [(1995), S. 475 u. 479] ermittelt eine höhere Ungleichheit der Einkommensverteilung bei einem höheren Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten an den Gesamtbeschäftigten. Diese Ergebnisse sind zwar in allen Schätzungen ähnlich, allerdings nicht signifikant. Auch in anderen Untersuchungen zu den Ursachen von Ungleichheit wurden die Produktivität und Größe des Landwirtschaftssektors im Verhältnis zur restlichen Volkswirtschaft untersucht. Zum Beispiel wurde ermittelt, dass der Gini-Koeffizient umso geringer war, je größer der Anteil der Landwirtschaft an der Gesamtbeschäftigung war [vgl. Nielsen (1994), S. 669 ff.]. Eine andere Studie benutzt den Anteil der Landwirtschaft am Inlandsprodukt eines Landes: Je größer dieser war, desto größer war auch die dort herrschende Einkommensgleichheit [vgl. Bussmann et al. (2002), S. 13]. Die bisher gewonnenen Ergebnisse sind damit widersprüchlich. Zum Teil wird auch die relative Arbeitsproduktivität des industriellen zum Agrarsektor als Ausdruck für ökonomischen Dualismus mit in Ungleichheitsschätzungen aufgenommen. Je größer der Dualismus, desto größer auch die Ungleichheit [vgl. Bourguignon/Morrisson (1998), S. 240 und Bussmann et al. (2002), S. 27]. Aufgrund seiner großen Bedeutung für die absolute Armut [vgl. Abschnitt 7.5] ist grundsätzlich anzunehmen, dass der Landwirtschaftssektor für die Ungleichheit der Einkommensverteilung eine wichtige Rolle spielt.

In Bezug auf den Einfluss der Offenheit eines Landes bzw. des Handels, findet Tsai Unterstützung für das Faktorpreisausgleichstheorem der traditionellen Handelstheorie und die daraus abgeleiteten Verteilungswirkungen. Handel sorgt demnach durch verstärkten Wettbewerb und höheres Wachstum – für Entwicklungsländer v.a. durch Spezialisierung auf arbeitsintensive Produktion und die damit einhergehende Steigerung des Lohnes für ungelernte Arbeit – auch für eine gleichmäßigere Einkommensverteilung in Entwicklungsländern. Die empirischen Ergebnisse unterstützen diese Aussage, sind aber nicht robust und die Signifikanz schwindet bei Einbezug von regionalen Besonderheiten [vgl. Tsai (1995), S. 476 f. u. 479]. Im Rahmen der Globalisierungsdiskussion wurde aber immer wieder darauf hingewiesen, dass es auch in Entwicklungsländern v.a. gebildete und reichere Bevölkerungsgruppen sind, die von der zunehmenden weltwirtschaftlichen Verflechtung profitierten, da sie die daraus resultierenden Chancen besser nutzen können.[108] Die daraus folgenden Schlüsse für die Ungleichmäßigkeit der Einkommensverteilung sind das genaue Gegenteil von dem, was die traditionelle Handelstheorie aussagt. Durch Handel wird der Transfer neuer Technologien verstärkt. Wenn dieser sich v.a. auf kapitalintensive Technologien bezieht, steigt die Entlohnung für Humankapital, ungelernte Arbeitskräfte werden weniger nachgefragt und müssen damit – eine endliche Angebotselastitzität der Arbeit vorausgesetzt – sinkende Löhne hinnehmen, die zu einer steigenden Ungleichheit führen [vgl. Pissarides (1997), S. 17 f. und Wood (1997), S. 55].[109] Zunehmende Offenheit von Entwicklungsländern führt somit zu höherer Ungleichheit der Einkommens-verteilung, wofür empirische Belege existieren [vgl. Barro (2000), S. 27 f.]. Dem widersprechen Ergebnisse der Weltbank, die für verschiedene Offenheitsmaße keine negative Beziehung zum Wachstum des Durch-schnittseinkommens der ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung feststellten. Das durch Handel angetriebene Wachstum wirke sich proportional einkommens-steigernd für alle Einkommensquintile aus [vgl. Dollar/Kraay (2001), S. 24 f.]. Insgesamt ergibt sich damit ein uneinheitliches Bild der empirischen Ergebnisse zu den Auswirkungen von Offenheit auf die Ungleichmäßigkeit der Einkommensverteilung in einem Land.

Auch die These, Demokratie und Rechstsstaatlichkeit wirkten sich nivellierend auf die Einkommensverteilung aus, findet ein geteiltes Echo in der Empirie: Ein Index für Wählerrechte zeigte keine signifikante Korrelation mit dem Gini-Koeffizienten [vgl. Barro (2000), S. 27]. Dafür zeigte sich, dass bessere Werte eines Rule of law-Indexes mit einem höheren Einkommen der ärmsten 20 Prozent verbunden sind. Ein Maß für formale demokratische Institutionen zeigt sich hierfür ebenfalls teilweise signifikant positiv, allerdings ist dieses Ergebnis nicht robust [vgl. Dollar/Kraay (2000), S. 25 ff.]. In einer anderen Untersuchung ergibt sich ein gerade noch signifikantes Ergebnis für den Rule of law-Indikator als Erklärung für den Gini-Koeffizienten. Der negative Koeffizient dieser Schätzung bedeutet, dass eine stärkere Durchsetzung der Gesetze mit geringerer Ungleichheit einhergeht [vgl. Barro (2000), S. 26]. In einer Untersuchung, in die auch FDI als erklärende Variable eingehen, konnte für die Dauer, die ein Land bereits demokratisch ist, kein signifikanter Koeffizient ermittelt werden [vgl. Bussmann et al. (2002), S. 16]. Bereits die Ergebnisse älterer Untersuchungen zeigen, dass die Resultate für den Einfluss von Demokratie auf die Einkommensverteilung uneinheitlich sind. Je nach verwendetem Datensatz und Vorgehensweise ergaben sich signifikante oder insignifikante Ergebnisse [vgl. Weede/Tiefenbach (1981), S. 268 f. und Bussmann et al. (2002), S. 12].

Demographische Variablen sind ebenfalls wichtig, z.B. das Bevölkerungswachstum und die Aufteilung der Bevölkerung auf Stadt und Land [vgl. Fields (1980), S. 17]. Da das Bevölkerungswachstum in den ärmeren Schichten i.d.R. höher ist, wird erwartet, dass höheres Bevölkerungswachstum zu mehr Ungleichheit führt [vgl. Bussmann et al. (2002), S. 14]. Es wurde bspw. bereits eine positive Beziehung zwischen der Ungleichmäßigkeit der Einkommensverteilung und der Fertilitätsrate festgestellt: Barro [(2000), S. 17] erhält, wenn er beide Variablen zur Erklärung des Wirtschaftswachstums einsetzt, keine signifikanten Ergebnisse. Wird die Fertilitätsrate vernachlässigt, ergibt sich für den Gini-Koeffizienten dagegen eine signifikant negative Korrelation; Ergebnisse, die auf Multikollinearität hindeuten.

Eine gleichmäßigere Verteilung von Humankapital, Land und anderen Produktionsfaktoren bedeutet eine gleichmäßigere Verteilung der Möglichkeiten zur Einkommenserzielung [vgl. Thomas et al. (2000a), S. XXVII]. Der Faktor Bildung spielt hier eine besondere Rolle, weshalb er genauer erläutert werden soll: Höhere Einschulungsraten machen die Verteilung der Bildung gleichmäßiger und reduzieren durch höhere Produktivität und Entlohnung der ärmeren Bevölkerungsschichten auch die Ungleichmäßigkeit der Einkommensverteilung.[110] Für Ostasien spielten z.B. Politikmaßnahmen, die generell Alphabetisierung herstellten, sowohl eine wichtige Rolle in Bezug auf Produktivitätssteigerungen als auch auf gleichmäßigere Einkommens-verteilungen [vgl. Stiglitz (1996), S. 168]. Tsai [(1995), S. 477 ff.], der FDI mit in die Schätzungen aufnimmt, kommt dagegen nicht zu einer Bestätigung dieser Ergebnisse: Die Koeffizienten für die Indikatoren, die Humankapital repräsentieren sollen (Alphabetisierung und Einschulungsrate), zeigen keine Signifikanz und haben zum Teil das entgegengesetzte Vorzeichen. Birdsall und Londoño [(1997a), S. 18 ff. und (1997b), S. 35 f.] beziehen die Gleichmäßigkeit der Verteilung von Humankapital bzw. Ausbildung – gemessen an der Standardabweichung des Indikators der durchschnittlichen Schuljahre – in ihre Wachstumsschätzungen mit ein und ermitteln einen negativen Effekt der ursprünglich herrschenden Ungleichmäßigkeit der Verteilung von Bildung auf das Wachstum allgemein und besonders ausgeprägt auf das Einkommenswachstum des untersten Einkommensquintils. Barro [(2000), S. 21] ermittelt eine signifikant negative Korrelation von Primarschulbildung und Ungleichmäßigkeit, d.h. mehr Primarschulbildung geht mit einer gleichmäßigeren Einkommensverteilung einher; Sekundarschulbildung ist negativ, aber insignifikant und höhere Bildung ist signifikant positiv mit der Ungleichmäßigkeit korreliert. Papanek und Kyn [(1987), S. 31 f.] untersuchen ebenfalls den Zusammenhang zwischen dem Gini-Koeffizienten und Bildung. Sie weisen darauf hin, dass die Signifikanz der ungleichheitsmindernden Wirkung von Bildung verloren geht, wenn weitere sozio-ökonomische Variablen oder regionale Dummyvariablen hinzugefügt werden, da diese meist stark mit Bildung korreliert sind. Grundsätzlich bestätigen diese Autoren aber die einkommensnivellierende Wirkung von breiteren Bildungsanstrengungen.

Das Ausgangsniveau des PKE wird neben dessen Wachstum und Struktur ebenfalls zur Erklärung von Ungleichheit herangezogen [vgl. hierzu die Ausführungen unter Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens].

Aus dieser Auflistung von erklärenden Faktoren für Ungleichheit sollten einige herausgehoben werden, die in empirischen Ansätzen enthalten sein müssen: Zum einen ist wirtschaftliches Wachstum bzw. das Niveau des PKE als zentrale Determinante der Ungleichheit mit aufzunehmen. Zum anderen ist es notwendig einen Kranz von Indikatoren zu formen, der Struktur und Ursprungszustand eines Landes gut abbildet. Den Indikatoren der Kategorien „Zusammensetzung des Wachstums“ und „Makroökonomische Stabilität“ ist dagegen nicht in jedem Fall diese Bedeutung zuzumessen. Je nach Fragestellung kann es sinnvoll sein sie mit in einen Schätzansatz aufzunehmen. Insbesondere wenn längere Perioden betrachtet werden, ist es zweckmäßig die durchschnittliche Wachstumsgröße mit Indikatoren – wie z.B. der Stabilität des Wachstums, der Inflation oder der Wechselkursänderungen – zu ergänzen, die etwas über die Stabilität der Entwicklung aussagen. Die Differenzierung nach Regionen oder Sektoren, in denen das Wachstum stattgefunden hat, ist allerdings eher Analysen vorbehalten, die sich mit einzelnen Ländern beschäftigen.

7.3 Eigene Untersuchungen zum Gini-Koeffizienten

Dieser Abschnitt geht in erster Linie der Frage nach, wie sich FDI auf die Einkommensverteilung in Entwicklungsländern auswirken. Dabei wird zunächst die Schätzgleichung von Tsai [1995] vorgestellt, die daraufhin mit neueren Daten erneut geschätzt wird. Dabei wird der Gini-Koeffizient als Indikator für die Ungleichheit der Einkommensverteilung in Beziehung zu potenziellen Ursachen gesetzt. Tsai hat sich dabei für die in Tabelle 14 dargestellte Auswahl von Indikatoren entschieden. Sowohl das PKE-Niveau als auch das kurzfristige Wachstum gehen in diesen Ansatz als erklärende Variablen ein. Zur Beschreibung von „Struktur und Ursprungszustand“ der Länder in der Stichprobe werden das Ausmaß der staatlichen Ausgaben, der Anteil der Landwirtschaft, die Offenheit gemessen am Handel und zwei Humankapitalvariablen herangezogen. Tsai beschränkt sich bei diesen Variablen explizit auf solche, die objektiv bestimmbar sind. Indikatoren, die subjektive Eindrücke verarbeiten, wie dies bspw. bei Maßen für den Demokratisierungsgrad eines Landes der Fall wäre, schließt er aus den Schätzungen aus. Da in diesem Ansatz die absolute Höhe des Gini-Koeffizienten erklärt werden soll und nicht eine Änderung in einer vorgegebenen Periode, ist die Vernachlässigung der beiden Kategorien von Faktoren „Zusammensetzung des Wachstums“ und „Makroökonomische Stabilität“ kein großes Defizit dieses Ansatzes, der lange die einzige empirische Arbeit zu dieser Fragestellung für einen Querschnitt von Ländern darstellte und der mit den Ansätzen in den wenigen späteren Arbeiten anderer Autoren weitgehend übereinstimmt. Im Rahmen der eigenen Schätzungen werden die Auswirkungen von FDI – über den Ansatz von Tsai hinaus – nach verschiedenen Ländergruppen differenziert.

7.3.1 Verwendete Indikatoren und Ergebnisse im Ansatz von Tsai

Tsai [(1995), S. 472 f.] verwendet, gestützt auf Plausibilitätsüberlegungen, folgende Schätzgleichung:

GINI = c0 + c1LNPCGP + c2LNPCGP2 + c3FDIS + c4GOV + c5AGRIL

+ c6TRADE + c7GPCGP + c8HCAP + ε (G-1)

|Variable |Bedeutung |Quelle bei Tsai |Quellen für eigene Schätzungen und Änderungen im|

| | | |Vergleich zu Tsai (wenn vorgenommen) |

|GINI |Gini-Koeffizient mal 100 |Fields (1989), ergänzt um einige |Deininger/Squire (1996) |

| | |wenige Daten aus dem World | |

| | |Development Report der Weltbank [vgl.| |

| | |World Bank (versch. Jahrgänge a)] | |

|LNPCGP |Logarithmus des realen BIP |Summers/Heston (1984) |Global Development Network (2002) |

| |pro Kopf in internationalen | |Es werden konstante Preise von 1985 zu Grunde |

| |Preisen von 1975 | |gelegt. |

|LNPCGP2 |Quadrat von LNPCGP |Summers/Heston (1984) |Siehe LNPCGP |

|FDIS |FDI-Bestand im Verhältnis zum|UNCTC (1983), ergänzt um Daten aus |UNCTAD FDI/TNC Database [vgl. UNCTAD (2001a)] |

| |BIP mal 100 |Dunning/Cantwell (1987) und aus IMF | |

| | |(versch. Jahrgänge) | |

|GOV |Anteil der staatlichen |Summers/Heston (1984) |World Development Indicators CD-ROM [vgl. World |

| |Ausgaben am BIP mal 100 | |Bank (2000a)] |

| | | |Anteil des staatlichen Konsums am BIP mal 100 |

|AGRIL |Anteil der in der |World Tables der Weltbank [vgl. World|FAOSTAT Agricultural Data Database [vgl. FAO |

| |Landwirtschaft Beschäftigten |Bank (versch. Jahrgänge b)] |(2002)]: Verhältnis: economically active |

| |an der gesamten arbeitenden | |population in agriculture/economically active |

| |Bevölkerung; definiert in | |population. |

| |Anlehnung an Adelman/Morris | | |

| |[1973] | | |

|TRADE |Anteil der Summe aus Exporten|World Tables der Weltbank [vgl. World|World Development Indicators CD-ROM [vgl. World |

| |und Importen am BIP mal 100 |Bank (versch. Jahrgänge b)] |Bank (2000a)] |

|GPCGP |Durchschnittliche jährliche |Summers/Heston (1984) |Siehe LNPCGP |

| |Wachstumsrate des BIP pro | | |

| |Kopf für die letzten drei | | |

| |Jahre | | |

|HCAP: LIT |Alphabetisierungsrate |Compendium of Statistics on |Illiteracy rates der UNESCO [vgl. World Bank |

| | |Illiteracy (1988, 1990) der UNESCO |(2000a)] |

| | |[vgl. UNESCO (versch. Jahrgänge a)] | |

|HCAP: SEC |Sekundareinschulungsraten |World Tables der Weltbank [vgl. World|UNESCO Institute for Statistics Database [vgl. |

| | |Bank (versch. Jahrgänge b)] |UNESCO (2002)], ergänzt um Daten aus |

| | | |verschiedenen Bänden des UNESCO Statistical |

| | | |Yearbook [vgl. UNESCO (versch. Jahrgänge b)] |

Tabelle 14: Variablen und Datenquellen für Tsai (1995) und eigene Schätzungen.

Die von Tsai in der Schätzung verwendeten Variablen sind in Tabelle 14 aufgeführt; ε stellt einen normalverteilten Störterm dar. Zu beachten ist, dass für HCAP zwei verschiedene Indikatoren, entweder allein oder in Kombination, eingesetzt werden.[111]

Für HCAP wird der Wert zehn Jahre vor dem entsprechenden Gini-Wert verwendet, bei allen anderen Variablen ein Durchschnitt des Jahres des Gini-Wertes und der beiden vorhergehenden Jahre. Mit dieser Spezifikation erhält Tsai für den Zeitraum 1968-1981 eine Stichprobe von 60 Beobachtungen aus 35 Ländern. Schätzmethode ist die Gewöhnliche Kleinste-Quadrate-Methode (ordinary least squares). Diese wendet er auf vier Teilstichproben an. Die Ergebnisse sind in Tabelle 15 dargestellt. Tsai verwendet in seiner Darstellung der Aussagefähigkeit der Ergebnisse nicht den p-Wert, der hier bereits bei den Auswirkungen von FDI auf das Wirtschaftswachstum herangezogen wurde [vgl. Kapitel 5], sondern den t-Wert [vgl. Auer (1999), S. 97 ff.]. Der Autor hält den p-Wert für sinnvoller, da dieser leicher zu interpretieren ist und ohne zusätzliche Informationen über Schwellenwerte auskommt. In den folgenden Darstellungen der eigenen Schätzungen wird daher mit dem p- und nicht dem t-Wert gearbeitet. Für die Darstellung der Ergebnisse von Tsai sind allerdings nur Angaben zu den t-Werten verfügbar. Der Umfang der vier Teilstichproben ist wie folgt zusammengesetzt:

1. Alle Beobachtungen, bis auf sieben einflussreiche Ausreißer (Schätzungen 1.1 – 1.3);

2. Fälle mit FDIS > 100 oder FDIS  0), diese Steigerung aber mit wachsendem BIP abnimmt (LNPCGP2  100 oder FDIS  0), der aber unterproportional zum Anstieg des PKE ausfällt. LNPCGP bleibt allerdings in den bisherigen Schätzungen insignifikant. Die gleichen Ergebnisse lieferte die Schätzung mit beiden Humankapitalindikatoren (1.3). Die Erklärungskraft der Schätzungen 1.1 – 1.3 erweist sich mit einem korrigierten R2 von maximal 0,1 als äußerst gering. Dementsprechend vorsichtig müssen diese Ergebnisse interpretiert werden.[120]

In Teilstichprobe 2, welche die Daten für Länder, die sehr wenig oder sehr viel FDI im Verhältnis zum BIP aufweisen, nicht mehr enthält, zeigen sich andere Ergebnisse. In Schätzung 2.1 zeigt sich ein schwach signifikant positiver Koeffizient des Anteils der in der Landwirtschaft Beschäftigten an der gesamten Beschäftigung (AGRIL), der auf eine höhere Ungleichheit in Ländern mit höherem Beschäftigtenanteil in der Landwirtschaft hinweist. Alle anderen Koeffizienten bleiben insignifikant. Wird LIT an Stelle von SEC verwendet (Schätzung 2.2), erweist sich dieser Koeffizient als signifikant. Hinzu kommen noch eine Reihe schwach signifikanter Koeffizienten. Zum einen gilt dies für den negativen Koeffizienten des logarithmierten PKE (LNPCGP) und den positiven Koeffizienten von dessen Quadrat (LNPCGP2). Dies deutet wieder darauf hin, dass die Ungleichheit mit zunehmendem PKE sinkt, der Effekt einer zusätzlichen Einheit, um die das PKE steigt, aber abnimmt. Ebenfalls schwach signifikant zeigen sich das kurzfristige Wirtschaftswachstum (GPCGP) und der Indikator für die Offenheit eines Landes (TRADE). Beide weisen negative Koeffizienten auf, d.h. höheres kurzfristiges Wirtschaftswachstum und größere Offenheit wirkten ungleichheitsmindernd. In Schätzung 2.3, in der beide Humankapitalvariablen enthalten sind, erfahren allerdings nur die Ergebnisse zu AGRIL und GPCGP mit schwacher Signifikanz Bestätigung. Hinzu kommt ein signifikant negatives Ergebnis für die Analphabetenquote LIT: Eine höhere Analphabetenquote würde demnach mit einer gleichmäßigeren Einkommensverteilung einher gehen.[121] Auch die Ergebnisse dieser zweiten Teilstichprobe haben nur eine geringe Erklärungskraft. Aussagen sollten daher nicht nur aufgrund dieser Ergebnisse gemacht werden.

Die Ergebnisse von Teilstichprobe 3, bei der die Daten sehr offener Länder aus der Stichprobe gestrichen sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen: In allen drei Schätzungen weist AGRIL signifikant positive und GPCGP hochsignifikant negative Koeffizienten auf. Lediglich in Schätzung 3.3 zeigt sich zusätzlich LIT schwach signifikant negativ. Alle drei Schätzungen weisen eine deutlich höhere Erklärungskraft auf als die Schätzungen 1.1 – 2.3, aber mit einem korrigierten R2 von maximal 0,175 ist diese immer noch gering.

Da für Teilstichprobe 4 nur eine Beobachtung für ein Land mit besonders hohem staatlichen Anteil am BIP aus Teilstichprobe 3 gestrichen wird, ist es nicht erstaunlich, dass die Ergebnisse der beiden Teilstichproben sehr ähnlich sind. Die Schätzungen unterscheiden sich nur durch das in Schätzung 4.1 schwache Signifikanzniveau des Koeffizienten für AGRIL. In Schätzung 3.1 war AGRIL noch signifikant. Außerdem ist die Erklärungskraft für die Schätzungen grundsätzlich etwas geringer als für Teilstichprobe 3.

Fasst man die Ergebnisse der Schätzungen für diese Stichprobe mit ihren vier Teilstichproben zusammen, so kann kein signifikanter Einfluss von FDIS auf den Gini-Koeffizienten festgestellt werden. Es ist allerdings möglich, einen einkommensnivellierenden Effekt kurzfristigen Wirtschaftswachstums zu attestieren, da GPCGP (mit z.T. divergierenden Signifikanzniveaus) jeweils einen negativen Koeffizienten aufweist. Nicht ganz so signifikant, aber dennoch deutlich wird der ungleichheitserhöhende Einfluss, den der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigen an der Gesamtbeschäftigung aufweist. Für das PKE-Niveau (LNPCGP und LNPCGP2) und die Analphabetenrate (LIT) sind zwar Hinweise auf von diesen ausgehende Effekte vorhanden, diese sind allerdings nicht durchgehend aufzufinden. Grundsätzlich ist die Erklärungskraft dieser Schätzungen deutlich geringer als die von Tsai. Dementsprechend vorsichtig sind sie zu interpretieren.

Die bisher verwendeten vier Teilstichproben werden wie bei Tsai um regionale Dummyvariablen für Lateinamerika (LA) und Ost-/Südostasien (AS) sowie Interaktionsvariablen zwischen diesen und FDIS erweitert (LAFDIS und ASFDIS) [vgl. Gleichung G-2]. Die Tabellen 18 und 19 zeigen die Ergebnisse dieser Schätzungen, die im Unterschied zu Tsai als Humankapitalvariable(n) nicht nur SEC (Schätzungen .1), sondern alternativ (Schätzungen .2) oder kombiniert (Schätzungen .3) auch LIT enthalten.

Für die Gesamtstichprobe mit 82 Beobachtungen zeigt sich für GPCGP keinerlei Signifikanz, d.h. der einkommensnivellierende Einfluss kurzfristigen Wirtschaftswachstums kann bei Berücksichtigung regionaler Unterschiede nicht bestätigt werden; dies legt eine regionale Konzentration höherer bzw. niedrigerer Wachstumsraten nahe. Der ungleichheitserhöhende Effekt des Anteils der in der Landwirtschaft Beschäftigten an der Gesamtbeschäftigung erweist sich dagegen auch hier in allen drei Schätzungen als signifikant. Schwach signifikant negativ zeigt sich auch das logarithmierte PKE (LNPCGP) und mindestens schwach signifikant positiv dessen Quadrat (LNPCGP2). Dies bestätigt den bereits oben angedeuteten ungleichheitsvermindernden Effekt eines höheren PKE. Von den neu hinzugekommenen Variablen zeigt sich nur die regionale Dummyvariable für Lateinamerika (LA) hochsignifikant. In den Ländern Lateinamerikas ist das Ausmaß der Ungleichheit grundsätzlich deutlich höher als in den Ländern der Referenzgruppe. Mit einem korrigiertem R2 von ca. 0,29 ist die Erklärungskraft dieser Schätzungen deutlich höher als die der entsprechenden Schätzungen ohne regionale Dummyvariablen und erscheint akzeptabel, auch wenn die R2-Werte gegenüber den bei Tsai ermittelten Ergebnissen deutlich abfallen [vgl. Tabelle 16].

| |1.1 |1.2 |1.3 |2.1 |2.2 |2.3 |

|Unabhängige Variable|Koeffizient | | | | | |

| |(p-Wert) | | | | | |

|Konstante |192,285164 |217,380573*** |215,255496*** |183,527214 |228,907458*** |211,390000*** |

| |(0,133) |(0,088) |(0,096) |(0,125) |(0,053) |(0,074) |

|LNPCGP |-46,161274 |-50,997380 |-50,283041 |-40,724418 |-50,837003*** |-44,047115 |

| |(0,163) |(0,116) |(0,130) |(0,188) |(0,091) |(0,147) |

|LNPCGP2 |3,404046 |3,647123*** |3,597615*** |2,944320 |3,511635*** |3,016091 |

| |(0,114) |(0,083) |(0,095) |(0,144) |(0,071) |(0,127) |

|FDIS |0,061749 |0,066762 |0,065435 |0,027637 |0,043687 |0,031219 |

| |(0,403) |(0,357) |(0,375) |(0,688) |(0,514) |(0,643) |

|GOV |0,204172 |0,270217 |0,272609 |-0,034408 |0,011754 |-0,001301 |

| |(0,391) |(0,264) |(0,265) |(0,884) |(0,960) |(0,996) |

|AGRIL |0,102206 |0,103947 |0,102319 |0,107932*** |0,121299** |0,106898*** |

| |(0,131) |(0,114) |(0,130) |(0,088) |(0,047) |(0,084) |

|TRADE |-0,041469 |-0,041149 |-0,040279 |-0,040298 |-0,043858*** |-0,034557 |

| |(0,138) |(0,124) |(0,149) |(0,123) |(0,076) |(0,178) |

|GPCGP |-0,678474** |-0,716075** |-0,715785** |-0,482062 |-0,547584*** |-0,545986*** |

| |(0,030) |(0,021) |(0,022) |(0,101) |(0,060) |(0,060) |

|SEC |0,021388 | |-0,007354 |-0,011643 | |-0,076439 |

| |(0,706) | |(0,905) |(0,831) | |(0,223) |

|LIT | |-0,073141 |-0,076085 | |-0,090572 |-0,133642** |

| | |(0,208) |(0,231) | |(0,119) |(0,050) |

|Beobachtungen |82 |82 |82 |75 |75 |75 |

|F-Statistik |1,931*** |2,153** |1,890*** |1,793*** |2,165** |2,107** |

|Korr. R2 |0,084 |0,102 |0,090 |0,079 |0,112 |0,119 |

| | | | | | | |

| |3.1 |3.2 |3.3 |4.1 |4.2 |4.3 |

|Konstante |161,286056 |185,240244 |171,305530 |158,777211 |183,253612 |169,822974 |

| |(0,230) |(0,158) |(0,194) |(0,242) |(0,166) |(0,202) |

|LNPCGP |-34,608630 |-38,645763 |-33,326612 |-34,289649 |-38,383834 |-33,171383 |

| |(0,322) |(0,253) |(0,331) |(0,331) |(0,260) |(0,337) |

|LNPCGP2 |2,586953 |2,745926 |2,359684 |2,575063 |2,736361 |2,356234 |

| |(0,258) |(0,213) |(0,292) |(0,264) |(0,219) |(0,297) |

|FDIS |-0,004037 |0,004306 |-0,000588 |-0,013128 |-0,001738 |-0,005532 |

| |(0,959) |(0,955) |(0,994) |(0,873) |(0,983) |(0,945) |

|GOV |-0,362653 |-0,268559 |-0,268913 |-0,303052 |-0,231213 |-0,238011 |

| |(0,213) |(0,352) |(0,352) |(0,356) |(0,474) |(0,462) |

|AGRIL |0,132033** |0,141147** |0,131617** |0,128702*** |0,138850** |0,129828** |

| |(0,043) |(0,026) |(0,040) |(0,052) |(0,031) |(0,046) |

|TRADE |-0,040902 |-0,059744 |-0,056149 |-0,034268 |-0,055133 |-0,052375 |

| |(0,524) |(0,346) |(0,377) |(0,608) |(0,405) |(0,430) |

|GPCGP |-0,990470* |-1,081600* |-1,056071* |-0,973780* |-1,069338* |-1,046222* |

| |(0,007) |(0,003) |(0,004) |(0,009) |(0,004) |(0,005) |

|SEC |-0,005081 | |-0,061517 |-0,005125 | |-0,060806 |

| |(0,930) | |(0,346) |(0,930) | |(0,356) |

|LIT | |-0,095744 |-0,127570*** | |-0,094182 |-0,125909*** |

| | |(0,124) |(0,074) | |(0,136) |(0,082) |

|Beobachtungen |63 |63 |63 |62 |62 |62 |

|F-Statistik |2,243** |2,647** |2,449** |2,000*** |2,373** |2,200** |

|Korr. R2 |0,138 |0,175 |0,174 |0,116 |0,153 |0,150 |

Tabelle 17: Eigene Ergebnisse mit 82 Beobachtungen zum Vergleich mit Tabelle 1 aus Tsai (1995), S. 476. Abhängige Variable ist der Gini-Koeffizient.

Werden die Schätzungen für Teilstichprobe 2 durchgeführt, kann keines der zuvor gewonnenen Ergebnisse durchgehend bestätigt werden: LNPCGP ist nur in Schätzung 2.2 schwach signifikant negativ, LNPCGP2 nur in 2.1 und 2.2 schwach signifikant positiv, genauso wie AGRIL. LIT ist nur in 2.3 schwach signifikant negativ und selbst LA weist nur in 2.1 einen schwach signifikanten Schätzer auf. Auch die Erklärungskraft bleibt mit einem korrigierten R2 von ca. 0,23 deutlich hinter der der Schätzungen 1.1 – 1.3 zurück.

Für Teilstichprobe 3 [vgl. Tabelle 19] ergibt sich ein durchgängiges Ergebnis: AGRIL ist signifikant (3.1 und 3.2) bzw. schwach signifikant (3.3) positiv. Des Weiteren zeigt sich LIT in 3.3 schwach signifikant negativ und ebenso ASFDIS in 3.1 und 3.3, was auf einen insgesamt ungleichheitsvermindernden Effekt von FDI in Ost- und Südostasien hinweist. Die Erklärungskraft dieser Ergebnisse ist mit einem Wert des korrigierten R2 von ca. 0,36 so, dass diese interpretierbar sind, fallen aber wiederum gegenüber Tsai stark ab.

| |1.1 |1.2 |1.3 |2.1 |2.2 |2.3 |

|Unabhängige Variable|Koeffizient | | | | | |

| |(p-Wert) | | | | | |

|Konstante |231,243493*** |238,917588** |235,618965*** |215,949634*** |240,185316** |226,483927*** |

| |(0,055) |(0,047) |(0,052) |(0,067) |(0,039) |(0,051) |

|LNPCGP |-56,366941*** |-57,946731*** |-56,775564*** |-48,367784 |-52,640010*** |-45,808982 |

| |(0,070) |(0,060) |(0,070) |(0,113) |(0,077) |(0,125) |

|LNPCGP2 |3,863458*** |3,947673** |3,865332*** |3,278008*** |3,485249*** |2,971723 |

| |(0,057) |(0,049) |(0,058) |(0,099) |(0,072) |(0,127) |

|FDIS |0,100285 |0,104711 |0,101709 |0,025543 |0,035211 |0,012407 |

| |(0,168) |(0,145) |(0,165) |(0,731) |(0,624) |(0,865) |

|GOV |0,370749 |0,389226 |0,393481 |0,120838 |0,102957 |0,039107 |

| |(0,131) |(0,118) |(0,117) |(0,650) |(0,695) |(0,882) |

|AGRIL |0,149301** |0,151612** |0,148242** |0,110034*** |0,114395*** |0,088797 |

| |(0,020) |(0,016) |(0,021) |(0,083) |(0,061) |(0,159) |

|TRADE |0,008919 |0,006506 |0,008289 |-0,014187 |-0,023676 |-0,016145 |

| |(0,778) |(0,834) |(0,795) |(0,657) |(0,447) |(0,606) |

|GPCGP |-0,395655 |-0,413911 |-0,410785 |-0,051258 |-0,082786 |-0,029619 |

| |(0,213) |(0,194) |(0,201) |(0,877) |(0,799) |(0,927) |

|SEC |-0,005542 | |-0,014514 |-0,022047 | |-0,085162 |

| |(0,914) | |(0,791) |(0,669) | |(0,163) |

|LIT | |-0,023992 |-0,029258 | |-0,084184 |-0,142720*** |

| | |(0,668) |(0,624) | |(0,188) |(0,063) |

|LA |15,004366* |14,878606* |14,851557* |8,308005*** |6,762858 |4,984933 |

| |(0,000) |(0,000) |(0,000) |(0,060) |(0,134) |(0,283) |

|AS |5,672526 |5,175769 |5,200849 |-2,132654 |-4,972615 |-6,788592 |

| |(0,139) |(0,189) |(0,190) |(0,634) |(0,312) |(0,180) |

|LAFDIS |-0,283491 |-0,299094 |-0,294797 |-0,088811 |-0,118208 |-0,070582 |

| |(0,120) |(0,102) |(0,111) |(0,637) |(0,518) |(0,702) |

|ASFDIS |-0,215141 |-0,206286 |-0,206909 |-0,046040 |-0,003873 |0,015708 |

| |(0,147) |(0,166) |(0,167) |(0,763) |(0,980) |(0,918) |

|Beobachtungen |82 |82 |82 |75 |75 |75 |

|F-Statistik |3,762* |3,786* |3,453* |2,683* |2,883* |2,857* |

|Korr. R2 |0,290 |0,292 |0,282 |0,214 |0,234 |0,246 |

Tabelle 18: Eigene Ergebnisse für 82 Beobachtungen, nachempfunden Tabelle 2 aus Tsai (1995), S. 478. Abhängige Variable ist der Gini-Koeffizient (Teil 1).

In Bezug auf die Signifikanz einzelner Koeffizienten bestätigt Teilstichprobe 4 exakt die Ergebnisse von Teilstichprobe 3, lediglich die Erklärungskraft ist etwas geringer.[122]

| |3.1 |3.2 |3.3 |4.1 |4.2 |4.3 |

|Unabhängige Variable|Koeffizient | | | | | |

| |(p-Wert) | | | | | |

|Konstante |137,963066 |155,380012 |137,441459 |138,892874 |156,570306 |138,919751 |

| |(0,254) |(0,191) |(0,244) |(0,255) |(0,193) |(0,244) |

|LNPCGP |-25,068774 |-27,696161 |-19,606360 |-25,147590 |-27,825147 |-19,670382 |

| |(0,423) |(0,365) |(0,523) |(0,427) |(0,368) |(0,525) |

|LNPCGP2 |1,690968 |1,794589 |1,197006 |1,691361 |1,797561 |1,192047 |

| |(0,408) |(0,368) |(0,552) |(0,413) |(0,372) |(0,557) |

|FDIS |0,021759 |0,030514 |0,021370 |0,026687 |0,035930 |0,029232 |

| |(0,779) |(0,690) |(0,778) |(0,746) |(0,658) |(0,716) |

|GOV |-0,237712 |-0,214752 |-0,274986 |-0,265526 |-0,244443 |-0,319805 |

| |(0,411) |(0,448) |(0,332) |(0,414) |(0,442) |(0,316) |

|AGRIL |0,124969** |0,128882** |0,107256*** |0,126853** |0,131011** |0,110063*** |

| |(0,047) |(0,035) |(0,084) |(0,049) |(0,037) |(0,082) |

|TRADE |-0,055473 |-0,076149 |-0,079685 |-0,058903 |-0,080002 |-0,085434 |

| |(0,336) |(0,194) |(0,171) |(0,333) |(0,197) |(0,165) |

|GPCGP |-0,289344 |-0,350894 |-0,266873 |-0,297248 |-0,360150 |-0,279236 |

| |(0,458) |(0,357) |(0,483) |(0,452) |(0,353) |(0,470) |

|SEC |-0,027643 | |-0,087603 |-0,028076 | |-0,088973 |

| |(0,594) | |(0,149) |(0,592) | |(0,148) |

|LIT | |-0,080631 |-0,140661*** | |-0,081072 |-0,142252*** |

| | |(0,217) |(0,069) | |(0,219) |(0,069) |

|LA |6,185537 |4,792700 |2,899677 |6,171466 |4,772394 |2,840048 |

| |(0,152) |(0,279) |(0,524) |(0,157) |(0,285) |(0,536) |

|AS |0,672589 |-1,851734 |-3,570005 |0,835291 |-1,690270 |-3,358283 |

| |(0,886) |(0,715) |(0,489) |(0,863) |(0,744) |(0,522) |

|LAFDIS |0,094177 |0,060740 |0,100796 |0,097781 |0,064259 |0,106623 |

| |(0,622) |(0,745) |(0,589) |(0,614) |(0,734) |(0,573) |

|ASFDIS |-0,394121*** |-0,364099 |-0,375880*** |-0,404602*** |-0,375155 |-0,392403*** |

| |(0,081) |(0,102) |(0,089) |(0,085) |(0,104) |(0,087) |

|Beobachtungen |63 |63 |63 |62 |62 |62 |

|F-Statistik |3,744* |3,945* |3,891* |3,476* |3,669* |3,634* |

|Korr. R2 |0,347 |0,363 |0,377 |0,328 |0,344 |0,360 |

Tabelle 19: Eigene Ergebnisse für 82 Beobachtungen, nachempfunden Tabelle 2 aus Tsai (1995), S. 478. Abhängige Variable ist der Gini-Koeffizient (Teil 2).

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse mit und ohne regionale Variablen (Tabellen 17-19) muss zunächst zusammenfassend festgestellt werden: Diese Ergebnisse und ihre Interpretation reichen für solide Aussagen nicht aus! Einzig der fast durchgehend gemessene positive Einfluss landwirtschaftlicher Beschäftigung auf die Ungleichheit wird deutlich (AGRIL  0). Dies ist zunächst unplausibel, da mit der Alphabetisierung auch die Chancen größerer Bevölkerungsschichten auf höhere Einkommen steigen. Diese für viele erweiterten Möglichkeiten der Einkommenserzielung sollten theoretisch zu einer gleichmäßigeren Einkommensverteilung führen. Evtl. ergeben sich aber auch mit steigender Alphabetisierung Impulse zur Spreizung der Einkommens-verteilung, die eine solche Wirkung begründen. Lateinamerika weist eine höhere Ungleichheit auf als die Länder der Referenzgruppe (LA > 0). Schließlich scheinen sich FDI in Ost- und Südostasien einkommensnivellierender auszuwirken als in der Referenzgruppe (ASFDIS  100 oder FDIS  100) bereinigten Teilstichprobe (52 Beobachtungen, Schätzungen 3.1 – 3.3) steigt die Erklärungskraft gemessen am korrigierten R2 und an der F-Statistik wieder an. Die Aussagen der ersten beiden Teilstichproben zu LNPCGP und LNPCGP2 werden bestätigt. Das kurzfristige Wirtschaftswachstum (GPCGP) erweist sich zudem als hochsignifikant negativ und die Analphabetenquote (LIT) ist signifikant (Schätzung 3.2) bzw. schwach signifikant (Schätzung 3.3) negativ (ungleichheitsmindernd).

Nicht überraschend ist, dass die vierte Teilstichprobe (51 Beobachtungen, Schätzungen 4.1 – 4.3) diese Aussagen bestätigt, da im Vergleich zur dritten Stichprobe nur eine Beobachtung gestrichen wird, bei der der staatliche Konsum (GOV) mehr als 23 Prozent vom BIP beträgt.

Zusammenfassend muss zu den Ergebnissen aus Tabelle 20 festgestellt werden, dass sie eine relativ geringe Erklärungskraft haben (gemessen am korrigierten R2 und an der F-Statistik). Die Ergebnisse dieser Tabelle reichen daher allein nicht aus, solide Aussagen zu treffen. Robust zeigen sich in diesem Rahmen PKE und kurzfristiges Wirtschaftswachstum. Die Ergebnisse von LNPCGP und LNPCGP2 weisen darauf hin, dass ein höheres PKE mit geringerer Ungleichheit einhergeht, dieser Effekt aber mit steigendem PKE schwächer wird. Länder, die höheres kurzfristiges Wachstum aufweisen, sind außerdem durch geringere Ungleichheit gekennzeichnet. Zudem scheint die Analphabetenrate einen nivellierenden Einfluss auf die Einkommensverteilung zu haben.

In den Tabellen 21 und 22 sind die Ergebnisse der um Regional- und Interaktionsvariablen erweiterten Schätzungen aufgeführt.

In der ersten Teilstichprobe (Schätzungen 1.1 – 1.3) bestätigen sich die Ergebnisse zu den beiden PKE-Koeffizienten, die signifikant negativ (LNPCGP) bzw. positiv (LNPCGP2) sind. Mit einer Ausnahme bleiben alle anderen Koeffizienten insignifikant: Die Dummyvariable für Lateinamerika (LA) ist hochsignifikant positiv. Dort ist die Ungleichheit deutlich größer als in der Referenzgruppe. Durch die Hereinnahme der vier zusätzlichen Variablen lässt sich die Erklärungskraft (gemessen an korrigiertem R2 und F-Statistik) im Vergleich zu den Schätzungen in Tabelle 20 deutlich erhöhen.

In der zweiten Teilstichprobe sind die PKE-Koeffizienten jeweils signifikant (Schätzung 2.2) oder schwach signifikant (Schatzungen 2.1 und 2.3). In den anderen beiden Teilstichproben bleiben auch diese insignifikant. Dafür zeigt der negative Koeffizient der Analphabetenrate (LIT) signifikante (Schätzungen 2.2 und 2.3) bzw. schwach signifikante (Schätzungen 3.2, 3.3, 4.2 und 4.3) Ergebnisse, welche die in Tabelle 20 angedeutete einkommensnivellierende Wirkung von höheren Analphabetenraten unterstützen.

| |1.1 |1.2 |1.3 |2.1 |2.2 |2.3 |

|Unabhängige Variable|Koeffizient | | | | | |

| |(p-Wert) | | | | | |

|Konstante |396,111550* |411,267223* |430,269431* |329,429732** |366,568262** |362,041707** |

| |(0,009) |(0,007) |(0,005) |(0,029) |(0,012) |(0,015) |

|LNPCGP |-100,036641** |-100,926527* |-107,004152* |-80,110492** |-85,724977** |-84,188429** |

| |(0,011) |(0,010) |(0,007) |(0,042) |(0,022) |(0,029) |

|LNPCGP2 |6,867499* |6,838356* |7,240140* |5,496104** |5,705814** |5,599455** |

| |(0,008) |(0,007) |(0,005) |(0,034) |(0,019) |(0,026) |

|FDIS |0,075583 |0,070600 |0,081672 |0,044113 |0,049965 |0,047547 |

| |(0,304) |(0,331) |(0,266) |(0,547) |(0,471) |(0,503) |

|GOV |0,120824 |0,222864 |0,217515 |0,035380 |0,109832 |0,104873 |

| |(0,652) |(0,423) |(0,434) |(0,899) |(0,683) |(0,701) |

|AGRIL |0,069138 |0,056452 |0,066312 |0,074158 |0,073485 |0,072080 |

| |(0,329) |(0,419) |(0,347) |(0,289) |(0,271) |(0,288) |

|TRADE |0,003327 |0,008852 |0,001074 |-0,018927 |-0,021751 |-0,020660 |

| |(0,940) |(0,838) |(0,980) |(0,672) |(0,609) |(0,634) |

|GPCGP |-0,528302*** |-0,565545*** |-0,551352*** |-0,427958 |-0,474891 |-0,477405 |

| |(0,092) |(0,071) |(0,078) |(0,173) |(0,117) |(0,119) |

|SEC |0,094916 | |0,066965 |0,058161 | |-0,013720 |

| |(0,114) | |(0,293) |(0,349) | |(0,844) |

|LIT | |-0,104540*** |-0,080020 | |-0,139693** |-0,146871** |

| | |(0,089) |(0,220) | |(0,026) |(0,045) |

|Beobachtungen |64 |64 |64 |59 |59 |59 |

|F-Statistik |2,349** |2,417** |2,279** |1,293 |1,935*** |1,692 |

|Korr. R2 |0,146 |0,153 |0,155 |0,039 |0,114 |0,097 |

| | | | | | | |

| |3.1 |3.2 |3.3 |4.1 |4.2 |4.3 |

|Konstante |294,728613** |324,233416** |324,040746** |298,814800** |325,104226** |326,508908** |

| |(0,045) |(0,021) |(0,025) |(0,043) |(0,022) |(0,025) |

|LNPCGP |-71,096408*** |-74,745361** |-74,681354** |-72,958105*** |-75,622407** |-76,094551** |

| |(0,064) |(0,039) |(0,046) |(0,059) |(0,038) |(0,044) |

|LNPCGP2 |4,985046** |5,069819** |5,065429** |5,122849** |5,142990** |5,175499** |

| |(0,047) |(0,032) |(0,039) |(0,043) |(0,031) |(0,037) |

|FDIS |-0,012608 |-0,003708 |-0,003759 |-0,031475 |-0,019643 |-0,019416 |

| |(0,873) |(0,961) |(0,961) |(0,704) |(0,806) |(0,811) |

|GOV |-0,269527 |-0,151549 |-0,151794 |-0,138172 |-0,050805 |-0,048088 |

| |(0,376) |(0,610) |(0,615) |(0,691) |(0,880) |(0,888) |

|AGRIL |0,098669 |0,092388 |0,092350 |0,091356 |0,086344 |0,086568 |

| |(0,153) |(0,163) |(0,169) |(0,191) |(0,199) |(0,204) |

|TRADE |-0,022179 |-0,038882 |-0,038850 |-0,005265 |-0,024462 |-0,024556 |

| |(0,759) |(0,578) |(0,583) |(0,944) |(0,740) |(0,742) |

|GPCGP |-1,013968* |-1,041553* |-1,041458* |-0,972110** |-1,006131* |-1,006489* |

| |(0,007) |(0,004) |(0,005) |(0,011) |(0,007) |(0,007) |

|SEC |0,056798 | |-0,000571 |0,060493 | |0,004139 |

| |(0,376) | |(0,993) |(0,350) | |(0,953) |

|LIT | |-0,132109** |-0,132372*** | |-0,130383** |-0,128461*** |

| | |(0,042) |(0,070) | |(0,046) |(0,081) |

|Beobachtungen |52 |52 |52 |51 |51 |51 |

|F-Statistik |2,242** |2,870** |2,492** |2,104*** |2,676** |2,323** |

|Korr. R2 |0,163 |0,227 |0,208 |0,150 |0,211 |0,192 |

Tabelle 20: Eigene Ergebnisse mit 64 Beobachtungen zum Vergleich mit Tabelle 1 aus Tsai (1995), S. 476. Abhängige Variable ist der Gini-Koeffizient.

Fasst man die Ergebnisse der Tabellen 20, 21 und 22 zusammen, muss man feststellen, dass sich nach Einführung der Regional- und Interaktionsvariablen von den solide scheinenden Ergebnissen aus Tabelle 20 keine Aussage als vollständig robust erweist. In Tabelle 20 ergibt sich die klare Aussage, dass sich die Ungleichheit mit steigendem Einkommen verringert (LNPCGP 0). Dieser Zusammenhang ist allerdings nicht mehr feststellbar, wenn regionale Dummyvariablen eingeführt und Länder mit sehr viel Außenhandel aus der Stichprobe gestrichen werden [vgl. Tabelle 22]. Als nicht robust erweist sich nach Anfügung der Regional- und Interaktionsvariablen außerdem das kurzfristige Wirtschaftswachstum, für das sich in Tabelle 20 ein einkommensnivellierender Effekt gezeigt hatte (GPCGP  0 ist z.T. signifikant, aber nicht robust). Nur die Analphabetenquote behält in den meisten Schätzungen ihre Signifikanz für den negativen Koeffizienten (LIT  100 oder FDIS  0), für das kurzfristige Wirtschaftswachstum, das mit geringerer Ungleichheit einhergeht (GPCGP  ................
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